Der älteste Bad Boy der Welt Biologen haben 300 Millionen ... · Geologen Dr. Robert Beattie die...

3
URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170721_badboy.pdf Der älteste "Bad Boy" der Welt Biologen haben 300 Millionen Jahre alten, "modernen" Käfer aus Australien rekonstruiert Foto: Jan-Peter Kasper/FSU Der Insektenpaläontologe Dr. Evgeny V. Yan vor der Computerrekonstruktion des 300 Millionen Jahre alten Käfers. Er ist Australier, etwa einen halben Zentimeter groß, recht unscheinbar, 300 Millionen Jahre alt - und versetzt Zoologen und Paläontologen derzeit gleichermaßen in Erstaunen. Ein Käferfund aus dem ausgehenden Erdaltertum (oberes Perm), dem Zeitalter, in dem noch nicht einmal die Dinosaurier auf der Bildfläche erschienen waren, wirft gerade ein völlig neues Licht auf die früheste Entfaltung in dieser Insektengruppe. Die Rekonstruktion und Merkmalsinterpretation von "Ponomarenkia belmonthensis" ist Prof. Dr. Rolf Beutel und Dr. Evgeny V. Yan von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) gelungen. Sie haben gemeinsam mit dem renommierten Käferforscher Dr. John Lawrence und dem australischen Der älteste "Bad Boy" der Welt 1

Transcript of Der älteste Bad Boy der Welt Biologen haben 300 Millionen ... · Geologen Dr. Robert Beattie die...

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170721_badboy.pdf

Der älteste "Bad Boy" der Welt

Biologen haben 300 Millionen Jahre alten, "modernen" Käfer ausAustralien rekonstruiert

Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

Der Insektenpaläontologe Dr. Evgeny V. Yan vor der Computerrekonstruktion des 300 MillionenJahre alten Käfers.

Er ist Australier, etwa einen halben Zentimeter groß, recht unscheinbar, 300 Millionen Jahre alt -und versetzt Zoologen und Paläontologen derzeit gleichermaßen in Erstaunen. Ein Käferfund ausdem ausgehenden Erdaltertum (oberes Perm), dem Zeitalter, in dem noch nicht einmal dieDinosaurier auf der Bildfläche erschienen waren, wirft gerade ein völlig neues Licht auf die frühesteEntfaltung in dieser Insektengruppe.

Die Rekonstruktion und Merkmalsinterpretation von "Ponomarenkia belmonthensis" ist Prof. Dr.Rolf Beutel und Dr. Evgeny V. Yan von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) gelungen. Siehaben gemeinsam mit dem renommierten Käferforscher Dr. John Lawrence und dem australischen

Der älteste "Bad Boy" der Welt 1

Geologen Dr. Robert Beattie die Entdeckung in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Journalof Systematic Palaeontology" publiziert. Beattie war es, der die einzigen zwei bekannten fossilenStücke des Käfers in einem ehemaligen Sumpfgebiet in Belmont, Australien, entdeckt hatte.

"Die Käfer, die heute mit knapp 400.000 beschriebenen Arten fast ein Drittel aller bekanntenOrganismen ausmachen, haben im Perm noch ein Schattendasein geführt", erklärt der JenaerZoologe Beutel. "Die bisher bekannten Fossilien waren 'altertümlichen' Käfern zuzuordnen, die sichunter der Rinde von Nadelbäumen aufgehalten haben. Sie weisen eine ganze Reihe'ursprünglicher' Merkmale auf, etwa noch nicht vollständig verhärtete Deckflügel oder eine dicht mitkleinen Höckern besetzte Körperoberfläche."

Früheste Form des "modernen" Käfers

Die nun entdeckte Art der neu eingeführten Familie Ponomarenkiidae hingegen kann trotz ihresbemerkenswerten Alters als "moderner" Käfer bezeichnet werden. Neuartige Merkmale sind dieperlschnurartigen Antennen, Antennengruben und der ungewöhnlich schmale, spitz zulaufendeHinterleib. Im Gegensatz zu bislang bekannten Käfern des Perm sind darüber hinaus dieDeckflügel durchgehend verhärtet, die Körperoberfläche ist weitgehend glatt und die für dieFortbewegung zuständigen Brustsegmente weisen moderne Merkmale auf, erklärtInsektenpaläontologe Yan. Zudem habe der kleine Käfer anscheinend den vormals bevorzugtenAufenthalt unter Rinde aufgegeben und auf Pflanzen eine deutlich exponiertere Lebensweisegeführt als seine Zeitgenossen. Wesentlich ist, dass sich die Gattung aufgrund ihrer Kombinationursprünglicher und moderner Merkmale in keine der vier noch lebenden Käfergroßgruppeneinordnen lässt, weshalb Yan und Beutel ihr den Beinamen "Bad Boy" gegeben haben.

"Ponomarenkia belmonthensis zeigt vor allem, dass die ersten wesentlichenAufspaltungsereignisse in der Evolution der Käfer schon vor dem Permisch-TriassischenMassenaussterben stattgefunden haben", berichtet Rolf Beutel. Die Käfer als Ganzes habendieses dramatische Geschehen inklusive Versauerung der Meere und massiver Vulkaneruptionenwesentlich besser überstanden als die meisten anderen Organismengruppen - vermutlich durchdas Leben an Land und das verstärkte Außenskelett. Der "Bad Boy" jedoch hatte kein Glück: Esgibt im Erdmittelalter keinerlei Spuren mehr von seiner Existenz.

Namen zu Ehren eines bedeutenden Paläontologen

Gattung und Familie haben die Wissenschaftler von der Universität Jena dem MoskauerPaläontologen Prof. Dr. Alexander G. Ponomarenko gewidmet. Er prägt die Paläontologie derKäfer seit Jahrzehnten und ist der Doktorvater von Evgeny V. Yan. Dieser wurde von derRussischen Akademie der Wissenschaften promoviert, war fünf Jahre Postdoktorand an derChinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing und forscht seit Juni 2016 als von derAlexander von Humboldt-Stiftung geförderter Gastwissenschaftler am Phyletischen Museum derFriedrich-Schiller-Universität. Yans aufwendigen Rekonstruktionen am Computer sind die genauenEinblicke in den "Ponomarenkia belmonthensis" zu verdanken.

In einer ersten Phase wurden die zwei Käfer als Abdrücke auf Steinen etwa 40 Mal fotografiert."Diese Fotoreihe hat eine akkurate 2D-Rekonstruktion ermöglicht, die die Deformationen amOriginalfossil ausgleichen konnte. Damit konnten wir uns dem tatsächlichen Käfer schon nähern",erläutert der Paläontologe. Basierend auf präzisen Zeichnungen und mit einem speziellenComputerprogramm, das auch für Animationen und Computerspiele eingesetzt wird, entstand einaussagekräftiges 3D-Modell. "Die 3D-Rekonstruktion erlaubt auch Rückschlüsse auf dieFortbewegung und Lebensweise der Käfer", so Dr. Yan. Diese Art der Visualisierung und die

Biologen haben 300 Millionen Jahre alten, "modernen" Käfer ausAustralien rekonstruiert 2

analytischen Verfahren, in die er auch hypothetische Vorfahren der Käfer einbezieht, hat er seitseiner Ankunft in Jena entwickelt. "Bereits bei drei neu entdeckten, außergewöhnlich altenKäferarten konnten wir das Verfahren anwenden", freut sich Prof. Beutel. "Damit sind wir derEntschlüsselung der frühesten Evolution einer extrem erfolgreichen Tiergruppe wesentlich nähergekommen."

Original-Publikation:Evgeny Viktorovich Yan, John Francis Lawrence, Robert Beattie & Rolf Georg Beutel: "At the dawnof the great rise: †Ponomarenkia belmonthensis (Insecta: Coleoptera), a remarkable new LatePermian beetle from the Southern Hemisphere", Journal of Systematic Palaeontology (2017),http://dx.doi.org/10.1080/14772019.2017.1343259

Kontakt:Dr. Evgeny V. YanInstitut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der UniversitätJenaErbertstr. 1, 07743 JenaE-Mail: [email protected]

(ab 2. August 2017):Prof. Dr. Rolf BeutelInstitut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der UniversitätJenaErbertstr. 1, 07743 JenaTel.: 03641 / 949153E-Mail: [email protected]

Biologen haben 300 Millionen Jahre alten, "modernen" Käfer ausAustralien rekonstruiert 3