Der Campus – Lebensraum für Mensch und Natur · Weiß- und Rot-Klee (Trifolium repens und...

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  • Der Campus – Lebensraum für Mensch und NaturDer Campus der TU Bergakademie Freiberg erfüllt vielfältige Funktionen: Er bietet nicht nur die für Lehre und Forschung erforderliche In-frastruktur und ist Arbeitsstätte wie Erholungsraum für Mitarbeiter und Studierende, sondern stellt auch den Lebensraum für eine vielfältige Natur dar. Neben den für jeden Betrachter auffälligen arten- und blütenreichen Wiesen beherbergt der Campus eine hohe Vielfalt an Ge-hölzen und mit den angrenzenden Teichen und ungenutzten Flächen, darunter sogar kleine Haldenflächen, auch Gewässer und Brachen.

    In verschiedenen Untersuchungen dokumentiert die AG Biologie/Ökologie am Institut für Biowissenschaften seit vielen Jahren die biolo-gische Vielfalt oder Biodiversität des Campus an der Leipziger Straße. Bei der „biologischen Campus-Inventur“ wurden bis jetzt über 1.000 Arten an Tieren, Pflanzen, Pilzen und Flechten festgestellt. Die besondere Vielfalt unseres Campus zeigt sich zum Beispiel darin, dass es schwerfällt, im Umkreis von Freiberg Wiesen zu finden, die einen vergleichbar hohen Artenreichtum aufweisen. Die Ursachen für die Vielfalt sind in der Nutzungsgeschichte der Campusflächen zu suchen: Viele Flächen konnten sich über Jahrzehnte ungestört entwickeln, denn neben einer regelmäßigen Mahd waren sie weder von starken Düngergaben noch von Baumaßnahmen betroffen. Auf zahlreichen Wiesen konnten sich Arten ansiedeln, die besonders an nährstoffarme Verhältnisse angepasst sind. Als Folge präsentieren sich die Campuswiesen als ein Mosaik wertvoller Grünlandtypen, die mit unterschiedlichen farbenprächtigen Blühaspekten das Auge des Betrachters erfreuen. Künf-tig gilt es, diese Vielfalt durch einen möglichst schonenden Umgang bei erforderlichen Baumaßnahmen und einer angepassten Nutzung zu erhalten.

    Das attraktive Erscheinungsbild des Grünlands des Campus wird bereichert durch die zahlreichen, markanten Einzelgehölze bzw. lockeren Baumgruppen. Hierbei handelt es sich überwiegend um heimische Arten wie Berg- und Spitz-Ahorn, Hänge-Birke, Vogelbeere, Winter- und Sommer-Linde, wohingegen die Gebüsche häufig aus Ziergehölzen aufgebaut sind.

    Mit unserer kleinen Broschüre soll sowohl den Studierenden und Mitarbeitern der TU Bergakademie Freiberg als auch der FreibergerÖffentlichkeit und Gästen der TU-Campus als artenreicher Lebensraum in Wort und Bild vorgestellt werden. Entdecken Sie also die vielfältige Natur unseres Campus!

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  • Die Grünlandtypen des CampusDen flächenmäßig höchsten Anteil des Campusgeländes und seines direkten Umlands bilden die verschiedenen Grünlandtypen: Magere Wiesen und Rasen; nährstoffreichere, mesophile Wiesen; Uferbereiche der Gewässer; Hochstaudenfluren; Brachen, Ruderal- und Trittflächen.Auf den folgenden Seiten geben wir einen kurzen Überblick über Lebensräume und die auf unserem Campus vorkommenden typischen Arten.

    Lebensraum Magerrasen und mesophile WiesenDie nährstoffarmen Magerwiesen und -rasen des Campus weisen einen niedrigeren Wuchs auf als die nährstoffreicheren mesophilen Wie-sen. Erstere wurden in der Vergangenheit bis zu sechs Mal im Jahr gemäht und nicht gedüngt, wodurch ihre Nährstoffarmut zu erklären ist. Kleinflächig sind sie entlang zahlreicher Hausfronten ausgebildet, größere Flächen nehmen sie beispielsweise zwischen Humboldt- und Meißer-Bau [1] bzw. um den Gellert-Bau [2] herum ein. Für die niedrigwüchsigen Bestände sind höhere Anteile von Gräsern wie Wiesen-Ruchgras (Anthoxanthum odoratum), Rot-Schwingel (Festuca rubra) und Rotes Straußgras (Agrostis capillaris) charakteristisch. Begleitet werden diese von Arten, die auf nährstoffarme Verhältnisse hinweisen, wie Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella) (s. rechts), Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Herbst-Löwenzahn (Leontodon autumnalis), Ferkelkraut (Hypochoeris radicata) und Orangerotes Ha-bichtskraut (Hieracium aurantiacum) (z. B. um den Winkler-Bau vorherrschend [3]). Für die nährstoffärmsten Flächen sind Schaf-Schwingel (Festuca ovina), Hopfenklee (Medicago lupulina) und Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia) kennzeichnend (z. B. West- und Südseite Meißer-Bau [4]).

    Die meisten übrigen Wiesen sind nährstoffreicher, wobei die größte der mesophilen Wiesen vor dem Winkler-Bau zu finden ist [5]. Die Wiesen wurden in der Vergangenheit zwei bis drei Mal im Jahr gemäht und zum Teil ein Mal gedüngt. Für kurze Zeit wurde die Wiese vor dem Winkler-Bau sogar mit Rindern beweidet. Aufgrund der historischen Nutzung sind die Wiesen des Campus im Vergleich zum Wirt-schaftsgrünland in der Umgebung relativ artenreich. Typische Arten sind hochwüchsige Obergräser wie Glatthafer (Arrhenatherum elatius), Knäulgras (Dactylis glomerata) und Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis), begleitet durch kürzere Untergräser wie Rotes Straußgras (Agrostis tenuis) und Rot-Schwingel. Daneben kommen zahlreiche krautige Arten vor wie Gemeiner Löwenzahn (Taraxacum officinale), Weiß- und Rot-Klee (Trifolium repens und Trifolium pratense), die für etwas nährstoffreichere Böden typisch sind.

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    reichere Böden typisch sind.offr

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    Lebensraum Mageres Grünland

    Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella)Das niedrigwüchsige Kleine Habichts-kraut, auch Mausohr genannt, kommt auf dem Campus vor allem auf nähr-stoffarmen und besonnten Standorten vor, wie z. B. an Wiesenrändern vor dem Karl-Kegel-Bau [6], am Meißer-Bau [4] oder dem Winkler-Bau [3].

    Die Blätter der flach dem Erdboden anliegenden Rosette sind auf der Blattunterseite auffallend weißfilzig behaart. Bei Trockenheit rollen sie sich ein und die Behaarung schützt das Blatt vor Erwärmung und Verdunstung. Durch die Ausbreitung mittels Ausläufern kann die Art größere Flächen einnehmen und zur Blütezeit im Juni gelbe Teppiche bilden, die von nektarsaugenden Blütenbesuchern unter den Insekten angeflogen werden.

    Gemeiner Bläuling (Polyommatus icarus)Diesen häufigsten einheimischen Bläuling, deren Oberseite schon von weitem leuchtend blau aufblitzt, kann man auf den Campuswiesen auf den nicht zu nährstoffreichen Randbereichen finden (z. B. rechts entlang der Zufahrt zum Winkler-Bau bei [5]). Die Eier werden an verschiedene Schmetterlingsblütler wie Hornklee (Lotus corniculatus) abgelegt, auf denen sich dann die Raupen ent-wickeln (s. Foto unten: Bläuling bei der Eiablage).

    Erdzunge(Geoglossum umbratile)Bei der Erdzunge handelt es sich um einen Pilz der einen besonders markanten Wuchs aufweist. Pilze wurden wegen ihrer sesshaften Lebensweise lange dem Reich der Pflanzen zugeordnet. Heute geht man davon aus, dass sie aufgrund ihrer physiologischen und genetischen Eigenschaften ein eigenes Reich bilden und enger mit Tieren als mit Pflanzen verwandt sind.

    Auf dem Campus kommen besonders im mageren Grünland verschiedenste, oft kleinwüchsige, aber farbenprächtige Pilzarten vor. Die Schwarze Erdzunge kann auf dem Hang vor dem Gellert-Bau [2] gemeinsam mit weiteren Pilzen gefunden werden. Sie bevorzugt vermooste Standorte, die geringe Nährstoffgehalte auf-weisen und deren krautiger Bewuchs lückig und niedrigwüchsig ist.

    Sparriger Runzelbruder (Rhytidiadelphus squarrosus)Der Sparrige Runzelbruder, auch Sparriges Kranzmoos genannt, ist ein weit verbreitetes Moos. Auf dem Campus kommt es in beinahe allen niedrigwüchsigen Rasen vor, z. B.um den Winkler-Bau [3].

    Offensichtlich begünstigt durch häufige Mahd kann es sich an vielen Standorten gegenüber den Gräsern durchsetzen. Auf einigen Flächen hat es sich sogar zur absolut dominanten Art entwickelt, was zur Ausbildung von sehr artenarmen Grünlandbeständen führt. Kennzeichnend für den Runzelbruder sind die aus breit ovalem Grund plötzlich lang zugespitzten Blätter, die in der Mitte deutlich nach unten umschlagen und damit sparrig vom Stämmchen abstehen. Dieses blassgrüne Moos kann stattliche Wuchshöhen von bis zu 15 cm erreichen.

    Ebenfalls zu den Bläulingen gehört der orange-braun gefärbte Kleine Feuer-falter (Lycaena phlaes), der auch auf den Magerwiesen vorkommt und sich an Ampferarten entwickelt.

  • Wiesen-Schaumkraut(Cardamine pratensis)Das zarte Weißrosa der Blüten des Wiesen-Schaumkrautes prägt im Mai das Erscheinungsbild zahlreicher etwas nährstoffreicherer Wiesen des Campus, so z. B. die große Wiese vor dem Winkler-Bau [5]. Die Bezeichnung „Wiesen-Schaumkraut“ bezieht sich wohl auf das häufige Vorkommen von Schaumnestern der Schaumzikaden an dieser Pflanze. Die Blüten sind sehr nektarreich und werden von zahlreichen Insekten bestäubt.

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    Lebensraum Mesophile Wiese

    Ein häufiger Blütenbesucher ist der Aurorafalter (Anthocaris cardamines). Dieser typische Frühjahr-Falter legt seine Eier häufig am Wiesen-Schaumkraut ab, an dem sich die Raupen entwickeln.

    Gewöhnlicher Glatthafer(Arrhenatherum elatius)Der Gewöhnliche Glatthafer kommt auf dem Campus z. B. auf der großen, 2 bis 3 Mal jährlich gemähten Wiese vor dem Winkler-Bau [5], aber auch an verschiedenen Straßen- und Weg-rändern vor. Letztere Standorte kann er besiedeln, da er gut an trockene Böden angepasst ist.

    Charakteristisch für das recht hoch-wüchsige Gras der nährstoffreicheren Wiesen ist die an Spelzen sitzende, häufig leicht geknickte Granne. Glatthafer gilt als ertragreiches Gras zur Heugewinnung, wobei er sehr häufiger Mahd nicht standhält. Dies ist ein Grund dafür, dass in der Freiberger Region nur noch wenige typische Glatthaferwiesen vorkommen, was die hohe naturschutzfachliche Bedeutung der artenreichen Campus-Wiesen unterstreicht.

    BlütenbesucherNeben Tagfaltern wie Bläulingen (s. S. 3) oder Edelfaltern gehören zu den Blü-tenbesuchern der Campuswiesen verschiedene Schwebfliegen (unten links) und andere Zweiflügler, viele Käferarten (unten rechts) und Hautflügler wie Bienen und Schlupfwespen. Der hohe Blütenreichtum ermöglicht dabei eine sehr große Insektenvielfalt.

    Löwenzahn-Rüsselkäfer (Ceutorrhynchus sp.)Der Löwenzahn (Taraxacum officinale) ist eine typische Pflanze der nährstoff-reicheren Wiesen, die den Campus zur Blütezeit im Frühjahr mit einem gelben Blütenmeer überzieht. Nach dem Abfallen der Samen kann man auf dem freien Blütenboden oftmals mehrere Löcher erkennen. Sie gehen auf die Larven des „Löwenzahn-Punk-tier-Käfers“ zurück, die sich zunächst im Blütenboden selbst und später von den reifenden Samen am Ende der fallschirmartigen Früchte der Pusteblume ernähren.

    Im Ökologie-Praktikum wird anhand von Stichproben die Häufigkeit dieses ca. 2 mm kleinen Campusbewohners ermittelt und anschließend das räumliche Ver-teilungsmuster und die Eiablagestrategie mit statistischen Methoden analysiert.

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    Braunes Langohr (Plecotus auritus)Diese sehr standorttreue Fleder-mausart nutzt sowohl Gebäude als auch Baumhöhlen und Nistkästen als Quartiere.

    Kennzeichnend sind die riesigen Oh-ren, die auf dem Foto noch teilweise zusammengelegt sind. Damit können die Tiere ihre Insektennahrung nicht nur im Flug, sondern auch anhand von Raschelgeräuschen in der Vegeta-tion orten. Sie benötigen damit nicht so weit reichende und laute Infraschall-Or-tungsrufe wie andere Fledermäuse. Da die Flüssigkeitsverluste über Ohren und Flughäute sehr hoch sind, müssen Langohren regelmäßig Gewässer zum Trinken aufsuchen. Fledermäuse sind für ihre Körpergröße sehr langlebig, das nachge-wiesene Höchstalter eines Weibchens dieser Art betrug mehr als 30 Jahre.

    Mauersegler (Apus apus)Pünktlich Ende April kehren die Mauersegler aus ihrem Winterquartier in Afrika nach Freiberg zurück, um in Mauerspalten und Gebäudefugen, z. B. unter den Dachrinnen an ver-schiedenen Gebäuden zu brüten. So wird beispielsweise der Winkler-Bau [4] von einer Kolonie Mauersegler zum Brüten genutzt, weshalb der Campus neben den Plattenbau-Bereichen eines der größten Vorkommen im Stadtgebiet von Freiberg besitzt.

    Eindrucksvoll ist der pfeilschnelle und elegante Flug, mit dem sie unter lauten „srieehh-srieehh“-Rufen über den artenreichen Campuswiesen nach fliegenden Insekten jagen. Das geschieht mit geöffnetem Schnabel, der zusammen mit einem Kranz von „Barthaaren“ einen Fangkorb bildet.

    Lebensraum Gebäude Auch die Campus-Gebäude bieten verschiedenen Arten wie Vögeln oder Fledermäusen Brut-, Nist- und Versteckmöglichkeiten. So kommen auf dem Campus allein sieben Fledermausarten vor, die überwiegend ihre Sommerquartiere in Spalten und Fugen von Gebäudeverscha-lungen haben. Auch Pflanzen und Flechten nutzen stellenweise die Gebäude und klettern an ihren Wänden empor oder leben in kleinsten Mauerritzen.

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    Lebensraum GewässerIm Norden des Campus liegen direkt angrenzend die beiden Kronenteiche. Der Obere Teich ist durch einen breiten Röhrichtgürtel und eine großflächige Schwimmblattvegetation mit Teichrose (Nuphar lutea) und anderen Arten gekennzeichnet. Im Zulauf findet sich ein dichter Bestand mit Mädesüß (Filipendula ulmaria). Der Uferbereich des Unteren Kronenteiches ist deutlich weniger gegliedert, weist etwas Schilf-Röhricht auf und hat steilere Uferwände.

    Am Eingang zum Campusgelände von der Stadt aus befindet sich der Schlüsselteich, der Teil einer Kette von Befestigungsteichen ent-lang der Freiberger Stadtmauer ist. Untersuchungen des Planktons und der anderen Gewässerorganismen bei Lehrveranstaltungen oder im Rahmen der Schülerwerbung zeigen, dass jeder der drei „Campus-Teiche“ seine eigene Vielfalt beherbergt.

    Oberer Kronenteich [7] Unterer Kronenteich [8]

    Schlüsselteich [9]

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    Lebensraum Gewässer

    Breitblättriger Rohrkolben (Typha latifolia)Der Rohrkolben kommt in einem breiten Gürtel entlang des Ufers des Oberen Kronenteiches vor. Neben dem Breitblättrigen kann auch der Schmalblättrige Rohrkolben (T. angustifolia) auf dem Campus gefunden werden.

    Rohrkolben werden auch als Lampen-putzer, Schlotfeger oder Kanonenput-zer bezeichnet. Besonderes Kennzei-chen ist der auffallend zweiteilige Blütenstand: Oberhalb des dicken Teils mit den weiblichen Blüten sitzt ein schmaler Blütenstand mit rein männlichen Blüten. Rohrkolben sind als Sumpf- bzw. Wasserpflanzen in der Lage, dichte Bestände zu entwickeln. Allgemein werden sie zur Reinigung von Abwässern insbesondere in Kleinkläranlagen und zur Entgiftung von Boden und Schlamm eingesetzt.

    Tafelente (Aythya ferina)Seit mehreren Jahren brütet ein Pärchen der Tafelente regelmäßig im Röhricht des Oberen Kronenteichs. Während das grau gefärbte Weibchen auf dem Nest sitzt, patrouilliert das braun-grau-schwarze Männchen mit seinen roten Augen wachsam in dessen Nähe.

    Im Gegensatz zur Stockente, die auf dem Schlüsselteich oder den Kreuz-teichen zu finden ist und sich durch Gründeln von der Wasseroberfläche aus ernährt, taucht die Tafelente mit einem kleinen Kopfsprung und sucht am Grund des Teichs ihre Nahrung. Diese besteht aus verschiedenen Wasserpflanzen, Samen oder kleineren Wirbellosen, welche sich in dem relativ nährstoffreichen Gewässer in Hülle und Fülle finden.

    Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula)Diese leuchtend rot gefärbte Kleinlibel-le besiedelt pflanzenreiche, stehende oder langsam fließende Gewässer und kann auf dem Campus an allen drei Teichen sowie am Kronenbach (ober-halb [7]) beobachtet werden.

    Sie ist häufig die erste Libellenart, die Anfang Mai aus der Larve schlüpft. Ihre Hauptflugzeit erstreckt sich in unserem Gebiet bis Mitte Juni. Bemer-kenswert ist, dass sich die Larven aus einem Eigelege in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit entwickeln. Während ein Teil der Larven bereits im folgenden Frühjahr schlüpft, benötigen andere zwei oder sogar drei Jahre. Die Tiere vermindern damit das Risiko, durch eine Schlechtwetterperiode im Frühjahr ihre gesamte Nachkommenschaft zu verlieren.

    Gelbe Teichrose (Nuphar lutea)Der Obere Kronenteich beherbergt mehrere Seerosengewächse: Neben der Weißen Seerose ist dies die Gelbe Teichrose, auch „Teichmummel“ ge-nannt. Sie nimmt einen großen Teil der Wasserfläche ein.

    Um die Winterzeit überdauern zu können, speichert die Pflanze in sogenannten Rhizomen, welche im Teichboden zu finden sind, Nährstoffe, mit deren Hilfe es im Frühling zum Blatteraustrieb kommt. In seichtem Wasser können die Blätter über den Wasserspiegel hinaus ragen, in tieferen Teichen schwimmen sie an der Oberfläche. Die Blüten der ab Juli gelb blühenden Pflanze ragen mit ihrem Stil etwas über die Wasseroberfläche hinaus. Sie werden durch Insekten bestäubt und die Samen auf dem Wasserweg verbreitet.

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    Lebensraum Gehölze/markante EinzelbäumeDer Campus hat einen artenreichen Bestand von Ziergehölzen, aber auch heimischen Gehölzarten. Im Frühling fallen Vogel- und Mehlbee-re sowie Kastanien durch ihre Blütenpracht auf, wogegen der Campus im Herbst durch bunte Früchte und Blätter geprägt ist. Besonders die Rot-Eiche, von der prächtige Individuen entlang Leipziger Straße [10] und der oberen Gustav-Zeuner-Straße [11] stehen, besticht durch ihr rotes Herbstlaub. Neben den Gehölzgruppen sind einige Einzelindividuen besonders markant.

    Gehölze werden von Tieren ganz unterschiedlich genutzt: Das dichte Blattwerk gibt Schutz und Nahrung, Äste oder Astgabeln sowie vor-handene Höhlen oder Nistkästen bieten Möglichkeiten zur Anlage von Vogelnestern und in der Rinde finden sich Versteckmöglichkeiten für zahlreiche Insekten und andere Gliederfüßer wie Spinnen oder Tausendfüßler. Früchte und Samen stellen ebenfalls Nahrung für zahlreiche Arten dar. Einige Tiere, wie etwa das Eichhörnchen oder der Eichelhäher, verstecken die Früchte sogar und nutzen diese dann als Nahrung im Winter. Der Artenreichtum der Tiere hängt dabei wesentlich von der Struktur der Gehölze ab, inbesondere von der Dichte des Blattwerks, der Kronenstruktur und dem Vorhandensein von Totholz und Höhlen. Aber auch aus ästhetischen Gründen haben bestimmte Gehölze ihren Reiz: So befindet sich beispielsweise eine markante Gehölzgruppe vor dem Karl-Kegel-Bau [6]. Ein von Efeu überwucherter Schwarzer Ho-lunder fällt durch seinen besonderen Wuchs auf und prägt die Wiese vor dem Winkler-Bau [5].

    Weide am Unteren Kronenteich Gehölzgruppe am Karl-Kegel-BauEfeuüberwucherter Holunderstrauch Ross-Kastanie

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    Lebensraum Gehölze/markante Einzelbäume

    Blutbuche (Fagus sylvatica var. atropunicea)Bei der Blutbuche oder auch Purpurbu-che handelt es sich um eine Mutation unserer heimischen Rotbuche. Blutbu-chen sind bereits aus dem 15. Jahr-hundert bekannt und werden heute gerne als Ziergehölze gepflanzt.

    Die Rotfärbung entsteht durch einen Farbstoff, der in der äußersten Zellschicht der Blätter eingelagert ist und das Blattgrün (Chlorophyll) im Inneren des Blattes überdeckt. Das vor dem Audimax der Universität in der Agricola-Straße/Ecke Winkler-Straße [12] stehende Exemplar zeichnet sich durch einen ausladenden und sehr schönen Wuchs aus und bildet einen markanten Farbtupfer auf dem Campusgelände.

    Buchfink (Fringilla coelebs)Der bunt gefärbte Buchfink (Männ-chen) ist die häufigste einheimische Brutvogelart; er kommt eigentlich überall dort vor, wo – wie auf dem Campus – einige Bäume oder Baum-gruppen vorhanden sind, in denen er brütet und seine Nahrung (Samen, Früchte, Insekten) findet.

    Sein charakteristischer Gesang ist daher auch auf dem Campus nicht zu überhören. Er besteht aus einer schmetternden, abfallenden Tonreihe mit Endschnörkel und kann mit folgenden Merksätzen wiedergegeben werden (was bei den Studierenden regelmäßig Heiterkeit hervorruft): „Ich-ich-ich-ich will ein Weizenbier!“„Ich-ich-ich-ich zeig’ dich beim Bürgermeister an!“„Ich-ich-ich-ich werd’ dich vor Gericht verklag’n!“

    Rhododendron-Zikade (Graphocephala fennahi)Dieses exotisch aussehende, etwa 7 mm große Insekt ist ein Neubür-ger in Deutschland (Neozoon), das vermutlich um 1930 aus Nordamerika eingeschleppt wurde.

    Die Zikaden entwickeln sich an Rhododendron-Büschen, von denen einige stattliche Exemplare auch auf dem Campus zu finden sind (z. B. vor dem Karl-Kegel-Bau [6]). Als sogenannte Xylemsauger zapfen diese Zikaden die Wasserleitungsbahnen ihrer Nahrungspflanzen an und geben die überschüssige Flüssigkeit auf den Blät-tern ab. Wenn man einen mit der Rhododendron-Zikaden befallen Busch also genauer betrachtet, kann man die Regentropfen ähnelnden Tröpfchen erkennen. Neben der Rhododendron-Zikade sind auf dem Campus bisher ca. 50 weitere Zikadenarten nachgewiesen.

    Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus)Frei stehend kann der Berg-Ahorn eindrucksvolle Individuen entwickeln, weshalb er ein beliebtes Gehölz für Parkanlagen ist. Ein durch seine schö-ne Krone beeindruckender Berg-Ahorn kann auf dem Parkplatz hinter dem Karl-Kegel-Bau [13] bestaunt werden. 2009 wurde der Berg-Ahorn zum „Baum des Jahres“ gewählt. Sein hel-les Holz wird aufgrund seiner Qualität zu den Edellaubhölzern gezählt und für Tischler- und Drechslerarbeiten aber auch für den Musikinstrumentenbau eingesetzt. Seinen natürlichen Verbreitungsschwerpunkt hat der Berg-Ahorn, wie sein Name schon vermuten lässt, in den Berglagen aber auch in Bruch- und Auenwäldern, so dass er in Deutschland fast flächendeckend verbreitet ist.

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    Lebensraum BrachflächenIm Norden des Campus, gegenüber dem Humboldt-Bau an der Bernhard-von-Cotta-Straße [14] und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Unteren Kronenteich befindet sich die größte Fläche des Campus mit einer Hochstaudenflur, die durch Große Brennnessel (Urtica dioica) und Goldrute (Solidago canadensis) (Foto rechts oben) geprägt wird. Diese Fläche wird schon viele Jahre nicht mehr gemäht. Aus diesem Grund konnten sich bereits erste Gehölze wie Salweiden (Salix caprea), Birken (Betula pendula), Rosen (Rosa sp.) oder Zitter-Pappeln (Populus tremula) ansiedeln.

    Auch wenn insbesondere eine von Brennnesseln dominierte Fläche vielleicht auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv wirkt, können solche Brachen eine erstaunliche Artenvielfalt besonders unter den Insekten aufweisen: Brennnesselbestände sind wahre „Schmetterlingsparadiese“, da sie Nahrung für die Raupen von vielen Schmetterlingsarten darstellen. So leben an der Brennnessel die bekannten Tagfal-terarten wie Tagpfauenauge (Nymphalis io), Kleiner Fuchs (Nymphalis urticae) oder das Landkärtchen (Araschnia levana) (Foto rechts unten). Für eine erfolgreiche Entwicklung dieser Arten sind dabei größere Bestände erforderlich, einzelne Pflanzen reichen meist nicht aus.

  • Kleiner Fuchs (Nymphalis urticae)Der Kleine Fuchs ist ein Edelfalter, des-sen gelb-schwarze Raupen (Bild unten) sich an Brennnesseln entwickeln. Neben etwa 10 Schmetterlingsartensind weitere 20 Insektenarten, ins-besondere Käfer, Wanzen, Zikaden, Blattläuse und Zweiflügler strikt auf Brennnesseln als Nahrungspflanzen angewiesen.

    Weichwanze(Deraeocoris ruber) und andere WanzenBrachen und andere ungenutzte Be-reiche zeichnen sich durch eine hohe Vielfalt an Gliederfüßern wie Spinnen und Insekten aus. Stellvertretend für andere ist die Gruppe der Wanzen zu nennen, von denen bisher etwa 60 Arten im Campusbereich festge-stellt wurden. Neben ihrem hohen Artenreichtum sind Wanzen auch ökologisch sehr divers und kommen daher in fast allen Lebensräumen vor: Von Gewässern (Ruderwanzen) und deren Oberfläche (Teichläufer) bis zur Moos-, Kraut- und Gehölzschicht (Weichwanzen, Blattwanzen) sowie Felsstandorten sind sie zu finden. Auch hinsichtlich ihrer Er-nährungsstrategien sind Wanzen äußerst vielfältig: So gibt es Pflanzensauger an Blättern, Früchten, Samen, diverse räuberische Arten und parasitische Blutsauger.

    Große Brennnessel(Urtica dioica)Die Brennnessel ist ein Zeiger für hohe Stickstoffvorkommen im Boden. Ein größerer Bestand findet sich gegen-über dem Humboldt-Bau [14]. Als Pionierart kann die Brennnessel sehr schnell offene Flächen besiedeln und sich dann über viele Jahre hinweg ge-gen Konkurrenten behaupten. Bekannt und unbeliebt sind die Brennnesseln wegen der schmerzhaften Rötungen, die auf der Haut nach Berührung der Brennhaare entstehen. Trotz dieser Haare haben zahlreiche Insektenarten Wege gefunden, sich von der Brennnessel zu ernähren, so dass fast jede Pflanze Fraßspuren aufweist. Der Mensch nutzt die Brennnessel schon sehr lange als Heil- und Nahrungsmittel sowie zur Herstellung von Stoffen, zur Färbung von Wolle und im biologischen Pflanzenbau.

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    Lebensraum Brachflächen

    Salweide (Salix caprea)Salweiden finden sich auf der Brach-fläche vor dem Humboldt-Bau [14], aber auch an vielen anderen Stand-orten auf dem Campus.

    Als Pionierpflanze leitet sie ebenso wie die Hänge-Birke die erste Phase der natürlichen Waldentwicklung ein. Auf-grund ihrer frühen Blütezeit ab Anfang März ist die Salweide eine wichtige erste Futterpflanze für verschiedene Insekten wie zum Beispiel Honigbienen, Zitronenfalter, Kleiner Fuchs und Tag-pfauenauge. Ferner fressen viele Käfer ihre Blätter. Die Salweide bietet ebenso wie die Eiche über 100 Tierarten eine Heimat. Die Rinde der Salweide wird in der Gerberei genutzt und die kätzchentragenden Äste finden in verschiedenen Bräuchen (z. B. Palmkätzchenzweige zu Ostern) Verwendung.

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    Die Vielfalt des Campus ermöglicht es der AG Biologie/Ökologie, ökologische Lehrveranstaltungen etwa zu Methoden der Vegetations-analyse oder zur Datenaufnahme und statistischen Auswertung im Freiland direkt „vor der Haustür“ durchzuführen. So werden seit über 10 Jahren unter anderem im Rahmen von mehreren studentischen Arbeiten und ökologischen Lehrveranstaltungen Arterfassungen und Kartierungen durchgeführt. Ein Höhepunkt bei der Erfassung der Artenvielfalt auf dem Campus war der „Tag der Artenvielfalt“, der am 7. Juli 2007 anlässlich der 1. Nacht der Wissenschaft der TU Bergakademie Freiberg von der Fachgruppe Botanik des Kreisver-bandes des Naturschutzbundes Deutschland e.V. (NABU) in Koope-ration mit der AG Biologie/Ökologie durchgeführt wurde. Mit Hilfe eingeladener Spezialisten aus der Region wurden gezielt bestimmte Tier- und Pflanzenartengruppen auf dem Campus erfasst. Allein an diesem Tag konnten insgesamt 613 Arten nachgewiesen und damit die Gesamtartenzahl auf knapp 1.100 erhöht werden. Dabei sind noch nicht alle Artengruppen untersucht und auch die Ziergehölze sind nicht mit berücksichtigt, so dass insgesamt von einer wesentlich höheren Artenzahl ausgegangen werden muss. Eine laufend aktuali-sierte Artenliste findet sich auf folgender Internetseite: http://tu-freiberg.de/fakult2/bio/ag_bio/campusinventur.html

    Auf der Grundlage einer Karte mit den verschiedenen Vegetations-typen erarbeitete die AG Biologie/Ökologie ein Konzept zur Er-haltung und Förderung der außergewöhnlich vielfältigen Campus-Natur. Ziel dieses ökologischen Campus-Konzepts ist es, den TU-Campus zu einem attraktiven Erholungs- und Erlebnisraum sowohl für Studenten und Mitarbeiter als auch für Gäste zu gestalten, ohne seine Funktionalität für Forschung, Lehre und als Arbeitsstätte sowie als artenreichen Lebensraum zu beeinträchtigen.

    Artengruppe Bis zum Tag der Artenvielfalt am 7.7.2007 festgestellt

    Zum Tag der Artenvielfalt festgestellt

    Insgesamt aufdem Campusge-lände festgestellt (Stand Mai 2009)

    Pilze, Flechten, Pflanzen

    Pilze 118 7 118

    Flechten 0 41 41

    Moose 8 36 39

    Phytoplankton (Algen etc.) 40 23 53

    Farne- und Schachtelhalme 6 7 9

    Höhere Pflanzen 255 257 306

    Summe Arten 427 371 566

    Tiere

    Spinnen 4 35 35

    Libellen 23 18 26

    Springschrecken 11 12 14

    Zikaden 47 6 49

    Wanzen 58 16 59

    Käfer 27 8 29

    Zweiflügler 21 4 21

    Tagfalter 22 16 27

    Nachtfalter 10 30 36

    Fische 3 5 7

    Amphibien/Reptilien 8 4 8

    Vögel 99 53 107

    Säugetiere 19 9 22

    Sonstige Tiergruppen 51 26 68

    Anzahl Tiere 397 242 508

    Gesamtanzahl Arten 824 613 1.074

    Ergebnisse der Campus-Inventur und des Tags der Artenvielfalt

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