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»DER SPRINGENDE PUNKT IST DER BALL«

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DudenverlagBerlin

CHRISTOPH MARX

Mit einem Vorwort von MARCELL JANSEN

»DER SPRINGENDE PUNKT IST DER BALL« DIE WUNDERSAME SPRACHE DES FUfl BALLS

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Vorwort Marcell Jansen 8

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Mutterland des Fußballs 16

Der Lehrer Konrad Koch 17

Von Rebellen und Vereinsnamen 20

Fußball in aller Munde 23

Vom Sportereignis zum gesellschaftlichen Event 26

Eine Sprache voller Bilder 30

Verkürzungen, Abstraktionen, Synonyme 34

Superlative und andere Merkwürdigkeiten 40

Phrasen, Floskeln, Weisheiten 42

Die Säulen der Fußballsprache 44

Inhaltsverzeichnis

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»So ist Fußball«: Spielersprüche 52

Im Anfang war Franz Beckenbauer 62

Die ewigen Wahrheiten 67

Wie im Fußball, so im Leben 71

Sprachliche Fehlpässe 75

Spieler-Typ 1: Der Leitwolf 80

Spieler-Typ 2: Der Adrenalinjunkie 85

Spieler-Typ 3: Der Logiker 88

Von Dirigenten und Fummlern – 91 die Spielerpositionen

»Der springende Punkt ist der Ball«: 100 Trainersprech

Philosophien und Ideologien 107

Die Popstars 109

Die Legenden 111

Die Schleifer 117

Die Motivatoren 119

Die Bodenständigen 122

Kauderwelsch in der Coachingzone 123

»Ich habe fertig«: Giovanni Trapattonis 127 historische Rede

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»Gib mir ein H«: Die Fans 132

Von der Kampfbahn zur Fußballkathedrale 134

Männer mit Hut 135

Tröten, Lieder und Bengalos 138

Fangesänge und Schlachtrufe 140

Transparente und Flaggen 146

»Der Pokal hat seine eigenen Gesetze«: 150 Journalisten, Experten und der Medienzirkus

Radiolegenden 156

Fernsehlegenden 160

Der Kultticker der 11 Freunde 166

Die Experten 169

Nationale Fußball-Klischees 172

Vor dem Abpfiff: die Fußball-Denker 175

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Literatur 202

Bildnachweis 207

Inhaltsverzeichnis

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Seit ich denken kann, habe ich den Fußball geliebt. Als Vierjähriger habe ich so lange gebettelt, bis meine Mutter mich beim SV Mön-chengladbach 1910 angemeldet hat. Dort habe ich dann alles ge-tan, um mein Talent voll auszureizen. Mit viel Leidenschaft und oft genug Wuttränen nach einem verlorenen Spiel. Schließlich habe ich geschafft, was ich mir als Fan auf dem Bökelberg erträumt habe: da unten auf dem Rasen zu spielen. 14 Jahre Gladbach, 7 Jahre HSV, da-zwischen ein Jahr Bayern – drei Traditionsmannschaften, dazu noch Nationalmannschaft und Sommermärchen: Es war eine richtig geile Zeit! Das, was Fußball im Kleinen ausmacht, habe ich auch im Gro-ßen erlebt. Das Gemeinschaftsgefühl mit den Jungs und Fans, die ge-meinsame Freude nach einem Sieg, der gemeinsame Frust nach ei-ner Niederlage. Wichtig war mir die Identifikation mit dem Umfeld. Immer wollte ich alles für den Verein und seine Fans geben. In der Kabine, auf dem Platz und auch neben dem Platz.

Kommunikation ist das A und O für den Erfolg einer Mannschaft. Nur im Gespräch kann man seine Leistung reflektieren und darauf aufbauend verbessern. Wo stehe ich gerade, wie sehen mich mei-ne Mitspieler? Dabei hat es mir sehr geholfen, dass ich ein kommu-nikativer Typ bin. Sich mit Menschen auseinanderzusetzen, macht mir bis heute Spaß.

Vorwort Marcell Jansen

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Auch mit Journalisten zu reden, fand ich nie lästig. Medien gehören inzwischen einfach zum Spiel dazu. Ohne das große Gerede über den Fußball wäre der Sport nicht so erfolgreich, wie er heute ist, kei-ne Frage. Wenn ich nach dem Spiel vor die Kamera gegangen bin, und das bin ich oft, weil die Journalisten mich wollten, waren aber die Fans meine eigentlichen Ansprechpartner. Ich wusste, wem ich wesentlich meine Karriere zu verdanken habe. Ich wollte den Fans mitteilen, wie ich das Spiel wahrgenommen habe. Gerade wenn wir verloren hatten, wollte ich sie mitnehmen. Dabei habe ich immer ge-sagt, was mir auf dem Herzen lag. Und nie lange überlegt, wie ich etwas sage. Einen Medienberater habe ich nicht gebraucht, und ei-nen Spruch rauszuhauen, um mich irgendwie öffentlich zu positio-nieren, war nie meine Sache. Bei sich bleiben, sich nicht verstellen, war meine Devise. Lieber habe ich nichts gesagt, als irgendetwas zu sagen, nur um etwas gesagt zu haben.

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Hauptsache ehrlich. Das galt auch für meine Zeit als Sky-Experte. Das Geschäft auch einmal von der anderen Seite kennenzulernen, war ungeheuer spannend. In meiner Sendung »Heimspiel bei Marcell Jansen« wollte ich die Branche mal anders, mal aus einer mensch- lichen Perspektive heraus betrachten. Heute agieren Spieler viel vor-sichtiger in der Öffentlichkeit als früher und überlegen sich oft drei-mal, was sie sagen. Ein Verhalten, das ich nicht kritisieren will und auch sehr gut verstehen kann. Fußball ist einfach ein ganz großes Geschäft geworden, es ist sehr viel Geld im Spiel. Wenn du als Spie-ler deine Leistung nicht bringst oder negativ auffällst, bist du schnell weg vom Fenster. Trotzdem ist es meiner Ansicht nach wichtig, dass sich Spieler nicht allein von Beratern steuern lassen. Sonst geht der Kontakt zu den Fans verloren. Da helfen dann auch keine makellos gepflegten Social-Media-Auftritte. Durch Kommunikation kann man sich nicht besser darstellen, als man spielt. Das ist meine absolute Überzeugung.

In diesem Sinne …

Vorwort Marcell Jansen

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Im Anfang war das Wort – oder doch der Ball? Was war zuerst da, das Runde oder das Gerede darüber? Wie die berühmte Henne-und-Runde oder das Gerede darüber? Wie die berühmte Henne-und-RundeEi-Frage lässt sich die Frage nach dem absoluten Beginn auch im Fußball nicht wirklich beantworten. Nehmen wir den Philosophen Fußball nicht wirklich beantworten. Nehmen wir den Philosophen Hans-Georg Gadamer zum Maßstab, der so schön zu Protokoll gab: Hans-Georg Gadamer zum Maßstab, der so schön zu Protokoll gab: Erst mit der Sprache geht die Welt auf – und was für die Welt – und was für die Welt gilt, muss auch für den Fußball gelten. Ohne Sprache kein Fußball, gilt, muss auch für den Fußball gelten. Ohne Sprache kein Fußball, sach ich mal.

Egal, ob der Schiri die Spielregeln interpretiert oder sich Spieler und Trainer zusammenraufen müssen – alles, was das Fußballspiel substanziell ausmacht, hat mit Sprache und Kommunikation zu tun. Ohne das allgemeine Reden über den Fußball wäre der Sport nicht zur schönsten Nebensache der Welt geworden oder wie es der Schrift-steller Klaus Theweleit in seinem Buch »Tor zur Welt« formuliert:

Das Objekt aller deutschen Fußball-Begierde: die Meisterschale, auch Salatschüssel genannt.

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Tatsächlich ging die Entwicklung des Spiels in Deutschland eng mit Tatsächlich ging die Entwicklung des Spiels in Deutschland eng mit der Herausbildung einer eigenen Sprache einher. Wie eng, zeigt ein der Herausbildung einer eigenen Sprache einher. Wie eng, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher. Der Mann, der den Fußball Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland einführte, hieß Dr. Konrad Koch und war Gymnasiallehrer in Braunschweig – genauer gesagt: Er war Leh-rer für Deutsch und Alte Sprachen. Ausgerechnet ein Deutschlehrer sorgte also für die ersten kickenden Pennäler hierzulande und die überregionale Verbreitung des fremden Spiels.

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Als die Schiris noch Schlips trugen: Szene aus dem ersten WM-Finale 1930 Argentinien gegen Uruguay.

Eine kurze Geschichte der FußballspracheEine kurze Geschichte der Fußballsprache

Klaus Theweleit, 2004

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V;&&9@%$"A*A9>*3;<:$%%>Der Lehrer Koch war jedoch nicht der Erfinder des Spiels: Vorläu-fer lassen sich seit dem frühen Mittelalter fast überall im euro-päischen Kulturkreis finden. Vom englischen König Heinrich VIII. weiß man, dass er ein leidenschaftlicher Verfechter eines fußball-artigen Spiels war – das war im 16. Jahrhundert. Sein Freund be-stand damals allerdings noch nicht aus Leder,nicht aus Leder,nicht aus Leder sondern war eine Schweinsblase. Ziel des Spiels war es, den Ball in das gegnerische Dorf zu treiben. Man nahm das offenbar sehr ernst, denn regelmä-ßig soll es zu Zwischenfällen mit tödlichem Ausgang gekommen sein. Später wurde in England das »Football«-Spiel verändert und weiterentwickelt. Und in weniger lebensgefährlicher Form wurde es schnell beliebt. Die Wiege des modernen Fußballs stand also auf der britischen Insel.

Zwei Varianten wurden in den elitären akademischen Zirkeln Eng-lands ab den 1840er-Jahren gespielt: eine Variante mit Handspiel, eine Art Rugby, und eine Variante ohne Handspiel, Soccer, das vor-nehmere, gewaltfreiere Fußballspiel, das in den Augen seiner Ver-fechter auch Mut und Selbstbeherrschung stand. Der Fußball war zunächst ein Sport für Gentlemen. Bei Tee, Whisky und Zigarren grün-deten am 26. Oktober 1863 hochrangige Vertreter von englischen Vereinen und Bildungseinrichtungen in London die »Football Asso-ciation« – den ersten Fußballverband der Welt. In dem damals wirt-schaftlich und technisch fortschrittlichsten Land Europas entdeckte aber auch die Arbeiterschaft schnell das Spiel für sich und machte es zu ihrem wichtigsten Freizeitvergnügen. Als sich in England 1888 die weltweit erste landesweite Fußballliga etablierte, ging es in Deutsch-land – wie so oft– noch ganz grundsätzlich und recht kompliziert zu. Denn der Fußball, mit dem in Deutschland bis weit in die 1880er-Jah-

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re tatsächlich vor allem ein rugbyähnliches Spiel gemeint war, blieb noch lange Zeit Gegenstand heftiger ideologischer Debatten.

D9@*)9#@9@FG"@$A*FGE#Als der Pädagoge Koch an einem Herbsttag im Jahr 1874 auf dem kleinen Exerzierplatz in Braunschweig einen Ball unter seine Schü-ler warf, wollte er sie nicht nur spielen lassen, sondern vor allem er-ziehen. An der frischen Luft sollten sich seine Schützlinge betätigen, damit dort die Selbsttätigkeit der Schüler kräftig erweckt werde. Fußball sollte eine spielerische Ergänzung zum Turnen sein, das seit Turnvater Jahns Zeiten in muffigen Hallen ausgeübt wur-de und fast militärisch organisiert war. Radikale Turnideologen wa-ren allerdings »not amused« von der vermeintlichen »Modetorheit« namens Fußball. Für sie war allein der Turnsport die der deutschen Volksseele angemessene Leibesertüchtigung. Der Stuttgarter Turn-

Titelbild der Fußballpolemik »Fußlümmelei« von Karl Planck (1898).

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lehrer Karl Planck sprach 1898 von niederer Fußlümmelei und po-lemisierte gegen die englische Krankheit – sackgrob, wie er of-fenherzig einräumte.

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Während Koch das Fußballspiel förderte, arbeitete er fieberhaft daran, das englische Spiel zu einem deutschen zu machen, und zwar vor al-lem durch eine neue Sprache. Mit seinem ersten Regelheft von 1875 begann er, das Spiel einheitlich zu organisieren. Dann machte er sich konsequent daran, auch sprachlich Ordnung zu schaffen und das wi-derwärtige Kauderwelsch zu beenden, das unserem köst-

Karl Planck, 1898

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lichen Spiele in den Augen echt vaterländisch gesinnter Männer Eintrag tun muß. Tatsächlich wimmelte es auf dem Fuß-ballplatz und in den ersten Berichten nur so von englischen Ausdrü-cken wie goal, captain, half time oder goalkeeper. Shocking!

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Koch veröffentlichte 1903 eine Liste von adäquaten deutschen Fach-ausdrücken, die in den Vereinen verbreitet und allgemein akzeptiert wurden. So etwa der Stürmer (forwards), der Mittelstürmer (centre forwards), der Linienrichter (linesman), das Abseits (off side), der Strafstoß (penalty kick), der Freistoß (free-kick) – alles Begriffe, die heute im Fußball unverzichtbar sind. Koch dachte ganzheitlich: Die gesamte Kommunikation sollte eingedeutscht wer-den, jedes Detail. So sollte, wer den Ball haben wollte, nicht »passen«, sondern »abgeben« rufen. Manche Begriffe konnten sich jedoch nicht durchsetzen: der Hinterspieler etwa (für Verteidiger) und – weil es doch sehr zeitgeistig war – der Spielkaiser (für Kapitän). Auch Kochs skurrilem, gebetsmühlenartig vorgetragenem Appell an seine Schüler, aus gesundheitlichen Gründen auf keinen Fall gegen den Ostwind anzulaufen, fehlte es langfristig am – nun ja – notwen-digen gesellschaftlichen Rückenwind.

Trotzdem: Dass die fußballerische Fachterminologie heute fast vollständig ohne englische Lehnwörter auskommt, ist vor allem auf den manischen Sprachreformer Koch zurückführen. Ein Foul blieb

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Konrad Koch, 1903

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zwar ein Foul und aus Foul und aus Foul fair wurde nie fair wurde nie fair anständig – doch redet man anständig – doch redet man anständigauf hiesigen Fußballplätzen immer noch im Wesentlichen Deutsch. Selbst in verwandten Sprachen wie dem Österreichischen oder dem Schweizerischen haben bis heute viel mehr englische Ursprungs-begriffe überlebt: der Goalie (Torwart) oder die Goalie (Torwart) oder die Goalie Corner (Ecke); der Corner (Ecke); der CornerMatch (Fußballspiel) oder Assist (Vorlage). Assist (Vorlage). Assist

aG"*/9:9%%9"*;"A**a9@98">"$H9"Mit seinem eigentlichen Anliegen, einen gesunden Ausgleichssport für das Turnen zu etablieren, ohne das Turnen selbst in Frage zu stellen, scheiterte Koch allerdings. Zwar entstanden zunächst Fuß-ballclubs in den Turn- und Schulvereinen als anhängende »Spielab-teilungen«, woran noch heute Vereinsbezeichnungen wie »Turn- und Sportverein« (TSV) oder »Spielvereinigung« (SpVgg), etwa TSV 1860

Stolz präsentiert sich 1891 die Männermannschaft des BFC Germania 1888, des ältesten auch heute noch bestehenden

Fußballvereins in Deutschland.

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München oder SpVgg Fürth, erinnern. Die Fußballer wollten jedoch schnell eigenständig sein, denn sie verlangten nach etwas, das Koch verachtete: nach (durchaus) trinkfester Geselligkeit, leistungsorien-tiertem Wettbewerb und einem Publikum. Da mochte Koch jammern, wie er wollte – er wurde die Fußballgeister nicht mehr los, die er rief. Um die Jahrhundertwende boomten reine Fußballvereine. Zentren waren urbane Ballungsräume wie Berlin, Karlsruhe, Frankfurt. Un-ter seinesgleichen Fußball zu spielen, war nicht zuletzt ein Protest gegen deutsch-nationale Engstirnigkeit und ein Statement für den »englischen« Individualismus. Es ist kein Zufall, dass der erste rein deutsche Fußballverein, der BFC Frankfurt, von dem aus Frankfurt stammenden Künstler und Schauspieler Georg Leux 1885 in Berlin gegründet wurde. Bürgerliche Querköpfe mit Lust an der Provokati-on beherrschten die Gründerszene: Ganz vorne dabei der Journalist und Idealist Walther Bensemann, der an den Fußball als Mittel zur globalen Völkerverständigung glaubte. Der Tausendsassa dieser wil-den Fußballfrühzeit war maßgeblich an der Gründung vieler Vereine und auch des »Deutschen Fußballbundes« (DFB) (1900) beteiligt. Er reiste im Ausland als Handelsvertreter in Sachen Fußball umher, or-ganisierte erste halboffizielle Länderspiele und lockte ausländische Trainer nach Deutschland. Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, gründete er 1920 auch die erste Fußballfachzeitung »Kicker«, bis heute das Zentralorgan der Fußballnation.

2GH9"*9>&*GH9"Von der gemeinschaftlichen Aufbruchsstimmung dieser Pionierzeit zeugen auch die teils eigenwilligen Beinamen der ersten Fußballver-eine. In der Regel wurde die heimatliche Verankerung im Vereins-namen ausgedrückt, etwa beim FC Bayern München (1900) oder

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SC Preußen Münster (1906). Aber Beinamen zeugten auch von Ka-meradschaft und Gemeinschaftsgefühl, etwa im Fall von Eintracht Braunschweig (1895), Concordia Hamburg (1907) oder auch Man-chester United (1878). Andere nahmen sich mythische Heldenfiguren zum Vorbild oder signalisierten Siegeszuversicht und Leistungsbe-reitschaft, so bei Arminia Bielefeld (1905), Viktoria Berlin (1889) oder Fortuna Düsseldorf (1895). Andere Beinamen wie Stuttgarter Kickers (1899) oder Kickers Offenbach (1901) betonten die Eigenständigkeit der Fußballer. Die meisten der heutigen Traditionsvereine haben in dieser Zeit ihre Wurzeln, wenn auch viele wie etwa der Hamburger SV (1919), FC Schalke 04 (1924) oder der 1. FC Köln (1948) erst nach diversen Fusionen den heutigen Namen erhielten.

Die Erstausgabe des »Kicker«.

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3;<:$%%*8"*$%%9@*V;"A9Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war der Fußball auf dem Weg von einem bürgerlichen Sport zum Volkssport. Das Spiel war leicht zu verstehen und weckte bei Angehörigen aller sozialen Schichten den Wettbewerbsgeist. Die kaiserliche Militärelite sprang auf den fahren-den Zug auf und versuchte, Fußball zu ihrer Sache zu machen. Kurzer-hand wurde der Sport 1910 in den Dienstplan der Armee eingebun-den und zur Wehrertüchtigung erklärt. Durch den Sport wurdet ihr für den Krieg erzogen, drum ran an den Feind, dröhnte der »Norddeutsche Fußballverband« martialisch zu Kriegsbeginn. Um den Sieg nach hartem Kampf ging es auch in der kurzen Frie-denszeit nach 1918. Der DFB hielt den Fair-Play-Gedanken des Fuß-balls zwar immer hoch, doch in der spannungsreichen Atmosphäre der Weimarer Republik nahmen Aggressionen auf dem Platz und auf den Rängen spürbar zu.

Ausschreitungen waren keine Seltenheit. In den kriegerischen 1930er- und 1940er-Jahren geriet der Fußball fast überall in Europa zu einer Art zivilem Kriegsersatz. Einen ersten bizarren Höhepunkt stellte die zweite Weltmeisterschaft 1938 in Italien dar. Diktator Mus-solini wollte das Turnier zu einer Demonstration der vermeintlichen Überlegenheit des Faschismus nutzen und schickte seinen Spielern vor dem Endspiel ein knappes Telegramm. Darauf standen drei Worte: Siegen oder sterben. Es versteht sich so fast von selbst, dass über Fußball oft wie über Krieg berichtet wurde. Die von Beginn an vor-handenen Anleihen an die Militärsprache nahmen insbesondere in den Kriegsjahren überhand: Klar zum Gefecht, Karlsruhe und Mannheim auf gleicher Marschroute oder klare Front im Schwabenland lauteten typische Überschriften in der Presse.

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C'#9$&9@*A9>*I%98"9"*V$""9>OEin Grund für die zunehmende politische Vereinnahmung des Fuß-balls auch in Deutschland lag in seiner enormen Popularität. In der Weimarer Republik hatte sich der Sport zum wichtigsten Freizeitver-gnügen der Deutschen entwickelt. Die Menschen gingen zum Fuß-ball, um sich zu unterhalten und vom oft tristen Alltag abzulenken – in nie gekanntem Ausmaß. Fieberhaft errichtete man riesige Stadien, die oft immer noch zu klein waren. Im zeitgemäßen Schachtelsatz konstatierte der »Berliner Lokalanzeiger« im Krisenjahr 1923 anläss-lich des Endspiels um die deutsche Meisterschaft zwischen Union Oberschöneweide und dem Hamburger SV fassungslos:

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Der Fußball dribbelte sich in das Herz der deutschen Gesellschaft vor: Es entstanden Arbeitervereine, konfessionelle Vereine, Vereine für fast jedes Milieu, der DFB war schon 1924 mit fast 800 000 Mitglie-dern einer der größten Fachsportverbände der Welt geworden. Das Spiel avancierte zum Theater des kleinen Manns (Sepp HerberTheater des kleinen Manns (Sepp HerberTheater des kleinen Manns -ger). Überall redete man über Fußball, in Kneipen, im Betrieb und in der Familie. Immer neue reine Sportzeitschriften sicherten den Ge-sprächsstoff, über 500 waren es bereits 1927. Journalisten entwickel-ten einen Hang zu stark übertreibenden Formulierungen, um das Spektakel immer neu herauszustellen. Von epochalen Siegen und unvergessenen Sternstunden war fast inflationär die Rede. Die Sprache wurde allgemein bunter und variantenreicher. Die Spielerschossen nicht mehr nur mit dem Ball, sondern knallten, don-nerten, hämmerten oder zogen ab.

Auch das neue Massenmedium Radio trug seinen Teil zum Sieges-zug des Fußballs bei. Hunderttausende konnten so bequem von zu Hause die Spiele live verfolgen, wodurch diese zu Ereignissen von re-gionaler oder sogar nationaler Bedeutung anwuchsen. Zeitgenossen beklagten bereits ein Phänomen, das später in Kombination mit ei-nem Kaltgetränk bekannt und sprichwörtlich werden sollte, das Phä-nomen der fußballerischen Couch-Potato:

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3;<:$%%8"&9@9>>9"&9"*M;*>E#$UU9"^O*Klage in einem Leserbrief, 1927

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Spieler wie die Schalker Legende Ernst Kuzorra wurden zu Helden und populären Stars. Doch bei aller Popularisierung blieb der offizi-elle Amateurstatus der Spieler erhalten. Auch wenn oft Gelder unter der Hand flossen, galt der Gedanke an Sportler, die Fußball als Beruf betrieben, mehrheitlich noch als abwegig, ja als obszön.

aGH*-JG@&9@98N"8>*M;H*N9>9%%>E#$U&%8E#9"*(T9"&Der romantische Glaube an den »sauberen« Amateursport über-stand auch den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet. Befeu-ert durch die politische Überhöhung in der Nazizeit, stand lange Zeit vor allem die deutsche Nationalmannschaft im Fokus des öffentlichen Interesses, mit dem sensationellen WM-Gewinn 1954 als Höhepunkt. Erst die Gründung der Bundesliga 1963 war ein Meilenstein auf dem

Discobesitzer und Ferrarifahrer Günter Netzer machte auch neben dem Platz immer sein Ding.

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Weg zum bezahlten Profifußball. Im Zuge der gesellschaftlichen Pro-testbewegung in den 1960er- und 1970er-Jahren änderten sich nicht nur die Frisuren der Fußballer. Insbesondere Spitzenspieler demonst-rierten ein neues Selbstbewusstsein, auch gegenüber ihren Vereinen. Spieler wie Paul Breitner, Günter Netzer oder Ewald Lienen galten als Rebellen. Kickern wie Uli Hoeneß oder Franz Beckenbauer ging es nicht zuletzt um die Maximierung des eigenen Verdienstes. Hart feilschten die Stars um Prämien und Verträge.

*

Von hier war es kein langer Weg mehr zur umfassenden Kommerzi-alisierung, die ab den 1980er-Jahren schrittweise begann. Der Ver-kauf von immer teureren Fernsehrechten spülte große Summen in die Liga und machte die Vereine zu mehr oder weniger erfolgreichen Mit-telstandsunternehmen. Außerdem stärkte das »Bosman-Urteil« des Europäischen Gerichtshofs von 1995 die Rechte der Spieler bei Ver-einswechseln. Die Gehälter explodierten, und Vereine entwickelten immer neue Vermarktungsstrategien. Der Fußball wurde zu einem Teil der Unterhaltungsbranche; er wurde Pop.

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Seit der Ausweitung der Fernsehübertragung in den 1970er-Jahren gehört Fußball ganz selbstverständlich zum deutschen Alltag dazu. Über Fußball wird in fast allen Bereichen der Gesellschaft und auf al-len Kanälen geredet. Fußballspiele rangieren in der Boulevardpresse meist auf einer Ebene mit politischen Ereignissen; oft bekommt ein Länderspiel mehr Aufmerksamkeit als ein Treffen von Regierungs-chefs. Das bleibt nicht ohne Folgen: Beeinflusste früher Politik die Fußballsprache, ist es heute eher umgekehrt. Wenn Journalisten über Politik schreiben oder sprechen, glaubt man sich manchmal in ein Stadion versetzt. Politiker kämpfen nämlich gern gegen den Ab-stieg,stieg,stieg wollen den Ball flachhalten, tasten sich vor Verhandlun-gen vorsichtig ab, träumen vom Aufstieg in die erste Liga,werden zurückgepfiffen, sollen kein Eigentor schießen, nichtmauern oder auf Zeit spielen. Selbstverständlich bauen auch die Politiker selbst Fußballsprech in ihre Reden ein – um Verbundenheit mit der Bevölkerung zu demonstrieren. Da will die Opposition der Regierung schon mal Regierung schon mal die Bude vollballerndie Bude vollballern (Thomas Oppermann). (Thomas Oppermann). Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein Doch die Bundeskanzlerin ist in der Regel ungemein ballsicher und ballsicher und ballsichersetzt auf ihre bewährte Fähigkeit, sich am Ende durchzutankendurchzutanken.

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Auch Unternehmen oder Institutionen betonen gern in öffentlichen Verlautbarungen, endlich in der Champions League spielen zu wollen, wenn sie ihre Leistungsfähigkeit herausstellen wollen. Sie hoffen für zukünftige Herausforderungen gut aufgestellt zu sein. Die Grenzen zwischen Alltags- und Fußballsprache verschwimmen immer mehr. Dabei haben einige Begriffe eine Art semantisches Ei-genleben entwickelt. Gut kontern kann nicht nur eine Mannschaft mit gutem Umschaltspiel, sondern auch jeder, der im Gespräch schlagfertig ist. Am Ball bleibt nicht nur der geschickte Dribbler auf dem Platz, sondern jeder, der hartnäckig sein Ziel verfolgt. Wer die Bälle flach hält, spielt in der Regel nicht auf dem Platz flache Bälle, sondern hält sich allgemein zurück oder reagiert in der Regel besonnen.

Wenn der Fußball so sehr in die Alltagssprache eingedrungen ist, was zeichnet dann die Fußballsprache überhaupt aus, was macht sie be-sonders? Was sind wesentliche Stilelemente und rhetorische Mittel?

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Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag, 27. November 2006

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(8"9*-J@$E#9*TG%%9@*58%A9@Was die fußballerische Sprache besonders auszeichnet, ist ihre An-schaulichkeit. Das entsprechende Stilmittel, die Metapher (griechisch für »etwas übertragen«), hat der griechische Philosoph Aristoteles die uneigentliche Bezeichnung einer Sache genannt. Das uneigentliche Bezeichnung einer Sache genannt. Das uneigentliche Bezeichnung einer Sacheheißt: Das Gemeinte wird mit einem Bild oder Begriff aus einem an-derem Sachverhalt ausgedrückt, um das Verständnis zu verbessern. Damit die Bedeutungsübertragung wirklich funktioniert, müssen die verwendeten Worte beim Empfänger inhaltlich dieselben Assoziati-onen hervorrufen. Beide Sachverhalte sollten also bekannt und ver-gleichbar sein. Fußballsprache lebt wesentlich von den metapho-rischen Übertragungen aus der Alltagssprache – und aus einigen Bereichen ganz besonders.

Der Dortmunder Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang gewann 2017 die Torjägerkanone vor Robert Lewandowski.

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F$HJU*;"A*F@89NVon zentraler Bedeutung ist die Kampf- und Kriegsrhetorik. Zu groß sind die Gemeinsamkeiten zwischen Schlacht und Fußballspiel: allen voran das Ziel, den Gegner abzuwehren, anzugreifen und zu besie-gen. Fußball erscheint deshalb oft immer noch als Sprachkrieg, auch wenn viele Wörter aus dem militärischen Kontext gar nicht mehr als solche verstanden werden.

Da wird von der Abwehrschlacht gesprochen, der Abwehrschlacht gesprochen, der Abwehrschlacht Existenz-kampf ausgerufen, ein Abnutzungskampf konstatiert, der Kopf-balltorpedo gefeiert. Immer gibt es Spieler, die einschlagen, ein-ander auflauern, nicht aufgeben, kein Zielwasser getrunkenhaben, den Ball zurückerobern wollen oder endlich ihre Söld-nermentalität ablegen sollen; Mannschaften, die das nermentalität ablegen sollen; Mannschaften, die das nermentalität Komman-do übernehmen oder über nicht genügend Durchschlagskraft verfügen; Trainer oder Generäle, die noch Pfeile im Köcher haPfeile im Köcher haPfeile im Köcher -ben, eine taktische Marschroute verfolgen oder im Eifer des Gefechts den Überblick verlieren. Die Liste ließe sich endlos weiGefechts den Überblick verlieren. Die Liste ließe sich endlos weiGefechts -terführen … Und diese kriegerische Sprache hat sogar eine materi-elle Entsprechung gefunden: Noch heute wird der Bundesliga-Tor-schützenkönig jedes Jahr (von der »Kicker«-Sportredaktion) mit einer in Bronze gegossenen Schießkanone ausgezeichnet – am häufigsten gewann sie der unvergessliche Stürmer Gerd Müller, der Bomber der Nation.

Wie sehr das Fußballspiel als fast übermenschliche Anstrengung von Sportlern begriffen wird, die präzise und fast wie vom Fließband be-wundernswerte Höchstleistungen abliefern, zeigt sich in anderen, eher auf Kraftaufwand und Eifer der Spieler abzielenden Sprachbildern.

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,@:98&*;"A*'9E#"8IDa ist von Energieleistung,Energieleistung,Energieleistung Präzisionsarbeit oder Präzisionsarbeit oder Präzisionsarbeit Schwerst-arbeit von Mannschaften die Rede, die arbeit von Mannschaften die Rede, die arbeit einen Gang höher schal-ten müssen. Das Spielfeld mutiert zum multifunktionalen Arbeits-platz, zu einem Betrieb, in dem hinten im Abwehrriegel Beton angerührt wird, man im Mittelfeld eine Schaltzentrale einSchaltzentrale einSchaltzentrale -richtet, auf einen Mittelfeldmotor und den Mittelfeldmotor und den Mittelfeldmotor Filigrantechniker hofft, und vorne eine Torfabrik, oder etwas persönlicher, eine Tor-maschine auf Hochtouren läuft. Dafür dass kein einfallsloser Beamtenfußball gespielt wird, hat der fußball gespielt wird, hat der fußball Chef draußen zu sorgen. Chef draußen zu sorgen. ChefDabei dürfen natürlich die Spieler nicht verheizt werden und müssen immer wieder die Akkus aufladen können, bis sie dann am Ende die Fußballschuhe an den Nagel hängen.

F;">&*;"A*F;%&;@Davon, dass Fußballspiel viel mehr als nur Arbeit ist, ja im besten Fall Kunstfertigkeit, Schönheit und Freude am Spiel in sich vereint, zeu-gen Metaphern aus der Welt des Theaters. Fußballspiele können zu taktisch geprägtem Rasenschach mutieren, aber eben auch echteDramen sein. Dann feiern die begeisterten Anhänger die begeisterten Anhänger die begeisterten AnhängerGalavorstellung ihrer Mannschaft vor ausverkauftem Hausmit stehenden Ovationen. Für richtige Festtagstimmung auf Festtagstimmung auf Festtagstimmungdem Platz sorgt der Mittelfeldregisseur,Mittelfeldregisseur,Mittelfeldregisseur der voller Spielfreude agiert; ein Stehgeiger alter Schule, einer, der den Stehgeiger alter Schule, einer, der den Stehgeiger Takt vorgibt, Takt vorgibt, Takt vorgibtimmer wieder die Gegenspieler austanzt und keine Passchan-ce vergeigt. Am Ende verliert der Gegner sang- und klanglos, auch weil der Torwart im entscheidenden Moment die Mauer nicht richtig dirigiert hat.

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2$&;@*;"A*'89@9Nicht zu vergessen sind die Sprachbilder aus dem Natur- und Tierbe-reich, die oft die Kraftmeierei des Fußballs widerspiegeln, etwa wenn ein Spieler wie ein Löwe kämpft oder vorne wie ein Wirbelwind stürmt. Tier- und Naturanalogien dienen aber auch der Beschöni-gung oder Verniedlichung. Der elegante Flug der Schwalbe etwa muss herhalten, um ein durch spektakuläres Hinfallen vorgetäusch-tes Foul zu versinnbildlichen. Fliegenfänger im Tor sind nirgendwo Fliegenfänger im Tor sind nirgendwo Fliegenfängergerne gesehen ebenso wie sterbende Schwäne und reine Schön-wetterspieler,wetterspieler,wetterspieler die ihr Team allzu schnell im Regen stehen las-sen. Nicht gut anzusehen sind auch Gurkenspiele, wenn also auf dem Platz nicht nur der Schiedsrichter Tomaten auf den Augen hat und die schönsten Bananenflanken keinen Abnehmer im Straf-raum fanden. Nach solchen Spielen müssen auch die Zuschauer ihre Wunden lecken.

Schwalbenflug: Einige Stürmer überfällt im Strafraum eine seltsame Fallsucht.

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o:9"*;"A*;"&9"Ein anderes auffallendes Sprachbild lässt sich in der häufig verwen-deten oben/unten- bzw. vorn/hinten-Metaphorik erkennen, welche die kalt kalkulierende Logik des Fußballs – Erster, Zweiter, Vorletz-ter, Letzter – veranschaulichen soll. Dabei wird Fußball vertikal vor allem als Bergbesteigung und horizontal als Wettrennen versinnbild-licht. Immer wieder stürzen Mannschaften nach einer Talfahrt ab bzw. klettern nach erfolgreichen Aufholjagden wieder nach oben. Mit Spannung werden vor allem die Gipfeltreffen der Mannschaf-ten erwartet, die der Konkurrenz davongezogen sind. Während oben die Himmelsstürmer vom Himmelsstürmer vom Himmelsstürmer Platz an der Sonne grüßen, hauPlatz an der Sonne grüßen, hauPlatz an der Sonne -sen unten im Tabellenkeller die Kellerkinder.Kellerkinder.Kellerkinder Wer regelmäßig zwischen dem Ober- und Unterhaus hin- und herpendelt, gilt als Unterhaus hin- und herpendelt, gilt als UnterhausFahrstuhlmannschaft.

a9@I_@M;"N9"?*,:>&@$I&8G="9"?*-f"G"fH9Weniger offensichtlich, aber vielleicht noch charakteristischer als die Bilderfülle der Fußballsprache ist ihr ausgeprägter Hang zur rhetori-schen Verkürzung bzw. Verknappung. Als ob man durch jeden Buch-staben zu viel den entscheidenden Zentimeter zu spät käme, entscheidenden Zentimeter zu spät käme, entscheidenden Zentimeter zu spätmuss im Fußball alles so kurz wie möglich gesagt werden. Das gilt diesseits und jenseits des Platzes. So lassen sich etwa mit dem sim-plen Begriff »Tor« ganz unterschiedliche Spielsituationen pointiert und schnörkellos ausdrücken. Wer würde schon sagen, dass Manuel

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Neuer vor einem Gestänge an einer Grundlinie steht, um zu verhin-dern, dass ein Ball in vollem Umfang über eben jene Linie rollt oder fliegt, wenn es so kurz und einfach geht: Manuel Neuer steht im Tor.Tor.Tor Intuitiv versteht auch jeder den Satz: Marco Reus schießt ein Tor,ein Tor,ein Tor was natürlich nicht den vermaledeiten Pfosten- oder Lat-tenschuss meint, sondern den Gewinn eines Spielpunkts durch den Treffer ins Tor bedeutet. In gleicher Weise können die Begriffe »Frei-stoß«, »Ecke«, »Elfmeter« also jeweils unterschiedliche Komponen-ten solcher Standardsituationen beschreiben. So kann man Freistöße verursachen (also die Situation herbeiführen, die zu einem Freistoß führt), Freistöße treten (also den Ball von dem festgelegten Frei-stoßpunkt aus bewegen) oder Freistöße verwandeln (den Ball von dem Freistoßpunkt aus ins Tor schießen). Viel Inhalt also für wenig Wort!

Der Wissenschaftler spricht in solchen Fällen von einer Metonymie, was heißt, dass der eigentliche Ausdruck durch einen mit diesem ge-danklich in Verbindung stehenden Begriff ersetzt wird. Das kommt auch dem Gefühlshaushalt des Fans entgegen: Wer würde schon ent-setzt vor dem Fernseher aufspringen und sagen, dass der Spieler jetzt im Strafraum eine Regelwidrigkeit begangen hat, die vom fehlge-leiteten Schiedsrichter nicht mit dem fälligen Freistoß vom 11-Me-ter-Punkt geahndet wurde? Keiner. Denn fußballerisch korrekt ist:

CD$>*S$@*98"*I%$@9@*(%U9@BO

Ohne Mitdenken wären die meisten Fußballausdrücke schlicht und einfach sinnlos. Mögen Spielmacher auch mit Vorliebe lange Bällespielen oder weite Bälle schlagen (also eigentlich lang nach vorne weite Bälle schlagen (also eigentlich lang nach vorne weite Bälle

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gespielte Bälle bevorzugen) – natürlich sind die Bälle weder lang noch weit. Genauso ist auch der Pfosten weder kurz oder lang, wenn so auch die Art des Abstandes des Torpfostens vom Standpunkt des ballführenden Spielers in Kurzform ausgedrückt wird. Im Fußball-sprech überlagern sich oft Metapher und Metonymie, was dazu füh-ren kann, dass Nichteingeweihte auf verlorenem Posten stehen, wenn Eingeweihte neben ihnen etwa so über das nächste Borus-sen-Spiel philosophieren:

CQ9""*A9@*/9;>*$:9@*>98"9"*N9U_@E#&9&9"*1$HH9@*@$;>#G%&?*S8@A*9>*>E#"9%%*S89A9@*8H*F$>&9"*I%8"N9%"K*D$""*I$""*A9@*F99J9@*A9"*

5$%%*";@*"GE#*$;>*A9"*V$>E#9"*#G%9"KO*Fiktives, aber realistisches »Zitat«

Bei einer anderen Form der Verkürzung werden eigentlich notwen-dige Artikel einfach verbal weggegrätscht. Insbesondere wenn Fuß-ballprofis zu möglichen Vereinsalternativen befragt werden, geben sich die sonst so Zahlensensiblen betont wortkarg:

C!E#*#$:9*a9@&@$NBO*

heißt es dann branchenüblich, was sich nicht zufällig anhört wie heißt es dann branchenüblich, was sich nicht zufällig anhört wie ich habe Fieber, Kopfschmerzen oder Asthma, alles unzähl-bare Substantive, bei denen man auf den Artikel – ganz korrekt – ver-zichten darf.

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Ähnliches lässt sich auch bei einem Sprachphänomen beobachten, das Wissenschaftler als »simplifizierende Abstraktion« bezeichnet ha-ben. An die Stelle von konkreten Begriffen treten nämlich gerne wol-kige, wenig konkrete Substantive mit einem vielfältigen Bedeutungs-spektrum. So ein Ding ist etwa das Ding,Ding,Ding womit man fast alles im Fußball bezeichnen kann: das Tor, den Ball, das Spiel, den Spielverlauf. Journalisten jubeln über das dolle Ding des Spielers; Spieler klagen dolle Ding des Spielers; Spieler klagen dolle Dingdarüber, das Ding nicht reingemacht zu haben; Trainer hoffen in Ding nicht reingemacht zu haben; Trainer hoffen in Ding nicht reingemachtder Halbzeit, das Ding noch zu drehen. Auf den Tribünen versu-chen Fans mit dem Satz: Das Ding ist noch lange nicht durchOptimismus zu verbreiten. Und wie schrie Oliver Kahn immer, wenn er wieder einmal einen Pokal in den Himmel recken durfte? Richtig:

CD$*8>&*A$>*D8"NBO

Ein anderes, fast universell einsetzbares Zauberwort ist Situation. Alles auf dem Feld ist potenziell super-situativ. Gerade Trainer sehen überall Anspielsituationen oder Spielsituationen, sie wollen Situationen kreieren oder vermeiden. Wenn allerdings der Verein plötzlich über notwendige neue Impulse philosophiert und neue Impulse philosophiert und neue Impulsevon dem fehlenden Glauben die Rede ist, in der bestehenden Kon-stellation einem Negativtrend entgegenzuwirken, ist vor al-lem der Trainer selbst in einer schwierigen Situation. Er muss dann nämlich in der Regel versuchen, bei einem anderen Verein sein Dingdurchzuziehen.

Andererseits gibt es eine enorme Vielfalt von Synonymen, also bedeu-tungsgleichen Wörtern, gerade für die Fußballbasics. Als was kann

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der Ball nicht alles bezeichnet werden? Kirsche, Pille, Murmel, Leder,Leder,Leder Spielgerät,Spielgerät,Spielgerät Ei. Oder das Tor? Kiste, Bude, Gehäuse.Nicht weit entfernt von den Synonymen ist das vor allem im Journa-lismus gängige Prinzip der Antonomasie, womit das Ersetzen eines Eigennamens durch eine besondere Eigenschaft des Namensträgers gemeint ist. So wird etwa aus Manuel Neuer gerne wahlweise der Bayern-Keeper,Bayern-Keeper,Bayern-Keeper der Torwart-Titan, Ex-Schalke-Profi, Nati-onaltorwart oder auch gebürtiger Gelsenkirchener.gebürtiger Gelsenkirchener.gebürtiger Gelsenkirchener Für die Nennung des Geburtsorts anstelle des Namens ist ein Held aus ei-ner anderen Sportart immer noch das beste Beispiel: Boris Becker – er bleibt wohl der 17-jährigste Leimener aller Zeiten. Die Ver-einsnamen werden gerne durch ihre oft historisch gewachsenen Spitz- oder Kosenamen ersetzt. Das kann nach einem Sieg des VfL Wolfsburg über den 1. FC Köln schon einmal zu tierisch komischen Schlagzeilen in der Boulevardpresse führen:Schlagzeilen in der Boulevardpresse führen:

CQG%U>*E%9T9@9*QR%U9*M9@@8>>9"*_:9@HG&8T89@&9*P98<:REI9BO*Berliner Kurier, 15.10.2001

In der Liga wimmelt es von seltsamen Tieren

und Pflanzen.

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,%&9*D$H9Hertha BSC, Juventus Turin

5%;9>FC Chelsea London

5;%%9"RB Leipzig

0%;:1. FC Nürnberg

D89*(8>9@"9"Union Berlin

3G#%9"Borussia VfL Mönchengladbach

P98<:REI91. FC Köln

FR"8N>:%$;9?*F"$JJ9"Schalke 04

FR"8N%8E#9Real Madrid

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)8%89"SV Darmstadt 96

)RS9"1860 München, Eintracht Braunschweig

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/G&#G>9"Hamburger SV, Hannover 96, Bayern München

/G&9*'9;U9%1. FC Kaiserslautern

QR%U9VfL Wolfsburg

`9:@$>*MSV Duisburg

-J8&M=*;"A*FG>9"$H9"*TG"*a9@98"9"

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-;J9@%$&8T9*;"A*$"A9@9*V9@IS_@A8NI98&9"Ein Kennzeichen des Fußballvokabulars ist der permanente Hang zur Übertreibung, im wissenschaftlichen Fachjargon als Hyperbolik (grie-chisch für »über das Ziel hinauswerfen«) bezeichnet, womit vor allem die Emotionalität des Spiels transportiert werden soll. Kein Spiel kann aber dauerhaft so spektakulär sein, wie es die Akteure, insbesondere die kommentierende Zunft, oft darstellen. Da geht der Ball nämlich nicht knapp, sondern um Haaresspitzenbreite am Tor vorbei; der um Haaresspitzenbreite am Tor vorbei; der um HaaresspitzenbreiteStürmer steht nicht richtig, sondern goldrichtig;goldrichtig;goldrichtig der Abwehrspie-ler nicht allein, sondern mutterseelenallein dem Stürmer gegen-über. Keine Chancen wurden versiebt, sondern Riesen- oder noch besser Megachancen; der Super-Torwart hielt nicht gut, sondern Super-Torwart hielt nicht gut, sondern Super

Trainerstar Julian Nagelsmann (Mitte) ist immer ein gefragter Gesprächspartner.

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herausragend, überirdisch, phänomenal, bärenstark,bärenstark,bärenstark furios. Andererseits ist der Gegner nicht nur ohne Chance, sondern völlig überfordert,überfordert,überfordert die Leistungen nicht schwach, sondern erbärmlichoder desolat und eine Niederlage gerät schnell zu einem desolat und eine Niederlage gerät schnell zu einem desolat histori-schen Debakel besonderen Ausmaßes. Dazu wollen viele Trai-ner heute gerne besonders giftig spielen lassen, ein Adjektiv, das Wesentliches verdichtet, was den Fußballsprech ausmacht: übertrie-ben, bildlich und blumig.

Die Lust an blumiger Kreativität zeigt sich auch an Wortneuschöp-fungen, sogenannten Neologismen. So werden nicht zuletzt neuere Entwicklungen im Fußball mit der Zeit auch sprachlich adaptiert. Erst seitdem Kinder zusammen mit den Spielern auflaufen, gibt es den Be-griff Auflaufkinder.Auflaufkinder.Auflaufkinder Der enorm gestiegene Erfolgsdruck in der mil-lionenschweren Fußballbranche lässt sich auch aus dem Aufkommen von Begriffen wie Ergebnisfußball (also Fußball, der nicht schön, Ergebnisfußball (also Fußball, der nicht schön, Ergebnisfußball

No-look-Pass: Douglas Costa will gar nicht hinsehen!

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sondern erfolgreich sein will) oder besonders schön auch Ergebnis-krise (also eine Serie von Niederlagen) herauslesen. Dazu macht die krise (also eine Serie von Niederlagen) herauslesen. Dazu macht die kriseInternationalisierung vor der Sprache nicht halt. Der in Mode gekom-mene Begriff No-look-Pass für ein gezieltes Abspielen ohne BlickNo-look-Pass für ein gezieltes Abspielen ohne BlickNo-look-Pass -kontakt legt davon beredt Zeugnis ab.

.#@$>9"?*3%G>I9%"?**Q98>#98&9"

C!"*>E#R"9@*/9N9%HW<8NI98&*8>&*3;<:$%%*AGE#*8HH9@*A$>*P%98E#9KO**Hans Meyer**

Völlig losgelöst feiert »Kalle« Rummenigge seinen Torerfolg mit dem Publikum.

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Fast zu einem eigenen Genre haben sich die spezifisch fußballeri-schen Redewendungen, Phrasen und Floskeln entwickelt, mit denen die Akteure auf und neben dem Spielfeld den fußballerischen Weltlauf erklären oder dies zumindest beabsichtigen. Egal, ob das Spiel wie-der einmal schnell verflacht,verflacht,verflacht Sandro Wagner erneut den Torreigen eröffnet oder der Absteiger unter die Räder kommt: Die Fuß-ballsprache strotzt vor Floskeln, so die langjährige Sportjourna-listin Monika Lierhaus. Fast bekannter als die dazugehörige Fußball-talkshow »Doppelpass« ist das Phrasenschwein geworden, das von jedem Gast mit Geld gefüttert werden muss, der beispielsweise wie-der von einem Gegner spricht, den man nie unterschätzen darf, den man nie unterschätzen darf, den man nie unterschätzen darfoder betont, es gäbe keine leichten Gegner mehr. Solche idioma-tischen Wendungen vereinen oft mehrere der dargestellten rhetori-schen Stilmittel. Dies- und jenseits typischer Abwehrfloskeln (Wir denken von Spiel zu Spiel) oder allgemeingültiger Fußballweis-heiten (Man kann immer nur so gut spielen wie der Gegner es zulässt) gibt es immer wieder viel Schräges und vor allem Ko-misches. Charakteristisch sind Sprachwitz und absurde Sprachver-drehung, womit oft Stereotype, manchmal sogar tiefere Wahrheiten über das Wesen des Spiels an sich offengelegt werden. Meist aus Ver-sehen gelingen immer wieder echte Bonmots, etwa wenn Abwehr-spieler Neven Subotic sein resolutes Einsteigen gegen den Spieler der anderen Mannschaft im Nachhinein sehr einleuchtend rechtfertigt:anderen Mannschaft im Nachhinein sehr einleuchtend rechtfertigt:

**************C(@*H;>>*Z$*"8E#&*;":9A8"N&*A$#8"*%$;U9"?**************** *****************SG*8E#*#8"N@W&>E#9KO

Oder wenn Trainer Bruno Labbadia in der Pressekonferenz die QuaOder wenn Trainer Bruno Labbadia in der Pressekonferenz die Qua-lität des Spiels brutalstmöglich für sich selbst einordnet:

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Neven Subotic

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C(>*S$@*A$>*9@S$@&9&9*-E#S98"9>J89%KO

Oder aber wenn der vielleicht meistkarikierte Bundestrainer, näm-lich lich BöörtiBöörti Vogts, sein schlechtes Image sarkastisch kommentiert: Vogts, sein schlechtes Image sarkastisch kommentiert:Böörti Vogts, sein schlechtes Image sarkastisch kommentiert:Böörti

CQ9""*8E#*_:9@>*Q$>>9@*%$;U9?*A$""*>$N9"*H98"9*F@8&8I9@+*4"A*>E#S8HH9"*I$""*9@*$;E#*"8E#&KO

C289H$"A*8>&*J9@U9I&?*$;E#*A9@*5$%%*"8E#&KO*Olaf Thon

D89*-W;%9"*A9@**3;<:$%%>J@$E#9Praktisch jedes geschriebene und gesprochene Wort über den Fußball folgt also bestimmten Prinzipien. Über zusätzliche Un-terscheidungen streiten sich die Spezialisten: Umstritten ist etwa die Frage, ob die Fußballsprache zur allgemeinen Sportspra-che gehört oder doch eine eigene Sonderform ist. Auch eine kla-re Unterteilung der Fußballsprache nach Akteuren und Typen ist schwierig, weil die Grenzen absolut fließend sind. Trotzdem ha-ben Wissenschaftler wie Harald Dankert und Armin Burkhardt ein anerkanntes Drei-Säulen-Modell der Fußballsprache entwickelt.

››Berti‹‹ Vogts

Dabei ist doch klar:

Bruno Labbadia

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3;<:$%%U$E#>J@$E#9Als Fußballfachsprache bezeichnet man im Wesentlichen die Ter-minologie der Regeln, welche die zentralen Spielfeldelemente wie Tor, Torlinie, Eckfahne oder Mittellinie enthält, aber auch spezielle Spielsituationen wie Elfmeter, Freistoß, Gelbe Karte oder Spielposi-tionen wie Stürmer, Abwehrspieler und Torwart. Nicht zu vergessen die Fachsprache der Trainer. Dass in einem Ballspiel vor allem auch das Spiel ohne Ball (Anbieten und Freilaufen) geübt werden soll, Spiel ohne Ball (Anbieten und Freilaufen) geübt werden soll, Spiel ohne Ballerschließt sich dem Laien ja auch nicht sofort. Da sich die Fußballre-geln im Laufe der Zeit nur sehr dosiert änderten, sind seit Kochs Zei-ten vergleichsweise wenig neue Fachausdrücke hinzugekommen, etwa das Golden Goal oder die Golden Goal oder die Golden Goal Englische Woche als Kürzel für Englische Woche als Kürzel für Englische Wochedrei Spiele einer Mannschaft in einer Woche. Einzelne Fachbegriffe haben sich aus anderen Sportsprachen eingebürgert: Stockfehler(Hockey), Ellenbogencheck (Eishockey), bogencheck (Eishockey), bogencheck aus der zweiten Reihe schießen (Handball) oder ganz aktuell der Videobeweis(Eishockey, American Football).

Viel dynamischer, varianten- und abwechslungsreicher aber sind die Kategorien der Fußballsprache, die sich aus der Alltagssprache speisen.

3;<:$%%Z$@NG"*GA9@*=>%$"NDamit sind alle Begriffe, Wendungen und Sätze gemeint, die die beab-sichtigte Bedeutung in der Regel nur in einem Fußballkontext entfal-ten und vor allem der schnellen, oft saloppen Verständigung unter den Fußballakteuren selbst dienen. Dass das Runde ins Eckige muss, das Runde ins Eckige muss, das Runde ins Eckigeergibt nur für Fußballer Sinn. Der Gebrauch eines solchen Wortschat-

Eine kurze Geschichte der FußballspracheEine kurze Geschichte der Fußballsprache

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zes dokumentiert die Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe. Es ist eine Insidersprache, die wesentlich von den handelnden Akteuren verwen-det wird: den Spielern auf dem Feld und den Trainern an der Außen-linie. Auf dem Feld müssen sich die Spieler zeigen und sich anbie-ten. Selbst der abgezockteste Goalgetter mit der besten abgezockteste Goalgetter mit der besten abgezockteste Goalgetter linken Klebe findet manchmal findet manchmal findet das Tor nicht. Dann ist es das Ding des Ding des DingTrainers, den Sauhaufen wieder auf Vordermann zu bringen. Wer nicht mitzieht, muss nach dem Training schon einmal zumArschschießen antreten, also sein Hinterteil den Schüssen seiner Mitspieler aussetzen – und was das bringen soll, verstehen wirklich nur Spieler und Trainer.

3;<:$%%>J@$E#9*A9@*pUU9"&%8E#I98&Diese Sprachebene schließt alle Beobachter des Fußballgeschehens ein, also die Journalisten, die professionell-distanziert über den Sport und das Drumherum berichten, Hintergründe aufdecken, Zusammen-hänge herstellen, und die Fans auf den Tribünen und in den ver-schiedenen Medien, die das Geschehen mit Herzblut und Leiden-schaft verfolgen. Beide eint Einfallsreichtum und die kreative Lust am Neuen. Ohne Journalisten wären kaum Sprachneuschöpfungen wie Abstiegsgespenst,gespenst,gespenst Kopfballungeheuer oder auch der dreiKopfballungeheuer oder auch der dreiKopfballungeheuer -faltige Fußballgott: Trainergott,Trainergott,Trainergott Flankengott,Flankengott,Flankengott Abwehrgott entstanden. Aber auch Fans haben sich längst von schlichten Stak-kato-Anfeuerungsrufen emanzipiert und kreieren ganz eigene Un-terstützungsrituale. Gerade diese beiden Gruppen sorgen dafür, dass sich das Reden über Fußball den sprachlichen Entwicklungen im All-tag anpasst und so immer wieder erneuert.

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Aufteilung der Fußballsprache

Diese grob schematische Einteilung der Fußballsprache nach Ak-teuren und Sprachebenen spiegelt sich auch in der Aufteilung der nächsten Kapitel wider, die da wären: Spieler, Trainer, Fans und Me-dien. Eine Systematik, welche die Akteure im Stadion von unten nach oben rhetorisch durchmisst, von den Kickern auf dem Rasen hinauf zu den Zuschauern auf den Rängen und zur Presse auf der Tribüne. Aber genug gefachsimpelt,fachsimpelt,fachsimpelt jetzt geht es raus aus der Umkleide,das Auflaufkind an die Hand genommen und dann auf den grüAuflaufkind an die Hand genommen und dann auf den grüAuflaufkind -nen Rasen – im Ohr die Ansage des Ex-Schalker Kulttrainers Huub Stevens, des Knurrer[s] von Kerkrade:

FußballfachspracheFußballsprache der

ÖffentlichkeitFußballjargon

SpielerTrainer

FansMedien

SpielerTrainer

Eine kurze Geschichte der Fußballsprache

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Der Rekordspielführer der Nationalmannschaft, Lothar Matthäus, ließ selten ein Mikrofon aus und redete oft schneller, als er dachte.

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51Alle sprechen Fußball

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