Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit,...

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Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe

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Page 1: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

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Die Enzyklika Johannes Pauls II Fides et Ratio beginnt mit einem faszinieren-den Bild

Glaube und Vernunft sind wie die bei-den Fluumlgel mit denen sich der menschli-che Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt Das Streben die Wahrheit zu er-kennen und letztlich ihn selbst zu erken-nen hat Gott dem Menschen ins Herz gesenkt damit er dadurch daszlig er ihn erkennt und liebt auch zur vollen Wahr-heit uumlber sich selbst gelangen koumlnne

Man koumlnnte das Bild auf die Liturgie uumlbertragen Schweigen und Gesang sind wie zwei Fluumlgel auf denen sich un-ser Geist zum Lob Gottes aufschwingt Wollte man die stille Messe in ein Wort

fassen so waumlre es Friede sucht man ein Wort um die gesungene Messe zu beschreiben laumlge Lobpreis (Gloria) nahe Es sind genau die beiden Facet-ten des Geheimnisses das die Engel

mit ihrem Lied verkuumlnden bdquoGloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae voluntatisldquo (bdquoEhre sei Gott in der Houmlhe und Friede auf Erden den Men-schen guten Willensldquo Lk 214) Gott in

Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen MesseVon Peter Kwasniewski

Engel singen bdquoGloria in excelsis Deoldquo

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der Houmlhe geziemt Huldigung durch das Schoumlnste und Erhabenste das fuumlr uns die Missa cantata ist mehr noch das levitierte Hochamt und am mei-sten trit es auf das Pontikalamt zu

Nicht weniger wahr ist daszlig der Sohn Gottes als Menschensohn in unsere Mitte kam mit einer schweigenden Demut die sich im stillen Beten und der edlen Einfachheit der stillen Mes-se ausdruumlckt1 Ob nun gesungen oder still voller Glanz oder voll erfuumlllten Schweigens - die traditionelle Messe versetzt den Menschen in einen Zu-stand betender Aufmerksamkeit und bewirkt einen Zustand schlichter An-betung2

1 Ich bitte zu beachten daszlig ich von bdquoedler Einfach-heitldquo spreche die natuumlrlich nicht in einer geist- und lieblos abgewrackten Liturgie zum Ausdruck kom-men kann welche durch Simplizitaumlt Oberaumlchlich-keit und Banalitaumlt die Reinheit Intensitaumlt und bdquoDich-teldquo der traditionellen Liturgie ersetzt hat Letztere spricht deutlicher vom Goumlttlichen und Unaussprech-lichen und erreicht daher die Seelen gezielter und auf einer tieferen Ebene2 Natuumlrlich kann es uns ablenken wenn wir uns um kleine Kinder kuumlmmern muumlssen doch sogar El-tern nden in der traditionellen Messe immer wie-

Gesungene Liturgie Die gesungene Messe war die normale Liturgie des roumlmischen Ritus und sie ist es in gewisser Weise immer noch Byzantinische Liturgien werden prinzi-piell gesungen und dasselbe galt fruuml-her auch fuumlr die roumlmische Liturgie ihre gesungene Form ging der Entwicklung der rezitierten Messe weit voraus und sie bleibt soweit es das Magisterium betrit das Ideal3 Das levitierte Hoch-amt im usus antiquior aumlhnelt oenkun-dig der Verehrungsform im himmli-schen Jerusalem wie sie in der Johan-nesoenbarung dargestellt wird Es gibt Gesang und tiefe Stille jeder Teil der Liturgie hat sein eigenes Gewicht und wird gebuumlhrend beachtet

Bedenke aus welcher Houmlhe du ge-fallen bist Kehr zuruumlck zu deinen ersten Taten (Ob 25) Conteor Deo omnipotenti Kyrie eleison

der ins Gebet sie spuumlren wie die Messe ihre Seelen ordnet zur Ruhe bringt und belebt und das gilt glei-chermaszligen fuumlr die Seelen ihrer Kinder die im Lauf der Zeit dann ganz von allein in den Gottesdienst hineinwachsen3 Eine ausfuumlhrlichere Darstellung zu diesem The-ma ndet sich in meinen Artikeln auf OnePeterFive bdquolsquoSong Bets the Loverlsquo Understanding the Place of Gregorian Chant in the Massldquo 2 September 2015 ldquoWhy Gregorian Chant And Why Sung by the Peop-lerdquo 4 September 2015 sowie ldquoHow We Should Sing mdash And Why People Donrsquot Singrdquo 7 September 2015 Im 6 Kapitel von Sacrosanctum Concilium bezeich-nete das Zweite Vatikanische Konzil die gesungene lateinische Messe als Idealform

Und sie sangen ein neues Lied und sprachen Wuumlrdig bist du o Herr (Ob 59) Tu solus sanctus Tu solus Dominus tu solus Altissimus

Und die Stimme aus dem Himmel die ich gehoumlrt hatte sprach noch einmal zu mir und sagte Geh nimm das Buch das der Engel der auf dem Meer und auf dem Land steht geoumlnet in der Hand haumllt (Ob 108) Lectio Epistolae beati Pauli Apostoli

Und jedes der vier Lebewesen hat-te sechs Fluumlgel auszligen und innen voller Augen Sie ruhen nicht bei Tag und Nacht und rufen Hei-lig heilig heilig ist der Herr der Gott der Herrscher uumlber die ganze Schoumlpfung er war und er ist und er

Bamberger Apokalypse Sakramentar Heinrichs II (Staatsbibliothek Bamberg)

Apokalypse Anbetung des Lammes

Die gesungene Messe ist die normale Liturgie des roumlmischen Ritus

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kommt (Ob 48) Sanctus Sanctus Sanctus Dominus Deus Sabaoth

Als das Lamm das siebte Siegel oumlnete trat im Himmel Stille ein etwa eine halbe Stunde lang (Ob 81) Te igitur clementissime Pater

Und ich sah Zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mit-ten unter den Aumlltesten stand ein Lamm es sah aus wie geschlachtet Sie sangen das Lied des Mose des Knechtes Gottes und das Lied zu Ehren des Lammes (Ob 56 153)

Agnus Dei qui tollis peccata mundi

Wenn wir sehen wie sich dieses groszlig-artige Drama der Erloumlsung vor uns und in uns entfaltet sind wir bei der Vermi-schung des Kos mos mit dem himmli-schen Hof mit dabei Wir werden an-gesichts der goumlttlichen Mysterien von Staunen ergrien und stellen uns ehr-furchtsvoll vor Gott So wie Brot den Menschen staumlrkt und Wein sein Herz erfreut so staumlrken und troumlsten uns das Brot des Schweigens und der Wein des Gesangs in unserem Exil waumlhrend wir zum Haus des Herrn zur Stadt des gro-szligen Koumlnigs unterwegs sind4 Cantabi-les mihi erant justicationes tuae in loco

4 Vgl Ps 10315 Ps 121 Ps 473 Mt 535

peregrinationis meae bdquoZum Lobgesang wurden mir deine Gesetze im Haus in dem ich fremd warldquo (Ps 11854)

Die stille MesseUm so betruumlblicher ist es daher daszlig die Einstellung die stille Messe sei die Normalitaumlt nach wie vor unter den Glaumlubigen so weit und hartnaumlk-kig verbreitet ist5 Eine Freundin teilte mir mit in ihrer Gemeinde wuumlrden jeden Sonntag ungefaumlhr vierzig Leute die feierliche gesungene Messe besu-chen waumlhrend massenhaft Glaumlubige in die stille Messe kommen Letztere schaumltzen den Umstand daszlig die Messe am fruumlheren Morgen stattndet daszlig sie stille Zeit fuumlr das private Gebet bie-tet und daszlig sie nicht so lang dauert Diese Reaktion ist ihrerseits Symptom fuumlr mehrere Faktoren

Erstens ist kaum zu bestreiten daszlig die Menschen im Westen (moumlglicherwei-se vor allem Amerikaner) zu Ungeduld mit feierlichen oder religioumlsen Ritu-alen neigen und es vorziehen ihrer Verpichtung so ezient wie moumlg-lich nachzukommen Wenn die herr-

5 Das Uumlbergewicht der stillen Messe hat eine kom-plexe Geschichte Fuumlr Moumlnchs priester oder Priester die nicht anderweitig zur oumlentlichen Zelebration der Liturgie verpichtet waren war die Entwicklung von Privatmessen im Mittelalter absolut sinnvoll daszlig dann jedoch die Praxis in den Bereich von Ge-meindemessen uumlbergri muszlig man wohl als eine Art Fehlentwicklung bezeichnen Andere kulturelle Fak-toren kommen dazu etwa die Abhaumlngigkeit von der Stillmesse in Irland waumlhrend den Zeiten der Verfol-gung die dann zu einer Vorliebe verkrustete als sie von Immigranten in die USA mitgenommen wurde Vgl Thomas Day Why Catholics Canrsquot Sing uumlberarb und aktualis Ausg (New York Crossroad 2013)

Schola beim levitierten Hochamt im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

07Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

lichen Gesaumlnge aus dem Liber Usualis zwischen den Lesungen ndash ich meine damit das Graduale und das Alleluja oder Graduale und Tractus oder das doppelte Alleluja in der Osterzeit ndash vollstaumlndig ausgesungen werden wirkt das auf manche Gottesdienstbe-sucher zweifellos wie ein Aufenthalt im Purgatorium

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumlt-zen zu koumlnnen

Ein zweites damit verwandtes Pro-blem ist ndash sowohl bei Geistlichen als auch bei Laien ndash der erschuumltternde Mangel an musikalischer Ausbildung weshalb haumlug nicht einmal der Ver-such gemacht wird die Messe zu sin-gen Es stimmt schon In manchen Faumlllen fehlen tatsaumlchlich schlicht die musikalischen Voraussetzungen Al-lerdings entsteht das Problem haumlug auch aus einer Mischung aus unan-gemessenen Erwartungen und einem gewissen Ausmaszlig an Faulheit Die ge sungene Messe muszlig nicht schall-plattenreif klingen Es reicht wenn alles gesungen wird was gesungen werden sollte mit den richtigen Tex-ten und annaumlhernd den richtigen Me-lodien

Drittens ndash und das ist wohl der signi-kanteste Grund ndash ist die Anhaumlnglich-keit an die stille Messe ein Indiz dafuumlr daszlig die Menschen hungern und duumlr-sten nach Schweigen und einer ge-wissen Abgeschiedenheit Viele fuumlhlen sich von der traditionellen lateinischen Messe genau aus dem Grund angezo-

gen weil sie eine gelassene ernste intime Begegnung mit Gott ist und auch so wirkt ndash wie die Begegnung von Mose mit dem Herrn vor dem brennenden Dornbusch eine Art von Anbetung die sich ganz Ihm uumlberlaumlszligt und die im Betenden eine kindliche Furcht weckt die stille Andaumlchtigkeit vor dem Herrn von Himmel und Erde

Gott steht im MittelpunktDie bdquoBeschauungldquo [Kontemplation] ist glaumlubiges Hinschauen auf Jesus bdquoIch schaue ihn an und er schaut mich anldquo sagte ein Bauer von Ars der vor dem Ta-bernakel betete zu seinem heiligen Pfar-rer Die Kontemplation sieht auf die Mysterien des Lebens Christi und lernt auf diese Weise bdquodie innere Erkenntnis des Herrnldquo um ihn mehr zu lieben und ihm besser nachzufolgen6

Allein schon die Haltung des Priesters und die langen Phasen des Schwei-gens bringen ganz klar zum Ausdruck daszlig es hier nur um Ihn und nicht um uns geht ndash beziehungsweise um uns nur insofern als wir Ihm gehoumlren Diese Form der Messe ist derartig theozentrisch daszlig es ganz den An-schein hat als waumlre es gewissermaszligen gleichguumlltig was wir denken oder fuumlh-len ndash und das hat eine auszligerordentlich entlastende Wirkung Wie befreiend ist es doch eine Kirche zu betreten nie-derzuknien und sich mitreiszligen zu las-sen im groszligen Gebet des ewigen Ho-henpriesters einem Opfer das so viel wichtiger und erhabener ist als man selber und die eigene Erbaumlrmlichkeit zu welchem man aber gleichwohl ein-

6 Katechismus der Katholischen Kirche Nr 2715

geladen ist das Scherein der Witwe beizutragen ndash im Wissen daszlig Christus es annimmt und vermehrt

Anbetung im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

All das kennzeichnet sowohl die tradi-tionelle stille Messe als auch die ge-sungene Messe

Wenn wir sogar noch an Sonn- und Feiertagen die stille Messe vorzie-hen und uns die noumltige Begeisterung fuumlr die gesungene Messe fehlt dann sollten wir uns vielleicht zumindest einmal fragen ob es nicht eventu-ell daran liegt daszlig wir auszligerhalb der Messe nicht genug beten was zur Fol-

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumltzen zu koumlnnen

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ge haumltte daszlig die stille Messe fuumlr uns eine taumlgliche oder woumlchentliche Ge-bets-Vitaminspritze waumlre von deren Wirksamkeit wir uns einen Ausgleich des spirituellen Naumlhrstomangels un-seres Alltags versprechen Im Leben eines Menschen der sich durch unter-schiedliche Bindungen mit dem Herrn verknuumlpft hat ndash durch Laudes oder Vesper oder andere kuumlrzere Stunden-gebete des Breviers7 durch lectio divi-na geistliche Lesung eucharistische Anbetung oder den Rosenkranz um die bekanntesten zu nennen ndash kann das heilige Opfer der Messe das sein was es in Wahrheit ist ein Houmlhepunkt fons et culmen vi tae Christianae [Quelle und Houmlhepunkt des christlichen Lebens] eine Phase in der bdquoalle Register gezo-gen werdenldquo

Wie wir wissen ist das bdquoVier-Lieder-Sandwichldquo das heute in fast saumlmtlichen Novus Ordo-Ge meinden die Regel ist keine Erndung der aufmuumlpgen 1960er Jahre sondern geht vielmehr

7 oder das Kleine Brevier der seligen Jungfrau Ma-ria

zuruumlck auf die in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil erteilte Erlaubnis bei stillen Messen volkssprachliche Lieder zu singen

Um dieses Problem gemeindlichen Schwelgens in Sentimentalitaumlten zu loumlsen das kaum zum oziell-oumlent-lichen objektiven Cha rakter und der Teilnahme an der Liturgie als einer Vorgegebenheit im eigentlichen Sinn paszligte8 rief das Konzil sogar seinerseits zum Einsatz von gregorianischem Ge-sang auf von Renaissance-Polyphonie so wie von Kom positionen neueren Datums die bestrebt sind sich an die-sen herrlichen Vorbildern zu orientie-ren und ihre Qualitaumlten nachzuahmen

8 Vgl Guardinis treende Bemerkungen zu diesem Problem im Einleitungskapitel seines Buchs Der Geist der Liturgie

Tragischerweise verblieben wir aber im Trott des Vier-Lieder-Sandwichs abgesehen lediglich davon daszlig der schmalzige uumlberkommene viktoria-nische Stil durch Pseudo-Folk- oder Light-Rock-Lieder abgeloumlst wurde Es fand lediglich ein Materialaustausch aber keine wirkliche Veraumlnderung statt An den zugrundeliegenden Vor-aussetzungen und Erwartungen aumln-derte sich nichts und der Aufruf sich in die Liturgie als solche einzubringen um eine echte vita liturgica leben zu koumlnnen verhallte ungehoumlrt

Natuumlrlich ist es moumlglich eine stille Messe mit angemessener Musik zu versehen mit Hymnen wie Adoro te Ave verum corpus usw oder indem man die richtige Orgelmusik auswaumlhlt und geschmackvolle Lieder aussucht aber das ist doch alles noch Welten entfernt von der gesungenen Messe

Gesang der Allerheiligenlitanei bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

Stille Messe in der Benediktinerabtei Clear Creek (Oklahoma)

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oder dem levitierten Hoch amt in de-nen Liturgie und Musik zu einer Ein-heit verschmelzen

Wenn wir heutzutage den Unterschied zwischen dem Singen der Messe und dem Singen in der Messe nicht mehr ernst nehmen oder auch den Un-terschied zwischen einer erhabenen oumlentlichen Zelebration und einer heruntergedimmten privaten Zele-bration dann besteht die Gefahr daszlig wir wieder in eine Variante des Katho-lizismus der 1950er Jahre verfallen der dann womoumlglich erneut wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht weil wir die Fuumllle unserer liturgischen Tradition nicht ausleben9

Die heilige Liturgie muszlig so oft wie moumlglich in ihrer ganzen Fuumllle gefeiert werden in ihrer rituellen und musikali-schen Ganzheit wenn uns an der Ho-nung gelegen ist eine Neubelebung erleben zu duumlrfen die unserer Traditi-on wuumlrdig ist und die ein nachhaltiges Gegenmittel gegen den Rationalismus und Utilitarismus darstellt die sich in nahezu jedem Bereich des modernen Lebens breitgemacht haben Die Litur-gie soll nicht nur als Wahrheit sondern als Glanz der Wahrheit empfunden werden als Manifestation der Herrlich-keit Gottes

9 Ich will damit nicht sagen der Katholizismus der 1950er Jahre sei nicht staumlrker und gesuumlnder gewe-sen als der heutige Katholizismus Das zu behaupten waumlre voumlllig abwegig Ich mache mir lediglich we-gen bestimmter bedauerlicher Gewohnheiten oder Muster Sorgen die bereits in den 1950er Jahren auftraten und die in gewissem Ausmaszlig die Radi-kalitaumlt die Gleichguumlltigkeit und den Glaubensabfall der folgenden Jahre und Jahrzehnte provozierten

Die Haltung des heiligen Hugo von Lin-coln (11351140ndash1200) war wunder-bar unpraktisch da er immer groumlszligten Wert darauf legte sich fuumlr Gott Zeit zu nehmen und ihm alles zu geben ohne auf dringende Geschaumlfte zu achten

Nie verlor Hugo die Tatsache aus dem Auge daszlig ein Bischof zunaumlchst und zu-erst der oberste liturgische Diener ist Er duldete nicht die geringste Nachlaumlssig-keit wenn es um das gesungene Ozi-um ging Einmal assistierte er bei einer Messe mit einem anderen Bischof Hugo de Nonant von Coventry Sie sollten an-schlieszligend mit dem Koumlnig speisen Um sich zum Dinner beim Koumlnig nicht zu verspaumlten wuumlnschte der Bischof von Co ventry eine gelesene Messe und be-gann den Introitus zur Messe eines Be-kenners bdquoOs justildquo mit seiner normalen Sprechstimme zu lesen Aber Hugo woll-te davon nichts wissen ndash er stimmte den Introitus an und sang ihn sowie das ge-samte Proprium vollstaumlndig aus So wie

der heilige Dominik seine Messe taumlglich sang so folgte oenbar auch Hugo ei-nem ausgezeichneten Prinzip dem Ge-genteil dessen was man heute leider so oft antrit Man lese die Messe nicht wenn man sie singen kann Man kann sich sein Urteil uumlber die zahlreichen Ge-meinden vorstellen in denen die Messe nicht einmal an Sonn- und groszligen Fei-ertagen gesungen wird10

Zweifellos sind stille Messen oder bdquopri-vateldquo Messen an Wochentagen von groszliger meditativer Schoumln heit und unverzichtbar fuumlr die Spiritualitaumlt des Priesters und der Glaumlubigen Wir soll-ten dankbar dafuumlr sein daszlig sich diese Form entwickelt hat die so gut zu dem Beduumlrfnis paszligt taumlglich dem Opfer auf Golgotha beizuwohnen

Aber wir duumlrfen nicht zulassen daszlig diese sinnvolle Vereinfachung die

10 Aus dem erbaulichen Buch Neglected Saints von E I Watkin (New York Sheed amp Ward 1955) 63ndash64

Hl Hugo von Lincoln bdquoEgressus es Domine in salutem populi tui in salutem cum christo tuoldquo bdquoDu zogst aus Herr deinem Volk zu helfen zu helfen deinem Gesalbtenldquo (Hab 313)

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feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

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vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

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haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

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sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 2: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

05Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

der Houmlhe geziemt Huldigung durch das Schoumlnste und Erhabenste das fuumlr uns die Missa cantata ist mehr noch das levitierte Hochamt und am mei-sten trit es auf das Pontikalamt zu

Nicht weniger wahr ist daszlig der Sohn Gottes als Menschensohn in unsere Mitte kam mit einer schweigenden Demut die sich im stillen Beten und der edlen Einfachheit der stillen Mes-se ausdruumlckt1 Ob nun gesungen oder still voller Glanz oder voll erfuumlllten Schweigens - die traditionelle Messe versetzt den Menschen in einen Zu-stand betender Aufmerksamkeit und bewirkt einen Zustand schlichter An-betung2

1 Ich bitte zu beachten daszlig ich von bdquoedler Einfach-heitldquo spreche die natuumlrlich nicht in einer geist- und lieblos abgewrackten Liturgie zum Ausdruck kom-men kann welche durch Simplizitaumlt Oberaumlchlich-keit und Banalitaumlt die Reinheit Intensitaumlt und bdquoDich-teldquo der traditionellen Liturgie ersetzt hat Letztere spricht deutlicher vom Goumlttlichen und Unaussprech-lichen und erreicht daher die Seelen gezielter und auf einer tieferen Ebene2 Natuumlrlich kann es uns ablenken wenn wir uns um kleine Kinder kuumlmmern muumlssen doch sogar El-tern nden in der traditionellen Messe immer wie-

Gesungene Liturgie Die gesungene Messe war die normale Liturgie des roumlmischen Ritus und sie ist es in gewisser Weise immer noch Byzantinische Liturgien werden prinzi-piell gesungen und dasselbe galt fruuml-her auch fuumlr die roumlmische Liturgie ihre gesungene Form ging der Entwicklung der rezitierten Messe weit voraus und sie bleibt soweit es das Magisterium betrit das Ideal3 Das levitierte Hoch-amt im usus antiquior aumlhnelt oenkun-dig der Verehrungsform im himmli-schen Jerusalem wie sie in der Johan-nesoenbarung dargestellt wird Es gibt Gesang und tiefe Stille jeder Teil der Liturgie hat sein eigenes Gewicht und wird gebuumlhrend beachtet

Bedenke aus welcher Houmlhe du ge-fallen bist Kehr zuruumlck zu deinen ersten Taten (Ob 25) Conteor Deo omnipotenti Kyrie eleison

der ins Gebet sie spuumlren wie die Messe ihre Seelen ordnet zur Ruhe bringt und belebt und das gilt glei-chermaszligen fuumlr die Seelen ihrer Kinder die im Lauf der Zeit dann ganz von allein in den Gottesdienst hineinwachsen3 Eine ausfuumlhrlichere Darstellung zu diesem The-ma ndet sich in meinen Artikeln auf OnePeterFive bdquolsquoSong Bets the Loverlsquo Understanding the Place of Gregorian Chant in the Massldquo 2 September 2015 ldquoWhy Gregorian Chant And Why Sung by the Peop-lerdquo 4 September 2015 sowie ldquoHow We Should Sing mdash And Why People Donrsquot Singrdquo 7 September 2015 Im 6 Kapitel von Sacrosanctum Concilium bezeich-nete das Zweite Vatikanische Konzil die gesungene lateinische Messe als Idealform

Und sie sangen ein neues Lied und sprachen Wuumlrdig bist du o Herr (Ob 59) Tu solus sanctus Tu solus Dominus tu solus Altissimus

Und die Stimme aus dem Himmel die ich gehoumlrt hatte sprach noch einmal zu mir und sagte Geh nimm das Buch das der Engel der auf dem Meer und auf dem Land steht geoumlnet in der Hand haumllt (Ob 108) Lectio Epistolae beati Pauli Apostoli

Und jedes der vier Lebewesen hat-te sechs Fluumlgel auszligen und innen voller Augen Sie ruhen nicht bei Tag und Nacht und rufen Hei-lig heilig heilig ist der Herr der Gott der Herrscher uumlber die ganze Schoumlpfung er war und er ist und er

Bamberger Apokalypse Sakramentar Heinrichs II (Staatsbibliothek Bamberg)

Apokalypse Anbetung des Lammes

Die gesungene Messe ist die normale Liturgie des roumlmischen Ritus

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kommt (Ob 48) Sanctus Sanctus Sanctus Dominus Deus Sabaoth

Als das Lamm das siebte Siegel oumlnete trat im Himmel Stille ein etwa eine halbe Stunde lang (Ob 81) Te igitur clementissime Pater

Und ich sah Zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mit-ten unter den Aumlltesten stand ein Lamm es sah aus wie geschlachtet Sie sangen das Lied des Mose des Knechtes Gottes und das Lied zu Ehren des Lammes (Ob 56 153)

Agnus Dei qui tollis peccata mundi

Wenn wir sehen wie sich dieses groszlig-artige Drama der Erloumlsung vor uns und in uns entfaltet sind wir bei der Vermi-schung des Kos mos mit dem himmli-schen Hof mit dabei Wir werden an-gesichts der goumlttlichen Mysterien von Staunen ergrien und stellen uns ehr-furchtsvoll vor Gott So wie Brot den Menschen staumlrkt und Wein sein Herz erfreut so staumlrken und troumlsten uns das Brot des Schweigens und der Wein des Gesangs in unserem Exil waumlhrend wir zum Haus des Herrn zur Stadt des gro-szligen Koumlnigs unterwegs sind4 Cantabi-les mihi erant justicationes tuae in loco

4 Vgl Ps 10315 Ps 121 Ps 473 Mt 535

peregrinationis meae bdquoZum Lobgesang wurden mir deine Gesetze im Haus in dem ich fremd warldquo (Ps 11854)

Die stille MesseUm so betruumlblicher ist es daher daszlig die Einstellung die stille Messe sei die Normalitaumlt nach wie vor unter den Glaumlubigen so weit und hartnaumlk-kig verbreitet ist5 Eine Freundin teilte mir mit in ihrer Gemeinde wuumlrden jeden Sonntag ungefaumlhr vierzig Leute die feierliche gesungene Messe besu-chen waumlhrend massenhaft Glaumlubige in die stille Messe kommen Letztere schaumltzen den Umstand daszlig die Messe am fruumlheren Morgen stattndet daszlig sie stille Zeit fuumlr das private Gebet bie-tet und daszlig sie nicht so lang dauert Diese Reaktion ist ihrerseits Symptom fuumlr mehrere Faktoren

Erstens ist kaum zu bestreiten daszlig die Menschen im Westen (moumlglicherwei-se vor allem Amerikaner) zu Ungeduld mit feierlichen oder religioumlsen Ritu-alen neigen und es vorziehen ihrer Verpichtung so ezient wie moumlg-lich nachzukommen Wenn die herr-

5 Das Uumlbergewicht der stillen Messe hat eine kom-plexe Geschichte Fuumlr Moumlnchs priester oder Priester die nicht anderweitig zur oumlentlichen Zelebration der Liturgie verpichtet waren war die Entwicklung von Privatmessen im Mittelalter absolut sinnvoll daszlig dann jedoch die Praxis in den Bereich von Ge-meindemessen uumlbergri muszlig man wohl als eine Art Fehlentwicklung bezeichnen Andere kulturelle Fak-toren kommen dazu etwa die Abhaumlngigkeit von der Stillmesse in Irland waumlhrend den Zeiten der Verfol-gung die dann zu einer Vorliebe verkrustete als sie von Immigranten in die USA mitgenommen wurde Vgl Thomas Day Why Catholics Canrsquot Sing uumlberarb und aktualis Ausg (New York Crossroad 2013)

Schola beim levitierten Hochamt im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

07Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

lichen Gesaumlnge aus dem Liber Usualis zwischen den Lesungen ndash ich meine damit das Graduale und das Alleluja oder Graduale und Tractus oder das doppelte Alleluja in der Osterzeit ndash vollstaumlndig ausgesungen werden wirkt das auf manche Gottesdienstbe-sucher zweifellos wie ein Aufenthalt im Purgatorium

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumlt-zen zu koumlnnen

Ein zweites damit verwandtes Pro-blem ist ndash sowohl bei Geistlichen als auch bei Laien ndash der erschuumltternde Mangel an musikalischer Ausbildung weshalb haumlug nicht einmal der Ver-such gemacht wird die Messe zu sin-gen Es stimmt schon In manchen Faumlllen fehlen tatsaumlchlich schlicht die musikalischen Voraussetzungen Al-lerdings entsteht das Problem haumlug auch aus einer Mischung aus unan-gemessenen Erwartungen und einem gewissen Ausmaszlig an Faulheit Die ge sungene Messe muszlig nicht schall-plattenreif klingen Es reicht wenn alles gesungen wird was gesungen werden sollte mit den richtigen Tex-ten und annaumlhernd den richtigen Me-lodien

Drittens ndash und das ist wohl der signi-kanteste Grund ndash ist die Anhaumlnglich-keit an die stille Messe ein Indiz dafuumlr daszlig die Menschen hungern und duumlr-sten nach Schweigen und einer ge-wissen Abgeschiedenheit Viele fuumlhlen sich von der traditionellen lateinischen Messe genau aus dem Grund angezo-

gen weil sie eine gelassene ernste intime Begegnung mit Gott ist und auch so wirkt ndash wie die Begegnung von Mose mit dem Herrn vor dem brennenden Dornbusch eine Art von Anbetung die sich ganz Ihm uumlberlaumlszligt und die im Betenden eine kindliche Furcht weckt die stille Andaumlchtigkeit vor dem Herrn von Himmel und Erde

Gott steht im MittelpunktDie bdquoBeschauungldquo [Kontemplation] ist glaumlubiges Hinschauen auf Jesus bdquoIch schaue ihn an und er schaut mich anldquo sagte ein Bauer von Ars der vor dem Ta-bernakel betete zu seinem heiligen Pfar-rer Die Kontemplation sieht auf die Mysterien des Lebens Christi und lernt auf diese Weise bdquodie innere Erkenntnis des Herrnldquo um ihn mehr zu lieben und ihm besser nachzufolgen6

Allein schon die Haltung des Priesters und die langen Phasen des Schwei-gens bringen ganz klar zum Ausdruck daszlig es hier nur um Ihn und nicht um uns geht ndash beziehungsweise um uns nur insofern als wir Ihm gehoumlren Diese Form der Messe ist derartig theozentrisch daszlig es ganz den An-schein hat als waumlre es gewissermaszligen gleichguumlltig was wir denken oder fuumlh-len ndash und das hat eine auszligerordentlich entlastende Wirkung Wie befreiend ist es doch eine Kirche zu betreten nie-derzuknien und sich mitreiszligen zu las-sen im groszligen Gebet des ewigen Ho-henpriesters einem Opfer das so viel wichtiger und erhabener ist als man selber und die eigene Erbaumlrmlichkeit zu welchem man aber gleichwohl ein-

6 Katechismus der Katholischen Kirche Nr 2715

geladen ist das Scherein der Witwe beizutragen ndash im Wissen daszlig Christus es annimmt und vermehrt

Anbetung im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

All das kennzeichnet sowohl die tradi-tionelle stille Messe als auch die ge-sungene Messe

Wenn wir sogar noch an Sonn- und Feiertagen die stille Messe vorzie-hen und uns die noumltige Begeisterung fuumlr die gesungene Messe fehlt dann sollten wir uns vielleicht zumindest einmal fragen ob es nicht eventu-ell daran liegt daszlig wir auszligerhalb der Messe nicht genug beten was zur Fol-

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumltzen zu koumlnnen

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ge haumltte daszlig die stille Messe fuumlr uns eine taumlgliche oder woumlchentliche Ge-bets-Vitaminspritze waumlre von deren Wirksamkeit wir uns einen Ausgleich des spirituellen Naumlhrstomangels un-seres Alltags versprechen Im Leben eines Menschen der sich durch unter-schiedliche Bindungen mit dem Herrn verknuumlpft hat ndash durch Laudes oder Vesper oder andere kuumlrzere Stunden-gebete des Breviers7 durch lectio divi-na geistliche Lesung eucharistische Anbetung oder den Rosenkranz um die bekanntesten zu nennen ndash kann das heilige Opfer der Messe das sein was es in Wahrheit ist ein Houmlhepunkt fons et culmen vi tae Christianae [Quelle und Houmlhepunkt des christlichen Lebens] eine Phase in der bdquoalle Register gezo-gen werdenldquo

Wie wir wissen ist das bdquoVier-Lieder-Sandwichldquo das heute in fast saumlmtlichen Novus Ordo-Ge meinden die Regel ist keine Erndung der aufmuumlpgen 1960er Jahre sondern geht vielmehr

7 oder das Kleine Brevier der seligen Jungfrau Ma-ria

zuruumlck auf die in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil erteilte Erlaubnis bei stillen Messen volkssprachliche Lieder zu singen

Um dieses Problem gemeindlichen Schwelgens in Sentimentalitaumlten zu loumlsen das kaum zum oziell-oumlent-lichen objektiven Cha rakter und der Teilnahme an der Liturgie als einer Vorgegebenheit im eigentlichen Sinn paszligte8 rief das Konzil sogar seinerseits zum Einsatz von gregorianischem Ge-sang auf von Renaissance-Polyphonie so wie von Kom positionen neueren Datums die bestrebt sind sich an die-sen herrlichen Vorbildern zu orientie-ren und ihre Qualitaumlten nachzuahmen

8 Vgl Guardinis treende Bemerkungen zu diesem Problem im Einleitungskapitel seines Buchs Der Geist der Liturgie

Tragischerweise verblieben wir aber im Trott des Vier-Lieder-Sandwichs abgesehen lediglich davon daszlig der schmalzige uumlberkommene viktoria-nische Stil durch Pseudo-Folk- oder Light-Rock-Lieder abgeloumlst wurde Es fand lediglich ein Materialaustausch aber keine wirkliche Veraumlnderung statt An den zugrundeliegenden Vor-aussetzungen und Erwartungen aumln-derte sich nichts und der Aufruf sich in die Liturgie als solche einzubringen um eine echte vita liturgica leben zu koumlnnen verhallte ungehoumlrt

Natuumlrlich ist es moumlglich eine stille Messe mit angemessener Musik zu versehen mit Hymnen wie Adoro te Ave verum corpus usw oder indem man die richtige Orgelmusik auswaumlhlt und geschmackvolle Lieder aussucht aber das ist doch alles noch Welten entfernt von der gesungenen Messe

Gesang der Allerheiligenlitanei bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

Stille Messe in der Benediktinerabtei Clear Creek (Oklahoma)

09Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

oder dem levitierten Hoch amt in de-nen Liturgie und Musik zu einer Ein-heit verschmelzen

Wenn wir heutzutage den Unterschied zwischen dem Singen der Messe und dem Singen in der Messe nicht mehr ernst nehmen oder auch den Un-terschied zwischen einer erhabenen oumlentlichen Zelebration und einer heruntergedimmten privaten Zele-bration dann besteht die Gefahr daszlig wir wieder in eine Variante des Katho-lizismus der 1950er Jahre verfallen der dann womoumlglich erneut wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht weil wir die Fuumllle unserer liturgischen Tradition nicht ausleben9

Die heilige Liturgie muszlig so oft wie moumlglich in ihrer ganzen Fuumllle gefeiert werden in ihrer rituellen und musikali-schen Ganzheit wenn uns an der Ho-nung gelegen ist eine Neubelebung erleben zu duumlrfen die unserer Traditi-on wuumlrdig ist und die ein nachhaltiges Gegenmittel gegen den Rationalismus und Utilitarismus darstellt die sich in nahezu jedem Bereich des modernen Lebens breitgemacht haben Die Litur-gie soll nicht nur als Wahrheit sondern als Glanz der Wahrheit empfunden werden als Manifestation der Herrlich-keit Gottes

9 Ich will damit nicht sagen der Katholizismus der 1950er Jahre sei nicht staumlrker und gesuumlnder gewe-sen als der heutige Katholizismus Das zu behaupten waumlre voumlllig abwegig Ich mache mir lediglich we-gen bestimmter bedauerlicher Gewohnheiten oder Muster Sorgen die bereits in den 1950er Jahren auftraten und die in gewissem Ausmaszlig die Radi-kalitaumlt die Gleichguumlltigkeit und den Glaubensabfall der folgenden Jahre und Jahrzehnte provozierten

Die Haltung des heiligen Hugo von Lin-coln (11351140ndash1200) war wunder-bar unpraktisch da er immer groumlszligten Wert darauf legte sich fuumlr Gott Zeit zu nehmen und ihm alles zu geben ohne auf dringende Geschaumlfte zu achten

Nie verlor Hugo die Tatsache aus dem Auge daszlig ein Bischof zunaumlchst und zu-erst der oberste liturgische Diener ist Er duldete nicht die geringste Nachlaumlssig-keit wenn es um das gesungene Ozi-um ging Einmal assistierte er bei einer Messe mit einem anderen Bischof Hugo de Nonant von Coventry Sie sollten an-schlieszligend mit dem Koumlnig speisen Um sich zum Dinner beim Koumlnig nicht zu verspaumlten wuumlnschte der Bischof von Co ventry eine gelesene Messe und be-gann den Introitus zur Messe eines Be-kenners bdquoOs justildquo mit seiner normalen Sprechstimme zu lesen Aber Hugo woll-te davon nichts wissen ndash er stimmte den Introitus an und sang ihn sowie das ge-samte Proprium vollstaumlndig aus So wie

der heilige Dominik seine Messe taumlglich sang so folgte oenbar auch Hugo ei-nem ausgezeichneten Prinzip dem Ge-genteil dessen was man heute leider so oft antrit Man lese die Messe nicht wenn man sie singen kann Man kann sich sein Urteil uumlber die zahlreichen Ge-meinden vorstellen in denen die Messe nicht einmal an Sonn- und groszligen Fei-ertagen gesungen wird10

Zweifellos sind stille Messen oder bdquopri-vateldquo Messen an Wochentagen von groszliger meditativer Schoumln heit und unverzichtbar fuumlr die Spiritualitaumlt des Priesters und der Glaumlubigen Wir soll-ten dankbar dafuumlr sein daszlig sich diese Form entwickelt hat die so gut zu dem Beduumlrfnis paszligt taumlglich dem Opfer auf Golgotha beizuwohnen

Aber wir duumlrfen nicht zulassen daszlig diese sinnvolle Vereinfachung die

10 Aus dem erbaulichen Buch Neglected Saints von E I Watkin (New York Sheed amp Ward 1955) 63ndash64

Hl Hugo von Lincoln bdquoEgressus es Domine in salutem populi tui in salutem cum christo tuoldquo bdquoDu zogst aus Herr deinem Volk zu helfen zu helfen deinem Gesalbtenldquo (Hab 313)

10

feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

12

haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

14

sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 3: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

06

kommt (Ob 48) Sanctus Sanctus Sanctus Dominus Deus Sabaoth

Als das Lamm das siebte Siegel oumlnete trat im Himmel Stille ein etwa eine halbe Stunde lang (Ob 81) Te igitur clementissime Pater

Und ich sah Zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mit-ten unter den Aumlltesten stand ein Lamm es sah aus wie geschlachtet Sie sangen das Lied des Mose des Knechtes Gottes und das Lied zu Ehren des Lammes (Ob 56 153)

Agnus Dei qui tollis peccata mundi

Wenn wir sehen wie sich dieses groszlig-artige Drama der Erloumlsung vor uns und in uns entfaltet sind wir bei der Vermi-schung des Kos mos mit dem himmli-schen Hof mit dabei Wir werden an-gesichts der goumlttlichen Mysterien von Staunen ergrien und stellen uns ehr-furchtsvoll vor Gott So wie Brot den Menschen staumlrkt und Wein sein Herz erfreut so staumlrken und troumlsten uns das Brot des Schweigens und der Wein des Gesangs in unserem Exil waumlhrend wir zum Haus des Herrn zur Stadt des gro-szligen Koumlnigs unterwegs sind4 Cantabi-les mihi erant justicationes tuae in loco

4 Vgl Ps 10315 Ps 121 Ps 473 Mt 535

peregrinationis meae bdquoZum Lobgesang wurden mir deine Gesetze im Haus in dem ich fremd warldquo (Ps 11854)

Die stille MesseUm so betruumlblicher ist es daher daszlig die Einstellung die stille Messe sei die Normalitaumlt nach wie vor unter den Glaumlubigen so weit und hartnaumlk-kig verbreitet ist5 Eine Freundin teilte mir mit in ihrer Gemeinde wuumlrden jeden Sonntag ungefaumlhr vierzig Leute die feierliche gesungene Messe besu-chen waumlhrend massenhaft Glaumlubige in die stille Messe kommen Letztere schaumltzen den Umstand daszlig die Messe am fruumlheren Morgen stattndet daszlig sie stille Zeit fuumlr das private Gebet bie-tet und daszlig sie nicht so lang dauert Diese Reaktion ist ihrerseits Symptom fuumlr mehrere Faktoren

Erstens ist kaum zu bestreiten daszlig die Menschen im Westen (moumlglicherwei-se vor allem Amerikaner) zu Ungeduld mit feierlichen oder religioumlsen Ritu-alen neigen und es vorziehen ihrer Verpichtung so ezient wie moumlg-lich nachzukommen Wenn die herr-

5 Das Uumlbergewicht der stillen Messe hat eine kom-plexe Geschichte Fuumlr Moumlnchs priester oder Priester die nicht anderweitig zur oumlentlichen Zelebration der Liturgie verpichtet waren war die Entwicklung von Privatmessen im Mittelalter absolut sinnvoll daszlig dann jedoch die Praxis in den Bereich von Ge-meindemessen uumlbergri muszlig man wohl als eine Art Fehlentwicklung bezeichnen Andere kulturelle Fak-toren kommen dazu etwa die Abhaumlngigkeit von der Stillmesse in Irland waumlhrend den Zeiten der Verfol-gung die dann zu einer Vorliebe verkrustete als sie von Immigranten in die USA mitgenommen wurde Vgl Thomas Day Why Catholics Canrsquot Sing uumlberarb und aktualis Ausg (New York Crossroad 2013)

Schola beim levitierten Hochamt im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

07Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

lichen Gesaumlnge aus dem Liber Usualis zwischen den Lesungen ndash ich meine damit das Graduale und das Alleluja oder Graduale und Tractus oder das doppelte Alleluja in der Osterzeit ndash vollstaumlndig ausgesungen werden wirkt das auf manche Gottesdienstbe-sucher zweifellos wie ein Aufenthalt im Purgatorium

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumlt-zen zu koumlnnen

Ein zweites damit verwandtes Pro-blem ist ndash sowohl bei Geistlichen als auch bei Laien ndash der erschuumltternde Mangel an musikalischer Ausbildung weshalb haumlug nicht einmal der Ver-such gemacht wird die Messe zu sin-gen Es stimmt schon In manchen Faumlllen fehlen tatsaumlchlich schlicht die musikalischen Voraussetzungen Al-lerdings entsteht das Problem haumlug auch aus einer Mischung aus unan-gemessenen Erwartungen und einem gewissen Ausmaszlig an Faulheit Die ge sungene Messe muszlig nicht schall-plattenreif klingen Es reicht wenn alles gesungen wird was gesungen werden sollte mit den richtigen Tex-ten und annaumlhernd den richtigen Me-lodien

Drittens ndash und das ist wohl der signi-kanteste Grund ndash ist die Anhaumlnglich-keit an die stille Messe ein Indiz dafuumlr daszlig die Menschen hungern und duumlr-sten nach Schweigen und einer ge-wissen Abgeschiedenheit Viele fuumlhlen sich von der traditionellen lateinischen Messe genau aus dem Grund angezo-

gen weil sie eine gelassene ernste intime Begegnung mit Gott ist und auch so wirkt ndash wie die Begegnung von Mose mit dem Herrn vor dem brennenden Dornbusch eine Art von Anbetung die sich ganz Ihm uumlberlaumlszligt und die im Betenden eine kindliche Furcht weckt die stille Andaumlchtigkeit vor dem Herrn von Himmel und Erde

Gott steht im MittelpunktDie bdquoBeschauungldquo [Kontemplation] ist glaumlubiges Hinschauen auf Jesus bdquoIch schaue ihn an und er schaut mich anldquo sagte ein Bauer von Ars der vor dem Ta-bernakel betete zu seinem heiligen Pfar-rer Die Kontemplation sieht auf die Mysterien des Lebens Christi und lernt auf diese Weise bdquodie innere Erkenntnis des Herrnldquo um ihn mehr zu lieben und ihm besser nachzufolgen6

Allein schon die Haltung des Priesters und die langen Phasen des Schwei-gens bringen ganz klar zum Ausdruck daszlig es hier nur um Ihn und nicht um uns geht ndash beziehungsweise um uns nur insofern als wir Ihm gehoumlren Diese Form der Messe ist derartig theozentrisch daszlig es ganz den An-schein hat als waumlre es gewissermaszligen gleichguumlltig was wir denken oder fuumlh-len ndash und das hat eine auszligerordentlich entlastende Wirkung Wie befreiend ist es doch eine Kirche zu betreten nie-derzuknien und sich mitreiszligen zu las-sen im groszligen Gebet des ewigen Ho-henpriesters einem Opfer das so viel wichtiger und erhabener ist als man selber und die eigene Erbaumlrmlichkeit zu welchem man aber gleichwohl ein-

6 Katechismus der Katholischen Kirche Nr 2715

geladen ist das Scherein der Witwe beizutragen ndash im Wissen daszlig Christus es annimmt und vermehrt

Anbetung im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

All das kennzeichnet sowohl die tradi-tionelle stille Messe als auch die ge-sungene Messe

Wenn wir sogar noch an Sonn- und Feiertagen die stille Messe vorzie-hen und uns die noumltige Begeisterung fuumlr die gesungene Messe fehlt dann sollten wir uns vielleicht zumindest einmal fragen ob es nicht eventu-ell daran liegt daszlig wir auszligerhalb der Messe nicht genug beten was zur Fol-

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumltzen zu koumlnnen

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ge haumltte daszlig die stille Messe fuumlr uns eine taumlgliche oder woumlchentliche Ge-bets-Vitaminspritze waumlre von deren Wirksamkeit wir uns einen Ausgleich des spirituellen Naumlhrstomangels un-seres Alltags versprechen Im Leben eines Menschen der sich durch unter-schiedliche Bindungen mit dem Herrn verknuumlpft hat ndash durch Laudes oder Vesper oder andere kuumlrzere Stunden-gebete des Breviers7 durch lectio divi-na geistliche Lesung eucharistische Anbetung oder den Rosenkranz um die bekanntesten zu nennen ndash kann das heilige Opfer der Messe das sein was es in Wahrheit ist ein Houmlhepunkt fons et culmen vi tae Christianae [Quelle und Houmlhepunkt des christlichen Lebens] eine Phase in der bdquoalle Register gezo-gen werdenldquo

Wie wir wissen ist das bdquoVier-Lieder-Sandwichldquo das heute in fast saumlmtlichen Novus Ordo-Ge meinden die Regel ist keine Erndung der aufmuumlpgen 1960er Jahre sondern geht vielmehr

7 oder das Kleine Brevier der seligen Jungfrau Ma-ria

zuruumlck auf die in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil erteilte Erlaubnis bei stillen Messen volkssprachliche Lieder zu singen

Um dieses Problem gemeindlichen Schwelgens in Sentimentalitaumlten zu loumlsen das kaum zum oziell-oumlent-lichen objektiven Cha rakter und der Teilnahme an der Liturgie als einer Vorgegebenheit im eigentlichen Sinn paszligte8 rief das Konzil sogar seinerseits zum Einsatz von gregorianischem Ge-sang auf von Renaissance-Polyphonie so wie von Kom positionen neueren Datums die bestrebt sind sich an die-sen herrlichen Vorbildern zu orientie-ren und ihre Qualitaumlten nachzuahmen

8 Vgl Guardinis treende Bemerkungen zu diesem Problem im Einleitungskapitel seines Buchs Der Geist der Liturgie

Tragischerweise verblieben wir aber im Trott des Vier-Lieder-Sandwichs abgesehen lediglich davon daszlig der schmalzige uumlberkommene viktoria-nische Stil durch Pseudo-Folk- oder Light-Rock-Lieder abgeloumlst wurde Es fand lediglich ein Materialaustausch aber keine wirkliche Veraumlnderung statt An den zugrundeliegenden Vor-aussetzungen und Erwartungen aumln-derte sich nichts und der Aufruf sich in die Liturgie als solche einzubringen um eine echte vita liturgica leben zu koumlnnen verhallte ungehoumlrt

Natuumlrlich ist es moumlglich eine stille Messe mit angemessener Musik zu versehen mit Hymnen wie Adoro te Ave verum corpus usw oder indem man die richtige Orgelmusik auswaumlhlt und geschmackvolle Lieder aussucht aber das ist doch alles noch Welten entfernt von der gesungenen Messe

Gesang der Allerheiligenlitanei bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

Stille Messe in der Benediktinerabtei Clear Creek (Oklahoma)

09Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

oder dem levitierten Hoch amt in de-nen Liturgie und Musik zu einer Ein-heit verschmelzen

Wenn wir heutzutage den Unterschied zwischen dem Singen der Messe und dem Singen in der Messe nicht mehr ernst nehmen oder auch den Un-terschied zwischen einer erhabenen oumlentlichen Zelebration und einer heruntergedimmten privaten Zele-bration dann besteht die Gefahr daszlig wir wieder in eine Variante des Katho-lizismus der 1950er Jahre verfallen der dann womoumlglich erneut wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht weil wir die Fuumllle unserer liturgischen Tradition nicht ausleben9

Die heilige Liturgie muszlig so oft wie moumlglich in ihrer ganzen Fuumllle gefeiert werden in ihrer rituellen und musikali-schen Ganzheit wenn uns an der Ho-nung gelegen ist eine Neubelebung erleben zu duumlrfen die unserer Traditi-on wuumlrdig ist und die ein nachhaltiges Gegenmittel gegen den Rationalismus und Utilitarismus darstellt die sich in nahezu jedem Bereich des modernen Lebens breitgemacht haben Die Litur-gie soll nicht nur als Wahrheit sondern als Glanz der Wahrheit empfunden werden als Manifestation der Herrlich-keit Gottes

9 Ich will damit nicht sagen der Katholizismus der 1950er Jahre sei nicht staumlrker und gesuumlnder gewe-sen als der heutige Katholizismus Das zu behaupten waumlre voumlllig abwegig Ich mache mir lediglich we-gen bestimmter bedauerlicher Gewohnheiten oder Muster Sorgen die bereits in den 1950er Jahren auftraten und die in gewissem Ausmaszlig die Radi-kalitaumlt die Gleichguumlltigkeit und den Glaubensabfall der folgenden Jahre und Jahrzehnte provozierten

Die Haltung des heiligen Hugo von Lin-coln (11351140ndash1200) war wunder-bar unpraktisch da er immer groumlszligten Wert darauf legte sich fuumlr Gott Zeit zu nehmen und ihm alles zu geben ohne auf dringende Geschaumlfte zu achten

Nie verlor Hugo die Tatsache aus dem Auge daszlig ein Bischof zunaumlchst und zu-erst der oberste liturgische Diener ist Er duldete nicht die geringste Nachlaumlssig-keit wenn es um das gesungene Ozi-um ging Einmal assistierte er bei einer Messe mit einem anderen Bischof Hugo de Nonant von Coventry Sie sollten an-schlieszligend mit dem Koumlnig speisen Um sich zum Dinner beim Koumlnig nicht zu verspaumlten wuumlnschte der Bischof von Co ventry eine gelesene Messe und be-gann den Introitus zur Messe eines Be-kenners bdquoOs justildquo mit seiner normalen Sprechstimme zu lesen Aber Hugo woll-te davon nichts wissen ndash er stimmte den Introitus an und sang ihn sowie das ge-samte Proprium vollstaumlndig aus So wie

der heilige Dominik seine Messe taumlglich sang so folgte oenbar auch Hugo ei-nem ausgezeichneten Prinzip dem Ge-genteil dessen was man heute leider so oft antrit Man lese die Messe nicht wenn man sie singen kann Man kann sich sein Urteil uumlber die zahlreichen Ge-meinden vorstellen in denen die Messe nicht einmal an Sonn- und groszligen Fei-ertagen gesungen wird10

Zweifellos sind stille Messen oder bdquopri-vateldquo Messen an Wochentagen von groszliger meditativer Schoumln heit und unverzichtbar fuumlr die Spiritualitaumlt des Priesters und der Glaumlubigen Wir soll-ten dankbar dafuumlr sein daszlig sich diese Form entwickelt hat die so gut zu dem Beduumlrfnis paszligt taumlglich dem Opfer auf Golgotha beizuwohnen

Aber wir duumlrfen nicht zulassen daszlig diese sinnvolle Vereinfachung die

10 Aus dem erbaulichen Buch Neglected Saints von E I Watkin (New York Sheed amp Ward 1955) 63ndash64

Hl Hugo von Lincoln bdquoEgressus es Domine in salutem populi tui in salutem cum christo tuoldquo bdquoDu zogst aus Herr deinem Volk zu helfen zu helfen deinem Gesalbtenldquo (Hab 313)

10

feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

12

haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

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sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 4: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

07Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

lichen Gesaumlnge aus dem Liber Usualis zwischen den Lesungen ndash ich meine damit das Graduale und das Alleluja oder Graduale und Tractus oder das doppelte Alleluja in der Osterzeit ndash vollstaumlndig ausgesungen werden wirkt das auf manche Gottesdienstbe-sucher zweifellos wie ein Aufenthalt im Purgatorium

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumlt-zen zu koumlnnen

Ein zweites damit verwandtes Pro-blem ist ndash sowohl bei Geistlichen als auch bei Laien ndash der erschuumltternde Mangel an musikalischer Ausbildung weshalb haumlug nicht einmal der Ver-such gemacht wird die Messe zu sin-gen Es stimmt schon In manchen Faumlllen fehlen tatsaumlchlich schlicht die musikalischen Voraussetzungen Al-lerdings entsteht das Problem haumlug auch aus einer Mischung aus unan-gemessenen Erwartungen und einem gewissen Ausmaszlig an Faulheit Die ge sungene Messe muszlig nicht schall-plattenreif klingen Es reicht wenn alles gesungen wird was gesungen werden sollte mit den richtigen Tex-ten und annaumlhernd den richtigen Me-lodien

Drittens ndash und das ist wohl der signi-kanteste Grund ndash ist die Anhaumlnglich-keit an die stille Messe ein Indiz dafuumlr daszlig die Menschen hungern und duumlr-sten nach Schweigen und einer ge-wissen Abgeschiedenheit Viele fuumlhlen sich von der traditionellen lateinischen Messe genau aus dem Grund angezo-

gen weil sie eine gelassene ernste intime Begegnung mit Gott ist und auch so wirkt ndash wie die Begegnung von Mose mit dem Herrn vor dem brennenden Dornbusch eine Art von Anbetung die sich ganz Ihm uumlberlaumlszligt und die im Betenden eine kindliche Furcht weckt die stille Andaumlchtigkeit vor dem Herrn von Himmel und Erde

Gott steht im MittelpunktDie bdquoBeschauungldquo [Kontemplation] ist glaumlubiges Hinschauen auf Jesus bdquoIch schaue ihn an und er schaut mich anldquo sagte ein Bauer von Ars der vor dem Ta-bernakel betete zu seinem heiligen Pfar-rer Die Kontemplation sieht auf die Mysterien des Lebens Christi und lernt auf diese Weise bdquodie innere Erkenntnis des Herrnldquo um ihn mehr zu lieben und ihm besser nachzufolgen6

Allein schon die Haltung des Priesters und die langen Phasen des Schwei-gens bringen ganz klar zum Ausdruck daszlig es hier nur um Ihn und nicht um uns geht ndash beziehungsweise um uns nur insofern als wir Ihm gehoumlren Diese Form der Messe ist derartig theozentrisch daszlig es ganz den An-schein hat als waumlre es gewissermaszligen gleichguumlltig was wir denken oder fuumlh-len ndash und das hat eine auszligerordentlich entlastende Wirkung Wie befreiend ist es doch eine Kirche zu betreten nie-derzuknien und sich mitreiszligen zu las-sen im groszligen Gebet des ewigen Ho-henpriesters einem Opfer das so viel wichtiger und erhabener ist als man selber und die eigene Erbaumlrmlichkeit zu welchem man aber gleichwohl ein-

6 Katechismus der Katholischen Kirche Nr 2715

geladen ist das Scherein der Witwe beizutragen ndash im Wissen daszlig Christus es annimmt und vermehrt

Anbetung im Dom zu Worms (PMT HV 2008)

All das kennzeichnet sowohl die tradi-tionelle stille Messe als auch die ge-sungene Messe

Wenn wir sogar noch an Sonn- und Feiertagen die stille Messe vorzie-hen und uns die noumltige Begeisterung fuumlr die gesungene Messe fehlt dann sollten wir uns vielleicht zumindest einmal fragen ob es nicht eventu-ell daran liegt daszlig wir auszligerhalb der Messe nicht genug beten was zur Fol-

Die gesungene Messe ist ein Fest fuumlr die Sinne und fuumlr den Geist doch sie erfordert in der Durchfuumlhrung groumlszligere Muumlhe und mehr Muszlige um sie schaumltzen zu koumlnnen

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ge haumltte daszlig die stille Messe fuumlr uns eine taumlgliche oder woumlchentliche Ge-bets-Vitaminspritze waumlre von deren Wirksamkeit wir uns einen Ausgleich des spirituellen Naumlhrstomangels un-seres Alltags versprechen Im Leben eines Menschen der sich durch unter-schiedliche Bindungen mit dem Herrn verknuumlpft hat ndash durch Laudes oder Vesper oder andere kuumlrzere Stunden-gebete des Breviers7 durch lectio divi-na geistliche Lesung eucharistische Anbetung oder den Rosenkranz um die bekanntesten zu nennen ndash kann das heilige Opfer der Messe das sein was es in Wahrheit ist ein Houmlhepunkt fons et culmen vi tae Christianae [Quelle und Houmlhepunkt des christlichen Lebens] eine Phase in der bdquoalle Register gezo-gen werdenldquo

Wie wir wissen ist das bdquoVier-Lieder-Sandwichldquo das heute in fast saumlmtlichen Novus Ordo-Ge meinden die Regel ist keine Erndung der aufmuumlpgen 1960er Jahre sondern geht vielmehr

7 oder das Kleine Brevier der seligen Jungfrau Ma-ria

zuruumlck auf die in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil erteilte Erlaubnis bei stillen Messen volkssprachliche Lieder zu singen

Um dieses Problem gemeindlichen Schwelgens in Sentimentalitaumlten zu loumlsen das kaum zum oziell-oumlent-lichen objektiven Cha rakter und der Teilnahme an der Liturgie als einer Vorgegebenheit im eigentlichen Sinn paszligte8 rief das Konzil sogar seinerseits zum Einsatz von gregorianischem Ge-sang auf von Renaissance-Polyphonie so wie von Kom positionen neueren Datums die bestrebt sind sich an die-sen herrlichen Vorbildern zu orientie-ren und ihre Qualitaumlten nachzuahmen

8 Vgl Guardinis treende Bemerkungen zu diesem Problem im Einleitungskapitel seines Buchs Der Geist der Liturgie

Tragischerweise verblieben wir aber im Trott des Vier-Lieder-Sandwichs abgesehen lediglich davon daszlig der schmalzige uumlberkommene viktoria-nische Stil durch Pseudo-Folk- oder Light-Rock-Lieder abgeloumlst wurde Es fand lediglich ein Materialaustausch aber keine wirkliche Veraumlnderung statt An den zugrundeliegenden Vor-aussetzungen und Erwartungen aumln-derte sich nichts und der Aufruf sich in die Liturgie als solche einzubringen um eine echte vita liturgica leben zu koumlnnen verhallte ungehoumlrt

Natuumlrlich ist es moumlglich eine stille Messe mit angemessener Musik zu versehen mit Hymnen wie Adoro te Ave verum corpus usw oder indem man die richtige Orgelmusik auswaumlhlt und geschmackvolle Lieder aussucht aber das ist doch alles noch Welten entfernt von der gesungenen Messe

Gesang der Allerheiligenlitanei bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

Stille Messe in der Benediktinerabtei Clear Creek (Oklahoma)

09Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

oder dem levitierten Hoch amt in de-nen Liturgie und Musik zu einer Ein-heit verschmelzen

Wenn wir heutzutage den Unterschied zwischen dem Singen der Messe und dem Singen in der Messe nicht mehr ernst nehmen oder auch den Un-terschied zwischen einer erhabenen oumlentlichen Zelebration und einer heruntergedimmten privaten Zele-bration dann besteht die Gefahr daszlig wir wieder in eine Variante des Katho-lizismus der 1950er Jahre verfallen der dann womoumlglich erneut wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht weil wir die Fuumllle unserer liturgischen Tradition nicht ausleben9

Die heilige Liturgie muszlig so oft wie moumlglich in ihrer ganzen Fuumllle gefeiert werden in ihrer rituellen und musikali-schen Ganzheit wenn uns an der Ho-nung gelegen ist eine Neubelebung erleben zu duumlrfen die unserer Traditi-on wuumlrdig ist und die ein nachhaltiges Gegenmittel gegen den Rationalismus und Utilitarismus darstellt die sich in nahezu jedem Bereich des modernen Lebens breitgemacht haben Die Litur-gie soll nicht nur als Wahrheit sondern als Glanz der Wahrheit empfunden werden als Manifestation der Herrlich-keit Gottes

9 Ich will damit nicht sagen der Katholizismus der 1950er Jahre sei nicht staumlrker und gesuumlnder gewe-sen als der heutige Katholizismus Das zu behaupten waumlre voumlllig abwegig Ich mache mir lediglich we-gen bestimmter bedauerlicher Gewohnheiten oder Muster Sorgen die bereits in den 1950er Jahren auftraten und die in gewissem Ausmaszlig die Radi-kalitaumlt die Gleichguumlltigkeit und den Glaubensabfall der folgenden Jahre und Jahrzehnte provozierten

Die Haltung des heiligen Hugo von Lin-coln (11351140ndash1200) war wunder-bar unpraktisch da er immer groumlszligten Wert darauf legte sich fuumlr Gott Zeit zu nehmen und ihm alles zu geben ohne auf dringende Geschaumlfte zu achten

Nie verlor Hugo die Tatsache aus dem Auge daszlig ein Bischof zunaumlchst und zu-erst der oberste liturgische Diener ist Er duldete nicht die geringste Nachlaumlssig-keit wenn es um das gesungene Ozi-um ging Einmal assistierte er bei einer Messe mit einem anderen Bischof Hugo de Nonant von Coventry Sie sollten an-schlieszligend mit dem Koumlnig speisen Um sich zum Dinner beim Koumlnig nicht zu verspaumlten wuumlnschte der Bischof von Co ventry eine gelesene Messe und be-gann den Introitus zur Messe eines Be-kenners bdquoOs justildquo mit seiner normalen Sprechstimme zu lesen Aber Hugo woll-te davon nichts wissen ndash er stimmte den Introitus an und sang ihn sowie das ge-samte Proprium vollstaumlndig aus So wie

der heilige Dominik seine Messe taumlglich sang so folgte oenbar auch Hugo ei-nem ausgezeichneten Prinzip dem Ge-genteil dessen was man heute leider so oft antrit Man lese die Messe nicht wenn man sie singen kann Man kann sich sein Urteil uumlber die zahlreichen Ge-meinden vorstellen in denen die Messe nicht einmal an Sonn- und groszligen Fei-ertagen gesungen wird10

Zweifellos sind stille Messen oder bdquopri-vateldquo Messen an Wochentagen von groszliger meditativer Schoumln heit und unverzichtbar fuumlr die Spiritualitaumlt des Priesters und der Glaumlubigen Wir soll-ten dankbar dafuumlr sein daszlig sich diese Form entwickelt hat die so gut zu dem Beduumlrfnis paszligt taumlglich dem Opfer auf Golgotha beizuwohnen

Aber wir duumlrfen nicht zulassen daszlig diese sinnvolle Vereinfachung die

10 Aus dem erbaulichen Buch Neglected Saints von E I Watkin (New York Sheed amp Ward 1955) 63ndash64

Hl Hugo von Lincoln bdquoEgressus es Domine in salutem populi tui in salutem cum christo tuoldquo bdquoDu zogst aus Herr deinem Volk zu helfen zu helfen deinem Gesalbtenldquo (Hab 313)

10

feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

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haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

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sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 5: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

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ge haumltte daszlig die stille Messe fuumlr uns eine taumlgliche oder woumlchentliche Ge-bets-Vitaminspritze waumlre von deren Wirksamkeit wir uns einen Ausgleich des spirituellen Naumlhrstomangels un-seres Alltags versprechen Im Leben eines Menschen der sich durch unter-schiedliche Bindungen mit dem Herrn verknuumlpft hat ndash durch Laudes oder Vesper oder andere kuumlrzere Stunden-gebete des Breviers7 durch lectio divi-na geistliche Lesung eucharistische Anbetung oder den Rosenkranz um die bekanntesten zu nennen ndash kann das heilige Opfer der Messe das sein was es in Wahrheit ist ein Houmlhepunkt fons et culmen vi tae Christianae [Quelle und Houmlhepunkt des christlichen Lebens] eine Phase in der bdquoalle Register gezo-gen werdenldquo

Wie wir wissen ist das bdquoVier-Lieder-Sandwichldquo das heute in fast saumlmtlichen Novus Ordo-Ge meinden die Regel ist keine Erndung der aufmuumlpgen 1960er Jahre sondern geht vielmehr

7 oder das Kleine Brevier der seligen Jungfrau Ma-ria

zuruumlck auf die in den Jahrzehnten vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil erteilte Erlaubnis bei stillen Messen volkssprachliche Lieder zu singen

Um dieses Problem gemeindlichen Schwelgens in Sentimentalitaumlten zu loumlsen das kaum zum oziell-oumlent-lichen objektiven Cha rakter und der Teilnahme an der Liturgie als einer Vorgegebenheit im eigentlichen Sinn paszligte8 rief das Konzil sogar seinerseits zum Einsatz von gregorianischem Ge-sang auf von Renaissance-Polyphonie so wie von Kom positionen neueren Datums die bestrebt sind sich an die-sen herrlichen Vorbildern zu orientie-ren und ihre Qualitaumlten nachzuahmen

8 Vgl Guardinis treende Bemerkungen zu diesem Problem im Einleitungskapitel seines Buchs Der Geist der Liturgie

Tragischerweise verblieben wir aber im Trott des Vier-Lieder-Sandwichs abgesehen lediglich davon daszlig der schmalzige uumlberkommene viktoria-nische Stil durch Pseudo-Folk- oder Light-Rock-Lieder abgeloumlst wurde Es fand lediglich ein Materialaustausch aber keine wirkliche Veraumlnderung statt An den zugrundeliegenden Vor-aussetzungen und Erwartungen aumln-derte sich nichts und der Aufruf sich in die Liturgie als solche einzubringen um eine echte vita liturgica leben zu koumlnnen verhallte ungehoumlrt

Natuumlrlich ist es moumlglich eine stille Messe mit angemessener Musik zu versehen mit Hymnen wie Adoro te Ave verum corpus usw oder indem man die richtige Orgelmusik auswaumlhlt und geschmackvolle Lieder aussucht aber das ist doch alles noch Welten entfernt von der gesungenen Messe

Gesang der Allerheiligenlitanei bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

Stille Messe in der Benediktinerabtei Clear Creek (Oklahoma)

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oder dem levitierten Hoch amt in de-nen Liturgie und Musik zu einer Ein-heit verschmelzen

Wenn wir heutzutage den Unterschied zwischen dem Singen der Messe und dem Singen in der Messe nicht mehr ernst nehmen oder auch den Un-terschied zwischen einer erhabenen oumlentlichen Zelebration und einer heruntergedimmten privaten Zele-bration dann besteht die Gefahr daszlig wir wieder in eine Variante des Katho-lizismus der 1950er Jahre verfallen der dann womoumlglich erneut wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht weil wir die Fuumllle unserer liturgischen Tradition nicht ausleben9

Die heilige Liturgie muszlig so oft wie moumlglich in ihrer ganzen Fuumllle gefeiert werden in ihrer rituellen und musikali-schen Ganzheit wenn uns an der Ho-nung gelegen ist eine Neubelebung erleben zu duumlrfen die unserer Traditi-on wuumlrdig ist und die ein nachhaltiges Gegenmittel gegen den Rationalismus und Utilitarismus darstellt die sich in nahezu jedem Bereich des modernen Lebens breitgemacht haben Die Litur-gie soll nicht nur als Wahrheit sondern als Glanz der Wahrheit empfunden werden als Manifestation der Herrlich-keit Gottes

9 Ich will damit nicht sagen der Katholizismus der 1950er Jahre sei nicht staumlrker und gesuumlnder gewe-sen als der heutige Katholizismus Das zu behaupten waumlre voumlllig abwegig Ich mache mir lediglich we-gen bestimmter bedauerlicher Gewohnheiten oder Muster Sorgen die bereits in den 1950er Jahren auftraten und die in gewissem Ausmaszlig die Radi-kalitaumlt die Gleichguumlltigkeit und den Glaubensabfall der folgenden Jahre und Jahrzehnte provozierten

Die Haltung des heiligen Hugo von Lin-coln (11351140ndash1200) war wunder-bar unpraktisch da er immer groumlszligten Wert darauf legte sich fuumlr Gott Zeit zu nehmen und ihm alles zu geben ohne auf dringende Geschaumlfte zu achten

Nie verlor Hugo die Tatsache aus dem Auge daszlig ein Bischof zunaumlchst und zu-erst der oberste liturgische Diener ist Er duldete nicht die geringste Nachlaumlssig-keit wenn es um das gesungene Ozi-um ging Einmal assistierte er bei einer Messe mit einem anderen Bischof Hugo de Nonant von Coventry Sie sollten an-schlieszligend mit dem Koumlnig speisen Um sich zum Dinner beim Koumlnig nicht zu verspaumlten wuumlnschte der Bischof von Co ventry eine gelesene Messe und be-gann den Introitus zur Messe eines Be-kenners bdquoOs justildquo mit seiner normalen Sprechstimme zu lesen Aber Hugo woll-te davon nichts wissen ndash er stimmte den Introitus an und sang ihn sowie das ge-samte Proprium vollstaumlndig aus So wie

der heilige Dominik seine Messe taumlglich sang so folgte oenbar auch Hugo ei-nem ausgezeichneten Prinzip dem Ge-genteil dessen was man heute leider so oft antrit Man lese die Messe nicht wenn man sie singen kann Man kann sich sein Urteil uumlber die zahlreichen Ge-meinden vorstellen in denen die Messe nicht einmal an Sonn- und groszligen Fei-ertagen gesungen wird10

Zweifellos sind stille Messen oder bdquopri-vateldquo Messen an Wochentagen von groszliger meditativer Schoumln heit und unverzichtbar fuumlr die Spiritualitaumlt des Priesters und der Glaumlubigen Wir soll-ten dankbar dafuumlr sein daszlig sich diese Form entwickelt hat die so gut zu dem Beduumlrfnis paszligt taumlglich dem Opfer auf Golgotha beizuwohnen

Aber wir duumlrfen nicht zulassen daszlig diese sinnvolle Vereinfachung die

10 Aus dem erbaulichen Buch Neglected Saints von E I Watkin (New York Sheed amp Ward 1955) 63ndash64

Hl Hugo von Lincoln bdquoEgressus es Domine in salutem populi tui in salutem cum christo tuoldquo bdquoDu zogst aus Herr deinem Volk zu helfen zu helfen deinem Gesalbtenldquo (Hab 313)

10

feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

12

haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

14

sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 6: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

09Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

oder dem levitierten Hoch amt in de-nen Liturgie und Musik zu einer Ein-heit verschmelzen

Wenn wir heutzutage den Unterschied zwischen dem Singen der Messe und dem Singen in der Messe nicht mehr ernst nehmen oder auch den Un-terschied zwischen einer erhabenen oumlentlichen Zelebration und einer heruntergedimmten privaten Zele-bration dann besteht die Gefahr daszlig wir wieder in eine Variante des Katho-lizismus der 1950er Jahre verfallen der dann womoumlglich erneut wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht weil wir die Fuumllle unserer liturgischen Tradition nicht ausleben9

Die heilige Liturgie muszlig so oft wie moumlglich in ihrer ganzen Fuumllle gefeiert werden in ihrer rituellen und musikali-schen Ganzheit wenn uns an der Ho-nung gelegen ist eine Neubelebung erleben zu duumlrfen die unserer Traditi-on wuumlrdig ist und die ein nachhaltiges Gegenmittel gegen den Rationalismus und Utilitarismus darstellt die sich in nahezu jedem Bereich des modernen Lebens breitgemacht haben Die Litur-gie soll nicht nur als Wahrheit sondern als Glanz der Wahrheit empfunden werden als Manifestation der Herrlich-keit Gottes

9 Ich will damit nicht sagen der Katholizismus der 1950er Jahre sei nicht staumlrker und gesuumlnder gewe-sen als der heutige Katholizismus Das zu behaupten waumlre voumlllig abwegig Ich mache mir lediglich we-gen bestimmter bedauerlicher Gewohnheiten oder Muster Sorgen die bereits in den 1950er Jahren auftraten und die in gewissem Ausmaszlig die Radi-kalitaumlt die Gleichguumlltigkeit und den Glaubensabfall der folgenden Jahre und Jahrzehnte provozierten

Die Haltung des heiligen Hugo von Lin-coln (11351140ndash1200) war wunder-bar unpraktisch da er immer groumlszligten Wert darauf legte sich fuumlr Gott Zeit zu nehmen und ihm alles zu geben ohne auf dringende Geschaumlfte zu achten

Nie verlor Hugo die Tatsache aus dem Auge daszlig ein Bischof zunaumlchst und zu-erst der oberste liturgische Diener ist Er duldete nicht die geringste Nachlaumlssig-keit wenn es um das gesungene Ozi-um ging Einmal assistierte er bei einer Messe mit einem anderen Bischof Hugo de Nonant von Coventry Sie sollten an-schlieszligend mit dem Koumlnig speisen Um sich zum Dinner beim Koumlnig nicht zu verspaumlten wuumlnschte der Bischof von Co ventry eine gelesene Messe und be-gann den Introitus zur Messe eines Be-kenners bdquoOs justildquo mit seiner normalen Sprechstimme zu lesen Aber Hugo woll-te davon nichts wissen ndash er stimmte den Introitus an und sang ihn sowie das ge-samte Proprium vollstaumlndig aus So wie

der heilige Dominik seine Messe taumlglich sang so folgte oenbar auch Hugo ei-nem ausgezeichneten Prinzip dem Ge-genteil dessen was man heute leider so oft antrit Man lese die Messe nicht wenn man sie singen kann Man kann sich sein Urteil uumlber die zahlreichen Ge-meinden vorstellen in denen die Messe nicht einmal an Sonn- und groszligen Fei-ertagen gesungen wird10

Zweifellos sind stille Messen oder bdquopri-vateldquo Messen an Wochentagen von groszliger meditativer Schoumln heit und unverzichtbar fuumlr die Spiritualitaumlt des Priesters und der Glaumlubigen Wir soll-ten dankbar dafuumlr sein daszlig sich diese Form entwickelt hat die so gut zu dem Beduumlrfnis paszligt taumlglich dem Opfer auf Golgotha beizuwohnen

Aber wir duumlrfen nicht zulassen daszlig diese sinnvolle Vereinfachung die

10 Aus dem erbaulichen Buch Neglected Saints von E I Watkin (New York Sheed amp Ward 1955) 63ndash64

Hl Hugo von Lincoln bdquoEgressus es Domine in salutem populi tui in salutem cum christo tuoldquo bdquoDu zogst aus Herr deinem Volk zu helfen zu helfen deinem Gesalbtenldquo (Hab 313)

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feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

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haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

14

sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 7: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

10

feierliche Fuumllle der urspruumlnglichen gesungenen Form der Messe an den Rand draumlngt oder ersetzt durch wel-che unsere gemeinsame Feier am Tag des Herrn und an den groszligen Festen des Kirchenjahrs auf angemessene Weise erhoben wird so daszlig wir mit saumlmtlichen Faumlhigkeiten des Leibes und der Seele in das erhabene Fest des Lammes eintreten und saumlmtliche Gaben unseres Glaubens einbringen koumlnnen

Junge Katholiken denen es mit ihrem Glauben ernst ist sehnen sich nach dem Schweigen und der Geraumlumig-keit der traditionellen Liturgie nach den gemessenen Bewegungen dem Atem der Gelassenheit die Art wie sie das eigene Gebet in der je eigenen Weise im je eigenen Rhythmus re-spektiert und fordert Es ist ungeheu-er befreiend einer Messe beizuwoh-nen bei der der Fokus anderswo liegt jenseits und man kann sich dem eige-nen Vermoumlgen gemaumlszlig anschlieszligen ohne staumlndig angesprochen oder ge-gaumlngelt zu werden Diese Form geht gnaumldig mit unseren Schwaumlchen um spricht aber auch gleichzeitig unsere

Staumlrken an

Nachdem wir fuumlnfzig Jahre akustischer Uumlbersaumlttigung hinter uns haben wis-sen wir sehr viel besser die jahrhun-dertealte Weisheit der heiligen Mutter Kirche zu schaumltzen die verlangte daszlig ihr levitiertes Hochamt von Anfang bis Ende zu singen war und ihre stille Mes-se nahezu ausschlieszliglich uumlsterleise sein sollte11

11 Nun fragt sich der Leser moumlglicherweise was ich von der bdquoDialog-Messeldquo halte also davon daszlig die Glaumlubigen in der Bank in einer traditionellen lateinischen Messe all jene Texte sprechen die in der gesungenen Messe entweder von den Mini-stranten gesprochen oder von den Glaumlubigen ge-sungen werden Diese Frage bringt um mit dem Evangelium zu sprechen bdquoVater gegen Sohn und Sohn gegen Vater [auf] Mutter gegen Tochter und die Tochter gegen ihre Mutter die Schwiegermut-ter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwieg-ertochter gegen ihre Schwiegermutterldquo (Lk 1253) Gegen die Dialog-Messe waumlre einzuwenden daszlig sie den Leuten eine falsche Vorstellung von aktiver Teilnahme vermittelt denn viele Gebete die laut gesprochen werden sind eigentlich private Vorberei-tungsgebete und moumlglicherweise wuumlrden wir mehr davon protieren wenn wir sie als unsere privaten Vorbereitungsgebete verwenden wuumlrden und zwar

In einem levitierten Hochamt oder einer Missa cantata wird fast alles ent-weder gesungen oder im Schweigen vollzogen lediglich das Kommunion-Conteor (wenn es gebetet wird) und das bdquoDomine non sum dignusldquo wer-den gesprochen Das heiszligt Ungefaumlhr 99 der houmlrbaren Worte der Liturgie sind gesungen In einer stillen Mes-se oder Missa recitata wird ein groszliger Teil vom Zelebranten sotto voce oder still gesprochen womit fuumlr die Glaumlu-bigen voumlllig oensichtlich wird daszlig der Priester ausschlieszliglich zum Herrn spricht und nicht ihnen eine Botschaft

schweigend (vgl Jacques und Raiumlssa Maritains War-nung an die liturgischen Enthusiasten der 1950er Jahre in ihrem Buch Liturgy and Contemplation) Man sollte Psalm 42 nicht auf eine Stufe stellen mit dem Kyrie oder dem Gloria oder mit den Antworten in oumlentlichen Dialogen Darin kann eine demo-kratische Ausgewogenheit der Antworten am Platz sein Vielleicht geht es bei solchen Vorstoumlszligen um einen Versuch die stille Messe mit einem Element von Oumlentlichkeit und Beteiligung zu versehen was aber ihrer Spiritualitaumlt ganz fremd ist und eher zur feierlichen Messe gehoumlrt womoumlglich besteht sogar die Gefahr daszlig viele dazu verleitet werden sich den Versuchen der gesungenen Messe ihren Ehrenplatz zuruumlckzuerobern in den Weg zu stellen Uumlber-haupt hat eine stille Messe die am fruumlhen Morgen vom Priester an einem Seitenaltar geuumlstert wird eine ganz eigene Schoumlnheit und dieses Geschenk darf aus dem Leben der Kirche nie getilgt werden Andererseits habe ich schon erlebt daszlig die Dialog-Messe im (zugegebenermaszligen seltenen) Rahmen einer Gemeinde aus Studenten gut funktioniert die mit der lateinischen Sprache vertraut sind und die indem sie die Worte der Liturgie sprechen in eine groumlszligere Vertrautheit mit dem liturgischen Gebet hi-neinnden Und man darf auch nicht uumlbersehen daszlig es selbst in einer Dialog-Messe noch viel Schwei gen gibt diese Form verliert nicht automatisch die fuumlr die stille Messe typische erfuumlllte Gebetsatmosphaumlre

Anbetung des Lammes (13 Jh Apokalypse Handschrift die Francis Douce der Buumlcherei der Universitaumlt von Oxford uumlberlassen hatte)

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

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haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

14

sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 8: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

11Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

vermittelt Infolgedessen ist es einfa-cher fuumlr die Laien auch selbst zu be-ten ndash sie werden mitgetragen in dem Gebetsstrom der von den Lippen des Priesters kommt

Die Tradition bietet uns also die wun derbare Erfahrung zweier An-dachtsformen eine die feierlich zwi-schen Gesang und Schweigen ab-wechselt und eine zweite die voumlllig von einer liebevollen Unterredung eingenommen ist die nicht wagt sich der Stimme alltaumlglichen Sprechens zu bedienen Beide sind auf bewunderns-werte Weise dafuumlr geeignet das Beten zu unterstuumltzen das gemeinsame Be-ten das kontemplative Beten das Her-zensgebet

Im Novus Ordo wurde all das abge-schat Wohin sind die gesungenen Proprien das gesungene Ordinari-um die gesungenen Priestergebete verschwunden Wohin ist das tiefe Schweigen verschwunden In einer ty-pischen Werktags-Zelebration werden

95 der Liturgie laut gesprochen in Richtung der Glaumlubigen als Publikum Es wird geredet geredet geredet ein nervtoumltender Marsch durch Texte die nicht einmal aufgrund ihrer literari-schen Qualitaumlten bemerkenswert sind (in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich von der Anglikanischen Ordinari-ats-Liturgie die sich einiger der besten englischen Prosatexte bedienen kann die je den Weg aufs Papier gefunden haben)

Es ist kein Wunder daszlig sich die Messe nach dem Novus Ordo auf die Seele kaum auswirkt Weder schat sie den

Raum in den Ritus hineinzunden noch jubelt und klagt sie mit dem Lied des goumlttlichen Geliebten Sie ist tat-saumlchlich weder kalt noch heiszlig weder sprachlos noch gefuumlhlvoll sie ist lau-warm ndash und was mit den Lauwarmen passiert wissen wir ja

Das Lied ist das Reich des Lie-benden des Trauernden des Be-geisterten das Reich erhoumlhter Er-fahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme ndet Das Schweigen ist das Reich des von der Unaussprechlichkeit ergrienen Mystikers des Geistes der sich auf ein Problem konzentriert des Dichters der nach einem Wort Ausschau haumllt des einfachen Mannes der mit Realitauml-ten konfrontiert wird die ndash wie die Lie-be wie der Tod ndash unendlich viel groumlszliger sind als er selbst

Die Sprache ist im Unterschied dazu das Reich des Gewoumlhnlichen dessen was Sache ist das Reich der Wirtschaft und der Politik Darum sind sowohl ge-sungene als auch schweigende Litur-gie erhaben wirkungsvoll und reich jede auf ihre je eigene Weise wohin-gegen gesprochene Liturgie blaszlig ist schwach und duumlrftig schon vom An-satz her ein struktureller Miszliggri Wir

Stille in der Liturgie

Stille ist Teil der Liturgie Wir antworten indem wir singen und beten zu dem Gott der uns anspricht aber das groumlszligere Geheimnis das alle Worte uumlbersteigt ruft uns zum Schweigen Es muszlig natuumlrlich eine Stille mit Inhalt sein nicht nur die Abwesenheit von Sprache und Handlung Wir sollten er-warten daszlig die Liturgie uns eine positive Stille gibt die uns wiederherstel-len wird

Kardinal Ratzinger Geist der Liturgie

Kommunion-Conteor levitiertes Hochamt in der Paderborner Marktkirche (PMT HV 2012)

Das Lied ist das Reich des Liebenden des Trauernden des Begeisterten das Reich erhoumlhter Erfahrung Jubel und Erlesenheit von Schoumlnheit die eine Stimme findet

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haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

14

sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 9: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

12

haben hier einen phaumlnomenologi-schen Unterschied vor uns der bis ins Innerste des Gottesdienstes reicht ndash er erstreckt sich auf das was wir tun auf wen hin wir ausgerichtet sind und auf den Grund unseres Handelnshellip

Mit der Wendung bdquoDas Wort Gottes und die Wortlastigkeit des Menschenldquo12 wollte ich den Unterschied zwischen sprachlich gefaszligtem Gottesdienst was jeder christliche Gottesdienst zwin-gend ist und geschwaumltzigem Gottes-dienst klarmachen der dem Geist der Liturgie diametral entgegengesetzt ist Ratzinger zeigt daszlig das entschei-dende Merkmal unseres Gebets darin besteht daszlig es vom Logos kommt und dorthin zuruumlckkehrt13 Da dieser Logos

12 Titel des 2 Kapitels in Neuanfang inmitten der Krise UNA Voce Edition 201713 Vgl zB The Spirit of the Liturgy 140 148ndash156 ldquoImage of the World and of Human Beingsrdquo in A New Song 120ndash122 Es handelt sich dabei um eines von Ratzingers Lieblingsthemen das es ihm ermoumlglicht Rationalitaumlt Schoumlnheit und Transzen-

jedoch der unendliche transzendente ewige Logos Gottes ist sollte auch un-ser Gebet diese Attribute in irgendei-ner Weise widerspiegeln wenn es ein getreues Abbild eine angemessene Vermittlung fuumlr dieses Wort sein will Ein einziger gregorianischer Gesang etwa ein Graduale zwischen den Le-sungen vermittelt den Logos tiefer als stundenlange Lesungen Homilien Vortraumlge oder Katechesen Wenige Mi-nuten anbetenden Schweigens waumlh-rend des Kanons der Messe vermitteln den Logos tiefer als der gesamte Inhalt des Oxford English Dictionary oder von Strongs Konkordanz

Wir sind als Gesellschaft suumlchtig nach Woumlrtern Bildern und Klaumlngen doch wir haben ihren Ursprung und ihren Zweck vergessen Die Sprache der Li-turgie ist nicht einfach nur jene Spra-che von der unsere Welt uumlberutet ist sondern erhoumlhte gehobene Spra-che schoumlner Gesang und numinoses Schweigen wovon es fatalerweise

denz zu verbinden

immer weniger gibt Das Geschwister-paar Gesang und Schweigen bringt Frieden also die Stille der Ordnung es bringt Kontemplation einen Vorge-schmack der beseligenden Schau es bringt Einheit in unsere zersplitterten Gedanken und in unsere zerbroche-nen Lebenslaumlufe

Friede Kontemplation und Einheit werden nicht durch die Wortlastigkeit der gefallenen Menschen vermittelt eine Wortlastigkeit die fatalerweise durch die Anweisung bdquoin diesen oder aumlhnlichen Wortenldquo im neuen Roumlmi-schen Missale sowie durch die Zulas-sung von Kommentaren und Ankuumlndi-gungen noch verstaumlrkt wird

Mehr und mehr erkennen wir die Wahrheit der Vorausschau von Mar-shall McLuhan der intuitiv erfaszligte daszlig das Medium die Bot schaft ist und der wuszligte daszlig die Anbringung von Mikrophonen und Lautsprechern in den Kirchen kei nen anderen Eekt haben konnte als die Liturgie zu un-

Choralschola bei der FSSP-Priesterweihe 2013 in Lindenberg

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

14

sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 10: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

13Dominus Vobiscum Nr 16 Maumlrz 2018

terminieren14 Das Medium der Messe ist ihre erste sich durchhaltende Bot-schaft an die Glaumlubigen in diesem Medium ndet alles seinen Platz von hier erhaumllt alles seine Faumlrbung seinen Klang Liturgischer Gesang adelt alles was er beruumlhrt er verwandelt das Holz der Woumlrter in das Gold des Lobpreises

Schweigen vermittelt all dem das es umgibt einen Geist der Gelassenheit und eine transzendente Ausrichtung durch die die urspruumlngliche Frische der Woumlrter erhalten bleibt wie bei Muumlnzen die nicht durch staumlndiges Be-nutzen abgegrien sind

Von den drei Schwestern Schwei gen ndash Musik ndash Sprache ist letztere diejenige die mit dem Risiko von Entweihung

14 Alfred Lorenzer konstatierte die exhibitionis-tische oder am Kommerz orientierte Psychologie die aus der Kombination von Mikrophon und versus populum resultiert bdquoNichts von dem was der Zele-brant tut oder unterlaumlszligt bleibt dem sbquoZuschauerlsquo ver-borgen Das Mikrophon vermittelt dem Publikum jedes Rascheln jeden Atemzug und der visuelle Ein-druck der sich dem Publikum bietet aumlhnelt eher dem szenischen Aufbau um einen Fernsehkoch herum als an liturgische Formen ndash bis hin zu calvinistischen Gottesdienstenldquo (zitiert von Stuart Chessman in The Society of St Hugh of Cluny 26 Januar 2017) Lorenzer stellt eine aufschluszligreiche Verbindung dieser Extroversion mit elektrischer Beleuchtung her bdquoDie Restaurierer haben damit eine ganz eigene Form der Raumzerstoumlrung geschaen die fuumlr ihr Gewerbe typisch ist Auch noch der letzte Winkel des Kirchengewoumllbes wird elektrisch ausgeleuchtet so daszlig die Atmosphaumlre eines Inneren komplett ver-lorengeht Die urspruumlngliche Mischung des Lichts wurde durch elektrische Lichtquellen ersetzt die sich wie absurde Lichtgirlanden an den Decken-raumlndern entlangziehen Und natuumlrlich sind die Altaumlre nacktldquo (Ebd)

und Laumlcherlichmachen verbunden ist Man weiszlig doch daszlig es aumluszligerst heikel ist in Momenten groumlszligten Erschrek-kens oder groumlszligten Entzuumlckens zu sprechen waumlhrend einer innigen Um-armung vor oder nach einer langen Trennung in einer Phase schlimmer Krise unausweichlichen Leides oder eines unerwarteten Sieges wenn man sich mit dem Unbegreiichen Uner-bittlichen Unermeszliglichen konfron-tiert sieht Sprache kann in solchen Situationen nichts anderes bewirken als daszlig sie den Redenden zum Narren oder ihren Gegenstand unglaubwuumlr-dig macht Sehr viel angemessener ist es zu schweigen ndash oder eine Musik zu nden die mit ihren eigentuumlmlichen Modulationen dorthin reicht wo nur gesprochene Sprache nicht hinreicht

ndash in das was man ahnt fuumlhlt oder im Herzen bewegt Genau das aber tut die traditionelle Liturgie Sie zieht sich dankerfuumlllt und still ins Schweigen zu-ruumlck oder sie ndet einen Gesang der das innere bdquoAntlitzldquo der Woumlrter auf sub-tile eindringliche Weise zum Ausdruck bringt

Die vollkommenste Umsetzung dieser Dialektik aus Musik und Schweigen ist das traditionelle levitierte Hochamt dessen Echo die Missa cantata dar-stellt Die neue Liturgische Bewegung sollte sich bemuumlhen in jeder Gemein-de jeden Sonntag nichts weniger als ein levitiertes Hochamt zu feiern Mir ist klar daszlig wir von diesem Ziel noch weit sehr weit entfernt sind dennoch muszlig das und nichts anderes unser Ziel

Levitiertes Hochamt in Frickhofen (bei Limburg 2009)

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sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)

Page 11: Der Friede der stillen und die Glorie der gesungenen Messe · keit und Banalität die Reinheit, Intensität und „Dich-te“ der traditionellen Liturgie ersetzt hat. Letztere spricht

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sein Priester die weder den Frieden der stillen Messe noch den Glanz des Hochamts kennen duumlrfen nicht laumlnger warten jetzt ist die Zeit gekommen um die Zelebration der stillen Messe zu lernen und anschlieszligend diejenige der Missa cantata auf daszlig diese Reich-tuumlmer den Gemeinden zugaumlnglich ge-macht werden koumlnnen

Die Katholiken hungern und duumlrsten nach echter Liturgie ndash Liturgie in wel-cher Schweigen und Musik wirklich sinnvoll sind und nicht wie zufaumlllig auf-gesetzt wirken Die Sprache hat ihre Schwestern das Schweigen und die Musik viel zu lang herumkomman-diert Es ist an der Zeit daszlig liturgisches Schweigen und liturgischer Gesang die ihnen ge buumlhrenden Plaumltze im Le-ben der Kirche einnehmen ndash damit die Welt lebt

Uumlbersetzung aus dem Engli schen Peter Kwasniewski bdquoNoble Beauty Transcendent Holinessldquo Angelico Press 2017 Auszuumlge aus Kapitel 10 bdquoThe Peace of Low Mass and the Glory of High Massrdquo (S 235 ndash 255)

Peter Kwasniewski auf die Frage was der Ausdruck bdquoedle Schoumlnheitldquo im Titel seines neuen Buches bedeutet

Es gibt viele verschiedene Arten von Schoumlnheit Es gibt die einfache haumlusliche Schoumlnheit die wir mit gut-gemachten Mouml-beln Teppichen Decken Tellern und Buumlchern verbinden Es gibt eine strenge Schoumlnheit wie man sie in der Zelle eines Kar-thaumlusers nden kann Es gibt rauhe Schoumlnheit wie wir sie in den Landschaften von Island oder Kanada oder Alaska sehen Aber es gibt eine edle Schoumlnheit die wir mit Souveraumlnitaumlt Majestaumlt Anlaumlssen groszliger oumlentlicher Feierlichkeit verbin-den Die Liturgie ist unsere Audienz am Hof des Koumlnigs des Himmels und der Erde Sie sollte durch eine uumlberwaumlltigen-de Wahrnehmung von Geraumlumigkeit Erhebung Wuumlrde und Pracht gekennzeichnet sein Das meine ich in meinem Titel

Pontikalamt in St Mauritius Frankfurt-Schwanheim (PMT HV 2015)