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Pseudonymous Bosch Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis Pseudonymous Bosch 320 Seiten, Format 14,8 x 21,0 cm, gebunden mit Schutzumschlag ISBN 978-3-401-06256-3

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Pseudonymous Bosch

Der Name dieses Buchesist ein Geheimnis

Pseudonymous Bosch

320 Seiten, Format 14,8 x 21,0 cm, gebunden mit SchutzumschlagISBN 978-3-401-06256-3

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WARNUNG:Nicht weiterlesen

!

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Gut.Jetzt weiß ich, dass ich dir vertrauen kann.Du bist neugierig. Du bist mutig. Und du hast keine Angst,

eine Verbrecherlaufbahn einzuschlagen.Nur damit eins klar ist: Wenn du trotz meiner Warnung da-

rauf beharrst, dieses Buch zu lesen, mach bitte nicht mich fürdie Folgen verantwortlich.

Also, lass es dir gesagt sein: Das ist ein sehr gefährlichesBuch.

Nein, es wird nicht vor deinen Augen explodieren. Oder dirden Kopf abbeißen. Oder dich in Stücke reißen.

Es wird dir vermutlich gar nichts tun. Es sei denn, jemandwirft es dir an den Kopf – eine Möglichkeit, die man nie außerAcht lassen sollte.

Im Allgemeinen sind Bücher eher harmlos. Außer man liestsie. Dann beschwören sie allerlei Probleme herauf.

Bücher können dich beispielsweise auf Ideen bringen. Ichweiß nicht, ob du schon jemals eine Idee hattest, aber falls ja,weißt du sicher, welche Scherereien man sich damit einhan-deln kann.

Bücher können auch Gefühle hervorrufen. Und die sindmanchmal sogar noch riskanter als Ideen. Gefühle verleitendie Menschen dazu, alle möglichen Dinge zu tun, die sie späterbereuen – wie zum Beispiel, ähm, jemandem ein Buch an denKopf zu werfen.

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Der eigentliche Grund, warum dieses Buch so gefährlich ist:Es enthält ein Geheimnis.

Ein großes Geheimnis.Mit Geheimnissen ist das so eine Sache. Wenn du nichts von

einem Geheimnis weißt, kümmert es dich auch nicht. Du lebstweiter sorglos in den Tag hinein.

La, la, la singst du. Alles ist in bester Ordnung. (Okay, viel-leicht singst du nicht gerade la, la, la, aber du weißt schon, wasich meine.)

Aber sobald du Wind von dem Geheimnis bekommst, fängtes an, in dir zu rumoren. Was für ein Geheimnis ist das?, fragstdu dich. Warum darf ich nichts davon wissen? Was ist daranso wichtig?

Plötzlich hast du nur noch eins im Sinn: das Geheimnis zulüften.

Du bittest. Du bettelst. Du drohst. Du schmeichelst. Du ver-sprichst, es niemandem zu verraten. Du probierst es auf jedenur denkbare Art. Du fängst an, in den Sachen des Geheimnis-trägers herumzuschnüffeln. Du raufst ihm oder ihr die Haare.Und wenn das alles nichts nützt, raufst du dir deine eigenen.

Ein Geheimnis nicht zu kennen, ist so ungefähr dasSchlimmste, was einem passieren kann.

Nein, ich kenne etwas, was noch schlimmer ist.Ein Geheimnis zu kennen.Lies weiter, wenn’s denn sein muss.

Aber denk dran, ich habe dich gewarnt.

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Kapitel eins

Xxxxxxxxx xxx Xxx-Xxxxxx xxxxx xxxxxxx Xxxxxx xxxxxxxxxx. Xxxxx xxx xxxxxx, xxxxxxxx xxx xx xxxx Xxxx xxxxxxxxx xxxx xxxxxxx xxx xxxx xxxxx xxxxx Xxxxxx xxxxx xxxXxxxxx.

»Xxxxx xxxx xxxxx xxx xxx«, xxxx Xxxxx xxx xxxx xxx xxxxxx xxxxx. Xxxxxx xxx xxx xx xxxx, xxx xxxx xxxxxx Xxxx xxxxxxxxx xxx.

Xxxxx xxx xxxxxx xxxxxxxx xxx xx xxxx Xxxx xxxx xxxxxxxxx xxxxxxx xxx xxxx xxxxx xxxxx Xxxxxx xxxxx xxx Xxxxxx.

»Xxxxx xxxx xxxxx xxx xxx xxxx Xxxxx xxx xxxx xxx xxx xxxxxxxx. Xxxxxx xxx, xxx xx xxxxxx xxxx xxx xxxxx xxx xxxxxxxx xxxx xxxxx xxxxxx xxx xxx xxxx Xxxxxx xxx xx xxxx xx xxxxxx xxxxx xxx!«

Xxxx xxxx, xxxx xxxxxx xxx xxxx Xxxxx xxx, xxxx – xx xxxxxxx xxxxx Xxxxxx! Xxxxx xxx xxxx xxx xx, xxxx. Xxxx xxxxxxxx xxx, xxx xxxx – xxxx xxx xxxx xxx xx xxx xxxxx, Xxxxx xxxxxxx xxx xxx. Xxxxx. Xxx xxxx, xxxxx xx xxxxx, Xxxxx.

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»Xxxxx xxx xx!«Xxxxxx xxxx, xxxxx xxx xxxx xxxxx, xxxxx xxxx xxxxx.Xxxxxxxxx xxx Xxx-Xxxxxx xxxxx xxxxxxx Xxxxxx xxxxx

xxxxx. Xxxxx xxx xxxxxx, xxxxxxxx xxx xx xxxx Xxxx xxxxxxxxx xxxx xxxxxxx xxx xxxx xxxxx xxxxx Xxxxxx xxxxx xxxXxxxxx.

»Xxxxx xxxx xxxxx xxx xxx«, xxxx Xxxxx xxx xxxx xxx xxxxxx xxxxx. Xxxxxx xxx xxx xx xxxx, xxx xxxx xxxxxx Xxxx xxxxxxxxx xxx.

Xxxxx xxx xxxxxx xxxxxxxx xxx xx xxxx Xxxx xxxx xxxxxxxxx xxxxxxx xxx xxxx xxxxx xxxxx Xxxxxx xxxxx xxx Xxxxxx.

»Xxxxx xxx xx!«»Xxxxx xxx xxxxx xxx xx!«»Xxxxx xxxx xxxxx xxx xxx xxxx Xxxxx xxx xxxx xxx xxx xxx

xxxxx. Xxxxxx xxx, xxx xx xxxxxx xxxx, xxx xxxxx xxx xxxxxxxx xxxx xxxxx, xxxxxx xxx xxx xxxx Xxxxxx xxx xx xxxx xxxx xxxx xxxxx xxx!«

Xxxx xxxx, xxxx xxxxxx xxx xxxx Xxxxx xxx, xxxx – xx xxxxxxx xxxxx Xxxxxx! Xxxxx xxx xxxx xxx xx, xxxx. Xxxx xxxxxxxx xxx, xxx xxxx – xxxx xxx xxxx xxx xx xxx xxxxx, Xxxxx xxxxxxx xxx xxx. Xxxxx. Xxx xxxx, xxxxx xx xxxxx, Xxxxx.

»Xxxxx xxx xx!«Xxxxxx xxxx, xxxxx, xxx xxxx xxxxx, xxxxx xxxx xxxxx.Xxxxxxxxx xxx Xxx-Xxxxxx xxxxx xxxxxxx Xxxxxx xxxxx

xxxxx. Xxxxx xxx xxxxxx, xxxxxxxx xxx xx xxxx Xxxx xxxxxxxxx xxxx xxxxxxx xxx xxxx xxxxx xxxxx Xxxxxx xxxxx xxxXxxxxx.

»Xxxxx xxxx xxxxx xxx xxx«, xxxx Xxxxx xxx xxxx xxx xxxxxx xxxxx. Xxxxxx xxx xxx – xx xxxx, xxx xxxx xxxxxx Xxxxxxxx xxxxx xxx.

Xxxxx xxx, xxxxxx xxxxxxxx xxx xx xxxx Xxxx xxxx xxxxxxxxx xxxxxxx xxx, xxxx xxxxx xxxxx Xxxxxx xxxxx xxx Xxxxxx.

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»Xxxxx xxxx xxxxx xxx xxx xxxx Xxxxx xxx xxxx xxx xxx xxxxxxxx. Xxxxxx xxx, xxx xx xxxxxx xxxx xxx xxxxx xxx xxxx,xxxx xxxx, xxxxx xxxxxx xxx xxx xxxx Xxxxxx xxx xx xxxx xxxx xxxx xxxxx xxx!«

Xxxx xxxx, xxxx xxxxxx xxx xxxx Xxxxx xxx, xxxx – xx xxxxxxx xxxxx Xxxxxx! Xxxxx xxx xxxx xxx xx, xxxx. Xxxx xxxxxxxx xxx, xxx xxxx – xxxx xxx xxxx xxx xx xxx xxxxx, Xxxxx xxxxxxx xxx xxx. Xxxxx. Xxx xxxx, xxxxx xx xxxxx, Xxxxx.

»Xxxxx xxx xx!«Xxxxxx xxxx, xxxxx xxx xxxx xxxxx, xxxxx xxxx.

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Kapite l e ineinhalb

Eine Apologie

Tut mir leid, aber ich durfte dich Kapitel eins nicht lesen las-sen.

Dann hättest du nämlich erfahren, wie die Figuren in demBuch heißen. Und du hättest gewusst, wo die Handlung spielt.Und wann. Du hättest all die Dinge herausgefunden, die manfür gewöhnlich am Anfang eines Buchs erfährt.

Leider darf ich dir das nicht verraten.Ja, die Geschichte handelt von einem Geheimnis. Aber

gleichzeitig ist es auch eine geheime Geschichte.Ich dürfte dir eigentlich nicht einmal verraten, dass ich dir

nichts verraten darf. So geheim ist sie.Ich darf dir nicht nur nicht die Namen der Personen verra-

ten, sondern auch nicht, was sie gemacht haben und warum.Ich darf nicht sagen, welche Haustiere sie haben. Oder wie

* Falls du dich fragst, was das ist: Bei einer Apologie handelt es sich nicht um eine besondereInsektenart. Es ist auch kein gefährlicher Krebstumor. Es ist vielmehr eine Verteidigungsrede.Mit anderen Worten, sie ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht.

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viele nervtötende kleine Brüder. Oder herumkommandieren-de große Schwestern. Oder ob sie ihre Eiscreme pur oder ge-mischt mögen.

Ich darf dir nichts von ihrer Schule verraten oder von denFreunden oder von ihren Lieblingsfernsehsendungen. Oder obsie gern Skateboard fahren. Oder erstklassige Schachspielersind. Oder an Fechtwettkämpfen teilnehmen. Nicht einmal, obsie eine Zahnspange tragen.

Kurzum, ich kann dir nichts sagen, was dir einen Hinweisauf die in die Handlung verwickelten Personen geben könnte.Es könnte ja sein, dass du sie im Wartezimmer deines Kieferor-thopäden triffst.

(Zähne sind, wie du sicher aus dem Fernsehen weißt, sehrnützlich, wenn die Polizei eine Leiche identifizieren muss.)

Es ist zu deinem eigenen Schutz, aber auch zu meinem. Undzum Schutz deiner Freunde. Ja, sogar deiner Feinde. (Du weißtschon, die Leute, die du am liebsten erwürgen würdest, am En-de aber doch am Leben lässt.)

Trotzdem wird dich mein Schweigen enttäuschen.Wie willst du einer Handlung folgen, wenn du nicht weißt,

von wem sie handelt? Denn schließlich muss sich ja irgendje-mand im Wald verirren oder Drachen töten oder Zeitreisen un-ternehmen oder was auch immer.

Weißt du, was? Ich mache dir einen Vorschlag.Damit du meiner Geschichte folgen kannst, werde ich meine

eigene Regel brechen – jetzt schon! – und meinen Figuren Na-men und Gesichter geben. Aber denk dran, es sind nicht dierichtigen Namen und nicht die richtigen Gesichter. Es sindDecknamen wie bei einem Spion oder einem Verbrecher.

Sollte dir ein Name nicht gefallen, änderst du ihn einfach.Wenn ich schreibe: »Tim bohrte gern in der Nase«, und du be-vorzugst den Namen Tom, dann liest du an der Stelle einfach:

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»Tom bohrte gern in der Nase.« Das macht mir überhauptnichts aus. Du kannst es mit allen Namen so machen.

Natürlich kannst du sie auch beibehalten. Das liegt ganz beidir.

So schwer es ist, eine Geschichte zu lesen, ohne zu wissen,von wem sie handelt, so schwer ist es auch, eine Geschichte zulesen, ohne zu wissen, wo sie spielt. Selbst wenn man von Au-ßerirdischen aus einer anderen Dimension liest, möchte mansich doch eine Vorstellung davon machen, in welcher Umge-bung sie leben. Schweben sie in einer trüben grünen Giftbrü-he? Oder sind sie an einem sehr, sehr heißen Ort?

Da dies in unserem Fall ein Geheimnis bleiben muss, aberauch, um es dir ein bisschen leichter zu machen, schlage ichvor, so zu tun, als spielte sich alles an einem Ort ab, den du sehrgut kennst.

Wir wär’s mit deiner Heimatstadt?Wenn du etwas über die Stadt liest, in der die Figuren leben,

dann stell dir einfach die Stadt vor, in der du wohnst. Ist siegroß oder klein? Liegt sie an der Küste oder an einem See?Oder ist sie ein Asphaltdschungel, der fast nur aus Einkaufs-straßen besteht? Sag du es mir.

Wenn du über eine Schule liest, dann denk an deine eigeneSchule. Ist es ein altes Schulhaus mit nur einem Klassenzim-mer? Oder ist es eine Ansammlung von extra breiten Metall-containern? Entscheide selbst.Wenn die Figuren nach Hause gehen, dann stell dir vor, siewohnten in deiner Straße, vielleicht sogar im Haus gegen-über.Wer weiß, vielleicht spielt die Handlung ja tatsächlich in dei-ner Straße. Wenn’s so wäre, würde ich es dir nicht verraten.Aber ich kann dir auch nicht versprechen, dass es nicht so ist.

Im Gegenzug zu all den Freiheiten, die ich dir gewähre, ver-

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lange ich nur das eine: Sollte ich mich jemals verplappern undetwas ausplaudern – und ich fürchte, genau das wird mir pas-sieren –, dann vergiss bitte sofort, was ich dir gesagt habe.

Am besten, du vergisst alles sofort wieder, gleich nachdemdu es gelesen hast. Falls du zu den Menschen gehörst, die mitgeschlossenen Augen lesen können, rate ich dir dringend, eszu tun. Falls du blind bist und dieses Buch in Brailleschrift le-sen willst, empfehle ich dir, im wahrsten Sinne des Wortes dieFinger davon zu lassen.

Du willst wissen, warum ich unter solch furchtbaren Um-ständen überhaupt schreibe? Wäre es nicht besser, dieses Buchins Altpapier zu werfen und etwas anderes zu machen?

Oh, ich könnte dir eine ganze Reihe von Gründen nennen.Ich könnte zum Beispiel sagen, dass ich dieses Buch schreibe,

damit du aus den Fehlern anderer lernst. Ich könnte sagen, sogefährlich das Buch auch ist, es wäre noch viel gefährlicher, esnicht zu schreiben.

Aber der eigentliche Grund ist kein sehr rühmlicher. Die Sa-che ist ganz einfach.

Ich kann kein Geheimnis für mich behalten. Das konnte ichnoch nie.

Hoffentlich hast du mehr Glück als ich.

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Kapite l sechs

Das Haus des Magiers

Das Haus eines Magiers aufzuspüren, ist so gut wie unmög-lich. Zumindest bekam Kass allmählich diesen Eindruck.

»Bist du sicher, dass es die richtige Straße ist?«, fragte sie.»Wie sollte ich sicher sein? Ich war hier noch nie«, erwiderte

Max-Ernest.»Aber du nimmst an, es ist die richtige Straße?«»Na ja, das Straßenschild –«Halt! Stopp! Kein Wort mehr!Gerade merke ich, dass ich beinahe den Straßennamen verra-

ten hätte. Das wäre ein schwerwiegender Fehler.Es ist schon schlimm genug, dass Kass und Max-Ernest sich

auf diese unheilvolle Unternehmung einlassen. Aber ich könn-te es nicht ertragen, wenn du dich in dieselbe Gefahr begibst.

Lass mich von vorn anfangen. Diesmal, das verspreche ichdir, werde ich auf der Hut sein:

Das Haus eines Magiers aufzuspüren, ist so gut wie unmög-lich. Zumindest bekam Kass allmählich diesen Eindruck.

»Bist du sicher, dass es die richtige Straße ist?«, fragte sie.

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»Wie sollte ich sicher sein? Ich war hier noch nie«, erwiderteMax-Ernest.

»Aber du nimmst an, es ist die richtige Straße?«(Und jetzt pass auf: Ich habe eine völlig neue Methode entwi-

ckelt, den Straßennamen zu umgehen. Ich werde die betreffen-de Stelle einfach leer lassen.)»Tja, auf dem Schild stand _____ Straße«, sagte Max-Ernest.»Und die Adresse, die uns die Maklerin gegeben hat, lautete______ Straße. Aber vielleicht hatte sie den Verdacht, wir wärenin Wirklichkeit keine Erwachsenen, und sie hat absichtlich einefalsche Angabe gemacht. Oder jemand hat ein falsches Straßen-schild aufgestellt. Oder es gibt gleich zwei ____ Straßen. Oderder Magier ist umgezogen. Bevor er starb, meine ich. Und aus ir-gendeinem Grund hat sie noch seine alte Adresse. Oder sie ver-sucht, das falsche Haus zu verkaufen. Aber dann wäre es jatrotzdem die richtige Adresse für das falsche Haus –«

»Vergiss es! Lass uns etwas näher rangehen.«»Wie genau ist etwas näher . . .«»Ahh! Warum mache ich mir eigentlich die Mühe, mit dir zu

reden?«Dass Max-Ernest grundsätzlich streng logisch dachte, be-

gann Kass auf die Nerven zu gehen. Er war wie dieses Pro-gramm für künstliche Intelligenz, das sie in der Schule auspro-biert hatten: Er gab nur dann die richtige Antwort, wenn manihm die richtige Frage stellte. Mit einem entscheidenden Un-terschied: Das Programm ließ sich abstellen, Max-Ernest nicht.

Sie waren eine jener gewundenen Straßen entlanggegangen,die sich immer weiter hinaufschrauben, ohne dass man es rich-tig merkt, und inzwischen waren sie auf einem dicht bewalde-ten Hügel angelangt. Während der vierzig Minuten, die sienun schon unterwegs waren, hatten sie nirgends ein Haus er-späht und auch vor ihnen war nichts zu sehen.

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Sebastian war inzwischen müde. Wie viele alte Bassets hatteer morsche Knochen und es war ein langer Weg für ihn. Erbellte jämmerlich und es hörte sich an, als wollte er sagen:»Wann sind wir endlich da?«

Gerade als Kass nahe dran war aufzugeben, fing der Hundan, wie verrückt an der Leine zu zerren.

»Ich glaube, er riecht etwas. Vielleicht ist das Haus hinter dernächsten Kurve«, sagte Kass. »Wenn nicht, drehen wir um.«

»Meinst du diese Kurve oder die nächste –«Sie warf Max-Ernest einen warnenden Blick zu, woraufhin er

sofort verstummte.Hinter der Kurve stießen sie auf ein großes Schild am Stra-

ßenrand, auf dem stand: ZU VERKAUFEN. Es war leuchtendgelb und mit Ballons geschmückt, sodass man es auf keinenFall übersehen konnte. Unter den Zeilen

Gloria Fortune Immobilien –

Wir haben Ihr Traumhaus für Sie!

war ein Bild von Gloria, die wie ein Honigkuchenpferd grins-te. Ein großer Pfeil wies den Weg zu einem Pfad, den man an-dernfalls gar nicht bemerkt hätte, so überwuchert war er.Nach einem kurzen, aber dornigen Spaziergang erreichtensie eine Lichtung, die dem Magier als Vorgarten gedient ha-ben musste. Kass riss die Augen auf und starrte. Auch Max-Ernest starrte. (Selbst Sebastian hätte gestarrt, aber er war jablind.) Sie konnten nicht glauben, dass sie vor dem richtigenHaus standen. Sah so ein Haus aus, das »schrullig und abvom Schuss« war? Es wirkte schrecklich normal. Nichts andem schlichten weißen Landhaus mit den schwarzen Fenster-läden ließ vermuten, dass hier ein Magier gelebt hatte. DasEinzige, was es von anderen vergleichbaren Häusern unter-schied, war die Größe. Es war winzig klein, sodass man sich

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kaum vorstellen konnte, dass es mehr als nur ein Zimmer hat-te.

Sie versuchten, durch die Fenster zu spähen, aber alle Vor-hänge waren zugezogen. Kass nahm ihren ganzen Mut zusam-men und klopfte an die Tür.

Niemand antwortete.»Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als einzubrechen«,

sagte sie betont gelassen, als würde sie das ständig tun.»Meinst du wirklich?«, fragte Max-Ernest beunruhigt. Dieser

Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen.»Hast du eine bessere Idee?« Kass holte einen Schraubenzie-

her aus dem Rucksack. »Außerdem brechen wir gar nicht rich-tig ein. Wir helfen dem Magier und das Haus gehört ihm.«

»Ich weiß nicht, ob man das so sehen kann.«»Komm jetzt. Mal sehen, ob wir ein Fenster aufstemmen

können.«Darauf bedacht, ihn nicht merken zu lassen, wie nervös sie

war, stocherte Kass mit dem Werkzeug an den Fenstern he-rum, um herauszufinden, welches am ehesten nachgebenwürde.

Max-Ernest blieb unschlüssig an der Tür stehen. Gedanken-verloren drehte er am Knauf.

Die Tür ging auf.»Hey, es ist offen«, sagte er.»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, rief Kass erleich-

tert, aber auch ein wenig enttäuscht, dass sie ihre Einbrecher-künste nun gar nicht unter Beweis stellen konnte.

Kaum waren sie über die Türschwelle getreten, bemerktensie, dass das Haus doch nicht so normal war, wie es den An-schein hatte. Statt eines Wohnzimmers oder einer Diele stan-den sie in einem winzigen holzverkleideten Raum von derGröße eines begehbaren Kleiderschranks. Es gab keine Fens-

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ter, auch keine Türen, abgesehen von der, durch die sie herein-gekommen waren.

»Meinst du, hier ist irgendwo eine Geheimtür?«, fragte Kass.Sie untersuchte eingehend die Holzverkleidung, fand aber kei-nerlei Hinweis auf verborgene Türgriffe oder Scharniere.

»Sieht nicht danach aus«, sagte Max-Ernest. »Hey –«Ohne Vorwarnung schlug ein Windstoß die Haustür zu.

Und jetzt glitt hinter ihnen auch noch eine zweite Tür zu. Siesaßen in der Falle.

»Was jetzt?«, fragte Max-Ernest.»Woher soll ich das wissen, ich war noch nie eingesperrt«,

gestand Kass widerwillig ein.Da bemerkte sie, dass in einer Ecke zwei Knöpfe in die Wand

eingelassen waren. »Weißt du, was? Das ist ein Aufzug!«Kass drückte zuerst den einen, dann den anderen Knopf.

Nichts passierte. »Wie setzt man ihn in Gang?«, fragte sie.Wortlos deutete Max-Ernest auf ein kleines Schild über einer

Sprechanlage, auf dem stand: »Wie heißt das Zauberwort?«»Abrakadabra!«, sagte Kass.Nichts.»Sesam, öffne dich!«, sagte Max-Ernest.Nichts.»Hokus, Pokus!«, sagte Kass.Nichts geschah.»Kommando Pimperle, fahr nach unten!«, sagte Max-Ernest.Nichts geschah.»Warte, ich hab’s«, sagte Kass. »Ich kenne das Zauberwort.«

Sie stellte sich direkt vor die Sprechanlage und sagte laut unddeutlich: »Bitte.«

Ächzend und knirschend setzte sich der Aufzug in Bewe-gung. Insgeheim dankte Kass Mrs Johnson dafür, dass sie soein Prinzipienreiter war.

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»Ich hasse gutes Benehmen«, seufzte Max-Ernest.»Ich nehme an, es sollte ein Witz sein«, sagte Kass. »Weil die

Leute doch immer sagen: Wie heißt das Zauberwort? Nur dasses diesmal tatsächlich das Zauberwort ist.«

»Das hat nichts mit Zaubern zu tun. Es ist ein elektronischerMechanismus. Sprachgesteuert.«

»Das weiß ich auch. Es sollte ein Scherz sein.«»Oh, ja richtig. Haha!«

Als sie aus dem Fahrstuhl traten, fanden sie sich in einem ganznormalen Haus wieder mit Wohn- und Esszimmer, Schlafzim-mer und Bad. Dazu eine Speisekammer und eine Küche. Ebenalles, was ein Haus so hat. Mit einem kleinen, aber entscheiden-den Unterschied: Das Haus des Magiers war unter der Erde.

Und es war komplett leer geräumt.»Wie es aussieht, hat Gloria alles weggeschafft. Sie ist die

Maklerin, von der ich dir erzählt habe«, flüsterte Kass.»Warum flüsterst du?«, flüsterte Max-Ernest.»Ich weiß nicht . . . Hallo? Ist da jemand?«, fragte Kass ein

klein wenig lauter.Keine Antwort.Sie wiederholte die Frage – diesmal zwang sie sich, laut zu

schreien. Wieder war die einzige Antwort ihr eigenes Echo.Es war kein Buch da, kein Bild, kein Möbelstück oder sonst

irgendetwas, das man in einem Haus eigentlich erwartete.Aber als sie durch die Räume gingen, spürte Kass dennochganz deutlich die Persönlichkeit des toten Magiers. Die Holz-dielen waren an den Stellen ausgetreten, über die er immerwieder gegangen war. An den Türen der Wandschränke wa-ren die Abdrücke seiner Hände zu sehen. Und die holzverklei-deten Wände glänzten an den Stellen, wo er sie mit seinenSchultern gestreift hatte.

»Ich glaube, er war ein netter Mann«, sagte Kass.

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»Woher willst du das wissen?«, fragte Max-Ernest.»Einfach so.«»Das ist keine Antwort.«Der einzige Ort, an dem sich überhaupt keine Spuren des

Magiers fanden, war die Küche, wo alles entweder nagelneuoder zumindest frisch gestrichen war. Nichts wies darauf hin,dass die Küche schon jemals benutzt worden war, geschweigedenn, dass hier ein Feuer gewütet hatte. Sebastian schien dieKüche allerdings besonders interessant zu finden. Immer wie-der hob er den Kopf und schnüffelte, als hinge der unheilvolleDuft der Vergangenheit noch im Raum.

Auch Kass sog die Luft ein. »Riechst du das?«»Was denn? Die Farbe?«, fragte Max-Ernest.»Schwefel.«»Oh ja. Kann sein. Na ja, eigentlich nicht. Meine Nase ist im-

mer ein wenig verstopft. Ich habe eine krumme Nasenscheide-wand.«

»Gibt es etwas, das du nicht hast?«, fragte Kass schnippisch.»Komm mit. Hier ist nichts. Vielleicht finden wir in einem deranderen Räume einen Hinweis.«

»Und wonach genau suchen wir?«»Das weiß ich erst, wenn ich es sehe.«Als sie zurück ins Wohnzimmer gingen, riss sich der Hund

aus Kassandras festem Griff los und tapste zu einem Bücherre-gal in der Ecke.

»Warum knurrt er so?«, fragte Max-Ernest nervös.»Vielleicht hat er einen Käfer aufgespürt.«»Glaubst du, es ist eins dieser fantastischen Bücherregale,

hinter denen sich ein Geheimzimmer verbirgt?«»Die gibt es nur im Film«, stellte Kass nüchtern fest.Sie untersuchten die einzelnen Regalbretter, fanden jedoch

nichts.

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Enttäuscht richteten sie sich auf. Kass betrachtete Max-Er-nest neugierig, denn er trippelte auf der Stelle und ballte dieFäuste.

»Ich glaube, ich . . . ich muss mal ins Bad«, stammelte er.»Dann geh doch.«»Meinst du, das ist okay?«»Warum nicht? Falls es irgendwann einmal einen Atomkrieg

gibt, müssen wir alle in unterirdische Bunker. Da kannst dudich auch nicht so anstellen. Außerdem muss jeder mal.«

Kass wartete, während Max-Ernest im Badezimmer ver-schwand. Sie versuchte, nicht hinzuhören, aber in diesemHaus schien sich jedes Geräusch zu verstärken. Außerdempinkelten Jungs immer so laut.

Schließlich hörte sie das Rauschen der Toilettenspülung.Und dann hörte sie zwei Schreie. Der eine kam von Max-Er-

nest. Und der andere kam von . . . niemandem. Zumindestnicht von einem menschlichen Wesen.

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