Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit...

9
FRANKFURT Bembeltown war gestern, Deutschlands Finanzhauptstadt wird gehypt wie nie. Vor allem dank eines Netzwerks jüdischer Hipster, die die Banker fast vergessen lassen. FOTOS: GEORG KNOLL, LOTTERMANN AND FUENTES (2) LEBEN Der neue

Transcript of Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit...

Page 1: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

FRANKFURT Bembeltown war gestern,Deutschlands Finanzhauptstadt wirdgehypt wie nie. Vor allem dank einesNetzwerks jüdischer Hipster, die die

Banker fast vergessen lassen.FO

TO

S:

GE

OR

G K

NO

LL

, L

OT

TE

RM

AN

N A

ND

FU

EN

TE

S (

2)

LEBEN

Der neue

Page 2: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“
Page 3: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

hr Held ist fort, und noch wissen dieFrankfurter nicht so recht, wie siedamit umgehen sollen. 15 Jahre langhat der smarte Wiener Max Hollein(47) die Kunstszene am Main do -miniert. Mit seiner einzigartigenKombination aus Sachverstand undStreet-Smartness, Schmäh undCharme machte er als Fundraiser dievermögenden Bürger der Stadt zuMinimäzenen. Als Dreifachimpre -sario trimmte er Städel Museum,Liebieghaus und Schirn-Kunsthalleauf Weltklasseniveau.

Zum Abschied verneigte sich toutFrankfurt tränenreich vor dem Wun-derkind, das nun die Fine Arts Mu-seums of San Francisco leitet. Seit-her reisen ihm die Frankfurter wieGroupies hinterher, um ihren Phan-tomschmerz zu lindern. NachfolgerPhilipp Demandt (45) konnte nochkeine Akzente setzen.

„Hollein war einzigartig“, seufztSylvia von Metzler (60), Chefin desStädelschen Museums-Vereins, Ban-kiersgattin und just zurück von ei-nem Kurzurlaub mit Freundinnen inNordindien. Von dort hat sie eine ve-ritable Erkältung mitgebracht. Wassie nicht daran hindert, sich von ih-rem Büro im Main-Ufer-nahen Bank-haus aus sofort wieder kopfüber indie Planung der nächsten Salons undFundraising-Dinner zu stürzen.

Als Multimäzenin und Alma Ma-ter der Stadt war sie eng mit Hollein.Beim Geldeintreiben haben beide eszur Meisterschaft gebracht: 85 Pro-zent des Städel-Etats sind privat fi-nanziert, das Spendennetzwerk istengstmaschig. Nach Vernissagen bit-ten Sylvia und Gatte Friedrich (73)Künstler, Politiker und Manager tra-ditionell noch in ihre Sachsenhause-ner Villa.

Die Einladungen sind die begehr-testen der Stadt. „Auf hohem Niveau

versacken“ könne man, schwärmtein Dauergast. Auch die Kanzlerinwar schon da und von Hollein ent-zückt.

Mehr als ein Quantum Wehmutkommt aber nicht auf. Es wäre auchuntypisch für Frankfurt. Die Main-Metropole ist höchst pragmatischund gewohnt, nichts geschenkt zubekommen. Zwar war sie jahrhun-dertelang Krönungsort deutscherKaiser, aber nie eine Residenzstadtwie München. Dieses Vermächtnisprägt Frankfurt bis heute: Ober -bürgermeister Peter Feldmann (58;SPD) gilt als knauseriger Nonvaleur,der öffentliche Auftritte meidet.Trägheit kann da nicht aufkommen.

Tatsächlich hat sich Frankfurt vorallem dank spendabler Großbürgerstets aus sich selbst heraus erneu-ert – und jetzt, nach der Finanzkrise,den Aufstieg zur globalen Metropolegeschafft. Die Erwei terung der Cityzum Fluss, das Aufblühen des Ostends mit der architektonischenIkone EZB, die imposante Goethe-Universität rund um das geschichts-trächtige I.G.-Farben-Haus, die in-ternational gefeierte Wiedergeburtdes Bahnhofsviertels als Gastro- undArtdistrikt: Frankfurt hat sich neuerfunden.

Jüdisches Netzwerk

Nicht mehr Großbanker in ange-staubten Herrenklubs geben denTon an. Die Dauerkrise hat die Geld-götter müde gemacht und der Stadtdie Emanzipierung von der Finanz-branche erleichtert. Für Tempo sor-gen wagemutige Unternehmer oft-mals jüdischen Ursprungs, die dieStadt mit coolen Bars, Hotels undRestaurants überziehen. Alles ver-dichtet auf wenigen Quadratkilo -metern, was Frankfurt mit 730 000Einwohnern zur kleinsten Business-großstadt Europas macht. Wer aufsich hält, wohnt nicht mehr barock-piefig im Taunus, sondern in der City. Bembeltown war gestern.

Der Imagewandel, vor allem imAusland, ist frappierend. Und er kor-respondiert mit dem Bedeutungs-verlust klassischer It-Citys (und ih-ren Disagios): London (Brexit),Paris (Hollande), Mailand (Italien).

Der „Economist“ stuft Frankfurtauf Rang sechs der lebenswertestenGroßstädte in Europa ein, weit vor

100

FRANKFURT FO

TOS

: M

AR

KU

S H

INTZ

EN F

ÜR

MM

, C

HR

ISTO

F M

ATTE

S /

WIR

TSC

HA

FTS

WO

CH

E, R

UI

CA

MIL

O /

LA

IF

manager magazin F E B R U A R 2017

LEBEN

2

1

I

3

Page 4: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

London; die Berater von Mercer votetenFrankfurt auf Platz sieben der Städte mitder besten Lebensqualität weltweit. Vom„Guardian“ bis zur „New York Times“ wid-meten angelsächsische QualitätsmedienStadt und Bahnhofsviertel Elogen. Frank-furt, das mit rund 30 Prozent auf denhöchsten Ausländeranteil aller deutschenStädte kommt, gilt als aussichtsreichsterBrexit-Profiteur. Dass das Echo im Inlandschwächer ausfällt, halten sie am Main fürverkraftbar. Für eine objektive Würdigungdes lange belächelten Rivalen ist die Selbst-verliebtheit in Berlin, Hamburg und Mün-chen zu stark ausgeprägt.

Findet auch Albert Speer (82). „Die Dis-krepanz zwischen nationaler und interna-tionaler Wahrnehmung ist groß“, sagt derglobal gefeierte Stadtplaner und Vordenkerdes neuen Frankfurt. In den 70ern entwi-ckelte er den ersten Hochhausrahmenplan,der den brutalen Abriss der Gründerzeit-villen im Westend stoppte und der Innen-stadt Form und Funktion gab.

Südlich der City, in einem unscheinba-ren Sachsenhausener Bürokomplex, liegtSpeers Planungsbüro AS+P; von hier ausjettet er um die Welt und schiebt Projektean: Megacitys in China, Fußballstadien inKatar, Olympische Spiele überall. Geradeist er aus Riad zurück, wo er für die Saudisprächtige Regierungsbauten entwirft.

„In Asien gilt Frankfurt wegen seinerpolyzentrischen Struktur als Stadt der Zu-kunft“, sagt Speer. „Keine Banlieue, die

101

FO

TO

S:

MIC

HA

EL

SC

HIC

K /

IM

AG

O,

FR

AN

K R

UM

PE

NH

OR

ST

/ D

PA

/ P

ICT

UR

E-A

LL

IAN

CE

, A

NJ

A J

AH

N

ARRIVIERT UND ALTERNATIV1 Mäzenin Sylvia von Metzler im unter -irdischen Städel-Anbau für zeitgenössischeKunst. 2 Friedrich von Metzler, Partner desfamilieneigenen Bankhauses, Gatte von Sylviaund zusammen mit nämlicher Frankfurts garnicht so heimlicher Herrscher. 3 Star foto gra -fin Annie Leibovitz fand kürzlich den Wegins aufblühende Ostend, um im „KunstvereinFamilie Montez“ Frauenporträts auszustel-len. 4 Das „Montez“ ist Heimat von KünstlerMax Weinberg, trotz hohen Alters produktivwie eh und je. 5 Max Hollein fehlt der Stadt.

Ehedem Dreifach-chef von Städel,Schirn und Lie-bieghaus, wirbelter jetzt in SanFrancisco. 6 Städel-Vergangenheit hatauch „Montez“-Gründer MirekMacke, einer derStars der Frankfur-ter Offszene.

2

F E B R U A R 2017 manager magazin

5

6

4

Page 5: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

City saugt nicht alles ab. So können sichauch andere Stadtteile entwickeln. Das Os-tend etwa.“ Dessen Reanimierung nimmtso richtig Fahrt auf, seit die EuropäischeZentralbank 2015 hierhergezogen ist. Rundum die markant-schiefen EZB-Doppeltür-me explodieren die Immobilienpreise. Derneue Hafenpark am Main sorgt bei gutemWetter für mediterrane Atmosphäre indem ehemaligen Arbeiterviertel, das so ge-hypt wird wie kein anderes.

Kulturelles Epizentrum ist der Kunst-verein „Familie Montez“, der 2014 in diedenkmalgeschützten Rundbögen der Hon-sellbrücke eingezogen ist. Zuvor war „Mon-tez“-Gründer Mirek Macke (57) – Städel-Schüler, Rauschebartträger, Organisatorlegendärer Partys, Star der Frankfurter Off-szene – jahrelang mit Ausstellungen hei-matlos durch die Republik geirrt. Sein Ver-mieter in der City wollte ihn nicht mehr.

Dann endlich reagierte die Stadtregie-rung im Römer und übergab Macke die1000 Quadratmeter großen Kasematten.Deren radikal-minimalistischer Style ver-breitet Berliner Nachwendeflair. Anfangsgab es weder Strom noch fließend Wasser.

Nun ist das „Montez“ wieder da undHeimat skurriler Lokalhelden wie Malerund Bildhauer Max Weinberg (88), der im-mer noch wie besessen produziert, sowieinternationaler Größen. Kürzlich war dieNew Yorker Starfotografin Annie Leibovitz(67) hier, um ihre Wanderausstellung „Women: New Portraits“ zu präsentieren.Frankfurt war einziger deutscher Zwi-schenstopp unter weltweit zehn Städten.

Auftraggeber ist die Schweizer Groß-bank UBS. Doch PR-trächtiges Engagementder Financial Community ist selten gewor-den. Ihre großen Bildersammlungen habendie Geldhäuser alle noch, zeigen indes mö-gen sie die Schätze kaum mehr. Zu rampo-niert ist das Image, zu viel Krisenschuttabzu tragen. Und über allem wachen diespaßbefreiten Compliance-Watchdogs.

FO

TO

S:

LO

TT

ER

MA

NN

AN

D F

UE

NT

ES

(2

), B

FA /

AC

TIO

N P

RE

SS

, P

R,

MA

RIO

VE

DD

ER

/ D

DP

IM

AG

ES

UNSER SCHTETL 1 James (l.) und David Ardinast prägen mitihren Restaurants im 20er-Jahre-Ambientedas verruchte Bahnhofsviertel. 2 MilliardärAby Rosen, Frankfurter Bub und seit 1987 in New York zu Hause, zieht als Immobilien -investor im Hintergrund viele Fäden. 3 Zur jüdischen Gemein de der Stadt gehört auch Investor Ardi Goldman, dem wegen einesKorruptionsfalls allerdings Knast droht. 4 Aufdem Höhenflug sind Micky Rosen (l.) undAlex Urseanu, die Partner von Aby Rosen –sie kennen sich seit Jahrzehnten. 5 FrankfurtsSynagoge im Westend ist von jeher Knoten-punkt der jüdischen Community.

LEBEN

5

4

2

102 manager magazin F E B R U A R 2017

3

1

Page 6: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

GibsonKane & Abel

Chinaski The ParlourMon Amie Maxi

Maxie Eisen

Die Rote Bar

Roomers HotelFrankfurt

Zenzakan,The Ivory Club

Operncafé

Sofitel

Henninger Turm

Jumeirah

Moriki

Zarges

Schaumainkai

Ken

ned

yallee

Mörf

elder

Lan

dstra

ße

Elisa

beth

en

straß

e

Holbein

straße

Ku

rt-Sch

um

ach

er-S

traß

e

Mainzer Landstra

ße

Lan

ge S

traß

e

KLEINE STADT, GROSSES ANGEBOTWo sich in Frankfurt genießen, feiern und abhängen lässt

Neue M

ain

zer S

traße

„Seven Swans & The Tiny Cup“Inspiriert von der japanischen

Mikro-Barszene, kommt auf gerade einmal 17 Quadratmetern keine Platzangst, sondern dichte

Atmosphäre auf. Besitzer Sven Riebel sorgte schon in Berlin mit

der „Victoria Bar“ für Furore und gehörte früher zur

Gekko-Clique um Micky Rosen und Alex Urseanu.

Mainkai 4, www.sevenswans.de

„Villa Kennedy“1901 im Auftrag des jüdischen Bankiers Eduard Beit von Speyer erbaut, ist das Hotel heute einer der In-Places der Stadt. Anfang 2016 kauften die GEG German Estate Group und ihr CEO Ulrich Höller, seit jeher ein Freund ebenso spektakulärer wie luxuriöser Projekte, der Commerzbank die Villa ab. Die ebenfalls interessierte Katara Hospitality aus Katar zeigte nur halbherzig Interesse.

Kennedyallee 70, www.roccofortehotels.com

„Main Nizza“Einst die Hauskantine der anfangs noblen, dann insolventen Banker von Sal. Oppenheim, nehmen heute vor allem die Geldverwalter des mopsfidelen Konkurrenten Metzler ihre Mahlzeiten hier ein. Kein Wunder, schließlich beteiligte sich die Privatbank, die gegenüber residiert, mit mehreren Millionen an der Renovierung des Gebäudes.

Untermainkai 17, www.mainnizza.de

Quelle: mm-Recherche Grafik: manager magazin

Fitschen (68) und der omnipräsenteBundesbankvorstand Andreas Dom-bret (56) werden auf dem gesell-schaftlichen Parkett bankseitig mithoher Taktung wahrgenommen.

Natürlich trifft man sich zu denüblichen Charity-Dinners, im Hes-sischen Kreis um Stefan Quandt(50), der Oper, dem Senckenberg-Museum. Organisiert von den Metz-lers, Morgan-Stanley-Legende LutzRaettig (73) und Gattin Katherineoder Beate Heraeus (65), der Ex vonUnternehmergrande Jürgen (80).

Ende November kamen alle beider Operngala zusammen: 900 Gäs-te an 90 Tischen auf der Drehbühneder Alten Oper, bis den erstenschwindelig wurde. Meist ist nachAnbruch der Dunkelheit Schluss, dieArbeit frisst alle auf. „In Münchengehen sie im Nerz in dieOper, in Frankfurt in Jeansund dann zurück ins Büro“,sagt Sylvia von Metzler.

Ausschweifende Partys wiezu Beate Heraeus’ 60. Geburts-tag sind selten geworden. Dafeierte die Vieillesse dorée im

Taunus-Kloster Eberbach. Motto:„La Famiglia“. Die Haniels, Langen-scheidts, Raettigs, Haubs waren da.Höhepunkt war ein inszenierterÜberfall mit Mafioso-Look-alikesund MPs.

Tempi passati. Die alte Garde hatan Schwung verloren, die Traditions-klubs haben an Bedeutung einge-büßt – Interieur und Publikum alterninzwischen gemeinsam.

Der „Union Club“ etwa war langenatürlicher Anlaufpunkt für auswär-tige Manager mit Integrationswillenund Schlafdefizit. Gern erinnern siesich an Matthias Graf von Krockow(67), dazumal Chef des später kra-chend fallierten Kölner BankhausesSal. Oppenheim. Der nächtigte 2004geschlagene drei Monate in einem

der Gästezimmer des Klubs,um tagsüber frisch zu sein fürdie Übernahmeverhandlun-gen mit der Frankfurter BHF.

Abends futterte sich derwuchtige Adelsmann durchdie Speisekarte des hausei-genen Sterne-Restaurants„Villa Merton“. Erstklas-

FRANKFURT

2

103F E B R U A R 2017 manager magazin

FO

TO

S:

NIL

S B

RE

ME

R,

GO

UR

ME

TP

ICT

UR

EG

UID

E /

SE

AS

ON

S.A

GE

NC

Y, G

UN

NA

R K

NE

CH

TE

L /

LA

IF,

FO

TO

HU

EB

NE

R /

DP

A /

PIC

TU

RE

-AL

LIA

NC

E

Der Verdruss spiegelt sich im ge-sellschaftlichen Leben, in dem dieGroßbanker nur noch eine Neben-rolle spielen. So frugal wie das Geschäft ist inzwischen auch ihr Habitus. Deutsche-Bank-CEO JohnCryan (56) etwa gräbt sich lieber inseinem Büro ein und fahndet nachSparpotenzial. Ein Socializer wirdaus dem kleinen Mann mit der gro-ßen Aufgabe nicht mehr. Von seinenmeist ausländischen Vorstandskol-legen hat ohnehin keiner seinen Le-bensmittelpunkt in Frankfurt.

Bauherr Zielke sorgt für Lärm

Börsenchef Carsten Kengeter (49)ist in London zu Hause, Commerz-bank-CEO Martin Zielke (54) nochin Bruchköbel im Main-Kinzig-Kreis.Demnächst zieht er nach Bad Homburg, Brandschutzmauer anBrandschutzmauer mit FAZ-Ge-schäftsführer Thomas Lindner (51).Die Nachbarschaft soll von den Um-bauarbeiten an Zielkes neuem Heimnur mäßig begeistert sein.

Allein DZ-CEO Wolfgang Kirsch(61), Deutsche-Bank-Fossil Jürgen

LEBEN

„CHINASKI“Benannt nach dem

Alter Ego des US-Schriftstellers

Charles Bukowski undclever zwischenden Edelfress -tempeln „Ivory

Club“, „Zenzakan“und „Mon Amie

Maxi“ gelegen, hatdas „Chinaski“

It-Status. Banker,Berater und

Anwälte schätzendie Atmosphäre.

Page 7: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

sig aufgetischt wird noch immer, ge-sellschaftlicher Knotenpunkt ist der„Union Club“ längst nicht mehr.

Ganz tief abgestiegen ist die Kon-kurrenzveranstaltung FrankfurterGesellschaft (FG). Die residiert inder feinen Villa Bonn nahe dem Grü-neburgpark, morgendliche Laufmei-le fitness besessener Investmentban-ker. Die holzgetäfelte Noblesse desneo klassizistischen Gründerzeitkas-tens steht im krassen Gegensatz zuden Absurditäten, die sich hinter denschweren Vorhängen zutragen. Soringt die 1919 gegründete Institutionseit Jahren mit sich, ob außer Ex-OBPetra Roth (72; „Ich bin hier das ein-zige Mitglied ohne Glied!“) Frauenreindürfen. Eine Mehrheit ist dafür,Hardliner blockieren den Beschlussvor Gericht, die Lokalpresse feiert.

Die FG-Führung um RüdigerFreiherr von Rosen (73) wirft dasnicht aus der Bahn, das Geld sitzt locker. So hat das Präsidium, wie Insider berichten, den Anbau einesFahrstuhls für 800 000 Euro be-schlossen, um angemes-sen Rücksicht auf die fort-schreitende Vergreisungder Mitglieder zu nehmen.Indes: Der Aufzug soll be-reits im ersten Stock deszweigeschossigen Gebäu-des enden. Für einen han-delsüblichen Treppenlift, der auchdie zweite Etage erreicht und nur100 000 Euro gekostet hätte, konntesich die Führung nicht erwärmen.

Mehr Weitsicht beweist JürgenJeske (81), Rosens Vorgänger als FG-Präsident. Wiewohl quicklebendig,hat sich der ehemalige „FAZ“-He-rausgeber auf dem Hauptfriedhofschon mal einen gewaltigen Grab-stein setzen lassen, um die Nachweltdereinst wissen zu lassen, wer daruht: „9. Präsident und Ehrenmit-glied der Frankfurter Gesellschaft“.

Hang zum Milieu

So viel Standesdünkel erlauben sichBanker heute nicht mehr. Die Insti-tute leisten sich allenfalls noch eineLoge in der Commerzbank-Arena,Heimat der Frankfurter Eintracht.Die ist unter ihrem lang jährigen Vor-standschef Heribert Bruchhagen (68)nicht nur schuldenfrei, sondern auchzum neuen Society-Spot geworden.Selbst den versnobten Hamburgern

gilt die Eintracht als Vorbild, dort sollBruchhagen nun als CEO die noto-rische Skandalnudel HSV befrieden.

Bei seinem alten Arbeitgeber fül-len die Lücke derweil zwei Alpha-männchen, die noch dazu die ganzeBandbreite der Stadt repräsentieren:Präsident Peter Fischer (60), Lieb-haber schrill-bunter Anzüge mitHang zum Milieu, gibt den volks-tümlichen Part; der sinnenfreudigeAufsichtsratschef und „Börsenguru“Wolfgang Steubing (67) bespaßt die Businesselite. Mit Support vonPhilip Holzer (51), wie Alexander Dibelius (57) ehedem Deutschland-Primus von Goldman Sachs undheute als Investor Büronachbar vonEx-BHF-Chef Björn Robens (46).

Kaum etwas symbolisiert die Zei-tenwende so sehr wie der Aufstiegdes Volkssports Fußball zum Gesell-schaftsevent – zu alten Glanzzeitengalt ein Stadionbesuch für Topban-ker noch als unziemlich. Der Bail-outdes einst maroden Klubs durch einBankenkonsortium (Metzler, DZ,Helaba, BHF) vor ein paar Jahrenwurde geheim gehalten, als handelees sich um eine Warzenentfernung.

Derlei Berührungsängste sind Micky Rosen (49) und Alex Urseanu(45) fremd. Auch die Gründer derGekko Group haben eine Arena- Loge, darauf angewiesen sind sienicht. Ihre Restos und Event-Loca -

tions („Kane & Abel“, „Pa-lais“) setzen auch so Stan-dards. Mit dem „Moriki“,Frankfurts bestem Japaner,hat sich das Duo im Fuß derDeutsche-Bank-Twintowerseingenistet. Dort speisen die Topshots des Geldhauseslieber als in der Konzern -kantine.

Ihr burlesker Fünf-Ster-ne-Hoteltempel „Roomers“

ist Treffpunkt für verschwiegeneBusiness Lunchs und Hide-out mitcooler Spa-Landschaft, entworfenvon Til Schweigers Bruder Nik (51).„Frankfurt ist eine internationaleund multikulturelle Stadt, stylish,anders und voller Leben“, steckt Ro-sen den Rahmen ab – und sich selbstdie nächste Zigarette an.

Urseanu und er sitzen in der„Roomers Bar“ mit ihrem gewaltigen360-Grad-Tresen in schwarzemLack-Look. Der Laden brummt.

104 manager magazin F E B R U A R 2017

FRANKFURTF

OT

OS

: C

HR

IST

OF

MA

TT

ES

/ W

IRT

SC

HA

FT

SW

OC

HE

, A

RN

E D

ED

ER

T /

DP

A /

PIC

TU

RE

-AL

LIA

NC

E,

PR

(2

)

LEBEN

LUXUSLEBEN 1 Das „Roomers“ besticht als Hotel-und Foodtempel. 2 Einer der eifrigstenBauherrn ist Daniel Korn mit seinerFirma KSW. 3 Korns Luxusprojekt„Onyx“ im Westend verzaubert Mil-lionäre. 4+5 Neuer Fixpunkt im Südenist der „Henninger Turm“, bezugs-fertig ab Frühjahr, inklusive Rooftop-Resto von Gastrogott Christian Mook.

1

2

3

4

5

2

Page 8: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

Mehr Infos unter ing-diba.de/direkt-depot

75 €GutschriftDas Direkt-Depot: einfach, transparent und günstig. Kostenlose

Depotführung und über 5.000 Fonds und ETFs, die Sie gebührenfrei

kaufen können. Jetzt wechseln.

Das Leben ist nicht fair. Dein Depot schon.

Page 9: Der neue€¦ · London; die Berater von Mercer voteten Frankfurt auf Platz sieben der Städte mit der besten Lebensqualität weltweit. Vom „Guardian“ bis zur „New York Times“

Samuel Singer (41; Mutter Rachel ist Ehren-präsidentin der Women’s InternationalZionist Organisation) mit der RFR Holdingvon New York aus immer neue Projekte an.

Neu ist, dass auch die Gastro- und Klub-szene zunehmend jüdisch geprägt ist. EinMasterplan steckt nicht dahinter. Mankennt sich eben seit Kindertagen, war mitder Zionistischen Jugend im Ferienlager,hat Bar Mizwas veranstaltet und trifft sichregelmäßig in der Synagoge. „Der Zusam-menhalt ist heute noch sehr eng, wir arbei-ten alle in freundschaftlicher Atmosphäremiteinander“, sagt Micky Rosen.

Das tut der Stadt gut, sie ist aufgewacht.Das spüren allen voran die Immobilien-makler. Der Markt boomt, ist international

aber noch günstig, was Frankfurt zum gro-ßen Brexit-Gewinner machen könnte.

Noch ist kein einziger Investmentban-ker von London an den Main zwangsum-gezogen, doch die Bonanza ist schon in vol-lem Gang. 16 Wohnhochhäuser werden in den nächsten Jahren fertiggestellt undFrankfurts schon jetzt imposanter Skylineden nächsten Stempel aufdrücken.

In dem von Korns KSW umgebautenWestend-Wohnhochhaus „Onyx“ (Tief -garage mit beheizter Sportwagenrampe,Hundewaschplatz) ging das Filetstück –ein Penthouse über drei Stockwerke mit 640 Quadratmetern Wohnfläche und340 Quadratmeter großer Dachterrasse –für kolportierte 15 Millionen Euro über den Tisch. Deutschland-Rekord. Gekauft

Das war zu Beginn noch ganz anders: Rosenund Urseanu hatten das Hotel 2009, kurznach dem großen Börsen-Crash, eröffnet.Bad Timing.

Nach Lehman stand die Zeit still. „VieleUnternehmen haben Tophotels aus denBuchungsetats genommen und Firmen -feiern gestrichen“, erinnert sich Urseanu.Doch der Spuk war rasch vorbei, seitherwächst die Gekko Group fast ungebremst.Ständig werden neue Projekte geplant undumgesetzt. Ihr „Roomers“-Hotelkonzepthaben die Macher schon auf Baden-Badenund Berlin („Provocateur“) ausgeweitet,demnächst ist München dran.

Partner ist Namensvetter Aby Rosen(56), nicht mit Micky verwandt, aber eben-falls Frankfurter. Vor 30 Jahren nach NewYork ausgewandert und heute Immobilien-tycoon, manischer Kunstsammler (ihm ge-hören Dutzende Werke von Warhol, Hirst,Koons) und Party-Host, der zur Art BaselMiami in seinem Nachtklub „The Wall“ dekadente Partys schmeißt.

Namensgeber Kosher Nostra

Besonders am Herzen liegt Rosen und Ur-seanu das heimische Bahnhofsviertel, indem sich die Gekko-Zentrale sowie zweiweitere ihrer Hotels finden. Den gastrono-mischen Sidekick zum Wiederaufstieg deslange von Junkies beherrschten Quartiersliefern die befreundeten Brüder James (44)und David (41) Ardinast.

Deren bekannteste Läden „Maxie Ei-sen“ und „Stanley Diamond“ sind nachMobstern der Kosher Nostra benannt, NewYorks jüdischer Mafia der 20er Jahre. KeinZufall: Die Ardinasts sind Juden, wie Ur-seanu, Micky und Aby Rosen. Und wie ArdiGoldman (54), Enfant terrible und als Im-mobilieninvestor seit Jahren Mastermindhinter vielen Klubs (der wegen einer un-schönen Korruptionssache auf der Ersatz-bank sitzt). Oder wie Lior Ehrlich (49), demfast in jedem Stadtteil ein Lokal gehört.Und natürlich wie Berlin-Hipster OskarMelzer (42), der in Frankfurt mit den Ardi-nasts das „Stanley Diamond“ betreibt undin der Hauptstadt das „Louis Pretty“ (einstebenfalls ein jüdischer Gangster).

In keiner anderen deutschen Stadt warder jüdische Einfluss auf Wirtschaft undGeisteswesen so groß wie in Frankfurt, vor dem Holocaust und bis heute. Das giltvor allem für die Immobilienszene: JosefBuchmann (85), Moses Korn, Ignatz Bubis,Michael Baum (70) haben die City nachdem Krieg aufgebaut. Heute schieben KSW-Wohnbau-Chef Daniel Korn (48) oder AbyRosen und sein Frankfurter Statthalter

haben soll ein Erbe der Boehringer-SippeEngelhorn.

Das spektakuläre Penthouse am neuenOpernplatzensemble mit 400 Quadratme-tern umlaufender Dachterrasse wird für20 000 Euro im Monat vermietet. Und dieTopetage im „Henninger Turm“, in demSteakhouse-Tausendsassa Christian Mook(47; „Surf ’n Turf“, „Ivory Club“, „Zenzakan“,„Mon Amie Maxi“) bald sein neues Roof-top-Restaurant eröffnet, ging im Bieterver-fahren angeblich für einen zweistelligenMillionenbetrag an die Ferrero-Familie.

An Reiz verloren hat dagegen der Tau-nus. In den 70ern und 80ern standen Kron-berg, Königstein, Bad Homburg bei Wirt-schaftsgrößen hoch im Kurs, und viele sind auch noch da: die Quandts, Fraport-CEO Stefan Schulte (56), Bafin-PräsidentFelix Hufeld (55), Goldman-Chef WolfgangFink (50), Ex-SAP-CFO Werner Brandt(63), Bundesbanker Dombret, PwC-BossNorbert Winkeljohann (59). Wer wie einpensionierter Ex-Topmann der Deutsche-Bank-Tochter DWS über 1000 Quadratme-ter Wohnfläche, Heimkino und Pool mitGlasboden, unter dem Koi-Karpfen schwim-men, verfügt, muss ja nicht zwingend weg.

Es mangelt jedoch an jungen Zuzüglern.Die Preise im Taunus stagnieren auf hohemNiveau. Der Weg zur Arbeit ist weit, dieStadt wird immer attraktiver, die Kindersind aus dem Haus und wollen nicht zu-rück. „Die Nachfrage nach hochwertigemGeschosswohnungsbau ist in Frankfurt hö-her als im Taunus“, sagt Daniel Ritter (45),Chef beim Makler von Poll. Es sind haupt-sächlich Chinesen, Araber und Asiaten, dienoch kaufen: zwecks Risikostreuung undFlucht vor den Despoten daheim.

Aber selbst die neureichen Ausländerdrängen in die Stadtmitte, beobachtet Oli-ver Gripp (51) von Engel & Völkers (E&V).„Die kommen selbst aus großen Städten,denen ist der Taunus oftmals zu langwei-lig.“ Bei von Poll haben sie sogar russischeund chinesische Makler angestellt, um de-ren Landsleuten die Wohnungssuche zu er-leichtern. Die Spleens zu kennen gehört zurWillkommenskultur.

So sprang E&V-Mann Gripp kürzlich einChinese kurz vor dem Kauf einer millio-nenteuren Neubauvilla in Sachsenhausenab: Die benachbarte Pathologie hatte denabergläubischen Asiaten in Angst undSchrecken versetzt.

Zugeschlagen hat der Chinese letztlichdoch noch, in einem anderen Stadtteil.Denn in Boomtown Frankfurt nichts zukaufen ist eben auch keine Alternative.1 Tim Bartz

106 manager magazin F E B R U A R 2017

FRANKFURTLEBEN

STYLISH,ANDERS,VOLLERLEBEN.

Alex Urseanu, Gekko Group, über Frankfurt