Der Weg in den Zweiten Weltkrieg · 2020. 7. 5. · Der Weg in den Zweiten Weltkrieg...
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Der Weg in den Zweiten Weltkrieg
Wehrmachtssoldaten reißen am 1. September 1939 einen Schlagbaum an der deutsch-polnischen Grenze ein.
Am 1. September 1939 überfällt die Wehrmacht ohne jede Ankündigung Polen. Doch überraschend
beginnt der deutsche "Blitzkrieg" nicht. Hitler hat ihn seit seiner Machtergreifung 1933 geplant.
Dieser Krieg kam nicht überraschend. Hitler hatte aus seinen aggressiven Expansionsplänen keinen
Hehl gemacht, auch wenn er ab und zu, nach Hitlers eigenen Worten, die „pazifistische Platte“gespielt
habe, meint Klaus Hesse vom Berliner Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors". Für ihn ist
klar: „Hitler trieb seit der Machtübernahme im Januar 1933 alles auf die Vorbereitung zum Krieg hin.
Seitdem diente alles der Revision der Versailler Nachkriegsordnung, alles der Rückgewinnung der
Hegemonie in Europa durch ein Großdeutschland, alles der Erschaffung einer europäischen
Großraumwirtschaft, die Deutschland ermöglichte, einen großen Krieg in Europa, der auch länger
dauern würde zu führen“.
1) Krieg im Innern – gegen Opposition und Juden
Der Friedensvertrag von Versailles hatte 1919 die alleinige Verantwortung des Deutschen Reichs und
seiner Verbündeten für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs festgehalten und es zu
Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen an die Siegermächte verpflichtet.
In Hitlers Verständnis eine Demütigung, die es zu revidieren galt. Bestens gelegen kam ihm die
sogenannte "Dolchstoßlegende", nach der Sozialdemokraten und Juden dem Reich aus dem inneren
hinterrücks einen Dolchstoß verpasst hätten. Und so nahm der Weg in einen erneuten Krieg seinen
Beginn im Innern.
Nur wenige Tage nach seiner Machtergreifung hatte Hitler am 1. April 1933 den ersten landesweiten
Boykott gegen jüdische Geschäfte organisieren lassen. Darauf folgte das "Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" – ein de facto Ausschluss aller Juden von Tätigkeiten im
öffentlichen Dienst. Dabei ging es von Anfang auch um finanzielle Mittel, mit denen sich ein Krieg nach
Außen finanzieren ließ. Schon bevor die Regierung den Raub jüdischen Besitzes per Gesetz umfassend
regelte, wurden jüdische Unternehmer unter Druck gesetzt, selbst aus der Flucht von Juden aus
Deutschland noch Profit geschlagen: Auswanderer mussten 25 Prozent ihres steuerpflichtigen
Vermögens an den Staat abgeben, der so allein in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft 153
Millionen Reichsmark einnehmen konnte. Beim Devisentransfer ins Ausland war zudem eine
Abschlagszahlung an die staatliche Deutsche Golddiskontbank fällig. Bis September 1939 steig sie auf
96 Prozent der Transfersumme.
Der Boykott jüdischer Geschäfte begann schon 1933, in den Novemberpogromen 1938 wurde die Brutalität des Regimes
noch offener sichtbar.
2) „Deutschlands Nachbarn in Waffen“
Die Wiederaufrüstung Deutschlands war eines der vorrangigen Ziele des NS-Regimes. Angesichts der
militärischen Überlegenheit anderer Staaten forderte Deutschland das Recht zu eigener Aufrüstung.
Als die Genfer Abrüstungskonferenz die sofortige Gleichberechtigung des Deutschen Reiches in
Rüstungsfragen ablehnte, trat Deutschland im Oktober 1933 demonstrativ aus dem Völkerbund aus.
Mit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. März 1935 hob das Deutsche Reich
sämtliche militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages auf.
Auf diesen einseitigen Vertragsbruch reagierten Großbritannien, Frankreich und Italien mit einer
gemeinsamen Verurteilung und der Bildung der sogenannten „Stresafront“, die jedoch am 18. Juni
1935 mit dem deutsch-britischen Flottenabkommen schon wieder zerbrach.
Großbritannien unterzeichnete trotz der Bevorzugung multilateraler Abkommen den bilateralen
Vertrag mit Deutschland, um ein Wettrüsten wie vor dem Ersten Weltkrieg zu verhindern. Hitler und
sein Sonderbevollmächtigter Joachim von Ribbentrop erkannten in dem Flottenabkommen hingegen
die erste Etappe eines angestrebten, umfassenden deutsch-britischen Bündnisses.
Ein weiterer Erfolg für Hitler war die Saarabstimmung im Januar 1935 mit der überwältigenden
Zustimmung der Bevölkerung des Saarlandes zur Rückkehr ins Reich.
3) Berlin 1936 – Olympia und die vorgezogene Kriegserklärung
Ein Großteil der Deutschen sah in Hitler bis 1939 den Heilsbringer. Vielen von ihnen hatte seine
Diktatur eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lebenssituation gebracht. Die Arbeitslosigkeit war
gesunken, der individuelle Konsum gestiegen. „Hitler war zu sehr Populist, um nicht zu wissen, dass er
neben Kanonen auch Butter zu bieten haben musste“, meint Klaus Hesse.
Berlin 1936: https://www.youtube.com/watch?v=Es6f7K4c-y8
Die Kanonen aber waren das eigentliche Ziel. Während die Welt zu den olympischen Spielen in Berlin
gastierte, festigte Hitler seine Kriegspläne. In vier Jahren sollte die Wehrmacht einsatzfähig sein für
den Krieg im Osten. Hitlers Plan in der geheimen "Denkschrift zum Vierjahresplan": Auf möglichst
vielen Gebieten solle Deutschland autark werden und sich vom Weltmarkt abkoppeln, um so alle
Ressourcen in die Rüstung investieren zu können. Bald schon diente die Hälfte aller Staatsausgaben
der Waffenbeschaffung.
Berlin – „Unter den Linden“ – 1. August 1936, während der 11. Olympiade: Frieden?
Eröffnung der Olympischen Spiele
Olympia 1936 in Berlin: Der Amerikaner Jesse Owens gewinnt im Weitsprung gegen den Deutschen Carl Ludwig Long, der
deutlich für die Welt sichtbar mit Silbermedaille auf dem Siegertreppchen den Hitlergruß gibt.
Im selben Jahr zuvor besetzte die Wehrmacht das entmilitarisierte Rheinland – ein klarer Bruch des
Versailler Vertrags, auf den es Hitler seit Beginn seiner Herrschaft angelegt hatte.
Der Einmarsch ins Rheinland 1936
Am 7. März 1936 überquerten insgesamt 30.000 Soldaten der Wehrmacht die Rheinbrücken und
begannen damit den deutschen Einmarsch in das entmilitarisierte Rheinland. Sie errichteten
Garnisonen in Aachen, Trier und Saarbrücken. Mit der Besetzung der 50 Kilometer breiten Zone brach
das Deutsche Reich sowohl den Versailler Vertrag von 1919 als auch den Locarno-Pakt aus dem Jahr
1925. Adolf Hitler rechtfertigte den Vertragsbruch mit dem Verweis auf das deutsche
Selbstbestimmungsrecht und auf einen im Mai 1935 zwischen Frankreich und der Sowjetunion
geschlossenen Beistandspakt, den er als Bruch des Locarno-Pakts bezeichnete.
Die ab 1933 angestrebten intensiven Verbindungen mit dem faschistischen Italien von Erfolg
gekrönt. Nach einer Phase der deutsch-italienischen Annäherung und dem gemeinsamen Eingreifen
im Spanischen Bürgerkrieg gegen die "bolschewistische Gefahr" in Europa wurde im November 1936
die „Achse-Berlin-Rom“ proklamiert. Im selben Monat schlossen das Deutsche Reich und Japan den
gegen die Sowjetunion gerichteten „Antikominternpakt“ ab.
Im November 1937 offenbarte Hitler den wichtigsten Vertretern der Wehrmacht im Geheimen seine
Pläne: Deutschland brauche mehr Lebensraum, "zur Erhaltung der Volksmasse und deren
Vermehrung".
4) 1938 – der Krieg wird nicht verhindert, sondern immer wieder
aufgeschoben
Um Deutschlands Einfluss in Ost- und Südosteuropa zu vergrößern, marschierten am 12. März 1938
deutsche Truppen in Österreich ein.
Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12. März 1938
Wenig später stimmte zur Verminderung der Kriegsgefahr auch Großbritannien dem „Anschluss“
Österreichs zu. In einer Volksabstimmung am 10. April votierten schließlich offiziell jeweils über 99
Prozent der Deutschen und Österreicher für die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich.
Propagandapostkarte zum "Anschluss" Österreichs - München, 1938 © Deutsches Historisches Museum, Berlin - Inv.-Nr.: PK
2004/577
Propagandaminister Joseph Goebbels verstärkte nun die "Heim ins Reich"-Kampagne, die unter
Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker den Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche
Reich vorsah.
Gezielt förderte die deutsche Propaganda bestehende Spannungen zwischen den 3,5 Millionen
Sudetendeutschen und dem tschechoslowakischen Staat.
"Zur historischen Begegnung 29. Septbr. 1938 in München" – Postkarte, Berlin, 1938 © Deutsches Historisches Museum,
Berlin - Inv.-Nr.: Do 78/35II
Zur Verhinderung eines Kriegs in Europa unterzeichneten Großbritannien, Frankreich, Italien und
Deutschland am 30. September 1938 das Münchner Abkommen, das die Tschechoslowakei zur
Räumung aller sudetendeutschen Gebiete zwang.
(Chamberlain, Daladier, Hitler, Mussolini)
Hitler erklärte jetzt zwar öffentlich, er habe keine weiteren territorialen Forderungen. Nach der
Besetzung des Sudetengebietes setzte er seine Annexionspläne und Kriegsvorbereitungen aber
unbeirrt fort.
Das eigentlich Tragische im September 1938 ist: Zu diesem Zeitpunkt stand Hitler mit seinen
Kriegsplänen in Deutschland recht allein dar. Seine Generäle wollten einen verfrühten Krieg um jeden
Preis verhindern. Generalstabschef Franz Halder, wichtige Truppenkommandeure in und um Berlin,
wie auch der Berliner Polizeipräsident hatten bereits mit kritischen Beamten und
sozialdemokratischen Ex-Politikern eine neue Regierung abgesprochen. Ein geheimer Stoßtrupp hielt
sich bereit, um die Reichskanzlei zu stürmen, sobald Hitler den Krieg auslösen würde. Ein Jahr später
war an Putsch nicht mehr zu denken.
5) 1939 …
Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag am 15. März 1939 erfolgte die "Zerschlagung der Rest-
Tschechei", Böhmen und Mähren wurden deutsches "Reichsprotektorat", die nun völkerrechtlich
souveräne Slowakei ein deutscher Satellitenstaat.
Prag 15. März 1939: Eine Kette von Polizisten trennt aufgebrachte Tschechen von einrückenden Truppen der deutschen
Wehrmacht.
Am 23. März 1939 marschierten Wehrmachtseinheiten zudem ins litauische Memelgebiet ein. Durch
einen Rückgabevertrag mit Litauen wurde das durch den Versailler Vertrag abgetretene und seit 1923
unter litauischer Verwaltung stehende „Memelland“ wieder Bestandteil des Deutschen Reiches.
Die deutsche Führung verkannte allerdings im Triumph ihrer außenpolitischen Erfolge die Grenzen der
bisherigen "Appeasement-Politik".
Großbritannien und Frankreich hatten Deutschland lange gewähren lassen, ein verlustreicher Krieg
wie 1914-1918 sollte unter allen Umständen verhindert werden. Doch sie waren nicht bereit, die
Expansionsgelüste Hitlers weiterhin tatenlos zu dulden. Um ihn von weiteren kriegerischen Schritten
abzuhalten und um die deutsche Machtausdehnung einzudämmen, garantierten die Westmächte im
Frühjahr 1939 die Unabhängigkeit des polnischen Staates.
Dennoch erklärte Hitler am 23. Mai 1939 vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht, Polen
militärisch niederwerfen zu wollen.
Die Voraussetzungen dafür schuf er am 23. August 1939 mit dem im Ausland für kaum möglich
gehaltenen deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag.
Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrages durch Außenminister von Ribbentrop, 1939
Der sogenannte „Hitler-Stalin-Pakt“ mit einem geheimen Zusatzprotokoll, das die Aufteilung Polens
zwischen Deutschland und der Sowjetunion regelte, ermöglichte beiden Staaten, Krieg gegen Polen zu
führen, ohne die jeweiligen Interessensphären des Vertragspartners zu tangieren. An Hitlers
eigentlichem außenpolitischen Ziel - der Gewinnung von „Lebensraum“ im Osten - änderten das
taktische Bündnis mit der Sowjetunion und der Beginn des Zweiten Weltkriegs allerdings nichts.
Auch wenn in der Bevölkerung am 1. September 1939 kein Jubel ausbricht, so steht ein Großteil der
Deutschen trotz allem hinter Hitler – und ist bereit für den „Führer“ in den Krieg zu ziehen.
60 Millionen Menschen werden im Zweiten Weltkrieg sterben. Die Nationalsozialisten ermorden sechs
Millionen Juden. Für den britischen Historiker Antony Beevor ist der Zweite Weltkrieg "das größte
menschengemachte Desaster der Geschichte".