Der Wirtschaftliche Entwicklungsweg Der Volksrepublik China Seit 1980

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    Diplomarbeit

    Der wirtschaftliche Entwicklungsweg der Volksrepublik China seit 1980

    von

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    Gliederung

    Einleitung

    1. Die Theoretischen Anstze 6

    1.1. Die Entwicklung Chinas aus der Sicht der Modernisierungstheorie 6

    1.2. Der Fortschritt des Reiches der Mitte in Anbetracht der Dependenztheorie 10

    1.3. Politisches System Chinas 13

    2. Post-Mao-Periode 17

    2.1. Die Rolle von Mao Zedong in der modernen Geschichte Chinas 17

    2.2. Die Reformierung des Systems unter Deng Xiaoping 19

    2.3. Jiang Zemin-ra 21

    2.4. Hu Jintao an der Machtspitze 23

    2.5. Heutige Situation 25

    3. Der wirtschaftliche Werdegang von VR China seit 1980 26

    3.1. Sozialismus mit chinesischer Prgung 27

    3.2. Natrliche Voraussetzungen fr wirtschaftlichen Erfolg 34

    3.3. Personalpolitik 35

    3.4. Export- und Whrungspolitik 38

    3.5. Investitionen im Ausland 44

    4. Probleme und Herausforderungen auf dem Weg zur Weltherrschaft 45

    5. Die Prognosen fr die Zukunft 50

    Schlu 55

    Literatur- und Quellenverzeichnis 63

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    Einleitung

    Nach der Wende 1989-90 und dem Zerfall der Sowjetischen Union, schien unsere Welt einpolig zu werden. Die Tatsache zeugte davon: nur ein Staat bte wirklich globalen Einfluss auf die vorgehenden Prozesse aus. Die USA haben die fhrende Position in der globalen Politik/Wirtschaft eingenommen. Sie betrachten alle Regionen der Welt als Sphre ihrer Interessen und mischen sich in fast alle Konflikte auf dem Planeten ein. Ihre Dominanz im militrischen, wirtschaftlichen Bereich ist nicht zu bestreiten. Auerdem zwingen die Vereinigten Staaten auch ihre Lebensweise den meisten Lndern auf. Also knnte man sagen, dass wir den einzigen Hegemon haben, der die Globalisierung antreibt und alle nationalkulturelle Grenze lscht. Nur mit einem Zweck die bedingungslose Herrschaft.

    Doch wenn man nher die Situation analysiert, und die regionalen geopolitischen Aspekte bercksichtigt, wird es klar, dass in Wirklichkeit die Welt multipolar ist. Zu dieser Zeit ist die Gesamtbevlkerung auf dem Planeten ber 7 Milliarden gestiegen. Die Ressourcen werden immer knapper. Unter solchen Umstnden gewinnen die regionalen Schwergewichtler langsam aber unabwendbar an Bedeutung. Japan bleibt einer der wichtigsten Spieler auf der wirtschaftlichen Bhne. Russland verfgt ber den grten Territorium, riesigen Bodenschtzen und den grten Atomwaffenarsenal. Die EU trotz der bestehenden Probleme, vereinigt sich immer enger und wird fters schon als eine komplexe Struktur Konfderation betrachtet. Die EU gilt als die Vereinigung der Lnder mit den hchsten Lebensstandarden. Das Wort von Frankreich, Grobritannien und Deutschland bleibt immer noch wichtig fr die Weltgemeinschaft. Einzeln muss man solche bevlkerungsreiche und wirtschaftlich wichtige Staaten zu nennen wie Brasilien, Indien, Indonesien, Malaysia, Mexiko, Nigeria, Sdafrikanische Republik, die ostasiatischen Tigerstaaten (Sdkorea, Republik China (Taiwan), Singapur). Die Liste knnte man fortsetzen, da die USA nicht berall ihre totale berlegenheit einsetzen oder in der Zukunft verlieren knnen.

    Wir knnen sicher ber die multipolare Welt sprechen, wenn wir noch einen mchtigen geopolitischen Akteur erwhnen China oder richtig - Volksrepublik China. Jeder von uns, wenn er ber die heutige Situation den Enkeln erzhlen wrde, wrde unbedingt mitteilen, dass China unser Leben Anfang des 21. Jahrhunderts, ohne bertreibung gesagt, bestimmt hat. Herr Gott hat diese Welt geschaffen, alles andere wurde in China hergestellt sagt man im Volk. Der bevlkerungsreichste, territorial viertgrte Staat, Exporteur und Hersteller Nr1., der Staat, der die Atomwaffen auf Lager hat, ber die grte Armee (2,5 Mio.) verfgt, unabhngig sein Weltraumprogramm erfolgreich entwickelt, und das wichtigste schon mehr als 30 Jahren bisher noch nicht gesehenes Wirtschaftswachstum zeigt. Diese kurz erwhnten Tatsachen sind schon verblffend. China ist nicht nur eine der wichtigsten

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    geopolitischen Krfte der Welt, es ist auch eine der ltesten Nationen der menschlichen Geschichte, die zirka 5000 Jahre zhlt.

    Die Volksrepublik China ist die Weltwirtschaft Nummer 2 nach USA und setzt seinen berraschenden Spurt fort. Die VR China ist das stndige Mitglied im UN-Sicherheitsrat und stellt damit eine wesentliche Opposition den Vereinten Staaten dar. Wir sehen, dass viele wichtige Entscheidungen, die von USA genehmigt werden, auf das Veto von China stoen.

    Also die Rolle von China ist auch global und betrifft schon fast jede Region der Welt. Auerdem erwartet man sogar, dass China in der absehbaren Zukunft in 20-30 Jahren die fhrende Position in allen Bereichen bernimmt, die USA berholt und zum einzigen Herrscher wird. Man sagt voraus, dass der US Dollar durch RMB (Yuan) als Weltwhrung ersetzt wird, und immer mehr Eltern denken schon darber nach, um den Kindern die chinesische Sprache beizubringen.

    Haben diese Erwartungen den standhaften Boden? Wie realistisch sind die Prognosen der Experten dass wir alle in 50 Jahren in den chinesischen Provinzen leben werden? Sehr aufregende und fast fantastische Frage. Aber unsere Welt ist so dynamisch, dass wir alles erwarten knnen.

    In der vorliegenden Diplomarbeit geht es um die Entwicklung von China nach Mao-Zeiten bis heute. Das przisere Thema berhrt die phnomenale Erscheinung den wirtschaftlichen Sprung dieser Republik nach 1980. Es ist sehr weit und komplex. Die Hauptaufgabe der Arbeit ist die Ursachen, die Hintergrnde und Voraussetzungen des solchen enormen und mchtigen Aufschwungs des Drachen-Staates zu erforschen.

    Der erste Bestandteil der Arbeit ist mehr theoretisch. Man versucht die wichtigsten sozial-politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsfaktoren unter dem Gesichtswinkel der antagonistischen Entwicklungstheorien Modernisierungs- und Dependenztheorien zu betrachten. Im ersten Teil werden die Hitergrnde der Forschung gezeigt. Besondere Wichtigkeit widmen wir der Religionsberzeugungen der Chinesen, ihrer Weltanschauung und Mentalitt. Z.B. die Lehre von Konfuzius. Diese Hintergrnde bilden die Basis fr das in dieser Diplomarbeit betrachteten Phnomen der raschen wirtschaftlichen Entwicklung. Wir versuchen festzustellen, inwiefern China in der Praxis mit diesen theoretischen Grundlagen zusammenpasst. Wir betrachten die Besonderheiten der Modernisierung von China und klren, ob die Richtigkeit der Dependenztheorie auf Chinas Beispiel besttigt wird.

    Im demselben Kapitel berichten wir auch ber das Gerippe des heutigen Staates von China das politische System, das die Existenz dieses komplizierten und ungleichartigen Staates ermglicht. Es wird

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    das interessanten politische Schema dargestellt. Das ist die Basis zum Verstndnis der nachfolgenden Schilderungen, Beschreibungen und Analysen. Das politische System zeigt auch die innere Philosophie des Volkes in bestimmter Epoche.

    Im zweiten Teil ist die Rede von der Rolle von Mao Zedong dem bekanntesten Fhrer des chinesischen Volkes aller Zeiten. Zuerst werden die Jahren der kommunistischen Erscheinungen wie Groer Sprung und Kulturrevolution beschrieben, in dem werden auch den praktischen Einsatz der maoistischen Ideen und die Lage der Nation in jener Zeit analysiert. Die Bedeutung von Mao, dem Grnder des modernen vereinigten chinesischen Staates, ist nicht eindeutig, aber schon sehr wichtig fr weitere Seiten der Geschichte des grten Volkes der Welt. Dabei werden einige ntzliche Gedanken und Meinungen geuert. Darber reden wir auch in diesem Teil. Dann schildern wir die Nachfolger von Mao in Form der kurzen Beschreibungen, die diese Zeiten und Jahrzehnten bis heute charakterisieren. Unter Anderem erwhnt man auch die Rolle solcher Staatsmnner wie Deng Xiaopin, Jiang Zemin, Hu Jintao und kommen bis den neugewhlten Machthaber. So wird die Geschichte Chinas kurz seit Mao-Zeiten bis heute geschildert.

    Weiterhin zerlegen wir genauer den Entwicklungsweg von VR China seit 1980. Erstens werden die nderungen und Neueinfhrungen von Deng Xiaopin angegeben. Eigentlich er war der Antreiber des rasanten Wachstums Chinas, denn Deng hat die przedenzlosen Kurs des Staates angesetzt und den Aufbau des Sozialismus mit chinesischer Prgung begonnen. Dann analysieren wir die Voraussetzungen des erfolgreichen wirtschaftlichen Wachstums. Wir schenken besonders die Aufmerksamkeit der Personalpolitik, Investitions-, Export- und Whrungspolitik, sowie folgende Aspekte wie geographische Lage, Umweltschutz und Menschenrechte. Danach lohnt es sich ber die Probleme zu sprechen, die heute China herausfordern. Die Lsung dieser Probleme spielt die bestimmende Rolle fr die Bewahrung der Tempi der wirtschaftlichen berholjagd und fr die geopolitischen Positionen von China in der Zukunft. So kommen wir zu der Endphase unserer Arbeit die Prognosen fr die Zukunft. Dieser Teil ist sehr heikel, aber gleichzeitig unentbehrlich fr das vollstndige Umschau des Themas.

    Die hchste Aktualitt des Themas ist nicht zu bestreiten. Jeder, der sogar kein konom oder kein Student oder Wissenschaftler ist, wird sich fr diesen Wirtschaftsriesen, der unser Leben wesentlich beeinflusst, interessieren. Die Ursache ist einfach: die Rolle Chinas ist so allseitig und massiv, dass es schon jeden betrifft. Die Zusammenarbeit Deutschlands mit China ist strategisch wichtig. Die Folgen des weiteren Wirtschaftswachstums (beides, wird es positiv verlaufen oder versagt) lassen von sich unbedingt weltweit wissen und spren.

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    Diese Forschung kann auch als eine Zusammenfassung der echten przedenzlosen Erscheinung in der Geschichte der Menschheit. Bisher noch keine Nation/Staat/Reich/Volk hat so schnell und mchtig sich weltweit durchgesetzt und das System verndert. Es gab die wirtschaftlichen Wunder von Deutschland, Korea, Japan, asiatischer Tigern, einen erfolgreichen und dramatischen Weg haben die USA geschafft, aber in historischer Hinsicht, wenn wir ber wirklich globale Rolle sprechen, hat noch kein Staat oder Bund solchen spannenden Boom gezeigt. In unserer Zeit der Globalisierung, wenn alles jeden mittelbar oder unmittelbar betrifft, ist es sogar ntzlich die Eckdaten und Haupttendenzen ber Chinas Wirtschaftsweg zu erfahren.

    1. Die Theoretischen Anstze

    1.1. Die Entwicklung Chinas aus der Sicht der Modernisierungstheorie

    Die Modernisierungstheorien waren in den 1950er und 1960er Jahren das vorherrschende entwicklungstheoretische Paradigma. Die fhrenden Vertreter waren u.a. Walt W. Rostow, Samuel P. Huntington und David McCleland. Nachdem diese Theorien in den 1970er Jahren durch die Dependenztheorien vorbergehend in die Defensive gedrngt wurden, befinden sie sich seit den 1980er Jahren begnstigt durch den Siegeszug neoliberaler Wirtschaftstheorien wieder im Aufschwung.1

    Die klassische Modernisierungstheorie wurde in den 1950er und 1960er Jahren in Abgrenzung zum Sowjet-Marxismus entwickelt.2 Dem sowjet-marxistischen teleologischen Stufenmodell, wonach sich eine Gesellschaft vom Feudalismus ber den Kapitalismus zum Sozialismus entwickelte, wurde ein eigenes teleologisches Stufenmodell entgegengestellt, wonach sich Gesellschaften von traditionellen zu modernen Gesellschaften entwickeln. Die Dichotomie zwischen traditionell und modern findet sich in allen Modernisierungstheorien.

    Traditionelle Gesellschaften zeichnen sich in den meisten Modernisierungstheorien durch einen geringen Urbanisierungs- und Industrialisierungsgrad, geringe Produktivitt, Irrationalitt, Analphabetismus, eine starre gesellschaftliche Struktur, geringe Dynamik und soziale Mobilitt, sowie einen geringen Individualisierungs-, Domestizierungs- und Differenzierungsgrad aus.

    Moderne Gesellschaften zeichnen sich der Theorie zufolge durch einen hohen Urbanisierungs-,Industrialisierungs-, Individualisierungs- und Differenzierungs-, und Bildungsgrad, hohe Produktivitt, Massenkonsum, Rationalitt, Demokratie, soziale Mobilitt und Unternehmertum aus. Auch die

    1 Rland, Jrgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In:

    Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Gttingen 1997. S.83-83 2 Hadi, Resasade: Zur Kritik der Modernisierungstheorien Ein Versuch zur Beleuchtung

    eines methodologischen Basissyndroms, Leske Verlag und Budrich, Leverkusen 1984, S.13

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    Domestizierung der Natur ist weit fortgeschritten. Das wirtschaftliche Wachstum und die Entstehung einer breiten Mittelschicht frdern die Demokratisierung der politischen Institutionen.3 Hinzu kommt, dass die Mitglieder sich modernisierender Gesellschaften in ihren Rollen als Erwerbsttige und Whler gut ausgebildete, mobile, flexible, leistungsbewusste Persnlichkeiten4 werden mssen.

    Im groen Ganzen wenn von Modernisierungstheorie gesprochen wird, so ist vorauszuschicken, dass es sich dabei nicht um ein konsistentes, geschlossenes Theoriegebude, sondern um ein Agglomerat von hnlichen Vorannahmen, Methoden und Argumentationslinien5 handelt.

    Zur Darstellung des Modernisierungsprozesses wird das Stadienmodell von Rostow verwendet. Es zeigt wie die klassischen Modernisierungstheoretiker gesellschaftliche Entwicklung vorstellen. Das Modell umfasst fnf Stadien:6

    Das erste Stadium ist die traditionelle Agrargesellschaft, in der es zwar Krisen und Prosperittsphasen, aber kein Wachstum gibt.

    Das zweite Stadium ist das Vorbereitungsstadium, in dem sowohl die konomischen Ersparnisse als auch die Investitionsquote langsam steigen und technische Erfindungen und unternehmerische Talente sich sammeln.

    Das dritte Stadium ist die Durchbruchphase (Take-off), in der die Investitionsquote und die Wachstumsraten so stark ansteigen wie bildlich gesprochen ein Flugzeug kurz nach dem Start. In dieser Phase entstehen die groen Industrien, die Grostdte [und] die Verkehrssysteme

    Das vierte Stadium ist das Stadium des Massenkonsums, in dem nach einer langen Zeit der Entbehrungen groe Teile der Bevlkerung am gesellschaftlichen Reichtum teilhaben knnen. Hier wird bereits die Annahme der Modernisierungstheorie deutlich, dass Wirtschaftswachstum und Massenkonsum (= Reduzierung der Armut) nicht gleichzeitig stattfinden knnen, sondern dass Massenkonsum erst mit erheblicher Verzgerung [und] nach den Entbehrungen der Grnderzeit realisierbar ist. Wirtschaftswachstum ohne Teilhabe der breiten Bevlkerung sei eine notwendige Voraussetzung fr spteren Massenkonsum. Diese Annahme hat erhebliche Auswirkungen auf die von der Modernisierungstheorie beeinflusste Entwicklungspolitik (trickledown Effekt: Erst muss Reichtum geschaffen werden, bevor er breit verteilt werden kann.) 3 Rland, Jrgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In:

    Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Gttingen 1997, S.91 4 Zapf, Wolfgang: Entwicklung als Modernisierung. In: Schulz. Manfred (Hrsg.), 1997:

    Entwicklung Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Gttingen 1997, S.34

    5 Mergel, Thomas: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne. In:

    Ders./ Welskopp, Thomas(Hg.): Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beitrge zur Theoriedebatte. Mnchen: Beck 1997 (Becksche Reihe 1211), S. 205. 6 Zapf, Wolfgang: Entwicklung als Modernisierung. In: Schulz. Manfred (Hrsg.), 1997:

    Entwicklung Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Gttingen 1997, S.33

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    Im fnften Stadium schwcht sich das Wirtschaftswachstum wieder ab und es kommt zur Suche nach neuen Qualitten, anderen Zielen und Lebensstilen (z.B. nachhaltiges und kologisch vertrgliches Wachstum anstelle von Wachstum, das als einziges Erfolgskriterium die Steigerung der Produktivitt kennt). Rostow datiert den Beginn dieses Stadiums auf die 1970er Jahre.7

    Die Modernisierungstheorien stehen unter Kritik. Die Kategorisierung der Welt in traditionelle und moderne Gesellschaften fhrt zu zahlreichen verflschenden Verallgemeinerungen. Sehr unterschiedliche Gesellschaften werden in der Kategorie traditionell zusammengefasst (so z.B. alle Lnder der Peripherie und Semiperipherie). Auch ist die Trennlinie zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften in der Empirie deutlich unschrfer, als von den Theorien postuliert wird. Sowohl moderne Gesellschaften beinhalten traditionelle Elemente, als auch umgekehrt. Auch wird eingewandt, dass die Erhaltung von Traditionen bei gleichzeitiger Modernisierung kein Widerspruch darstellen msse.

    Die Modernisierungstheorie bercksichtigt nicht, dass die historischen Rahmenbedingungen zu jedem Zeitpunkt verschieden sind und somit auch die Entwicklungsmglichkeiten einer Gesellschaft unterschiedlich ausfallen. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass unter vernderten Rahmenbedingen die gleiche Entwicklung eintritt. So ist z.B. nicht davon auszugehen, dass sich heute eine Gesellschaft so entwickelt, wie sich die US-amerikanische Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt hat.8 Es wird nicht erkannt, dass sowohl moderne als auch traditionelle Gesellschaften Teile desselben Welt-Systems sind und ihre Entwicklungen nicht unabhngig voneinander stattfinden. Vielmehr sind die unterschiedlichen Entwicklungen entscheidend von den Abhngigkeitsverhltnissen, die zwischen diesen Gesellschaften bestehen, bestimmt. Die Beschrnkung der Perspektive der Modernisierungstheorie auf einzelne Nationalstaaten sowie die Annahme, dass die gesellschaftliche Entwicklung innerhalb eines Nationalstaats hauptschlich durch endogene Faktoren bestimmt wird, fhrt dazu, dass nicht erkannt wird, dass sowohl moderne als auch vermeintlich traditionelle Gesellschaften Teil desselben modernen Systems sind und sich gegenseitig bedingen.

    Auch hlt die These, dass die Mittelschichten die Haupttrger der Demokratisierung seien, einer empirischen berprfung nicht stand. Historisch betrachtet, war zumindest in einigen untersuchten Fllen eher die organisierte Arbeiterschaft eine treibende Kraft der Demokratisierung.9

    7 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4

    8 Ebd., S.4

    9 Ebd., S.4

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    Richtig ist, dass eine sehr ungleiche Verteilung des konomischen Kapitals und die damit einhergehende Ungleichverteilung von Macht Demokratien gefhrdet, und umgekehrt eine relativ egalitre Einkommensstruktur (was der Entstehung einer breiten Mittelschicht letztendlich sehr nahe kommen kann) die Entstehung von Demokratien frdern und ihr berleben begnstigen kann.10 Die meisten Modernisierungstheoretiker bewerten moderne Gesellschaften implizit oder explizit als grundstzlich besser als traditionelle Gesellschaften. Die aktuellen globalen Probleme (Klimawandel etc.) werden nicht zurckgefhrt auf die Wirtschaft der modernen Gesellschaften, (die z.B. den grten CO2-Aussto produzieren), sondern umgekehrt werden die modernen Gesellschaften als die einzigen Akteure betrachtet, die in der Lage sind, diese Probleme zu lsen.11

    Auch dass die Vorstellung der modernen Gesellschaft weitgehend deckungsgleich ist mit den westlichen Nationen ist kein Zufall. Die Modernisierungstheorie hat neben ihren unzweifelhaften wissenschaftlichen Strken eine ideologische Funktion: Die Legitimierung der Vorherrschaft des Westens.12

    Wir untersuchen das Zusammenspiel von China im Rahmen dieser Theorien. Und zwar nach der Betrachtung der theoretischen Anstze der Modernisierung, kann man verstehen, dass die VR ihren eigenen Modernisierungsweg gebahnt hat. Dies hat sich durch die Kombination der antagonistischen Wirtschaftssysteme in einem Topf ausgedrckt. berraschende konvergente Gesellschaft mit starken regionalen und sozialen Unterschieden lsst sich nicht einfach auf die etablierten Modernisierungsmodellen auflegen. Ja, die Kommunistische Partei nach Mao hat auf seinen Kurs tatschlich verzichtet und die Reformen eingefhrt. Weiter wird diesen Prozess in unserer Arbeit genauer beschrieben. Die Grndung der Sonderwirtschaftszonen an der Seekste hat das auslndische Kapital ins Land eingeladen. Rasante Urbanisierung und Industrialisierung wurde als Teil des chinesischen Lebens. Aber nur teilweise, weil der andere westliche Teil von Volksrepublik weiter in Armut und Rckstand lebt. Er hat die Eigenschaften der Entwicklungs- oder Agrargesellschaft. Obwohl das Privateigentum erlaubt wurde, steht alles im Land unter Kontrolle der KP Chinas. Alle Medien und Internet werden zensiert, die Richtlinien der Politik und Wirtschaft werden auf den Tagungen der Kommunistischen Partei bestimmt, die Menschenrechte werden berall verletzt. Also geht es gegenber China um einen nichtdemokratischen Staat. Die Modernisierung geht also nicht nach europischem/amerikanischem Schema vor. Auerdem sttzt die Bevlkerung Chinas (eine der ltesten Nationen der Welt) auf die fnftausendjhrige 10

    Rland, Jrgen: Wirtschaftswachstum und Demokratisierung in Asien: Haben die Modernisierungstheorien doch recht? In: Schulz, Manfred (Hrsg.): Entwicklung Perspektiven der Entwicklungssoziologie, Westdeutscher Verlag, Gttingen 1997, S.89 11

    http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4

    12 Ebd, S.4

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    Geschichte und Traditionen! Das Bewusstsein jedes Chinesen basiert sich auf den Postulaten der gesellschaftlichen Ordnung, die noch bei Konfuzius gegrndet wurden.

    Konfuzius lebte in einer Zeit politischer Umbrche und Unruhen. Das aus vielen unabhngigen Teilstaaten bestehende China war feudalistisch orientiert und besa keine offizielle Religion. Den politisch und gesellschaftlich instabilen Verhltnissen stellte Konfuzius eine konservative Staats- und Sittenlehre gegenber, die ihre Ideale aus den traditionellen Werten der Vergangenheit schpfte. bergeordnetes Ziel zur berwindung der Krise war das Streben nach individueller und kollektiver Harmonie sowie nach moralischer Vervollkommnung jedes Einzelnen. Hierzu stellte die konfuzianische Philosophie Kardinaltugenden auf: Menschlichkeit, Schicklichkeit, Rechtschaffenheit, Weisheit und Treue. Diese Pflichten sollen sich in den fnf grundlegenden zwischenmenschlichen Beziehungen verwirklichen: dem Gehorsam und der Achtung der Kinder gegenber ihren Eltern, der Untergebenen gegenber den Herrschern sowie zwischen Geschwistern, Gatten und Freunden. In allen konfuzianisch geprgten Gesellschaften bestimmen diese Tugenden bis in die Gegenwart die traditionell und hierarchisch geprgte Gesellschaftsordnung und kulturelle Mentalitt.13

    Die Weltanschauung der Bevlkerung des Reiches der Mitte ist tief in die Verflechtung der uralten Religions- und Sozialordnung eingewurzelt. Zum Wertsystem der konfuzianischer Ethik gehren z.B.: den Glauben an Hierarchien in der Gesellschaft, das Streben die Konflikte im Konsens und nicht durch die Auseinandersetzungen zu lsen, groer Achtung der Familie und dem Alter. Die chinesischen Gemeinden und Gruppen haben tatschlich den erstaunlichen Zusammenhalt.14 Und dieses Phnomen ist bisher noch nicht von der Modernisierung gelscht. Daraus resultieren auch die Disziplin und die Opferung des Eigenen zugunsten der Allgemeinen. Groe Hartnckigkeit und Geduld stammen auch davon. Sie sind als Grundlagen zu Errungenschaften in der Bildung, Politik oder in der Wirtschaft. Aber die Zeit zeigt, wie sich die kulturell bzw. national geprgten Eigenschaften in der absehbaren Zukunft ndern/bewahren werden.

    1.2. Der Fortschritt des Reiches der Mitte in Anbetracht der Dependenztheorie

    Die Dependenztheorie entwickelte sich in den 1960er Jahren in Lateinamerika im Umfeld der Comisin Econmica para America Latina y el Caribe (CEPAL) in klarer Abgrenzung und in Frontstellung zur Modernisierungstheorie.15 Die zentrale These der Dependenztheorie ist, dass der unterschiedliche Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen der Welt nicht in erster Linie auf endogene Faktoren, z.B. kulturelle Unterschiede, zurckzufhren sei, sondern von internationalen

    13 http://www.wissen.de/lexikon/konfuzianismus?chunk=die-konfuzianische-philosophie

    14 Hans van Ess: Ist China konfuzianisch? Center for East Asian and Pacific Studies, Trier University, Germany, China Analyses

    No 23. 2003,S.10

    15 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4

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    Ausbeutungsverhltnissen verursacht wird. Wichtige Vertreter der Dependenztheorie sind u.a. Ral Prebish, Andre Gunder Frank und Henrique Cardoso.

    Die Abhngigkeit vieler Lnder von den wenigen herrschenden Industrielndern drckt sich darin aus, dass die weltweite wirtschaftliche Entwicklung weitgehend durch von den Industrielndern determinierte Faktoren bestimmt wird, u.a. durch deren Importnachfrage/Exportangebot. Durch Investitionsentscheidungen auslndischer Unternehmen, technische Weiterentwicklung und Kreditbewilligung auslndischer Banken.

    Dies fhrt nach Ansicht der Vertreter der Dependenztheorie dazu, dass die Entwicklungslnder in den internationalen Handelsbeziehungen berwiegend Nachteile erleiden, die einen Abbau ihres Entwicklungsrckstands verhindern und somit eine Ursache der Unterentwicklung darstellen. A.G. Frank, US-amerikanischer konom und Vertreter der Dependenztheorie, entwickelte seit dem Ende der 60er Jahre eine viel diskutierte Weltwirtschaftskonzeption, deren Mittelpunkt die Analyse konomischer Unterentwicklung ist. An erster Stelle steht fr ihn historisch und theoretisch die Zirkulationssphre. Dies zeigt sich seiner Auffassung nach darin, dass die frheren Kolonien Lateinamerikas von Anfang an durch ihre Einbeziehung in den kapitalistischen Weltmarkt geprgt waren und deshalb dort kapitalistische Produktionsverhltnisse vorherrschen. Dies hat zur Konsequenz, dass sich seit der Kolonialzeit weder die Klasseneinteilung noch die der konomischen Struktur innewohnenden Widersprche wesentlich verndert haben. Deshalb stand fr ihn hier eine sozialistische Revolution unmittelbar auf der Tagesordnung.16

    Die zentralen Kategorien der Dependenztheorie sind Zentrum bzw. Zentralstaaten, Semiperipherie und Peripherie.17 Die Grundannahme ist, dass es durch internationale Ausbeutungsverhltnisse, durch die langfristige Verschlechterung der Terms of Trade und den daraus hervorgehenden ungleichen Tausch zu einem kontinuierlichen Transfer von Mehrwert aus der Peripherie und Semiperipherie in die Zentralstaaten kommt. Die ungleiche Entwicklung der verschiedenen Staaten und Regionen der Welt ist demnach in erster Linie auf internationale Ausbeutungsverhltnisse, also exogene Faktoren zurckzufhren, anstatt auf kulturelle, gesellschaftsimmanente, endogene Faktoren, wie von der Modernisierungstheorie postuliert wird.

    Whrend die lateinamerikanische Staaten wirklich von dem Eintritt in die globale Wirtschaft gelitten haben, nimmt China seit der ffnung zur Welt ab 1978 in diesem interessante Position ein. Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war China wirklich von den kapitalistischen Kolonialmchten abhngig. In zweiter Hlfte des 20. Jh. gab es schon ganz andere Situation auf der Weltkarte. Der kalte Krieg herrschte 16 http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/dependenztheorie/dependenztheorie.htm

    17 http://neuesoziologie.files.wordpress.com/2011/01/modernisierungstheorie-und-dependenztheorie.pdf, S.4

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    und China unter Mao hat sich fr die Welt geschlossen. Die Folgen des Maoismus werden wir noch in der Arbeit beschreiben. Nach Maos Tod war China ein schwach entwickeltes Agrarland. Man knnte damals erwarten, dass das bevlkerungsreichte Volk wieder in Abhngigkeit von den mchtigen Staaten gert. Und dann knnte man sicher die Dependenztheorie gegenber China anwenden. Doch alles hat sich anders herausgestellt. China ist auf den Reformweg getreten und seine eigene national geprgte Politik zu fhren begann. Man kann diese Politik als wirtschaftliche Offensive an allen Fronten nennen. Durch die Grndung der Sonderwirtschaftszonen ist es den Chinesen gelungen, die auslndischen Investitionen zur Entwicklung der Volkswirtschaft hinzuziehen. China ist dank der Verbindung der Plan- und Marktwirtschaft und dem Einsatz allerseitigen Ressourcen und anderen zahlreichen Voraussetzungen und Ursachen, die wir spter betrachten, exportorientiert geworden ist und im 21. Jahrhundert begonnen hat, sogar der Welt seine eigene Bedingungen aufzuzwingen. China ist nach seinem BIP pro Kopf die Wirtschaft Nr.2 nach den USA geworden.18 Der Dependenztheorie zuwider hat der Beitritt in die globale Wirtschaft China nicht nur keine Abhngigkeit gebracht, sondern den schnellen Aufstieg dem Reich der Mitte gewhrleistet. Das hat auch den WTO-Beitritt 2001 bewiesen.

    Die chinesischen Studenten schpfen die Kenntnisse an den besten Universitten der Welt. Sie sind sehr wichtiges Gehirnpotential fr weiteren Aufschwung der Heimat. Die chinesischen Geschftsleute bereisen die Welt. Sie sind schon angesehene Mnner und nicht die Vertreter eines Entwicklungslandes. Es ist schon schwierig, ein Land irgendwo zu finden, wo China keinen Einflu auf einheimischen Handel und lokale Wirtschaft nicht htte. Renminbi ist schon sogar an US Dollar nicht gebunden. Von welcher Dependenz/Abhngigkeit kann man reden? Die Volksrepublik China hat sich sicher von dieser Theorie abgegrenzt und scheint heute sogar die ganze Welt von sich abhngig zu werden!

    China fhrt weiter seine folgerichtige Politik Richtung Wachstum und Bereicherung. Es ist schon zur Gromacht geworden. Ein 1,3-Milliarden Volk, die Nation (oder Bund mehreren Nationen) mit der uralten Geschichte und sehr tief ins Gedchtnis jedes Brgers eingeprgten Traditionen, den Menschen, die gnadenlosen Mao-Zeiten berlebt haben, sind sie nicht zum Angriff gegen die Welt bereit? Die Erfahrung und Praxis von VR China knnte die Anti-Dependenztheorie prsentieren. Aber alles kann sich jederzeit ndern, da die Weltkonomie sehr feinfhlig ist, und in letzten Jahrzehnten zahlreichen Krisen unterworfen wurde. Die heutige Position von China lsst sich alle wundern und berrascht mit dem langen Wachstumsprozess. Es entsteht die Frage, bis wann dieser Zuwachs dauern wird und wann endlich die nachhaltige Entwicklung Chinas beginnt? Oder ob sie irgendwann beginnt? Wird China zur Gromacht Nr.1 und seine Hegemonie bestrkt oder verursacht die globale verheerende Krise? 18 http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/570866/publicationFile/166989/Wirtschaftsdatenblatt_pdf.pdf

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    Die lateinamerikanischen und afrikanischen Lnder, die oft als die Opfer hinsichtlich der Dependenztheorie sind, kann man nicht im Vergleich mit China stellen. Andere Bedingungen, andere Ressourcen, andere Systeme, andere Mentalitten und andere Mastbe.

    1.3. Politisches System Chinas

    Das politische System der VR China hat in Europa ein zwiespltiges Image. Die Kritiker sehen in China eine Diktatur mit "eiserner Faust", die im Innern alle Anstze zu politischer Erneuerung unterdrckt und nach auen rcksichtslos nationale Interessen durchsetzen will. China-freundliche Politiker und Geschftsleute hingegen verweisen auf die auerordentliche wirtschaftliche Dynamik des Landes und vertrauen auf die Wirkung der Marktwirtschaft, die auch China den Weg zu einer politischen Neuordnung und zu verlsslicher internationaler Kooperation weisen werde. 19

    Die chinesische Regierung selbst lehnt die "westliche Demokratie" als fr China untaugliches Ordnungsmodell ab. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hlt an ihrem Machtmonopol fest, lsst keine unabhngigen politischen Kontrollinstanzen zu und unterdrckt organisierte oppositionelle Aktivitten. Daraus lsst sich schlussfolgern, dass die VR China ein autoritres Regierungssystem ist. Seit den 1990er Jahren beeinflussen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vernderungen auch die wesentlichen politischen Wandel. Die gegenwrtige politische Ordnung hat sich weit vom Totalitarismus der Mao-ra, in dem die Kommunistische Partei total in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und persnliche Leben einmischte. Politische Entscheidungen kommen heute auf andere Weise zustande und werden auch mit anderen Mitteln durchgesetzt als am Ausgangspunkt der Wirtschaftsreformen. 20

    Der Staatsaufbau der VR China ist de System der ehemaligen Sowjetunion hnlich. Die politische Fhrungsrolle der Kommunistischen Partei, umfassende Durchgriffsbefugnisse der Zentralregierung gegenber regionalen Fhrungen, die Gewaltenkonzentration - also die ausdrckliche Ablehnung einer politischen Machtbegrenzung durch Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative - und der Vorrang der kollektiven Interessen vor den individuellen Rechten bis heute wesentliche Prinzipien der Verfassungsordnung der VR China auszeichnen. Bislang sind vier Verfassungen (1954, 1975, 1978, 1982) verabschiedet worden, in denen die wechselnden politischen Ziele der KPCh zum Ausdruck kommen. Whrend insbesondere die Verfassungen von 1975 und 1978 die Bedeutung des Klassenkampfes hervorhoben, spiegelt die derzeit gltige Verfassung von 1982 (in Einzelelementen gendert in den Jahren 1988, 1993, 1999 und 2004) die 19 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems

    20 Ebd.

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    Bemhungen um eine "sozialistische Modernisierung" des Wirtschaftssystems und um eine Stabilisierung der staatlichen Institutionen wider. 21

    Unten werden die wichtigsten Verfassungsbestimmungen fr Chinas politisches System angefhrt.22

    Die Hauptprinzipien der chinesischen Politik:

    Die Kommunistische Partei Chinas ist die einzige Regierungspartei Chinas

    Die demokratische Diktatur des Volkes

    Die Volksrepublik China ist ein sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse gefhrt wird und auf dem Bndnis der Arbeiter und Bauern beruht.

    Die demokratische Diktatur des Volkes bedeutet ihrem Wesen nach die Diktatur des Proletariats.

    Die Arbeiterklasse ist die fhrende Klasse des Staates, die Bauernschaft ist ihre Verbndete.

    Das sozialistische System

    Das von der Arbeiterklasse gefhrte und auf dem Bndnis der Arbeiter und Bauern beruhende sozialistische System ist das grundlegende System der Volksrepublik China. Jede Organisation und jede Einzelperson, die das sozialistische System sabotiert, ist ein Feind des Staates und Volkes.

    Alle Macht gehrt dem Volk

    Die Organe, durch die das Volk die Staatsmacht ausbt, sind der nationale Volkskongre und die lokalen Volkskongresse auf den verschiedenen Ebenen.

    Das Volk verwaltet die Staatsangelegenheiten, die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Angelegenheiten durch verschiedene Kanle und in verschiedenen Formen.

    Die Einheitsfront steht unter der Fhrung der Kommunistischen Partei Chinas. An ihr haben die verschiedenen demokratischen Parteien und Massenorganisationen, alle sozialistischen Werkttigen sowie alle Patrioten, die den Sozialismus untersttzen, und alle Patrioten, die fr die Wiedervereinigung des Vaterlandes eintreten, teil.

    Die Politische Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes ist eine Organisation der Einheitsfront mit umfassendem reprsentativem Charakter.

    Die grundlegende Aufgabe und das Ziel des Staates

    Auf dem Weg des Aufbaus des Sozialismus chinesischer Prgung werden alle Krfte auf die sozialistische Modernisierung konzentriert. Unter der Fhrung der Kommunistischen Partei Chinas und 21 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems

    22 http://german.china.org.cn/de-zhengzhi/1.htm

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    angeleitet durch den Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Ideen und die Deng-Xiaoping-Theorie werden die Volksmassen aller Nationalitten an der demokratischen Diktatur des Volkes, dem sozialistischen Weg und der Reform und ffnung festhalten, ununterbrochen die sozialistischen Institutionen vervollkommnen, die sozialistische Marktwirtschaft entwickeln, die sozialistische Demokratie ausbauen, die sozialistische Rechtsordnung perfektionieren und im Vertrauen auf die eigene Kraft hart arbeiten, um die Industrie, Landwirtschaft, Landesverteidigung und Wissenschaft und Technik Schritt fr Schritt zu modernisieren und China zu einem starken sozialistischen Staat mit hochentwickelter Demokratie und Zivilisation aufzubauen.

    Der demokratische Zentralismus

    Das organisatorische Prinzip der Staatsorgane ist der demokratische Zentralismus.

    Die Volkskongresse aller Ebenen werden durch Wahlen gebildet. Die Volkskongresse aller Ebenen entscheiden ber die wichtigsten Angelegenheiten im politischen Leben des Staates, rufen alle Organe der Staatsverwaltung, alle Staatsorgane der Rechtsprechung und alle Organe der Staatsanwaltschaft ins Leben.23

    Tabellarisch kann man das politische System Chinas so darstellen:24

    23 http://german.china.org.cn/de-zhengzhi/1.htm

    24 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems

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    Die fhrende Rolle Kommunistischen Partei ist das entscheidende Hindernis fr eine Erneuerung der staatlichen Institutionen. "Oberstes Organ der Staatsmacht" und Gesetzgebungsorgan ist laut Verfassung der Nationale Volkskongress (NVK), der unter anderem zustndig ist fr Verfassungsnderungen (mit Zwei-Drittel-Mehrheit), Ausarbeitung und nderung von grundlegenden Gesetzen, Wahl/Abberufung der wichtigsten Mitglieder der Staatsorgane, sowie Prfung und Besttigung des Staatshaushaltes. Die rund 3000 Abgeordneten des NVK werden alle fnf Jahre von den Volkskongressen auf Provinzebene bestimmt. Es findet also keine Volkswahl zum NVK statt. Mehr als zwei Drittel der NVK-Abgeordneten gehren der Kommunistischen Partei an. Der NVK tritt nur einmal im Jahr zu einer ein- bis zweiwchigen Plenartagung zusammen. Den Charakter eines "Ersatzparlaments" besitzt deshalb der Stndige Ausschuss des NVK, alle ein bis zwei Monate zu mehrtgigen Sitzungen zusammentritt und die Mehrzahl der Gesetze verabschiedet sowie internationale Abkommen ratifiziert. 25

    Als Staatsoberhaupt der VR China gilt der Staatsprsident, dem berwiegend formalreprsentative Funktionen zukommen. Er setzt mit seiner Unterschrift Gesetze in Kraft, ernennt und entlsst fhrende Mitglieder von Staatsorganen nach Entscheidung des NVK und empfngt internationale Staatsgste. Da der Generalsekretr der KPCh - "Nummer 1" in der Parteihierarchie und damit der mchtigste chinesische Politiker - seit 1993 zugleich auch das Amt des Staatsprsidenten bekleidet, hat dieses Amt ein greres Gewicht erlangt.

    Der Staatsrat, die chinesische Zentralregierung, wird in der Verfassung als "Exekutivorgan" des NVK und als "oberstes Organ der Staatsverwaltung" definiert. Dem Staatsrat gehren der Ministerprsident, dessen Stellvertreter sowie die Staatsratskommissare und Minister an. Der Ministerprsident verfgt als Leiter des Staatsrates ber eine sehr groe Machtflle. Als "Kabinett" im engeren Sinne dient die Stndige Konferenz des Staatsrates, die nur die hchstrangigen Regierungsmitglieder umfasst. Die Kandidaten fr alle Fhrungspositionen in der Regierung werden von Gremien der KPCh ausgewhlt und benannt; der NVK muss der Ernennung der wichtigsten Amtstrger zustimmen. 26

    Lokale Volkskongresse und Volksregierungen aller Ebenen sind die rtlichen Organe der Staatsmacht. Sie haben auf der jeweiligen Verwaltungsebene Kompetenzen, die im Wesentlichen mit denen des NVK auf nationaler Ebene korrespondieren. Nur die Delegierten der Volkskongresse auf Kreis- und Gemeindeebene werden direkt gewhlt. Die lokalen Volksregierungen aller Ebenen "sind den

    25 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems

    26Ebd.

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    Organen der Staatsverwaltung der nchsthheren Ebenen verantwortlich und rechenschaftspflichtig".27 Gem Verfassung kann die Zentralregierung die Annullierung "unangemessener Entscheidungen" lokaler Organe der Staatsverwaltung anordnen. Hierin kommt der zentralistische Staatsaufbau zum Ausdruck, der in der Verfassung festgelegt ist, in der Verwaltungspraxis jedoch durch vielfltige dezentrale Entscheidungs- und Gestaltungsspielrume aufgelockert ist.

    China hat sich seit Ende der 70er Jahre und frmlich mit seinem Ende 1990 beschlossenen Zehnjahresprogramm langfristig zur Politik der wirtschaftlichen Reform und ffnung bekannt. Das Konzept der "sozialistischen Marktwirtschaft" wurde zunchst in die Parteistatuten, im Mrz 1993 erstmals auch in die Verfassung aufgenommen und durch ergnzende Verfassungsnderungen vom Mrz 1999 weiter przisiert.

    Das rasante Wirtschaftswachstum infolge der Reform- und ffnungspolitik hat den Lebensstandard der meisten Chinesen erhht, allerdings zu groen Ungleichgewichten bei der Einkommensverteilung zwischen Stadt und Land sowie Ksten- und Binnenprovinzen und zunehmender Arbeitslosigkeit gefhrt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen (2011) der Landbevlkerung betrgt 6977 RMB(ca. 775 Euro); die in den Stdten lebenden Chinesen haben ein durchschnittliches Pro-Kopf-Jahreseinkommen von 21810 RMB (ca. 2.423 Euro).28 Die Zahl der in den Stdten registrierten Arbeitslosen wurde 2011 mit 4,1 Prozent angegeben. Die Asiatische Entwicklungsbank geht von bis zu dreiig Prozent berschssigen Arbeitskrften auf dem Land aus.

    2. Post-Mao-Periode

    2.1. Die Rolle von Mao Zedong in der modernen Geschichte Chinas

    Mao Zedong gehrt zu den bekanntesten Staatsfhrern des 20. Jahrhunderts. Man nannte ihn groer Vorsitzende, groer Steuermann. Die Tatsache, dass er im Oktober 1949 die Volksrepublik China verkndet hatte, machte ihn zum Vater der Nation. Die weitere Politik war sehr grausam und traurig.

    Der Groe Sprung nach vorn oder die Kulturrevolution waren verheerend fr das Land und warfen es um viele Jahre zurck. Historiker schtzen heute, dass der Groe Sprung nach vorn (1959-61) bis zu 30 Millionen Menschen das Leben gekostet hat: die meisten verhungerten, weil Maos Politik zu

    27 http://www.bpb.de/izpb/8861/charakteristika-des-politischen-systems

    28 http://www.auswaertiges-

    amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText6

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    gewaltigen Missernten fhrte.29 Whrend der Kulturrevolution (1966-1976) wurden in China viele Schulen und Universitten geschlossen, das wichtigste war nicht gebildet sondern "rot" (politisch korrekt) zu sein. Trotzdem hat Mao nicht eindeutigen Eindruck ber seine wirtschaftliche Ttigkeit gelassen: einerseits wuchs das Bruttoinlandsprodukt zwischen 1952 und 1975 um jhrlich durchschnittlich 6,7 %, die Mglichkeiten fr Bildung, medizinische Versorgung und soziale Sicherheit erreichten das hchste Niveau in der Geschichte Chinas, und der Anteil der Industrie an der Wirtschaftskraft wurde von etwa 20 % 1952 auf 45 % 1975 gesteigert.30 Diese Resultate wurden dank dem Einsatz zustzlicher Ressourcen erreicht, die Investitionen wurden zunehmend ineffizienter, und das relativ hohe Wirtschaftswachstum konnte nur zu einem sehr geringen Anteil in hheren Konsum der Bevlkerung umgesetzt werden. Mao hat selbst anerkannt, dass sich seine Wirtschaftspolitik von utopischen Ideen geleitete wurde. Am Anfang der 1970er Jahren lie er die wirtschaftlich pragmatischen Politiker Deng Xiaoping und Zhou Enlai an die Macht zurckzukehren.

    Es gab und es gibt keine Entmaoisierung in China, wie es in den anderen posttotalitren Lnders wie z.B. in der Sowjetunion war. Das Kult der Person ist nicht mehr da, aber bis heute hngt auf dem Tienanmen-Platz in China Maos Portrt, und dem "Platz des Himmlischen Friedens" steht das ihm zu Ehren errichtete Mausoleum. Die Kommunistische Partei lsst China auf Mao nicht verzichten. In den offiziellen Aussagen der Parteifhrer wurde die Kulturrevolution als "gravierender Fehler" des "groen Mao Zedong" bezeichnet. Deng Xiaoping, Maos Nachfolger, begann damit Maos Ideen zu relativieren, ohne den Mythos des "Groen Vorsitzenden" zu vernichten. Pltzlich hie es aus der Parteizentrale, Mao habe viele gute und wahre und einige falsche Ideen propagiert. 70 Prozent der Mao-Ideen seien gut, 30 Prozent schlecht gewesen, so die Politrhetorik aus den Reihen der chinesischen Nomenklatur.31 Der Ruhm und Gre von Mao scheint einfach als Form als der Schleier zu sein, hinter dem das wahre pragmatische Gesicht versteckt wird.

    Als Zusammenfassung kann man auch hinzufgen, dass unter Mao China die mglichen kommunistischen Mittel zur Entwicklung in der Praxis erfahren hat. Die Folgen und Ergebnisse dieser Experimente sind schrecklich. Aber unserer Meinung nach, hat die maoistische Periode sehr wesentlichen Einflu auf die knftigen Prozesse im Land ausgebt.

    29 http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html

    30 Ebd.

    31 http://www.planet-wissen.de/laender_leute/china/mao_zedong/china_mao_erinnerung.jsp

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    Erstens, die Chinesen hatten Angst vor gnadenlosen Aktionen der Mao-Anhnger und diese unbarmherzigen Terrors haben dem Volk die zustzliche Gehorsamkeit beigebracht. Also die Chinesen waren schon gelernt die riesigen Taten im Namen der Idee zu vollbringen, ohne die Richtigkeit dieser Prozesse zu bezweifeln. Mao Zedong hat die historisch riesige Einsatzbereitschaft des chinesischen Volkes durch totalitaristische Mittel verstrkt. Heute vollbringen sie auch noch unvergleichbar grere Taten, aber schon nicht im Namen der Idee, sondern im Namen der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung. Darum spricht man heutzutage ber die Trendwende zum Nationalismus.

    Zweitens, haben solche furchtbare Zeiten unter Kommunismus bei den chinesischen Brgern die gebndigte Energie zur Privatttigkeit, Privatgeschft aufgeweckt. Diese gewaltige Energie wird heute in die rasche Wirtschaftsentwicklung umgesetzt.

    Drittens, die ideologische Vergangenheit war im groen Ganzen die negative Erfahrung fr die Chinesen. Jetzt werden sie schon keine solchen Experimente durchfhren, sondern sich auf realistischen Plnen und Projekten konzentrieren. Mao wollte wahrscheinlich bei dem Chinesischen Volk die riesige Energie erwecken und ganz neue Generation grozuziehen. Die Folgen dieser Versuche sind in umgekehrte Richtung gezielt und zwar China wird mehr und mehr kapitalistisch bzw. liberal und progressiv. Was ist nach dem groen Mao geblieben? Parteiausschu? Zensur? Mausoleum? Die KP hat schon die Kontrolle ber das Wichtigste verloren ber das geistige Leben des Volkes.

    2.2. Die Reformierung des Systems unter Deng Xiaoping

    Nach dem Tod von Mao Zedong 1976 versuchte die so genannte "Viererbande" um Maos Ehefrau, die politische Macht an sich zu reien.32 Bis 1980 Hua Gofeng stand an der Parteispitze. Deng Xiaoping, einer der fnf stellvertretenden Parteivorsitzenden, wurde in China zur treibenden Kraft der chinesischen Wirtschafts- und Auenpolitik. Im Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft pldierte er fr die Liberalisierung und ffnung der chinesischen Wirtschaft. Parallel zur wirtschaftlichen ffnung vollzog sich eine Verbesserung der politischen Beziehungen zu den Industrielndern. Z.B. wurden 1978 mit den Vereinigten Staaten die diplomatische Beziehungen angeknpft und ein Handelsabkommen unterzeichnet. Es wurde auch die Normalisierung in den Beziehungen mit Japan und der Sowjetunion - die strategischen Nachbarn bemerkt.

    Anfang der 80er Jahre erreichte die Bevlkerung Chinas eine Milliarde Menschen und der Zuwachs ging weiter. Seit 1980 hat die chinesische Regierung die Gesetzte angenommen, die die Ein-Kind-Familie

    32 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29

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    verlangten. Damals waren Zhao Ziyang als neuer Ministerprsidenten, Hu Yaobang als Parteivorsitzenden und Deng Xiaoping als starker Mann im Hintergrund an der Machtspitze. Die Nichteinhaltung dieser Gesetze drohten den Eltern Geldstrafen bzw. massive Benachteiligungen bei der Wohnraumvergabe. In der vierten Verfassung von 1982 wurde der Reformkurs von Deng Xiaoping offiziell als politische Leitlinie festgeschrieben. 33

    Xiaoping war als Chefarchitekt der chinesischen Reformpolitik bekannt geworden. Der Modernisierer Deng hat Ende der 70er Jahre die Reform- und ffnungspolitik durchgesetzt, die ein Wirtschaftswachstum mit durchschnittlich ber 9 Prozent Wachstum in den vergangenen mehr als 30 Jahren zur Folge hat. Das wirtschaftliche Gesamtpotenzial Chinas hat sich damit mehr als vervierfacht.34

    Die dritte Plenartagung des 11. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (Dezember 1978) ging in die Geschichte des Volkes als offizieller Start fr die Reformierung und Modernisierung Chinas. Der neue Kurs und das neue Programm wurden von Deng Xiaoping festgelegt.

    Deng Xiaoping sah zuerst die Landwirtschaft als Ziel der Reformen ein. Ende der 70er Jahre noch 80 Prozent der gesamten chinesischen Bevlkerung lebte und arbeitete auf dem Land. Der Wohlstand der der Bauern sehr wichtig fr die Garantie der Stabilitt in der chinesischen Gesellschaft. Im Rahmen seiner Agrarreform schuff Deng zunchst ein sogenanntes vertragsgebundenes Verantwortungssystem fr die Bauern, bei dem diese einen Teil des erwirtschafteten und berschssigen Ertrages auf speziellen Landwirtschaftsmrkten verkaufen und als eigenen Gewinn verbuchen konnten. Die Bauern hatten Eigentumsrechte an ihren Produkten, Landbesitz war jedoch weiterhin nicht mglich.35 Diese Reformmanahme hat entscheidend die Arbeitsproduktivitt von mehreren hundert Millionen chinesischen Bauern beeinflusst und eine historische Steigerung der Getreideproduktion ausgelst.

    Ab Mitte der 1980er Jahre wurden auch nicht-staatliche Unternehmen in der Industrie zugelassen und die Staatsunternehmen mussten auf den sich entwickelnden Mrkten mit Privatunternehmen konkurrieren.36

    Als nchster Schritt wurden die Reformmanahmen in den Stdten getroffen. Dort wurde die wirtschaftliche Struktur allmhlich komplett reformiert. Damit hat Deng die Meinung widerlegt, dass es einen unberbrckbaren Widerspruch zwischen der Plan- und der Warenwirtschaft gebe, und hat seine 33 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2004-08/12/content_2126626.htm

    34 Ebd.

    35 http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html

    36 Ebd.

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    Reform theoretisch und definitiv begrndet. Aufgrund dieser Theorien wurde nun auch in den chinesischen Staatsbetrieben das System des vertragsgebundenen Verantwortungssystems eingefhrt. Es wurde auch als Versuch eine Verwandlung der Eigentumsform einiger Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften durchgefhrt. Das Gemeineigentum ist allmhlich nur eine der Eigentumsformen geworden. Dabei wurde das Gemeineigentum als Hauptsttze unter den anderen proklamiert.

    In Shenzhen und Shanghai wurden zwei Wertpapierbrsen gegrndet. Im Zusammenhang mit der eingeleiteten Preisreform wurden Verhltnis und Ausma des Einflusses von Marktfaktoren auf die Preisfindung erweitert. Die Ansichten und Entscheidungen von Deng Xiaoping haben direkt dazu beigetragen, dass die KP Chinas immer deutlicher die Etablierung einer sozialistischen Marktwirtschaft chinesischer Prgung als Basis der Reformen auf ihre Fahnen schrieb, was fortan den ungebrochenen Fortschritt ermglichte.

    Heutzutage gehen immer mehr Chinesen ins Ausland, whrend immer mehr Auslnder nach China kommen. China ist inzwischen auch der Welthandelsorganisation WTO 2001 beigetreten.37 Auf der auenpolitischen Bhne spielt China als stndiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates in internationalen Angelegenheiten eine immer grere Rolle. All diese Errungenschaften und Erfolge sind in erster Linie der Einfhrung der ffnungspolitik zu verdanken. Also diese von Deng Xiaoping eingefhrte Politik ermglichte, dass China sich nach mehr als 500 jhriger Abschottung wieder zur Welt ffnet. Der VR China ist es gelungen, sich von der Praxis der bernahme von Theorien und Praktiken der anderen Lnder zu befreien und einen neuen eigenen Weg zu einer Modernisierung chinesischer Prgung zu bahnen.

    2.3. Jiang Zemin-ra

    Im Januar 1987 wurde Zhao Ziyang zum Generalsekretr der kommunistischen Partei ernannt, Hu Yaobang wurde zum Rcktritt gezwungen. Die nderungen in der Fhrungsspitze begannen nach einer Demonstrationswelle der Studenten, die mehr Demokratie und Selbstbestimmungsrechte forderten. Hus Tod im April 1989 zog eine neue Welle prodemokratischer Demonstrationen nach sich. Diese erreichten im Mai ihren Hhepunkt, als der sowjetische Staatsprsident Michail Gorbatschow Peking besuchte, um die 30 Jahre andauernden Unstimmigkeiten zwischen der UdSSR und China zu beenden. Die Demonstranten besetzten den Tian-an-men-Platz in Peking, bis am Morgen des 4. Juni bewaffnete Militreinheiten die Innenstadt strmten und mindestens 400 Zivilisten tteten.38 In der darauf folgenden Phase harten politischen Durchgreifens wurde Zhao Ziyang seiner Parteimter enthoben. Neuer 37 http://www.china-park.de/geschichte/zeittafel.html

    38 http://chroniken-asien.de/ch_china04.htm

  • 22

    Generalsekretr wurde Jiang Zemin, der Ministerprsident wurde Li Peng. Der achte Nationale Volkskongress whlte Jiang im Mrz 1993 zum neuen Staatsoberhaupt Chinas. Im Oktober desselben Jahres wurden erstmals in beschrnktem Umfang Handelsbeziehungen zu Taiwan erlaubt. Der Grenzverlauf zu Russland wurde im September 1994 vertraglich besttigt.39

    Im Jahre 1995 wies die Wirtschaft ein stabiles hohes Wachstum auf, das vorher isolierte Land war der siebentgrte Teilnehmer im internationalen Handel und der Lebensstandard wuchs schnell, wobei die Konsumausgaben der Haushalte zu konstanten Preissteigerungen um jhrlich mehr als 7 % fhrten.40

    Im Rckblick erscheint Jiang Zemin als unspektakulrer, aber wirkungsvoller Reformer und Mann des politischen Ausgleichs. Ihm gelang es, eine Periode sehr tief greifenden wirtschaftlichen sozialen Wandels erfolgreich zu managen, indem er trotz einschneidender Reformschritte (u.a. Restrukturierung des Staatssektors, WTO-Beitritt) wenig politische Angriffsflche bot. Die politische Fhrung unter Jiang Zemin war zweifellos die stabilste in der Geschichte der VRCh.41

    Jiang hat sehr aufmerksame Taktik ausgewhlt. Er minimierte politische Konflikte und vermied offene politische Konfrontationen: stetige Respektbezeugungen gegenber Parteiveteranen, Rckgriff auf unkontroverse politische Formeln (typisch etwa Formel der Dreifachen Reprsentation), Geduld in der Herbeifhrung parteiinterner Konsensfindung, vorbereitete Entfernung innerparteilicher Kritiker aus den Fhrungsgremien (etwa Chen Xitong, Qiao Shi), berantwortung kontroverser wirtschaftspolitischer Manahmen und politischer Risiken (etwa Inflationsbekmpfung, Finanzsystemreformen, WTO-Beitritt) an den Ministerprsidenten Zhu Rongji und andere Wirtschaftspolitiker.

    Unter Jiang vollzog sich der Wandel des Entscheidungssystems weg von der charismatischen Autoritt eines Parteichefs hin zu einem System der kollegialen Fhrung mit strker formalisierten Verfahrensregeln. Die Vermeidung politischer Grundsatz- und Grokonflikte trotz massiver sozialer Verwerfungen und wirtschaftlicher Neuerungen ist als Jiang Zemins politische Leistung anzuerkennen. Allerdings blieben viele grundlegende Probleme in der ra Jiang Zemin ungelst oder verschrften sich sogar (Korruption, soziales Geflle, politische Repression im Falle der Falungong-Bewegung).42

    39 http://chroniken-asien.de/ch_china04.htm

    40 http://www.china-zeichen.de/html/info_uber_china.html

    41 http://www.chinapolitik.de/resources/no_20.pdf

    42 Ebd.

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    Im Juni 1997 bergab Grobritannien seine ehemalige Kronkolonie Hongkong an China zurck.43 Hongkong wurde zur Sonderverwaltungszone, die chinesische Fhrung hat das bestehende wirtschaftliche System da bewahrt. Nur das Parlament in Hongkong wurde aber durch ein Peking-freundliches ersetzt.

    Im Mrz 1998 wurde der Wirtschaftsreformer Zhu Rongji neuer Ministerprsident Chinas, Jiang Zemin wurde fr eine weitere Amtszeit von fnf Jahren als Staatsprsident besttigt, Li Peng blieb wichtigster zweiter Mann im Staat, jetzt als Parlamentsprsident.44 Die chinesische Regierung wollte ein WTO-Mitglied werden. Und erst nach der Senkung der Einfuhrzlle und weiterer ffnung des chinesischen Marktes wurde VR China in die WTO (World Trade Organisation, Welthandelsorganisation) 2001 aufgenommen. Damals stand China unter der Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen, die der chinesischen Staatsfhrung die wiederholte Verletzung der Menschenrechte an Tausenden von Chinesen vorwarfen.

    1999 gab Portugal die Kolonie Macao an China zurck. Wie auch in Hongkong wurde der ehemaligen Kolonie die Aufrechterhaltung der Wirtschaftsform fr zunchst 50 Jahre zugesichert (nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme"). 45

    Der chinesische Volkskongress verabschiedete im Januar 2002 ein Gesetz zur Bevlkerungsplanung, das die Regierung zur nderung der seit 1970 verfolgten Ein-Kind-Politik auffordert. In der Zukunft soll der Staat nur noch im Bereich der Schwangerschaftsverhtung eingreifen; Zwangssterilisationen und erzwungene Abtreibungen wurden verboten. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei stimmte im Oktober 2003 einer nderung der Staatsverfassung zu. In ihr sind jetzt die Grundrechte auf Streik und Freizgigkeit sowie ein Recht auf Privatsphre vorgesehen.

    2.4. Hu Jintao an der Machtspitze

    2003 wurde der neue Generalsekretr der KP, Hu Jintao, zum Staatsprsidenten gewhlt. So ist der macht sowie der Generationswechsel Seit 2004 ist Hu zustzlich Vorsitzender der Zentralen Militrkommission der Volksbefreiungsarmee. Hu Jintao setzt die Reformpolitik unter Beibehaltung des von der KP geprgten politischen Systems fort. Er wird hierbei seit 2003 von Ministerprsident Wen Jiabao untersttzt. Themen sind verstrkt die Verringerung des sozialen Geflles zwischen Stadt und

    43 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29

    44 Ebd.

    45 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29

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    Land, aber auch der Schutz von Umwelt und Ressourcen. 2008 wurden fnf neue "Superministerien" geschaffen, die sich knftig der innenpolitischen Prioritten annehmen. Auf die sich hufenden Meldungen von menschenunwrdigen Arbeitsbedingungen

    Im Oktober 2003 ist China der dritte Staat geworden (nach UdSSR/Russland und den USA), der allein den bemannten Weltraumflug schaffte. Der Stndige Ausschuss des NVK (Nationaler Volkskongress) verabschiedete 2006 ein Gesetz, nach dem knftig alle Todesurteile der Besttigung durch das Oberste Gericht bedrfen. Aufgrund mehrerer spektakulrer Fehlurteile war es zu einer ffentlichen Debatte ber die Verhngung der Todesstrafe gekommen, die vor allem Provinzgerichte oftmals exzessiv betreiben. Schtzungsweise werden im Jahr 8 000 Todesurteile ausgesprochen. 46

    Im Frhjahr 2008 gab es erneut eine schwere Krise zwischen Tibet und China: Nach dem Freiheitskampf tibetischer Demonstranten kam es zu blutigen Unruhen. China gelang es, Tibet nahezu vllig abzuschotten, es entsandte tausende Soldaten und lehnte jegliche auslndische Berichterstattung ab. - Mit Taiwan wurden dagegen im Juni 2008 nach zehn Jahren erstmals wieder direkte politische Gesprche gefhrt. 47

    Ein schweres Erdbeben erschtterte den Sdwesten Chinas im Mai 2008. Die Naturkatastrophe kostete nach Schtzungen 50 000 Menschen das Leben. Viele Bauwerke, darunter Staudmme, wurden beschdigt. Schtzungsweise fnf Millionen Menschen verloren ihre Behausung. Es war das schwerste Beben seit 32 Jahren, das China erlebte. Die chinesische Regierung schickte 130 000 Soldaten und Angehrige paramilitrischer Einheiten in die betroffenen Regionen, die noch Tage spter von Nachbeben heimgesucht wurden.

    Vor den Olympischen Spielen, die in Peking vom 8. bis 24. August 2008 stattfanden, gab es kritische Stimmen aus aller Welt. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Menschenrechtsverletzungen, in denen auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Diskrepanz zwischen den Idealen der Olympischen Bewegung und der politischen Realitt Chinas erkannte und zur Sprache brachte. Im Zuge der Tibetkrise im Frhjahr hatten mehrere Lnder einen Boykott der Spiele erwogen. Die Bilanz von IOC-Prsident Jacques Rogge zu den Spielen in Peking fiel berwiegend positiv aus.48 Zugleich rumte Rogge die Machtlosigkeit des IOC im Umgang mit den Gastgebern ein. Insbesondere zur 46 http://www.laender-lexikon.de/China_%28Geschichte%29

    47 Ebd.

    48 Ebd.

  • 25

    Pressezensur und Unterdrckung von Protesten sagte er, die Situation sei "nicht perfekt" gewesen. 2010 ist China Japan aus der zweiten Platz abgelst und die zweite Wirtschaft der Welt geworden.49

    Das war schneller passiert, als die Experten erwartet hatten. Aber der erfolgreiche Werdegang Chinas setzt sich weiter fort.

    2.5. Heutige Situation

    2012 hat sich chinesisches Wachstum etwas verlangsamt. Und zwar in diesem Jahr hat sich das Wirtschaftswachstum von durchschnittlich rund zehn Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf 7,4 Prozent im dritten Quartal verlangsamt. Das offizielle Ziel der Regierung fr das Gesamtjahr 2012 liegt bei 7,5 Prozent.50 Das Land hat lngst eine Schlsselrolle im Welthandel eingenommen. Laut Internationalem Whrungsfonds ist China mittlerweile fr 78 Staaten der wichtigste oder zweitwichtigste Handelspartner. Auch viele deutsche Firmen sind von der Konjunktur des Landes abhngig. 2011 betrug das BIP-Wachstum 9,2 % und 2012 schon 7,8 %.51 Whrend der ber 30 Jahren der erfolgreichen Entwicklung, sind 500 Millionen Menschen aus der Armut geholt.52 Heute hat man hat begonnen ber den Untergang Chinas zu reden. Aber diese Enttuschungsstimmung widerlegt das IWF mit seiner Prognose fr das Jahr 2013 mit 8,2. Diese kleine Rezession scheint auf dem groen Bild des 30-jhrigen Wachstums nur eine Ausnahme oder besser gesagt kleine Pause zu sein. Eine Pause vor einem neuen dauernden Aufschwung.

    Am 18. Parteikongress hat der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao seinem Volk eine Verdoppelung des Einkommens bis 2020 versprochen.53 Und das ist trotz der langsameren Wirtschaftsentwicklung. Zur Erffnung des der chinesischen Kommunisten in Peking sagte der scheidende Parteichef, dass sich auch die gesamte Wirtschaftsleistung der Volksrepublik bis dahin verdoppeln solle. Es sei das erste Mal, dass die Partei konkrete Ziele fr Wachstum und Einkommen genannt habe.54 In seiner letzten Rede zum Volk rief Hu Jintao die Wirtschaftsentwicklung 49

    China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research Center of the State Council, the Peoples Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development / International Development Association or The World Bank. 2012, S.3 50

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html

    51 http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2012/02/pdf/text.pdf

    52 China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research

    Center of the State Council, the Peoples Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development / International Development Association or The World Bank. 2012, S.XV 53

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html

    54 Ebd.

  • 26

    "ausgeglichener, koordinierter und nachhaltiger" zu gestalten. Als Konsequenz msse China die Wende zu einem neuen - weniger auf Export und Investitionen gesttzten - Wachstumsmodell beschleunigen. Dafr sollte die heimische Nachfrage angekurbelt werden.55 Am 15.11.2012 wurde Xi Jinping zum Generalsekretr der Kommunistischen Partei Chinas gewhlt.56 Mit ihm soll das neue Team der sieben Mitglieder des Stndigen Ausschusses des Politbros das Land unter Kontrolle halten. Xi Jinping gilt als ein vorsichtiger Reformer zu sein 57und versprach eine Fortsetzung der Reform- und ffnungspolitik.

    Das alte Team hat reiches Erbe fr die Nachfolger hinterlassen. Also sie werden aus sehr guten Positionen starten und verfgen ber die grundstzlichen Voraussetzungen fr den neuen Boom. Solche schnelle Entwicklung wurde von zahlreichen Errungenschaften begleitet. Das sind einige von ihnen:

    2 der 10 Top-Banken sind schon chinesisch; 61 chinesische Unternehmen gehren zur Global Fortune 500-Liste; China besitzt das zweitgrte Autobahnnetz, die 3 lngste Seebrcken, und 6 der 10 grten Containerhfen der Welt Der Staat hat groe Erfolge in Medizin, Bildung, Wissenschaft, Technologien gemacht. Und

    der Rckstand zu den hochentwickelten Lndern wird schnell aufgeholt.58 Weiter schauen wir um, wie diesen historischen Weg gebahnt wurde.

    3. Der wirtschaftliche Werdegang von VR China seit 1980

    In den 80er Jahren hat das wirtschaftliche Wachstum Chinas begonnen. Angefangen aus den Reformen von Deng Xiaoping, ausgeglichene Politik von Jiang Zemin und ber den Aufschwung bei Hu Jintao bis heutige Zeit blieb die Erscheinung des chinesischen Wunders fr alle Menschen der Welt von besonderem Interesse. Schon drei Generationen der Brger beobachteten diesen atemberaubenden Weg des Milliarden-Volkes. Welche Faktoren hatten darauf Einflu und welche Mittel und Mhe haben die Chinesen dafr eingesetzt? Was liegt diesem Sprung zugrunde? Darum geht es weiter.

    55

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html

    56 http://www.weltalmanach.de/staaten/details/china_volksrepublik/

    57 http://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-parteichef-hu-verspricht-dem-volk-reichtum-a-865997.html

    58 China 2030. Building a Modern, Harmonious, and Creative High-Income Society. The World Bank Development Research Center of the State Council, the Peoples Republic of China. International Bank for Reconstruction and Development / International Development Association or The World Bank. 2012, S.4

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    3.1. Sozialismus mit chinesischer Prgung

    Seit 1978 hat die chinesische Wirtschaft eine auch international anerkannte enorme Entwicklung genommen. 59 Ein Land zwei Systeme mit dieser Parole lutete der stellvertretende chinesische Ministerprsident Deng Xiaoping im Jahre 1979 eine neue Phase der chinesischen Politik ein.60 Damals spielte der Plan bei der Verteilung der Ressourcen in der Gesellschaft eine wesentliche Rolle. Es gab berhaupt keine Privatunternehmen in VR. Es gab nur staatliche und kollektive Betriebe. Materialzulieferung, Produktion, Auslieferung und Vertrieb wurden von der Regierung kontrolliert.61 Ebenso war bereits vorher festgelegt worden, was und wieviel fr wen produziert wird, und auch, was das jeweilige Produkt kosten wrde. So gesehen war der Staat eine einzige riesige Fabrik, andererseits war jede kleine Werkstatt eine staatliche Produktionseinheit. Dazu gehre auch, dass Beruf und Arbeitsstelle der Menschen als Subjekt der Produktion planmig zugeteilt wurden und demzufolge unvernderlich waren.

    Eine Zentrale Staatliche Planungskommission plante und regulierte alle Wirtschaftsaktivitten. Eine staatliche Entwicklungs- und Planungskommission gibt es in China auch heute noch, allerdings hat die wenig mit ihrer Vorgngerbehrde gemein.

    Das System der Planwirtschaft war im Jahr 1949 unter den damals bestimmenden historischen Umstnden mit einer unterentwickelten Wirtschaftsbasis und Struktur, verschrft durch die Wirtschaftsblockade westlicher Lnder, etabliert worden.

    Das System hat viel zur Zentralisation der Arbeitskrfte, der Finanzen und der materiellen Ressourcen, zum Bau von industriellen Schwerpunktprojekten, zur Entwicklung der Wirtschaft, zur Stabilisierung des Marktes und zur Verbesserung des Lebens der Menschen beigetragen. Im Zuge der Entwicklung der Wirtschaft in China konnte das System der Planwirtschaft aber nicht mehr an neue Entwicklungstendenzen angepasst werden das System wurde zum Hindernis fr die weitere Entwicklung.

    Seit der Reform des Wirtschaftssystems gibt es in China zusammen mit den staatlichen und kollektiven Betrieben, auch die Privatunternehmen, Jointventures, kooperative Unternehmen und rein

    59 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm

    60 Andreas Tank: Sonderwirtschaftszonen in China, Universitt Kassel, Kassel, 2002, S.5

    61 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm

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    auswrtige Unternehmen. Materialversorgung, Produktion, Zirkulation, Vermarktung und Konsum werden fr die meisten Betriebe in China nicht mehr vom Staat organisiert, sondern von den Betrieben selbst auf dem Markt.

    Die Betriebe sind fr Gewinne und Verluste selbst verantwortlich. Die Preise der meisten Waren und Dienstleistungen werden von den Betrieben nach Marktbedingungen festgesetzt. Die Wirtschaftsreform hat somit die Entscheidungsbefugnisse und die Lebenskraft der Betriebe gestrkt.62

    Noch wichtiger ist, dass die Subjekte der Produktion, die Menschen also, mittlerweile Beruf und Arbeitsstelle frei whlen knnen. Dies hat brigens ein betrchtliches Potential schpferischer Aktivitten der Menschen freigesetzt.

    Diese Vernderungen sind nicht sofort gekommen. Die erste Phase von 1978 bis 1983 kann als Etappe des Beginns begrenzter und versuchsweiser Wirtschaftsreformen bezeichnet werden.63 Der Schwerpunkt dieser Reformen lag auf dem Lande. Dort wurde nach entsprechenden Tests ein System der vertragsgebundenen Verantwortlichkeit in Verbindung mit dem Produktionsertrag auf der Basis der Haushalte eingefhrt, eine Art Pachtsystem also, bei dem die berschsse den Pchtern zugutekamen. Mit den dadurch freigesetzten Aktivitten der Bauern entwickelte sich die Landwirtschaft sehr schnell.

    Die zweite Phase der Wirtschaftsreformen in China dauerte dann von 1984 bis 1991.64 In dieser Phase konzentrierten sich die Reformen vor allem auf die Stdte. Schwerpunkt der Reform waren die staatlichen Betriebe, es ging um die Trennung von Regierung und Betrieben. Der Staat blieb weiterhin Eigentmer der Betriebe, wobei die wirtschaftslenkenden Funktionen der Regierung deutlich auf allgemeine Fhrungsaufgaben beschrnkt wurden. Die Produktion, die Wirtschaftsfhrung, die Verteilung und der Absatz waren fortan Sache der Betriebe selbst und von diesen zu organisieren und zu verantworten.

    Die dritte und bis heute andauernde Phase der Wirtschaftsreform in China begann dann 1992. Diese Etappe wird als Phase der Vertiefung der Reform des Wirtschaftssystems bezeichnet. Im Frhling 1992 hatte Deng Xiaoping, der als Chefarchitekt der Reform und ffnung Chinas gilt, in Reden in Shenzhen und in Shanghai erklrt, wenn die Reformen der Befreiung und Entwicklung der Produktivkrfte, der

    62 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm

    63 Ebd.

    64 Ebd.

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    Strkung des umfassenden Potentials Chinas und einem hheren Lebensstandard der Bevlkerung dienten, dann msse man alle nur denkbaren Manahmen wagemutig ausprobieren. Von diesen Reden gingen starke Impulse fr die Reform des Wirtschaftssystems aus.65

    Auf dem 14. Parteitag der KP Chinas legte Generalsekretr Jiang Zemin in seinem Bericht eindeutig dar, dass in China ein System der sozialistischen Marktwirtschaft aufgebaut werden msse. Damit traten Wirtschaft und Gesellschaft in China in eine neue Entwicklungsphase ein. Das umfassende Potential Chinas verstrkt sich immer weiter, und ebenso stetig erhht sich das Lebensniveau der Bevlkerung. Inzwischen ist in China der grundstzliche Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft fest etabliert.

    Mit einem Blick zurck auf den Prozess der Reform des Wirtschaftssystems in den letzten ber 20 Jahren sagte der Experte des Bros des Staatsrates fr Reform des Wirtschaftssystems, Hu Deqiao:Die Reform des Wirtschaftssystems frderte die Reform auf dem Lande. Die Chinesen konnten ausreichend mit Kleidung und Nahrung versorgt werden. Warenproduktion und Zirkulation, Marktwirtschaft und Wettbewerbsmechanismen haben die Wirtschaft in Stadt und Land angekurbelt. Die Regulierung und Vervollkommnung der Eigentumsstruktur in der Wirtschaft sowie die Entwicklung der Betriebe und die Reform der Betriebsfhrung wurden gefrdert.66

    Bei der Reform der Regierungsorgane wurden die Funktionen der Regierung in groen Maen verndert. Gleichzeitig wurde die Wirtschaft Chinas im Zuge der Reform und ffnung enger mit der internationalen Wirtschaft verbunden.

    Also heute zeigt China ein einzigartiges Beispiel fr kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung, einzigartig in Zusammensetzung und Ausma. Die anfnglichen Reformen gestatteten die Herausbildung von Kapital innerhalb der VR China, aber die strikte Regulierung durch die Partei stellte sicher, dass die im Inneren entstehende Kapitalistenklasse gegngelt und berwacht wurde. 67 Gleichzeitig lieferte die Etablierung der Kstenenklaven ein Reservoir billiger Arbeitskrfte zwecks Ausbeutung durch die chinesische Exilbourgeoisie. Obwohl das diese sicher bereichert hat, blieb sie doch im Exil gespalten und war abhngig von Peking und der Kommunistischen Partei fr die Garantie der Bedingungen, unter denen sie aufblhen konnte.

    65 http://german.china.org.cn/archive2006/txt/2002-11/06/content_2048349.htm

    66 Ebd.

    67 Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurckholte. Revolutionrer Marxismus 39,

    August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm

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    Die streng kontrollierte Restauration des Kapitalismus unterhhlte die Planwirtschaft, erlaubte jedoch nicht nur viele Aspekte staatlicher Wirtschaftsberwachung, sondern auch der vom degenerierten Arbeiterstaat ererbten politischen Struktur beizubehalten, v.a. die Partei und den Sicherheitsapparat.

    Alle chinesischen Konzerne, die nationale Spitzenreiter werden sollen wie Sinopec, Huawei, Lenovo, Baoshan Stahl, Schanghai Auto und Nanking Auto verdanken ihre Gre und Kapitalquelle ihren Wurzeln im Staatssektor und haben alle sehr enge Beziehungen zu Staat und Partei aufrechterhalten. Nur Haier, das Haushaltsverbrauchsgter herstellt, scheint als unabhngige Gesellschaft von seinen Ursprngen aus einer bankrotten Fabrik des kleinen und mittleren Stadt-Land-Sektors her aufgebaut worden zu sein.68

    Wegen der andauernden Parteidiktatur ist es besonders aus der Ferne unmglich, das Ausma zu kennen, in dem die verschiedenen Bestandteile einer neuen chinesischen Kapitalistenklasse, die zweifellos an sich existiert, zu einer Klasse zusammengeballt sind, die sich ihrer Interessen bewusst und fhig ist, diese in einem politischen Programm zu formulieren, dass die Bedrfnisse dieser Klasse fr sich formuliert.

    In anderen Lndern, wo die kombinierte und ungleichmige Entwicklung eine neue Bourgeoisie gegen ein politisches Regime formierte, das sich z. B. auf eine Grundbesitzerklasse sttzte, traf es im Allgemeinen zu, dass die Klasse ungeachtet der Untersttzung brgerlicher IdeologInnen fr demokratische Rechte oder sogar Revolution selbst so schwach war, dass sie generell vor einer offenen Konfrontation mit dem ancien rgime zurckschreckte. Mehr noch, in Anbetracht der Perspektive, dass ihr eigener Besitz durch die Klassenkmpfe der Arbeiterschaft und Bauernarmut in Gefahr geriet, wrde sie sich bei Bedarf auf die Seite selbst des unterdrckerischsten Regimes schlagen.

    Doch in China steht die Sache etwas anders. Alle Kapitalisten leiten einigen Nutzen aus der diktatorischen Macht der Partei ab. Die Partei aber ist in letzter Instanz Agentur einer brokratischen Kaste, keine sozial verwurzelte Klasse. Schon nennen sich 20% der Parteimitglieder Geschftsleute. Es ist kein Geheimnis, dass auf jeder Ebene Parteifunktionre und -vorstnde sicher dafr sorgen, dass ihre Shne und Tchter in Fhrungspositionen der ehemaligen Staats-Unternehmen aufrcken, die nun darum wetteifern, groe Aktiengesellschaften zu werden.

    68 Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurckholte. Revolutionrer Marxismus 39,

    August 2008. In http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm

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    Wie wir aber gesehen haben, hat das Privatkapital in den letzten Jahren stark zugelegt. Man kann erwarten, dass es in Gegensatz zur Dauerherrschaft einer Partei gert, die systematisch Ressourcen fr ihre Kumpane und ausgesuchte Unternehmen abzweigt. Auf hnliche Weise wird wohl das chinesische Brgertum in Hong Kong und auf Taiwan niemals die Kommunistische Partei als die ihrige ansehen. Die Bourgeoisie auf Taiwan verfgt ber eine eigene Partei und Erfahrung in der Ausbung von Staatsmacht. Schlielich htten die imperialistischen Mchte jeden Grund, die Zerstrung potenzieller KonkurrentInnen und das vllige Aufbrechen des chinesischen Marktes als Kreuzzug gegen KommunistInnen und Diktatur aufzufhren. So knnen wir davon ausgehen, dass ernsthafte gesellschaftliche Erschtterungen in China das berleben der Partei in der gegenwrtigen Form bedrohen und deshalb eine Grundfrage aufwerfen: Wer soll herrschen?69

    Mit der Abkehr von den maoistischen Zielen der kommunistischen Planwirtschaft und der Autarkie, erhielten die Provinzen Guangdong und Fujian wirtschaftliche Sonderrechte fr marktwirtschaftliche Reformexperimente und die auenwirtschaftliche Integration. Fr die Durchfhrung dieses Experimentes, die chinesische Planwirtschaft rationalen Wirtschaftsablufen anzupassen und den Kriterien konomischer Effizienz zu unterwerfen70 wurden in den genannten Provinzen Sonderwirtschaftzonen gegrndet, welche auslndisches Kapital in Form von Investitionen, Technologien und Wissen anziehen sollten. Die Sonderwirtschaftszonen lassen sich so definieren:

    das abgegrenzte Gebiet eines Staates, in dem gnstigere wirtschaftliche Rahmenbedingungen gelten als in den brigen Teilen. Insbesondere werden Steuererleichterungen gewhrt; ferner gelten liberalere Einfuhrverfahren, grozgigere Devisenzuteilung, vereinfachte arbeitsrechtliche Vorschriften usw. Sonderwirtschaftszonen stellen regelmig eine Diskriminierung der brigen Landesteile dar. Sie legitimieren sich durch ihre Vorbildfunktion insbesondere in technischer und organisatorischer Hinsicht.71

    Die Sonderwirtschaftszonen nahmen und nehmen eine Schlsselrolle in der Transformation und Modernisierung des chinesischen Wirtschaftssystems ein und etablierten sich seit der Grndung als wichtigstes Intermedium zwischen der chinesischen Wirtschaft und den Weltmrkten. Mit dieser neuen Politik setzte Deng Xiaoping seine Landsleute in eine Zeitmaschine, die alle Entwicklungen, die wir oder auch der asiatische Nachbar Japan in 150 Jahren bewltigten, nun in 15 Jahren durchraste72. Und bereits kurz nach der Grndung der Sonderwirtschaftszonen wies die chinesische Volkswirtschaft

    69

    Peter Main: Von Mao zum Markt. Wie die chinesische KP den Kapitalismus zurckholte. Revolutionrer Marxismus 39, August 2008. In: http://www.arbeitermacht.de/rm/rm39/maomarkt.htm

    70 Vetter, H.F.: Chinas neue Wirklichkeit: Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nach Mao, Frankfurt am Main, 1983, S.57

    71 http://www.wissen.de/lexikon/sonderwirtschaftszone?keyword=Sonderwirtschaftszone

    72 Ederer, G.; Franzen, J. : Der Sieg des himmlischen Kapitalismus, Landsberg/Lech, 1996, S.260

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    wiederholt die weltweit hchsten Wachstumsraten auf. Whrend die USA, Japan und Europa mit Marktsttigung und Rezession zu kmpfen haben, gilt China aus Sicht zahlreicher konomen als Motor der gesamten Weltwirtschaft.

    Wirtschaftliche Sonderzonen haben ihren Ursprung im Jahre 1934. Zu diesem Zeitpunkt wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Gesetz erlassen, welches die Umwandlung von 300 Stdten in Freihandelszonen erlaubte, in denen Importgter von der Besteuerung freigestellt waren. Die Grundidee von Freihandelszonen besteht darin, Regelungen und Begrenzungen aufzuheben, die Investitionen und damit verbunden das Wirtschaftswachstum behindern.73

    Sonderwirtschaftszonen frdern also den auslndischen Handel, erleichtern die Produktion von Exportgtern, importieren zeitgleich moderne Technologie samt auslndischem Know-How und tragen zu einem breiteren Angebot auf dem Binnenmarkt bei. Auslndische Investoren sollen so nach China gelockt werden. Gleichzeitig wird allerdings auch dafr gesorgt, dass auslndische Firmen keine reinen Tochterunternehmen in China grnden, sondern so genannte Joint-Ventures mit chinesischen Firmen, um diese an den Gewinnen und am Know-How partizipieren zu lassen. 74

    Das Konzept der Sonderwirtschaftszonen ist aufgegangen, denn die VR China hat seit ihrer Grndung einen starken Wandel erlebt. Die ehemals kleinen Stdte in der Kstenregion sind zu modernen Millionenstdten geworden und die Wirtschaft ist stetig gewachsen. Auch durch den Erfolg der Sonderwirtschaftszonen gilt China als eine der wichtigsten und exportstrksten Nationen der Welt, was ohne finanzielle Investitionen von westlichen Unternehmen in dieser Form nicht mglich gewesen wre. Die Sonderwirtschaftszonen Chinas erwirtschafteten 1997 noch 20% des Bruttoinlandsprodukts, eine Zahl, die momentan, aus Grnden die in nachfolgenden Kapiteln nher beleuchtet werden, eher rcklufig ist.75 Zu den SWZ gehren z.B. solche Stdte wie Shenzhen, Shantou, Zhuhai, Xiamen, Shanghai und die ganze Insel Hainan.

    Die Sonderwirtschaftszonen in China bieten verschiedene Vorteile gegenber Stdten und Regionen, die diesen Status nicht haben. So drfen auslndische Unternehmen, die in diese Zonen investieren ihre erwirtschafteten Profite unbegrenzt in ihr Heimatland zurckfhren. Importe knnen unbegrenzt durchgefhrt werden. Auf die Importe werden entweder sehr geringe oder gar keine Steuern und Zlle erhoben (variiert zwischen den 5 Sonderwirtschaftszonen). Die unternehmerische Gewinnsteuer in diesen Zonen wurde auf 15% gesenkt. Desweiteren wurde die Brokratie abgebaut, der Kndigungsschutz

    73

    Andreas Tank: Sonderwirtschaftszonen in China, Universitt Kassel, Kassel 2002, S.11

    74 http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China_-_Sonderwirtschaftszonen

    75 Ebd.

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    erheblich gelockert, sowie hervorragende infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen. Vom Mutterkonzern eingesetzte Arbeiter sind weiterhin von der chinesischen Einkommensteuer befreit. Auerdem knnen Produktionsmaterialien unbegrenzt genutzt werden (was in einer Planwirtschaft nicht selbstverstndlich ist) und sehr hohe Abschreibungen vorgenommen werden, was den zu versteuernden Gewinn erheblich schmlert. Die Kstennhe war ebenfalls ein Anreiz fr internationale Unternehmen, da diese optimal fr den Export ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die gnstigen Arbeitskrfte in China. Chinesische Arbeiter stehen in groer Zahl zur Verfgung womit gewhrleistet wird, dass man genug produzieren kann und keine Engpsse entstehen. Unternehmen knnen daher auf Marktschwankungen flexibler reagieren. Internationale Unternehmen sehen auerdem die Chance sich durch ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner den chinesischen Markt einfacher erschlieen zu knnen. Eine Ansiedlung in einer der Sonderwirtschaftszonen ist der ideale Ausgangspunkt dazu. In China sind Beziehungen enorm wichtig fr den wirtschaftlichen Erfolg. Durch die Partnerschaft mit einem chinesischen Partner kann man auch dessen Guanxi nutzen. Die Sonderwirtschaftszonen sind stark exportorientiert. Aus den Kstengebieten Chinas werden Produkte in die ganze Welt verschifft. Der Kontakt zu auslndischen Handels- und Geschftspartnern ist sehr eng. Allerdings ist es fr auslndische Unternehmen seit einigen Jahren nicht mehr erforderlich in die Sonderwirtschaftszonen zu investieren, um den chinesischen Markt zu erschlieen. Ein Grund hierfr ist, dass die chinesische Regierung in den letzten Jahren auch in anderen Regionen starke Investitionsreize geschaffen hat. Fr viele Unternehmen sind die Ballungsrume von Peking und Shanghai viel interessanter, da sie einen deutlich greren Absatzmarkt bieten. Sehnert stellt hierzu fest: Die Finanzkraft transnationaler Unternehmen unserer Zeit macht einen Standort innerhalb einer chinesischen Sonderwirtschaftszone unntig, da sie auf die finanziellen Vorteile keine Rcksicht nehmen mssen. In der Realitt zeigt sich heute, dass Unternehmen aus den international bedeutendsten Exportnationen, wie bspw. die Bundesrepublik Deutschland, fast nicht mehr in die Sonderwirtschaftszonen investieren.76 Die Sonderwirtschaftszonen spielten bei der rasanten Entwicklung Chinas eine wichtige Rolle als Katalysator des Wachstums. Ohne die Einrichtung solcher Zonen htte die schrittweise ffnung in Richtung kapitalistischer Mrkte nicht in einem so knappen Zeitraum bewerkstelligt werden knnen. Die Sonderwirtschaftszonen waren der Kern der Wachstumspolpolitik und verhalfen der Kstenregion, vor allem in den 80er Jahren, zu einem starken Wachstum.77

    76 http://www.munich-business-school.de/intercultural/index.php/China_-_Sonderwirtschaftszonen

    77 Ebd.

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    3.2.Natrliche Voraussetzungen fr wirtschaftlichen Erfolg

    Als Grundlage fr die Entwicklung des Drachen-Staates sind die natrlichen Bedingungen und geographische Lage. In erster Linie soll man sagen, dass VR China nach Russland, Kanada und USA das viertgrte Land der Welt ist. Die Flche betrgt 9 572 900 km. 78 Diese riesigen Territorien werden auf sieben Grolandschaften (von den hchsten Gebirgssystemen der Welt zu den Tiefebenen) geteilt und liegen in zahlreichen Klimazonen (von heier tropischer im Sden bis zur migen im Nord-Westen mit extrem kalten Wintern.79 China ist das Seeland, es hat Zugang zum Gelben und Ostchinesischen Meer, und im Sdosten zum Sdchinesischen Meer. Landesgrenzen hat China mit Russland und der Mongolei im Norden, im Osten mit der Volksrepublik Korea, im Sden mit Vietnam, Laos, Myanmar (frher Birma), Bhutan, Nepal und Indien und im Westen mit Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Kasachstan.

    Eine Vielzahl von Flssen durchzieht China, der lngste ist der Yangtsekiang mit einer Lnge von etwa 6 300 km, der zweitlngste der Huang He (Gelber Fluss) mit 5 464 km. Diese Flsse entlang bildeten sich die frhen uralten Zivilisationen auf dem Territorium von der heutigen VR China. Die fruchtbaren Kstenebenen und die Flusstler geben sicher die besten Voraussetzungen zum gnstigen Ackerbau. China hat zur Zeit etwa 130 Mio. ha Ackerland, das sich hauptschlich in der nordost- und der nordchinesischen Ebene, am Mittel- und Unterlauf des Jangtse, im Perlfluss-Delta und im Sichuan-Becken verteilt. Der grte Teil der nordostchinesischen Ebene ist fruchtbarer schwarzer Boden, auf dem Weizen, Mais, Sorghum, Sojabohnen, Flachs und Zuckerrben angebaut werden. Der Hauptteil der nordchinesischen Ebene ist brauner Boden, der fr den Anbau von Weizen, Mais, Hirse, Sorghum, Baumwolle und Erdnssen geeignet ist. Am Mittel- und Unterlauf des Jangtse werden Wasserreis, Orangen und Raps angebaut. Im Sichuan-Becken ist meistens rotbrauner Boden vertreten, dessen Anbaukultur von Wasserreis, Raps, Zuckerrohr, Tee und Orangen geprgt ist.80

    China ist reich an Bodenschtzen. Bis heute sind mehr als 16