DergrosseVerrat ...[z]-Vgl. Friedrich August von Hayek, «Wissenschaft und Sozialismus»...

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Zurich Open Repository and Archive University of Zurich Main Library Strickhofstrasse 39 CH-8057 Zurich www.zora.uzh.ch Year: 2012 Der grosse Verrat. Was ist eigentlich mit dem Freisinn in der Schweiz passiert? Kohler, Georg Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich ZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-61318 Newspaper Article Published Version Originally published at: Kohler, Georg. Der grosse Verrat. Was ist eigentlich mit dem Freisinn in der Schweiz passiert? In: Das Magazin, 17 March 2012, p.20-25.

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Year: 2012

Der grosse Verrat. Was ist eigentlich mit dem Freisinn in der Schweizpassiert?

Kohler, Georg

Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of ZurichZORA URL: https://doi.org/10.5167/uzh-61318Newspaper ArticlePublished Version

Originally published at:Kohler, Georg. Der grosse Verrat. Was ist eigentlich mit dem Freisinn in der Schweiz passiert? In: DasMagazin, 17 March 2012, p.20-25.

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�as ist eigentlich mit dem Freisinh in der Schweiz passiert?

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VonGEORG KOHLER Das Wort «Freisinn» hat mir immer gefal­len. Es weckt die Vorstellung eines freien Geistes und der freien Sinne. Optimismus steckt in ihm, h umane Zuversicht un d ge­nug nüchterner Menschenverstand, um nie zu vergessen, dass die Welt irdisch ist, kein Ort also, wo gutes Leben gratis und von selbst gedeihen würde.

Aber heute ist «Freisinm> d er program­matische Titel einer Partei, die Mühe hat, d er Kraft gerecht zu werden, di e in ihrem Namen lebt.

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I Liberalismus ist nicht gleich Libertarianismus U m mit der Hauptthese anzufangen: Der Freisinn, die helvetische Form des poli­tischen Liberalismus, hat den Kompass verloren. Deshalb ist es kein Wunder, das s auch die frühere Orientierung dahin ist. Zwar ist man immer noch <<in der Mitte», aber irgendwie in der Mitte sind alle, die nicht Polpartei sein mõchten.

D er Orientierungsverlust des Freisinns hat eine lange, über dreissigjahrige Ge-

schichte. Die ihn begleitende Dekadenz der Einflussmacht dieser einst wichtigsten schweizerischen Partei, welche die neue. Eidgenossenschaft von r848 pragte, ist nicht zufãllig. Sie beginnt mit dem Slogan «Mehr Freiheit, weniger Staat», der nach d em wohlfahrtsstaatlichen S eh ub der Sieb­zigerjahre noch einigermassen plausibel war; und die Dekadenz ist auch heute nicht zu Ende.

W as sin d di e Gründe für den Abstieg? Eine persõnliche Anekdote zuerst: Anlass­lich eines Abendessens kam ich kürzlich

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neben einen alten Bekannten zu sitzen, dem ich sei t langem in herzlicher, keines- · wegs feindseliger ideologischer Gegner­schaft verbunden b in. 1983 haben wir uns über eine tragfàhige Begründung des Rechts auf Privateigentum gestritten [xl; und darüber diskutieren wir mit wechseln­den Argumenten eigentlich noch immer. Überrascht wurde ich an diesem Abend ·

aber von der Anfangsbemerkung meines kritischen Kollegen, der für sich sogleich die einzig authentische Version liberaler Denkungsart beanspruchte: «Mein lieber Georg, du bist ja schon in Ordnung und ich würde nicht sagen, dass du ein Kom­munist bist. Aber dass du ein Liberaler sein willst, halte ich für absurd!»

Einigermassen verblüfft, wusste ich zunachst nichts Besseres, als mit einer Be­merkung zu entgegnen, die ich sinngemass einst von Ralf Dahrendorf gehõrt hatte: «Mein lieber Martin, im Gegensatz zu dir b in ich offenbar d er Ansicht, das s liberale Marktfreiheit und Rule of Law nicnt das . Recht auf Steuerhinterziehung bedeuten!» Im speziellen Fali war das eine leise Pro­vokation, denn mein Bekannter hatte ge­rade mit einiger Verve den schweizeri!)chen Rechtsstaat gegen die «imperialistischen USA», also gegen die amerikanische Justiz­und Steuerbehõrden, ins Spiél zu bringen versucht.

Symptomatisch an diesem kleinen Schlagabtausch sind drei Dinge. Sie machen verstandlich, wodurch deni Freisinn die Orientierung und damit der einst heraus­ragende Platz in unserer Gesellschaft en t­glitten ist.

Erstens ist die politische Philosophie des Liberalismus niemals gegen eine staat­liche Ordnung gewesen, die das Gemein­wohl auch gegen machtige Privatinteressen durchsetzt. Liberalismus ist nicht gleich

· Libertarianismus. Zweitens ist der Frei­sinn niemals n ur dem Ideal der individuel­len Selbstbestimmung verpflichtet gewe­sen, sonderrt ebenso dem Gedanken repu­blikanischer Gemeinsinnigkeit. Und drit­tens sin d Liberale p er deftnitionem di e Freunde der Freiheit-und gerade darum sind sie zugleich Kritiker feudaler Privile­giensysteme. Von der Abschaffung der Adelstitel führt ein ziemlich direkter Weg zu einer - vernünftigen! - Erbschafts­steuer.

Die Replik meiner Kritiker auf das Ge­sàgte ist kiar: Was soll das heissen, von «vernünftig» zu reden? Ist «Vernunfu> nicht eine dieser leeren Kategorien, die Hayek als «Wieselworte»[•l, alS verführerische

Worthülsen gebrandmarkt hat, die vom richtigen Kurs und von den bewahrten Leitlinien abbringen? Von diesen Leitlinien, die etwa so lauten: J ede staatliche Regulie­rung ist tendenziell gefàhrlicher als jede Nicht-Regulierung. Denn der frei e Markt verfiigt über eine interne Rationalitat, die besser funktioniert als alle sonstigen An­strengungen, gesellschaftliche Vernunft­zu realisieren. Und deswegen ist zum Bei­spiel «Verteilungsgerechtigkeit>> nichts als ein linkerCodename für di e Missgunst der Schwachlinge und für den Neid der Zweit­rangigen; «Sklavenmoral», um es mit dem harten BegriffNietzsches zu sagen.

Entscheidungstrager wird im klassischen Kapitalismus ein Ergebnis als fair un d ge­recht empfunden, wenn es aus einem Pro­zess freiwilliger Interaktionen entstanden ist. Kontinentaler Kapitalismus hingegen ist viel mehr mit dem Ergebnis als mit dem Prozess beschaftigt. Begriffe wie <Óffent­liches Interesse>, <Soziale Gerechtigkeit> und andere hochtrabende Etiketten wer­den benutzt, um ein gewünschtes Resultat der Wtrtschaftstatigkeit zu rechtfertigen. Dabei spiegeln di ese Begriffe lediglich di e subjektiven Praferenzen d er politisch-wis­senschaftlichen Eliú�n.»

Und weiter: «Die politisch-wissen­schaftliche Elite ist sich im Klaren, dass

II das Verfolgert ihrer eigenen Ziele Kosten Neoliberale Irritation... verursacht. Sie glaubt, dass es das Konzept Fast ohne es zu wollen, b in ich schon wie- d er sozialen Gerechtigkeit wert sei. Eine der in die Auseinandersetzung mit mei- unbeantwortete Frage bleibt: Wenn Ein­nem Tischnachbar geraten, dertn dieser schrankungen d er Eigentumsrechte einen würde mit N achdruck jeden der eben ge- sozialen Gewinn darstellen, warum wer­ausserten Satze bejahen. Si e bilden d en dert dann solche Einschrankungen ni eh t in Kern «neoliberalem>lll Denkens. freien Markten ausgehandelt?»[4l

Hier muss ich ein langeres Zitat ein- J a, warum geschieht das nicht? Man schieben. Es starnmt aus der sei t drei Jahr- muss ziemlich naiv ( oder vom Glauben d er zehnten dominanten Theorie, die zum Unfehlbarkeit der eigenen Position über­grossen Teil für die Irritation des schwei- zeugt) sein, um die Antwort nicht sofort zerischen Freisinns verantwortlich ist. zu kennen. Es geschieht einfach deswegen

Svetozar Pejovich ist einer der Ptota- nicht, weil es «freie Markte» nirgendwo gibt gonisten d er Economics o f Property - und gar ni e geben kann. Rights, die in den Thatcher-Jahreri ein- Markte sind nie im Gleichgewicht. flussreich geworden ist. Pejovich ausseite Sie sin d von sozialen Interessen, Kraften

.. sich an vielen Stellen und mit Hingabe und Strukturen beeinflusst; vonungleichen gegen Staatseingriffe in den Markt. Er em- gesellschaftlichen Voraussetzunge�, wel­pfkhlt çler Schweiz, nich:t der lebensun- che di e einen beim Tausch ihrer Güter un d tüchtigen Missgeburt aus der Verbindung Dienstleistungen bevorzugen und die im­von Demokratie und Marktlogik zu ver- deren benachteiligen. Man braucht nicht 6.-auen, sondern dem angloamerikanischen. Marx zu lesen, um das zu begreifen. Wie Kapitalismus, der sich den Idealen des jede Macht ist au eh Marktmacht asymme­«klassischen Kapitalismus» viel weniget tiisch. So wenig wie irgendeine andere entfremdet ha be. N eoliberal interpretiert, menschliche Orgariisationsform ist der ist «kontinentaler Kapitalismus», der auf Markt ein reines, objektives Medium, das Deutsch einmal «soziale Marktwirtschaft>> uns vom Problem der gerechten Verteilung hiess, nichts anderes als verkappter Sozia- von Lebenschancen erlõsen kõnnte. lismus: Klassischen Liberalert Lll ist das von

«Es wird (von den politisch-wissen- jeher vertraut, und aus diesem Grund pla­schaftlichen Eliten der europaischen Staa- dieren sie zwar niemals für die Diktatur ten) argumentiert, dass eine gerechte Ge- einer Clique von wohlmeinenden Utopis­sellschaft dann existiere, wenn die Leute ten, aber für die zum Markt der Privat­inFriedenund Harmonie lebten. Mensch- eigentümer kompleinentaren Institutio­licher Geist sei dazu in der Lage, die fus- nen der Staatlichkeit und der demokrati­titutionen und Politikmassnahrnen zu ent� s eh en Politik. Auch diese Einrichtungen decken, die dafür notwendig sei en. (Doch) sin d ein unreines Medium. Aber durch si e det Unterschied zwischen dem kontinen- erhalten j ene lndividuen und Gruppen, die talen Kapitalismus und dem angloameri- sonst zu den systematischen Verlierern kanischen Kapitalismus ist ausschlagge- des reinen Marktsystems gehõren müssten, bend. Ausgehend von der Skepsis gegen- ihre eigenen Handlungschancen. über der (vernünftigen) Voraussicht und Weder das System der Politik noch dem (nicht egoistischen) Wohlwollen der jenes des Marktes sind also für sich allein

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dazu geeignet, das menschenmõgliche Optimum von Wohlfahrt und Selbstbe­stimmung zu produzieren. Hingegen ist es ihr Zusammenwirken auf dem Boden einer guten gesetzlichen Ordnung, welches die kollektive Entwicklung und Verwirklichung anerkennungswürdiger, breit abgestützter . und vernünftiger Lõsungen am ehesten zu erwarten erlaubt. Das ist eine der allerers­ten Annahmen des politischen Liberalis­mus, der gemass seiner eigenen DNA nie . un d nimmer staats- un d ebenso wenig de-

- mokratiefeindlich sein kann. Man mag irn

Übrigen daraus erkennen, weshalb die Werbefahne «Weniger Staat, mehr Frei­heit» n ur in Ausnahmesituationen zum li­beralen Ordnungsdenken passt.

III ... und verratene Volkspartei In einer funktionierenden Gesellschaft sind die Gebiete dés Ókonomischen, der demokratischen Politik und der adminis- · trativ-staatlichen Macht so stark ineinan­derverflochten, dass mit rabiat simplifi­zierenden Erklarungen und Schuldzuwei­sungen die Probleme nicht gelõst, sondern verscharft werden. Dafür liefert die gegen­wartige Schulden-, Banken- tind soziale

Krise das beste Beispiel. Betaubt von der Mentalitat des Pumpkapitalismus haben resdos alle versagt, Politiker nicht weniger als die Konsumenten, Bankmanager nicht weniger als die Marktaufsichtsbehõrden.

Es gehõrt zur liberalen Vernunft, diese Zusarnmenhange zu erkennen. Denn irn

Zentrum liberaler Überzeugung steht die Akzeptanz der menschlichen Vielfalt und des Konflikts der daraus entspringenden Tendenzen, ein systematischer Konflikt, den man nie friedlich lõsen, aber in lebens­dienliche Kompromisse und stets neu zu justierende Gieichgewichte übersetzen kann.

Doch genau diese Einsicht wurde irn schweizerischen Liberalismus der letzten drei Jahrzehnte vergessen und verraten: Nach dem Erfolg des Westens über den Sowjetkommunismus vergass man auch bei uns, dass das Bemühen um Ausgleich zwischen Arm und Reich sowie di e soziale Integration der grossen Bevõlkerungs­mehrheit der beste Trumpf irn Kampf zwischen West und Ost gewesen war. Statt d en Sozialstaat entschieden zu bejahen un d durch fãllige Reformen zu verteidigen, wurde er, als leider oovermeidliche Kon­zession an die Linke, nur widerwillig an-

genommen. Umso begeisterter empfahl man dagegen di e Entfesselung des irn Kal­ten Krieg gezahmten Kapitalismus. ·

Verdrangt wurde dabei: Der Freisinn konnte n ur darum die Grosspartei werden, die den Bundesstaat triigt, weil er eine be­merkenswerte Kombination von bürger­licher Eliteformation un d Volkspartei ge­wesen war.

Wer das nicht wahrhaben will, mag sich durch die Geschichtsforschung und vol­ler Lesevergnügen durch das wunderbare B u eh Gordon Craigs-«Geld un d Geist. Zürich im Zeitalter des Liberalisrrius, I83o-1896»-belehren lassen. Der Frei­sinu, der seinem Namen treu war, war sich namlich irnmer der Tatsache bewusst, dass ins historische Gedachtnis der schweize­rischen politischen Kultur sei t J ahrhunder­ten die Idee des Volksstaates eingeschrie­ben ist: «Dabei ist an ein Staatswesen zu denken, das von den Bürgern als etwas Eigenes erlebt wird, weil es in si eh die in­dividuellen Willen zu einem Gesamtwil.:. len vereinigt. Es ist damit der genossen­schaftliche und republikanische Giund­gedanke anvisiert, wie er in der altschwei­zerischen Demokratie <WUtzeltief> (Edgar Bonjour) gründet, in der offlziellen Staats-

Anlag� und Vorsorge. l Cl Swisscanto

bezeiChnung <Schweizerische Eidgenos- überbrückbarer Graben aufgetan hat zwi­senschafu bis heute fortlebt und auch in- schen der Staatsführung und der Wtrt­haltlich die Bundesverfassung in markan- · schaftsführung; er ware für den Kleinstaat tet Weise gepriigt hat.» (Daniel Thürer [61) lebensgefáhrlich. Wtr nehmen auch gerade

Die · Schweizer Liberalen waren vor bei den Leitern der wirtschaftlichen Ver­den Achtzigerjahren niemals die Verach- hande jene allgemeine staatsbürgerliche tet des õffentlichen Wohls und seiner Or- Verantwortungwahr, welche darum weiss, gane gewesen. Als freisinnige Republika- das s es politische Verluste der Nation gibt, ner zweifelten sie niéht am Wert (und an die durch keinen wirtschaftlichen Gewinn den Fiskalkosten) kommunitaristisch-de- aufgewogen werden kõnnen.» [7] mokratischer Integrationsformen- von der Bürgerarmee über das zivile Milizsys­tem bis zum informellen Stil, der die Wohl­habenden daran hinderte, durch ostenta­tiven Konsum zu prunken. Als Zeuge sol­cher «citoyenneté» dürfen gewiss Gottfried Kellers «Fiihnlein der sieben Aufrechtem> gelten und, aus jüngerer Zeit, die Schriften des in den N achkriegsjahren prominenten Zürcher ETH-Professors Karl Schmid.

Der Verrat an den Idealen klassisch freisinniger Gemeinwohlorientierung ware für Karl Schmid undenkbar gewesen. Ein Verrát, der sich darin aussert, alles Tun der Politik prinzipiell zu denunzieren; als gesteuert von selbstsüchtigenAngehõrigen der «Classe politique».

So n<;>tiert Karl Schmid 1964 als Trumpf der Schweiz, «dass sich bei uns kein un-

SIMPLY CLEVER

IV Die neue Konstellation Die Kongruenz zwischen politischem und wirtschafdichem . Handlungsraum, die Karl Schrnid vor fünfzig Jahren ganz selbstverstandlich voraussetzen durfte, ist zerbrüchen. Das ist eine der wichtigsten Ursachen für den Abstieg der FDP seit dem Aufkommen dessen, was pauschal «Globalisierung> genannt wird. Mit der Globalisierung werden die Interessen der wirtschaftlichen Eliten im Hinblick auf den heimischen «Standort>> nicht niehr vom Sinn für das Gemeinwohl des Landes be­s timmt, sondern sind aufVorteile irn welt­weiten Wettbewerb um mõglichst tiefe Steuern und di e geringsten Regulierungs­eingriffe gerichtet.

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Wie sehr die neue Konstellation die alte Nahe zwischen Wtrtschaft und Politik be­eintrachtigt, die für den Erfolg des Frei­sinns von hõchster Bedeutung war, kann man sich alltagskultílrell vergegenwiirtigen. W er sich heute in den globalen Miirkten . behaupten will, muss eher Shanghai als Schwamendingen kennen.

Es sind die grossen soziokulturellen Veranderungen der letzten dreissigJahre, die plausibel machen, warum all dies, was den Freisinn auf der personellen Ebene lange stark sein liess, so schnell dünn un d brüchigwurde. Es ist das Ergebnis sozio­logisch beschreibbarer, das heisst: alles an­dere als zufálliger Vorgange, welche das enge, von der informellen FDP beherrschte Beziehungsnetz der verschiedenen Funk­tionstriiger (in det Wtrtschaft, der õffent­lichen Adrninistration, der Politik, dem Militar) locker gemacht, ja zerrissen hat. Dadurch wurden aus den Gewahrsleuten �taatsbürgerlichen Engagements parla­mentarische Funktionare oder gewiihlte Lobbyisten der Renditenoptlmierung, da­durch Wu.rde die eingesessene Unterneh­merschaft in di e Managersõldner der mo­dernen Klasse verwandelt, und dadurch schrumpfte die Víelfalt des intellektuellen

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liberalen Kapitals zur kaurn varüerbaren marktradikalen Obligation sozialstaats­feindlicher Service-public-Verachter.

Übertreibungen? Gewiss. Ein Mangel ist aber unverkennbar:

Der Diskurs darüber, was der schweizeri­sche Liberalismus heute leisten soll und was ni eh t, scheint niemanden m,ehr zu in­teressieren. Gewiss, es gibt das «Liberale Institut». Lange Jahre war ich &ogar Mit­glied. Aber sei t man si eh dort einseitig der wirtschaftsliberalen und staatskritisch-anti­zentralistischen Lehre verschrieben hat, sind Leute wie ich (oder Daniel T hürer)

. überflüssig geworden. Damit man mich richtig versteht: Zurn

gemischten Chor liberaler Philosophien gehõren staatskritische, sogar individual­anarchistische Stimmeh durchaus dazu; schrill klingt die Sache·aber, wenn diese solo spielen.

v Ursachen der Dekadenz Die neue gesellschaftliche Konstellation, die mit dem Ende des kalten Kriegs ent-, standen ist und de.r alten, vielgéstaltigen Identitat des Freisinns zuwiderlauft, ent­halt manche Faktoren.

Aus d er Nahe betrachtet, ist es natürlich d er ger politisierten Zivilisationsskeptikern Aufstieg der SVP ( oder besser: der Blocher- begegnen, welche die allgemeine Beschleu­Partei), der die entscheidende Rolle spielt; • nigung der Lebensverhaltnisse bremsen doch von etwas weiter het gesehen sind es mõchten. Sie alie fmden Programme und vor aliem soziologische Verschiebungen, Andockplatze, die überali leichter zu ent­die den Erfolg der einen und den Abstieg decken sind als in einer liberalen, auf An­der anderen bewirkt haben. passung an die Sachzwange der Gegen-

Die Krafte der Globalisierung sorgen wart drangenden Partei. Kurz: Es herr­überali in den Landern d er europaischen schen Zeiten, di e es einer zukunftsoffenen Sozialstaatsdemokratien für Spaltungen und reformbereiten politischen Bewegung und für formierbare Bevõlkerungsgruppen, au eh dann nicht lei eh t machen würden, die in simple Links-Rechts- oder Partizi- wenn sie mutiger, selbstsicherer und we­pations- beziehungsweise Abstinenzraster niger einseitig auf di e Kliente! der Besser­nicht mehr einzufügen sind: Es gibt die verdiener eingestellt ware, als es unsere offensichtlichen Etatisten, die sich fàlligen jetzige, altlich gewordene FDP ist . ( zum Beispiel demografieabhangigen) Re-formen verweigern. Es gibt die politikver- V1 drossenen Partisanen des persõnlichen In die Mitte der Zukunft Vorteils ( sie gehõren meist zur Partei der Deshalb sollte der Verfali des schweizeri­Abstinenz, sind aber in der massenmedia- schen Parteiliberalismus eigentlich nie­len Direktdemokratie durch geschicktes manden überraschén. Eine Volkspartei von Politmarketing von Fali zu Fali sehr gut zu jener Bedeutung, die sie einmal besass, wird mobilisieren). Es sammeln sich die über- die FDP nicht mehr werden. Doch nur forderten Nationalkonservativen, die einem zur Interessenvertreterin des oberen Mit­untauglich gewordenen Sonderfalistatus telstandes und der SMI-Firmen regredie­nationalistisch nachtrauern. Man trifft die ren, darf sie ebenso wenig. Das würde der ressentimentgeladenenAngehõrigen eines · Schweiz noch mehr als ihr selber schaden. Mittelstarides, dessen Spielraurne eng ge- Ein solcher Rückzug ist übrigens gar worden sind. Man kann mehr oder weni- nicht nõtig. Die PatlamentsV.r�en vom

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Herbst zon haben demonstriert, dass das Land eine starke Mitte will; eine Mitte, die das verwirklicht, was der schweizerische Liberalismus zu seinen besten Zeiten war und dank seiner farbigen Gestalt liefern konnte: eine praktische Vernunft, die es versteht, die Handlungsfreiheit des Indi­viduums in Einklang zu bringen mit dem Sinn für die Forderungen des Gemein­

Endnoten [r]-Vgl. H. Holzhey, G. Kohler (Hg.), «Eigentum und seine Gründe», ein philosophischer Beitrag aus Anlass der schweizerischen Verfassungsdiskussion, Bern/Stuttgart 1983

[z]-Vgl. Friedrich August von Hayek, «Wissenschaft und Sozialismus» («Gesanuhelte Schriften>> Bd. 7), Tübingen 2004, S.6r ff.

wohls. Und die Bereitschaft zur fàlligen [3]-«Neoliberalismus» ist ein mehrsinniger Erneuerung der bundespolitischen Struk _ und umstrittener Ausdruck. Man darf sagen,

dass er inzwischen zwei verschiedene Bedeutun­turen im Hinblick auf di e aktuellen Bedin- gen besitzt. Wahrend d er Begrif{ursprüng-gungen der internationalen U mwelt - li eh in Abgtenzung gegen d en marktradikalen angefangen bei der Tatsache, dass es, trotz Laissez-faire-Liberalismus des r9. Jahrhunderts aliem, eine fu.Üktionsfãhige EU gibt und eingeführt worden ist, erhielt er nach r98o eine

weiterhin geben wird, über den notwen- polemische Pointierung, die von Gegnern wie von Befürwortern inarktfimdamentalistischer ·

digen Abschied alier lliusionen, die den Positionen bewusst als rhetorisches Mittel Finanzplatz betreffen, bis zur Einsi�ht, eingesetzt wurde. Die herausragende Figur der dass die «Grünliberalen>> wohl niéht ganz zweiten Phase des Neoliberálismus ist der zufàllig so viel Zuspruch erhalten haben. Monetarist Milton Friedman; Als publizistischer

Und vielleicht ist dies auch der Umriss eines Leader der gegenüber dem Staat und (fast) jeder Form sozialstaatlicher Politik misstrauisch

Konzepts, dem wieder jene glaubwürdigen gesinnten Chicago School wurde er zur bewun­Führungsgestalten erwachsen kõnnen, die · derten und zur verhassten Leitgestalt des Neo­Politik nicht um der Karriere willen, son- · liberalismus in seiner jüngsten Bedeutung. Auf

dern aus Leidenschaft für die õffentliche diese beziehe ich mich im Folgenden.

Sache betreiben. • [4]-Svetozar Pejovich: «Der Kapitalismus ist ein <Way of life»>,.in «Lust und Last des Liberalismus. Philosophischç:und õkonomische Perspektiven>> (hg. vori G. S�hwarz und U. J. Wenzel), Zürich 2()06, S.r46 f.

[5]-Vgl. etwa J ohn Stuart Mill: «Ün Liberty», r859

[ 6]-Vgl. Daniel Thürer: «Die drei traditionellen <Welten> d er Bundesverfassung-Aufbruch zu einer vierten <Welt>?», in: H. Holzhey, G. Kohler (Hg.), Verrechtlichung und Verantwortung Überlegungen aus Anlass der Parole .«Weniger Staat, mehr Freiheit>>, Bern/Stuttgart 1987, 224 Seiten

[7]-Vgl. Kari Schmid: «Gedanken über · unseren Kleinstaat>>, in: ders., Werke Iv, Zürich 1998, 292 Seiten

GEORG KOHLER ist emeritierter Professor für politische Philosophie der Universitãt Zürich. redaktion@dasmag�zin.ch

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