Deutschlands Service-Wüste blüht auf

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11 / 2011 | TOP HOTEL 77 Top hotel: Herr Weiss, gerade in Hotels der gehobenen Klasse erwartet man perfekten Service. Wie sieht die Wirklichkeit Ihrer Erfahrung nach aus? Maik Weiss: Ich bin immer wieder erstaunt, welche Fortschritte hier in den vergangenen Jahren gemacht wurden. Es gibt mittlerweile sehr viele »Service-Oasen« in Deutschland. Wir sind auf dem Weg in die rich- tige Richtung. Allerdings erwarte ich gerade in der Fünf-Sterne-Hotel- lerie, dass das Gesamtpaket stimmt und mir darüber hinaus auch Wün- sche von den Augen abgelesen werden. Ich mache aber leider immer wieder die Erfahrung, dass bei vielen gehobenen Hotels das Gesamtpa- ket einfach nicht stimmt. Die Betriebe agieren zu wenig nachhaltig, man macht sich zu wenig Gedanken über Folgebuchungen. Das »zarte Pflänz- chen« Kunde wird nicht genügend gepflegt. Das fängt schon damit an, dass es Angestellte gibt, die es nicht für nötig halten zu lächeln oder freundlich zu grüßen, wenn man ihnen auf dem Hotelflur begegnet. Das ist eine Charakterschwäche, die in Fünf-Sterne-Hotels nichts zu suchen hat. Tophotel: Wo sehen Sie den deutschen Service im Vergleich zu anderen Ländern? Weiss: Der Deutsche an sich dient nicht so gern. Es hat vielleicht et- was damit zu tun, dass er sich minderwertig fühlt, wenn er anderen dient. Auf der anderen Seite lässt man sich in unserem Land auch nicht so gern bedienen. Ich glaube, wir sind in Deutschland auf einem ganz guten Weg, den Führenden in puncto Service etwas näher zu rücken. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns nun ausruhen dürfen – ganz im Gegenteil. Tophotel: Waren eigene Negativ-Erlebnisse in Hotels der Grund dafür, Ihr Service-Angebot auf Seminare in Hotels zu erweitern? Weiss: Ja, so ist es leider. Nicht nur durch eigene Vor-Ort-Erfahrungen, sondern auch durch Kundenfeedbacks und Erkenntnisse aus Telefon- gesprächen oder E-Mails ist die Idee entstanden. Für mich ist ein Ho- tel – unabhängig von der Kategorisierung – der Inbegriff von Service. Nicht nur die Hardware müssen deshalb stimmen, auch die weichen Faktoren wie Freundlichkeit oder Problemlösungswille der Angestell- ten. Da diese Selbstverständlichkeiten immer wieder zu wünschen übrig lassen, war dies der Grund, auch auf Hotels zuzugehen und unser »Service macht glücklich«-Seminar anzubieten. Ich komme nicht aus der Hotellerie und habe somit keine Betriebsblindheit. Oftmals ist das eine große Hilfe für meine Kunden. Tophotel: Wie sieht der Ablauf eines Seminars im Hotel aus? Weiss: Das Seminar beginnt nicht erst im Hotel, sondern bereits vor- her mit einigen »Mystery Checks«. Diese Erfahrungen fließen neben den allgemeingültigen – und nicht nur auf die Hotellerie anwendbaren – Deutschlands Service-Wüste blüht auf Seit 2004 nimmt sich die Firma Agent CS den persönlichen Belangen von Top-Verdienern an – und schenkt diesen damit Zeit. Sein Service-Know-how vermittelt Geschäftsführer Maik Weiss in Seminaren auch an Hotels. Im Interview mit Tophotel spricht er über die Service- Qualität in Deutschland und erzählt von »Abgründen«, die er selbst erleben musste »Zwölf Bausteinen für exzellenten Service« in das Seminar ein. Die Ser- vice-Bausteine sind der integrale Bestandteil eines Praxis-Seminars. Wir nennen sie auch die »Service macht glücklich«-Bausteine, die das Fun- dament für unternehmerischen Erfolg bilden. Sie heißen zum Beispiel Nachhaltigkeit, Charakter, Reflexion, Wissen und vor allem: Kommuni- kation mit all ihren Facetten. Einen einheitlichen, immer demselben Muster folgenden Ablauf eines Seminars gibt es nicht. Aus zwei Grün- den: Erstens gehe ich immer auf die Anforderungen und Wünsche des Kunden ein, zweitens leben meine Seminare von der Kritik des Kunden und meiner Selbstkritik. Ich ändere also ständig den Seminarinhalt. Tophotel: Aus Ihrer eigenen Erfahrung: Mit welchen »Service- Abgründen« werden Sie während der Seminare konfrontiert? Weiss: Ich habe erst kürzlich in Dresden in einem Fünf-Sterne-Hotel eine total unwissende und unmotivierte Front-Desk-Mitarbeiterin erlebt. In Weimar »schlich« eine ältere Dame, nicht als Servicepersonal erkennbar, durchs Restaurant und füllte mimisch ohne Regung das Buf- fet auf. In Hamburg musste ich im Vorfeld meiner Zimmerreservierung in einem Vier-Sterne-Hotel trotz Nachfragen mehrere Tage auf meine Reservierungsbestätigung warten. Doch was mich immer wieder über- rascht, sind jene Hotelangestellte, die sich in ihrem Bereich weder durch Wissen noch durch Freundlichkeit, geschweige denn Engagement her- vortun, in meinem Seminar nicht mitarbeiten und mir hinterher das Feedback geben, dass der Seminarinhalt für sie nichts Neues gewesen sei. Ich kann nicht akzeptieren, wenn total beratungsresistent und de- struktiv gesagt wird »das betrifft mich nicht«. Das halte ich für den eigentlichen Service-Skandal: Die Unfähigkeit des Personals, Kritik ent- gegenzunehmen, zu verarbeiten und es besser zu machen – das ist tat- sächlich ein Service-Abgrund. Maik Weiss

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Interview mit dem Service-Experten Maik Weiss von Agent CS

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Page 1: Deutschlands Service-Wüste blüht auf

11 /2011 | TOP HOTEL 77

Top hotel: Herr Weiss, gerade in Hotels der gehobenen Klasse

erwartet man perfekten Service. Wie sieht die Wirklichkeit Ihrer

Erfahrung nach aus?

Maik Weiss: Ich bin immer wieder erstaunt, welche Fortschritte hier

in den vergangenen Jahren gemacht wurden. Es gibt mittlerweile sehr

viele »Service-Oasen« in Deutschland. Wir sind auf dem Weg in die rich-

tige Richtung. Allerdings erwarte ich gerade in der Fünf-Sterne-Hotel-

lerie, dass das Gesamtpaket stimmt und mir darüber hinaus auch Wün-

sche von den Augen abgelesen werden. Ich mache aber leider immer

wieder die Erfahrung, dass bei vielen gehobenen Hotels das Gesamtpa-

ket einfach nicht stimmt. Die Betriebe agieren zu wenig nachhaltig, man

macht sich zu wenig Gedanken über Folgebuchungen. Das »zarte Pflänz-

chen« Kunde wird nicht genügend gepflegt. Das fängt schon damit an,

dass es Angestellte gibt, die es nicht für nötig halten zu lächeln oder

freundlich zu grüßen, wenn man ihnen auf dem Hotelflur begegnet.

Das ist eine Charakterschwäche, die in Fünf-Sterne-Hotels nichts zu

suchen hat.

Top hotel: Wo sehen Sie den deutschen Service im Vergleich zu

anderen Ländern?

Weiss: Der Deutsche an sich dient nicht so gern. Es hat vielleicht et-

was damit zu tun, dass er sich minderwertig fühlt, wenn er anderen

dient. Auf der anderen Seite lässt man sich in unserem Land auch nicht

so gern bedienen. Ich glaube, wir sind in Deutschland auf einem ganz

guten Weg, den Führenden in puncto Service etwas näher zu rücken.

Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns nun ausruhen dürfen – ganz

im Gegenteil.

Top hotel: Waren eigene Negativ-Erlebnisse in Hotels der Grund

dafür, Ihr Service-Angebot auf Seminare in Hotels zu erweitern?

Weiss: Ja, so ist es leider. Nicht nur durch eigene Vor-Ort-Erfahrungen,

sondern auch durch Kundenfeedbacks und Erkenntnisse aus Telefon-

gesprächen oder E-Mails ist die Idee entstanden. Für mich ist ein Ho-

tel – unabhängig von der Kategorisierung – der Inbegriff von Service.

Nicht nur die Hardware müssen deshalb stimmen, auch die weichen

Faktoren wie Freundlichkeit oder Problemlösungswille der Angestell-

ten. Da diese Selbstverständlichkeiten immer wieder zu wünschen

übrig lassen, war dies der Grund, auch auf Hotels zuzugehen und unser

»Service macht glücklich«-Seminar anzubieten. Ich komme nicht aus

der Hotellerie und habe somit keine Betriebsblindheit. Oftmals ist das

eine große Hilfe für meine Kunden.

Top hotel: Wie sieht der Ablauf eines Seminars im Hotel aus?

Weiss: Das Seminar beginnt nicht erst im Hotel, sondern bereits vor-

her mit einigen »Mystery Checks«. Diese Erfahrungen fließen neben den

allgemeingültigen – und nicht nur auf die Hotellerie anwendbaren –

Deutschlands Service-Wüste blüht aufSeit 2004 nimmt sich die Firma Agent CS den persönlichen Belangen von Top-Verdienern an– und schenkt diesen damit Zeit. Sein Service-Know-how vermittelt Geschäftsführer MaikWeiss in Seminaren auch an Hotels. Im Interview mit Tophotel spricht er über die Service-Qualität in Deutschland und erzählt von »Abgründen«, die er selbst erleben musste

»Zwölf Bausteinen für exzellenten Service« in das Seminar ein. Die Ser-

vice-Bausteine sind der integrale Bestandteil eines Praxis-Seminars. Wir

nennen sie auch die »Service macht glücklich«-Bausteine, die das Fun-

dament für unternehmerischen Erfolg bilden. Sie heißen zum Beispiel

Nachhaltigkeit, Charakter, Reflexion, Wissen und vor allem: Kommuni-

kation mit all ihren Facetten. Einen einheitlichen, immer demselben

Muster folgenden Ablauf eines Seminars gibt es nicht. Aus zwei Grün-

den: Erstens gehe ich immer auf die Anforderungen und Wünsche des

Kunden ein, zweitens leben meine Seminare von der Kritik des Kunden

und meiner Selbstkritik. Ich ändere also ständig den Seminarinhalt.

Top hotel: Aus Ihrer eigenen Erfahrung: Mit welchen »Service-

Abgründen« werden Sie während der Seminare konfrontiert?

Weiss: Ich habe erst kürzlich in Dresden in einem Fünf-Sterne-Hotel

eine total unwissende und unmotivierte Front-Desk-Mitarbeiterin

erlebt. In Weimar »schlich« eine ältere Dame, nicht als Servicepersonal

erkennbar, durchs Restaurant und füllte mimisch ohne Regung das Buf-

fet auf. In Hamburg musste ich im Vorfeld meiner Zimmerreservierung

in einem Vier-Sterne-Hotel trotz Nachfragen mehrere Tage auf meine

Reservierungsbestätigung warten. Doch was mich immer wieder über-

rascht, sind jene Hotelangestellte, die sich in ihrem Bereich weder durch

Wissen noch durch Freundlichkeit, geschweige denn Engagement her-

vortun, in meinem Seminar nicht mitarbeiten und mir hinterher das

Feedback geben, dass der Seminarinhalt für sie nichts Neues gewesen

sei. Ich kann nicht akzeptieren, wenn total beratungsresistent und de-

struktiv gesagt wird »das betrifft mich nicht«. Das halte ich für den

eigentlichen Service-Skandal: Die Unfähigkeit des Personals, Kritik ent-

gegenzunehmen, zu verarbeiten und es besser zu machen – das ist tat-

sächlich ein Service-Abgrund.

Maik Weiss