DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304...

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n AKZENTE E. Schäfer/U. Schellenberg Anwaltliche Expertise ist unverzichtbar! n AUFSÄTZE A. Siegmund Reform der Anwaltsgerichtsbarkeit in Verwaltungssachen – zu welchem Zweck? S. Ruge Neue Hinweispflichten auf die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft Chr. Kirchberg Das Ende der Ära Gaier beim Bundesverfassungs- gericht n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG AGH Berlin Aufhebung der einstweiligen Anordnungen gegen besonderes elektronisches Anwaltspostfach OLG Karlsruhe Outplacement-Beratung durch einen Rechtsanwalt BRAK MIT TEILUNGEN DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln RA JR Heinz Weil, Paris www.brak-mitteilungen.de PVST 7997 Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist gestartet!

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n AKZENTEE. Schäfer/U. SchellenbergAnwaltliche Expertise ist unverzichtbar!

n AUFSÄTZEA. SiegmundReform der Anwaltsgerichtsbarkeit inVerwaltungssachen – zu welchem Zweck?S. RugeNeue Hinweispflichten auf die Schlichtungsstelleder RechtsanwaltschaftChr. KirchbergDas Ende der Ära Gaier beim Bundesverfassungs-gericht

n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGAGH BerlinAufhebung der einstweiligen Anordnungen gegenbesonderes elektronisches AnwaltspostfachOLG KarlsruheOutplacement-Beratung durch einen Rechtsanwalt

BRAKMITTEILUNGEN

DEZEMBER 2016

47. JAHRGANG

6/2016S. 265–304

BEIRATRA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, VorsitzenderProf. Dr. Matthias Kilian, KölnRA JR Heinz Weil, Paris

www.brak-mitteilungen.de

PVST 7997

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INHALT

AKZENTE

E. Schäfer/U. SchellenbergAnwaltliche Expertise ist unverzichtbar! 265

PRO & CONTRA

Chr. Sandkühler/V. GallandiBrauchen Anwälte elektronischen Rechtsverkehr mit dem beA? 266

AUFSÄTZE

A. SiegmundReform der Anwaltsgerichtsbarkeit in Verwaltungssachen – zu welchem Zweck? 267

S. RugeNeue Hinweispflichten auf die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft 271

Chr. KirchbergDas Ende der Ära Gaier beim Bundesverfassungsgericht 275

A. Jungk/B. Chab/H. GramsPflichten und Haftung des Anwalts – Eine Rechtsprechungsübersicht 277

AUS DER ARBEIT DER BRAK

T. NitschkeDie BRAK in Berlin 281

H. Petersen/D. Göcke/K. GrünewaldDie BRAK in Brüssel 284

V. Horrer/K.-L. Ting-Winarto/K. TrierweilerDie BRAK International 285

AMTLICHE BEKANNTMACHUNGEN

Hinweis zur Amtlichen Bekanntmachung des beA-Starttermins in BRAK-Mitt. 2016, 130 286

Sitzung der Satzungsversammlung 286

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

Detaillierte Übersicht der Rechtsprechung auf der nächsten Seite IV

INHALT | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

III

Alle Entscheidungen und Aufsätze in unserer Datenbankwww.brak-mitteilungen.de

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BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTENAGH Berlin 25.11.2016 II AGH 15/15 Aufhebung der einstweiligen Anordnungen gegen besonderes

elektronisches Anwaltspostfach 287AGH Berlin 28.9.2016 I AGH 17/15 Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs 290AGH Mecklenburg-Vorpommern

27.1.2016 1 AGH 5/15 Beleidigender „Fahndungsaufruf“ auf Facebook (LS) 293

AGH Nordrhein-Westfalen

8.1.2016 2 AGH 18/15 Keine Beleidigung bei geschmackloser Äußerung 293

AnwG Frankfurtam Main

7.10.2016 IV AG 68/15 Reichweite einer Auskunftsverpflichtung (LS) 296

OLG Karlsruhe 13.5.2016 9 U 19/15 Zulässige Outplacement-Beratung durch einen Rechtsanwalt 297

FACHANWALTSCHAFTENBGH 27.4.2016 AnwZ (Brfg) 3/16 Berücksichtigung von Fällen in der Rechtsmittelinstanz 299

VERGÜTUNGBGH 31.3.2016 I ZR 88/15 Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur (LS) 301LG Chemnitz 23.2.2016 2 Qs 159/15 Vergütungsbemessung bei Verkehrsordnungswidrigkeiten (LS) 301

SONSTIGESBFH 17.8.2016 VII B 59/16 Vermutung des Vermögensverfalls bei englischem Insolvenz-

verfahren (LS) 301VG Hannover 26.7.2016 2 B 3650/16 Tätigkeitsverbot für pensionierten Richter 301

IMPRESSUM

BRAK-MITTEILUNGEN UND BRAK-MAGAZIN Zeitschrift für anwaltliches Berufsrecht

HERAUSGEBER Bundesrechtsanwaltskammer, Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. (0 30)284939-0, Telefax (0 30)284939-11, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.

REDAKTION Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (Schriftleitung), Rechts-anwalt Christian Dahns, Frauke Karlstedt (sachbearbeitend).

VERLAG Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln(Bayenthal), Tel. (0221) 9 3738-01; Telefax (0221)9 3738-921, E-Mail [email protected].

KONTEN Sparkasse KölnBonn (DE 87 3705 0198 0030 6021 55); Postgiroamt Köln(DE 40 3701 0050 0053 9505 08).

ERSCHEINUNGSWEISE Zweimonatlich: Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember.

BEZUGSPREISE Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mitteilungen im Rahmen des Mitgliedsbeitrages ohne Erhebung einer besonderenBezugsgebühr zugestellt. Jahresabonnement 109 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft21,80 € (zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54%(Steuersatz 7%) enthalten. Kündigungstermin für das Abonnement 6 Wochen vorJahresschluss.

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Gültig ist Preisliste Nr. 31 vom 1.1.2016

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 166.400 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK Schaffrath, Geldern. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER- UND VERLAGSRECHTE Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sindurheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in frem-de Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh-migung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverar-beitungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für dieveröffentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von derSchriftleitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eige-nen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzel-kopien hergestellt werden.

IVW-Druckauflage 3. Quartal 2016: 166.220 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | INHALT

IV

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BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AKTUELLE HINWEISE

VI

HÜLFSKASSE DEUTSCHER RECHTSANWÄLTE:

Weihnachtsspendenaktion 2016für bedürftige Kolleginnen und Kollegen

Hamburg, Oktober 2016

Die „Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte“ ruft auch in diesem Jahr zu Spenden zugunsten von bedürftigenRechtsanwältinnen, Rechtsanwälten sowie für deren Familien und Hinterbliebene auf.

Im Jahr 2015 erhielt die Hülfskasse aufgrund der großen Spendenbereitschaft bundesweit einen Gesamt-betrag in Höhe von knapp 210.000 Euro – damit wurde rund 200 Bedürftigen geholfen. Im Namen der Un-terstützten dankt der Vorstandsvorsitzende der Hülfskasse, Herr Rechtsanwalt Bernd-Ludwig Holle, allenFörderinnen und Förderern sehr herzlich für ihre Solidarität.

Es ist jetzt noch einfacher zu helfen: über das Online-Formular auf der Webseite www.huelfskasse.de kannman unkompliziert spenden. Auch kleine Beträge sind willkommen.

Außerdem bittet der Vorstandsvorsitzende darum, in Frage kommende Personen auf die Hülfskasse auf-merksam zu machen. Die Hülfskasse unterstützt in Notsituationen, die z.B. durch Alter oder Krankheit ent-standen sind.

Übrigens gibt es die Hülfskasse schon seit 1885. Das bedeutet mehr als 130 Jahre Hilfsbereitschaft unterKollegen!

Spendenkonto:

Deutsche Bank HamburgIBAN: DE45 2007 00000030 9906 00BIC: DEUT DEHHXXX

Die Spenden an die Hülfskasse sind steuerabzugsfähig.

Kontakt:Kleine Johannisstraße 620457 HamburgTel.: (040) 365079Fax: (040) 3746 [email protected]: http://www.facebook.com/huelfskasse

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WEIHNACHTSSPENDENAKTION 2016

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AKZENTEANWALTLICHE EXPERTISE IST UNVERZICHTBAR!

Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte arbei-ten unmittelbar dort,wo sich gesellschaft-liche Konflikte abspie-len. Sie sind erfahrenim Krisenmanagement,sei es gerichtlich oderaußergerichtlich. Undsie wissen aus täglicherPraxis, an welchen Stel-len es bei der Anwen-dung des geltenden Rechts klemmt.

Dieser vielfältige Erfahrungsschatz findet indes keinenEingang in die Entscheidungen des höchsten deutschenGerichts. Denn unter den Richterinnen und Richterndes Bundesverfassungsgerichts ist derzeit niemand,die oder der zuvor anwaltlich tätig war. Jeweils dreiRichterinnen und Richter eines Senats kommen, sosieht es das Gesetz vor, von den obersten Gerichts-höfen des Bundes. Die „anderen Mitglieder“ des Senatsmüssen Volljuristen sein – mehr verlangen Art. 94 II 1GG und §§ 2, 3 BVerfGG nicht, und diese Hürde neh-men Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowieso.

Faktisch schaffen aber fast ausschließlich Hochschul-professorinnen und -professoren, meist mit Schwer-punkt im Staatsrecht, den Sprung ans höchste Gericht.Selten wird einmal ein Politiker berufen, ebenso seltenein zugelassener Rechtsanwalt. Insgesamt wurdenüberhaupt erst drei praktizierende Rechtsanwälte zuRichtern des Bundesverfassungsgerichts ernannt. Derletzte von ihnen amtierte bis zum Jahr 2005. Dabeihatte die Anwaltschaft etwa bei den letzten Wahlenfür die Nachfolge von Udo di Fabio und Gertrud Lübbe-Wolf in den Jahren 2011 und 2014 erstklassige an-waltliche Kandidatinnen platziert, an deren fachlicherwie persönlicher Eignung keinerlei Zweifel bestand;das war auch vom Wahlausschuss signalisiert worden.Berufen wurden sie trotzdem nicht, den Vorzug erhiel-ten damals ein Politiker und eine Staatsrechtsprofesso-rin. Bis heute blieb es dabei, dass die größte juristischeBerufsgruppe auf der Richterbank des Bundesverfas-sungsgerichts nicht vertreten ist.

Das bedeutet nicht etwa, dass das Bundesverfassungs-gericht deshalb schlecht arbeiten würde. Das spezifi-sche praktische Know-how von Rechtsanwältinnen undRechtsanwälten wäre aber eine wesentliche Bereiche-

rung für die Arbeit desGerichts. Denn nur siekennen den Rechtsall-tag wirklich – also diezahlreichen größerenund kleineren Konflikte,die in vielen Fällen ge-rade nicht vor Gerichtlanden. Und sie habendurch ihre MandantenEinblick in die wirt-schaftlichen und finan-

ziellen Zusammenhänge, die hinter Streitigkeiten ste-hen. Diese Berufs- und Lebenserfahrung sollte – nebender praktischen richterlichen Erfahrung aus den obers-ten Bundesgerichten und der rechtswissenschaftlichenExpertise aus den Hochschulen – in die verfassungs-rechtliche Entscheidungsfindung einfließen. Die Landes-verfassungsgerichte profitieren ganz selbstverständlichvon diesem Erfahrungsschatz: Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte finden sich dort auf der Richterbankund zum Teil sogar in den Präsidien. Und in manchenStaaten ist anwaltliche Praxis sogar zwingende Voraus-setzung, um ans Verfassungsgericht berufen zu wer-den. Höchste Zeit, dass das Bundesverfassungsgerichtnachzieht.

Die Bundesrechtsanwaltskammer und der DeutscheAnwaltverein möchten deshalb gesetzlich verankertwissen, dass jedem der beiden Senate des Bundesver-fassungsgerichts mindestens eine Rechtsanwältin oderein Rechtsanwalt angehört. Einer Änderung des Grund-gesetzes bedarf es hierfür nicht. Es genügt, in § 2 IIIBVerfGG eine Ergänzung vorzunehmen: Neben derMindestzahl von drei Bundesrichtern müsste dort auchdas Mindestquorum von einem zugelassenen Rechts-anwalt für jeden der beiden Senate festgeschriebenwerden. Einen konkreten Formulierungsvorschlag habenBRAK und DAV bei einer gemeinsamen PressekonferenzAnfang November vorgestellt (vgl. PE Nr. 14 v. 2.11.2016). Der Gesetzgeber müsste also nur noch zugrei-fen. Die nächste Nachbesetzung am Bundesverfas-sungsgericht steht im Sommer 2018 an – und damitdie nächste Möglichkeit, anwaltliche Expertise ins Bun-desverfassungsgericht zu berufen.

Ihre

Ekkehart SchäferPräsident der BRAK

Ulrich SchellenbergPräsident des DAV

AKZENTE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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BRAKMITTEILUNGEN

DEZEMBER 2016 • AUSGABE 6/201647. JAHRGANG

Ekkehart Schäfer Ulrich Schellenberg

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PRO & CONTRABRAUCHEN ANWÄLTE ELEKTRONISCHEN RECHTSVERKEHRMIT DEM beA?

Der elektronische Rechtsverkehr kommt flächendeckend, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) istnach dem Willen des Gesetzgebers der Weg dorthin für die Anwaltschaft. Doch am beA und seiner Ausgestaltungscheiden sich auch jetzt, zeitnah zu seinem Start, noch die Geister.

PRO:Die Anwaltschaft kann und darf sich der Digitalisierungdes Rechtsverkehrs nicht verschließen. Die Digitalisie-rung findet statt, ob die Anwaltschaft dabei ist odernicht. Es geht nicht um angebliche Modernität, sondernum die Zukunftsfähigkeit der Anwaltschaft in Deutsch-land. Ein Blick in das europäische und außereuropäischeAusland hilft bereits weiter, um zu erkennen, dass wirinternational in Gefahr sind, abgehängt zu werden.Nur wenn wir dabei sind, können wir sicherstellen,dass der elektronische Rechtsverkehr (ERV) so abläuft,wie er aus Sicht der Anwaltschaft ablaufen muss: Ver-traulich, verlässlich und in die Kanzleiabläufe integrier-bar. Das leistet das beA.Ich bin überzeugt, dass das Prinzip Freiwilligkeit nichtfunktioniert. Dies zeigt der Flickenteppich, der sich seit2001 im ERV entwickelt hat. In einzelnen Bundeslän-dern sind alle Gerichte elektronisch erreichbar, in ande-ren einzelne Gerichte in einzelnen Verfahren, in ande-ren wiederum nur die Registergerichte. Entsprechendnutzt auch die Anwaltschaft die Möglichkeiten des ERVnicht nachhaltig. ERV wird aber nur funktionieren, wennjeder mitmacht.Denselben Prozess hat das Notariat vor der verbindlichenEinführung des ERV mit den Handelsregistern im Jahr2007 durchlaufen. Heute will kein Notar die Möglich-keiten der elektronischen Kommunikation mehr missen.Dabei ist der ERV keineswegs Selbstzweck oder ein not-wendiges Übel. Der ERV mit dem beA ist die bessereKommunikation. Auch kurz vor Fristablauf und ohneBriefmarke lässt sich der Schriftsatz noch bei einem Ge-richt am anderen Ende Deutschlands einreichen. Post-laufzeiten gibt es nicht. Nachrichten sind durchgehendvom Absender zum Empfänger verschlüsselt. Dieses Prin-zip gilt im ERV schon seit Jahren; ein unkonkretes Miss-trauen gegenüber jedweder Datenübertragung im Inter-net ist fehl am Platz. Zudem werden die Postfächer aufBasis der Daten der Rechtsanwaltskammern eingerich-tet: Wo Anwalt draufsteht ist daher auch Anwalt drin.Ich bin fest überzeugt davon, dass das beA spätestensab 2018 zum selbstverständlichen Werkzeug für dieAnwaltschaft wird und bald darauf die Tätigkeit alsRechtsanwalt ohne den ERV vollständig undenkbarist. Spätestens dann wird sich auch die Erkenntnisdurchsetzen, dass der ERV ohne großen Aufwand inder Kanzlei beherrschbar ist. Schließlich: Die Nutzungdes beA ist auch ohne die Führung elektronischerHandakten ein Gewinn. Nicht jeder Rechtsanwalt, derheutzutage die unsichere Kommunikation per E-Mailpflegt, führt elektronische Akten.

Rechtsanwalt Christoph Sandkühler, Hamm

CONTRA:

Für die verbindliche aktive und passive Nutzung desbeA hat die Anwaltschaft nun eine Atempause bis zum1.1.2018 bzw. 1.1.2022. Man könnte also anstelle desgesetzgeberischen Zwangs Freiwilligkeit setzen. Das istsinnvoll und ergibt sich aus dem Zweck des beA unddessen technischen und rechtlichen Problemen:

Obwohl das beA ein nicht bewährtes System ist, soll esals Monopol bewährte Systeme von Post und Fax imAnwaltsprozess mit Zustellungsnachweis ersetzen. DasbeA soll diese Aufgabe mit einem riesigen Intranet fürüber 160.000 Anwälte und die Gerichte meistern. Dabeihätte es ausgereicht, optional den bestehenden elektro-nischen Rechtsverkehr zu nutzen und den Nutzern ge-setzliche Spielregeln (Vereinbarung, mit Lese- und Emp-fangsbestätigung zu arbeiten, zulässig etc.) zu geben.Das beschlossene beA unterminiert jedoch totalitär dieanwaltliche Berufsfreiheit und das strafrechtlich be-wehrte anwaltliche Berufsgeheimnis. Das alles für über-eifrige digitale Symbolpolitik „was sind wir modern“.

Seit den Enthüllungen über die NSA (Filme „Snowden“und „Citizenfour“) und andere, die das www für Daten-klau, Hackerangriffe usw. nutzen, ist evident, dass dasbeA einen Königsweg zu Missbrauch ebnet, der die Kom-munikationswege Anwalt-Justiz und die elektronischenAkten erfasst – Berufsgeheimnis ade. Missbrauch gehtzwar auch mit dem „normalen“ Netz, aber leichter überein Intranet; gleiches gilt für die Infiltration mit Viren,Trojanern usw. Internet-Nutzung entspricht schon heutedem Witz über die Laborratte, die ihrem Kumpel sagt,den im weißen Kittel habe sie voll im Griff, immer wennsie den roten Knopf drücke, gebe er ihr Futter. Das beAist ein neues Experiment in einem zweiten Labor/Käfig.

Die äußere Infrastruktur einer Anwaltskanzlei ist für die-se unbeherrschbar. Das gilt für das Stromnetz, den aufdem Land miserablen Ausbau der Telekommunikation(durch die Telekom AG, mit Kupferkabeln und Monopolfür die letzte Meile) und dem Zustand von www undbeA als externe Systeme. Haftung statt Herrschaft giltauch für Teile der internen Infrastruktur: Woher nimmtman geeignetes Personal, Techniker etc., woher guteGeräte (Hard- und Software mit Virenschutz etc.), immerauf dem neuesten Stand, Notstromversorgung für fünfTage, die Zeit für Weiterbildung? Die elektronischeAkte nötigt dazu, selbst Archivakten bei langlebigen Fäl-len (Immobilien usw.) kostspielig einzuscannen. Warumdas alles für Anwälte, die kein Anwaltspostfach bei Ge-richt haben und brauchen? Das beA in der verpflich-tenden Form ist eine digitale Zwangsjacke mit großemSchadenspotential und zweifelhaftem Nutzen.

Rechtsanwalt Dr. Volker Gallandi, Gorxheimertal

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | PRO & CONTRA

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Page 9: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

AUFSÄTZEREFORM DER ANWALTSGERICHTSBARKEIT IN VERWALTUNGS-SACHEN – ZU WELCHEM ZWECK?

RECHTSANWALT DR. ALEXANDER SIEGMUND*

Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminis-ter hatte auf ihrer Frühjahrstagung am 17./18.6.2015die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Bereinigungdes Systems der Rechtswegzuweisungen beschlossen.Hintergrund der immer wieder aufkeimenden Diskussionsind Art. 19 IV 1 und Art. 95 I GG, nach denen die Ver-fassung die rechtsstaatlich gebotene gerichtliche Ver-waltungskontrolle dafür spezialisierten Gerichten zuge-wiesen hat. Dem entspricht § 40 I 1 VwGO, wonachöffentlich-rechtliche Streitigkeiten grundsätzlich den Ver-waltungsgerichten zugewiesen sind. In ihrer Herbst-konferenz am 17.11.2016 hat die Justizministerkon-ferenz nun beschlossen, die bereits im Jahr 2009 imGesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwalt-lichen und notariellen Berufsrecht angekündigte Evalu-ierung durchzuführen; gleichzeitig solle eine umfassen-de Prüfung stattfinden, wie sich eine weitere Harmoni-sierung des Berufsrechts aller freien Berufe verwirk-lichen lasse.1 Der Beitrag untersucht, ob die Sonder-zuständigkeiten für Verwaltungssachen in der Anwalts-gerichtsbarkeit systemgerecht und kohärent sind, wel-che Gründe für ihre Beibehaltung und welche für eineÜberweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit spre-chen.

I. GEGENSTAND DER DISKUSSION

Die Diskussion um die Anwaltsgerichtsbarkeit kenntviele Facetten. So wird von nichtanwaltlichen Beschwer-deführern in Disziplinarverfahren gerne gefragt, ob esrichtig sein könne, wenn Anwaltsrichter über Anwälterichten. Betroffene Anwälte in Disziplinar- oder Verwal-tungsverfahren rügen gerne das Vorschlagsrecht derRechtsanwaltskammern bei der Besetzung der Anwalts-richterstellen. Sofern die Rechtsanwaltskammern Wett-bewerbsverstöße abmahnen, wird die Umgehung derAnwaltsgerichtsbarkeit im Rahmen des einstweiligenRechtsschutzes angeprangert. In Disziplinarverfahrenwird die Umgehung des Instanzenzugs mit dem Erlasseiner missbilligenden Belehrung kritisiert, die im Ver-waltungsverfahren anzugreifen ist.

Im Rahmen der Diskussion um die „Rechtswegbereini-gung“ geht es allerdings nicht darum, ob die Anwalts-gerichtsbarkeit als solche abgeschafft werden solle,

oder um deren Ausgestaltung. Auch geht es nicht umdie Besetzung der Spruchkörper mit Anwaltsrichtern.Der Instanzenzug mit den Anwaltsgerichten und An-waltsgerichtshöfen soll ebenfalls unverändert bleiben.Es soll in einem ersten Schritt nur die Frage gestelltwerden, ob es sinnvoll ist, dass der BGH weiterhin inVerfahren, die der VwGO unterliegen, über Rechtsfra-gen entscheidet, die sich teilweise nach Verwaltungs-recht bestimmen. Damit hängt zudem die Frage zu-sammen, ob die Anwaltsgerichtshöfe weiterhin an dieOberlandesgerichte angegliedert bleiben sollen.

II. AKTUELLE RECHTSLAGE

Die Zuständigkeit des BGH in verwaltungsrechtlichenAnwaltssachen ist in den Absätzen 2 und 3 des § 112aBRAO geregelt. Danach entscheidet der BGH über dasRechtsmittel der Berufung gegen Urteile des Anwalts-gerichtshofes und der Beschwerde nach § 17a IV 4GVG. Darüber hinaus entscheidet der BGH in ersterund letzter Instanz über Klagen, die Entscheidungenbetreffen, die das Bundesministerium der Justiz oderdie Rechtsanwaltskammer bei dem Bundesgerichtshofgetroffen hat oder für die das Bundesministerium derJustiz und für Verbraucherschutz oder die Rechts-anwaltskammer bei dem Bundesgerichtshof zuständigist, sowie über die Nichtigkeit von Wahlen und Be-schlüssen der Bundesrechtsanwaltskammer und derRechtsanwaltskammer bei dem Bundesgerichtshof.

Nach § 112c I BRAO gelten für das Verfahren die Be-stimmungen der VwGO entsprechend, es sei denn, dieBRAO sieht abweichende Bestimmungen für bestimm-te Fälle vor. Die Geltung der VwGO im Gegensatz zurfrüheren Anwendung des FGG wurde durch das Gesetzzur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen Be-rufsrecht vom 30.7.2009 neu geregelt.2 Der Gesetz-geber hat zum damaligen Zeitpunkt seine Entschei-dung, an der Zuordnung von AGH und Anwaltssenatdes BGH zu den Gerichten der ordentlichen Gerichts-barkeit festzuhalten, damit begründet, dass eine Zu-weisung der verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen zuden Verwaltungsgerichten zu einer grundlegenden,auch strukturellen Änderung der Anwaltsgerichtsbar-keit führen würde. Diese müsste jedoch unter Einbezie-hung aller Beteiligten gründlich vorbereitet werden.Der Gesetzgeber hat aber zugleich betont, dass dieseEntscheidung mittelfristig überprüft werden solle, sobald

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

267

* Der Autor ist Rechtsanwalt in München und Mitglied des Vorstands der RAKMünchen.

1 https://mdjev.brandenburg.de/media_fast/6228/top_i.10_-_bericht_der_laenderoffenen_arbeitsgruppe_-_bereinigung_des_systems_der_rechtswegzuweisung_herbstkonferenz.pdf; Abruf 17.11.2016. 2 BGBl. 2009 I, 2449.

SIEGMUND, REFORM DER ANWALTSGERICHTSBARKEIT IN VERWALTUNGSSACHEN – ZU WELCHEM ZWECK?

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erste Erfahrungen mit dem neuen Verfahren in anwalt-lichen Verwaltungsstreitigkeiten vorlägen.3

Die Senate des Anwaltsgerichtshofs entscheiden in derBesetzung von fünf Mitgliedern einschließlich des Vor-sitzenden, soweit nicht gesetzlich bestimmt ist, dassanstelle des Senats der Vorsitzende oder der Bericht-erstatter entscheidet. Als Beisitzer wirken zwei weitereanwaltliche Mitglieder und zwei Berufsrichter mit. DerAnwaltsgerichtshof wird bei dem Oberlandesgerichterrichtet, § 100 I BRAO. Die Berufsrichter sind Mitglie-der des Oberlandesgerichts, § 102 I 1 BRAO. Die Tat-sache, dass dem Anwaltssenat Richter am Oberlandes-gericht und nicht Richter am Oberverwaltungsgerichtangehören, sahen Kirchberg/Johnigk schon im Jahr2009 als nicht systemkonform an.4

§ 106 BRAO regelt die Einrichtung des Anwaltssenatsbeim BGH: Für Angelegenheiten, die nach der BRAOdem BGH zugewiesen sind, wird bei dem Bundes-gerichtshof ein Senat für Anwaltssachen gebildet. DerSenat gilt, soweit auf das Verfahren die Vorschriftender VwGO entsprechend anzuwenden sind, als Zivil-senat und, soweit für das Verfahren die Vorschriftender StPO entsprechend gelten, als Strafsenat im Sinnedes § 132 GVG. Der Senat besteht aus dem Präsiden-ten des Bundesgerichtshofes sowie zwei Mitgliederndes Bundesgerichtshofes und zwei Rechtsanwälten alsBeisitzern. Den Vorsitz führt der Präsident des Bundes-gerichtshofes oder in seiner Vertretung ein vom Prä-sidium des Bundesgerichtshofes bestimmter Vorsitzen-der Richter.

III. ARGUMENTE FÜR EINE RECHTSWEG-BEREINIGUNG

1. SYSTEMATISCHE ZUORDNUNG NACH DEMPROZESSRECHT

Es ist richtig gewesen, im Jahr 2009 das anwaltlicheVerwaltungsverfahren dem allgemeinen Verwaltungs-recht und den nachfolgenden Prozess der Verwaltungs-gerichtsordnung zu unterstellen. Denn es wurde damitein Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung geleistet.5 DieRechtsanwaltskammern werden hoheitlich tätig. Sie er-lassen oder versagen Verwaltungsakte. Dementspre-chend sind im Verwaltungsverfahren die Bestimmun-gen des Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden,soweit die BRAO keine Sonderbestimmungen kennt,§ 32 I 1 BRAO. Die Überprüfung der ergangenen Ent-scheidungen erfolgt dementsprechend nach dem Pro-zessrecht der VwGO. Und wie der Gesetzgeber seiner-zeit bereits erkannt hat, könnte es nun auch konsequentsein, die Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit zuüberstellen.6 Freilich steht weiterhin die „mittelfristige

Überprüfung“, die der Gesetzgeber angekündigt hat,derzeit noch aus. Gleichwohl steht jetzt schon fest,dass die Zuweisung der prozessualen Verfahren zurVerwaltungsgerichtsbarkeit zwar möglich, aber nichtzwingend ist.

Darüber hinaus ist die systematische Einordnung desBGH zumindest ungewöhnlich. So gilt der Senat gem.§ 106 I 2 BRAO als Zivilsenat, soweit auf das Verfah-ren – wie in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen –die Vorschriften der VwGO entsprechend anzuwendensind. Nach § 112e 2 BRAO tritt der Anwaltssenatdagegen an die Stelle eines Oberverwaltungsgerichts.Zwar soll die Regelung des § 106 I 2 BRAO allein ge-währleisten, dass in einer Rechtsfrage ein Großer Senatoder die Vereinigten Großen Senate des BGH nach§ 132 GVG entscheiden können. Diese im Wortlautder §§ 106, 112e BRAO zum Ausdruck kommendeZwitterstellung des Anwaltssenats verdeutlicht somitzwar einerseits die systematischen Widersprüche desgeltenden Rechts.7 Andererseits ist sie offensichtlichzweckmäßig installiert worden.

Auch hinsichtlich der Postulationsfähigkeit mögen sichsystematische Abweichungen ergeben. Vor dem An-waltssenat sind – wie vor dem BVerwG – alle Anwältepostulationsfähig. Berufsrichter im Anwaltssenat, diegewöhnlicherweise in den Zivilsenaten tätig sind, sinddaher nur den Umgang mit den beim BGH zugelasse-nen Rechtsanwälten gewohnt. Systematisch richtigerkönnte es daher erscheinen, die Verfahren vor demBVerwG zu führen, bei dem alle Rechtsanwälte postu-lationsfähig sind.8 Dabei darf freilich nicht übersehenwerden, dass eher die besondere Postulationsfähigkeitvon beim BGH zugelassenen Anwälten in der Kritiksteht.9 Zudem zeichnen sich die Parteien dadurch aus,dass es sich auf der einen Seite um im Berufsrecht spe-zialisierte Kammervertreter handelt und auf der anderenSeite um Anwälte, die gerade in Statusfragen das Rechthaben müssen, für sich selbst auftreten zu dürfen.

2. VEREINHEITLICHUNG DER RECHTSPRECHUNG

Die Rechtsprechung der freien Berufe könnte durch dieZusammenführung der Gerichtsbarkeiten vereinheit-licht werden. Schließlich ist das BVerwG auch für ande-re freie Berufe zuständig und könnte zu einer einheit-lichen Aus- und Fortbildung des Berufsrechts aller freienBerufe beitragen. Denn im Rahmen der Rechtsprechungkönnten Parallelen wie auch Unterschiede der einzelnenBerufsrechte untereinander, aber auch zu anderen bei-spielsweise gewerblichen Berufsgruppen bzw. Zulas-sungsverfahren herausgearbeitet und im Rahmen einereinheitlichen Rechtsprechung – auch mit Blick auf allge-meines Verwaltungsrecht, Verfassungs- und Europa-recht – gleichermaßen berücksichtigt werden. Geradedie „rechte Mitte“ zwischen der Freiheit des Berufsund den Anforderungen des Gemeinwohls an die frei-en Berufe muss nicht nur in jedem Einzelfall und nichtnur für jeden der Freien Berufe, sondern im Kontext der

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3 BT-Drs. 16/11385, 28 und 31; seinerzeit bereits kritisch Kleine-Cosack, AnwBl.2009, 619.

4 Kirchberg/Johnigk, BRAK-Mitt. 2009, 214, 217; jüngst auch wieder Kirchberg,AnwBl. 2015, 44.

5 Siegmund, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 32BRAO, Rn. 8.

6 Rennert, AnwBl. 2014, 905.

7 Deckenbrock, AnwBl. 2015, 365 (366).8 Deckenbrock, AnwBl. 2015, 365 (366).9 Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015, Vor § 162 Rn. 1.

SIEGMUND, REFORM DER ANWALTSGERICHTSBARKEIT IN VERWALTUNGSSACHEN – ZU WELCHEM ZWECK?

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grundrechtlich geprägten Rechtsordnung insgesamt ge-funden und begründet werden.10 Allerdings unterschei-den sich die freien Berufe und ihr jeweiliges Berufsrecht– wie gleich zu zeigen sein wird – nicht unerheblich.

3. NOTWENDIGKEITEN

Häufig wird behauptet, die bestehende Architektur derAnwaltsgerichtsbarkeit sei nur „das Ergebnis histori-scher Zwangsläufigkeiten oder Zufälle“.11 Die Gründe,die vor vielen Jahrzehnten zur Verortung der verwal-tungsrechtlichen Anwaltssachen in der ordentlichenGerichtsbarkeit geführt haben, seien heute nicht mehrgegeben.12 Ursprünglich entschieden häufig diejenigenGerichte über Verfehlungen eines Rechtsanwalts, vordenen er aufgetreten ist bzw. bei denen er zugelassenwar. Das Reichsgericht sollte als zentrales oberstesGericht eine einheitliche Rechtsprechung in Disziplinar-sachen gewährleisten. Der Rechtsschutz in Verwaltungs-sachen wurde erst später eingeführt und dann ohnenähere Vertiefung mit dem Rechtsschutz in Disziplinar-sachen verbunden. Dieser historische Rückblick ist frei-lich aufschlussreich, hilft aber für die Rechtsgestaltungin der Zukunft nur beschränkt weiter. Denn es ist zufragen, welche Regelungen heute für zweckmäßig zuerachten sind.

IV. ARGUMENTE FÜR DEN STATUS QUO

1. KEIN HANDLUNGSBEDARF

Zwar hat der Gesetzgeber mit Schaffung des Gesetzeszur Modernisierung des Verfahrensrechts mittelfristigeine Evaluation hinsichtlich der Erfahrungen in der An-waltsgerichtsbarkeit in Aussicht gestellt.13 Mittlerweilesind auch circa sieben Jahre nach der Modernisierungdes berufsrechtlichen Verfahrensrechts vergangen. EineEvaluation hat zwar noch nicht stattgefunden. Aller-dings konnten auch ohne Evaluation keine Mängelam bisherigen System festgestellt werden.14 Friedlän-der hat seinerzeit sogar treffend ausgeführt: „Auchder Gesetzgeber bedarf der Ehrfurcht vor dem, was or-ganisch gewachsen ist, was sich lange bewährt hatund einem höheren Gesetz entspricht.“15

Manche befürchten, dieser Umstand würde die Diskus-sion vorschnell „abwürgen“.16 Doch vor dem Hinter-grund drohender Reibungsverluste, Umstellungspro-bleme und vor allem Kosten wäre es schlicht untunlich,allein aus „systematischen Gründen“ eine Umstellung

in der Anwaltsgerichtsbarkeit ernsthaft zu fordern. Esfehlt schlichtweg an der Erforderlichkeit.

Der Anwaltssenat des BGH hat – wie nicht anders zuerwarten – die Umstellung auf die VwGO mit Bravourgemeistert.17 In der Literatur gibt es – soweit ersicht-lich – keine Stellungnahmen, die sich mit angeblichenSchwierigkeiten des Anwaltssenats beim BGH bei derAnwendung verwaltungsrechtlicher oder verwaltungs-prozessualer Normen befassen.18 Gerade Anwaltsrich-ter bringen im Anwaltssenat beispielsweise als Fach-anwälte für Verwaltungsrecht häufig zusätzliche ver-waltungsrechtliche Kenntnisse mit, die in die Entschei-dungen einfließen können. Hinzu kommt, dass die Ver-waltungsgerichtsordnung als jüngeres Verfahrensrechtweniger engmaschig ist als die Zivil- oder Strafprozess-ordnungen, auf denen sie letztlich aufsetzt (vgl. § 173VwGO).

Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Vor-schriften zum Verwaltungsverfahren (vgl. § 32 I 1BRAO) und zum Verwaltungsprozess (vgl. § 112c I 1BRAO) nur so weit gelten, wie die BRAO keine besonde-ren Bestimmungen bereithält. Die berufsrechtliche Ex-pertise dürfte bei Richtern des BGH in gleichem Maßebestehen wie bei Richtern des BVerwG. In keinem Falldürfen die Verfahrensbestimmungen der VwGO aus-schließlich oder undifferenziert angewandt werden.

2. RECHTMÄSSIGKEIT

Die bisherige Regelung ist verfassungs- und europa-rechtskonform.19 Bislang kann keiner Entscheidung inder Rechtsprechung des BVerfG oder des EuGH – auchnicht in einem obiter dictum – entnommen werden,dass das bisherige System und die Zuständigkeit desBGH anstatt des BVerwG oder auch die Anwendungder VwGO durch den BGH als „fachfremdes“ Gerichtgegen höherrangiges Recht verstoßen würden. Viel-mehr ergeben die bislang bekannt gewordenen Ent-scheidungen, dass das Prinzip der Anwaltsgerichtsbar-keit – auch und gerade in seiner derzeitigen Ausgestal-tung – als rechtmäßig angesehen wird.20

Auch das derzeitige Prinzip des zweistufigen Instanzen-zugs in Verwaltungssachen wird gemeinhin befürwor-tet und bedarf keiner Änderung. Der BGH hat denzweistufigen Instanzenzug als bewusste Entscheidungdes Gesetzgebers angesehen.21 Er bietet Gewähr da-für, dass bei statusrechtlichen Eingriffen bei einem un-abhängigen Organ der Rechtspflege der BGH nichtnur als Revisions-, sondern sogar als Tatsacheninstanztätig wird. Eine Rechtsschutzerweiterung durch einen

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10 Rennert, AnwBl. 2014, 905, allerdings mit dem vielleicht unglücklichen Vergleichder Standplatzvergabe auf Märkten und der anwaltlichen Berufszulassung, dieinsbesondere keine Bedarfsplanung kennt.

11 Kilian, AnwBl. 2015, 278 (283).12 Kilian, AnwBl. 2015, 278 (281 ff.).13 BT-Drs. 16/11385, 28 und 31.14 Geiersberger, AnwBl. 2014, 292 (295); vgl. auch dies., AnwBl. 2015, 287 (289);

Brockhausen, Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen vor den Berufsgerichtender Rechtsanwälte, 2009, 137 f. (Fn. 2); Kirchberg, AnwBl. 2015, 44; Winterhoff,AnwBl. 2015, 293 (296) sowie historisch bereits Friedlaender, JZ 1955, 11:„Auch der Gesetzgeber bedarf der Ehrfurcht vor dem, was organisch gewachsenist, was sich lange bewährt hat und einem höheren Gesetz entspricht.“

15 Friedlaender, JZ 1955, 11.16 Deckenbrock, AnwBl. 2015, 365 (366).

17 So der Befund von Quaas, BRAK-Mitt. 2015, 2; aber plötzlich im selben Jahr mitEinschränkungen ders., AnwBl. 2015, 330.

18 Deckenbrock, AnwBl. 2015, 365 (366) verweist lediglich auf eine versehentlichfalsch zitierte Norm der VwGO durch den BGH: BGH, Beschl. v. 29.11.2011 –AnwZ (Brfg) 25/11, BeckRS 2012, 01183; vgl. auch Deckenbrock, in Henssler/Prütting, 4. Aufl. 2014, Vor §§ 112a ff. BRAO Rn. 5.

19 Kritisch neuerdings Quaas, DVBl. 2016, 1228 (1234 f.), der einen Verstoß gegenArt. 95 I GG befürchtet.

20 So BGHZ 34, 382 (383 ff.) = NJW 1961, 1211 f.; BGHZ 38, 208 (209 ff.) = NJW1963, 446 (447) und BVerfGE 26, 186 (192 ff.) = NJW 1969, 2192 ff.; BVerfGE 48,300 (315 ff.) = NJW 1978, 1795 ff.; BVerfGK 8, 280, 284 f. = NJW 2006, 3049,3050; dazu Kilian, AnwBl. 2015, 278 f. sowie Winterhoff, AnwBl. 2015, 293 ff.

21 BGH, Beschl. v. 16.5.2012 – AnwZ (Brfg) 48/11, BeckRS 2012, 13389 Rn. 17.

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dreiinstanzlichen Aufbau beispielsweise innerhalb derVerwaltungsgerichtsbarkeit wird dabei nicht gesehen.22

Sofern bemängelt wird, der Einfluss der Anwaltsrichtersei auf die Rechtsprechung des Anwaltssenats nur ge-ring vorhanden,23 so sollte dem durchaus nachgegan-gen werden. Es ist aber ohne Belang für die Frage, anwelche Gerichtsbarkeit die anwaltliche Gerichtsbarkeitangegliedert wird. Denn auch bei einer Angliederungder Anwaltsgerichtsbarkeit an das BVerwG dürfte derzuständige Senat mehrheitlich mit Verwaltungsrichternbesetzt sein.

3. AUFWAND-NUTZEN-RELATION

Wie oben bereits dargestellt, dürfte ein Umzug des An-waltssenats vom BGH zum BVerwG zu nicht unerhebli-chen Reibungsverlusten, Umstellungsproblemen und Kos-tenaufwand führen. Hinzu kommt, dass dann aus – wohlzwingenden – systematischen Gründen auch sämtlicheAnwaltsgerichtshöfe zu den Oberverwaltungsgerichtenwechseln müssten.24 Ansonsten würde innerhalb desInstanzenzugs ein Wechsel der Gerichtsbarkeit stattfin-den, an die die Anwaltsgerichtsbarkeit angliedert ist.

Der Nutzen einer Vereinheitlichung des Berufsrechtsder freien Berufe und der darauf aufsetzenden Recht-sprechung stellt sich möglicherweise dann nicht ein,wenn die einzelnen Berufe spezifische Besonderheitenaufweisen, die eine Gleichbehandlung sogar verbieten.So sind Verwaltungssachen der Wirtschaftsprüfer, Ar-chitekten, Ingenieure und Heilberufler zwar den Ver-waltungsgerichten zugewiesen.25 Für andere Berufe wieNotare (§§ 111 ff. BNotO), Patenanwälte (§§ 94ff. PAO)und Steuerberater (§ 33 I Nr. 3 FGO) gelten aber Son-derregelungen, die mitunter auf die besondere Aus-gestaltung des jeweiligen Berufs Rücksicht nehmen.26

Gerade Rechtsanwälte dürfen zahlreiche Privilegien fürsich in Anspruch nehmen, die anderen Berufsträgerngerade nicht zustehen. Als Beispiel sei das Zeugnisver-weigerungsrecht genannt. Diese Privilegien finden ihrkorrespondierendes Pendant in Pflichten nach der Bun-desrechtsanwaltsordnung, die demzufolge eben geradenicht an andere Berufsordnungen angeglichen werdenkönnen.

Hinzu kommt, dass anwaltliche Berufsrechtsverstößenicht selten in einem strafbaren oder wettbewerbswid-rigen Verhalten begründet sind. So ist beispielsweisezu klären, ob bestimmte Angaben im Rechtsverkehr un-richtig und damit möglicherweise irreführend und dannwiederum „unsachlich“ im berufsrechtlichen Sinne sind.Die Expertise der ordentlichen Gerichtsbarkeit in diesenVerfahren kann schwerlich in Abrede gestellt werden.

Streitigkeiten über die Zulassung eines Anwalts oderkammerinterne Streitigkeiten sind freilich öffentlich-rechtliche Streitigkeiten. Der Gesetzgeber hat aber

ganz bewusst von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,diese anderweitig nach § 40 I 1 Hs. 2 VwGO zuzuwei-sen – und das schon mit Erlass der BRAO im Jahre1959. Der Grund besteht darin, dass die Zulassungder Rechtsanwälte zunächst den Landesjustizverwal-tungen oblag und es sich damit um Justizverwaltungs-akte handelte, für deren Überprüfung traditionell (§ 23EGVG) die ordentlichen Gerichte zuständig sind.27

Zwar wurden die Zuständigkeiten mittlerweile auf dieRechtsanwaltskammern übertragen. Allerdings werdenJustizverwaltungsakte der ordentlichen Gerichtsbarkeitweiterhin durch sie selbst überprüft. Die entsprechen-de Expertise ist somit weiterhin dort vorhanden.

Vor diesem Hintergrund wird möglicherweise auchdeutlich, weshalb Richter der ordentlichen Gerichtsbar-keit möglicherweise eine nicht unbedeutende Expertisefür das anwaltliche Berufsrecht haben. Denn sie ken-nen in besonderem Maße den verfahrensrechtlichenSonderstatus von Anwälten beispielsweise in Strafver-fahren. Diese Erfahrung im Umgang mit Anwältenund deren Privilegien wird mitunter dadurch verstärkt,dass die Mehrheit der Anwaltschaft vor den ordent-lichen Gerichten tätig ist. So wurde schon seinerzeit imRegierungsentwurf vom 8.1.1958 zur Altregelung aus-geführt: „Wegen der besonders engen Verbindung deranwaltlichen Tätigkeit mit der Zivil- und Strafrechtspfle-ge liegt es nahe, in Anwaltssachen die Zuständigkeitdes BGH zu begründen, mögen auch zum Teil verwal-tungsrechtliche Fragen zu entscheiden sein.“28 AuchBrockhausen rekurriert darauf, dass die Mehrheit derAnwälte auf dem Gebiet des Zivilrechts tätig sei.29 All-gemein ging man von einer Vertrautheit der Oberlan-desgerichte mit den regionalen Gepflogenheiten in denKammerbezirken aus,30 deren Bezirk im Übrigen maß-geblich für die Bestimmung der Kammerbezirke ist.31

Die Anwaltssachen vor dem BGH stellen für diesen kei-ne wesentlich zusätzliche Arbeitsbelastung dar.32 So-mit ergibt sich aus deren Abgabe an die Verwaltungs-gerichtsbarkeit für den BGH auch kein Nutzen im Sinneeiner wesentlichen Arbeitseinsparung. Nach den Statis-tiken hat der BGH im Jahr 2015 insgesamt 65 Eingän-ge von anwaltlichen Verwaltungsverfahren zu verzeich-nen,33 im Jahr 2008 (also noch vor der Verfahrens-modernisierung) gab es in etwa doppelt so viele Ein-gänge, nämlich 125.34 Die Verfahrensmodernisierunghat somit zu einer Verringerung der Arbeitsbelastungdes BGH in Anwaltssachen geführt. Dementsprechendgab es bislang von der derzeitigen Präsidentin des

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22 A.A. Deckenbrock, AnwBl. 2015, 365 (367).23 Quaas, DVBl. 2016, 1228.24 Vgl. etwa Kleine-Cosack, AnwBl. 2009, 619.25 Kilian, AnwBl. 2015, 278 (284 f.): im Wesentlichen auf der Grundlage von Lan-

desgesetzen.26 Kirchberg, AnwBl. 2015, 44; a.A. Kilian, AnwBl. 2015, 278 (285); Deckenbrock,

AnwBl. 2015, 365 (367).

27 Schmidt-Räntsch, in Gaier/Wolf/Göcken, § 112a VwGO Rn. 1; Quaas, DVBl. 2016,1228 ergänzt, der Grund habe auch in der besonders engen Verbindung der an-waltlichen Tätigkeit mit der Zivil- und Strafrechtspflege bestanden.

28 BT-Drs. III/120, 93.29 Brockhausen, Der Rechtsschutz in Verwaltungssachen vor den Berufsgerichten der

Rechtsanwälte, 2009, 133.30 Kilian, AnwBl. 2015, 278 (279).31 Vgl. § 60 I 1 BRAO.32 So auch Quaas, DVBl. 2016, 1228 (1231).33 http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Statistik

Zivil/jahresstatistikZivilsenate2015.pdf?—blob=publicationFile, S. 6 (letzter Abruf:1.11.2016).

34 http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/StatistikZivil/jahresstatistikZivilsenate2008.pdf?—blob=publicationFile, S. 5 (letzter Abruf:1.11.2016).

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BGH keine kritischen Worte zur Existenz des Anwalts-senats, in dem sie selbst den Vorsitz führt.35 Aus Grün-den gleichmäßiger Arbeitsbelastung der Bundesgerich-te muss im Hinblick auf den Anwaltssenat keine Um-verteilung erfolgen.

4. GLEICHLAUF VON VERWALTUNGS- UND DISZIPLINAR-SACHEN

Eine Trennung von anwaltsgerichtlichen Verwaltungs-und Disziplinarverfahren soll vermieden werden. So hatsich das BVerfG klar für eine einheitliche Zuständigkeitder damaligen Ehrengerichtsbarkeit für Disziplinar-sachen und verwaltungsrechtliche Anwaltssachen aus-gesprochen.36 Eine strikte Trennung der beiden Verfah-rensarten, wie sie bei Steuerberatern und Wirtschafts-prüfern bekannt ist, soll gerade nicht gegeben sein.Und das Disziplinarrecht als „kleines Strafrecht“ ge-hört in jedem Fall zur ordentlichen Gerichtsbarkeit.37

Nun wäre es freilich denkbar, auch die Disziplinarsachendurch Anwaltssenate bei der Verwaltungsgerichtsbar-keit verhandeln zu lassen.38 So werden beispielsweiseauch die Disziplinarsachen von Beamten dort entschie-den (vgl. § 45 BDG). Oder auch die der Soldaten (ne-ben den Truppendienstgerichten, vgl. § 80 BDG). Ein

Mehrwert lässt sich daraus aber sicherlich nicht ablei-ten. Denn das Disziplinarrecht der unabhängigen undstaatsfernen Anwaltschaft, die nur aufgrund ihrer ver-antwortlichen Stelle in der Rechtspflege Berufsaus-übungsregelungen unterworfen ist, dürfte sich dochfundamental vom Disziplinarrecht unterscheiden, demBeamte und Soldaten unterworfen sind, von denen be-sondere Treuepflichten gegenüber dem Staat erwartetwerden. Sofern hier an eine Vereinheitlichung gedachtwerden sollte, dürfte nicht nur der Mehrwert eines„Umzugs“ in Frage stehen, sondern sogar ein Nachteilfür die freie Anwaltschaft zu befürchten sein.

V. FAZIT

Im Rahmen der Beratungen zum Gesetz zur Moder-nisierung des anwaltlichen Verfahrensrechts wurdeüberlegt, die Anwaltsgerichtsbarkeit bei der Verwal-tungsgerichtsbarkeit anzusiedeln. Man sah aber davonab, weil der Aufwand gescheut wurde. Mittelfristig soll-te eine Evaluation durchgeführt werden. Nach siebenJahren kann festgestellt werden, dass sich die Anglie-derung der Anwaltsgerichtsbarkeit an die ordentlicheGerichtsbarkeit auch unter Anwendung von VwVfGund VwGO hervorragend bewährt hat. Dabei mögendurchaus systematische Gründe für die Angliederungder Anwaltsgerichtsbarkeit an die Verwaltungsgerichts-barkeit sprechen. Ein „Umzug“ ist aber bei einer Abwä-gung von Nutzen und Aufwand schlichtweg unverhält-nismäßig. Ein durchgehender „Mehrwert“ wird sich vo-raussichtlich dadurch nicht einstellen.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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NEUE HINWEISPFLICHTEN AUF DIE SCHLICHTUNGSSTELLE DERRECHTSANWALTSCHAFT

RECHTSANWÄLTIN DR. SYLVIA RUGE*

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) verlangtvon Unternehmern ab dem 1.2.2017, dass sie darüberinformieren, ob und gegebenenfalls bei welcher Ver-braucherschlichtungsstelle sie an Verfahren zur außer-gerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen. Bislang ist kaumbekannt, dass auch die Schlichtungsstelle der Rechts-anwaltschaft eine Verbraucherschlichtungsstelle imSinne des VSBG ist und dass daher auch Rechtsanwäl-tinnen und Rechtsanwälte die neuen Hinweispflichtenzu erfüllen haben. Der Beitrag erläutert die Einzelhei-ten der Hinweispflichten und liefert Formulierungsmus-ter.

I. EINLEITUNG

Seit dem 1.4.2016, also seit der Umsetzung der EU-Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucher-rechtlicher Streitigkeiten in nationales Recht,1 ist dieSchlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft per gesetz-licher Regelung eine Verbraucherschlichtungsstelle imSinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG).2

Dies ist in § 191f IV BRAO geregelt.

Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft vermit-telt bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem

35 Anders noch der vormalige Präsident Tolksdorf, vgl. Quaas, AnwBl. 2015, 330.36 BVerfGE 26, 186 (194) = NJW 1969, 2192; vgl. auch Brockhausen, Der Rechts-

schutz in Verwaltungssachen vor den Berufsgerichten der Rechtsanwälte, 2009,134 ff.

37 Deckenbrock, AnwBl. 2015, 365 (367); Kilian, AnwBl. 2015, 278 (283): dies giltauch für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.

38 Wie z.B. die der Heilberufe, Architekten und Ingenieure, vgl. Kilian, AnwBl. 2015,278 (284).

* Die Autorin ist Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.

1 Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.5.2013über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zurÄnderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG(ADR-Richtlinie).

2 BGBl. 2016 I, 254, 1039.

RUGE, NEUE HINWEISPFLICHTEN AUF DIE SCHLICHTUNGSSTELLE DER RECHTSANWALTSCHAFT

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Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwälten und Man-danten bis zu einem Wert von 50.000 Euro. Dazu gehö-ren Streitigkeiten über anwaltliche Gebührenrechnun-gen und/oder Schadensersatzforderungen wegen ver-meintlicher Schlechtleistung des Rechtsanwalts.

Mit dem Verbrauchstreitbeilegungsgesetz wurden In-formationspflichten für Unternehmer normiert, um Ver-brauchern das Auffinden der zuständigen Verbraucher-schlichtungsstelle zu erleichtern und Klarheit darüberzu verschaffen, ob und ggf. bei welcher Schlichtungs-stelle der Unternehmer an einem Verfahren zur außer-gerichtlichen Streitbeilegung teilnimmt. Diese Informa-tionspflichten treten am 1.2.2017 in Kraft. Dabei han-delt es sich um Allgemeine Informationspflichten undInformationspflichten nach Entstehen einer Streitigkeit.Beide Arten von Informationspflichten bestehen neben-einander.

II. ALLGEMEINE INFORMATIONSPFLICHTNACH § 36 VSBG

Gemäß § 36 VSBG muss ein Unternehmer, der eineWebsite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedin-gungen verwendet, den Verbraucher davon in Kenntnissetzen, inwieweit er bereit oder verpflichtet ist, anStreitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlich-tungsstelle teilzunehmen. Ferner muss er auf die zu-ständige Verbraucherschlichtungsstelle hinweisen,wenn er sich zur Teilnahme an einem Streitbeilegungs-verfahren verpflichtet oder er aufgrund von Rechtsvor-schriften zur Teilnahme verpflichtet ist. Diese Informa-tionspflicht gilt gemäß § 36 III VSBG nur für Unterneh-mer, die mehr als 10 Personen beschäftigen.

1. INFORMATIONSPFLICHTIGER

Die Allgemeine Informationspflicht trifft gemäß § 36VSBG ab 1.2.2017 alle Rechtsanwälte, die folgendeVoraussetzungen kumulativ erfüllen:

– Beschäftigung von mehr als zehn Personen und

– Unterhaltung einer Website oder Verwendung vonAllgemeinen Geschäftsbedingungen (Mandatsbedin-gungen).

Bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl kommt es aufdie tatsächliche Kopfzahl und nicht auf die Stunden-äquivalente bei Beschäftigung von Teilzeitkräften an.3

Rechtsanwälten, die weder eine Website unterhaltennoch Allgemeine Geschäftsbedingung verwenden, stehtes frei, Mandanten auf andere Weise über ihre Teil-nahmebereitschaft an einem Verfahren bei der Schlich-tungsstelle der Rechtsanwaltschaft zu informieren. Siesind insbesondere nicht daran gehindert, mit ihrer Be-reitschaft zur Teilnahme an den Verfahren bei derSchlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft zu werben.

2. INHALT DER HINWEISPFLICHT

Unternehmer müssen gemäß § 36 I Nr. 1 VSBG erklären,inwieweit sie bereit sind, an Streitbeilegungsverfahrenvor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

a) TEILNAHMEBEREITSCHAFT BZW. TEILNAHME-VERPFLICHTUNG

Wenn Unternehmer sich zur Teilnahme an einem Streit-beilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlich-tungsstelle verpflichtet haben oder aufgrund eines Ge-setzes oder der Satzung einer Schlichtungsstelle dazuverpflichtet sind, müssen sie ihre (künftigen) Vertrags-partner darauf hinweisen.

Das Verfahren bei der Schlichtungsstelle der Rechts-anwaltschaft ist freiwillig, d.h. eine Verpflichtung zurTeilnahme besteht nicht. Rechtsanwälte können sichaber zum Beispiel in ihren Mandatsbedingungen oderin individuellen Schlichtungsabreden mit den Mandan-ten grundsätzlich dazu verpflichten, an einem Schlich-tungsverfahren bei der Schlichtungsstelle der Rechts-anwaltschaft teilzunehmen. Dies bedeutet nicht, dasssie den Schlichtungsvorschlag auch tatsächlich anneh-men müssen. Durch eine Selbstverpflichtung zur Teil-nahme an einem Schlichtungsverfahren wird noch kei-ne Aussage über die Annahme oder Ablehnung eineskonkreten Schlichtungsvorschlags gemacht.

Wenn Rechtsanwälte grundsätzlich bereit sind, anSchlichtungsverfahren teilzunehmen, müssen sie aufdie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle und de-ren Kontaktdaten hinweisen. Zuständige Verbraucher-schlichtungsstelle für vermögensrechtliche Streitigkeitenaus dem Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwältenund Mandanten bis zu einem Wert von 50.000 Euro istdie Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.

b) FEHLENDE TEILNAHMEBEREITSCHAFT

Wenn Unternehmer allgemein nicht bereit sind, an einemStreitbeilegungsverfahren bei einer Verbraucherschlich-tungsstelle teilzunehmen, müssen sie ihre (künftigen)Vertragspartner darüber ebenfalls informieren. Diese In-formationspflicht soll nach der Gesetzesbegründung zurTransparenz darüber beitragen, welche Unternehmersich generell einer Verbraucherschlichtung verweigern.4

3. ART UND WEISE DES HINWEISES

Der Hinweis muss klar und verständlich auf der Websiteder Rechtsanwälte erscheinen, wenn sie eine solcheunterhalten.

Wenn Rechtsanwälte Allgemeine Geschäftsbedingungen(z.B. Mandatsbedingungen) verwenden, müssen sie denHinweis zusammen mit den Allgemeinen Geschäfts-bedingungen geben.

4. ADRESSAT DER HINWEISPFLICHT

Verbraucher müssen auf die Schlichtungsstelle derRechtsanwaltschaft hingewiesen werden, denn das

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUFSÄTZE

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3 Steike, in Borowski/Röthemeyer/Steike, VSBG, 2016, § 36, Rn. 16; Greger, in Greger/Unberath/Steffek, Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl. 2016, § 36 VSBG,Rn. 3. 4 BT-Drs. 18/5089, 75.

RUGE, NEUE HINWEISPFLICHTEN AUF DIE SCHLICHTUNGSSTELLE DER RECHTSANWALTSCHAFT

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Verbraucherstreitbeilegungsgesetz regelt die Streitbei-legung zwischen Unternehmern und Verbrauchern unddient damit dem Verbraucherschutz.

Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft vermit-telt aber auch Streitigkeiten zwischen Rechtsanwältenund Mandanten, die Unternehmer sind. Daher könnenRechtsanwälte auch ihre Mandanten, die nicht Verbrau-cher sind, auf die Schlichtungsstelle der Rechtsanwalt-schaft aufmerksam machen; sie müssen dies aber nicht.

III. INFORMATIONSPFLICHT NACH ENTSTEHENDER STREITIGKEIT (§ 37 VSBG)

Gemäß § 37 VSBG hat der Unternehmer den Verbrau-cher auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlich-tungsstelle unter Angabe von deren Anschrift undWebsite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einenVerbrauchervertrag durch den Unternehmer und denVerbraucher nicht beigelegt werden konnte. Das be-deutet, dass Rechtsanwälte Mandanten auf die Schlich-tungsstelle der Rechtsanwaltschaft hinweisen müssen,wenn eine Streitigkeit über Anwaltsrechnungen und/oder Schadensersatzforderungen wegen vermeintlicherSchlechtleistung nicht ohne Hilfe beigelegt werdenkonnte. Rechtsanwälte müssen gem. § 37 I 2 VSBG Ver-brauchern auch mitteilen, ob sie zur Teilnahme an ei-nem Streitbeilegungsverfahren bei der Schlichtungsstel-le der Rechtsanwaltschaft bereit sind. Dieser Hinweismuss in Textform erfolgen (§ 37 II VSBG, § 126b BGB).

1. INFORMATIONSPFLICHTIGERDiese spezielle Hinweispflicht trifft alle Rechtsanwälte.Im Gegensatz zu der Allgemeinen Informationspflichtnach § 36 VSBG kommt es also nicht auf die Anzahlder Mitarbeiter, die Unterhaltung einer Website, dieVerwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungeno. Ä. an. Diese Informationspflicht besteht auch fürRechtsanwälte, die generell nicht an Streitbeilegungs-verfahren teilnehmen wollen. Sinn und Zweck dieser Re-gelung ist nach der Gesetzesbegründung, dem Verbrau-cher Mühe und ggf. Kosten zu ersparen, die durch dievergebliche Anrufung der Verbraucherschlichtungsstelleentstehen könnten, wenn der Unternehmer ohnehineine Teilnahme an dem freiwilligen Verfahren ablehnt.5

2. INHALT DER INFORMATIONSPFLICHTRechtsanwälte müssen auf die sachlich, örtlich undpersönlich zuständige Verbraucherschlichtungsstelleunter Angabe der Anschrift und Website hinweisen.

Sie müssen darüber informieren, ob sie zur Teilnahmean einem Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungs-stelle der Rechtsanwaltschaft bereit sind. Im Rahmenihrer Hinweispflicht müssen Rechtsanwälte aber nichtprüfen, ob Ablehnungsgründe gegen die Durchführungdes Schlichtungsverfahrens sprechen (§ 4 der Satzungder Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft).

3. ZEITPUNKT SOWIE ART UND WEISE DES HINWEISESRechtsanwälte müssen nach Entstehen einer konkretenStreitigkeit, die nicht beigelegt werden konnte, auf dieSchlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft hinweisen.Der Hinweis muss in Textform erfolgen (§ 37 II VSBG,§ 126b BGB).

4. ADRESSATRechtsanwälte müssen Verbraucher auf die Schlichtungs-stelle der Rechtsanwaltschaft hinweisen. Sie können aberauch Unternehmer darüber informieren (vgl. II.4).

IV. ZUSTÄNDIGE VERBRAUCHERSCHLICHTUNGS-STELLE FÜR RECHTSANWÄLTE

Für vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen Rechts-anwälten und Mandanten aus dem Mandatsverhältnisbis zu einem Wert von 50.000 Euro ist die Schlichtungs-stelle der Rechtsanwaltschaft als Verbraucherschlich-tungsstelle zuständig.

Die Vermittlungsstellen bei den örtlichen Rechts-anwaltskammern sind keine Verbraucherschlichtungs-stellen im Sinne des VSBG, da sie die gesetzlichen An-forderungen an eine Verbraucherschlichtungsstellenicht erfüllen.6 Die oben genannten Hinweispflichtenbetreffen also ausschließlich die Schlichtungsstelle derRechtsanwaltschaft.

V. GRÜNDE FÜR TEILNAHMEBEREITSCHAFT

Weshalb sollten Rechtsanwälte sich bereit erklären, anSchlichtungsverfahren der Schlichtungsstelle der Rechts-anwaltschaft teilzunehmen? Welche Vorteile bietet dasVerfahren für Rechtsanwälte?

Die grundsätzliche Bereitschaft, an einem Schlichtungs-verfahren bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwalt-schaft teilzunehmen, zeigt ein mandantenfreundlichesInteresse an Konfliktlösungen. Sie kann zur Mandanten-zufriedenheit und Mandantenbindung sowie zu einempositiven Image der Rechtsanwälte beitragen.

Da das Anwalts-Mandanten-Verhältnis eine besondereVertrauensbeziehung ist, ist es auch besonders anfäl-lig für Streitigkeiten, die häufig auf Missverständnissenbasieren. Diese lassen sich in einem Schlichtungsver-fahren mit moderatem Aufwand klären. Eine mündlicheVerhandlung findet nicht statt. Es genügt eine schriftli-che Stellungnahme bzw. Schilderung des Sachverhalts.

Ein Schlichtungsvorschlag enthält nicht immer ein ge-genseitiges Nachgeben. Er kann auch eine Empfehlungausschließlich zugunsten einer Partei enthalten, wenndie Voraussetzungen dafür vorliegen, also z.B. „derMandant sollte die Rechnung vollumfänglich bezahlen,da diese berechtigt ist“.

Insbesondere wenn die Anwaltsrechnungen nicht odernicht vollständig vom Mandanten ausgeglichen worden

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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5 BT-Drs. 18/5089, 75. 6 Zum Verfahren bei den Vermittlungsstellen s. Steike, BRAK-Magazin 6/2016, 14 f.

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sind, kann die Durchführung eines Schlichtungsverfah-rens von Interesse für die Rechtsanwälte sein.

Auch Rechtsanwälte können einen Antrag auf Schlich-tung bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaftstellen. Schlichtungsanträge sind gemäß § 204 I Nr. 4BGB grundsätzlich verjährungshemmend, wenn die Be-kanntgabe des Antrages demnächst veranlasst wird.Dies tut die Schlichtungsstelle grundsätzlich, es seidenn, Gründe für die Ablehnung der Durchführung desSchlichtungsverfahrens liegen vor. Dann lehnt die Schlich-tungsstelle den Antrag innerhalb von drei Wochennach Zugang ab.

Nach alledem ist das Schlichtungsverfahren bei derSchlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft eine gute Al-ternative zu einem gerichtlichen Mahnverfahren und/oder Klageverfahren.

VI. MUSTERTEXT BEI TEILNAHMEBEREITSCHAFT

Wenn Rechtsanwälte bereit sind, an Schlichtungsver-fahren teilzunehmen, empfiehlt die Schlichtungsstelleder Rechtsanwaltschaft folgende Formulierungen:

1. Allgemeine Informationspflicht nach § 36 VSBGZuständige Verbraucherschlichtungsstelle:Für vermögensrechtliche Streitigkeiten aus dem Man-datsverhältnis ist die Schlichtungsstelle der Rechts-anwaltschaft, Neue Grünstraße 17, 10179 Berlin,www.s-d-r.org, zuständig.Die Rechtsanwälte … sind grundsätzlich bereit, anStreitbeilegungsverfahren bei der Schlichtungsstelleder Rechtsanwaltschaft teilzunehmen.

2. Informationspflicht nach Entstehen der Strei-tigkeit § 37 VSBGSehr geehrte(r) Frau/Herr …,da eine Beilegung unserer Streitigkeit über … nichtgelungen ist, bin ich gesetzlich verpflichtet, Sie aufdie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzu-weisen. Dies ist dieSchlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft, NeueGrünstraße 17, 10179 Berlin, www.s-d-r.org.Ich bin grundsätzlich bereit, an Schlichtungsverfah-ren bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaftteilzunehmen.

VII. ZUSAMMENFASSUNG

Ab dem 1.2.2017 besteht für alle Rechtsanwälte diePflicht, nach Entstehen einer vermögensrechtlichenStreitigkeit aus dem Mandatsverhältnis – Streit überGebührenrechnungen und/oder Schadensersatzforde-rungen wegen vermeintlicher Schlechtleistung – Man-danten, die Verbraucher sind, auf die Schlichtungsstel-le der Rechtsanwaltschaft und deren Anschrift sowiederen Website hinzuweisen, wenn eine Beilegung die-

ser Streitigkeit nicht ohne Hilfe gelingt. Zwar bestehtkeine Pflicht zur Teilnahme an Schlichtungsverfahrenbei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft, dieRechtsanwälte sind aber verpflichtet, den Mandantenmitzuteilen, ob sie zur Teilnahme an einem Schlich-tungsverfahren bei der Schlichtungsstelle der Rechts-anwaltschaft bereit sind oder nicht.

Für Rechtsanwälte, die mehr als zehn Personen beschäf-tigen und eine Website unterhalten oder AllgemeinenGeschäftsbedingungen verwenden, besteht ab dem1.2.2017 zusätzlich eine Allgemeine Informationspflichtnach § 36 VSBG. Diese Rechtsanwälte müssen auf ihrerWebsite und/oder im Zusammenhang mit ihren All-gemeinen Geschäftsbedingungen auf die Schlichtungs-stelle der Rechtsanwaltschaft und deren Adresse sowieWebsite hinweisen sowie erklären, ob sie bereit sind,an Schlichtungsverfahren bei dieser Schlichtungsstelleteilzunehmen.

Die Erklärung der Teilnahmebereitschaft beinhaltet kei-ne Verpflichtung zur Annahme des konkreten Schlich-tungsvorschlages. Sie ist nur ein Versuch, den Streitmit Hilfe der Schlichtungsstelle außergerichtlich beizu-legen.

Sinn und Zweck der Einführung dieser Informations-pflichten ist die Förderung der alternativen Streitbeile-gung. Es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch die An-zahl der Schlichtungsanträge bei der Schlichtungsstel-le der Rechtsanwaltschaft erhöht.

Vielleicht entwickelt sich die Bereitschaft zur Teilnah-me an einem Schlichtungsverfahren bei einer Verbrau-cherschlichtungsstelle sogar zu einer Art „Gütesiegel“.Jedenfalls dürfte die Teilnahmebereitschaft Vertrauenbei den Mandanten wecken bzw. verstärken und sichdamit positiv auf die Anwalts-Mandanten-Beziehungauswirken.

§ 36 VSBG Allgemeine Informationspflicht7

(1) Ein Unternehmer, der eine Webseite unterhältoder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet,hat den Verbraucher leicht zugänglich, klar und ver-ständlich

1. in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereitist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahrenvor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzuneh-men, und

2. auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstellehinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teil-nahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einerVerbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oderwenn er auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teil-nahme verpflichtet ist; der Hinweis muss Angabenzur Anschrift und Webseite der Verbraucherschlich-tungsstelle sowie eine Erklärung des Unternehmers,an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Ver-braucherschlichtungsstelle teilzunehmen, enthalten.

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUFSÄTZE

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7 Tritt gem. Art. 24 I 2 G v. 19.2.2016 (BGBl. 2016 I, 254) am 1.2.2017 in Kraft.

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(2) Die Informationen nach Absatz 1 müssen1. auf der Webseite des Unternehmens erscheinen,wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält,2. zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäfts-bedingungen gegeben werden, wenn der Unterneh-mer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.(3) Von der Informationspflicht nach Absatz 1 Num-mer 1 ausgenommen ist ein Unternehmer, der am31. Dezember des vorangegangenen Jahres zehnoder weniger Personen beschäftigt hat.

§ 37 VSBG Informationen nach Entstehen derStreitigkeit8

(1) Der Unternehmer hat den Verbraucher auf einefür ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle

unter Angabe von deren Anschrift und Webseitehinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Ver-brauchervertrag durch den Unternehmer und denVerbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Un-ternehmer gibt zugleich an, ob er zur Teilnahme aneinem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbrau-cherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist.Ist der Unternehmer zur Teilnahme am Streitbeile-gungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucher-schlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hater diese Stelle oder diese Stellen anzugeben.

(2) Der Hinweis muss in Textform gegeben werden.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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DAS ENDE DER ÄRA GAIER BEIM BUNDESVERFASSUNGS-GERICHT

RECHTSANWALT PROF. DR. CHRISTIAN KIRCHBERG*

Am 31.10.2016 endete nominell die zwölfjährigeAmtszeit von Prof. Dr. Reinhard Gaier als Bundesver-fassungsrichter. Bereits eine Woche später händigteihm Bundespräsident Gauck die Entlassungsurkundeaus und überreichte ihm, wie das in Fällen dieser Artder Brauch ist, in Anwesenheit des Plenums des Ge-richts das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schul-terband des Verdienstordens der BundesrepublikDeutschland. Zugleich erhielt seine Nachfolgerin, Bun-desrichterin Yvonne Ott, ihre Ernennungsurkunde.

Reinhard Gaier, bis dahin Mitglied des V. Zivilsenatsdes BGH, hatte seine Tätigkeit beim BVerfG im Novem-ber 2004 aufgenommen, als Nachfolger von RenateJaeger und als Nachnachfolger von Thomas Dieterich,der seinerseits Helmut Simon nachgefolgt war. Alle sei-ne Vorgänger im Amt hatten deutliche Spuren auchund gerade im anwaltlichen Berufsrecht hinterlassen,zuvörderst Simon mit den sogenannten Bastille-Beschlüs-sen vom 14.7.1987 zu den Richtlinien des anwaltlichenStandesrechts,1 Dieterich etwa mit der Zweitberufsent-scheidung vom 4.11.19922 und vor allem Jaeger, diedie Liberalisierung des anwaltlichen Berufsstandes „vonVerfassungs wegen“ mit besonderem Engagement undNachdruck betrieben hatte; dafür stehen beispielhaftdie Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der Singu-larzulassung beim Oberlandesgericht3 und der Sozie-tätswechsel-Beschluss vom 3.7.2003.4 Aufgrund der

beim Ersten Senat des BVerfG üblichen weitgehendenKontinuität der Zuständigkeiten trat Gaier also ein he-rausforderndes Erbe an, das in den ersten Jahren seinerTätigkeit auch darin zum Ausdruck kam, dass er immerwieder (nur) als „Nachfolger von Renate Jaeger“ apo-strophiert wurde.

Das änderte sich spätestens mit dem Engagement vonReinhard Gaier als Berichterstatter in den Fällen Erfolgs-honorarvereinbarung5 und Streitwertkappung.6 Wäh-rend ihm der Senat in dem erstgenannten Fall nochfolgte und ausnahmsweise das Verbot des Erfolgs-honorars als unvereinbar mit der Garantie der Berufs-freiheit (Art. 12 GG) einstufte, musste Gaier bei dernur kurze Zeit später anstehenden Entscheidung überdie Verfassungsmäßigkeit der 2006 (aus durchsichti-gen Motiven: Erstattungsansprüche gegen die öffent-liche Hand unter anderem aufgrund des Wyhl-Prozes-ses) gesetzlich verfügten Gebührenbegrenzung durchStreitwertkappung eine herbe Niederlage hinnehmen:

Die Senatsmehrheit schloss entgegen seinem Votumbereits einen Eingriff in die Berufsfreiheit aus und er-klärte die gesetzliche Neuregelung auch im Übrigenfür verfassungskonform. Gaier blieb danach nichts an-deres übrig, als seine Position mit einem umfangrei-chen Dissenting Vote zu markieren, das dem Senateine Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zurberufsrechtlichen Relevanz von (anwaltlichen) Gebüh-renregelungen und außerdem vorwarf, im konkreten

8 Tritt gem. Art. 24 I 2 G v. 19.2.2016 (BGBl. 2016 I, 254) am 1.2.2017 in Kraft.

* Der Autor ist Vorsitzender des Verfassungsrechts- und des Menschenrechts-ausschusses der BRAK.

1 BVerfGE 76, 171 und 196.2 BVerfGE 87, 287.3 Urt. v. 13.12.2000, BVerfGE 103, 1.

4 BVerfGE 108, 150.5 Beschl. v. 12.12.2006, BVerfGE 117, 163.6 Beschl. v. 13.2.2007, BVerfGE 118, 1.

KIRCHBERG, DAS ENDE DER ÄRA GAIER BEIM BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

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Zusammenhang auch die Bedeutung des Gleichheits-satzes verkannt zu haben.

Ansonsten hielt sich Reinhard Gaier mit Dissenting Vo-tes vergleichsweise zurück. Besonders augenfällig istseine abweichende Meinung allerdings noch einmalbei der Plenumsentscheidung vom 3.7.20127 zum Luft-sicherheitsgesetz bzw. zum Einsatz der Streitkräfte imInland mit militärischen Mitteln geworden. Dies warvom Ersten Senat in seiner Entscheidung zur „Abschuss-erlaubnis“ nach § 14 III LuftSiG8 noch ausdrücklichmangels (eindeutiger) grundgesetzlicher Ermächtigungausgeschlossen, vom Plenum jedoch nunmehr unterbestimmten Voraussetzungen zugelassen worden.

Gaier rügte daraufhin – als einziger – mit seiner davonabweichenden Meinung die Rolle als (verfassungs-ändernder) „Ersatzgesetzgeber“, die sich das BVerfGbzw. die Plenumsmehrheit insoweit angemaßt habe,zumal dies der geschichtlich begründeten „Absage anden deutschen Militarismus“ und den daraus folgenden,eindeutig aus dem Grundgesetz ablesbaren Restriktio-nen der „Notstandsverfassung“ widerspreche bzw. da-rüber hinausgehe. Wer daran etwas ändern wolle,müsse sich, so Gaier, „… nicht nur der öffentlichenpolitischen Debatte stellen, sondern auch die zu einerVerfassungsänderung erforderlichen parlamentari-schen Mehrheiten (Art. 79 II GG) für sich gewinnen“.Er blieb und bleibt in diesem Zusammenhang jedochein „einsamer Rufer in der Wüste“; und gerade die ak-tuellen Initiativen im Zusammenhang mit der Abwehrund Bekämpfung des (internationalen) Terrorismuskönnten seine, Gaiers, Befürchtung bestätigen, mit demPlenumsbeschluss vom 3.7.2012 werde der Weg zur„Umgestaltung der Regelungen des Katastrophennot-standes hin zu einer subsidiären allgemeinen Gefahren-abwehr mit militärischen Waffen“ geebnet.

Zurück zum anwaltlichen Berufsrecht. Es hat wesent-lichen Anteil an den Senatsentscheidungen gehabt, dieReinhard Gaier als Berichterstatter zu Art. 12 GG vor-bereitet hat bzw. zu verantworten hatte. Es nimmt da-her nicht wunder, dass von den fünf Senatsentschei-dungen, die die Pressemitteilung des BVerfG vom7.11.2016 aus Anlass des Ausscheidens von Gaier ausdem Amt als Richter des Bundesverfassungsgerichtsbeispielhaft hervorhob, allein drei das anwaltliche Be-rufsrecht anbetreffen, nämlich die bereits angespro-chene Erfolgshonorar-Entscheidung vom 12.12.20069

sowie die Entscheidungen zur Erweiterung der interpro-fessionellen Zusammenarbeit von Rechts- und Patent-anwälten10 und zur Verfassungswidrigkeit des Verbotsder Partnerschaftsgesellschaften von Rechtsanwältenmit Ärzten und Apothekern.11

Die übrigen Senatsentscheidungen zum anwaltlichenBerufsrecht aufzulisten, an denen Gaier als Bericht-

erstatter beteiligt war, würde den Rahmen dieser Wür-digung sprengen. Und das gilt auch für die Vielzahleinschlägiger Kammerbeschlüsse, wobei dort interes-santerweise erneut durchaus ein Schwerpunkt bei denverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der An-waltsvergütung auszumachen ist, etwa zur Willkürlich-keit der Streitwertfestsetzung in Ehesachen,12 zur Un-angemessenheit einer Honorarvereinbarung bei Über-schreiten des Fünffachen der gesetzlichen Gebühr13

sowie zur Verletzung der Berufsfreiheit wegen Verwei-gerung der Festsetzung und Auszahlung der Pflichtver-teidigervergütung,14 wegen Vorenthaltung eines Vor-schusses nach § 51 I RVG für Pflichtverteidiger in außer-gewöhnlich umfangreichen Strafverfahren15 und etwawegen der mehrfachen Minderung der Rechtsanwalts-vergütung im sozialgerichtlichen Verfahren,16 um nureinige einschlägige Rechtsprechungsbeispiele zu nen-nen.

Reinhard Gaier hat sich auch immer bereitwillig als Re-ferent und Diskussionsteilnehmer bei Veranstaltungenzum anwaltlichen Berufsrecht zur Verfügung gestellt.Als „opus maximum“ seiner intensiven und vor allemauch literarischen Befassung mit dieser Materie ist dieunter dem Titel „Anwaltliches Berufsrecht“ mit ChristianWolf und Stephan Göcken herausgegebene, gewichti-ge Kommentierung aller insoweit einschlägigen gesetz-lichen und satzungsmäßigen Regelungen anzusehen;für 2017 ist bereits deren 3. Auflage angekündigt.

Reinhard Gaier hat sich darüber hinaus auch intensivam rechtspolitischen Diskurs beteiligt, in letzter Zeitinsbesondere hinsichtlich der Frage der außergericht-lichen Streitschlichtung (vgl. etwa seinen Beitrag zu„Schlichtung, Schiedsgericht, staatliche Justiz – DreiAkteure in einem System institutioneller Rechtsverwirk-lichung“17). Die Zusammenarbeit speziell mit den Ver-fassungsrechtsausschüssen von BRAK und DAV hatGaier regelmäßig gesucht, auch und gerade bei derEinholung von Stellungnahmen zu anhängigen Verfah-ren nach § 27a BVerfGG, und die Expertise dieser Aus-schüsse wiederholt ausdrücklich als hilfreich und ziel-führend eingestuft. Die Anwaltschaft ist gespannt, obund inwieweit seine Nachfolgerin, Frau Richterin desBundesverfassungsgerichts Yvonne Ott, diese Traditionaufgreifen und ob sie zu den gleichen Einschätzungengelangen wird.

Reinhard Gaier gebührt jedoch auf jeden Fall großerDank und Anerkennung für sein Engagement im Be-reich des anwaltlichen Berufsrechts, vornehmlich alsRichter des BVerfG, aber auch als Kommentator, sowieaufgrund seiner Beiträge im einschlägigen Schrifttumund schließlich als Vortragender und Diskussionsteil-nehmer im Rahmen einer Vielzahl von Veranstaltungenunterschiedlichster Anwaltsorganisationen.

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUFSÄTZE

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7 BVerfGE 132, 1.8 Urt. v. 15.2.2006, BVerfGE 115, 118.9 BVerfGE 117, 163.

10 Beschl. v. 14.1.2014, BVerfGE 135, 90.11 Beschl. v. 12.1.2016, BGBl. I 2016, 244.

12 Beschl. v. 12.10.2009, BVerfGK 16, 294.13 Beschl. v. 15.6.2009, BVerfGK 15, 559 = BRAK-Mitt. 2009, 172.14 Beschl. v. 4.5.2009, BVerfGK 15, 413 = BRAK-Mitt. 2009, 176 Ls.15 Beschl. v. 1.6.2011, NJW 2011, 3079.16 Beschl. v. 19.8.2011, AnwBl. 2011, 867.17 Gaier, NJW 2016, 1367.

KIRCHBERG, DAS ENDE DER ÄRA GAIER BEIM BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

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PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS –EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS*

In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentierendie Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungenzum anwaltlichen Haftungsrecht.

HAFTUNG

DRITTHAFTUNG DES ANWALTS GEGENÜBERGESETZLICHEM VERTRETER DES MANDANTEN?

Ist Gegenstand des mit einem Anwalt geschlosse-nen Beratungsvertrags die Beratung für Entschei-dungen des Mandanten, hat der Anwaltsvertrag imAllgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten des(gesetzlichen) Vertreters des Mandanten für Ver-mögenseinbußen des Vertreters, die darauf zurück-zuführen sind, dass dem Vertreter im Zusammen-hang mit dem Gegenstand der anwaltlichen Bera-tung zu Recht oder zu Unrecht eigene Pflichtverlet-zungen vorgeworfen werden.

BGH, Urt. v. 21.7.2016 – IX ZR 252/15, WM 2016, 1601;

ZIP 2016, 1586; MDR 2016, 1138

Kläger ist der frühere Ministerpräsident des LandesBaden-Württemberg (nachfolgend Land oder B.-W.).Dieser macht Schadensersatzansprüche gegen die be-klagten Rechtsanwälte geltend, die das Land im Zu-sammenhang mit dem Rückkauf von Aktien der EnBWAG beraten hatten. Der Rückkauf erfolgte Ende 2010nach einer Zustimmungserklärung des baden-württem-bergischen Finanzministers nach Art. 81 der baden-württembergischen Landesverfassung (nachfolgend: LV)ohne vorherige Ermächtigung des baden-württember-gischen Landtags. Der baden-württembergische Staats-gerichtshof stellte mit Urteil vom 6.10.2011 fest, dasshierdurch das Recht des Landtags aus Art. 79 VerfBWverletzt worden sei. Der Landtag richtete einen Unter-suchungsausschuss ein. Gegen den Kläger wurde sei-tens der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahrenwegen Untreue eingeleitet, das 2014 gem. § 170 IIStPO eingestellt wurde. Er macht geltend, ihm sei durchdie Beratung der Beklagten, die ihn nicht hinreichendüber die Risiken im Zusammenhang mit dem Not-bewilligungsrecht nach Art. 81 VerfBW belehrt hätten,ein Schaden in Form der Kosten für die Verteidigungim Ermittlungsverfahren und von Vermögenseinbußenaufgrund der Beendigung eines zwischenzeitlich ein-gegangenen privaten Dienstverhältnisses entstanden.Die Beklagten bestritten u.a. den Vorwurf einer anwalt-lichen Falschberatung. Die Klage blieb in allen drei In-stanzen erfolglos.

Der Kläger sei weder persönlich Mandant der Kanzleigewesen, noch gebe es eine ausdrückliche Vereinbarungüber eine Einbeziehung des Klägers in den Schutz-bereich des mit dem Land abgeschlossenen Mandats-vertrages. Eine Einbeziehung in den Schutzbereich er-gebe sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertrags-auslegung. Für eine solche stillschweigende Einbezie-hung müssten folgende Kriterien erfüllt sein: Der Drittemüsse mit der Hauptleistung des Rechtsanwalts be-stimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubigermüsse ein schutzwürdiges Interesse an der Einbezie-hung des Dritten in den Schutzbereich des Mandats ha-ben. Die Einbeziehung Dritter müsse dem schutzpflichti-gen Berater bekannt oder für ihn zumindest erkennbarsein. Ausgeschlossen sei ein Drittschutz regelmäßigdann, wenn der Dritte aufgrund des gegenständlichenSachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertrag-lichen Anspruch verfüge.1 Das Berufungsgericht habedas Vorliegen eines Drittschutzes in revisionsrechtlichnicht zu beanstandender Weise verneint.

Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter habeeinen engen Anwendungsbereich. Bei Rechtsberatungs-verträgen (mit Anwälten oder Steuerberatern) sei einsolcher bislang insbesondere bei folgenden Fallgruppenbejaht worden: Die Beratungsleistung sei auch dazu be-stimmt, dass ein Dritter sie als Grundlage für eine eige-ne Vermögensdisposition verwenden oder ihm auf de-ren Grundlage ein Vermögensvorteil zugewendet wer-den solle.2 Oder die Beratung sei auch dazu bestimmt,dass der Dritte konkrete, ihn persönlich treffende Hand-lungsgebote einhalten und so eine persönliche Haftunggegenüber Außenstehenden vermeiden könne.3

Mit diesen Konstellationen sei das vorliegende Mandatnicht vergleichbar. Gegenstand des Mandats sei dieBeratung des Landes zu einer vom Land zu treffendenEntscheidung gewesen. Ein solches Mandat begründeregelmäßig kein Näheverhältnis für den Vertreter desMandanten. Auch habe der Mandant in solchen Fällenim Allgemeinen kein Interesse an einer Einbeziehungseines Vertreters in den Schutzbereich des Anwaltsver-trags, sondern vielmehr ein Interesse daran, vor Fehlernund Pflichtverletzungen seines Vertreters geschützt zuwerden.

Eine Gefahr von Vermögensschäden bestehe für denVertreter typischerweise nur dann, wenn ihm eigenePflichtverletzungen im Rechtsverhältnis zum Mandan-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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* Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar beider Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt undFachanwalt für Versicherungsrecht in München.

1 St. Rspr., zuletzt etwa BGH, MDR 2016, 272.2 Z.B. Haftung gegenüber Gesellschaftern der beratenen Gesellschaft (z.B. BGH,

NJW 1983, 1053; NJW 1993, 1139); erbrechtliche Beratung (BGH, NJW 1965,1955).

3 Z.B. steuerliche oder insolvenzrechtliche Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers(BGH, MDR 2011, 1471, m. Anm. Chab, BRAK-Mitt 2012, 25; MDR 2012, 1089).

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ten – ob zu Recht oder Unrecht – vorgeworfen würden.Insoweit sei der Vertreter aber schon dadurch ausrei-chend geschützt, dass bereits der dem Mandanten er-teilte Rechtsrat zu einer Verbesserung seiner Positionführe. Befolge der Vertreter den erteilten Rat, minderedies sein eigenes Haftungsrisiko bis hin zu einem mög-lichen Ausschluss eines Verschuldens. Regelmäßig be-stünden keine Schutzpflichten des Mandanten zuguns-ten seines Vertreters für dessen Handeln; vielmehrhabe typischerweise der Vertreter die Aufgabe, die Ver-mögensinteressen des von ihm Vertretenen zu schüt-zen.

Das Anwaltsmandat habe auch keine Schutzpflichtender Kanzlei im Hinblick auf das allgemeine Persönlich-keitsrecht des Klägers begründet. Das Mandat habeallein vermögensrechtliche Entscheidungen des Man-danten betroffen. Eine Schutzwirkung zugunsten Dritterkönne nicht weiter reichen als die gegenüber demMandanten bestehenden Pflichten.

Über die Frage, ob die von der Kanzlei erteilte Bera-tung zutreffend und ausreichend war, musste der BGHsomit nicht mehr entscheiden.

Der Entscheidung ist trotz Kritik in der Literatur4 zuzu-stimmen. Der für die Anwaltshaftung zuständige IX. Zi-vilsenat hat die Entscheidung des Berufungsgerichts5

bestätigt, wonach es sich beim Vertrag mit Schutz-wirkung zugunsten Dritter insbesondere in dem sensi-blen Bereich der Rechtsberatung wegen des im Regel-fall streng zweiseitigen, ohne Außenwirkung angeleg-ten Anwaltsmandats und des daraus resultierendenVertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Anwaltum ein Ausnahmeinstitut handle. Diese Klarstellung istinsbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Ent-scheidung des X. Zivilsenats des BGH6 zu begrüßen,in der eine Garantenpflicht des Anwalts gegenüberdem Gegner des Mandanten bejaht wurde. Eine solcheAusweitung der Dritthaftung, die zu massiven Proble-men im Hinblick auf die anwaltliche Verschwiegen-heitspflicht nach § 43a II BRAO und das Verbot derVertretung widerstreitender Interessen nach § 43a IVBRAO führt, ist abzulehnen.7 (hg)

BERATUNGSPFLICHTEN DES ANWALTS IMRECHTSSCHUTZVERSICHERTEN MANDAT

Der Anwalt muss auch einem rechtsschutzversicher-ten Mandanten von der Erhebung einer objektivaussichtslosen Klage oder Berufung abraten. DerAnwalt muss in einem solchen Fall auch von einerDeckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer desMandanten abraten.

OLG Hamm, Urt. v. 18.2.2016 – 28 U 73/15

Nach dem OLG Düsseldorf hat nun auch das OLGHamm entschieden, dass ein Anwalt bei objektiver

Aussichtslosigkeit einer vom Mandanten gewünschtenRechtsverfolgung nicht nur dem Mandanten trotz desBestehens einer Rechtsschutzversicherung von derRechtsverfolgung abraten, sondern sich auch dagegenaussprechen müsse, für eine aussichtslose Rechtsverfol-gung beim Rechtsschutzversicherer um Kostendeckungnachzusuchen. Auf die Besprechungen der Entschei-dungen des OLG Düsseldorf wird verwiesen.8 (hg)

FRISTEN

GRUNDLAGEN DER BEILÄUFIGEN FRISTENKONTROLLE

1. Eine einmal abgelaufene Berufungsbegründungs-frist kann nachträglich nicht verlängert werden.

2. Kann die Frist entweder aufgrund der Mandanten-unterlagen oder durch Rückfrage beim erstinstanz-lichen Prozessbevollmächtigten ermittelt werden,muss die Quelle der Fristberechnung mit der Fristin der Handakte vermerkt werden, um dem Prozess-bevollmächtigten eine Kontrolle zu ermöglichen.(eigene Leitsätze)

BGH, Beschl. v. 19.7.2016 – II ZB 3/16

Das Urteil war den erstinstanzlichen Prozessbevoll-mächtigten am 9.4. zugestellt worden, die Fristenwurden den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtig-ten zutreffend mitgeteilt. Dieses Schreiben wurde dortin einer bereits während der ersten Instanz angelegtenHandakte abgeheftet. Für die zweite Instanz wurdeeine neue Handakte angelegt. Der Bürovorsteher no-tierte aus nicht nachvollziehbaren Gründen auf der inder neuen Handakte angehefteten Urteilskopie, dassdie angefochtene Entscheidung laut Mitteilung der erst-instanzlichen Prozessbevollmächtigten am 14.4. zuge-stellt worden sei.

Berufung wurde rechtzeitig eingelegt, erst am 15.6.ging ein Fristverlängerungsantrag für die Berufungs-begründung bei Gericht ein. Der Vorsitzende verlän-gerte die Frist, wies aber zugleich darauf hin, dass dieFrist bereits abgelaufen sei. Die Berufung wurde in derFolge als unzulässig verworfen, der Wiedereinset-zungsantrag zurückgewiesen.

Zunächst einmal stellte sich die Frage, wieso eine Frist-versäumung vorlag, obwohl doch der Schriftsatz inner-halb der vom Vorsitzenden verlängerten Frist einging.Der Senat bestätigt hier die ständige BGH-Rechtspre-chung, dass eine einmal abgelaufene Frist nicht mehrverlängerbar ist, die Fristverlängerung somit quasi insLeere geht.

Der Senat gewährte auch keine Wiedereinsetzung. Erstellt hier sehr hohe Anforderungen an die Fristenkon-trolle. Bei Berufungseinlegung war der Prozessbevoll-mächtigte verpflichtet, die Berechnung auch der Beru-fungsbegründungsfrist zu überprüfen. Dies erfolgt übli-cherweise anhand der Notierungen in der Handakte.

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUFSÄTZE

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4 Ramm, BRAK-Mitt. 2016, 211.5 OLG Stuttgart, Urt. v. 17.11.2015 – 12 U 41/15, BeckRS 2016, 11432.6 BGH, Urt. v. 1.12.2015 – X ZR 170/12, MDR 2016, 602.7 Vgl. Grams, BRAK-Mitt. 2016, 173 m.w.N.; s. auch BGH, NJW 2009, 3297,

Rn. 42.

8 OLG Düsseldorf, NJW 2014, 399, Bespr. Grams, BRAK-Mitt. 2013, 222; OLGDüsseldorf, Urt. v. 4.7.2016 – 9 U 102/14, Bespr. Grams, BRAK-Mitt. 2016, 223.

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Üblicherweise ist die Zustellung auf dem Urteil notiert,hieraus lässt sich die Frist errechnen. Der Postein-gangsstempel ist dabei in der Regel nicht maßgeblich,sondern das auf dem Empfangsbekenntnis notierteDatum. Dieses muss der Prozessbevollmächtigte fürdie Berechnung zugrunde legen.

Sofern das Urteil einem anderen Anwalt – wie hier dererstinstanzlich beauftragten Kanzlei – zugestellt wor-den ist, muss die Berechnung anhand deren Informa-tion erfolgen. Folgerichtig bestand hier eine Weisung,nach der das Zustellungsdatum zu erfragen sei, wennes sich nicht zweifelsfrei aus den vom Mandantenübermittelten Unterlagen ergibt. Die in der Handakteabgeheftete Urteilskopie enthielt keinen Eingangsstem-pel oder sonstigen Hinweis auf die Zustellung, sondernlediglich den Vermerk des Bürovorstehers, dass Zustel-lung laut Mitteilung der erstinstanzlichen Prozess-bevollmächtigten am 14.4. erfolgt sei.

Der Senat meint, der Prozessbevollmächtigte hätte aufdie Richtigkeit dieses Vermerks nicht vertrauen dürfen.Die beiläufige Fristenprüfung erfordere es, dass derVermerk einen Hinweis enthalte, ob das Zustelldatumtelefonisch erfragt oder aus einer bereits vorliegendenUnterlage entnommen wurde. Der Vermerk muss alsodie „Quelle“ der Fristberechnung enthalten.

Diese Anforderung ist zu weitgehend. Sofern das Zustel-lungsdatum telefonisch erfragt wird, muss der Prozess-bevollmächtigte darauf vertrauen dürfen, dass der Mit-arbeiter diese telefonische Auskunft zutreffend notiert;ein Fehler dabei führt nicht zu einem Versagen der Bü-roorganisation. Wenn nun, wie hier, das Zustelldatumversehentlich fehlerhaft von einem Schriftstück aufdas andere übertragen wird, muss dasselbe gelten,auch hier muss der Anwalt vertrauen können. Ansons-ten wird die Möglichkeit der Delegation einzelner Auf-gaben vom Anwalt an das Büropersonal irgendwannobsolet. (ju)

ABSTURZ AUS DER POSTAUSGANGSKISTE

Die Postausgangskiste eines Prozessbevollmächtig-ten gehört zu dessen organisatorischem Verantwor-tungsbereich und ist nicht bereits Teil des Postwegs.

BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 40/15, MDR 2016, 1282

Die Berufungsbegründung gegen das am 28.7. zu-gestellte Urteil sollte sehr rechtzeitig am 8.9. per Postversandt werden. Sie wurde auch kuvertiert, frankiertund in die für die Briefpost vorgesehene Postausgangs-kiste gelegt. Wie sich bei der Suche im Nachhineinherausstellte, war sie allerdings aus der Kiste „abge-stürzt“ und hinter das Regal des Postfaches gerutscht.

Die Rechtsbeschwerde machte geltend, dem Klägerkönne ein Verschulden während des Transportvor-gangs nicht zugerechnet werden. Hierzu weist der Se-nat zurecht darauf hin, dass das Schriftstück sich nochnicht im Verantwortungsbereich der Post befand, son-dern noch beim Prozessbevollmächtigten. Dies ist vonder Frage, wann die Frist gestrichen werden darf, un-

abhängig: Die Streichung darf schon mit dem Einlegenins Postausgangsfach erfolgen.9

Der Senat lässt die Wiedereinsetzung aus zwei weite-ren Gründen scheitern: Zum einen war die Postaus-gangskiste nach Schilderung des Prozessbevollmäch-tigten häufiger überfüllt, so dass eine weitere Postkistehätte vorgehalten werden müssen, um einen Verlust zuvermeiden. Zudem scheint auch der Vortrag zum Ver-sandfertigmachen des Schriftstücks lückenhaft gewe-sen zu sein. Es muss in jedem Fall gewährleistet sein,dass die Postausgangskiste „letzte Station“ auf demWeg zum Adressaten ist. Jegliche Gefahr des Verblei-bens in der Kanzlei – und sei es auch hinterm Regal –muss daher gebannt werden. (ju)

KONTROLLE FAXNUMMER

Überträgt eine Kanzleiangestellte die anzuwählendeTelefaxnummer des Gerichts aus einem in der Aktebefindlichen Schreiben des Gerichts in einen frist-gebundenen Schriftsatz, erfordert die Ausgangskon-trolle, die Richtigkeit der gewählten Nummer auchnochmals darauf zu kontrollieren, ob sie tatsächlicheinem Schreiben des Empfangsgerichts entnommenwurde (Anschluss an BGH, Beschl. v. 14.10.2010 –IX ZB 34/10, NJW 2011, 312).

BGH, Beschl. v. 26.7.2016 – VI ZB 58/14, MDR 2016, 1285

Die Anforderungen an die Kontrolle der zutreffendenFaxnummer sind im Lauf der Zeit immer strenger ge-worden. Der Abgleich der tatsächlich gewählten Num-mer muss nicht nur mit dem zu faxenden Schriftstückselbst erfolgen, sondern es muss darüber hinaus kon-trolliert werden, ob die auf dem Schriftsatz befindlicheNummer die richtige ist. Der verantwortliche Mitarbeitermuss also bei Kontrolle des Sendeberichts auch über-prüfen, ob die Faxnummer einer verlässlichen Quelleentnommen wurde.10 Eine verlässliche Quelle kann einSchriftstück des Empfangsgerichts sein,11 aber auchein anerkanntes Telefonverzeichnis wie „Das Örtliche“der Deutschen Telekom.12

Der VI. Zivilsenat greift diese Vorgehensweise auf: Essei zu fordern, dass auch bei der Entnahme der Telefax-nummer des Empfangsgerichts aus der Akte den Grund-sätzen der selbständigen Prüfung der Empfängernum-mer folgend eine zweifache Prüfung durchgeführt wer-de. Schritt 1: Prüfung, ob die gewählte Nummer mitder im Schreiben enthaltenen übereinstimmt, Schritt 2:Prüfung, ob es sich bei dem Schreiben tatsächlich umein solches des Empfängers handelt.

Die Anweisung des Prozessbevollmächtigten lautetedahingehend, die Zuordnung der Telefaxnummer „an-hand des letzten in der Akte befindlichen Schreibensdieses Gerichts“ abzugleichen. Das hält der Senatnicht für ausreichend. Der Rechtsanwalt selbst müssedas Empfangsgericht bezeichnen. Dies sei erforderlich,

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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9 BGH, NJW 2011, 2051.10 BGH, Beschl. v. 27.8.2014 – XII ZB 255/14; NJW 2014, 1390.11 BGH, Beschl. v. 11.11.2009 – XII ZB 117/09.12 BGH, NJW 2007, 996.

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

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da durch die zunehmende Vereinheitlichung des äuße-ren Erscheinungsbildes der Entscheidungen und Schrei-ben der Gerichte die Gefahr bestehe, dass das Gerichtder Vorinstanz gewählt werde. Wiedereinsetzung wur-de daher nicht gewährt.

Das ist nicht recht verständlich, denn welches Gerichtangeschrieben wird, ergibt sich ja zwingend aus demAdressfeld des Schriftsatzes, und die Richtigkeit desEmpfängers auf dem Schriftsatz hat der Prozessbevoll-mächtigte ja ohnehin vor Unterzeichnung zu überprü-fen. Dass der Mitarbeiter dann ein Schreiben des imSchriftsatz genannten Gerichts eigenverantwortlich he-raussucht, dürfte ihn nicht überfordern. Das ist nichtmehr Aufgabe des Anwalts. (ju)

WEITERLEITUNG DER RECHTSMITTELBEGRÜNDUNGS-SCHRIFT

Zu den Anforderungen an die Weiterleitung einerbeim unzuständigen Gericht eingereichten Rechts-mittelbegründungsschrift.

BGH, Beschl. v. 27.7.2016 – XII ZB 203/15, FamRZ 2016, 1762

In einer Familiensache wurde gegen die Entscheidungdes AG Waren (Müritz) zunächst Beschwerde beim AGeingelegt, dann ging allerdings auch der Begründungs-schriftsatz beim AG statt beim zuständigen OLG Rostockein, und zwar Dienstag, den 20.1.2015, per Fax. Die Be-schwerdebegründungsfrist lief am Montag, den 26.1.2015, ab. Obwohl der Schriftsatz vom AG an das OLGweitergeleitet wurde, ging er dort nicht rechtzeitig ein.

Der BGH führt aus, dass das erstinstanzliche Gericht insolchen Fällen grundsätzlich verpflichtet sei, den Schrift-satz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmit-telgericht weiterzuleiten. Wenn ohne weiteres erwartetwerden könne, dass noch genügend Zeit zur Weiterlei-tung bestehe, dürfe die Partei bzw. deren Prozessbevoll-mächtigter auch darauf vertrauen, dass der Schriftsatznoch rechtzeitig beim zuständigen Gericht eingeht. Sowurde in einem Fall Wiedereinsetzung gewährt, indem die Weiterleitung durch den Vorsitzenden erst15 Tage nach Eingang des Schriftsatzes verfügt wurde,die übliche Postlaufzeit zwischen den Gerichten dortkonkret aber lediglich zwei Tage betragen hätte.13 Zwi-schen Waren und Rostock besteht ein Kurierdienst, der– so kann man es dem Urteil mittelbar entnehmen –wohl lediglich einmal wöchentlich zwischen den Ge-richten pendelt. Auch dies entspricht nach Ansicht desBGH einem ordentlichen Geschäftsgang. Der Prozess-bevollmächtigte habe nicht erwarten dürfen, dass dieBegründung pünktlich bis zum 26.1.2015 beim OLGeingehen würde. Auch sei das Gericht nicht verpflich-tet, den Fristablauf zu prüfen, um ihn als besonders ei-lig per Fax weiterzuleiten oder die Beschwerdeführerintelefonisch zu informieren.

Letztlich ist es also Glückssache, ob Schriftsätze durchnicht zuständige Gerichte rechtzeitig weitergeleitetwerden oder nicht. Wiedereinsetzung ist nur in extre-

men Ausnahmefällen zu bekommen. Wenn der Anwaltschon nicht erwarten darf, dass die Weiterleitung in-nerhalb einer Woche klappt, was darf er dann erwar-ten? Der „ordentliche Geschäftsgang“ ist ihm seltengenauer bekannt und wie die interne Organisationbei Gericht tatsächlich geregelt ist, kann eigentlichauch keine bestimmte Erwartungshaltung beeinflus-sen. Darf man in München etwas anderes erwartenals an der Müritz? Wenn ja, was? Hier wäre es ehr-licher, einmal klar zu definieren, was man ohne Berück-sichtigung der Besonderheiten vor Ort wirklich objektiverwarten darf und was nicht. Wenn man von Anwältenerwartet, dass sie täglich die Post qualifiziert durch-sehen und Fristen peinlichst genau zu beachten haben,sollte man in Zeiten von Fax, Mail und beA zumindestauch von Gerichten erwarten können, einen falsch zu-geleiteten Schriftsatz innerhalb von sechs Tagen weiter-zuleiten. Anwälte haften, wenn ihnen hier Fehler unter-laufen; Gerichte würden lediglich Wiedereinsetzung inden vorigen Stand zu gewähren haben. (bc)

ABENDLICHE FRISTENKONTROLLE

Zur Ausgangskontrolle von per Telefax zu übermit-telnden fristgebundenen Schriftsätzen gehört nebender Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Frist imFristenkalender nach Übermittlung des Telefaxeserst dann gestrichen werden darf, wenn anhanddes Sendeberichts und gegebenenfalls des Inhaltsder Akte geprüft worden ist, ob die Übermittlungvollständig und an den richtigen Empfänger erfolgtist, außerdem die Anordnung, dass am Ende einesjeden Arbeitstags eine Bürokraft damit beauftragtwird zu überprüfen, ob überhaupt ein Sendeberichtvorliegt; einer – erneuten – inhaltlichen Überprü-fung des Sendeberichts bedarf es bei dieser Erledi-gungskontrolle hingegen nicht (Anschluss an BGH,Beschl. v. 26.4.2012 – V ZB 45/11, Rn. 12)

BGH, Beschl. v. 10.8.2016 – VII ZB 17/16, MDR 2016, 1284

Ein Berufungsschriftsatz sollte per Fax abgesandt wer-den. Obwohl die dafür zuständige Bürokraft angewie-sen war, die Frist erst nach Kontrolle des Sende-berichts zu streichen, wurde die Frist offenbar gestri-chen, ohne dass der Sendebericht vorlag. So fiel auchbei der abendlichen Fristenkontrolle nicht auf, dassder Schriftsatz versehentlich gar nicht abgesandt wur-de. Der Prozessbevollmächtigte machte geltend, dasser durch entsprechende Anweisung dafür Sorge getra-gen habe, dass die Fristen erst gelöscht werden dürf-ten, wenn Sendebericht und OK-Vermerk geprüft seien,und begehrte daher für seine Partei Wiedereinsetzungin den vorigen Stand. Das Berufungsgericht wies denAntrag schon deshalb zurück, weil nicht glaubhaft ge-macht worden sei, dass die Anordnung bestehe, dieordnungsgemäße Absendung des Faxes nicht nur an-hand des Sendeberichts, sondern auch anhand derAkte selbst zu überprüfen. Das hält der BGH für über-zogen. Einer zusätzlichen Überprüfung anhand derAkte bedürfe es an dieser Stelle nicht. Allerdings seidie abendliche Fristenkontrolle nicht ordnungsgemäß

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUFSÄTZE

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13 BGH, NJW 2006, 3499.

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

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organisiert. Am Ende eines jeden Arbeitstages müsseeine damit beauftragte Bürokraft anhand des Fristen-kalenders überprüfen, ob tatsächlich alle Fristen erle-digt seien. Dabei sei, gegebenenfalls anhand der Akte,noch einmal zu überprüfen, ob die fristgebundenenSchriftsätze tatsächlich abgesandt worden seien. Dashat bereits der II. Zivilsenat14 in diesem Jahr so ent-schieden, dabei aber ausdrücklich darauf hingewiesen,dass eine vollständige Überprüfung des Sendeberichtsbei dieser Gelegenheit nicht verlangt wird, sondern nurdie Kontrolle, ob überhaupt ein Protokoll vorliegt. Einevollständige Überprüfung hatten zuvor andere Senategefordert.15 Möglicherweise rudert der BGH insgesamthier also etwas zurück, verlangt aber in jedem Fall wei-terhin eine Art „qualifizierte abendliche Fristenkontrol-le“, die sich keinesfalls darauf beschränken darf, alleinden Fristenkalender daraufhin anzusehen, ob auch alleFristen des Tages gestrichen sind. Deshalb wurde auchhier der Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis zurück-gewiesen. Man wird sich also auf eine solchermaßenqualifizierte Kontrolle einlassen müssen, will man nichtan einem Organisationsfehler scheitern. (bc)

ERGÄNZUNG DES VORTRAGS IM WIEDEREINSETZUNGS-VERFAHREN

Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige An-gaben in einem Wiedereinsetzungsantrag, derenAufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre,können nach Fristablauf mit der Rechtsbeschwerdeergänzt werden (Anschluss BGH, Beschl. v. 25.9.2013 – XII ZB 200/13, Rn. 9)

BGH, Beschl. v. 16.8.2016 – VI ZB 19/16, NJW 2016, 3312

Es passiert gar nicht so selten, dass Wiedereinset-zungsanträge daran scheitern, dass zum Sachverhaltund zur Kanzleiorganisation nicht ausreichend vor-getragen wurde, obwohl dies möglich war. Grundsätz-

lich müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung derWiedereinsetzung von Bedeutung sein können, inner-halb der Antragsfrist vorgetragen werden, § 234 I,§ 236 II ZPO. Das bedeutet aber nicht, dass der Vor-trag nicht auch nach Ablauf der Frist noch ergänztwerden kann. Allerdings gilt dies nur für Erläuterungenund Ergänzungen von bereits innerhalb der Frist ange-brachten einzelnen Punkten. Die Gerichte selbst sindgehalten, gem. § 139 ZPO auf entsprechende Ergän-zungen hinzuwirken.

Der Sachverhalt im vorliegenden Fall zeichnet sich da-durch aus, dass die Frist tatsächlich falsch eingetragenwar, dies aber mit einem alleinigen Versehen der Büro-angestellten erklärt wurde. Dabei ging wohl etwasunter, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz, umden es hier ging, eigentlich schon 3 Wochen vor Frist-ablauf zur Post gegeben wurde, bei Gericht aber nichtankam. Dieser Umstand war zwar ebenfalls kurz vor-getragen worden, ohne dass allerdings die näherenUmstände der Postaufgabe erklärt wurden. Der BGHrügt, dass das LG als Berufungsgericht nicht ohne aus-drücklichen Hinweis von ungenügenden Angaben hät-te ausgehen dürfen. Wenn die Dinge so liegen, dürfeder Antragsteller die notwendigen Ergänzungen nochmit der Rechtsbeschwerde vorbringen. Der Senat ent-schied jedoch nicht selbst, sondern wies die Sache andas LG zurück, damit dort geprüft werden könne, obdas nunmehr ergänzte Parteivorbringen dort für glaub-haft und überwiegend wahrscheinlich gehalten werde.

Ohne Zweifel ist es geschickter, sofort innerhalb derWiedereinsetzungsfrist wirklich vollständig vorzutragenund sich nicht auf Hinweise des Gerichts zu verlassen.Übrigens beträgt die Wiedereinsetzungsfrist gem.§ 234 I 2 ZPO einen Monat, wenn es sich um eine ver-säumte Berufungsbegründungsfrist handelt, nicht etwa2 Wochen. Die entsprechende Gesetzesänderung istvielerorts immer noch nicht „angekommen“. Genug Zeitalso, um hier in Ruhe den Antrag zu verfassen und– unbedingt empfehlenswert! – dem Berufshaftpflicht-versicherer zur Durchsicht vorzulegen. (bc)

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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AUS DER ARBEIT DER BRAKDIE BRAK IN BERLIN

RECHTSANWÄLTIN DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL., BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über dieTätigkeit der BRAK auf nationaler Ebene von Septemberbis Oktober 2016.

BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACH

Mitte September (PE Nr. 9 v. 13.9.2016) hat die BRAKdas besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)

technisch fertiggestellt und wäre in der Lage gewesen,das beA-System zum angekündigten Starttermin am29.9.2016 den rund 164.000 Rechtsanwältinnen undRechtsanwälten zur Verfügung zu stellen. Gehindertwurde sie daran durch einstweilige Anordnungen desAGH Berlin (BRAK-Mitt. 2016, 190), die zwei Rechts-anwälte erwirkt hatten. Sie verpflichten die BRAK, die

14 BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – II ZB 9/15, NJW 2016, 1664, BRAK-Mitt. 2016, 173.15 BGH – IV ZB 14/14, BRAK-Mitt. 2015, 70; BGH – VIII ZB 38/14, BRAK-Mitt. 2015,

27 und BGH – V ZB 45/11, BRAK-Mitt. 2012, 152.

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für die beiden Kollegen eingerichteten Postfächer nichtohne ihre ausdrückliche Zustimmung zum Empfangfreischalten. Weil die Sicherheitsarchitektur des beAeine Freischaltung einzelner Postfächer nicht zulässt,konnte das beA daher insgesamt nicht in Betrieb ge-nommen werden.

Dem soll die am 28.9.2016 in Kraft getretene Rechts-anwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV)begegnen (BGBl. I 2016, 2167). Der Verordnungs-geber stellt darin klar, dass die BRAK das beA em-pfangsbereit einzurichten hat (§ 21 I RAVPV) und siehtzudem in § 31 RAVPV vor, dass bis zum 31.12.2017Postfachinhaber Zustellungen und den Zugang von Mit-teilungen über das beA nur gegen sich gelten lassenmüssen, wenn sie ihre Empfangsbereitschaft ausdrück-lich erklärt haben. Aufgrund der neuen Rechtslage hatdie BRAK umgehend beim zuständigen 2. Senat desAGH Berlin die Aufhebung der beiden einstweiligenAnordnungen beantragt (PE Nr. 10 v. 27.9.2016). Der1. Senat des AGH Berlin lehnte es tags darauf unterHinweis auf die neue Rechtslage ab, auf Antrag einesdritten Kollegen eine weitere einstweilige Anordnunggegen die BRAK zu erlassen (PE Nr. 11 v. 28.9.2016).

Dennoch durfte die BRAK das beA nicht wie geplantam 29.9.2016 in Betrieb nehmen. Denn der 2. Senatdes AGH Berlin hat den Antragstellern eine (zwischen-zeitlich mehrfach verlängerte) Frist zur Stellungnahmezu den von der BRAK gestellten Aufhebungsanträgeneingeräumt (PE Nr. 12 v. 29.9.2016). Mit Beschlüssenv. 25.11.2016 (II AGH 15/15, BRAK-Mitt. 2016, 287;II AGH 16/15) hob der AGH Berlin die beiden einstwei-ligen Anordnungen auf. Das beA-System konnte daheram 28.11.2016 in Betrieb genommen werden (PENr. 17 v. 28.11.2016); es ist erreichbar unter https://bea-brak.de.

ELEKTRONISCHE AKTE IN STRAFSACHENDie BRAK hat zum Regierungsentwurf eines Gesetzeszur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachenund zur weiteren Förderung des elektronischen Rechts-verkehrs ausführlich Stellung genommen (Stn. 29/2016,August). Sie sieht ihn als notwendigen und richtigenSchritt an, den Herausforderungen der Digitalisierungim Justizalltag, insbesondere auch im Strafverfahren,gerecht zu werden. Die Polizei- und Justizpraxis wirddurch die Umstellung auf elektronische Akten moder-nisiert; zugleich verändern sich Verfahrens- und Ver-waltungsabläufe und der Justizverwaltung erwachsenneue Aufgaben. Die BRAK unterstützt diese Entwick-lungen und begleitet sie kritisch, um die Wahrung derVerfahrensrechte der Betroffenen und Beschuldigtenwie auch die Teilhabe von Rechtsanwälten als Verteidi-ger, Beistände und sonstige Verfahrensvertreter an derFortentwicklung der digitalen Strukturen und Dokumen-tationen sicherzustellen.

In ihrer Stellungnahme setzt die BRAK sich detailliertmit dem Gesetzentwurf auseinander und kritisiert u.a.die Ausgestaltung des Akteneinsichtsrechts und dieRahmenbedingungen für die Digitalisierung von Doku-

menten, die als Beweismittel dienen. Sie lehnt fernerdie Mindest- und Höchstaufbewahrungsfristen für Aus-gangsdokumente ab, die nicht Beweismittel sind; inso-fern bestehe eine Kollision mit den Anforderungen desWiederaufnahmeverfahrens.

REGRESS VON SCHEINVÄTERN UND ÄNDERUNGENIM NAMENS- UND ADOPTIONSRECHTAm 31.8.2016 hat das Bundeskabinett einen Gesetz-entwurf zur Reform des Scheinvaterregresses, zurRückbenennung und zur Änderung des InternationalenFamilienrechtsverfahrensgesetzes beschlossen. Damitreagiert es auf ein Urteil des BVerfG vom 24.2.2015(1 BvR 472/24). Das Gericht hatte entschieden, dassdie vom BGH aus § 242 BGB hergeleitete Verpflich-tung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regress-anspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Persondes mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, dieverfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechts-fortbildung überschreite. Die hierfür vom BVerfG ange-mahnte gesetzliche Grundlage soll nunmehr geschaf-fen werden.

Der Regierungsentwurf sieht darüber hinaus Änderun-gen im Namens- und Adoptionsrecht vor. Die BRAKhatte hierzu bereits zum Referentenentwurf eine um-fassende Neuregelung des Namensrechts von Kindernangeregt, weil die namensrechtliche Situation vonScheidungs-, Stief- und Adoptivkindern unbefriedigendund inkonsistent geregelt sei (Stn. 23/2016, Juli).

GEMEINSAMES SCHREIBEN VON BRAK UND DAVZU VORWÜRFEN GEGEN ASYLRECHTS-ANWÄLTEIn einem gemeinsamen Schreiben vom 23.9.2016 ha-ben sich der Präsident der BRAK, Ekkehart Schäfer,und der Präsident des DAV, Ulrich Schellenberg, anden Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerk-schaft, Rainer Wendt, gerichtet. Scharf wiesen sie da-rin dessen Äußerungen gegenüber der BILD-Zeitungund dem Nachrichtensender N24 zurück. Wendt hatteunter anderem von einer „regelrechten Abschiebever-hinderungsindustrie“ gesprochen und Rechtsanwältin-nen und Rechtsanwälten sowie Hilfsorganisationen vor-geworfen, sie würden systematisch und unrechtmäßigdie Rückführung abgelehnter Asylbewerber verhindern.BRAK und DAV betonen, dass es die gesellschaftlicheAufgabe der Anwaltschaft ist, für eine faire und rechts-staatliche Behandlung der Bürger einzutreten. Der Zu-gang zum Recht, den die Anwaltschaft sichere, dürfeweder von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit deseinzelnen noch von seinem Aufenthaltsstatus abhän-gen. Dies sei ein Fundamentalgrundsatz des Rechts-staatsprinzips.

ÄNDERUNG DES INTERNATIONALEN PRIVAT- UNDZIVILVERFAHRENSRECHTSDie BRAK hat zu dem im August vorgelegten Referen-tenentwurf für ein Gesetz zur Änderung von Vorschrif-ten im Bereich des Internationalen Privat- und Zivil-verfahrensrechts Stellung genommen (Stn. 31/2016,

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

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September). Mit dem Gesetzesvorhaben sollen Ände-rungen und Klarstellungen vorgenommen werden, diesich aus der Rechtsprechung (insbesondere des EuGH)und der Rechtspraxis ergeben haben. Die Änderungenbetreffen u.a. die Vorschriften für Auslandszustellun-gen (§§ 183, 184 ZPO) und das Ausführungsgesetzzum Haager Zustellungsübereinkommen. Die BRAKsetzt sich in ihrer Stellungnahme detailliert mit den ein-zelnen Änderungen, Präzisierungen und Ergänzungendes Internationalen Zivilverfahrensrechts auseinanderund begrüßt diese insgesamt. Positiv bewertet dieBRAK insbesondere die Änderungen, welche die jünge-re Rechtsprechung des EuGH aufgreifen. Für beson-ders wichtig hält die BRAK die geplante ausdifferen-zierte Regelung zum anwendbaren Recht bei der ge-willkürten Stellvertretung.

NEUE PRESSESPRECHERIN DER BRAK

Seit dem 1.10.2016 ist Rechtsanwältin StephanieBeyrich neue Pressesprecherin der BRAK. Sie war zuvorin der Geschäftsführung der Hanseatischen Rechts-anwaltskammer (Hamburg) tätig und dort unter ande-rem für den Kammerreport und Veranstaltungs-management zuständig. Veranstaltungsmanagementzählt auch bei der BRAK zu ihren Aufgaben. Damit istdas Referat Öffentlichkeitsarbeit der BRAK künftig mitzwei Geschäftsführerinnen besetzt: Neben Beyrich ge-hört ihm Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke an, diefür die Mitgliederkommunikation zuständig ist (vgl. PENr. 13 v. 7.10.2016).

RELAUNCH VON RECHT CLEVER

Am 6.10.2016 ist die BRAK-Website „recht clever“ inneuem Gewand und mit neuem Konzept online gegan-gen (www.recht-clever.info). Mit ihr soll das Image desAusbildungsberufs der Rechtsanwalts- und Notarfach-angestellten verbessert werden. Langfristiges Ziel istes, die Anzahl der Bewerbungen und in der Folge dieAnzahl der Ausbildungsverträge zu erhöhen. Unter an-derem wird dazu anhand der Testimonials von Rechts-anwaltsfachangestellten authentisch aufgezeigt, wievielfältig die späteren beruflichen Perspektiven sind.Auf der Website findet sich außerdem auch eine Job-börse.

WACHSENDES INTERESSE AM SOLDAN MOOT

Bei der vierten Auflage des von der Soldan Stiftung ge-meinsam mit BRAK, DAV und dem Deutschen Juristen-Fakultätentag (DJFT) veranstalteten Soldan Moot ge-wannen Hamburger Teams in fast allen Kategorien.Zu lösen hatten die Studierenden in diesem Jahr einenFall, der unter anderem Fragestellungen zur Rechtsstel-lung von Syndikusrechtsanwälten beinhaltete. Nach ei-

ner spannenden Vorrunde und einer ebenso knappenFinalrunde wurde bei der Preisverleihung am 7.10.2016in Hannover das Team I der Universität Hamburg alsGewinner des Soldan Moot gekürt; es gewann den Sol-dan-Preis für die beste mündliche Verhandlung. Mit demPreis der BRAK für den besten Klägerschriftsatz wurdedas Team I der Bucerius Law School ausgezeichnet(s. hierzu auch Hoffmann, BRAK-Magazin 6/2016, 16).

Die Veranstaltung, die das Verständnis der Studieren-den für den Anwaltsberuf im praktischen Kontextschärfen soll, erfreut sich immer größerer Beliebtheit:32 Teams aus 20 Universitäten nahmen in diesem Jahrteil – eine Steigerung um 68 % gegenüber dem Vorjahr.

ECKPUNKTEPAPIER: REGELUNG ZUR VERMEIDUNGPARALLELER STRAFVERFOLGUNG IN DER EU

Der Strafrechtsausschuss und der Ausschuss Europader BRAK haben ein Eckpunktepapier für eine klare,verlässliche und verbindliche Regelung zur Vermeidungparalleler Strafverfolgung in der Europäischen Unionerarbeitet (Stn. 33/2016, Oktober). Die BRAK hat be-reits in der Vergangenheit in ihren StellungnahmenNr. 12/2009, Nr. 26/2013 und Nr. 36/2014 mehrfachdie Forderung nach einer Weiterentwicklung des euro-päischen Rechts erhoben. Der europäische Gesetz-geber ist dazu aufgerufen, eine klare, verlässliche undverbindliche Regelung zu schaffen, um eine paralleleStrafverfolgung in der Europäischen Union zu vermei-den. Flankiert werden sollte diese Regelung durch dieMöglichkeit eines Verfahrenstransfers, um paralleleStrafverfahren, die wegen unterschiedlicher Taten inverschiedenen Mitgliedstaaten gegen denselben Be-schuldigten geführt werden, mit seiner Zustimmung ineiner einzigen Hauptverhandlung zusammenzuführen.

WELTWEITES ANERKENNTNIS- UND VOLLSTRECKUNGS-ÜBEREINKOMMEN

Die BRAK hat zu den Änderungen des Entwurfs einesweltweiten Anerkennungs- und Vollstreckungsüberein-kommens im Rahmen der Haager Konferenz für Inter-nationales Privatrecht („Judgements Project“) vom 9.6.2016 erneut Stellung genommen (Stn. 34/2016, Okto-ber). Dieser revidierte Entwurf orientiert sich im Wesent-lichen an dem Vorentwurf vom November 2015 und än-dert diesen teilweise ab. Die BRAK hatte zu dem Vor-entwurf bereits im Februar 2016 grundsätzlich positivStellung genommen (Stn. 4/2016, Februar). Die BRAKbegrüßt die Neuregelung, die verständlicher und über-sichtlicher formuliert wurde, in weiten Teilen. Die Er-gänzungen im Katalog der indirekten Zuständigkeitensind im Hinblick auf die angestrebte Harmonisierungsinnvoll.

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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NITSCHKE, DIE BRAK IN BERLIN

Page 26: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

DIE BRAK IN BRÜSSEL

RECHTSANWÄLTINNEN HANNA PETERSEN, LL.M., DOREEN GÖCKE, LL.M.UND KATRIN GRÜNEWALD, LL.M., BRAK, BRÜSSEL

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK zu europarechtlichen Themenvon September bis Oktober 2016.

ANALYSERASTER FÜR DIE VERHÄLTNISMÄSSIGKEITBERUFSRECHTLICHER REGULIERUNGEN UND ZUMFAHRPLAN FÜR REFORMEMPFEHLUNGEN

Die BRAK begrüßt in ihrer Stellungnahme zur Folgen-abschätzung der Europäischen Kommission bezüglichdes geplanten Analyserasters zur Prüfung der Verhält-nismäßigkeit von Berufsregulierungen sowie zum Fahr-plan für Reformempfehlungen für reglementierte Ber-ufe das Ziel der Schaffung europaweit einheitlicherMindestkriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung(Stn. 30/2016, September). Für die Umsetzung diesesZiels hält die BRAK den Erlass unverbindlicher Leitlinienmit erklärendem Charakter als das geeignetste Mittel.Hinsichtlich des Vorhabens, regelmäßig Reformemp-fehlungen für reglementierte Berufe in einzelnen Mit-gliedstaaten zu veröffentlichen, hält die BRAK einverstärktes Monitoring im Rahmen des EuropäischenSemesters für geeignet und ausreichend, um das mitden Empfehlungen verfolgte Ziel der Förderung derModernisierung der reglementierten Berufe zu errei-chen.

VORSCHLÄGE DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION ZURREFORM DES EUROPÄISCHEN URHEBERRECHTS

In ihrer Stellungnahme zu den Vorschlägen der Euro-päischen Kommission zur Reform des europäischenUrheberrechts (COM[2016] 593, 594, 595 und 596final) begrüßt die BRAK die Einführung eines Auskunfts-anspruchs von Urhebern und ausübenden Künstlerngegenüber dem Vertragspartner (Stn. 37/2016, Okto-ber). Art. 14 des Richtlinienentwurfs über das Urheber-recht im digitalen Binnenmarkt sieht die Verankerungeines Auskunftsanspruchs von Urhebern und ausüben-den Künstlern gegenüber ihren Vertragspartnern überdie Auswertung, insbesondere die Auswertungsarten,die daraus gezogenen Einkünfte und die geschuldeteVergütung vor. Kritisch sieht die BRAK die Ausnahme-regelung für die Veranschaulichung zu Unterrichts-zwecken nach Art. 4 III des Entwurfs, nachdem dieNutzung zu den genannten Zwecken nur in dem Mit-gliedsstaat stattfinden soll, in dem die Unterrichtsein-richtung ihren Sitz hat. Dies kann dazu führen, dasssich solche Einrichtungen in Staaten mit niedrigemAusgleichsniveau niederlassen und Vergütungssätzeauch in Staaten mit urheberrechtsfreundlicher Gesetz-gebung schwer zu verhandeln sind, da die Vertrags-partner mit einer Sitzverlegung in einen anderen Staatdrohen könnten.

ÖFFENTLICHE KONSULTATION ZUM FITNESS-CHECKDES EUROPÄISCHEN VERBRAUCHER- UND MARKETING-RECHTS

In ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Konsultationzum Fitness-Check des europäischen Verbraucher- undMarketingrechts (Stn. 32/2016, Oktober) betont dieBRAK, dass unkomplizierte und verständliche Informa-tionen für Verbraucher notwendig sind, damit das Ver-braucherrecht effektiv ist. Insbesondere sollte es ein-fache Beschwerdewege und kostengünstige Durchset-zungsmöglichkeiten geben. Darüber hinaus mangelt esbei Verbraucherverbänden häufig an Ressourcen, umbreitflächiger tätig zu werden. Dadurch könnten teil-weise schwerwiegende Verletzungen des Verbraucher-rechts nicht hinreichend bearbeitet werden. Die BRAKweist ferner darauf hin, dass Verbraucherschutz fürUnternehmen Mehrkosten bedeutet. Daher müsse ereffektiv sein und möglichst wenig bürokratischenAufwand verursachen. Berücksichtigt werden solltenaußerdem schwächere Unternehmen, die von zu vielenund zu allgemeinen Regelungen oftmals überfordertsind.

VORSCHLAG FÜR EINE INTERINSTITUTIONELLE VEREIN-BARUNG ÜBER EIN VERBINDLICHES TRANSPARENZ-REGISTER

Die Europäische Kommission hat am 28.9.2016 einenVorschlag für eine Interinstitutionelle Vereinbarung(IIV) zwischen dem Europäischen Parlament, dem Ratder EU und der Europäischen Kommission über ein ver-bindliches Transparenzregister vorgestellt. Aufbauendauf dem bestehenden freiwilligen Transparenzregisterder Europäischen Kommission und des EuropäischenParlaments sollen die vereinbarten Mindeststandardszukünftig auch für den Rat der EU gelten. Der Vor-schlag enthält eine klarere Definition von Tätigkeitenund Einrichtungen, die in den Anwendungsbereich desRegisters fallen, wobei auch hier eine Formulierung füreine Ausnahme für anwaltliche Tätigkeiten vorgesehenist. Verbindlich soll das Register dadurch werden, dassdie drei EU-Organe Treffen mit ihren Entscheidungs-trägern und einige andere Interaktionen von der vor-herigen Eintragung in das Register abhängig machensollen. Daneben soll ein Verwaltungsrat, bestehendaus den Generalsekretären der drei EU-Institutionen,eingerichtet werden, der sowohl für die Umsetzungder IIV als auch für Rechtsmittel gegen Entschei-dungen des Gemeinsamen Sekretariats zuständig seinsoll. Wie unter anderem von der BRAK gefordert, istnun ein Rechtsmittel zum EuGH ausdrücklich vorgese-hen.

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

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PETERSEN/GÖCKE/GRÜNEWALD, DIE BRAK IN BRÜSSEL

Page 27: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

VORSCHLÄGE FÜR EINE UMFASSENDE REFORM DERUNTERNEHMENSBESTEUERUNG

Die Europäische Kommission hat am 25.10.2016Richtlinienvorschläge für eine umfassende Reform derUnternehmensbesteuerung in der EU veröffentlicht.Das dreiteilige Paket besteht zum einen aus zwei Richt-linienvorschlägen zur Einführung einer Gemeinsamenkonsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrund-lage (GKKB), die in zwei Schritten erfolgen soll. Ziel istes, dass multinationale Konzerne mit weltweiten jähr-lichen Erträgen von über 750 Mio. Euro dort besteuertwerden, wo sie tatsächlich ihre Gewinne erwirtschaf-ten. Daneben sollen Schlupflöcher im Zusammenhangmit der Gewinnverlagerung für steuerliche Zwecke ge-schlossen werden. Der zweite Teil des Pakets bestehtaus einem Richtlinienvorschlag für die Verbesserungdes bestehenden Systems zur Streitbeilegung im Bereichder Doppelbesteuerung. Der dritte Teil umfasst einenRichtlinienvorschlag mit Maßnahmen zum Vorgehengegen hybride Gestaltungen zur Steuervermeidungmit Drittländern. Damit soll die Richtlinie zur Bekämp-fung von Steuervermeidungspraktiken, die einschlägi-ge Bestimmungen zur Bekämpfung von Gewinnverkür-zungen und -verlagerungen in der EU enthält, um Rege-lungen bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittlän-dern ergänzt werden.

SCHLUSSANTRÄGE DES EUGH ZUR RECHTMÄSSIGKEITDES VORBEHALTS DER BEGLAUBIGUNG DER ECHTHEITVON UNTERSCHRIFTEN DURCH NOTARE

Der Generalanwalt des EuGH Maciej Szpunar ist in sei-nen Schlussanträgen vom 21.9.2016 in der RechtssachePiringer vs. Österreich zu dem Ergebnis gekommen, dasses Mitgliedstaaten möglich ist, Notaren vorzubehalten,die Echtheit von Unterschriften auf den zur Schaffungoder Übertragung von Rechten an Liegenschaften erfor-derlichen Urkunden zu beglaubigen. Hierin liege wederein Verstoß gegen die Bestimmungen der Dienstleis-tungsrichtlinie für Rechtsanwälte 77/249/EWG noch ge-gen Art. 56 AEUV. In der zugrundeliegenden Rechts-sache hatte es ein österreichisches Bezirksgericht abge-lehnt, die beabsichtigte Veräußerung einer Liegenschaftin das österreichische Grundbuch einzutragen, weil dieEchtheit der Unterschrift auf diesem Gesuch nicht voneinem Notar, sondern von einem tschechischen Rechts-anwalt beglaubigt wurde. Nach tschechischem Rechthat die Erklärung der Echtheit einer Unterschrift durcheinen tschechischen Rechtsanwalt die Rechtswirkungeiner amtlichen Beglaubigung. Der Generalanwalt istder Ansicht, dass die österreichischen Behörden die An-erkennung der Beglaubigung einer Unterschrift durcheinen tschechischen Rechtsanwalt aufgrund der öster-reichischen Gesetze ablehnen können.

DIE BRAK INTERNATIONAL

RECHTSANWÄLTINNEN DR. VERONIKA HORRER, LL.M., KEI-LIN TING-WINARTO UNDKRISTINA TRIERWEILER, LL.M., BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK auf internationaler Ebene vonSeptember bis Oktober 2016.

BESUCH DER JAPAN FEDERATION OF BAR ASSOCIA-TIONS

Vom 17. bis 23.9.2016 besuchte eine hochrangige De-legation der Japan Federation of Bar Associations aufEinladung des Auswärtigen Amtes Deutschland. DieStudienreise fand unter dem Thema „Menschenrechteund Pressefreiheit“ statt. Auf dem Fachprogramm stan-den unter anderem Gespräche mit Vertretern des Bun-desverbandes Deutscher Zeitungsverleger, des Deut-schen Presserats, der FAZ, des ZDF und des Bundesver-fassungsgerichts. Rechtsanwalt Prof. (NNU) Dr. Ham-mel empfing die Delegation und machte Ausführungenzu den Besonderheiten aus anwaltlicher Sicht. Hinter-grund der Studienreise ist eine steigende Tendenz vonStreitigkeiten zwischen den Medien und der Zivilgesell-schaft in Japan.

RUNDER TISCH MIT DEM REPUBLIKANISCHEN ANWALTS-KOLLEGIUM DER REPUBLIK BELARUS AM 22.9.2016 INMINSK

Am 22.9.2016 veranstaltete die BRAK gemeinsam mitder IRZ e.V. und dem Republikanischen Anwaltskollegi-um der Republik Belarus einen Runden Tisch zum The-ma „Organisation der Anwaltschaft in Deutschlandund in Belarus“ in Minsk. Die BRAK war vertretendurch ihren Vize-Präsidenten RAuN Dr. Ulrich Wessels,den Präsidenten der RAK Brandenburg RA Dr. FrankEngelmann und durch das zuständige Mitglied der Ge-schäftsführung. Von der belarussischen Seite beteilig-ten sich der Vorsitzende des Republikanischen Anwalts-kollegiums Victor Chichyts, die Mitglieder des Vorstan-des und die Vorsitzenden der regionalen Anwaltskolle-gien am Runden Tisch. Die Vertreter der deutschenund der belarussischen Selbstverwaltungen sprachenüber die Organisation der Anwaltschaften und überdas anwaltliche Berufsrecht in ihren Ländern und iden-tifizierten Themen für die weitere Zusammenarbeit. ImRahmen der Veranstaltung wurde eine Studienreisevon Vertretern der belarussischen Anwaltschaft zurBRAK nach Berlin im Dezember 2016 vereinbart.

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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Page 28: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

RECHTSANWALTSAUSTAUSCH CHINA-DEUTSCHLANDVom 17. bis 21.10.2016 fand in den Räumen der RAKMünchen das dritte Seminar im Rahmen des Rechts-anwaltsaustausches China-Deutschland statt. Die BRAKführt seit 2015 gemeinsam das Projekt, welches von derRobert Bosch Stiftung finanziert wird, mit der DeutschenGesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und derAll China Lawyers Association durch. Sechs deutscheund sechs chinesische Kolleginnen und Kollegen tausch-ten sich eine gesamte Woche zum Gewerblichen Rechts-schutz und der Rolle des Rechtsanwalts in der Gesell-schaft aus. Flankierend fanden Fachgespräche beimDeutschen Patent- und Markenamt, dem BayerischenStaatsministerium der Justiz und dem EuropäischenPatentamt statt. Die Veranstaltung eröffnete den Teil-nehmern die Möglichkeit, sich intensiv mit den Kolle-ginnen und Kollegen des jeweils anderen Landes infreundschaftlich kollegialer Atmosphäre auszutauschen.

BESUCH AUS DEM CHINESISCHEN JUSTIZMINISTERIUMAm 19.10.2016 besuchte eine 23-köpfige Delegationdes chinesischen Justizministeriums die BRAK zu einem

Informationsgespräch. Die Teilnehmer waren an derOrganisationsstruktur und den Aufgaben der Rechts-anwaltskammern, dem anwaltlichen Berufsrecht undinsbesondere an der deutschen Juristenausbildung in-teressiert. RAin Kristina Trierweiler und RA Dr. KristofBiehl referierten zu diesen Themen und beantwortetenim Anschluss die zahlreichen Fragen der Besucher.

60. JAHRESKONGRESS DER UNION INTERNATIONALEDES AVOCATSVom 28.10. bis 1.11.2016 fand der 60. Jahreskongressder UIA in Budapest statt. Die UIA ist die ältesteAnwaltsorganisation und vereint Mitglieder aus über120 Ländern. Erstmals verlieh die UIA ihren Rule ofLaw Award. Diesen erhielt die Malaysian Bar für ihrstarkes und unerschütterliches Engagement für dieVerteidigung von Menschenrechten und die Förderungder Rechtsstaatlichkeit. Die BRAK gab traditionell ge-meinsam mit dem DAV einen Empfang für die deutsch-sprachigen Teilnehmer, der die Plattform bot, sich per-sönlich und fachlich auszutauschen.

AMTLICHE BEKANNTMACHUNGENHINWEIS ZUR AMTLICHEN BEKANNTMACHUNG DESbeA-STARTTERMINS IN BRAK-MITT. 2016, 130

Zum angekündigten Starttermin am 29.9.2016 hättedie BRAK das elektronische Anwaltspostfach (beA) inBetrieb nehmen können. Sie war daran vorübergehenddurch einstweilige Anordnungen des AGH Berlin(BRAK-Mitt. 2016, 190) gehindert, die zwei Rechts-anwälte aus Berlin und Köln erwirkt hatten. Sie stan-den auf dem Standpunkt, dass die BRAK die für sie ein-gerichteten Postfächer nicht ohne ihre ausdrücklicheZustimmung zum Empfang freischalten darf. Weil dieSicherheitsarchitektur des beA die Freischaltung einzel-ner Postfächer nicht zulässt, kann das System insge-samt nicht in Betrieb genommen werden. Dem begeg-net die am 28.9.2016 in Kraft getretene Rechts-

anwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV).Sie stellt klar, dass die BRAK verpflichtet ist, das beAfür alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte emp-fangsbereit einzurichten.Aufgrund der geänderten Rechtslage hat die BRAK dieAufhebung der beiden einstweiligen Anordnungen be-antragt. Nach mehrfach verlängerter Frist zur Stellung-nahme für die beiden Antragsteller hat der AGH Berlinmit Beschlüssen vom 25.11.2016 (II AGH 15/15, BRAK-Mitt. 2016, 287 [in diesem Heft]; II AGH 16/15) denAufhebungsanträgen der BRAK stattgegeben. Das beA-System konnte daher am 28.11.2016 in Betrieb genom-men werden; es ist erreichbar unter https://bea-brak.de.

SITZUNG DER SATZUNGSVERSAMMLUNG

Die 4. Sitzung der 6. Satzungsversammlung findet am 19.5.2017 in Berlin statt.

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | AMTLICHE BEKANNTMACHUNGEN

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Page 29: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN*LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ)

AUFHEBUNG DER EINSTWEILIGENANORDNUNGEN GEGEN BESONDERESELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACH

BRAO §§ 31a I 1, 31c Nr. 3 lit. d; RAVPV §§ 21, 31

* Wegen der durch § 31 Rechtsanwaltsverzeich-nis- und -postfachverordnung (RAVPV) geändertenRechtslage, wonach eine gesetzliche Pflicht zur Nut-zung des besonderen elektronischen Anwaltspost-fachs (beA) erst mit Wirkung zum 1.1.2018 vorgese-hen ist, besteht kein Grund mehr, die gegen die Be-reitstellung des beA erlassenen einstweiligen Anord-nungen aufrechtzuerhalten.AGH Berlin, Beschl. v. 25.11.2016 – II AGH 15/15

AUS DEN GRÜNDEN:A. Die Ag. verfolgt mit ihrem Antrag v. 27.9.2016 dieAufhebung des Beschlusses des AGH Berlin v. 6.6.2016 – II AGH 15/15 wegen veränderter Umstände.Nach dem am 1.1.2016 in Kraft getretenen § 31a I 1BRAO hat die Ag. für jedes Mitglied einer RAK, das ineinem Gesamtverzeichnis eingetragen ist, ein besonde-res elektronisches Anwaltspostfach (beA) einzurichten.Die Ag. vertrat im Jahr 2015, aber auch bis zum Sommer2016 in Bezug auf das beA die Ansicht, jeder Rechts-anwalt, der sich keinen Zugang zum beA organisiereund nicht wenigstens „passiv“ teilnehme, verletze mög-licherweise Berufspflichten, müsse insoweit das Risikohaftungsrechtlicher Folgen tragen und könne insoweitggf. keinen Versicherungsschutz in Anspruch nehmen.Auf die Nachfrage der Ast., inwiefern eine Zustellungohne ihre Zustimmung in ein für sie durch die Ag. ein-gerichtetes beA ab dem 1.1.2016 wirksam möglichwäre, antwortete die Ag., diese Einrichtung sei nicht zuverhindern. Im April 2016 teilte die Ag. den Ast. mit,dass das beA ab dem 29.9.2016 bereitstehen werde.Die Ast. sahen in der von der Ag. angenommenen Ob-liegenheit zur Nutzung des beA eine faktische Nut-zungspflicht, die für die Ast. einen erheblichen Mehr-aufwand und ein unzumutbares Haftungsrisiko bedeu-ten würde. Mit Schreiben v. 18.11.2015 beantragtensie, die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zuverpflichten, für sie ein beA vor dem 31.12.2017 nurmit ausdrücklicher Zustimmung des jeweiligen Ast.zum Empfang freizuschalten.Mit Beschluss v. 6.6.2016 erließ der AGH Berlin an-tragsgemäß eine einstweilige Anordnung. Nach Erlassder Anordnung änderte die Ag. ihren Standpunkt.Etwa in ihrer Stellungnahme Nr. 19/2016 zum Referen-tenentwurf einer Verordnung über die Rechtsanwalts-

verzeichnisse und die besonderen elektronischen An-waltspostfächer (RAVPV) aus dem Juli 2016 erklärtesie sich mit Einführung einer „Erprobungsphase“ einver-standen. Mit ihrer Presseerklärung Nr. 9 v. 13.9.2016wies die Ag. ergänzend darauf hin, die RAVPV stelleihrer Ansicht nach einerseits klar (ordne jedenfalls ihrePflicht an), das beA für alle Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte „empfangsbereit“ einrichten zu müssen.Andererseits werde aber auch geklärt, dass es vor demAblauf des Jahres 2017 keine Nutzungspflicht gebenwerde. Die damit bis dahin bestehende „Übergangs-phase“ könne und solle allein „zur Umstellung und Er-probung“ des beA genutzt werden.Am 28.9.2016 trat die Verordnung über die Rechts-anwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischenAnwaltspostfächer (RAVPV) in Kraft. (…)

Gründe für Aufhe-bungsanträge

Die Ag. ist der Ansicht, mit In-Kraft-Treten der RAVPVseien die nachteiligen Fol-gen, die mit der Einrichtungdes beA verbunden seinsollten, aufgrund der Über-

gangsregelung in § 31 RAVPV gegenstandslos gewor-den. Diese Gesetzesänderung entziehe der einstwei-ligen Anordnung die rechtliche Grundlage und führedazu, dass für die beantragte Anordnung sowohl dasRechtsschutzbedürfnis als auch Anordnungsgrund und-anspruch entfielen. Der vom AGH im Beschluss bejah-te Eingriff in die Berufsfreiheit der Ast. aufgrund derempfangsbereiten Einrichtung des beA sei weggefallen,weil § 31 RAVPV klarstelle, dass vor dem 1.1.2018 keineberufsrechtliche Pflicht zur Nutzung des beA bestehe unddaher keine Gefahr der Verletzung von Sorgfalts- undMitwirkungspflichten (§§ 43 S. 1, 14 BRAO) vorliege.Der Beschluss sei daher aufzuheben, um die nunmehrtechnisch und rechtlich mögliche Freischaltung desbeA im Rahmen der Erprobungsphase zu realisieren.Die Ag. beantragt, den Beschluss des erkennendenSenats v. 6.6.2016 (II AGH 15/15, BRAK-Mitt. 2016,190) aufzuheben, hilfsweise abzuändern, und den So-fortrechtsschutzantrag der Ast. abzuweisen.Die Ast. meinen, § 31c BRAO, der die Ermächtigungzum Erlass einer Verordnung enthalte, ermächtigenicht zu einer Regelung des anwaltlichen Berufs- undHaftungsrechts. Die Gefahr des Reputationsschadenssei nicht ausgeräumt, weil die Adressen der beA-Post-fächer mit der Inbetriebnahme im Adressverzeichnisder Ag. allgemein bekannt gegeben würden. Im Übrigenbestünden weiterhin die bereits mit der Antragsschriftgeäußerten Sicherheitsbedenken. (…)B. Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses desAGH Berlin v. 6.6.2016 – II AGH 15/15, ist gem.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016

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BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

Page 30: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

§ 112c I 1 BRAO i.V.m. § 80 VII 2 VwGO analog zuläs-sig (I) und auch begründet (Il).I.1. Der Rechtsweg ist gem. § 112a I BRAO i.V.m. § 80VII 1 VwGO analog eröffnet. Danach entscheidet derAGH im ersten Rechtszug über alle öffentlich-recht-lichen Streitigkeiten nach der BRAO, einer auf Grundder BRAO erlassenen Rechtsverordnung oder einerSatzung einer der nach der BRAO errichteten RAKn,einschließlich der BRAK, soweit die Streitigkeiten nichtanwaltsgerichtlicher Art oder einem anderen Gerichtausdrücklich zugewiesen sind. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, da die Regelung des § 31aBRAO in der Fassung v. 14.6.2013 bzw. in der Fassungv. 17.12.2015 dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.Für diese ist der AGH auch sachlich zuständig. Gem.§ 80 VII 1 VwGO analog entscheidet das Gericht derHauptsache über Aufhebungsanträge. ZuständigesGericht der Hauptsache ist der AGH. Denn angesichtsder umfassenden Formulierung des § 112a I BRAO wirdhoheitliches Verwaltungshandeln auch dann erfasst,wenn es keinen Verwaltungsakt darstellt, aber geeignetist, in die berufsrechtlich begründeten Rechte der Betei-ligten einzugreifen oder sie einzuschränken (vgl. Decken-brock, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 112a Rn. 9).2. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 112b S. 1Hs. 2 BRAO. Danach ist der AGH zuständig, der fürden Oberlandesgerichtsbezirk errichtet ist, in dem einVerwaltungsakt erlassen wurde oder zu erlassen wäre,was sinngemäß auf hoheitliche Maßnahmen anzuwen-den ist, die berufsrechtliche Rechte und Pflichten derBeteiligten beeinträchtigen. Die Ag., von der die hoheit-liche Maßnahme ausgeht, hat ihren Sitz in Berlin.3. Der Aufhebungsantrag ist auch statthaft. Die Ag.begehrt die Aufhebung des Beschlusses des AGH Ber-lin v. 6.6.2016 – II AGH 15/15. Zwar enthält § 123VwGO keine Regelung zur Aufhebung einstweiliger An-ordnungen und eine Abänderungsmöglichkeit ergibtsich auch nicht aus § 123 III VwGO i.V.m. § 927 ZPO,weil § 123 III VwGO gerade nicht auf diese Norm ver-weist. Eine Aufhebung der Anordnung nach § 123 IVwGO kann aber wegen der dringenden praktischenNotwendigkeit auf der Grundlage des analog anzuwen-denden § 80 VII VwGO erfolgen (OVG Rheinland-Pfalz,Beschl. v. 1.7.2015 – 2 B 10498/15; OVG Lüneburg,Beschl. v. 24.4.2013 – 4 MC 56/13; OVG Münster,Beschl. v. 12.1.2011 – 1 B 1585/10; OVG Bremen,Beschl. v. 1.12.2010 – 1 B 310/10; VG Trier, Beschl.v. 14.1.2016 – 1 L 3622/15).4. Die Ag. ist auch antragsbefugt. Für die Antrags-befugnis genügt, dass die vorgetragenen verändertenUmstände zumindest die Möglichkeit der Abänderungder Anordnung begründen (Kopp/Schenke, VwGO,§ 80 Rn. 196). Das ist hier der Fall. Die Ag. trägt vor,die Rechtslage habe sich nach Erlass der einstweiligenAnordnung durch In-Kraft-Treten der RAVPV maßgeb-lich verändert.

Geänderte Rechts-lage durch RAVPV

II. Der Aufhebungsantrag der Ag. ist auch begründet.Die Umstände haben sichderart verändert, dass siezu einer anderen Entschei-

dung führen als im ursprünglichen Anordnungsverfah-ren. Nach der neuen Rechtslage ist der Erlass einereinstweiligen Anordnung, mit der die Ag. verpflichtetwird, für die Ast. ein besonderes elektronisches Anwalts-postfach vor Ablauf des 31.12.2017 nicht ohne aus-drückliche Zustimmung des jeweiligen Ast. zum Empfangfreizuschalten, nunmehr abzulehnen. Denn den Ast. stehtaufgrund der geänderten Haltung der Ag. und der am28.9.2016 in Kraft getretenen RAVPV weder ein An-ordnungsanspruch (1) noch ein Anordnungsgrund (2)mehr zur Seite.1. Den Ast. steht gegenüber der Ag. wegen der ver-änderten Umstände kein öffentlich-rechtlicher Unter-lassungsanspruch mehr zu, weil der rechtswidrige Ein-griff in die von Art. 12 I GG geschützte anwaltliche Be-rufsfreiheit nicht mehr gegeben ist.a) Eine Veränderung der Umstände i.S.d. § 80 VII 2VwGO analog kann sowohl im Falle einer nachträglichgeänderten Rechtslage (BVerfG, Beschl. v. 26.8.2004 –1 BvR 1446/04; OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.10.2004 –11 ME 289/04; Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 197)als auch bei Änderung der tatsächlichen Situation vor-liegen (OVG Münster, Beschl. v. 24.1.1989 – 13 B3179/88; Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 197). Beidesist hier der Fall.

Situation bis Ende2017

aa) Die Ag. verlautbart mittlerweile, jedenfalls bis zumAblauf des Jahres 2017bestehe für das beA nureine „vorgeschaltete Über-gangsphase“. Diese werde

von ihr zur „Umstellung und Erprobung“ genutzt wer-den. Diese nach außen über ihre jüngeren Verlaut-barungen und ihre Homepage allgemein bekanntgege-bene Haltung bestätigte die Ag. auch in der mündlichenVerhandlung vor dem AGH in einem Parallelverfahren(Beschl. v. 28.9.2016 – I AGH 17/15, BRAK-Mitt. 2016,290 [in diesem Heft]). Auf Nachfrage erklärte sie dortausdrücklich, es werde bis zum Ablauf des Jahres2017 nur eine „beA-Probephase“ geben. Die Ag. eröff-net Dritten somit nicht mehr die Möglichkeit, den Ast.ohne deren Zustimmung über das beA elektronischeDokumente zu übersenden. Bereits nach diesen Erklä-rungen, die deutlich anders lauten, als noch die ausdem Jahre 2015 und dem Frühjahr 2016, liegt dahermehr als fern, dass ein Rechtsanwalt, der an einer blo-ßen Erprobungsphase nicht teilnimmt, sich des Vor-wurfs der Verletzung berufsrechtlicher Pflichten aus-setzt, zum Beispiel der Pflicht zur gewissenhaften Be-rufsausübung (§ 43 S. 1 BRAO) oder der Mitwirkungs-pflicht bei Zustellungen (§ 14 BORA). Auch das Risikoeiner potentiellen Haftung wegen Nichtbeachtung vonSchreiben im beA oder Reputationsschäden sind – wennauch denklogisch nicht ausgeschlossen – so doch zu-mindest fernliegend.(1) Es ist zwar denkbar, dass Gerichte und Rechts-anwälte das beA bereits während des Probebetriebsnutzen, um Kontakt mit den Ast. aufzunehmen. DerSenat geht aufgrund der Klarstellung der Rechtslagedurch § 31 RAVPV, seiner Begründung sowie den aktu-ellen Verlautbarungen der Ag. aber davon aus, dass

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

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BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

Page 31: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

Gerichte und Rechtsanwälte keinen ernsthaften Zweifelhaben dürfen, dass die Ast. zuvor ihre Bereitschaftzum Empfang von Zustellstücken über das beA erklärthaben muss – und deshalb vor einer Kontaktaufnahmeihre Bereitschaft zur Entgegennahme von Mitteilungenüber das beA prüfen werden. Eine „Rufschädigung“oder ein „Imageschaden“ sind damit nicht erkennbar.(2) Anders liegt es im Ergebnis auch nicht für Unter-nehmen, Behörden und Bürger, die den „EGVP ClassicClient“ nutzen (EGVP-Bürgerpostfach). Es ist davonauszugehen und allein wahrscheinlich, dass diese Drit-ten, die sich am elektronischen Rechtsverkehr mitRechtsanwälten beteiligen und sich aktiv die dafür not-wendigen Einrichtungen und Erlaubnisse verschaffthaben, ausschließlich solche sind, die aufgrund ihrerKenntnisse auch über den Probebetrieb des beA aus-reichend orientiert sind. Denn es geht nicht um eineeinfache E-Mail, sondern die Nutzung eines in seinerEinrichtung nicht leichten Kommunikationsweges, überdessen Möglichkeiten und Restriktionen sich Dritte, diesich einen Zugang zu ihm verschafft haben, vorher in-formiert haben werden.Diese Änderung der tatsächlichen Situation führt be-reits dazu, dass kein Eingriff in die Berufsfreiheit ausArt. 12 I 1 GG mehr gegeben ist.bb) Jedenfalls aber stellt § 31 RAVPV diese Rechtslageklar.(1) Bereits im Beschluss v. 6.6.2016 (II AGH 15/15[unter B II 1c]) stellte der AGH klar, dass die Ag. aus§ 31a BRAO keine Befugnis ableiten kann, ein ein-gerichtetes beA für den Rechtsverkehr empfangsbereitzu öffnen. Die Vorschrift ermächtigt die Ag. lediglichzur Einrichtung eines beA. Die Zugangseröffnung setztzusätzlich als subjektives Element eine nach außen er-kennbare Empfangsbereitschaft durch den Empfängervoraus. Auch nach dem 1.1.2018 kann aufgrund deseindeutigen Wortlauts aus § 31a BRAO in der derzeiti-gen Fassung daher keine Nutzungspflicht des beA fürdie Ast. abgeleitet werden. An dieser Rechtsauffassunghält der AGH weiter fest (vgl. auch Beschl. v. 28.9.2016– I AGH 17/15, BRAK-Mitt. 2016, 290 [in diesemHeft]).

Nutzungspflichtnach § 31 RAVPV

(2) Bestätigt wird diese Ansicht des AGH durch § 31RAVPV. Die Bestimmungstreicht heraus, dass zur-zeit für Rechtsanwälte kei-ne gesetzliche Pflicht zur

„aktiven oder passiven“ Nutzung eines beA besteht(BR-Drs. 417/16, 43). Eine solche berufsrechtlichePflicht soll nach Willen des Gesetzgebers erst mit Wir-kung zum 1.1.2018 im Rahmen des § 31a BRAO an-geordnet werden (BR-Drs. 417/16, 43). Ferner heißt esin der amtlichen Begründung zu § 31 RAVPV, es sollezwar ein rechtswirksamer Zugang über das besondereelektronische Anwaltspostfach möglich sein. DieseMöglichkeit solle aber nur bestehen, wenn die Post-fachinhaberin oder der Postfachinhaber seine Bereit-schaft zur Entgegennahme von Mitteilungen auf die-sem Wege erklärt habe. Diese Klarstellung erfolge vordem Hintergrund, dass unter anderem aus verfas-

sungsrechtlichen Gründen vor der Anordnung einer ver-pflichtenden Nutzung des besonderen elektronischenAnwaltspostfachs durch die Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte zunächst feststehen müsse, dass dieses(zumindest weitestgehend) störungsfrei funktioniere(BR-Drs. 417/16, 44). Zudem sprächen auch prakti-sche Gründe für eine Phase, in der die Rechtsanwältin-nen und Rechtsanwälte die Gelegenheit bekommen,die Funktion des besonderen elektronischen Anwalts-postfachs zu testen, ohne Haftungsrisiken oder sogarberufsrechtlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein. Sol-che „Tests“ sollten dabei auch unter Einsatz entspre-chender Softwareprodukte möglich sein, deren Anbie-ter aber bisher die Entwicklung ihrer Produkte „nochnicht“ hätten abschließen können.

Inwieweit die von den Ast. geäußerten Bedenken hin-sichtlich der Sicherheit der eingesetzten Hard- undSoftware zutreffen, kann dahinstehen, da eine Nut-zungspflicht nicht besteht.

(3) § 31 RAVPV ist auch, soweit es darauf ankommt,verfassungsgemäß und von einer gesetzlichen Ermäch-tigung gedeckt. Denn das BMJV ist durch § 31c Nr. 3lit. d BRAO ermächtigt, durch Rechtsverordnung dieEinzelheiten der besonderen elektronischen Anwalts-postfächer, insbesondere Einzelheiten der „Nutzung“,zu bestimmen. Damit steht es dem BMJV jedenfallsfrei, in Übereinstimmung mit dem letzten Vortrag derBeteiligten und der Ansicht des Senats, für jedermannklarzustellen, dass es zurzeit keine gesetzliche Nut-zungspflicht gibt. Anders als die Ast. meinen, liegt da-rin keine Regelung des anwaltlichen Berufs- und Haf-tungsrechts.

(4) Der Senat lässt offen, ob § 21 I 2 RAVPV, wonachdie Ag. unverzüglich nach der Eintragung einer Personin das Gesamtverzeichnis für diese ein beA empfangs-bereit einzurichten hat, verfassungsgemäß ist. Es be-stehen insofern Bedenken, ob § 31c Nr. 3 lit. a BRAOals Ermächtigungsgrundlage für das Bundesministeri-um der Justiz und für Verbraucherschutz zum Erlasseiner entsprechenden Regelung in einer Verordnungausreichend ist. Auf diese Frage kommt es vorliegendjedoch nicht an, weil § 21 I 2 RAVPV im Zusammen-hang mit § 31 RAVPV zu lesen ist (vgl. auch RefE desBMJV zur RAVPV, 35). Bis zum 31.12.2017 kann dieAg. die Befugnis zur Einrichtung eines empfangsberei-ten beA daher nicht auf § 21 I 2 RAVPV stützen.

b) Im Ergebnis führen die geänderten tatsächlichenund rechtlichen Umstände dazu, dass ein Eingriff indie anwaltliche Berufsfreiheit aus Art. 12 I 1 GG nunzu verneinen ist. Sowohl das Verhalten und die Äuße-rungen der Ag. als auch die gesetzliche Novellierungin § 31 RAVPV stehen der Annahme entgegen, dassdie Ag. Dritten bis zum 31.12.2017 – ohne Zustim-mung der Ast. – die Möglichkeit eröffnet, den Ast. Do-kumente über das beA zu senden, deren Nichtbeach-tung potentielle Sorgfaltspflichtverletzungen, Haftungs-folgen oder Reputationsbeeinträchtigungen für die Ast.bedeuteten. Der ursprünglich vorliegende Anordnungs-anspruch ist daher weggefallen.

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2. Es liegt auch kein Anordnungsgrund mehr vor.

a) Ursprünglich bestand aufgrund der Ankündigungder Ag., die beA im September 2016 einzurichten, dieGefahr, dass durch eine Veränderung des bestehen-den Zustands die Verwirklichung von Rechten der Ast.vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte. Da-her war trotz des anhängigen Hauptsacheverfahrenseine Notwendigkeit für eine Regelung gegeben.

b) Dieser Anordnungsgrund ist nun weggefallen. NachErlass der einstweiligen Anordnung änderte die Ag. ih-ren Standpunkt dahingehend, dass es vor dem Ablaufdes Jahres 2017 keine Nutzungspflicht geben werdeund die damit bis dahin bestehende „Übergangspha-se“ allein „zur Umstellung und Erprobung“ des beA ge-nutzt werden könne und solle. Diese Ansicht wird in§ 31 RAVPV bestätigt, nach dem bis zum 31.12.2017eine Nutzungspflicht des beA nicht besteht und Kennt-nisnahmepflichten nur nach entsprechender Erklärungeines Rechtsanwalts über die Bereitschaft zum Emp-fang von Schreiben über das beA entstehen.

3. Die Ag. hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis an derAufhebung der einstweiligen Anordnung. Die Freischal-tung des beA ist derzeit rechtlich und technisch mög-lich. Die Ag. hat glaubhaft vorgetragen, dass die Ein-richtung des beA für einzelne Rechtsanwälte nicht vor-gesehen ist und die einstweilige Anordnung faktischnicht nur die Einrichtung eines beA für die Ast., son-dern auch für alle übrigen Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte verhindert. Eine Nutzung des beA istderzeit daher insgesamt nicht möglich. Die Aufhebungder einstweiligen Anordnung ist daher geboten.

HINWEISE DER REDAKTION:Eine weitgehend textgleich begründete Entschei-dung hat der AGH Berlin am selben Tag im Verfah-ren II AGH 16/15 erlassen; diese ist im Volltext ab-rufbar unter www.brak-mitteilungen.de. Die Antrag-steller haben angekündigt, die Entscheidung nichtanzugreifen. Das beA wurde am 28.11.2016 in Be-trieb genommen (s. hierzu Amtliche Bekanntmachun-gen sowie BRAK-PE Nr. 17/2016 v. 28.11.2016).

EINRICHTUNG DES BESONDEREN ELEKTRONI-SCHEN ANWALTSPOSTFACHS

BRAO §§ 31a I 1, 31c Nr. 3 lit. d; RAVPV §§ 21, 31

* 1. § 31 RAVPV stellt klar, dass zurzeit für Rechts-anwälte keine gesetzliche Pflicht zur aktiven oderpassiven Nutzung eines besonderen elektronischenAnwaltspostfachs besteht. Eine solche berufsrecht-liche Pflicht soll nach dem Willen des Gesetzgeberserst mit Wirkung zum 1.1.2018 gelten.

* 2. § 31 RAVPV ist verfassungsgemäß und von einergesetzlichen Ermächtigung gedeckt, da das BMJVdurch § 31c Nr. 3 lit. d BRAO ermächtigt wordenist, durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der

besonderen elektronischen Anwaltspostfächer, ins-besondere Einzelheiten der Nutzung, zu bestimmen.

AGH Berlin, Beschl. v. 28.9.2016 – I AGH 17/15

AUS DEN GRÜNDEN:A. Der Ast. wendet sich gegen die Absicht der Ag., fürihn ein empfangsbereites besonderes elektronischesAnwaltspostfach (beA) einzurichten. Nach dem am1.1.2016 in Kraft getretenen § 31a I 1 BRAO hat dieAg. für jedes Mitglied einer RAK, das in einem Gesamt-verzeichnis eingetragen ist, ein beA einzurichten. Vordiesem Hintergrund erläuterte die Ag. dem Ast. mitSchreiben v. 31.8.2015, was er tun müsse, um sichzum beA zu registrieren. Von dieser Möglichkeit mach-te der Ast. keinen Gebrauch. Stattdessen forderte erdie Ag. mit Schreiben v. 19.11.2015 auf, bis zum27.11.2015 zu erklären, dass sie das beA für ihn nichtempfangsbereit schalten werde, bevor er eine „beA-Karte“ zur „Erstregistrierung“ bestellt habe.

Die Ag. lehnt dies bis heute ab, richtete für den Ast.bislang aber auch kein beA ein. Die von ihr gewollteund geplante Umsetzung der aus § 31a I 1 BRAO fol-genden Pflichten scheiterte zunächst an „technischen“Problemen. Diese sind mittlerweile allerdings überwun-den. (…) Die Ag. sieht sich an der Einrichtung aller-dings durch zwei am 6.6.2016 ergangene Beschlüssedes AGH Berlin – II. Senat – in den Verfahren II AGH16/15 (BRAK-Mitt. 2016, 190) und II AGH 15/15rechtlich gehindert. Der AGH hat die Ag. mit diesenBeschlüssen im Wege der einstweiligen Anordnungverpflichtet, für die drei dort antragstellenden Rechts-anwälte ein beA nicht ohne deren ausdrückliche Zu-stimmung zum Empfang freizuschalten. „Systembe-dingt“ bestehe für sie – Ag. – keine Möglichkeit, die-sem Gebot nur für die in den Verfahren II AGH 16/15und II AGH 15/15 antragstellenden Rechtsanwältenachzukommen. Sie müsse vielmehr bis zum Abschlussdes in einem Fall bereits eingeleiteten Hauptsachever-fahrens von der Einrichtung empfangsbereiter beA füralle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutsch-land absehen. (…)

Der Ast. ist der Ansicht, die Ag. werde durch die ge-plante zeitnahe Einrichtung eines empfangsbereitenbeA ohne Erstregistrierung in seine Berufsausübungs-freiheit eingreifen. Der Eingriff sei nur durch Gesetzoder aufgrund eines Gesetzes möglich. Eine solcheRechtsgrundlage stelle aber weder § 31a BRAO darnoch § 21 RAVPV. § 31a BRAO erlaube nicht die Ein-richtung eines empfangsbereiten beA. § 21 RAVPVsehe das zwar vor. § 31c BRAO ermächtige das BMJVaber nicht für diese Regelung. § 21 RAVPV sei daheraus Gründen der Verfassung nicht anwendbar; Ent-sprechendes gelte für § 31 RAVPV. (…)

Die Ag. sei daher (weiterhin) nicht berechtigt, gegenseinen Willen für ihn ein beA empfangsbereit einzu-richten. Geschehe dieses dennoch, werde rechtswidrigin seine Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Von die-sem Eingriff erfahre er gleich mehrere Nachteile. Zumeinen könnte er eine anwaltliche Pflicht verletzen,

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

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wenn er das beA nicht auf Eingänge prüfe. Zum ande-ren könnte ihm eine Haftung drohen. Dies sei dann derFall, wenn ein fristauslösendes Dokument im beA ein-gehe und er davon Kenntnis nehmen müsste (für einensolchen Haftungsfall bestehe möglicher Weise nichteinmal ein Versicherungsschutz). Dadurch könnte dasVertrauensverhältnis zu einem Mandanten zerrüttetwerden. Ferner könnte er durch Einrichtung eines em-pfangsbereiten beA einen „Imageschaden“ erleiden.Der Ast. beantragt,1. der Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung auf-zugeben, es zu unterlassen, das besondere elektro-nische Anwaltspostfach (beA) für ihn empfangsbereiteinzurichten, ohne dass er eine Erstregistrierung durch-geführt hat, (…).Die Ag. beantragt, den Antrag auf Erlass einer einst-weiligen Anordnung zurückzuweisen.Nach zunächst anderem Vortrag (die Ag. bejahte vorallem eine Pflicht, das beA wenigstens passiv nutzenzu müssen) ist die Ag. zuletzt der Ansicht, die vomAst. befürchteten nachteiligen Folgen seien jedenfallsaufgrund von § 31 RAVPV gegenstandslos geworden.Ein Rechtsanwalt müsse danach das beA nur auf „frei-williger Basis“ nutzen. Im Berufsrecht finde sich daherzurzeit keine Verpflichtung zur Nutzung des beA. Esbestehe daher jedenfalls jetzt kein Anordnungsgrundmehr. Ferner fehle es wegen § 21 RAVPV aber auchjedenfalls jetzt nicht mehr an einem Anordnungs-anspruch. Für die Einzelheiten wird auf den Schriftsatzv. 26.9.2016 Bezug genommen. (…)

Kein Anordnungs-grund

B. Der statthafte Antrag ist unzulässig. Der Ast. machtkeinen Anordnungsgrundglaubhaft (§ 123 III VwGOi.V.m. §§ 294 I, 920 I, II,294 ZPO). Nach dem Sach-

stand ist nämlich nicht überwiegend wahrscheinlich,dass dem Ast. durch die Einrichtung eines empfangs-bereiten beA irreparable Schäden drohen. Dem Ast.ist vielmehr zuzumuten, eine Entscheidung in einemHauptsacheverfahren abzuwarten – womit es an einemAnordnungsgrund fehlt (s. nur BVerwG, Beschl. v. 1.4.2016 – 3 VR 2/15, Rn. 21 und BVerwG, Beschl. v.25.2.2016 – 6 C 33/13, Rn. 69).I. Der Rechtsweg ist gem. § 112a I BRAO eröffnet. Esliegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Denn dieRegelung des § 31a BRAO in der Fassung v. 14.6.2013bzw. in der Fassung v. 17.12.2015, aber auch §§ 21,31 RAVPV sind dem öffentlichen Recht zuzuordnen.Der AGH ist auch sachlich zuständig. Angesichts derumfassenden Formulierung des § 112a I BRAO wirdhoheitliches Verwaltungshandeln auch dann erfasst,wenn es keinen Verwaltungsakt darstellt, aber geeig-net ist, in die berufsrechtlich begründeten Rechte derBeteiligten einzugreifen oder sie einzuschränken (AGHBerlin, BRAK-Mitt. 2016, 190 [unter B.I.1]). Die örtlicheZuständigkeit folgt aus § 112b 1 Hs. 2 BRAO. Die Ag.hat ihren Sitz in Berlin.Der auf Erlass einer Sicherungsanordnung gerichteteAntrag ist statthaft, weil sich der Ast. gegen ein zukünf-tiges Handeln der Ag. ohne Verwaltungsakt-Qualität

wendet. Die mit der begehrten Unterlassung beabsich-tigte Sicherung des Status quo kann der Ast. nur mit ei-ner Sicherungsanordnung vorläufig durchsetzen (AGHBerlin, BRAK-Mitt. 2016, 190 [unter B.I.1]).

II.1. Wie der AGH bereits geklärt hat, folgt eine Befug-nis der Ag., das eingerichtete Postfach für den Rechts-verkehr empfangsbereit zu öffnen, nicht aus § 31aBRAO. Weder dessen Wortlaut in der derzeit gültigenFassung noch seinem Sinn und Zweck ist eine derartigeBefugnis zu entnehmen (AGH Berlin, BRAK-Mitt. 2016,190 [unter B.II.1c aa]). Daran hält der AGH auch nacherneuter Überprüfung fest.

Ermächtigungs-grundlage

2. Der Senat lässt offen, ob § 21 I 2 RAVPV, wonachdie Ast. unverzüglich nachder Eintragung einer Personin das Gesamtverzeichnisfür diese ein besonderes

elektronisches Anwaltspostfach empfangsbereit einzu-richten hat, auf einer verfassungsrechtlich unzuläng-lichen Ermächtigungsgrundlage beruht – und deshalbals unanwendbar anzusehen ist.

a) Allerdings bestehen gewisse Bedenken, ob es die Er-mächtigungsgrundlage in § 31c Nr. 3 lit. a BRAO demBMJV erlaubt, in einer Verordnung zu regeln, dass dieAg. die beA empfangsbereit einzurichten hat. Gegeneine ausreichende Ermächtigungsgrundlage sprichtu.a., dass die derzeit durch ein Gesetz zur Umsetzungder Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderungweiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatendenBerufe im Dezember 2016 geplant ist, in § 31a I 1BRAO den Begriff „empfangsbereit“ einzufügen (BR-Drs. 431/16, 122). Die Begründung, die Einfügungstelle (nur) einen „Gleichklang“ zwischen Gesetz undausführender Verordnung her (BR-Drs. 431/16, 123),begegnet durchgreifenden Zweifeln.

b) Diese Frage muss aber – wie unter III. auszuführenist – nicht geklärt werden. Denn mit dem Ast. kann imRahmen dieses Verfahrens und zu seinen Gunsten –aber ohne Unterschied in der Sache – unterstellt wer-den, dass bis zu einer wirksamen Pflicht, das beA emp-fangsbereit einzurichten, eine hinreichend bestimmtegesetzliche Grundlage fehlt (s. dazu auch AGH Berlin,BRAK-Mitt. 2016, 190 [unter B.II.1.c]).

III. Der Ast. erfährt jedenfalls durch die Einrichtung ei-nes beA-Probebetriebs keinen (rechtswidrigen) Eingriffin seine von Art. 12 I GG geschützte anwaltliche Berufs-freiheit. Die Gründe, die den AGH bislang bewogen ha-ben, einen Eingriff zu bejahen, bestehen nicht mehr.

1. Verletzung von Berufspflichten

a) Der AGH ging – ohne dies entscheiden zu müssen –bereits bei Erlass seiner Beschlüsse in den Verfahren IIAGH 16/15 und II AGH 15/15 davon aus, dass einRechtsanwalt Zustellungen und den Zugang von Mit-teilungen über ein beA nur dann zur Kenntnis nehmenund gegen sich gelten lassen muss, wenn er zuvor seineBereitschaft zu deren Empfang über das besondereelektronische Anwaltspostfach erklärt hatte. Diese Sicht-weise war indessen nicht unumstritten. Nicht zuletzt dieAg. forderte sämtliche Rechtsanwälte zu einer Nutzung

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des beA auf. Der Ast. musste daher davon ausgehen,bei einer Nichtteilnahme am elektronischen Rechtsver-kehr möglicherweise eine Berufspflicht zu verletzen.

Geänderte Rechts-lage durch RAVPV

b) Die Rechtslage hat sich geändert.aa) Die Ag. verlautbartmittlerweile, jedenfalls biszum Ablauf des Jahres2017 bestehe für das beA

nur eine „vorgeschaltete Übergangsphase“. Diese wer-de von ihr zur „Umstellung und Erprobung“ genutztwerden. Diese nach außen über ihre jüngeren Verlaut-barungen und ihre Homepage allgemein bekannt gege-bene Haltung bestätigte die Ag. in der mündlichen Ver-handlung. Auf Nachfrage erklärte sie ausdrücklich, eswerde bis zum Ablauf des Jahres 2017 nur eine „beA-Probephase“ geben. Bereits nach diesen Erklärungen,die deutlich anders lauten, als noch die aus dem Jahre2015 und dem Frühjahr 2016, liegt daher mehr als fern,dass ein Rechtsanwalt, der an einer bloßen Erprobungs-phase nicht teilnimmt, Berufspflichten verletzt oder/undsich irgendeinem Risiko einer Haftung aussetzt.bb) Jedenfalls aber stellt § 31 RAVPV diese Rechtslageklar.(1) Diese Bestimmung streicht heraus, dass zurzeit fürRechtsanwälte keine gesetzliche Pflicht zur „aktivenoder passiven“ Nutzung eines beA besteht (BR-Drs.417/16, 43). Eine solche berufsrechtliche Pflicht sollnach Willen des Gesetzgebers erst mit Wirkung zum1.1.2018 im Rahmen des § 31a BRAO angeordnetwerden (BR-Drs. 417/16, 43). Ferner heißt es in deramtlichen Begründung zu § 31 RAVPV, es solle zwarein rechtswirksamer Zugang über das besondere elek-tronische Anwaltspostfach möglich sein. Diese Mög-lichkeit solle aber nur bestehen, wenn die Postfachinha-berin oder der Postfachinhaber die Bereitschaft zur Ent-gegennahme von Mitteilungen auf diesem Wegeerklärt habe. Diese Klarstellung erfolge vor dem Hinter-grund, dass u.a. aus verfassungsrechtlichen Gründenvor der Anordnung einer verpflichtenden Nutzung desbesonderen elektronischen Anwaltspostfachs durch dieRechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zunächst fest-stehen müsse, dass dieses (zumindest weitestgehend)störungsfrei funktioniere (BR-Drs. 417/16, 44). Zudemsprächen auch praktische Gründe für eine Phase, inder die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Ge-legenheit bekommen, die Funktion des besonderenelektronischen Anwaltspostfachs zu testen, ohne Haf-tungsrisiken oder sogar berufsrechtlichen Maßnahmenausgesetzt zu sein. Solche „Tests“ sollten dabei auchunter Einsatz entsprechender Softwareprodukte mög-lich sein, deren Anbieter aber bisher die Entwicklungihrer Produkte „noch nicht“ hätten abschließen können.

RAVPV verfassungs-gemäß

(2) § 31 RAVPV ist auch, soweit es darauf ankommt,verfassungsgemäß und voneiner gesetzlichen Ermäch-tigung gedeckt. Denn dasBMJV ist durch § 31c Nr. 3

lit. d BRAO ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Ein-zelheiten der besonderen elektronischen Anwaltspost-fächer, insbesondere Einzelheiten der „Nutzung“, zu be-

stimmen. Damit steht es dem BMJV jedenfalls frei, inÜbereinstimmung mit dem letzten Vortrag der Beteilig-ten und der Ansicht des Senats, für jedermann klar-zustellen, dass es zurzeit keine gesetzliche Nutzungs-pflicht gibt. Der vom Ast. behauptete Eingriff in die„Wirkung der Zustellung von Schriftsätzen sowie denZugang von Willenserklärungen“ liegt in einer solchenKlarstellung offensichtlich nicht.2. Haftung

Kein Haftungsrisiko

Aus den Ausführungen unter B.III.1. folgt, dass der Ge-danke, ein Rechtsanwalt,der sich der Teilnahme beider Erprobung des beA

verweigere, könne dadurch in eine Haftung kommen,mittlerweile auch mehr als fern liegt. Richtig ist zwar,dass diese Frage im Rahmen einer berufsrechtlichenVorschrift wohl nicht abschließend geklärt werdenkann (s. auch Brosch/Sandkühler, Haftungsfragenrund um das beA, NJW-Beilage 2016, 94). Und richtigist ferner, dass jedenfalls die theoretische Möglichkeitbesteht, dass sich Dritte berühmen werden, Ansprüchegegen einen Rechtsanwalt wegen dessen Nichtteilnah-me an einem „Probebetrieb“ zu haben. Dieses „Szena-rio“ liegt zur Überzeugung des Senats nach der gesetz-geberischen Klarstellung und den Verlautbarungen derAg. allerdings so fern und ist so unwahrscheinlich,dass es vernachlässigt werden muss und zum jetzigenZeitpunkt den Erlass einer einstweiligen Anordnungnicht mehr rechtfertigt.3. RufschädigungDem Ast. droht durch die Freischaltung eines Kommu-nikationswegs ohne seine ausdrückliche Zustimmungmittlerweile auch nicht mehr die Gefahr eines vomAGH bislang als möglich erachteten Reputationsscha-dens (AGH Berlin, Beschl. v. 6.6.2016 – II AGH 16/15,unter B.II.1.b)cc), BRAK-Mitt. 2016, 190 ff.).

Kein Imageschaden

a) Es kann zwar denklogisch weiterhin nicht ausge-schlossen werden, dass Ge-richte und Rechtsanwältedas beA bereits während

eines Probebetriebs nutzen werden, um Kontakt mitdem Ast. aufzunehmen. Der Senat geht aufgrund derKlarstellung der Rechtslage durch § 31 RAVPV, seinerBegründung sowie den aktuellen Verlautbarungen derAg. aber davon aus, dass Gerichte und Rechtsanwältekeinen ernsthaften Zweifel haben dürfen, dass der Ast.zuvor seine Bereitschaft zum Empfang von Zustellun-gen über das beA erklärt haben muss – und deshalbvor einer Kontaktaufnahme seine Bereitschaft zur Ent-gegennahme von Mitteilungen über das beA prüfenwerden. Eine „Rufschädigung“ oder ein „Imageschaden“sind damit nicht erkennbar.b) Anders liegt es im Ergebnis auch nicht für Unterneh-men, Behörden und Bürger, die den „EGVP-Classic-Client“ nutzen („EGVP-Bürgerpostfach“). Es ist davonauszugehen und allein wahrscheinlich, dass diese Drit-ten, die sich am elektronischen Rechtsverkehr mit Rechts-anwälten beteiligen und sich aktiv die dafür notwendi-ge Einrichtungen und Erlaubnisse verschafft haben,ausschließlich solche sind, die aufgrund ihrer Kenntnis-

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se auch über den Probebetrieb des beA ausreichendorientiert sind. Denn es geht nicht um eine einfacheE-Mail, sondern die Nutzung eines in seiner Einrichtungnicht leichten Kommunikationsweges, über dessenMöglichkeiten und Restriktionen sich Dritte, die sich ei-nen Zugang zu ihm verschafft haben, vorher informierthaben werden.IV. Im Übrigen hat der Ast. nicht glaubhaft gemacht,dass die Aufhebung der Beschlüsse in den VerfahrenII AGH 16/15 und II AGH 15/15 wahrscheinlich ist.Solange diese Beschlüsse nicht aufgehoben sind, siehtdie Ast. aber – mittlerweile unstreitig – von der Einrich-tung empfangsbereiter beAs für alle Rechtsanwältin-nen und Rechtsanwälte in Deutschland ab. Die vomAst. befürchteten Einbußen können aus diesem Grun-de, selbst dann, wenn man den Ausführungen zu B.III. nicht folgte, zurzeit nicht eintreten und stehen demErlass einer einstweiligen Anordnung entgegen. Hier-auf hat der Senat bereits mit Schreiben v. 1.7.2016hingewiesen.

HINWEISE DER REDAKTION:Der 1. Senat des AGH Berlin hat ausdrücklich offen-gelassen, ob § 21 I 2 RAVPV, wonach die BRAK un-verzüglich nach der Eintragung einer Person in dasGesamtverzeichnis für diese ein beA empfangsbereiteinzurichten hat, auf einer verfassungsrechtlich hin-reichenden Ermächtigungsgrundlage beruht. Auchder 2. Senat des AGH Berlin (Beschl. v. 25.11.2016– II AGH 15/15, BRAK-Mitt. 2016, 287 [in diesemHeft] und II AGH 16/15) hat die Frage offengelassen.

BELEIDIGENDER „FAHNDUNGSAUFRUF“AUF FACEBOOK

BRAO § 43a III; StGB § 185

* 1. Die Bezeichnung einer Person als eines dieser„Arschlöcher“ bzw. eine jener „Ratten“ ist eine ge-wichtige Herabsetzung dieser Person mit beleidi-gendem Inhalt.* 2. Die Suche nach einem Zahlungsverpflichtetenist auf vielerlei Art möglich, ohne dass herabsetzen-de, beleidigende Vergleiche über die Person desZahlungsverpflichteten gemacht werden müssen.AGH Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 27.1.2016 – 1 AGH 5/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Das Hamburgische Anwaltsgericht (BRAK-Mitt.2008, 275) hat entschieden, dass der Vorwurf derRechtsunkenntnis in einer verfahrensrechtlichen Aus-einandersetzung auf die Sache zielt und nicht so zuverstehen ist, dass der gegnerische Anwalt im Sinneder höchstrichterlichen Rechtsprechung „gleichsaman den Pranger gestellt“ werden soll.

KEINE BELEIDIGUNG BEI GESCHMACKLOSERÄUSSERUNG

BRAO § 43a III; StGB § 185

* 1. Eine überzogene oder ausfällige Kritik stellt fürsich genommen noch keine Schmähung dar. Viel-mehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerungnicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache imVordergrund steht.* 2. Danach darf ein anwaltliches Verhalten nichtallein an einem möglichen Verstoß gegen den gu-ten Ton oder das Taktgefühl gemessen werden. Füreinen etwaigen Verstoß eines Rechtsanwalts gegendas Sachlichkeitsgebot muss vielmehr die Schwelleder Beleidigung überschritten sein.* 3. Das Niveau einer persönlichen Kränkung bzw.Schmähung, das ein Zurücktreten der Berufs- undMeinungsfreiheit des Rechtsanwalts zur Folge hät-te, ist nicht erreicht, wenn sich die Äußerungen ei-nes Rechtsanwalts nur auf die Vorwürfe der Gegen-seite beziehen, sich aber nicht im Sinne einer Diffa-mierung gegen ihre Person richten.AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8.1.2016 – 2 AGH 18/15

AUS DEN GRÜNDEN:

A. Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwalt-schaft war zu verwerfen, da das Anwaltsgericht die Er-öffnung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens gegenden angeschuldigten RA A zu Recht abgelehnt hat.1. RA A vertrat im Jahre 2009 vor dem AG S und nach-folgend vor dem LG A eine Mandantin, welche von derL GmbH wegen einer Gebührenforderung in Anspruchgenommen wurde. In diesem Verfahren war die ZeuginZ, zuvor bei eben dieser Rechtsanwaltsgesellschaft alsRechtsanwältin beschäftigt und wohnhaft in B, als Zeu-gin geladen. Frau RA Z ist türkischer Abstammung undjüdischen Glaubens. Das AG S beschloss, die Zeugin imRahmen der Rechtshilfe durch das AG B zu vernehmen,da sich die Zeugin wegen ihrer Schwerbehinderung(nachgewiesen durch Vorlage eines Ausweises) an derAnreise gehindert sah. Die gerichtliche Entscheidungkonnte der Angeschuldigte nicht nachvollziehen undprotestierte gegen die Zeugenvernehmung in B. Gegendieses Verhalten des RA A legte RA Z am 4.7.2011 Be-schwerde bei der X ein: RA A betreibe seit Jahren eineHetzjagd gegen sie; er bezichtige sie der Lüge und desBetruges; er beleidige und verleumde sie in fast jedemseiner Schriftsätze. RA A erwiderte in seiner Stellung-nahme v. 29.7.2011 an die X u.a. Folgendes:„Ob Frau Z Jüdin und/oder Türkin ist, ist hier nicht be-kannt und nicht von Interesse. Der Unterzeichner be-absichtigt nicht, sich von Frau Z bekochen zu lassen.Die ‚türkische Karte‘ spielt sie in ihrem Schreiben andie RAK v. 21.7.2011 zum ersten Mal. Die ‚jüdischeKarte‘ spielte sie erstmals mit Schriftsatz v. 27.6.2011an das AG S.Bis dato spielte sie immer nur die Karte der Schwerbe-hinderten, behauptete ‚in psychiatrischer Betreuung‘

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zu sein und versuchte hierdurch, ihrer zeugenschaftli-chen Vernehmung durch das AG S zu entgehen.“ (…)„Wenn eine Powerfrau mit sechs Jobs, kickboxend undin New York Marathon laufend aufgrund ihrer angebli-chen Schwerbehinderung gehindert sein will, eine zeu-genschaftliche Aussage vor dem AG S zu machen undeinen Bescheid vorlegt, aus dem sich ergibt, dass ihrArbeitgeber für sie einen monatlichen ‚Minderleis-tungszuschuss‘ abgreift, kommt das dem Unterzeich-ner ‚spanisch‘ vor (Frau Z: Sollten Sie einen spanischenFreund haben oder sollte ‚spanisch‘ ihre Lieblingsposi-tion sein. Ich wusste das nicht, das ist keine entspre-chende Anspielung. Es handelt sich lediglich um eineumgangssprachliche Formulierung).“ (…)„So war es dann auch. Es stellte sich heraus, dass FrauZ fitter ist als wir alle und ihre angebliche Behinderung‚getürkt‘ sein dürfte (sorry, Umgangssprache).“Mit der Äußerung, Frau Z habe die „türkische Karte ge-spielt“, bezieht sich der Angeschuldigte auf die Ein-gabe der Zeugin Z v. 21.7.2011 an die X, in welchersie sich beschwert, dass RA A ihr Attest als „getürkt“bezeichnete.Mit der Äußerung auf ihren jüdischen Glauben beziehtsich RA A darauf, dass die Zeugin am 27.6.2011 andas AG S schrieb:„Wir (die Schwerbehinderten) sind alle Lügner, Betrü-ger und tun nur so, als wären wir krank. Besondersgilt das natürlich für jüdische Schwerbehinderte wiemich!“Die Staatsanwaltschaft Bonn leitete gegen RA A imHinblick auf das hier verfahrensgegenständliche Schrei-ben v. 29.7.2011 ein strafrechtliches Ermittlungsverfah-ren ein, das sie sodann vorläufig gem. § 154 StPO ein-stellte. Weiter wurde wegen eines anderen Schreibensv. 5.8.2011 ein Ermittlungsverfahren wegen des Ver-dachts der Beleidigung eingeleitet (StA Bonn 80 Ds100 Js 180/11-99/13). Die Eröffnung der unter Be-schränkung gem. § 154 StPO erhobenen Anklage be-züglich des hier nicht gegenständlichen Schreibens v.5.8.2011 lehnte das AG Bonn ab. Die von der Staats-anwaltschaft Bonn erhobene sofortige Beschwerdewurde durch das LG Bonn als unbegründet verworfen.Daraufhin wurden die Ermittlungen hinsichtlich dergem. § 154 StPO eingestellten Tat v. 29.7.2011 – alsodie verfahrensgegenständliche – wieder aufgenommenund sodann mangels hinreichenden Tatverdachts gem.§ 170 II StPO vorläufig eingestellt. Ein strafbares Ver-halten sei in den Äußerungen nicht zu sehen, da sichdie Ausführungen jeweils auf konkrete Verhaltenswei-sen und nicht auf die Person bezögen.2. Auf Hinweis der X leitete die Generalstaatsanwalt-schaft Köln das gegenständliche berufsrechtliche Er-mittlungsverfahren gegen RA A ein, welches den Vor-wurf des vorherigen strafrechtlichen Ermittlungsverfah-rens aus dem Schreiben v. 29.7.2011 nunmehr alsberufsrechtlichen Vorwurf zum Gegenstand hat.Die Generalstaatsanwaltschaft Köln erhob am 28.8.2014 eine Anschuldigungsschrift gegen RA A und be-antragte die Eröffnung des Hauptverfahrens vor demAnwG Köln. In dieser wird RA A vorgeworfen, seinen

Beruf nicht gewissenhaft ausgeübt und schuldhaft ge-gen seine Pflicht, sich bei seiner Berufsausübung nichtunsachlich zu verhalten, verstoßen zu haben.Berufspflichtverletzung gem. §§ 43 S. 1, 43a III, 113 IBRAO i.V.m. § 185 StGB.Zur Begründung wird ausgeführt: Die Äußerungen desRA A im Schreiben v. 29.7.2011 (wie oben zitiert) stell-ten eine Berufspflichtverletzung dar. Seine Ausführun-gen hätten neben der Sache gelegen. Es lägen keinerleiAnhaltspunkte vor, die zu diesen Äußerungen Anlass ge-geben hätten. Sie stellten für sich und insbesondere inihrer Gesamtbetrachtung nach objektiver Betrachtungsowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinn und Zwecknach ehrangreifende, herabwürdigende Behauptungendar, die jenseits des Sachlichen und Hinnehmbaren lä-gen und zu denen die Zeugin Frau Z zu keinem Zeit-punkt Anlass gegeben habe. Außerdem seien die Aus-sagen nicht geeignet gewesen, um seine Interessen imBeschwerdeverfahren vor der X zu fördern. Sie hätteneinzig dem Zwecke gedient, die Zeugin zu diffamieren.3. Mit dem angefochtenen Beschluss v. 1.4.2015 lehn-te das AnwG Köln die Zulassung der Anschuldigungs-schrift v. 28.8.2014 zur Hauptverhandlung ab. Nachseiner Begründung verpflichte § 43a III BRAO denRechtsanwalt zwar dazu, das Sachlichkeitsgebot zu wah-ren, ein Verstoß gegen diese Pflicht sei jedoch vorlie-gend nicht anzunehmen.

Geschmacklos, abernicht beleidigend

Nach Ansicht des AnwG sind die Äußerungen zwar ge-schmacklos und unange-messen, erfüllten jedochnicht den Tatbestand einerBeleidigung i.S.d. § 185

StGB. RA A habe durch seine Aussagen nicht den Ein-druck erweckt, dass Personen mit Migrationshintergrundoder Personen jüdischen Glaubens generell versuchten,gesellschaftliche Vorteile durch Geltendmachung ebendieser Attribute zu erreichen. Auch könne aus dieser For-mulierung nicht geschlossen werden, Frau Z sei intellek-tuell und argumentativ nicht in der Lage, ihre Interessenzu vertreten. Dies könne der Angeschuldigte schon des-halb nicht gemeint haben, da er sich sehr wohl mit denArgumenten der Zeugin auseinandersetzte und damitzeige, dass er sie für argumentationsfähig halte. Auchdie Benutzung des Wortes „spanisch“ – samt des Klam-merzusatzes – sei nicht geeignet, eine Begriffsstutzigkeitder Frau Z zu implizieren. Dabei müsse beachtet wer-den, dass der Ursprung dieser Wortverwendung durchden Angeschuldigten darin zu sehen sei, dass der An-geschuldigte das Wort „türken“ verwendet habe und so-mit das Unbehagen der Zeugin ausgelöst habe. Die Ver-wendung der Wörter „türken“ und „spanisch“ stände da-her in einem gewissen Zusammenhang und verdeutlicheden Willen, einen Wortwitz zu erzeugen. Unter Beach-tung des Stilmittels der Ironie – wenn auch in geschmack-loser Weise – läge eine Beleidung i.S.d. § 185 StGBdurch den Angeschuldigten nicht vor. Dies sei jedochzwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer zu ah-nenden Pflichtverletzung gem. §§ 43, 43a III BRAO.4. Gegen diesen Beschluss des AnwG Köln v. 1.4.2015legte die Generalstaatsanwaltschaft am 22.4.2015

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fristgerecht sofortige Beschwerde ein. In der Begrün-dung v. 22.6.2015 führt die Generalstaatsanwaltschaftaus, dass bereits die Privilegien eines Rechtsanwaltsim „Kampf um das Recht“ nicht vorlägen. RA A abernicht zur Wahrnehmung von Mandanteninteressen ge-handelt, sondern vielmehr in einem förmlichen Verfah-ren, welches sein Verhalten hinsichtlich der Einhaltungvon Berufspflichten überprüfen sollte. Weiterhin seiendie Äußerungen in keinem prozessualen Wortgefechtgetätigt worden. Außerdem handele es sich bei denAussagen um keine Form der Ironie. Es stünde im Vor-dergrund, die Zeugin verächtlich zu machen. Das Ge-samtbild spräche dafür, dass der Angeschuldigte dieEhre der Zeugin habe herabwürdigen wollen.Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,a) den angefochtenen Beschluss des AnwG für den Be-zirk der X v. 1.4.2015 aufzuheben undb) das Hauptverfahren vor dem AnwG für den Bezirkder X zu eröffnen.B. Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwalt-schaft ist unbegründet. Die Ablehnung der Eröffnungdes anwaltsgerichtlichen Verfahrens durch das AnwGist zu Recht erfolgt.I. Nach § 43a III BRAO ist ein Verhalten eines Rechts-anwalts unsachlich, bei dem es sich um herabsetzendeÄußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oderder Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben.Diese Regelung entspricht dem, was zur Aufrechterhal-tung einer funktionsfähigen Rechtspflege unerlässlichund daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenist (vgl. BVerfGE 76, 171). Ob eine Äußerung als an-lassbezogen zu bezeichnen ist, muss aus Sicht einesvernünftigen Dritten beurteilt werden (Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 43a BRAORn. 86b). Herabsetzende Äußerungen, zu denen ande-re Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlassgegeben haben, sind jedoch nur dann berufsrechtlichahndbar, wenn sie strafrechtlich die Schwelle zur Belei-digung überschreiten (vgl. Feuerich/Weyland/Böhn-lein, BRAO, § 43a Rn. 35 f. m.w.N.). Der Beleidigungs-tatbestand ist nur dann erfüllt, wenn die Äußeung nichtin Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.d. § 193StGB getätigt wurde. Im „Kampf um das Recht“ wirddie Stellung der Rechtsanwälte jedoch insofern ge-stärkt, dass – soweit es die Wahrnehmung des An-waltsberufs erfordert – Äußerungen von Rechtsanwäl-ten auch dann weitgehend straffrei sind, wenn sieeine Ehrverletzung darstellen (BVerfG, Beschl. v. 28.7.2014 – 1 BvR 482/13). Dies gilt grundsätzlich auchfür scharfe Äußerungen sowie starke, eindringlicheAusdrücke und sinnfällige Schlagworte und sogar Ar-gumentationen „ad personam“ (vgl. BVerfG, a.a.O.).Im Rahmen der Prüfung der Wahrnehmung berechtig-ter Interessen (vgl. § 193 StGB) ist eine fallbezogeneAbwägung zwischen den Grundrechten der Berufsfrei-heit – ggf. unter Einbeziehung der Meinungsfreiheit –und den Rechtsgütern, deren Schutz die einschränkendeNorm bezweckt, verfassungsrechtlich geboten (BVerfG,Beschl. v. 14.2.2000 – 1 BvR 390/95). Das BVerfG hatzuletzt in einem Beschluss v. 28.7.2014 deutlich ge-macht, dass die – regelmäßig notwendige – Abwägung

der widerstreitenden Grundrechtsinteressen dann nichtvorzunehmen ist, wenn die getätigten Äußerungen alsSchmähkritik einzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v.28.7.2014 – 1 BvR 482/13).

Enger Begriff derSchmähkritik

Allerdings ist der Begriff der Schmähkritik wegen sei-nes die Meinungsfreiheitverdrängenden Effekts engzu definieren. Eine überzo-gene oder ausfällige Kritik

stellt für sich genommen noch keine Schmähung dar.Vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerungnicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache imVordergrund steht. Wesentliches Merkmal der Schmä-hung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig inden Hintergrund drängende persönliche Kränkung imSinne einer Diffamierung der Person (vgl. BVerfG,Beschl. v. 28.7.2014 – 1 BvR 482/13; aktuell OLGHamm, Beschl. v. 7.5.2015 – 5 RVs 55/15). Es ist da-nach unzulässig, ein anwaltliches Verhalten einzig aneinem möglichen Verstoß gegen den guten Ton oderdas Taktgefühl zu messen; für einen etwaigen Verstoßeines Rechtsanwalts gegen das Sachlichkeitsgebot derBRAO muss vielmehr die Schwelle der Beleidigungüberschritten sein. Diese verfassungsrechtlichen Vor-gaben hat das AnwG in dem angegriffenen Beschlusszutreffend zugrundegelegt.II. Das AnwG hat die gegenständlichen Äußerungen inumfassender und nicht zu beanstandender Weise ge-würdigt und zutreffend festgestellt, dass die Verhän-gung einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme nach§ 113 I BRAO nicht in Betracht käme. Dies wäre je-doch die Voraussetzung für die Eröffnung des Haupt-verfahrens gewesen. Der Angeschuldigte hat auchnach Auffassung des Senats nicht i.S.d. §§ 43 S. 1,43a III BRAO gegen seine Pflichten zur gewissenhaftenund sachlichen Ausübung seines Berufs verstoßen. Wiedas AnwG zutreffend festgestellt hat, handelt es sichbei den Formulierungen des Angeschuldigten nicht umBeleidigungen i.S.d. § 185 StGB; deshalb liegt keineVerletzung von Berufspflichten vor. Das Niveau einerpersönlichen Kränkung bzw. Schmähung, das ein Zu-rücktreten der Berufs- und Meinungsfreiheit des Rechts-anwalts zur Folge hätte, ist hier noch nicht erreicht, dasich die Äußerungen des RA A (noch) nur auf die Vor-würfe der Gegnerin beziehen, sich aber nicht im Sinneeiner Diffamierung gegen ihre Person richten.1. Soweit der Angeschuldigte davon spricht, dass die„jüdische, türkische bzw. schwerbehinderten – Karte“durch die Zeugin Z gespielt werde, kann dies wederals strafrechtlich relevante Beleidigung, noch als an-waltliche Pflichtverletzung gewertet werden. Die An-nahme einer Beleidigung würde voraussetzen, dassder Betroffene durch die Äußerung persönlich gekränktund nach den Umständen der Situation in seiner Ehreangegriffen wird und dass dies auch die Absicht desErklärenden ist. Dabei kann eine Beleidigung durch dieKundgabe von Nicht-, Gering- oder Missachtung durchWerturteile oder Tatsachenbehauptungen erfolgen.Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwalt-schaft lässt sich die Intention des Angeschuldigten,jeglichen Personen mit diesen Merkmalen „per se“ zu

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BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

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unterstellen, dass sie aus diesen Merkmalen gesell-schaftliche Vorteile ziehen wollten, nicht aus den Äuße-rungen und den Gesamtumständen entnehmen.

Keine Herabsetzungder Person

Die Äußerungen implizieren nach Auffassung des Se-nats auch keine Herabset-zung der Person der ZeuginZ selbst, sondern stellenallenfalls eine geschmack-

lose und unpassende Formulierung dar.Im Zusammenhang mit diesen Formulierungen sindstets der Zeitpunkt ihrer Äußerung sowie der Gesamt-zusammenhang zu beachten. Der Angeschuldigtenutzte die Redewendung des Ausspielens einer Karteals Reaktion auf die Erklärungen der Zeugin Z v. 27.6.2011 vor dem AG S, wonach sie einen Zusammenhangmit dem Vorwurf des Angeschuldigten – sie sei eineLügnerin – und ihrer Schwerbehinderteneigenschaftbeziehungsweise ihrer Religionszugehörigkeit vermute-te. Diese Argumentation nahm der Angeschuldigte so-dann auf, ohne damit das Ziel zu verfolgen, gesamteMenschengruppen oder die Zeugin persönlich zu diffa-mieren. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Stim-mung der Beteiligten in dem oder den zugrundeliegen-den Verfahren bereits erheblich aufgeheizt war. DieZeugin hatte selbst ihre Schwerbehinderung und Reli-gion ohne erkennbaren Sachzusammenhang erwähnt.Dem Angeschuldigten ging es m.E. in der Folgezeit da-rum, diese – für ihn nicht nachvollziehbare – Argumen-tationsstruktur aufzugreifen und argumentativ für sichund gegen die Zeugin zu nutzen.2. Zuzustimmen ist dem AnwG auch bei der Feststel-lung, wonach es sich bei den Äußerungen – insbeson-dere im Zusammenhang mit dem Wort „spanisch“ –um geschmacklose und unangemessene Anspielungenhandelt, die jedoch noch nicht den Tatbestand einerBeleidigung erfüllen. Hier ist kein direkter Bezug zu Ei-genschaften oder Verhaltensweisen der Zeugin fest-zustellen, auch wenn es sich um entsprechende An-spielungen gehandelt haben dürfte.Nachdem sich die Zeugin zuvor über eine Verbindungzwischen ihrer türkischen Abstammung und dem Wort„türken“ beschwerte, griff der Angeschuldigte auchdies auf und deutete so an, dass auch andere Rede-wendungen Begriffsähnlichkeiten zu der Bezeichnungvon Staaten aufweisen.Auch kann den Äußerungen nicht entnommen werden,dass der Angeschuldigte die Zeugin als besonders be-griffsstutzig darstellen wollte. Zwar führt der Angeschul-digte einen Klammerzusatz („Frau Z: (…)“) an; diesermuss jedoch wohl chronologisch eingeordnet werden.Der Angeschuldigte spricht die Zeugin in dem Schreibenan die Rechtsanwaltskammer persönlich an und möchtedamit deutlich machen, wenn auch in überspitzter Form,dass Frau Z – sollte sie Kenntnis von dem Schreiben er-halten – ihm diese Bemerkungen nicht vorhalten solle.Jegliche Äußerungen stehen in einem unmittelbaren Zu-sammenhang mit der früheren Auseinandersetzung zwi-schen dem Angeschuldigten und der Zeugin.Auch kann dem Angeschuldigten nicht das anwaltlichePrivileg „im Kampf um das Recht“ verwehrt bleiben.Zwar tätigte der Angeschuldigte diese Aussagen nicht

in einer anwaltlichen Auseinandersetzung in einemMandat, sondern in einem schriftlichen Verfahren vorder Rechtsanwaltskammer, das gegen ihn selbst ge-richtet war. Das schließt aber das anwaltliche Privilegnicht aus. Denn dem Erkämpfen des Rechtes für sichselbst ging eine Beschwerde der Zeugin Z voraus. Ge-gen diese Beschwerde verteidigte sich der Angeschul-digte. Daher liegt eine anwaltliche Auseinandersetzungvor. Zudem besteht – zumindest – ein mittelbarer Zu-sammenhang zu der ursprünglichen anwaltlichen Aus-einandersetzung. Die Äußerungen des Angeschuldigtenüberschreiten danach nicht die Grenze des Zulässigen.3. Mit einer Verurteilung des Angeschuldigten in derersten Instanz ist nach dieser rechtlichen Bewertungnicht zu rechnen, so dass ein Grund für die Zulassungder Anschuldigung der Generalstaatsanwaltschaft nichtgegeben ist.Allerdings ist nach Auffassung des Senats darauf hin-zuweisen, dass Äußerungen eines Rechtsanwalts wiedie hier streitgegenständlichen – mögen sie auch dieGrenze zur Strafbarkeit noch nicht übersteigen – geeig-net sind, das Ansehen der Anwaltschaft in der Bevölke-rung und gegenüber der Jusitz zu beeinträchtigen.

HINWEISE DER REDAKTION:Auch das OLG Hamm hat mit Beschluss v. 7.5.2015(BRAK-Mitt. 2015, 245) hervorgehoben, dass wesent-liches Merkmal der Schmähkritik eine das sachlicheAnliegen völlig in den Hintergrund drängende Krän-kung ist. Eine solche persönliche Kränkung liege vor,wenn der Partei eines Mietrechtsstreits eine „verdor-bene charakterliche Natur“ bescheinigt wird.

REICHWEITE EINER AUSKUNFTSPFLICHT

BRAO § 56 I 1

* Für den Rechtsanwalt besteht auch dann eine Aus-kunftspflicht nach § 56 I 1 BRAO, wenn eine Be-schwerde nicht berechtigt ist. Diese Pflicht entfälltnur dann, wenn in keinerlei Hinsicht ein Rückschlussauf ein rügenswertes Verhalten zu ziehen ist, d.h. essich um eine völlig abwegige Beschwerde handelt.AnwG Frankfurt am Main, Beschl. v. 7.10.2016 – IV AG 68/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Der AGH Berlin (BRAK-Mitt. 2009, 81) hat entschie-den, dass eine Rechtsanwaltskammer bei der Frage,ob in Beschwerde- und Aufsichtssachen von ihrenMitgliedern eine Auskunft gem. § 56 I BRAO anfor-dert, ein weites Ermessen hat. Es könne von ihr nichtverlangt werden, in jedem Einzelfall zunächst ab-schließend darüber zu beraten und zu beschließen,ob eine Beschwerde ggf. auch ohne die Einholung ei-ner Auskunft des Rechtsanwalts abgewiesen werdenkönnte.

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BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

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ZULÄSSIGE OUTPLACEMENT-BERATUNGDURCH EINEN RECHTSANWALT

BRAO § 45 II Nr. 2

Es ist einem Rechtsanwalt nicht verboten, vergü-tungspflichtige Outplacement-Dienstleistungen fürseinen Mandanten zu erbringen. Das gilt auchdann, wenn der Anwalt in der vorausgegangenenarbeitsgerichtlichen Vertretung selbst dafür ge-sorgt hat, dass der frühere Arbeitgeber in einer Ab-findungsvereinbarung die Kosten der Outplacement-Beratung übernimmt.OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.5.2016 – 9 U 19/15

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Der Kl. verlangt die Rückzahlung einer im Rah-men eines Dienstleistungsvertrages an den Bekl. ge-zahlten Vergütung.[2] Der Kl. war im Vertrieb einer Versicherung tätig.Im Jahr 2013 kam es zu einem Prozess vor dem ArbGWiesbaden, in dem es um den Bestand des Arbeits-verhältnisses ging. Das Verfahren endete mit einemVergleich, dessen Zustandekommen das ArbG mit Be-schluss v. 1.10.2013 feststellte. Der Kl. einigte sich mitseinem damaligen Arbeitgeber auf eine Beendigungdes Arbeitsverhältnisses; der Arbeitgeber verpflichtetesich u.a. zur Zahlung einer hohen Abfindung und über-nahm die Kosten einer „Outplacement-Beratung“ nachWahl des Kl. i.H.v. 15.000 Euro. Mit dieser Beratungsollte der Kl. professionelle Unterstützung für seine be-rufliche Neuorientierung erhalten.[3] Der Kl. wurde im arbeitsgerichtlichen Verfahrenvon dem Bekl., der von Beruf Rechtsanwalt ist, vertre-ten. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit erbringt derBekl. auch Outplacement-Dienstleistungen. Nach derBeendigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens schlos-sen der Kl. und der Bekl. am 17.10.2013 eine schrift-liche „Outplacement-Vereinbarung“. Der Kl. sollte vondem Bekl. bei der Begründung eines neuen Arbeitsver-hältnisses beraten und unterstützt werden. Die Tätig-keit des Bekl. sollte am 21.10.2013 beginnen und mitBegründung eines neuen Arbeitsverhältnisses enden.[4] In Ziff. 3 des Vertrages wurden die vom Bekl. zu er-bringenden Leistungen inhaltlich konkretisiert. Die Zu-sammenarbeit zwischen den Parteien sollte sich zeit-lich in drei aufeinanderfolgende Phasen gliedern. Dieerste Phase sollte u.a. mit der „Erstellung eines Poten-tialprofils“ beginnen; in der dritten Phase sollte eine„Beratung bei der Vertragsverhandlung des neuenArbeitsverhältnisses“ am Schluss stehen. Ziff. 3 Abs. 2des Vertrages lautet wie folgt: Pro Phase werden je-weils mindestens 25 Stunden Beratung oder Dienstleis-tung garantiert. Der Übergang zwischen den Phasenwird vom Klienten schriftlich genehmigt.[5] Die Parteien vereinbarten eine Pauschalvergütungvon 15.000 Euro zzgl. Mehrwertsteuer, wobei der Bekl.seine Rechnung – im Hinblick auf den vorausgegange-nen Vergleich im arbeitsgerichtlichen Verfahren – anden früheren Arbeitgeber des Kl. stellen sollte. Der Kl.trat seine Ansprüche auf Kostenerstattung aus diesemVergleich an den Bekl. ab.

[6] Der Vertrag sah die Möglichkeit einer vorzeitigenBeendigung durch Kündigung des Kl. vor. Für die Ver-gütung bei einer vorzeitigen Beendigung vereinbartendie Parteien in Ziff. 5 Abs. 7 des Vertrages:Sollte der Vertrag vorzeitig beendet werden, so wirdder Berater einen Teil der Vergütung an die R. Versiche-rung (früherer Arbeitgeber des Kl., im Folgenden abge-kürzt: R.) nach folgender Maßgabe zurückzahlen:Bei Kündigung bis Abschluss Phase 1 erfolgt eine Gut-schrift und Zahlung an die R. i.H.v. 10.000 Euro + MwSt.Bei Kündigung im Laufe der Phase 2 erfolgt eine Gut-schrift und Zahlung an die R. i.H.v. 5.000 Euro + MwSt.Nach Eintritt in Phase 3 (Herstellen von Kontakten zuEntscheidern) erfolgt keine Gutschrift mehr.[7] Der Bekl. erbrachte in der Folgezeit Leistungen, dieder Phase 1 in der Outplacement-Vereinbarung zu-zurechnen waren. Im Übrigen sind Umfang und Quali-tät der vom Bekl. erbrachten Dienstleistungen streitig.[8] Am 9.12.2013 kündigte der Kl. die Outplacement-Vereinbarung. Der Bekl. bestätigte die Kündigung mitE-Mail v. 10.12.2013 (I 89). Von der Vergütung i.H.v.15.000 Euro zzgl. MwSt., die er bereits vom früherenArbeitgeber des Kl. erhalten hatte, zahlte der Bekl. ei-nen Teilbetrag von 5.950 Euro an die R. zurück.[9] Der Kl. hat mit seiner Klage zum LG vom Bekl. ver-langt, auch die restliche Vergütung i.H.v. 10.000 Eurozzgl. MwSt. an seinen früheren Arbeitgeber zurückzu-zahlen. Mit der Rückzahlung wolle er die Möglichkeiterhalten, die von der R. zugesagte Bezahlung einerOutplacement-Beratung für einen anderen Dienstleis-ter erneut zu erhalten. Der Bekl. sei zur Rückzahlungverpflichtet, da der zwischen den Parteien abgeschlos-sene Vertrag nichtig sei. Nach dem vorausgegangenenarbeitsgerichtlichen Verfahren sei der Bekl. gem. § 45II Ziff. 2 BRAO nicht berechtigt gewesen, eine entgelt-liche Beratungstätigkeit auszuüben, die in einem unmit-telbaren Zusammenhang mit der vorausgegangenenanwaltlichen Tätigkeit gestanden habe. Im Übrigen sei-en die Leistungen des Bekl. für den Kl. unzureichendund nicht brauchbar gewesen.[10] Der Bekl. ist der Klage entgegengetreten. Aus § 45II Ziff. 2 BRAO habe sich für ihn als Rechtsanwalt keinVerbot ergeben, dem Kl. Outplacement-Dienstleistungenanzubieten. Da er in der Zusammenarbeit mit dem Kl.bereits in den Bereich der vereinbarten Leistungsphase2 eingetreten sei, komme eine weitergehende Rückzah-lungsverpflichtung – über den bereits gezahlten Betragvon 5.000 Euro zzgl. MwSt. hinaus – nicht in Betracht.[11] Das LG hat mit Urteil v. 17.12.2014 die Klage ab-gewiesen. Der Bekl. sei zu einer Rückzahlung über denbereits geleisteten Betrag hinaus nicht verpflichtet. DieDienstleistungsvereinbarung zwischen den Parteien ver-stoße nicht gegen § 45 II Ziff. 2 BRAO. Die Abrechnung,welche der Bekl. seiner Rückzahlung zugrunde gelegthabe, sei zutreffend; denn die Parteien seien bei ihrerZusammenarbeit bereits in die Phase 2 der vereinbar-ten Leistungen eingetreten. Abweichender Sachvortragdes Kl. zu den vom Bekl. erbrachten Dienstleistungensei nicht zu berücksichtigen, da das schriftsätzlicheVorbringen des Kl. erst nach Schluss der mündlichenVerhandlung erfolgt sei.[12] Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung desKl. Er hält die erstinstanzliche Entscheidung aus recht-

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lichen und aus tatsächlichen Gründen für fehlerhaft.Entgegen der Auffassung des LG habe der Bekl. in sei-ner Eigenschaft als Rechtsanwalt bei Abschluss derOutplacement-Vereinbarung gegen ein gesetzlichesVerbot (§ 45 II Ziff. 2 BRAO) verstoßen. Außerdem sei-en die vom LG zu den erbrachten Leistungen getroffe-nen Feststellungen unzutreffend.[13] Der Kl. beantragt, das Urteil des LG Konstanz v.17.12.2014 (M 5 O 233/14), aufzuheben und denBekl. zu verurteilen, an die R. AG, vertreten durch denVorstand, vertreten durch den Vorsitzenden HerrnDr. R., 10.000 Euro nebst Umsatzsteuer, nebst Zinsenvon 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit11.2.2014 zu bezahlen.[14] Der Bekl. beantragt, die Berufung des Kl. zurück-zuweisen.[15] Der Bekl. verteidigt das Urteil des LG. Er ergänztund vertieft den erstinstanzlichen Sachvortrag.[16] Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die ge-wechselten Schriftsätze verwiesen.[17] II. Die zulässige Berufung des Kl. ist teilweisebegründet. Ihm steht ein Zahlungsanspruch i.H.v.5.950 Euro nebst Zinsen zu. Die Zahlung hat an denfrüheren Arbeitgeber des Kl., die R., zu erfolgen.[18] 1. Die Berufung ist entgegen der Auffassung desBekl. zulässig. (…)[22] 3. Der Rückzahlungsanspruch des Kl. ergibt sichaus § 5 Abs. 7 der Outplacement-Vereinbarung v.17.10.2013. (…)[31] 4. Dem Kl. steht hingehen kein Rückzahlungs-anspruch zu, der über den Betrag von (noch) 5.950 Eurohinausgeht. Der Bekl. ist hinsichtlich des ihm aus der Ver-gütung verbleibenden Drittels nicht ungerechtfertigt be-reichert (vgl. § 812 I 1 Hs. 1 BGB). Denn die Outplace-ment-Vereinbarung ist wirksam. Ein Verstoß gegen ein ge-setzliches Verbot (§ 134 BGB i.V.m. § 45 II Ziff. 2 BRAO)liegt – wie das LG zutreffend festgestellt hat – nicht vor.[32] a) Nach § 45 II Ziff. 2 BRAO ist ein Rechtsanwaltnicht berechtigt, in derselben Angelegenheit, in welcherer bereits als Anwalt tätig war, nachträglich in sonstigerWeise tätig zu werden. Entscheidend für die Beschrän-kung der anwaltlichen Berufstätigkeit ist der Begriff der„Angelegenheit“. Dienstleistungen, die nicht zum Berufs-bild des Anwalts gehören, darf ein Anwalt nur dannnicht erbringen, wenn sie sich auf dieselbe „Angelegen-heit“ beziehen, in der er bereits anwaltlich tätig gewor-den ist. Im Hinblick auf die grundrechtlich geschützteBerufsfreiheit sind die Verbote in § 45 BRAO grundsätz-lich eng auszulegen (vgl. dazu Kilian, in Henssler/Prüt-ting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 45 BRAO Rn. 5).

Nicht dieselbeAngelegenheit

[33] b) Die Outplacement-Vereinbarung einerseits unddie vorausgegangene Ver-tretung des Kl. im arbeits-gerichtlichen Verfahren be-treffen nicht dieselbe „An-

gelegenheit“ i.S.v. § 45 II Nr. 2 BRAO. Dies ergibt sichschon aus einer wörtlichen Auslegung des Begriffs „An-gelegenheit“.[34] Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ging es um einenStreit des Kl. mit seinem Arbeitgeber über den Bestanddes Arbeitsverhältnisses. Die Outplacement-Verein-barung betraf hingegen Beratungs-Dienstleistungen desBekl. nach Ende des früheren Arbeitsverhältnisses, die

der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit ei-nem anderen Arbeitgeber dienen sollten. Eine Identitätzwischen den verschiedenen Angelegenheiten bestehtweder in rechtlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht.Auch die Personen, gegenüber denen der Bekl. Interes-sen des Kl. zu vertreten hatte, waren verschieden. Vordem ArbG ging es allein um eine Interessenvertretunggegenüber dem früheren Arbeitgeber; bei der späterenBeratung des Kl. waren hingegen seine Interessen imVerhältnis zu möglichen neuen Arbeitgebern zu wahren.

[35] c) Bei der Auslegung von § 45 II Ziff. 2 BRAO istauch die Funktion dieser Verbotsnorm zu berücksichti-gen. Sinn und Zweck des Verbots sprechen gegen eineerweiternde Auslegung.

[36] Die Verbotsnorm soll zum Einen verhindern, dassein Anwalt dieselbe Interessenwahrnehmung eines Man-danten fortsetzt, sich dabei jedoch gleichzeitig berufs-rechtlicher Pflichten entledigt (vgl. Bormann, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014,§ 45 BRAO Rn. 44). Dieser Gesichtspunkt spielt vorlie-gend keine Rolle; denn die Outplacement-Beratung hatnichts mit der vorausgegangenen rechtlichen Interessen-vertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu tun. Zumanderen sollen durch § 45 II Ziff. 2 mögliche Interessen-konflikte des Anwalts vermieden werden. Es soll kein Wi-derstreit bestehen zwischen den Interessen des Mandan-ten und den Interessen Dritter, welche der Anwalt nachBeendigung eines Mandats in einer nicht-anwaltlichenTätigkeit zu vertreten hat (vgl. Bormann, a.a.O.; OLGKöln, NJW-RR 2008, 933; BGH, NJW 2011, 373).

Keine Interessen-kollision

Eine solche Interessenkollision kommt vorliegend nichtin Betracht; sowohl dieanwaltliche Tätigkeit desBekl. als auch seine Dienst-leistungen im Rahmen der

Outplacement-Vereinbarung lagen allein im Interessedes Kl., und nicht im Interesse anderer Personen.

[37] d) Allerdings lässt sich nicht völlig ausschließen,dass ein Rechtsanwalt bei der Aushandlung eines Ver-gleichs seines Mandanten mit dem Arbeitgeber aucheigene Interessen im Auge hat, wenn er anschließenddem Mandanten eine Outplacement-Dienstleistunganbieten kann, die der Arbeitgeber finanzieren soll. Indiesem Punkt unterscheidet sich die Situation des Bekl.jedoch nicht von der alltäglichen Situation jedesRechtsanwalts, der ausschließlich anwaltliche Dienst-leistungen erbringt. Denn ein rechtlicher Rat desAnwalts an seinen Mandanten ist regelmäßig mit derMöglichkeit verbunden, dass aus der Befolgung desRats höhere oder geringere Gebührenansprüche desAnwalts entstehen können; es besteht auch immer dieMöglichkeit, dass bestimmte Entscheidungen des Man-danten weitere für den Anwalt interessante Mandatenach sich ziehen können. Vom Rechtsanwalt wird nachdem System des deutschen Berufsrechts grundsätzlicherwartet, dass er solche persönlichen wirtschaftlichenInteressen gegenüber den von ihm zu wahrenden Inte-ressen des Mandanten zurückstellt. Soweit im Berufs-recht – beispielsweise in § 45 II Ziff. 2 BRAO – dasRisiko von Interessenkonflikten verhindert werden soll,bezieht sich diese Zielvorstellung des Gesetzgebers nurauf einen möglichen Interessenwiderstreit im Verhältniszwischen dem Mandanten und Dritten, nicht jedoch auf

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einen möglichen wirtschaftlichen Interessenwiderstreitzwischen dem Mandanten und seinem Anwalt.[38] 5. Andere Gesichtspunkte, die zu einer vollständi-gen Rückzahlungspflicht des Bekl. führen könnten, sindnicht ersichtlich. (…)

HINWEISE DER REDAKTION:Der BGH (BRAK-Mitt. 2014, 79) hat entschieden,dass dem Rechtsanwalt gem. § 45 II Nr. 1 BRAO

eine Tätigkeit als Betreuer in solchen Angelegenheitenuntersagt ist, mit denen er bereits gegen den Trägerdes zu verwaltenden Vermögens als Rechtsanwalt be-fasst war. Die Tätigkeit als berufsmäßiger Betreuer fürden Betroffenen ist gem. § 45 II Nr. 2 BRAO auchdann ausgeschlossen, wenn der Rechtsanwalt da-durch in derselben Angelegenheit, mit der er bereitsals Rechtsanwalt befasst gewesen ist, in einer nicht-anwaltlichen zweitberuflichen Funktion tätig würde.

FACHANWALTSCHAFTEN

BERÜCKSICHTIGUNG VON FÄLLENIN DER RECHTSMITTELINSTANZ

FAO §§ 5 I lit. s, 14l

* 1. Ein Fall zählt nur einfach, auch wenn sich dasMandat auf mehrere gerichtliche Instanzen er-streckt.* 2. Zwar können gem. § 5 IV FAO Bedeutung, Um-fang und Schwierigkeit einzelner Fälle zu einer höhe-ren Gewichtung führen. Hieraus folgt aber nicht,dass in Fällen, in denen ein Rechtsstreit in eine hö-here Instanz gelangt, zwingend eine höhere Gewich-tung erfolgen muss. Eine schematische Aufwertungkommt nicht in Betracht, da die zusätzliche Fallbear-beitung in einem Berufungs- oder sonstigen Rechts-mittelverfahren nicht schon für sich genommeneine Gewähr dafür bietet, dass der Rechtsanwalthierbei in dem betreffenden Fachgebiet besonderepraktische Erfahrungen erwirbt, die über diejenigeneines „durchschnittlichen Falls“ hinausgehen.* 3. Ferner kann nicht allgemein davon ausgegan-gen werden, dass das Rechtsmittelverfahren über-haupt noch einen ausreichenden Bezug zu dem be-treffenden Fachgebiet aufweist. Daran kann es etwafehlen, wenn infolge einer Beschränkung des Streit-stoffs Fragen aus dem betreffenden Fachgebietnicht mehr erheblich sind.BGH, Beschl. v. 27.4.2016 – AnwZ (Brfg) 3/16

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Die Bekl. hat mit Bescheid v. 2.10.2014 den An-trag des Kl. auf Verleihung der Bezeichnung „Fach-anwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht“ abgelehnt,weil der Kl. seine besonderen praktischen Erfahrungennicht hinreichend dargelegt habe. Die hiergegen ge-richtete Klage hat der AGH zurückgewiesen. Der Kl.beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.[2] II. Der Antrag ist nach § 112e 2 BRAO, § 124a IVVwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hatjedoch keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulas-sungsgründe (§ 112e 2 BRAO, § 124 II Nr. 1, Nr. 5VwGO) liegen nicht vor.[3] 1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an derRichtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e 2 BRAO,

§ 124 II Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelnertragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachen-feststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestelltwird (vgl. nur Senatsbeschl. v. 16.3.2015 – AnwZ (Brfg)47/14, Rn. 3 und v. 3.6.2015 – AnwZ (Brfg) 11/15,Rn. 3; jeweils m.w.N.). Entsprechende Zweifel vermagder Kl. mit seiner Antragsbegründung nicht darzulegen.[4] Nach § 2 I FAO hat ein Ast. für die Verleihung einerFachanwaltsbezeichnung u.a. besondere praktische Er-fahrungen nachzuweisen. Der Erwerb besonderer prak-tischer Erfahrungen im Bank- und Kapitalmarktrechtsetzt dabei nach § 5 I lit. s FAO voraus, dass der Ast.innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellungim Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich und wei-sungsfrei 60 Fälle, davon mindestens 30 rechtsförmlicheVerfahren bearbeitet hat. Die Fälle müssen sich auf min-destens drei verschiedene Bereiche des § 14l Nr. 1 bis 9FAO beziehen, dabei auf jeden dieser 3 Bereiche min-destens 5 Fälle. Ob die vom Kl. insoweit vorgelegtenUnterlagen zum Nachweis ausreichen, ist dabei alsRechtsfrage gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar(vgl. nur Senat, Beschl. v. 6.3.2006 – AnwZ (B) 36/05,NJW 2006, 1513, Rn. 8 m.w.N.). Der AGH, der eine Fall-zahl von 55,5 festgestellt hat, ist insoweit im Ergebniszutreffend davon ausgegangen, dass dem Ast. der ihmobliegende Nachweis von 60 Fällen nicht gelungen ist.[5] a) Unter einem „Fall“ ist jede juristische Aufarbei-tung eines einheitlichen Lebenssachverhalts zu verste-hen, der sich von anderen Lebenssachverhalten da-durch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tat-sachen und die Beteiligten verschieden sind (vgl. nurSenat, Beschl. v. 6.3.2006, a.a.O., Rn. 12 und BRAK-Mitt. 2009, 177, Rn. 7). Entgegen der Auffassung desKl. bestehen keine ernstlichen Zweifel, soweit der AGHdavon ausgegangen ist, der Umstand, dass der Kl. ei-nen Mandanten zusätzlich auch im Rechtsmittelverfah-ren vertreten hat, stelle keinen weiteren Fall dar.

Ein Fall bleibt ein Fall

Nach der ständigen Senatsrechtsprechung zählt einFall nur einfach, auch wennsich das Mandat auf meh-rere gerichtliche Instanzen

erstreckt (vgl. nur BRAK-Mitt. 1999, 230, 231 und v.12.7.2010 – AnwZ (B) 85/09, NJW-RR 2011, 279, Rn. 3).Ggf. können solche Verfahren – siehe dazu II 1d – imRahmen des § 5 IV FAO höher als mit 1 gewichtet wer-den. Eine erweiternde Auslegung des Fallbegriffs schei-

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det insoweit aber aus (vgl. Senat, Beschl. v. 12.7.2010,a.a.O.). Soweit der Kl. daher in seiner Fall-Liste Rechts-streitigkeiten, die von ihm in erster und zweiter Instanzbetreut wurden, als zwei Fälle gewertet hat, ist dies un-zutreffend. Genauso wenig können als zusätzliche Fälledie Nr. 29 und 41 der Fall-Liste berücksichtigt werden,in denen gegen die Entscheidung des Berufungs-gerichts Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH ein-gelegt worden ist. Im Übrigen konnte der Kl. diese Ver-fahren mangels Postulationsfähigkeit nicht i.S.d. § 5 IFAO persönlich und weisungsfrei bearbeiten. Vielmehrwurden die Mandanten durch den beim BGH zugelas-senen RA Dr. S. vertreten.[6] Soweit der Kl. im Zusammenhang mit der Wertungder Rechtsmittelverfahren als keine neuen Fällen, eineVerletzung von Art. 103 I GG durch den AGH rügt,geht dieser Vorwurf schon mangels Entscheidungs-erheblichkeit ins Leere, da die beanstandete Wertungim Einklang mit der ständigen Senatsrechtsprechungsteht. Im Übrigen ist dem Kl. ausreichend rechtlichesGehör gewährt worden. Bereits die Bekl. hat die streit-gegenständliche Thematik in ihren Schreiben v. 6.1.2013 und 5.2.2014 (dort i.V.m. dem beigefügten Vo-tum des Berichterstatters des Fachausschusses) sowieim angefochtenen Bescheid angesprochen. (…)[12] d) Zu Unrecht macht der Kl. geltend, der AGHhabe im Rahmen der Gewichtung der einzelnen Fälledem Umstand, dass einzelne Rechtsstreitigkeiten vonihm auch in der Rechtsmittelinstanz bearbeitet wordenseien, nicht ausreichend Rechnung getragen. Nach § 5IV FAO können Bedeutung, Umfang und Schwierigkeiteinzelner Fälle zu einer höheren oder niedrigeren Ge-wichtung führen.

Höhere Gewichtungist nicht zwingend

Entgegen der Auffassung des Kl. folgt aber allein da-raus, dass ein Fall in einehöhere Instanz gelangt,nicht zwingend eine höhe-re Gewichtung (vgl. nur Se-

nat, Beschl. v. 12.7.2010, a.a.O., Rn. 5 f.; BGHZ 197,118, Rn. 34 und v. 10.3.2014, a.a.O., Rn. 38). Eineschematische Aufwertung kommt nicht in Betracht.Denn die zusätzliche Fallbearbeitung in einem Beru-fungs- oder sonstigen Rechtsmittelverfahren bietet nichtschon für sich genommen eine Gewähr dafür, dass derRechtsanwalt hierbei in dem betreffenden Fachgebietbesondere praktische Erfahrungen erwirbt, die überdiejenigen eines „durchschnittlichen“ Falls hinaus-gehen. So kann eine Berufung zunächst fristwahrendeingelegt und dann zurückgenommen werden. Der An-walt kann auch mit der Vertretung gegenüber einervom Gegner nur fristwahrend eingelegten Berufungbeauftragt worden sein. Wird bei unstreitigem Sach-verhalt um Fragen des materiellen Rechts gestritten,besteht, wenn die Sache in zweiter Instanz nicht gleich-sam rechtlich auf „neue Beine“ gestellt wird, ebenfallskein Anlass für eine Höhergewichtung. Im Übrigenkann nicht allgemein davon ausgegangen werden,dass das Rechtsmittelverfahren überhaupt noch einenausreichenden Bezug zu dem betreffenden Fachgebietaufweist. Daran kann es etwa fehlen, wenn infolgeeiner Beschränkung des Streitstoffs Fragen aus dembetreffenden Fachgebiet nicht mehr erheblich sind.

Wesentlich ist insoweit letztlich, ob sich aus dem Vor-trag des jeweiligen Ast. hinreichend ergibt, dass derFall durch seine Bearbeitung in mehr als einer Instanzeine höhere Gewichtung verdient. Dies kann zum Bei-spiel der Fall sein, wenn sich die Verhandlung in zwei-ter Instanz auf andere bank- oder kapitalmarktrecht-liche Fragen konzentriert hat als die, auf denen in ers-ter Instanz der Schwerpunkt gelegen hat, oder wennetwa prozessuale Umstände vorgelegen haben, diemit Blick auf das Tätigwerden auch in der zweiten In-stanz die Sache besonders schwierig oder umfangreicherscheinen lassen (vgl. Senat, a.a.O.).

[13] Diese Voraussetzungen hat der Kl. aber nicht dar-gelegt. Sein allgemeiner Hinweis, dass sich in Rechts-mittelverfahren andere Fragen stellen können als in1. Instanz und dass eine Berufung auf neue Angriffs-und Verteidigungsmittel gestützt werden könne, ist fürdie Gewichtung der konkreten Fälle ohne Substanz.Die Behauptung, dass sich in den aufgeführten Fällennicht dieselben Rechtsfragen gestellt hätten und derin diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, der AGHhabe sich nicht ausreichend mit der Fall-Liste befasst,ist nicht nachvollziehbar. Die Fall-Liste enthält nichtsEntscheidungserhebliches zu dieser Thematik. Soweitder Kl. eine Höherwertung mit der Begründung begehrt,er habe in zwei Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrenden Schriftverkehr mit dem beim BGH tätigen Rechts-anwalt geführt und diesen „unterstützt“, ist Letzteressubstanzlos, zum anderen der Vortrag insgesamt un-erheblich. Im Rahmen des § 5 FAO können nur Fälleberücksichtigt werden, die der Rechtsanwalt persön-lich und weisungsfrei bearbeitet hat. Fehlt dem Anwaltdie Postulationsfähigkeit, kann der Umstand, dass einVerfahren in die dritte Instanz gelangt ist, auch unterden vom Kl. behaupteten Umständen nicht zu einerhöheren Gewichtung führen.

[14] Es bestehen deshalb keine ernstlichen Zweifel ander Bewertung des AGH, soweit der Kl. eine Höher-gewichtung geltend macht. Vielmehr führt umgekehrtder Umstand, dass dem Kl. bezüglich der Nichtzulas-sungsbeschwerdeverfahren die Postulationsfähigkeitfehlt, dazu, dass die Fälle Nr. 33, 40, 41 der Fall-Listeüberhaupt nicht gezählt werden können. Denn die Tä-tigkeit des Kl. in 1. (Nr. 33) und 2. Instanz (Nr. 40) lagaußerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums (3.11.2008 –3.11.2011). Das am 6.11.2008 von dem beim BGH zu-gelassenen RA Dr. S. eingeleitete Beschwerdeverfahren(XI ZR …) kann, auch wenn es zu demselben Lebens-sachverhalt gehört, nicht zugunsten des Kl. berücksich-tigt werden. Innerhalb des maßgeblichen Zeitraums istdeshalb keine entscheidungserhebliche anwaltlicheTätigkeit des Kl. erfolgt. (…)

HINWEISE DER REDAKTION:Zur Anerkennung einer Vertretung in einem Klage-verfahren als eigener Fall, wenn bereits die in einemvorherigen einstweiligen Verfügungsverfahren erfolg-te Vertretung als Fall anerkannt worden ist, vgl. BGH,BRAK-Mitt. 2015, 150.

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VERGÜTUNG

RECHTSBERATUNG DURCH ENTWICKLUNGS-INGENIEUR

RDG §§ 2 I, 3, 5 I 1 und 2

1. Wer in offener Stellvertretung für Dritte gewerb-liche Schutzrechte bei dem Deutschen Patent- undMarkenamt oder dem Europäischen Patentamt an-meldet, wird im wirtschaftlichen Interesse der An-melder und damit in konkreten fremden Angelegen-heiten tätig, die eine rechtliche Prüfung des Einzel-falls i.S.v. § 2 I RDG erfordern.

2. Sind für die Haupttätigkeit eines Dienstleisters(hier: eines Entwicklungsingenieurs) Rechtskennt-nisse kaum erforderlich, kann nicht angenommenwerden, dass eine Rechtsdienstleistung, die erheb-liche Anforderungen an die Rechtsberatung stellt(hier: Anmeldung gewerblicher Schutzrechte), alsNebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der

Haupttätigkeit gehört und deshalb nach § 5 I RDGerlaubt ist. Macht der Dienstleister das Gegenteilgeltend, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast.BGH, Urt. v. 31.3.2016 – I ZR 88/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

VERGÜTUNGSBEMESSUNG BEI VERKEHRS-ORDNUNGSWIDRIGKEITEN

RVG § 14; VV-RVG Nr. 5100, Nr. 5103, Nr. 5109,Nr. 5110

* Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ist stetsvon einer Mittelgebühr auszugehen, sofern nicht ineinem Einzelfall besondere Umstände hiergegensprechen.LG Chemnitz, Beschl. v. 23.2.2016 – 2 Qs 159/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

SONSTIGES

VERMUTUNG DES VERMÖGENSVERFALLS BEIENGLISCHEM INSOLVENZVERFAHREN

StBerG § 46 II Nr. 4

Der Eintritt eines Vermögensverfalls ist nach § 46 IINr. 4 StBerG auch dann zu vermuten, wenn dasInsolvenzverfahren über das Vermögen des Steuer-beraters oder Steuerbevollmächtigten nicht inDeutschland, sondern in einem anderen Mitglied-staat der Europäischen Union nach dessen Rechteröffnet worden ist.

BFH, Beschl. v. 17.8.2016 – VII B 59/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

TÄTIGKEITSVERBOT FÜR PENSIONIERTENRICHTER

BeamtStG § 41 S. 2; DRiG § 71; GG Art. 12

* 1. Einem Ruhestandsrichter ist es nicht gestattet,als Rechtsanwalt vor demselben Gericht aufzutre-ten, an dem er langjährig tätig gewesen ist.

* 2. Es spricht Überwiegendes dafür, dass durch dieTätigkeit eines ehemaligen Richters als Rechts-anwalt vor dem Gericht, an dem er tätig war,

dienstliche Interessen i.S.d. § 41 S. 2 BeamtStG be-einträchtigt werden können.* 3. Die Festsetzung der Untersagungsdauer vonfünf Jahren begegnet keinen rechtlichen Bedenken.VG Hannover, Beschl. v. 26.7.2016 – 2 B 3650/16

AUS DEN GRÜNDEN:I. Der am … geborene Ast. war seit 1983 als Richteram AG A-Stadt tätig. Er war dort vornehmlich für Straf-sachen zuständig. Mit Ablauf des 31.5.2015 wurde erauf seinen Antrag in den vorzeitigen Ruhestand ver-setzt. Am 27.10.2015 wurde er als Rechtsanwalt zuge-lassen. Der Ast. hat sich der Kanzlei E. – F. – A. mit Sitzin A-Stadt angeschlossen.Mit Schreiben v. 4.4.2016 teilte der Ast. dem Direktordes AG A-Stadt mit, dass er in einer vor dem AG an-hängigen Strafsache als Verteidiger auftreten werde.Am 7.4.2016 nahm er das Mandat in der strafrecht-lichen Angelegenheit am AG A-Stadt wahr. Mit Be-scheid v. 14.4.2016 wies der Ag. den Ast. darauf hin,dass er verpflichtet gewesen sei, ihm seine Tätigkeitals Rechtsanwalt anzuzeigen. Außerdem untersagteer dem Ast. gem. § 41 S. 2 BeamtStG, vor seinem frü-heren Dienstgericht als Rechtsanwalt aufzutreten. Die-se Einschränkung gelte nur für ein Auftreten vor demAG A-Stadt und rückwirkend ab Beginn seines vorzeiti-gen Ruhestands für die Dauer von 5 Jahren, d.h. biszum 31.5.2020. Zur Begründung führte der Ag. unterBezugnahme auf einen Beschluss des OVG Münster v.2.3.2016 – 1 B 1375/15 – aus, die Tätigkeit des Ast.als Rechtsanwalt stehe im Zusammenhang mit seiner

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früheren Tätigkeit als Richter beim AG A-Stadt und be-einträchtige dienstliche Interessen.Am 2.5.2016 hat der Ast. Klage erhoben (2 A 2858/16).Im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens, mit Datum v.30.5.2016, wurde der Ast. nachträglich zur Unter-sagungsverfügung angehört. Am 16.6.2016 ordneteder Ag. die sofortige Vollziehung der Untersagungsver-fügung gem. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO an; auf die Begrün-dung wird Bezug genommen.Am 30.6.2016 hat der Ast. um vorläufigen Rechtsschutznachgesucht. Zur Begründung seines vorläufigenRechtsschutzgesuchs und seiner Klage trägt er vor:Der Sofortvollzug sei nicht den Anforderungen des § 80III 1 VwGO entsprechend begründet worden. Es sei bis-lang sowohl inhaltlich, aber gerade auch von der für ei-nen Sofortvollzug gewichtigen Zeitdimension nicht er-kennbar, weshalb nun eine sofortige Vollziehung an-geordnet worden sei, die bei vermeidlich erheblicherDringlichkeit mit dem Ausgangsbescheid selbst, spätes-tens aber unmittelbar nach Klageeinreichung und nichterst sieben Wochen später zu erfolgen gehabt hätte.Der Sofortvollzug leide auch daran, dass überhauptnicht erkennbar sei, dass in irgendeiner Form für dieseAusnahmeentscheidung eine Interessenabwägung statt-gefunden habe. Das nun notwendig gewordene Erläu-tern gegenüber potentiellen Mandantschaften, wederOrdnungswidrigkeiten noch Strafrechtsmandate in klas-sischer Form übernehmen zu dürfen, beeinträchtige ihnganz erheblich. Realistischerweise sei davon auszuge-hen, dass die Personen, die in den nun folgenden Mona-ten von ihm mandatiert werden sollten, bis zum Zeit-punkt einer etwaigen für ihn positiven Entscheidungnicht mehr als Klientel in Betracht kämen, wenn er ih-nen gegenüber erklären müsse, dass er sie vor demAG A-Stadt nicht vertreten dürfe. Diese Personen wür-den ihn in der Vielzahl nie wieder oder zumindest überviele Jahre hinweg nicht mehr frequentieren.Die Untersagungsverfügung als solche leide unter for-mellen Fehlern, weil die erforderliche Anhörung vor Er-lass des belastenden Verwaltungsakts nicht erfolgt seiund weil es der Untersagungsverfügung an der erfor-derlichen Begründung fehle. Soweit der Ag. in der Un-tersagungsverfügung auf eine Entscheidung des OVGMünster (Beschl. v. 2.3.2016 – 1 B 1375/159) Bezugnehme, werde der Begründungsmangel dadurch nichtausgeglichen. Der Beschluss des OVG Münster könneschon deshalb nicht als Maßstab für eine etwaigeRechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung dienen,als das OVG selbst einräume, sich mit seinen tragen-den Argumenten bezüglich des Schutzzweckes derNorm des § 41 BeamtStG in Widerspruch zur aktuelljüngsten Entscheidung des BVerwG gesetzt zu haben.Nach der einschlägigen Entscheidung des BVerwG(Urt. v. 26.6.2014 – 2 C 23/13) könne die Erwerbs-tätigkeit eines Ruhestandsbeamten nur dann wegender Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Inte-ressen untersagt werden, wenn sie nachteilige Rück-schlüsse auf dessen frühere Amtsführung zulasse.Lege man diese Rechtsprechung zugrunde, sei nichtzu erkennen, welche Aspekte eine Untersagungsver-fügung rechtfertigen sollten.

Die Untersagungsverfügung verstoße auch gegen diebisherige Verwaltungspraxis sowohl im Zuständigkeits-bereich des Ag. als auch in anderen umliegenden Ge-richtsbezirken. Der Präsident der RAK X habe auf diean ihn gerichtete Frage, wie viele Richter nach ihremRuhestand als Rechtsanwälte tätig geworden seienund ob es in irgendeinem Falle eine Einschränkungder Berufszulassung gegeben habe, bestätigt, dassseit mehr als neun Jahren zahlreiche ehemalige Rich-ter uneingeschränkt zugelassen worden seien undsein Fall mit einer solchen Untersagungsverfügungder erste sei, der der RAK bekannt geworden sei.Der Ast. beantragt, die aufschiebende Wirkung seinerKlage v. 2.5.2016 (2 A 2585/16) wiederherzustellen,hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.Der Ag. beantragt, den Antrag abzulehnen.Zur Begründung trägt er vor:Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formellund materiell rechtmäßig. Die Erwerbstätigkeit desAst. sei zu untersagen, weil zu besorgen sei, dassdurch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt würden.Der Ast. werbe auf der Homepage der Kanzlei seinerProzessbevollmächtigten, bei der es sich zugleich umdie Kanzlei handele, in der er rechtsanwaltlich tätigsei, ausdrücklich damit, in der Zeit von 1983 bis zum31.5.2015 als Strafrichter beim AG A-Stadt tätig gewe-sen zu sein. Das Verbot diene dazu, mögliche Schädenfür das Vertrauen der Allgemeinheit in die loyale, ge-setzestreue und unparteiische Dienstleistung währenddes Beamtenverhältnisses durch Verhinderung nach-träglicher Interessens- und Loyalitätskonflikte zu ver-meiden, die vor allem dadurch entstehen könnten,dass die korrekte Willensbildung der jetzigen Amts-inhaber durch die besonderen Kenntnisse und/oderKontakte des Ruhestandsbeamten beeinflusst werdenkönnen, oder auch dadurch, dass die frühere Beamtinoder der frühere Beamte eine Tätigkeit bei einem unterseinem früheren Amtsbereich fallenden Interessentenaufnehme, so dass die Integrität der betroffenen Be-hörde bei Außenstehenden in Zweifel gezogen werdenkönne. Auf die überzeugenden Erwägungen des OVGMünster in der Entscheidung v. 2.3.2016 werde Bezuggenommen. Rechtliche Bedenken ergäben sich auchnicht im Hinblick auf die Dauer der Untersagung, diegesetzlich begrenzt sei (§ 41 S. 3 BeamtStG). Der Ast.sei auf seinen Antrag hin deutlich vor Erreichen der Re-gelaltersgrenze in den Ruhestand getreten. Für ihn geltedie fünfjährige Anzeigepflicht nach § 41 S. 1 BeamtStGi.V.m. § 79 S. 1 NBG über § 71 DRiG, § 2 NRiG.Der Hinweis des Ast. auf das Schreiben des Präsiden-ten der RAK X sei für die Entscheidung des vorliegen-den Falls ohne Bedeutung, weil es nicht um eine Zulas-sung des Ast. zur Rechtsanwaltschaft gehe, sondern al-lein um eine Untersagung der anwaltlichen Tätigkeitvor dem AG A-Stadt. Im Übrigen sei der Ast. selbstver-ständlich in keinerlei Hinsicht gehindert, Mandantenzu beraten und zu vertreten.Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts unddes Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts-akte und die beigezogene Personalakte des Ast. Bezuggenommen.

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Page 45: DEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 - BRAK-MitteilungenDEZEMBER 2016 47. JAHRGANG 6/2016 S. 265–304 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias

II. Der auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 V 1VwGO gerichtete Antrag des Ast. ist zulässig, denndie aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen dieVerfügung des Ag. v. 14.4.2016, mit der ihm untersagtwurde, für die Dauer von fünf Jahren als Rechtsanwaltvor dem Gericht seiner früheren Dienstausübung tätigzu werden, hat keine aufschiebende Wirkung, weil derAg. die sofortige Vollziehung nach § 80 II Nr. 4 VwGOangeordnet hat.Der Antrag ist jedoch nicht begründet.Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formellrechtmäßig erfolgt. Insbesondere hat der Ag. die soforti-ge Vollziehung des Bescheids v. 14.4.2016 hinreichendund den Anforderungen des § 80 III VwGO genügendbegründet. Er hat u.a. dargelegt, dass die nunmehrvon dem Ast. ausgeübte Tätigkeit in einem unmittel-baren Zusammenhang mit der zuletzt ausgeübten rich-terlichen Tätigkeit stehe und dienstliche Interessen be-einträchtige. Im vorliegenden Fall bestehe die Besonder-heit, dass sich der Ast. bereits einer Anwaltskanzlei in A-Stadt als Rechtsanwalt angeschlossen habe, bereits ineinem Strafverfahren als Verteidiger aufgetreten seiund ausweislich der Internetseite der AnwaltskanzleiE. – F. – A. auch für weitere Mandate zur Verfügung ste-he. Angesichts der überschaubaren Größe des Amts-gerichtsbezirks, seiner langjährigen Tätigkeit am AG A-Stadt und der damit sowohl örtlichen als auch personel-len engen Verbundenheit zu seinem alten Dienstort be-stehe das öffentliche Interesse darin, jeglichen Anscheinder Beeinflussung der Justiz in der Wahrnehmung desRechtspflegeauftrags insbesondere deren unabhängi-ger Ausführung durch ehemalige Richter, die nunmehrauf Anwaltsseite auftreten, zu vermeiden. Während ei-nes verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehe dienicht unerhebliche Gefahr, dass gerade aufgrund derübersichtlichen Größe des Gerichtsbezirks und der Be-kanntheit des Ast. Mandate vor dem AG A-Stadt vonihm wahrgenommen würden, deren Durchführung un-zulässig sei. Der Ag. hat damit hinreichende Gründedafür angeführt, die Untersagungsverfügung im öffent-lichen Interesse sofort zu vollziehen.Der Aussetzungsantrag hat auch in der Sache keinenErfolg.

Umfassende Interes-senabwägung

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 V 1 VwGO er-geht auf der Grundlage ei-ner umfassenden Interessen-abwägung. Gegenstand derAbwägung sind das pri-

vate Aufschubinteresse einerseits und das öffentlicheInteresse an der Vollziehung des Verwaltungsakts an-dererseits.Diese Interessenabwägung fällt hier zu Gunsten desAg. aus, weil bei der im gerichtlichen Eilverfahren nurmöglichen summarischen Prüfung Überwiegendes da-für spricht, dass die angefochtene Untersagungsver-fügung rechtmäßig ist (1.) und weil auch eine weitereInteressenabwägung, die über die Betrachtung derRechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hinaus-geht, kein überwiegendes privates Interesse des Ast.erkennen lässt, von dem sofortigen Vollzug der ange-fochtenen Verfügung verschont zu bleiben (2.).

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage ist zunächstnicht wegen eines eventuellen Verfahrens- oder Form-fehlers wiederherzustellen. Die vor Erlass der Unter-sagungsverfügung unterbliebene Anhörung nach § 28 IVwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG ist nachgeholt worden, derVerfahrensfehler ist damit geheilt (45 I Nr. 3 VwVfGi.V.m. § 1 NVwVfG).Die Untersagungsverfügung ist mit einer den formel-len Anforderungen des § 39 I VwVfG i.V.m. § 1NVwVfG genügenden Begründung versehen. Mit demHinweis auf die Beeinträchtigung dienstlicher Interes-sen durch das Auftreten des Ast. als Strafverteidigervor seinem früheren Gericht und der Bezugnahme aufdie Entscheidung des OVG Münster in einem ähnlichgelagerten Fall hat der Ag. jedenfalls die wesentlichenErwägungen aufgeführt, die ihn zu seiner Entschei-dung veranlasst haben.Auch im Übrigen fällt die Interessenabwägung zu Las-ten des Ast. aus, weil sich die Untersagungsverfügungbei der im Verfahren nach § 80 V VwGO gebotenensummarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage alsmateriell rechtmäßig erweist.Rechtsgrundlage für diese Verfügung sind § 71 DRiG,§ 41 S. 2 und S. 3 BeamtStG i.V.m. § 2 NdsRiG. Nach§ 41 S. 1 BeamtStG haben Ruhestandsbeamtinnen undRuhestandsbeamte die Ausübung einer Erwerbstätigkeitoder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffent-lichen Dienstes anzuzeigen, die mit der dienstlichenTätigkeit innerhalb eines Zeitraums, dessen Bestim-mung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, im Zusam-menhang steht und durch die dienstliche Interessen be-einträchtigt werden können. Die Erwerbstätigkeit odersonstige Beschäftigung ist nach § 41 S. 2 BeamtStGzu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch siedienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Das Ver-bot endet gem. § 41 S. 3 BeamtStG spätestens mit Ab-lauf von fünf Jahren nach Beendigung des Beamten-verhältnisses. Die vorstehenden Regelungen werdendurch die landesrechtliche Vorschrift des § 79 NBG er-gänzt. Nach dieser Vorschrift beträgt der Zeitraumgem. § 41 S. 1 BeamtStG für Ruhestandsbeamtinnenund -beamte, die mit die mit Erreichen der Regelalters-grenze oder zu einem späteren Zeitpunkt in den Ruhe-stand treten, drei Jahre nach Beendigung des Beam-tenverhältnisses, für Beamte, die vor Erreichen der Re-gelaltersgrenze in den Ruhestand treten, fünf Jahre.Die Anzeige ist bei der oder dem letzten Dienstvor-gesetzten zu erstatten. Gem. § 2 Nds. RiG gelten dieseVorschriften entsprechend für die Berufsrichterinnenund -richter des Landes.

BeeinträchtigungdienstlicherInteressen

Es spricht Überwiegendes dafür, dass durch die Tätig-keit des Ast. als Rechts-anwalt vor dem Gericht,an dem er jahrelang tätigwar, dem AG A-Stadt,dienstliche Interessen i.S.d.

§ 41 S. 2 BeamtStG beeinträchtigt werden können.Eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen liegt hierdarin, dass das Auftreten des Ast. vor dem Gericht sei-ner früheren Dienstleistung ohne weiteres geeignet ist,

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SONSTIGES

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aus Sicht eines Bürgers den Anschein zu erwecken,dass durch die persönlichen Beziehungen des früherenRichters zu aktiven Richtern und nichtrichterlichenDienstkräften dieses Gerichts eine dort anhängigeRechtssache in einer nicht sachgerechten Weise geför-dert werden könnte. Dabei kommt es nur auf die Eig-nung an, diesen Anschein zu erzeugen.

Dass die dem Ast. untersagte Tätigkeit diesen An-schein hervorrufen kann und deshalb dienstliche Inte-ressen beeinträchtigt, liegt hier insbesondere darin be-gründet, dass der Ast. über 30 Jahre am AG A-Stadttätig und nach den Angaben des Ag. in der Klage-erwiderung eine fast durchgehende Alleinzuständigkeitbei dem mit ca. sechs Richterplanstellen besetzten AGfür das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht hatte.Wenn der Ast. sich nun ca. sechs Monate nach seinervorzeitigen Versetzung in den Ruhestand als Rechts-anwalt am Amtssitz seines früheren Dienstgerichts nie-derlässt, um dort insbesondere in Strafsachen auf-zutreten, dann liegt es wegen der überschaubarenGröße des AG und der jahrzehntelangen engen dienst-lichen Verbundenheit nahe, dass bei einem vernünfti-gen Bürger der Eindruck entstehen kann, der Ast. nut-ze kollegiale Kontakte zu noch aktiven Bedienstetenseiner früheren Dienststelle. Dies würde das Vertrauender Öffentlichkeit in die Integrität der Justiz erschüt-tern und deshalb dienstliche Interessen beeinträchti-gen. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass sich Mit-arbeiter des AG, die viele Jahre mit dem Ast. zusam-mengearbeitet haben, einem Loyalitätskonflikt ausge-setzt sehen, wenn dieser nun auf Anwaltsseite vordem AG auftritt. Auch aus diesem Grund ist zu besor-gen, dass durch die Tätigkeit des Ast. dienstliche Inte-ressen beeinträchtigt werden.

Dass vom Schutzzweck des § 41 BeamtStG auch dasZiel mit umfasst wird, das Vertrauen in die Integrität öf-fentlicher Verwaltung zu schützen und dass dieser Aus-legung auch das Urteil des BVerwG v. 26.6.2014 – 2 C23/13 nicht entgegensteht, hat das OVG Münster inseinem Beschl. v. 2.3.2016 – 1 B 1375/15 überzeu-gend herausgearbeitet; hierauf wird Bezug genommen.

Der Frage, ob sich dem Schreiben des Präsidenten derRAK X v. 17.6.2016 hinreichend entnehmen lässt, dassdie Untersagungsverfügung gegen die bisherige Ver-waltungspraxis im Dienstbezirk des Ag. verstößt, istdas Gericht nicht weiter nachgegangen. Die Entschei-dung der Erwerbstätigkeit nach Beendigung des Beam-ten- oder Richterverhältnisses steht nicht im Ermessender Behörde. Es handelt sich um gebundene Verwal-tung. Bei Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicherInteressen ist die Beschäftigung zu untersagen, auchwenn dies in der Verwaltungspraxis bisher nicht so ge-handhabt wurde.

Fünfjahresfristunbedenklich

Die Festsetzung der Untersagungsdauer begegnet beisummarischer Prüfungebenfalls keinen recht-lichen Bedenken. Die Friststeht im Einklang mit den

Fristen für die Anzeigepflicht nach § 79 NBG und be-

trägt fünf Jahre, weil der Ast. deutlich vor Erreichender Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist.2. Auch eine weitere Interessenabwägung, die über dieBetrachtung der Rechtmäßigkeit des angefochtenenBescheids hinausgeht, lässt kein überwiegendes priva-tes Interesse des Ast. erkennen, von dem sofortigenVollzug der angefochtenen Verfügung verschont zubleiben. Der Ast. wird in seiner durch Art. 12 I GG ge-schützten Berufsausübungsfreiheit durch die angefoch-tene Verfügung allerdings nicht unerheblich ein-geschränkt. Als Strafverteidiger kann er einem Beschul-digten in einem Strafverfahren häufig nur dann zur Seitestehen, wenn er auch vor Gericht auftreten kann. Dieswird dem Ast. für die Dauer von fünf Jahren gerade fürdas Gericht untersagt, an dessen Dienstsitz er sich nie-dergelassen hat. Seine Einschätzung, er werde da-durch Mandate verlieren, erscheint realistisch. Ob demAst. in den nächsten fünf Jahren ein ausreichend gro-ßes Betätigungsfeld verbleibt, lässt sich im Eilverfahrennicht abschätzen. Diese Erwägungen rechtfertigen estrotzdem nicht, dem Interesse des Ast. an der Wieder-herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klageden Vorrang einzuräumen. Denn die Vorschrift des§ 41 BeamtStG soll die Integrität des öffentlichenDienstes schützen und damit letztlich die Funktions-fähigkeit des öffentlichen Dienstes wahren. Diesem Ge-setzeszweck kommt eine so überragende Bedeutungzu, dass das öffentliche Interesse an der Vermeidungeines solchen Anscheins bei der Abwägung der wider-streitenden Interessen überwiegt (OVG Lüneburg,Beschl. v. 11.6.2010 – 5 ME 78/10). Das nach innenund außen unverzichtbare Vertrauen in die Integritätder Justiz sind überaus empfindliche Schutzgüter, sodass etwaigen Gefährdungen wirksam begegnet wer-den muss. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollzie-hung hätte der Ast. als Adressat der Untersagungsver-fügung, deren Wirkungsdauer bis zum 31.5.2020 be-grenzt ist, es ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeitder Verfügung in der Hand, durch die bloße Ausschöp-fung aller Rechtsschutzmöglichkeiten deren Wirkungweitgehend leerlaufen zu lassen. Der von dem Ag. be-fürchtete Ansehensverlust für den öffentlichen Dienstwürde eintreten können, ohne dass diese Wirkungdurch eine Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Unter-sagungsverfügung im Klageverfahren rückgängig ge-macht werden könnte (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v.11.6.2010 – 5 ME 78/10). Das private Aufschubinte-resse hat deshalb zurückzutreten.

HINWEISE DER REDAKTION:Das VG Münster (BRAK-Mitt. 2016, 96) hat hin-gegen entschieden, dass die an einen Richter im Ru-hestand adressierte – generelle – Untersagung, füreinen bestimmten Zeitraum nach dem Ausscheidenaus dem Richterdienst vor seinem ehemaligenDienstgericht als Rechtsanwalt aufzutreten, rechts-widrig ist, wenn nicht im konkreten Einzelfall konkre-te Umstände hinzutreten, die eine Beeinträchtigungdienstlicher Interesse besorgen lassen.

BRAK-MITTEILUNGEN 6/2016 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

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SONSTIGES

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PERSONALIA

RECHTSANWALT UND NOTAR A.D. DR. THEODORWEIGEL VERSTORBEN

Der langjährige Vizepräsident der RAK Frankfurt/Mainist am 20.9.2016 nach längerer Krankheit im Alter von85 Jahren verstorben. Dr. Theodor Weigel war 1968 inden Vorstand der RAK Frankfurt gewählt worden unddort mehr als 30 Jahre tätig. Von 1969 bis 1999 warer Mitglied des Präsidiums der RAK Frankfurt und von1972 bis 1999 deren Vizepräsident. 1974 sei er Mit-glied und 1981 Vorsitzender des Richtlinienausschussesder BRAK, der später Ausschuss für Grundsatzfragenhieß, gewesen. Ebenso sei er in der Satzungsversamm-lung aktiv gewesen. Für seine Verdienste um die deut-sche Anwaltschaft wurde Dr. Weigel 1989 mit demBundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

IM BUNDESGESETZBLATT VERKÜNDET

Verordnung über die Verbraucherschlichtungsstellen imFinanzbereich nach § 14 des Unterlassungsklagengeset-zes und ihr Verfahren (Finanzschlichtungsstellenverord-nung – FinSV)

BGBl. I v. 16.9.2016, S. 2140

Zweite Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Ge-bührenverordnung

BGBl. I v. 27.9.2016, S. 2162

Erstes Gesetz zur Änderung des Bundesmeldegesetzesund weiterer Vorschriften

BGBl. I v. 14.10.2016, S. 2218

Gesetz zur Änderung des Sachverständigenrechts undzur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahrenin Familiensachen und in den Angelegenheiten der frei-willigen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozial-gerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, derFinanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes

BGBl. I v. 14.10.2016, S. 2222

Gesetz über die Errichtung einer Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung

BGBl. I v. 18.10.2016, S. 2358

Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowiezum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen

BGBl. I v. 27.10.2016, S. 2372

Fünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches– Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestim-mung

BGBl. I v. 9.11.2016, S. 2460

Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schen-kungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts

BGBl. I v. 9.11.2016, S. 2464

AUS DEN ZEITSCHRIFTEN

BRAK-Mitteilungen und Anwaltsblatt sind für jeden be-rufsrechtlich Interessierten Pflichtlektüre. Nachfolgenddokumentiert das Institut für Anwaltsrecht an der Uni-versität zu Köln Aufsatzliteratur zum Berufsrecht derRechtsanwälte, Notare und Steuerberater, die in denzurückliegenden Wochen in anderen Periodika undSammelwerken veröffentlicht worden ist. Aus Platzgrün-den muss eine wertende Auswahl getroffen werden:

Zusammengestellt vom Institut für Anwaltsrecht durchChristina Esser.

Kontakt zur Literaturschau:[email protected]

Anwalt und Kanzlei (AK) Nr. 8: o.Verf., Verschwiegen-heitspflicht: Das Ausbildungsjahr 2016 beginnt: SindIhre Auszubildenden belehrt? (135); Zecha, Vergütung:So gestalten Sie Zielvereinbarungsgespräche mit Profil(137); Nr. 9: o.Verf., Personal. Finden Sie mit Kanzlei-praktika geeignete Auszubildende (145); Cosack, Stra-tegieplanung. Anwalt 4.0 – Strategie zum Überleben(156).

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Anwalts Gebühren Spezial (AGS) Nr. 7: Schneider, Zweit-schuldnerhaftung bei Aufhebung von Prozesskostenhilfe(313).

Anwaltsgebühren kompakt (AG/KOMPAKT) Nr. 7: o.Verf.,Kostenfestsetzung (Verfahren, Rechtsmittel, Rechts-behelfe) (74); Nr. 8: o.Verf., Die Höhe der Beratungs-gebühr (91).

Anwaltsrevue (Schweiz) Nr. 9: Chappuis/Cassani, L’in-stigation à un acte illicite par un avocat (385).

Berliner Anwaltsblatt (BerlAnwBl.) Nr. 9: Cosack, beAauf der Zielgeraden. Alles, was man wissen sollte (317).

Betriebs-Berater (BB) Nr. 38: o.Verf., WPK: Informationzu Neuerungen im Berufsrecht und in der Qualitäts-kontrolle (2282).

Deutsches Steuerrecht (DStR) Nr. 39: Diller, Fallstrickein der Berufs-Haftpflichtversicherung der Steuerberater(2305).

Die steuerliche Betriebsprüfung (StBp) Nr. 9: Dreßler,Der Steuerberater als Vermittler, auch bei Außenprüfun-gen. Modernes Berufsbild, vielseitige Aufgaben, typischeWirkungsbereiche. Folge 5: Berufsbedingtes Verhalten

und Berufsaussichten von Steuerberatern, Zusammen-fassung (268).

finanzen. steuern kompakt Nr. 9: Fuldner, Fachübergrei-fende Beratungstätigkeit: Rechtsberatung durch Steuer-berater (19).

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR-Prax) Nr. 17: Degen/Krahmer, Legal Tech: Erbringt einGenerator für Vertragstexte eine Rechtsdienstleistung?(363).

GmbH-Steuerpraxis (GmbH-Stpr.) Nr. 6: Knackstedt, DerRegressanspruch gegen den Steuerberater wegen Falsch-beratung. Voraussetzungen, Höhe und Durchsetzungvon Schadenersatzansprüchen (161).

Humboldt Forum Recht (HuFR) Nr. 5: Orthmann, Eigen-ständige Informationsansprüche für den Rechtsanwaltals Organ der Rechtspflege? (http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/5-2015/index.html) (53).

Kammermitteilungen der RAK Düsseldorf Nr. 3: Schmid-bauer, Mediation aus anwaltlicher Sicht (158); Jeck,Untersuchung der Entwicklung der Mediation (164).

KammerReport Hamm Nr. 4: Lippki, „Es wird doch hof-fentlich gut gehen“ oder Sukzessivverteidigung und In-teressenkollision (4).

Kanzleiführung professionell (KP) Nr. 9: Goez, Unzufriede-ne Mandanten: Darf die Steuerberaterkammer Stellung-nahmen an den ehemaligen Mandanten weiterleiten?(147); Nr. 10: Hausmann, Kanzleientwicklung: Projekt-plan zur Einführung digitaler Belegführung in derKanzlei: 7 Schritte zum Erfolg (178).

Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Nr. 37: Kuske,Haftungsseite. Was darf der Anwalt delegieren?(NJW-aktuell) (16); Nr. 38 (SONDERBEILAGE zu NJW38/2016): Viefhues, Rechtliche Grundlagen des beAund des elektronischen Rechtsverkehrs, (6); Lummel,Ansichten des beA – Kurzvorstellung einiger zentralerFunktionen, (11); Brosch/Sandkühler, Haftungsfragenrund um das beA, (14); Ory/Weth, Schriftstücke undelektronische Dokumente im Zivilprozess – Von der Pa-pierform zur elektronischen Form, (16); Sorge, Sicher-heit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt undMandant, (20); Bernhardt, Anwaltskommunikation undE-Government, (23); Sczech, Elektronischer Rechtsver-kehr, beA, E-Akte – Ein Plädoyer für den Weg in die di-gitale Justiz, (27); Nr. 40: Härting, Kanzlei & Mandat:Anwaltsverträge im Fernabsatz (2937).

Neue Wirtschafts-Briefe (NWB direkt) Nr. 35: Willer-scheid, Gesetz zur Umsetzung der novellierten Berufs-qualifikationsrichtlinie. Änderungen des Steuerbera-tungsgesetzes und der Durchführungsverordnung zumSteuerberatungsgesetz (972).

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NJW-Spezial Nr. 17: Schneider, Kostenerstattung trotzverjährter Vergütungsforderung des Anwalts? (539);Nr. 18: Dahns, Die Antwortpflicht nach § 11 II BORA(547); Nr. 19: Schneider, Streitwert bei Klagen auf Zah-lung einer Schadensersatzrente (603).

Österreichisches Anwaltsblatt Nr. 9: Matyk, Das Euro-päische Justizielle Netz in Zivil- und Handelssachen:ein nützliches Instrument für die Anwaltspraxis (463);Nr. 10: Rüffler/Müller, Zur Zulässigkeit und Sinnhaftig-keit interdisziplinärer Gesellschaften zwischen Rechts-anwälten und Berufsfremden (515).

RVGreport Nr. 9: Lissner, Rückforderung der ausgezahl-ten Beratungshilfe-Vergütung (322).

Steuerberater Magazin (StBMag) Nr. 9: Lillig, So rechnenSteuerberater ab. Noch bildet die StBVV die wichtigsteGrundlage für die Leistungsabrechnung von Kanzleien,aber individuelle Honorarvereinbarungen sind im Kom-men (10).

Versicherungsrecht (VersR) Nr. 15: Schumacher, Das Ver-sicherungsjunktim bei der anwaltlichen Partnerschafts-gesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (964).

Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP) Nr. 15: Hansens,Gebührentipps für Rechtsanwälte. Vergütungsfestset-zung gegen den eigenen Auftraggeber, Terminsgebührbei schriftlichem Vergleich und schriftlicher Entschei-dung, (Fach 24, S. 1507–1516) (805); Nr. 18: Jung-bauer, Anwaltsbüro. Das besondere elektronische An-waltspostfach (beA). Wichtige Fragen und Antworten,(Fach 23, S. 1071–1082) (983).

Zeitschrift für Rechtsanwalts- und Notariatsfachange-stellte (RENOpraxis) Nr. 9: Wolf, Die richtige Vergütungfür die anwaltliche Tätigkeit (199); Nr. 10: o.Verf., SocialMedia für die Kanzlei: 10 Tipps & Tricks (236).

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Bank- und Kapitalmarktrecht

Abwehrstrategien im Unterhaltsrecht3.2.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

45. Fachanwaltslehrgang Familienrechtab 16.2.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Bau- und Architektenrecht

Das neue Bauvertragsrecht im BGB1.2.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter22.2.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

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Auslegung und Anfechtung von letztwilligen Verfügun-gen – einschließlich Verfahrensrecht und dem Ausle-gungsvertrag4.2.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

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15. Fachanwaltslehrgang Handels- und Gesellschafts-rechtab 9.2.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

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Strafrecht

Steuerstrafrecht Spezial: Anwaltliche Strategien im inter-nationalen Steuerstrafrecht

10.2.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Vergaberecht

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Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz nach der VwGO aus anwalt-licher und aus richterlicher Sicht

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27.1.2017–28.1.2017, Leipzig, Bundesverwaltungs-gericht

25. Fachanwaltslehrgang Verwaltungsrecht

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