Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

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Das Audi-Technologiemagazin ist im August 2012 in der Reihe Dialoge erschienen. Thematische Schwerpunkte sind u.a. der Audi Urban Future Award, politiertes Fahren und der Audi-Sound.

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Jedes künftige Modell von Audi wird auch ein emotionales Erlebnis sein. Einen Audi zu fahren ist immer ein Vergnügen – ganz gleich, welche Antriebstechnologie er besitzt. Michael Dick

Michael Dick, Mitglied des Vorstands der AUDI AG, Technische Entwicklung.

individuelle Mobilität ist ein Grundanspruch der mo-dernen Gesellschaft, und sie ist ohne Zweifel auch eine der klaren Voraussetzungen für ihr Funktionieren. Wir bei Audi arbeiten in-tensiv an der Zukunft dieser Mobilität, an einer ressourcenschonen-den, sicheren und komfortablen Mobilität – auch über das Auto-mobil hinaus. Ein Beispiel ist der Audi Urban Future Award. Hier erarbeiten die Teilnehmer individuelle Visionen für verschiedene Metropolregionen der Welt.

Eins ist dabei sicher: Jedes künftige Modell von Audi wird auch ein emotionales Erlebnis sein, einen Audi zu fahren ist immer ein Vergnügen – ganz gleich, welche Antriebstechnologie er besitzt. Beeindruckend war für mich vor Kurzem ein Tag am Nür-burg ring: Noch vor seiner offiziellen Weltpremiere fuhr der Audi R8 e-tron dort die Rekordzeit für Serienfahrzeuge mit Elektro-antrieb. Auch Elektromobilität bedeutet für Audi niemals Verzicht, sondern immer Emotion, Sportlichkeit und Fahrspaß. Deshalb war es mir auch wichtig, dass unsere e-tron-Fahrzeuge einen eigenen, einen einzigartigen Sound bekommen, der nicht nur eine Funktion erfüllt, sondern auch ein dynamisches Erlebnis bietet. Die Aufgabe war nicht leicht, aber das Ergebnis begeistert.

Spaß am Fahren bedeutet aber auch, nicht zu fahren, wo es keinen Spaß macht. Der Weg ins Parkhaus etwa ist eine Strecke, auf die viele von uns gerne verzichten würden. Unser Pro jekt Park-hauspilot wird Ihnen diese Aufgabe eines Tages abnehmen, Ihr Audi wird sich autonom seinen Stellplatz suchen – als ein Beispiel für die enorm wachsende Intelligenz unserer Modelle. Mehr dazu in dieser Ausgabe.

Meinen herzlichen Glückwunsch möchte ich den Ma-chern des Audi-Technologiemagazins aussprechen. Dialoge hat in den vergangenen Wochen zwei renommierte Preise gewonnen: So erhielt das Magazin für seine hohe Designqualität den red dot award: communication design 2012. Zudem wurde es mit dem Best Corporate Publishing Award 2012 in Gold ausgezeichnet.

Entdecken Sie jetzt in dieser neuen Ausgabe unseres preisgekrön-ten Magazins einige der Ideen, mit denen wir in die Zukunft gehen und an denen wir mit Leidenschaft arbeiten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.

Herzlichst

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Mit voller Power Audi hat mit dem R8 e-tron auf der Nürburgring-Nordschleife eine Bestmarke gesetzt: Profi-Pilot Markus Winkelhock jagte den Elektro-Sportwagen in 8:09,099 min über den Kurs.

40Minuten dauerte eine Schnellladung für den R8 e-tron an der Stromtankstelle.

→ Seite 16

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Blick in den Mikrokosmos Kleinste Teilchen: Mithilfe des Raster elektronen- mikroskops kommen die Audi-Techniker selbst den geringsten Fehlern in einem Werkstoff auf die Spur.

500.000fach vergrößert das Rasterelektronenmikroskop in seiner maximalen Auflösung.

→ Seite 52

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Leichter ist besser Beim neuen A3 hat Audi das Gewicht um bis zu 80 Kilogramm gesenkt – durch aufwendigen Leichtbau in allen Bereichen wie beispielsweise beim Fahrwerk.

2,3Kilogramm Gewicht spart jedes der neuen Schwenklager an der Vorderachse.

→ Seite 72

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Am Limit Der Technikträger Audi TT evo plus wiegt weniger als 1.000 Kilogramm. Hinter diesem Fabelwert stehen neue Materialien wie CFK und innovative Verbindungs-Technologien.

163Kilogramm wiegt die Karosserie des Audi TT evo plus, 43 Kilogramm weniger als in der Serie.

→ Seite 86

Page 8: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Klang in einer neuen Dimension Wie klingt elektrische Dynamik? Audi hat für seinen Hochleistungssportwagen R8 e-tron ein charaktervolles akustisches Profil entwickelt.

3Jahre dauerte die Soundentwicklung für den Audi R8 e-tron.

→ Seite 106

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Mindset Es war der Mut zur Innovation, der Audi an die Spitze gebracht hat. Das Unternehmen will den Vorsprung ausbauen, mit immer neuen Ideen und mit einer klaren Grundhaltung.Mindset.

16 Rock am Ring 24 Stadtliche Erscheinung 32 Das sechste Element 38 Circle Training 42 Bike’s Peak 50 Rad für Formgebung 52 Kleinste Teilchen 62 Münchner Freiheit

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Rekordfahrt auf der Nordschleife 8:09,099 min: Der Audi R8 e-tron erzielte auf der Nordschleife einen Rekord für Serienautos mit elektrischem Antrieb. Am Steuer saß Renn-Profi Markus Winkelhock.

Rock am Ring

Technische Daten Audi R8 e-tron

Leistung 2 x 140 kW (190 PS)

Max. Drehmoment 2 x 410 Nm

Batteriekapazität / Spannung 48,6 kWh / 389 V

0 – 100 km/h 4,6 s

Reichweite ca. 215 km

Vmax 200 km/h*

Länge / Breite / Höhe 4431 / 2029 / 1252 mm

Radstand 2650 mm

Leergewicht 1.760 kg

*elektronisch abgeregelt

Begleiten Sie den R8 e-tron auf seiner Rekordfahrt!www.dialoge.audi.de

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Noch wirken die Männer des Audi-Teams recht entspannt, trotz der vielen Kameras

und trotz des Filmhubschraubers, der im Abendhimmel über der Tribüne T 13 knattert. Michael Dick, Vorstand Technische Entwick-lung, hat an der Leitplanke, die die kurze Boxengasse von der Strecke trennt, Aufstellung genommen. Ingenieur Tobias Schneider checkt noch einmal Daten auf dem Laptop, und sein Kollege Karl-Heinz Meitinger kauert, im Gespräch mit Markus Winkelhock, an der of-fenen Tür des R8 e-tron.

Der Mann mit dem weiß-orange-blauen Helm, unter dem nur die Augen zu sehen sind, ist der, um den sich alles dreht, und zugleich der ruhende Pol. Winkelhock ist Highspeed-Profi. Vor fünf Wochen hat er im Audi R8 LMS ultra das 24-Stunden-Rennen hier auf dem Nürburgring gewonnen, zusammen mit seinen Team-kollegen Marc Basseng, Christopher Haase und Frank Stippler. Es war der erste Gesamtsieg für Audi beim Klassiker in der Eifel. Jetzt hat Winkelhock einen neuen, ungewöhnlichen Auftrag: den Welt-rekord für elektrisch angetriebene Serienfahrzeuge auf der Nord-schleife zu holen.

Rückblende: Der Donnerstag vor dem Rekordversuch, ein wolkenverhangener Tag. In der Audi-Werkstatt nahe der Nord-schleife stehen drei R8 e-tron, schon seit Montag fahren die Ent-wicklungsingenieure sie im Rahmen des alltäglichen Testbetriebs. Der Elektro-Sportwagen hat sein Potenzial bereits angedeutet, mit Zeiten um 8:40 Minuten und seinem geballten Technikpaket.

Jede der beiden großen E-Maschinen treibt über eine feste Übersetzung ein Hinterrad mit bis zu 140 kW (190 PS) und 410 Nm Drehmoment an. Die Karosserie präsentiert ein innovati-ves Multimaterial-Konzept aus kohlenstofffaserverstärktem Kunst-stoff und Aluminium – der Hochleistungssportwagen wiegt leer 1.760 Kilogramm, nicht viel mehr als ein R8 V10, wobei die Li-thium-Ionen-Batterie mit ihren 48,6 kWh Kapazität alleine 550 Kilogramm ausmacht.

Das Energiemanagement des Audi R8 e-tron ist hoch-entwickelt – typisch für den Aufwand, den Audi betreibt. „Im Se ri en-trimm, mit dem Speedlimiter bei 200 km/h, reicht der Strom für zwei Runden“, erklärt Antriebs-Spezialist Schneider. „Das ist ein sehr guter Wert, denn die Nordschleife ist extrem energieintensiv. Ein Auto mit einem starken Verbrennungsmotor kann hier auf einen Durchschnittsverbrauch von 65 Litern pro 100 km kommen.“

TextJohannes Köbler

FotosStefan Warter und Alexander Herbold

Die Nürburgring-Nordschleife, die schönste und schwie- rigste Strecke der Welt: 20,832 Kilometer Länge, 33 Links- und 40 Rechtskurven, bis zu 17 Prozent Steigung, 307 Meter Höhen dif-ferenz. „Hier führt jeder Fehler sofort in die Leitplanken“, sagt Profi Winkelhock. „Ich habe immer Respekt vor der Nordschleife. Und ich bin unheimlich gespannt auf das, was hier auf mich zukommt, ich habe noch nie ein Elektroauto gefahren.“

Karl-Heinz Meitinger, Audi-Fachteamleiter Fahrwerk, begleitet Winkelhocks erstes Rendezvous mit dem R8 e-tron und erklärt ihm dessen Eigenheiten. „Die E-Maschinen arbeiten vonei-nander unabhängig, wir machen Torque Vectoring, indem wir sie je nach Bedarf regeln. Vorne hast du normale hydraulische Bremsen, hinten elektromechanische. Aber praktisch bremst du an der Hin-ter achse fast immer mit den Elektromotoren, du rekuperierst Ener-gie. Die Federn sind aus glasfaserverstärktem Kunststoff, arbeiten jedoch genau wie Stahlfedern. 58 Prozent des Fahrzeuggewichts liegen auf der Hinterachse, das Auto ist sehr agil.“

Markus Winkelhock und Tobias Schneider setzen sich in den R8 e-tron, lautlos rollt der Sportwagen aus der Halle. 20 Mi nu-ten später kehrt er zurück, mit einem glücklichen Piloten am Steu-er. „Klar, er fährt sich nicht wie der R8-Rennwagen, aber das Dreh-moment, mit dem er sich aus den langsamen Ecken rauszieht, ist unglaublich“, sagt Winkelhock. „Ich bin jetzt erst mal etwas vor-sichtiger gefahren, weil es an einigen Stellen noch feucht war und weil es schwierig ist, die Geschwindigkeit richtig einzuschätzen, wenn die Motorgeräusche fehlen. Ich bin echt beeindruckt.“

Fahren, das Auto immer besser kennenlernen, unter-schiedliche Software-Varianten für das Antriebs- und Verzöge rungs-management durchtesten, kleine Komplikationen aussortieren – das Audi-Team arbeitet an diesem Donnerstag ein umfangreiches Programm ab. Keine Strecke der Welt eignet sich dafür besser als die Nordschleife mit ihren schnellen und langsamen, nach innen und außen hängenden Kurven, mit ihren Sprunghügeln und Kom-pressionen und mit ihrem Gripniveau, das immer wieder neue Über-raschungen bereithält.

Vorbereitungen: Der Audi R8 e-tron in der Werkstatt am Nürburgring. Im Bild unten Pilot Markus Winkelhock.

Fachdialog: Michael Dick, Vorstand Technische Entwicklung (links) mit Projektleiter Ralf Schelchshorn.

Thermomanagement: Die Wärme- pumpe im Bug des R8 e-tron trägt stark zur Effizienz bei.

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Für effizientes Schnellfahren ist es wichtig, dass die Rekuperation* bis in hohe Verzögerungsbereiche arbeitet. Wenn Winkelhock vom Fahrpedal geht, entspricht der Effekt etwa dem Schleppmoment eines starken Benzinmotors. Beim Anbremsen der Kurven wird die Rekuperation immer stärker, in der Spitze fallen an jeder E-Maschine mehr als 200 Nm Bremsmoment an; die Ener-gie fließt in die Batterie zurück. Die Bremsscheiben an der Hinter-achse bleiben auf der ganzen Runde fast kalt. „Der Markus weiß ja von seinem Langstrecken-Rennwagen her, wie man schnell und zugleich effizient fährt“, kommentiert Fachteamleiter Meitinger.

Während die Autos an der Schnellladesäule Strom tan-ken, was etwa 40 Minuten dauert, werten Tobias Schneider und sein Kollege Alexander Kruse die Fahrdaten am Laptop aus. „Gleich in der Hatzenbach konnten wir am kurveninneren Rad kein volles Moment absetzen, weil die Reifen noch kalt waren. Und am Flug-platz müssen beide Hinterräder kurz in der Luft gewesen sein“, sagt Kruse. „Hier, das ist die Fuchsröhre“, ergänzt Schneider. „Mit Tempo 226 bergab, voll auf dem Pedal! Und hinter dem Karussell fliegt er den Berg richtig hoch, von 100 auf 180 in siebeneinhalb Sekunden.“

Beim Rekordversuch am kommenden Dienstag wird Winkel hock mit einem völlig serienmäßigen R8 e-tron zwei Runden am Stück fahren – der ultimative Härtetest für die Reichweite. Da-nach folgt eine einzelne Runde mit einem zweiten Auto, in der es ans dynamische Limit geht, mit Sportreifen und einer auf 250 km/h angehobenen Geschwindigkeitsbegrenzung. Was für eine Zeit ist hier zu erwarten? Fachteamleiter Meitinger wägt ab, bevor er ant-wortet: „Eine Acht-zwanzig könnte drin sein, in der Nähe unseres Serien-R8. Aber natürlich nur, wenn das Wetter mitspielt …“

Der folgende Dienstag bringt, zu jedermanns Über ra-schung, den Sommer in die Hocheifel. Schon kurz nach Sonnen auf-gang, lange bevor der alltägliche Betrieb beginnt, ist die Audi-Truppe an der Strecke, die Piste ist bereits frei von Tau und Nebel. Markus Winkelhock lässt den R8 e-tron fliegen, bewältigt die Ein-zelrunde in 8:09,099 Minuten, steigt aus und strahlt: „Das war alles ganz problemlos! Okay, die Reifen sind nicht ganz so warm geworden, und ich bin auch nicht voll mit 100 Prozent gefahren. In den schnellen Passagen wie dem Schwedenkreuz oder am Pflanz-garten-Sprung muss man halt ein wenig aufpassen. Aber ich konn-te nochmal richtig was rausholen.“

Der Tag vergeht mit allerletzten Abstimmungsarbei-ten. Am Abend rückt das Team noch einmal aus, unter den Augen von Michael Dick, Vorstand Technische Entwicklung, Axel Eiser, Leiter Entwicklung Aggregate, und Karl-Heinz Hollerweger, Leiter Ent wick lung Gesamtfahrzeug. Ein Notar und ein Beobachter vom Deut schen Motorsportbund haben sich an der Tribüne T 13 einge-funden. Um 19.44 Uhr startet Winkelhock in die Doppelrunde. Fast lautlos jagt der R8 e-tron über die Startlinie, ein spukhaftes Phan-tom in der Welt der brüllenden Motoren, stürzt sich in den engen Linksbogen, entschwindet den Blicken.

Die Zeitnahme-Uhr an der Leitplanke läuft an, häuft die Sekunden aufeinander, begleitet jede mit einem Klick-Geräusch. Warten und hoffen, mehr ist jetzt nicht mehr zu tun. Selbst Michael Dick, der die Runde auf seiner eigenen Uhr mitstoppt, kann seine Nervosität nicht verbergen: „Am liebsten würde ich jetzt selbst im Auto sitzen. Diese Ungewissheit, bis er von der langen Strecke wie-derkommt, ist schon schwierig.“

Endlich: Das Kreischen hochbelasteter Reifen, ein dröh-nendes Rattern bei der Fahrt über die Curbs, und dann schießt das rote Phantom über die Ziellinie. Die Uhr bleibt bei 8:30,873 Minu-ten stehen, und im folgenden Umlauf ist Winkelhock sogar noch einmal schneller, 8:26,096 Minuten, ein Schnitt von 147,95 km/h. „Weniger als 17 Minuten für zwei Runden am Stück“, stellt Projekt-leiter Ralf Schelchshorn fest. „Das ist eine Zeit, die so schnell keiner knacken wird!“

Winkelhock rollt mit dem R8 e-tron vor die Tribüne, steigt unter dem Applaus des Teams aus, klatscht kurz mit Dick und Schelchshorn ab, dann wechselt er ins Schwesterfahrzeug für die schnelle Einzelrunde. Wieder Spannung und Daumendrücken, bis das Auto zurückkommt – nach 8:13,490 Minuten, etwa vier Sekun-den langsamer als bei der fulminanten Bestzeit am Morgen. „Nach dem Start sind die Reifen zu langsam auf Temperatur gekommen“, berichtet Winkelhock. „Da habe ich wohl die Zeit verloren …, na ja.“

Vier Sekunden mehr oder weniger – das spielt keine Rolle mehr. Jubel und Umarmungen, strahlende Gesichter, der R8 e-tron bekommt eine Champagnerdusche ab. Michael Dick spricht das Schlusswort nach dem Rekord: „Performance und Effizienz, das geht bei uns sehr gut zusammen. Unser R8 ist ein Leuchtturm pro-jekt, ein dynamisches Labor, in dem wir uns die Technologien für die Elektromobilität der Zukunft erarbeiten. Heute haben wir mit ihm einen Meilenstein gesetzt.“

Ich bin beeindruckt! Das Drehmoment, mit dem sich der e-tron aus den langsamen Ecken rauszieht, ist unglaublich. Markus Winkelhock, Rennfahrer

Unter Strom: Manfred Winkelhock im Karussell, einem der langsamsten Abschnitte der Nordschleife.

Messwerte: Die Temperaturen von Reifen und Bremsscheiben spielen eine wichtige Rolle. Start-Prozedere: Letzter Daten- Check in der Boxengasse unmittelbar vor dem Losfahren.

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* siehe Glossar, S. 168 –16920 Dialoge Technologie 21 Dialoge Technologie

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Es ging alles ganz problemlos. Ich war selbst davon überrascht, wie viel ich noch herausholen konnte. Markus Winkelhock, Rennfahrer

Rekordrunde Audi R8 e-tron Nordschleife

Von Abschnitt zu Abschnitt: Die Rekordrunde von Markus Winkelhock auf der Nürburgring-Nordschleife.

20,832 km volle Konzentration: Die Nordschleife hält 73 Kurven und bis zu 17 Prozent Steigung bereit. Der Abschnitt Brünnchen: Die schwierige Doppel-Rechts hat bei den Nordschleifen-Fans Kultstatus.

„Das Warten fällt nicht leicht“: Michael Dick stoppt die Zeit auf seiner eigenen Uhr mit. Sieger-Typen: Schelchshorn nimmt Winkelhock nach der Rekordfahrt fest in den Arm.

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Hatzenbach70,7 km/h91 kW3.436 1/min

Quiddelbacher Höhe126, 8 km/h263 kW6.122 1/min

Metzgesfeld165,4 km/h280 kW7.924 1/min

Döttinger Höhe250,7 km/h

233 kW12.013 1/min

Galgenkopf140,3 km/h48 kW6.734 1/min

Pflanzgarten205,1 km/h258 kW9.826 1/min

Carraciola-Karussell79,8 km/h61 kW3.822 1/min

Schwalbenschwanz95,6 km/h

20 kW4.569 1/min

Brünnchen100,6 km/h

79 kW4.827 1/min

Schwedenkreuz245,9 km/h200 kW11.780 1/min

Aremberg97,7 km/h

30 kW 4.684 1/min

Bergwerk102,6 km/h96 kW4.914 1/min

Kesselchen220,9 km/h262 kW10.575 1/min

Hohe Acht106,5 km/h48 kW5.147 1/min

Klostertal158,9 km/h22 kW7.615 1/min

Legende: Abschnitt Vmax Leistung Drehzahl

Fuchsröhre226,2 km/h280 kW10.852 1/min

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São Paulo

Boswash Istanbul

Ingolstadt

Mumbai Pearl River Delta

Tokio

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Boswash Istanbul

Ingolstadt

Mumbai Pearl River Delta

Tokio

Stadtliche Erscheinung Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten. Für den Audi Urban Future Award, den höchstdotierten deutschen Architekturpreis, treten sechs internationale Architekturbüros gegeneinander an und nehmen ihre jeweilige Metropolregion unter die Lupe.

Fest steht: Im Jahr 2050 werden allein in den Städten fast so viele Menschen leben wie heute auf der ganzen Welt.

2050

Um als Marke global erfolgreich zu sein, muss Audi auch lokale Bedürfnisse berücksichtigen: Keine Metropole gleicht der anderen. Maßgeschneiderte Konzepte sind gefragt, jede Stadt braucht ihre individuelle Gebrauchsanleitung für die Zukunft. Think glocal – das ist daher auch der Ansatz des Audi Urban Future Award 2012. Für den höchstdotierten deutschen Architekturpreis treten sechs internationale Architekturbüros gegeneinander an und neh-men ihre jeweilige Metropolregion unter die Lupe: Boston/ Wa-shington, Istanbul, Mumbai, Pearl River Delta, São Paulo und Tokio. Gesucht sind Visionen, die lokal verankert, aber global relevant sind. Dabei geht es um den Übergang zu einer neuen und nachhalti gen Mo bilität – etwa im Pearl River Delta, wo schon bald 80 Millio nen Chinesen leben werden, oder in Istanbul, dem Schmelztiegel zwi-schen Europa und Asien.

Ihre ersten Ideen konnten die Architekten bereits Mitte Mai in Ingolstadt vorstellen. Der innovativste und zukunftswei-sendste Entwurf wird im Oktober in Istanbul mit dem Audi Urban Future Award ausgezeichnet. Aus ihm entsteht ein City-Dossier, das Audi Anstoß für konkrete Laborprojekte gibt.

Lernen Sie die Teilnehmer des Audi Urban Future Award auf den folgenden Seiten kennen und erfahren Sie, welche Relevanz ihre Arbeit für Audi hat.

Der Blick in die Zukunft fasziniert Menschen seit jeher. Ob bloße Kaffeesatzleserei oder

seriöse Wissenschaft – die Auseinandersetzung mit dem Künftigen hat ihren Reiz: Wo geht die Reise hin? Und was bewegt die Welt von morgen? Fest steht: Im Jahr 2050 werden allein in den Städten fast so viele Menschen leben wie heute auf der ganzen Welt. Das ist eine enorme Herausforderung. Welche Trends werden unseren Alltag bestimmen? Wie werden wir künftig mobil sein?

Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten. Audi hat 2010 daher die Audi Urban Future Initiative gegründet – eine Denkfabrik zur Mobilität von morgen. Gemeinsam mit Stadtplanern und Architekten erkundet Audi die Zukunft. Das Insight Team mit neun Audi-Experten sichert den Transfer der Ergebnisse ins Unternehmen. In regelmäßigen Treffen diskutiert dieser unternehmensinterne Thinktank die unterschied-lichsten Fragen: Fahren und tanken wir unsere Autos in 20 oder 30 Jahren noch selbst? Braucht die Stadt der Zukunft noch Kreuzungen und Ampeln?

TextEva Backes

FotosArchitekten

Sehen Sie das AUFA-Video!www.dialoge.audi.de

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Page 15: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

São Paulo São Paulo ist die bevölkerungsreichste Stadt auf der Südhalbkugel. Etwa 2,5 Stunden täglich beträgt die durchschnittliche Wegzeit zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.

2,5 h

Mumbai In Mumbai leben rund 28.000 Menschen auf einem Quadratkilometer, mehr als siebenmal so viele wie in Berlin.

1 km² = 28.000

Nachgefragt

Woran denken Sie beim Stichwort „Mobilität“?„Mobilität ist ein natürliches Bedürfnis des Menschen, das sich bereits in den ersten Schritten eines Kindes zeigt. Dieser Wunsch nach Fortbewegung ist ein natürlicher Daseinszustand. Der Begriff ist zudem aufgeladen mit den Kon-flikten, die sich aus den unterschiedlichen persönlichen und öffentlichen Ziel-setzungen für Transportmittel ergeben. Zu den konkreten Attributen der Mobilität, die unsere Vorstellung bestimmen, gehören Fläche, Navigation, kol-lektive Mobilität, Umfang und Funktion der Mobilität, Staupotenziale, Po -tenziale der Stadt und die Widersprüche der heutigen städtischen Mobilität. Häufig entsteht die Notwendigkeit der Mobilität durch die Unfähigkeit städ-tischer Bevölkerungen, alternative Lebensformen zu organisieren. Dadurch wird das ‚Pendeln‘ zu einem Lebensstil, der uns viel von unserer Zeit nimmt.“ Wie will São Paulo in Zukunft mobil sein?

„Entweder muss die Fortbewegung zu einem Teil einer neuen vielschichtigen Gesellschaft werden, in der Mobilität, Arbeit, Freizeit, Essen und Schlafen zu einem Teil von uns werden, oder wir müssen die Stadt um uns herum verän-dern. Mobilität muss viele Facetten aufweisen und in der Lage sein, mit der

‚Kultur des Staus‘ und schnell wechselnden Umgebungen und Szenarien zu-rechtzukommen. In Zukunft wird Fortbewegung neue städtische Bedingungen hervorbringen, die aus dem verbesserten Übergang zwischen den verschie-denen Mobilitätsskalen entstehen, die gegenwärtig in einem Span nungs ver-hältnis zueinander stehen. Die Mobilitätsinfrastrukturen der Zukunft werden eine Schlüsselrolle spielen bei der Gestaltung heterogener Lebens weisen und im gemeinsamen gesellschaftlichen Austausch.“

Learning für Audi

„Hochverdichtete Städte wie São Paulo brauchen einen Mobilitätsmix – das sagen uns auch die Entwürfe von Urban-Think Tank. Als Premiumhersteller wollen wir dem Kunden geeignete Lösungen bieten, die die urbane Mobilität mit positiven Erlebnissen verknüpfen.“ Nadine Endress arbeitet im Bereich Marken- und Kundenstrategie an dem Thema Mobilitätsdienstleistungen.

Steckbrief

Gründer: Alfred Brillembourg und Hubert Klumpner

Lehrtätigkeit: Seit 2007 unterrichten Brillembourg und Klumpner in New York an der Graduate School of Architecture, Planning and Preser- vation der Columbia University, wo sie das Sustainable Living Urban Model Laboratory (S.L.U.M. Lab) ins Leben riefen. Seit 2010 haben sie einen Lehrstuhl für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich inne.

Büroprofil: Interdisziplinäres Büro, das im globalen Kontext arbeitet und Brücken zwischen Industrie-nationen und der Dritten Welt schlägt.

Urban-Think TankSão Paulo, Brasilien

Nachgefragt

Was motiviert Sie, am Award 2012 teilzunehmen? „CRIT interessiert sich ganz besonders für die Verbindung zwischen städte-baulicher Forschung und städtebaulichen Eingriffen, vor allem dafür, wie eine andere Kartierung und Planung dazu beitragen kann, Eingriffe im heutigen städtischen Raum neu zu erfinden. Der Audi Urban Future Award 2012 passt unseres Erachtens gut in diesen Kontext. Er bietet uns die Möglichkeit, unsere Gedanken zur modernen Stadt zu entwickeln und in einem internationalen Forum zu erproben, das eine Reihe unterschiedlicher städtischer Erfahrungen zusammenführt. Wir sind auch davon überzeugt, dass die Industrie das aka-demische Interesse an der nicht-westlichen Welt forciert und wollen daher Ini-tiativen in dieser Richtung unbedingt unterstützen.“

Learning für Audi

„Mit CRIT haben wir die Logik der Stadt Mumbai besser kennengelernt: Hier sind neue Formen von Mobilität gefragt, die besonders effizient mit der Res-source Platz umgehen und auch im Chaos und hochverdichteten Stadtraum den Transport von A nach B garantieren.“ Lisa Füting ist im Bereich Kommunikation Kultur und Trends tätig und betreut das Projekt Audi Urban Future Initiative.

CRITMumbai, Indien

Steckbrief

Gründer: Rupali Gupte und Prasad Shetty

Lehrtätigkeit: Rupali Gupte ist Architektin, Autorin und Stadtplanerin und lehrt an der KRIVA Universität in Mumbai. Prasad Shetty ist Architekt und Stadtforscher.

Büroprofil: CRIT setzt sich intensiv mit der derzeitigen Lage in Mumbai aus- einander und beleuchtet den sich verändernden urbanen Raum.

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Page 16: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Pearl River Delta Im Pearl River Delta werden bald 80 Millionen Menschen leben, davon rund 80 Prozent Migranten. Die Region sucht nach einer neuen Identität.

80%

Tokio In Tokio pendeln täglich 7,5 Millionen Menschen. Trotzdem hat die U-Bahn kaum jemals Verspätung.

7,5 Mio.

Nachgefragt

Wie werden Sie 2050 in Hongkong von A nach B kommen? „Das ist eine schwierige Frage, deren Antwort in erster Linie von den Wünschen des Menschen und der verfügbaren Technologie abhängt. Ich halte eine Fül - le von Optionen für die Fortbewegung für nötig, wie die nahtlose Verbindung zwi schen öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln oder Cybernet, je nach Stimmung und Wunsch des Reisenden und der Geschwindigkeit, die wir zum je weiligen Zeitpunkt benötigen. Die Zukunft wird bestimmt von der Vielzahl der Bedürfnisse und der Vielzahl der Möglichkeiten, diesen Bedürfnissen sofort oder innerhalb des gewünschten maximalen Zeitraums gerecht zu werden.“

Learning für Audi

„China ist unser wichtigster Absatzmarkt, hier sind wir auch mit Pro duk tions-standorten vertreten. Mit NODE wollen wir die Identität und Struk tur der Gesellschaft besser verstehen. Dieses Wissen brauchen wir, um den Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität unterstützen und sinnvoll mitgestalten zu können.“ Felix Schwabe verantwortet innerhalb der Technologievorentwicklung das Innovationsmanagement für die Audi Produktion.

„Gerade in Megacities wie Shenzhen oder Hongkong haben die Menschen den Wunsch nach Selbstbestimmtheit. Jederzeit verfügbare individuelle Mobili - tät ist eine Lösung dafür und damit der Wunsch vieler Menschen vor allem in Ballungsräumen. Dabei gibt es nicht die eine Stadt und somit auch nicht die eine Lösung für individuelle Mobilität. Unsere Herausforderung ist es, aus den vielen möglichen Lösungen die richtigen für Audi herauszufiltern – das können wir in den Regionen des diesjährigen Audi Urban Future Award lernen.“ Klaus Verweyen ist Leiter Produktstrategie: Innovationen und Eigen-schaftsplanung.

Steckbrief

Gründerin: Doreen Heng Liu

Lehrtätigkeit: Stadtplanerin Heng Liu ist Professorin an der Chinese University of Hong Kong.

Büroprofil: NODE widmet sich der Komplexität von Stadtplanung, Natur, Landschaft, Tradition und Kultur.

NODE Architecture & UrbanismPearl River Delta, China

Nachgefragt

Warum nehmen Sie am Award 2012 teil?„Ich glaube, die Zeit ist reif für ein neues Konzept der Stadt. Ich denke, die aktu-elle Sichtweise auf die Stadt wird den ökologischen und sozialen Bedürf-nissen der modernen Gesellschaft, dem was die Menschen haben oder anstre-ben, immer weniger gerecht. Der Audi Urban Future Award ist für mich eine gute Gelegenheit, mich damit auseinanderzusetzen.“ Was bedeutet Mobilität für Sie?

„Mich interessiert ein autonomes Verkehrssystem, das unabhängig von Infra-struktur ist – oder eine Erfindung, die über unsere jetzige Infrastruktur hinaus-geht. Ich halte es für besser, das aktuelle Verkehrssystem auf verschiedenen Ebenen zu überdenken. Mobilität ist meines Erachtens eine inhärente Bedin-gung unserer Freiheit, etwas, das in uns selbst liegt.“

Learning für Audi

„Ishigamis Visionen zeigen uns, wie wichtig es ist, über westliche Denkmustervon Raum und Infrastruktur hinauszudenken. Nur dann gelingt es, regional spezifische Lösungen für die Mobilität von morgen zu entwickeln.“ Dominik Stampfl beschäftigt sich in der strategischen Unternehmens-planung mit nachhaltiger Mobilität.

Steckbrief

Gründer: Junya Ishigami

Lehrtätigkeit: Ishigami ist seit 2010 Dozent an der Universität in Tohoku.

Büroprofil: Das Büro richtet seinen Fokus auf poetische und visionäre Architektur. Ishigami gilt als Grenz- gänger zwischen Städteplanung, Architektur und Kunst.

Junya Ishigami + AssociatesTokio, Japan

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Page 17: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Steckbrief

Gründer: Selva Gürdoğan und Gregers Tang Thomsen

Büroprofil: Interdisziplinäres Büro, das vor allem im lokalen Kontext arbeitet und eine Brücke zwischen der Technologie- und Baubranche schlägt.

Forschungsfokus: Kartierungsprojekte, die soziale, ökonomische und demografische Strukturen der Stadt Istanbul analysieren.

SuperpoolIstanbul, Türkei

Nachgefragt

Wie weit sind Sie mit Ihrem Konzept für den Award 2012?„Im Augenblick stricken wir an Geschichten über die Zukunft, die wir gestalten wollen, um die Auswirkungen unseres Denkens auf die städtische Umge -bung zu veranschaulichen. Wenn wir uns zum Beispiel eine künftige Mobilitäts-technologie vorstellen wollen, ist es hilfreich, wenn wir uns ausmalen, wie sich das auf jeden ganz normalen Aspekt des Alltagslebens auswirkt: den Weg zur Arbeit, den Lebensmitteleinkauf oder die Lieferung von Waren ins Haus. Wenn wir Geschichten erzählen, die neue Technologien in diese Alltagsabläufe integrieren, können wir uns eine Architektur und Infrastruktur vorstellen, die anders funktioniert und andere Aufgaben erfüllt, als wir aufgrund unserer Erfahrung für selbstverständlich halten.“

Learning für Audi

„Die Gesellschaft verändert sich, und als Premiumhersteller haben wir die Chance, aber auch die Verantwortung, Dinge neu zu gestalten. Von Höweler + Yoon lernen wir, wie viel Potenzial die Region Boston/Washington für neue Infrastrukturprojekte mitbringt. Konkrete Ideen – wie zum Beispiel die Ent-wick lung von Smart Streets – bieten für Audi hervorragende Möglichkeiten, an der Gestaltung der Region mitzuwirken.“ Anne Maier arbeitet im Bereich Produktstrategie und befasst sich mit zukünftigen Kundenbedürfnissen und deren Relevanz für Produkte.

Steckbrief

Gründer: Meejin Yoon und Eric Höweler

Lehrtätigkeit: Yoon ist Professorin am Massachusetts Institute of Technology, Höweler unterrichtet in Harvard.

Büroprofil: Multidisziplinäres Büro, das an den Grenzen zwischen Architektur, Technik und Stadtplanung arbeitet.

Höweler + Yoon ArchitectureBoston/Washington, USA

Istanbul Istanbuls Einwohnerzahl hat sich seit 1950 rund verzehnfacht. Das Durchschnittsalter in der Türkei liegt bei 28 Jahren, in der EU sind es 42.

28 Jahre

Boston/Washington Boswash ist das 750 km lange Städteband an der amerikanischen Atlantikküste, das sich von Boston bis Washington D.C. erstreckt. Ein Drittel des Bruttoinlandprodukts der USA wird hier erwirtschaftet.

750 km

Nachgefragt

Verraten Sie uns Ihre ersten Ideen!„Was die Besucher bei der Begegnung mit Istanbul am meisten fasziniert, ist die überschäumende Energie der Stadt. In jeder Ecke herrscht quirliges Leben. Wenn man sich längere Zeit in Istanbul aufhält, beginnt man sich zu fragen, wohin all diese Energie strömt. Das ist nicht immer offensichtlich. Unser Kon-zept ist ein Versuch, diese Dynamik zu nutzen und für sinnvolle und sehr not-wendige Diskussionen über die Stadt einzusetzen. In den nächsten Monaten werden wir eine Reihe digitaler Initiativen einleiten und einen ersten Projekt-vorschlag vorlegen, unter dessen Dach diese Initiativen zusammengefasst werden können.“ Welche Impulse haben Sie von Ihrem Besuch bei Audi mitgenommen?

„Besonders eindrucksvoll war die Just-in-Time-Bereitstellung der Bauteile an der Montagelinie. Wir hatten nicht damit gerechnet, wie sehr sich jedes Fahr-zeug von dem davor und dem danach unterscheiden würde. Es ist eine span-nende Technologie, die es ermöglicht, diese unglaubliche Vielfalt mit solch einer Präzision zu planen. Das zeigt, wie wichtig digitale Infrastrukturen für große Organismen wie Städte sein können.“

Learning für Audi

„In Istanbul ist das Auto eines der wichtigsten Fortbewegungsmittel. Die He-rausforderung besteht darin, den Verkehrsfluss in der rasant wachsendenMegacity zu optimieren. Gemeinsam mit Superpool suchen wir nach Ansätzen für eine intelligentere Infrastruktur.“ Attila Wendt ist in der Technischen Entwicklung im Bereich Fahr - werk tätig.

„Gerade vor dem Hintergrund von Audi connect bin ich fest davon überzeugt, dass wir als Premiumhersteller unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Mobi-lität leisten werden. Der Paradigmenwechsel, den das autonome Fahren eines Tages mit sich bringen wird, verdeutlicht sich auf ganz pragmatische Weise: Ein vollständig vernetztes Auto, das mit anderen Verkehrsteilnehmern und der Umwelt kommuniziert, braucht beispielsweise keine Ampeln und Verkehrs-schilder mehr.“ Christian Labonte verantwortet den Bereich Designgrundlagen und Zukunftsentwicklungen.

30 Dialoge Technologie 31 Dialoge Technologie

Page 18: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Leichtbau-Kooperation zwischen Audi und Voith Kohlenstoff ist das sechste Element des Periodensystems und die Grundlage für extrem leistungsfähige Materialien. Bei Audi sind CFK und andere Faserverbundstoffe wichtige Bausteine für den ultra- Leichtbau. Bei der Strategie für die Zukunft spielt die Zusammenarbeit mit Voith eine wichtige Rolle.

Das sechsteElement

[He] 2s² 2p²12.0107[8]Carbon

C6

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Page 19: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

An welchem Punkt im Prozess beginnt Ihre praktische Arbeit?Dr. Elend: Wir starten derzeit mit dem Faser-Gelege, das wir von

einem Halbzeug-Lieferanten zukaufen. Audi und Voith sind keine Chemieunter-neh men, wir sind nicht daran interessiert, die Fasern selbst herzustellen und uns damit an ein bestimmtes Material zu binden. Wir wollen zunächst einmal die Produktion der Bauteile beherrschen und daraus die Erkenntnis gewinnen, welche Materialien, Halbzeuge und Fertigungsprozesse sich für mögliche Groß-serien-Anwendungen eignen. Darüber hinaus möchten wir zukünftig die Fasern und Halbzeuge – die Gewebe und Gelege – nicht aus dem Regal kaufen, sondern sie exakt für unsere Bedürfnisse konfektionieren.

Welche Fasern außer Kohlenstofffasern sind denn für Sie noch interessant?Haverkamp: Basaltfasern lassen sich relativ gut verarbeiten, und

man kann mit ihnen etwa Bauteile mit thermischer Isolationswirkung herstel-len. Wir können hier eine neue Funktionsintegration erzielen und beispiels-weise auf Abschirmbleche verzichten. Naturfasern werden unter CO₂-Aspekten immer interessanter. Und natürlich sind Glasfasern für viele Einsatzbereiche ein attraktives und dabei relativ preiswertes Material.

Dr. Lutz-Eike Elend, Leiter Audi Leichtbauzentrum*, Claus Haverkamp, Leiter Karosseriekonzepte und Leicht-

bau technologien im Audi Leichtbauzentrum, und Dr. Lars Herbeck, Geschäfts-führer Voith Composites GmbH, sprechen über ihre Zusammenarbeit bei faser-verstärkten Kunststoffen (FVK)*.

Audi und Voith forschen und entwickeln gemeinsam auf dem Gebiet der faserverstärkten Kunststoffe. Wie kam es zu der Partnerschaft?Dr. Elend: Wir haben vor etwa drei Jahren beschlossen, einen ex-

ternen Partner zu suchen, mit dem wir die neue Aufgabe angehen wollten. Zu nächst haben wir uns in der Luftfahrtindustrie umgesehen, jedoch rasch er kannt, dass in der Branche zwar großes Know-how existiert, aber nur geringe Bereitschaft, die Fertigungsstrukturen neu zu überdenken. Voith hingegen ist ein starker Anlagenbauer, der mit dem Thema faserverstärkte Kunststoffe sehr zukunftsgewandt und offen umgeht. Wir sind davon überzeugt, dass er für die Industrialisierung der Prozesse der richtige Partner ist.

Dr. Herbeck: Unser Konzern hat seit Jahren in verschiedenen Be-reichen auf seinen Kerngeschäftsfeldern Erfahrungen mit CFK* gesammelt, etwa bei Walzen für Papiermaschinen, Bugnasen für Züge oder bei Schiffs pro-pel lern. Als wir die Ausweitung unserer Aktivitäten ins Auge gefasst haben, mit dem Ziel, die Entwicklung industrieller Fertigungsprozesse für Composite-Lösungen* voranzutreiben, haben auch wir mit verschiedenen Unternehmen gesprochen. Die AUDI AG, der Innovationsführer im Leichtbau, hat ideal zu unseren Vorstellungen gepasst. Der systematische Ansatz, mit dem Audi sei-nerzeit mit dem Werkstoff Aluminium ein neues Fahrzeugkonzept etabliert hat, hat uns beeindruckt.

Haverkamp: Unser Credo ist immer, dass wir mit den Besten zu-sammenarbeiten wollen. Die Namen Audi und Voith haben einen so guten Ruf, dass die namhaften Hersteller von Fasern und Harzen von sich aus auf uns zukommen und uns die Zusammenarbeit für zukünftige Projekte anbieten.

TextJohannes Köbler

FotosMyrzik und Jarisch

Abstrakte Grafik: CAD-Darstellung der Teile, die vom Cutter aus dem CFK-Gelege ausgeschnitten werden.

Komplex: Aus den ausgeschnittenen Teilen entsteht später in Handarbeit eine CFK-Reserveradmulde.

Audi-Experte: Dr. Lutz-Eike Elend, Leiter Audi Leichtbauzentrum. Voith-Fachmann: Dr. Lars Herbeck, Geschäftsführer Voith Composites GmbH.

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Im Jahr 2020 kann ich mir Faser-Bauteile in der Mittelklasse oder auch an einigen Stellen in Kompaktklasse-Modellen vorstellen. Dr. Lutz-Eike Elend

Die technischen Anlagen von Voith und Audi ergän-zen sich. Wir können unterschiedliche Wege gehen und dadurch die beste Lösung entwickeln. Dr. Lars Herbeck

* siehe Glossar, S. 168 –16935 Dialoge Technologie

Page 20: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

In welchem Stadium ist Ihre Kooperation derzeit?Dr. Herbeck: Unsere gemeinsamen Arbeitsteams bearbeiten eine

ganze Reihe von Projekten. Die FVK-Pilotlinie, die wir vor einigen Monaten in Garching bei München in Betrieb genommen haben, ergänzt das Technikum von Audi in Neckarsulm gezielt, weil sie etwas andere Technologien nutzt, etwa bei der Schneideanlage oder bei der RTM-Presse*. Wir können unterschiedliche Wege gehen und dadurch die beste Lösung entwickeln.

Haben Sie bei der Fertigung von FVK-Bauteilen schon den Königsweg gefunden?Dr. Elend: Das Verfahren der Wahl hängt immer von den Funk tions-

ei genschaften des Bauteils, von den Stückzahlen und von den Kosten ab. In dem Stückzahlbereich, in dem wir heute und in den nächsten Jahren unterwegs sind, präferieren wir den RTM-Prozess, hier streben wir eine Taktzeit von unter drei Minuten an. Wenn man jedoch über 100.000 Fahrzeuge im Jahr hinausdenkt, muss man auch andere Technologien, etwa das Heißpressen, ins Auge fassen.

Inwieweit ist Leichtbau eine Kostenfrage?Dr. Elend: Modelle wie der R8 und der A8 sind unsere Technologie-

träger, bei denen wir den Rahmen etwas weiter aufspannen. Bei den Volumen-Baureihen spielt die Wirtschaftlichkeit natürlich eine noch bedeutendere Rolle, aber für das Jahr 2020 kann ich mir Faser-Bauteile durchaus in der Mittelklasse oder auch gezielt in der Kompaktklasse vorstellen. Wir machen uns das kom-plette Werkstoff-Portfolio zugänglich, wir kombinieren in unserem Multi-material-Spaceframe alle Werkstoffe so, dass ein sinnvolles Gesamtkonzept entsteht. Parallel dazu erarbeiten wir uns umfassendes Know-how in der Ver-bindungstechnik.

Dr. Herbeck: Der große Kostenfaktor sind die Fasern. Beim CFK machen sie 80 bis 90 Prozent der Materialkosten aus, deshalb arbeiten wir gemeinsam an neuen, kosteneffizienteren Halbzeugen. Wenn es uns gelingt, die Bauteile kostengünstig und schnell herzustellen, werden CFK und die an-deren FVK-Materialien eine große Zukunft haben. Mit den höheren Stückzahlen können wir dann konsequent eine echte Fließfertigung aufbauen.

Würden faserverstärkte Kunststoffe auch außerhalb der Karosserie Sinn machen?Dr. Elend: Ja, der R8 e-tron beispielsweise bekommt ein Batterie-

ge häuse und eine Crash-Struktur aus CFK. Beim Le-Mans-Rennwagen R 18 be steht das Getriebegehäuse aus demselben Material. Das Faszinierende an den neuen Faserwerkstoffen ist die Funktionsintegration – beispielsweise ein Tank, der mittragend in die Bodenstruktur integriert ist. Gerade bei unseren e-tron-Modellen, die ja eine grundlegend neue Herangehensweise bei der Auslegung der Karosseriearchitektur erfordern, ergeben sich hier vielfältige Möglichkeiten.

Haverkamp: Dazu kommen noch das Fahrwerk und der Antrieb als mögliche Einsatzbereiche. Schon heute gibt es faserverstärkte Pleuel, genau-so gut können wir uns Gelenkwellen und Antriebswellen aus FVK-Materi alien vorstellen. Wir durchleuchten das gesamte Fahrzeug und reden mit den Kol-legen aus den Fachbereichen.

Wie geht es in Ihrer Kooperation jetzt weiter?Dr. Elend: Sie ist als langfristige Zusammenarbeit angelegt und

wird auch für den Gesamtkonzern ein wichtiges Projekt, von dem andere Mar-ken partizipieren können. Wir übernehmen die Vorreiterrolle gern, wie immer beim Leichtbau.

Dr. Herbeck: Die Stärke unserer Partnerschaft ist, dass wir uns allen Herausforderungen gemeinsam stellen, auf offene und vertrauensvolle Weise. Die Kooperation von zwei Unternehmen mit dem Image und der Innovations-kraft von Audi und Voith, das ist ein großes Asset, das wir weiter nutzen wollen.

Zuschnitt: Voith Composites betreibt in Garching eine FVK-Pilotlinie, zu der auch ein CAD-Cutter gehört. Detail der RTM-Presse: Der Mischkopf übernimmt die Dosierung des Harzes und des Härters unter etwa 140 bar Druck.

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Audi-Spezialist: Claus Haverkamp, Leiter Karosseriekonzepte und Leichtbautechnologien im Audi Leichtbauzentrum.

Fräsanlage: CAD-gesteuerte Hochfrequenzspindeln bringen das Bauteil in seine Endform. Sie rotieren mit etwa 21.000 1/min.

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* siehe Glossar, S. 168 –169

Unser Credo ist immer, dass wir mit den Besten zusammenarbeiten wollen. Claus Haverkamp

37 Dialoge Technologie

Page 21: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

1,33 T Circle Training

50%

Was ist CO₂?Wir atmen es aus. Wir löschen damit Feuer. Es bringt

den Schaum aufs Bier und die Perlen in den Champagner. CO₂ ist fast überall. Das Kürzel steht für Kohlenstoffdioxid, eine Verbin dung aus einem Kohlen-stoff- und zwei Sauerstoff-Atomen. Das unsichtbare und geruchlose Gas spielt eine wichtige Rolle im Stoff wechsel aller Lebewesen. Ohne CO₂ wäre auf der Erde das Leben, so wie wir es kennen, unmöglich. Kohlenstoffdioxid ist aber auch eine der Komponenten, die zum Treibhauseffekt beitragen. Zu viel davon in der Atmosphäre, und die Temperaturen steigen an. Im schlimmsten Fall könnte es damit zu einem Klimawandel kommen.

Wesentliche Verursacher des CO₂-Aufkommens sind wir Menschen selbst. Indirekt trägt jeder Deutsche mit jährlich zehn Tonnen CO₂ zum Treib-hauseffekt bei. Der Energieverbrauch für das Heizen und die Stromproduktion ist dabei am höchsten. Bis zu 40 Prozent des weltweiten CO₂-Aufkommens fallen darauf zurück. Flugzeuge sind ebenfalls große CO₂-Produzenten. Schon ein Fernflug nach Thailand entspricht rund 50 Prozent des gesamten jährlichen CO₂-Ausstoßes pro Person in Deutschland. Aber auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Wer sich zum Beispiel vegetarisch ernährt, spart im Vergleich zum „Fleischesser“ jährlich 1,33 Tonnen CO₂ ein. Der Verkehrssektor hat einen Anteil von rund 20 Prozent am weltweiten CO₂-Aufkommen.

Audi strebt in der Automobilindustrie die Führungsrolle in der um-weltfreundlichen Mobilität an. Das große Ziel ist die ganz heit liche CO₂-neutrale Mobilität auf Kurz-, Mittel- und Lang strecken.

Audi lebt Verantwortung für die UmweltFür die Vision von der ganzheitlichen CO₂-neutralen Mobilität steht

Audi balanced mobility. Der erste große Schritt dorthin ist das Audi e-gas pro-ject. Vier Windkrafträder werden ab Spätsommer 2013 erneuerbare Energie für Audi herstellen. Daneben erzeugen beispielsweise auch Biogasanlagen Strom. Die überschüssige Energie wird in Methan verwandelt und kann im Erd-gasnetz gespeichert werden. Das Projekt ist zukunftsweisend, denn aus um-weltfreundlicher Energiegewinnung können gleich drei Formen von An triebs-energie erzeugt werden: Strom für die e-tron Modelle, Wasserstoff für Brenn-stoffzellenfahrzeuge und e-gas für die neuen TCNG-Autos*.

TextHanna van der Velden

IllustrationenBarbara Stehle

Audi balanced mobility Die Natur macht es uns täglich vor: Das Leben ist ein ständiger Kreislauf. Audi hat diese grundlegende Weisheit in hochentwickelte Technologie umgesetzt – die Initiative Audi balanced mobility. Ziel ist die CO₂-neutrale Mobilität. Doch was be deu-tet das eigentlich? Und wie wird der Kreislauf des Kohlenstoffdioxids überhaupt neutral? Zahlen, Fakten und Skizzen rund um eine mysteriöse chemische Verbindung. Ein Fernflug nach Thailand entspricht

50 Prozent des durchschittlichen jährlichen CO₂-Ausstoßes pro Person in Deutschland.

* siehe Glossar, S. 168 –169

Wer sich vegetarisch ernährt, spart im Vergleich zum „Fleisch- esser“ jährlich 1,33 Tonnen CO₂ ein.

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Page 22: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

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35°

350°

1.500 ×A3 TCNG

eGasA3 TCNG

1 min = 300 km

A1 e-tron

15.000 km

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1.500 ×A3 TCNG

eGasA3 TCNG

1 min = 300 km

A1 e-tron

15.000 km

1 Apfelbaum: Kohlendioxid ist überall, auch in der Luft. Aus ihr wird es von Pflanzen aufgenommen und für deren Wachs-tum verwendet. So gelangt es etwa in Form von Zucker in die Äpfel, die wir essen, bevor die Reste dann später in der Biogasanlage verwertet werden.

2 Biogasanlage: Abfälle, Gülle und zum Beispiel auch ein Apfelrest werden in ein großes Becken gefüllt. Hier herrschen tropi-sche 35 Grad Celsius. Die heißhung-rigen Bakterien stürzen sich auf den Abfallhaufen, alles Organische wird dabei verwertet. Das Ergebnis der brodelnden Mülltonne ist unter an-derem Kohlendioxid.

3 Aminwäsche: Das entstandene Kohlendioxid ist allerdings noch mit anderen Gasteil-chen „verschmutzt“. Da heißt es erst einmal: ab durch die „CO₂-Wasch -anlage“. Statt 30 Minuten Schnell-wäsche mit Schleudern dauert der Waschvorgang hier aber nur Se-kunden. Das CO₂ wird dabei mit einem Lösungsmittel besprüht, das die „sauberen“ von den „schmutzi-gen“ Teilchen trennt.

4 Offshore-Windrad: Etwa zeitgleich sind wir 100 Meter über dem Meeresboden. Unter uns schlagen die Wellen der Nordsee gegen das Windrad. Es ist stürmisch. Die Blattspitzen rotieren durch die Luft, bis zu 250 km/h werden sie schnell. Die Offshore-Windräder in der Nordsee erzeugen für Audi durch Windenergie sauberen Strom, der in das öffentliche Stromnetz ein-gespeist wird. Die Audi e-tron Modelle können direkt mit dem Strom be-tankt werden. Dabei reicht eine Mi-nute Arbeit eines einzigen Windrads aus, um mit dem A1 e-tron 300 Kilometer weit zu fahren. Manchmal wird mehr Strom produziert als benötigt. Ein Teil davon wird dann aus dem Netz direkt in eine Methani-sierungsanlage, eine Art „CO₂-Sauna“, geleitet.

5 Methanisierungsanlage: Zunächst wird per Elektrolyse Wasser (H₂O) in Sauerstoff (O₂) und Was-serstoff (H₂) gespalten. Danach trifft sich das in der „Waschanlage“ gerei-nigte CO₂-Teilchen mit dem Wasser-stoff (H₂) in der „CO₂-Sauna“: Mithilfe eines Katalysators formen sich bei 350 Grad Celsius die Moleküle neu, und es entsteht Methan (CH₄), also Audi e-gas.

6 e-gas-Speicherung: 217 Terrawattstunden Kapazität bietet das öffentliche Gasnetz. Es ist damit der größte existierende En er-giespeicher in Deutschland. Weht viel Meereswind, lassen sich die Strom-Überkapazitäten in e-gas wan-deln und im öffentlichen Gasnetz einlagern. Wenn gewünscht, kann man die Energie jederzeit über das Gasnetz zum Auto zurückführen.

7 Audi A3 TCNG: Das Audi e-gas kann direkt als Kraftstoff getankt werden. Schon mit der Produktionsmenge der ersten Anlage können 1.500 Audi A3 TCNG jeweils jährlich um die 15.000 Kilo-meter weit fahren.

8Motor des A3 TCNG: Das Audi e-gas wird im Motor des A3 TCNG mit Hilfe von Sauerstoff ver-brannt. Die freiwerdende Energie treibt das Auto an. Das CO₂ aus dem Auspuff gelangt wieder in die Natur, wo es erneut von einem Apfelbaum verwertet wird. Audi borgt sich also nur das vorhandene CO₂ und wan-delt es vorübergehend in e-gas um. Beim Verbrennen im Motor wird nur genau die Menge CO₂ freigesetzt, die vorher zur Herstellung des e-gases benutzt wurde.

217 Terrawattstunden Kapazität bietet das öffentliche Gasnetz und ist damit der größte existierende Energie- speicher in Deutschland.

neutral CO₂ im Kreislauf Der Motor des Audi A3 TCNG verbrennt künftig Audi e-gas – und setzt dabei nur soviel CO₂ frei, wie zuvor bei dessen Herstellung benutzt wurde.

40 Dialoge Technologie 41 Dialoge Technologie

Page 23: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Bike’s Peak

Audi e-bike Wörthersee Dieses famose Stück Hightech passt in keine Kategorie: Es ist mehr als ein Fahrrad und mehr als ein Pedelec. DTM-Fahrer Miguel Molina drehte mit dem Power-Zweirad für morgen schon heute ein paar Runden.

Trickreich: Das Audi e-bike Wörthersee ist für Stunts ausgelegt.

42 Dialoge Technologie 43 Dialoge Technologie

Page 24: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Der Asphalt ist noch nass vom Regen der Nacht. Dicke Wolken drän-gen sich an diesem Morgen zwischen die grünen Berge rund um die

Rennstrecke im österreichischen Spielberg. Die Vorbereitungen für das in zwei Tagen auf dem Red Bull Ring startende DTM-Rennen sind in vollem Gange. Inmitten des geschäftigen Treibens wird das Audi e-bike Wörthersee ausgepackt. Miguel Molina, Audi-Pilot in der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM), ist schon an der Strecke und nutzt die Ge legen-heit. Er schnappt sich das futuristische Zweirad, katapultiert das Vorderrad in die Luft, hüpft einen Moment auf dem Hinterrad, balanciert sekundenlang und beginnt zu grinsen. „Der Wheelie ist kinderleicht mit diesem Bike. Wo bleibt der Applaus?“, ruft er seinen Renn fahrerkollegen entgegen.

Das Highend-Sportgerät hat außergewöhnliche Funktionen, die viele Tricks und Stunts ermöglichen. Der Wheelie-Modus macht das Fahren auf dem Hinterrad zum Kinder-spiel. Während eines Wheelies analysieren eingebaute Sensoren die Lage des e-bikes sowie das Fahrergewicht in Relation zur Erdanziehungskraft. Innerhalb weniger Millisekunden regelt ein Steuergerät dann die Leistung, die vom E-Motor abgefordert wird. Wie von Geis-terhand hält das e-bike den Fahrer im Gleichgewicht, Bewe gungen nach vorne oder hinten können über den E-Motor ausgeglichen werden. „Dieses Steuergerät ist ein bereits beste-hendes Serienteil der elektronischen Stabilitätsregelung aus dem Audi A6. Es wurde extra

TextRegina Brand

Fotos Myrzik und Jarisch

e-tron: Das Audi e-bike Wörthersee setzt mit seinem Leistungsgewicht eine neue Rekordmarke in der Welt der e-bikes.

Balanced Wheelie: Der elektronische Wheelie-Modus unterstützt das Fahren auf dem Hinterrad.

Power Wheelie: Weniger geübte Fahrer, die einen Wheelie machen wollen, können den gewünschten Winkel sogar einstellen.

2,3 kW

44 Dialoge Technologie 45 Dialoge Technologie

Page 25: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Technische Daten Audi e-bike Wörthersee

Leistung E-Motor 2,3 kW Spitzenleistung

Leistungsgewicht 9 kg pro kW

Radmoment am Hinterrad 250 Nm

Höchstgeschwindigkeit im Modus „Pedelec“ bis zu 80 km/h (Unterstützung E-Motor)

Reichweite

rein elektrisch 50 km, je nach Fahrergewicht

mit Tretunterstützung 70 km, je nach Fahrergewicht

Gesamtgewicht 21 kg (inklusive Batterie)

Die Lithium-Ionen-Batterie befindet sich im Rahmen, bei 48 V Spannung hat sie eine Kapazität von 530 Wh. An einer 230-V-Steckdose ist der etwa fünf Kilogramm schwere Akku nach zweieinhalb Stunden vollgeladen. Für lange Trial-Touren lässt er sich mit wenigen Handgriffen entnehmen und durch eine geladene Batterie ersetzen.

Audi e-bike

angepasst. Um es in unser e-bike einbauen zu können, mussten wir zum Beispiel die Sen-soren verkleinern“, erklärt Heinz Hollerweger, Leiter der Entwicklung Gesamtfahrzeug bei Audi. „Durch diese Wheelie-Funktion haben wir ein Alleinstellungs merkmal, das es noch nie gab bei einem Zweirad.“ Molina ist begeistert von der Technik und deren einfacher Be-dienung. „Ich bin ein absoluter Wheelie-Fan. So viel Spaß hatte ich noch nie mit einem Fahr rad“, lacht der 23 Jahre alte Rennfahrer und lupft das Vorderrad erneut in die Höhe. Dann lehnt er sich nach vorne und rast davon.

Ob Asphaltparcours, steile Berge oder steinige Wege – das Audi e-bike Wörther-see ist überall zu Hause und dadurch wie gemacht für Trial-Biker. Durch die luftige Rah-men struktur und den niedrigen Schwerpunkt ist es sehr kompakt und selbst in Extrem-situationen noch besonders agil. Nur 1.600 Gramm wiegt der ultra-leichte CFK-Rahmen*. Die 2.600 Gramm leichte Schwinge (ohne Dämpfer), die das Hinterrad führt, besteht ebenfalls aus dem Kohlenfaserwerkstoff. Gemäß dem ultra-Leichtbauprinzip von Audi wurde jedes einzelne Bauteil äußerst schlank konstruiert, Materialverstärkungen wurden nur dort vorgenommen, wo sie nötig sind. Mit lediglich 21 Kilogramm Gesamtgewicht und einem Leistungsgewicht von 9 Kilogramm pro Kilowatt setzt das Audi e-bike Wörther-see eine Rekordmarke. Als Sportgerät sprengt es jegliche Zweirad-Kategorien – weder Pedelecs noch Fahrrädern lässt es sich zuordnen. „Wir definieren mit dem Audi e-bike Wörthersee eine neue Fahrzeugklasse. Es ist ein auf Tricks und Stunts ausgelegtes Technik-Zweirad konzept. Dank der höhenverstellbaren Sitzbank und der tiefen Sitzposition eignet es sich perfekt für Kunststücke jeder Art“, erklärt Hollerweger.

Leichtbau extrem: Gerade mal 1.600 Gramm wiegt der CFK-Rahmen.

* siehe Glossar, S. 168 –169

Volle Power: Mit Tempo 80 als Spitze sprengt das Audi e-bike übliche Zweirad-Kategorien.

80 km/h

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Page 26: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Miguel Molina lässt es sich derweil nicht nehmen, die 2,3 kW Spitzenleistung auf der kurvenreichen Asphaltstrecke voll auszukosten. Am Touchscreen des Bord com pu-ters, der in den Rahmen integriert ist, wählt er den Fahrmodus „Pedelec“ und tritt kräftig in die Pedale. Er saust die Rennstrecke entlang und kommt nach kurzer Zeit wieder zurück. „Es ist eine völlig neue Erfahrung, auf einem e-bike so ein Tempo zu fahren. 80 km/h zeigte das Display des Bordcomputers an.“ Mit bis zu 250 Nm Radmoment am Hinterrad nimmt das Audi e-bike Wörthersee schnell hohes Tempo auf. Durch die hydraulische Neungang-Schaltung können die Gänge in kürzester Zeit gewechselt werden. In voller Fahrt kann sich Molina auf die hydraulischen Scheibenbremsen und die luftgefederte Vorderradgabel (130 Millimeter Federweg) verlassen. Wer noch während der Fahrt raffinierte Tricks vorbereiten will, kann die Höhe der Sitzbank stufenlos verstellen – einfach per Knopfdruck am Lenker.

Um das Abenteuer mit dem e-bike auch mit seinen Freunden teilen zu können, ist das Smartphone des DTM-Piloten über eine Antenne in der Vorderrad-Brems leitung per WLAN* mit dem Bordcomputer verbunden. Ausgefallene Tricksequenzen können während der Fahrt von einer kleinen Helmkamera aufgezeichnet und per Smartphone über eine spezielle App als Video sofort ins Internet geladen werden. Jeder erfolgreich durchgeführte Trick wird dabei mit Erfolgspunkten belohnt. Mit zunehmender Punktezahl würde Miguel Molina Auszeichnungen erhalten, sein Anforderungslevel würde ansteigen. Über ein Gesamtranking im Internet kann man sich je nach Belieben mit anderen Trial-Bikern messen. Deren Aufenthaltsorte wiederum erscheinen als Facebook-Status mel-dungen auf dem Display des Audi e-bike Wörthersee. „Meine Freunde werden ihren Augen nicht trauen, wenn sie die Videos sehen“, freut sich Molina. Er ist begeistert von seinem Ausflug auf zwei Rädern: „Es fordert mich regelrecht heraus, abseits der Strecke zu fahren“, ruft er und sucht sich den nächstgelegenen Grashügel in der Mitte des Red Bull Rings. Dort erwartet ihn ein gigantischer Bulle. Die Stierskulptur aus Edelstahl ist das Wahrzeichen der Renn strecke. Selten trauen sich unangemeldete Besucher in sein Revier. Aus 17 Metern schaut der Koloss auf Molina herab. „Er schüchtert mich nicht ein – nicht auf diesem Rad“, lacht Molina.

Intelligent: Per Smartphone oder direkt am Touchscreen-Bordcomputer kann einer der fünf Fahrmodi ausgewählt werden. Das Dis- play zeigt während der Fahrt die Geschwindig-keit, die zurück gelegte Distanz, den Lade-zustand der Batterie, den Energie ver brauch und den aktuellen Neigungswinkel an.

Sicher: Vor dem Start muss die Wegfahrsperre mit dem Smartphone deaktiviert werden.

Audi e-bike Fünf Fahrmodi

Für weniger geübte Fahrer gibt es den Modus „Power Wheelie“ mit einstell-barem Wheelie- Winkel. Beim „Balanced Wheelie“ gleicht die elektronische Regelung die Bewegungen des Fahrers über den E-Motor aus.

Im Modus „Pure“ kommt die Antriebsleistung allein vom Fahrer. In der Betriebsart „Pedelec“ unterstützt der Elektromotor; hier sind bis zu 80 km/h Spitze und 50 bis 70 km Reichweite möglich. Im Programm „eGrip“ ist das Audi e-bike Wörthersee rein elektrisch unter-wegs, mit bis zu 50 km/h Höchstgeschwindigkeit. Der Fahrer regelt hier den Vortrieb über einen Drehgriff und kann die Leistung über den Bordcompu-ter frei konfigurieren. Will der Fahrer mit konstanter Leistung in die Pedale treten, wählt er den „Trainingsmodus“ an. Bei Gegenwind oder Steigungen gleicht dann die E-Maschine die zusätzlich erforderliche Kraftanstrengung aus, so dass sich eine gleichbleibende Leistungsabgabe trainieren lässt.

Wheelie

Pure

Pedelec

eGrip

Trainingsmodus

* siehe Glossar, S. 168 –169

30°Vernetzt: Auch der Wheelie-Winkel kann per Smartphone eingestellt werden.

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liche Projekt zu schaffen“, blickt Hollerweger zurück. Innerhalb von nur vier Monaten wurde das Projekt realisiert. „Ich war sehr stolz, als wir unser e-bike im Mai präsentiert haben.“

Während der intensiven Entwicklungsphase des e-bike hatten neben den Ingenieuren auch die Audi-Designer alle Hände voll zu tun. Das e-bike Wörthersee ist ein Beispiel dafür, wie bei Audi auch fernab der konventionellen Wege gedacht und gearbei-tet wird. Gestaltet wurde es im Konzept Design Studio in München. „Jedes Detail trägt die Audi-Gene. Das ist uns besonders wichtig, wenn wir ein Produkt abseits vom Automobildesign entwickeln“, erläutert Wolfgang Egger, der Leiter von Audi Design. „Die Struktur der Kohlefasern, die Anordnung der Bauteile, die Beleuchtung – alle Elemente spiegeln die klare Designsprache von Audi wider. Beson-ders die homogenen LED-Lichtbänder lassen das Audi e-bike gleich auf den ersten Blick als Audi-Produkt erkennen.“ Mit seinem futu-ristischen Design ist es weit mehr als ein gewöhnliches Zweirad.

„Die Materialauswahl zeigt, wie eng das Design und die ultra-Leichtbaukompetenz miteinander verknüpft sind. Strikte Funktionalität und extreme Sportlichkeit waren die Grundprin-zipien bei der Gestaltung. Alle Designelemente richten sich konse-quent an ihrer technischen Funktion aus“, sagt Egger. „Das Know-how aus dem Motorsport war ein wichtiger Impulsgeber bei der Ge staltung des e-bikes. Wir konnten insbesondere von den Erfah-rungen im Umgang mit dem Material Carbon profitieren, denn auch beim e-bike muss das Material für höchste Belastungen ausgelegt sein.“ Die 26 Zoll großen Laufräder aus Carbon tragen ein neuar-tiges, kraftflussoptimiertes „Audi ultra blade“-Design mit breiten, flächigen Speichen.

„Wir zeigen mit diesem Showbike, wo die Grenzen des technisch Machbaren liegen“,

er klärt Heinz Hollerweger, Leiter Entwicklung Gesamtfahrzeug bei Audi. Ob Gestaltung, Leichtbau, Vernetzung oder Elektromobilität – das Audi e-bike Wörthersee weist in vielen Bereichen in die Zu-kunft. „Als Prototyp vereint es unsere Kernkompetenzen Design, ultra, connect und e-tron.“

Heinz Hollerweger war als ambitionierter Radfahrer Ideengeber und Hauptinitiator der Entwicklung des Audi e-bike Wörthersee. „Die Idee hatten wir schon lange. Ende 2011 war es dann soweit. Ich habe alle zweiradbegeisterten Entwickler zu einem Kick-off-Termin eingeladen. Viele von uns sind echte Radfreaks und ken nen sich extrem gut in der Szene aus. Um die Funktionen des e-bikes zu optimieren, waren wir während der Entwicklung ständig in Kontakt mit professionellen Trial-Bikern“, erzählt Holler weger.

Entstanden ist das Audi e-bike Wörthersee in einem Pro zess höchst flexibler Arbeitsorganisation. Die Idee ein e-bike zu entwickeln, brachte Mitarbeiter aus allen Bereichen zusammen, dabei spielte die interdisziplinäre Vernetzung eine wesentliche Rolle. „Durch die große Begeisterung konnten wir unsere Kompe-tenzen extrem schnell bündeln. Alle haben an einem Strang gezo-gen. Nur so war es möglich, Zeit und Raum für dieses ungewöhn-

TextRegina Brand

Fotos Myrzik und Jarisch

Klare Form: Eindeutige Identität und ein authentischer Charakter sind für Wolfgang Egger entscheidend.

Rad für Formgebung Audi e-bike Wörthersee Nicht nur die Innovation macht das e-bike zu einem echten Audi, sondern auch das Design.

Design und Technologie:Die Audi-Gene stecken in jedem Detail.

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Kleinste Teilchen

Ein Blick in den Mikrokosmos eines Audimit den Augen eines

Rasterelektronenmikroskops.

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Manipulierte Mondlandschaft

Wie eine Wabe, vielleicht auch ein Krater erscheint die kreisrunde Struktur – die Aufnahme des Raster-elektronenmikroskops setzt der Fantasie keine Grenzen. Kaum zu glauben: Bei diesem Material handelt es sich um verchromten Kunststoff. Das Besondere: Die kreisrunde Öffnung wurde durch eine spezielle chemische Behandlung gezielt herbeigeführt. Dr. Bertram Reinhold von der Abteilung Werkstofftechnik Festigkeit/Korrosion erklärt: „Wir tropfen eine Säure auf die Oberfläche des verchromten Kunststoffs. Diese ätzt sich durch die verschiedenen Beschichtungen bis auf das Trägermaterial, den Kunststoff.“ Anhand der Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops können die Experten dann bestimmen, ob der Schichtaufbau für die Verchromung den strengen Audi-Vorgaben entspricht. Bei dieser Aufnahme bei-spielsweise handelt es sich bei der umliegenden oberflächigen Struktur noch um Chrom, am Boden der Wabe ist der Kunststoff zu sehen, und die Seitenwände bestehen aus Nickel. „Ein Beschichtungsauf- bau dieser Art schützt vor Umwelteinflüssen und sorgt für eine dauerhafte Qualität über die Lebenszeit des Autos“, erklärt Reinhold.

Landschaft aus Bergen und Tälern

Die herausstehenden Zacken gleichen Bergspitzen, die Krater in den Zwischenräumen Tälern. Was unter dem Rasterelektronenmikroskop aussieht wie eine wilde Landschaft, ist in Wahrheit ein Kunststoffmate-rial. Die Zerklüftung der Oberfläche wird dabei bewusst herbeigeführt. „Kunststoff muss möglichst matt sein, und genau dieses Ziel erreichen wir durch die raue Mikrostruktur der Oberfläche“, erläutert Helmut Donaubauer aus der Abteilung Werkstofftechnik Interieur. Um diese zu erzeugen, wird das entsprechende Spritzgusswerkzeug mittels Säure genarbt. Wenn das Teil gegossen wird, erhält es die Narbstruktur des Werkzeugs. Das Ergebnis: Die Oberfläche erscheint matt, geradezu textilähnlich. „Das ist unser Anspruch bei der Herstellung von Kunststoffteilen“, weiß Donaubauer. „Der matte, fast stoffähnliche Kunststoff ist ein Zeichen für unsere Qualität.“ Verwendung findet dieser zum Beispiel in der Verkleidung der Fahr-zeug innenräume. Die abgebildete Probe zeigt die Blende der D-Säule im Audi Q5.

Fast ohne Struktur erscheinen die unter- und übereinander lagernden Fasern. Zahllos und wirr daliegend, dominieren sie die Aufnahme des Rasterelektronenmikroskops. Genau dieser Effekt ist es, der das ab-gebildete Material so besonders, so anschmiegsam und weich macht: Alcantara. „Die Fasern, aus denen Alcantara besteht, sind so dünn, dass sie einzeln nicht genutzt werden können“, erklärt Jürgen Frank von der Abteilung Werkstofftechnik Interieur. „Deshalb werden sie zu Fasersträngen gebündelt, die dann miteinander verarbeitet werden.“ Ein aufwendiger und zeitintensiver Prozess mit einem überzeugenden Ergebnis: Alcantara ist ein hochwertiges Textil, das atmungsaktiv und strapazierfähig ist. Zudem nehmen die Fasern nahezu alle Färbungen an. „Die Qualität des Materials wird unserem Premiumanspruch ge-recht“, sagt Frank. „Und durch die unterschiedlichen Farbvarianten entstehen vielfältige Möglichkeiten, das Interieur eines Autos zu gestalten.“

Offene Poren – ein Zeichen für Qualität

Feinste Kuppen und Täler ziehen sich über die gesamte Oberfläche. Uneben und unruhig erscheint das Material auf den Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops. Der Schein aber trügt über das hinweg, was der Mensch mit seinem Tastsinn zu erfassen vermag. Denn was geradezu porös erscheint, fühlt sich für die Finger weich und geschmeidig an. Die Rede ist von Leder. Die unruhige Landschaft, die die Aufnahmen zeigen, ist bei Leder gar ein Zeichen von Qualität. „Die Vertiefungen, die man auf den Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops erkennen kann, sind Haarporen“, erklärt Jörg Bernhardt-Moggl aus der Abtei-lung Werkstofftechnik Interieur. „Je mehr Poren die jeweilige Probe aufzeigt, desto natürlicher und atmungsaktiver ist das Leder.“ Im eigenen Labor prüfen Bernhardt-Moggl und seine Kollegen die Lang-lebigkeit der Lederproben. Erst wenn diese die 45 unterschiedlichen Tests bestanden haben, kommen die Leder zum Einsatz. So gewährleistet Audi dauerhafte Qualität, die man fühlen und sehen kann.

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Alcantara (Audi R8 GT)

20 µm

EHT: 20.00 kV

Detector: BSD

Date: 16 May 2012

Leder (Audi A7)

20 µm

EHT: 20.00 kV

Detector: SE2

Date: 16 May 2012

Kunststoff (Audi Q5)

20 µm

EHT: 20.00 kV

Detector: SE2

Date: 1 June 2012

Chrom (Audi A3)

2 µm

EHT: 20.00 kV

Detector: SE2

Date: 1 June 2012

Mikrokosmos aus zarten Fasern

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Tannenzapfen, Mondlandschaften, Muschel- bänke – bis zu 500.000-fache Vergröße ru n-

gen erschließen einen Mikrokosmos, den die menschlichen Sinne nicht erfassen können. Selbst Oberflächen, die für Auge und Fin-ger kuppen völlig glatt und sehr weich erscheinen, nehmen bei diesen extremen Vergrößerungen ungewöhnliche Formen an und erscheinen unruhig, gar bizarr. Es ist eine ganz eigene Welt, ein Mikrokosmos, den der Betrachter hier entdeckt.

Das Tor zu dieser Welt öffnet das Rasterelektronen mi-kroskop (REM)*. Seinem Namen entsprechend nutzt es Elektronen zur Abbildung. Sie lassen sich in einem Strahl extrem fein bündeln. Dieser fokussierte Elektronenstrahl wird in einem festgelegten Muster über die jeweilige Untersu chungs probe geführt. Durch die Wechselwirkungen der Elektronen mit dem Objekt, die beim Ab-rastern entstehen, wird eine bildhafte Darstellung der Probe er-zeugt. Zwar sind die Auf nahmen schwarz-weiß, doch weisen sie eine hohe Tiefenschärfe auf und sind gestochen scharf.

Diese Funktion macht sich Audi zunutze. „Im Rahmen der Qualitätssicherung ist die punktgenaue Untersuchung von kleinsten Flächen notwendig. Die REM-Aufnahmen ermöglichen uns genau diese Detailanalysen“, erklärt Martin Poese, Leiter der Abteilung Werkstofftechnik Aggregate/Getriebe/Öl.

Während Rasterelektronenmikroskope maximal eine 500.000-fache Vergrößerung erzielen können, arbeiten die Audi Qualitätssicherer meist bis zu einem Faktor von „nur“ 20.000. Poese erklärt: „Das Verhältnis einer solchen Ver grö ßerung ent-spricht dem Verhältnis der Größe einer Visitenkarte zu der eines Stadions. Das reicht für unsere Analysen meist schon aus.“

Dabei beschäftigen sich Poese und sein Team in ihren Un tersuchungen meist mit Fahrzeugteilen, die der Besitzer eines Audi nie zu Gesicht bekommt. „Wir analysieren Brüche, Verschleiß-stel len und Oberflächen an allen denkbaren Fahrzeugteilen. Dafür nutzen wir die Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops“, erklärt Michael Held, ein Mitarbeiter von Poese. Mal sind es kleinste Teile wie Ventilfedern oder Schrauben, mal sind es größere Ele mente der Karosseriestruktur, die vor der Untersuchung zunächst in klei-nere Proben zerlegt werden müssen. Die entsprechende Probe wird dann in einem Vakuum im Rasterelektronenmikroskop platziert. „Uns interessiert das Warum“, erklärt Poese. „Wenn beispielswei-se eine Ventilfeder gebrochen ist, schauen wir uns die Bruchstelle genau an. Sie gibt uns Aufschluss über die Schadens ursache.“

TextAnnika Jochheim

Fotos Myrzik und Jarisch

Die Arbeit gleicht einem Detektivspiel. Täglich fahnden Poese und sein Team nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heu-haufen: „Wir suchen die gesamte Bruchfläche nach kleinsten, aber typischen Merkmalen ab“, erklärt Poese. „Wenn man ein bisschen Er fahrung hat, findet man meist ziemlich schnell, wonach man sucht.“ Held erläutert: „Viele Bruchflächen weisen markante Struk-turen auf und lassen auch den Ausgangspunkt des Bruches erken-nen.“ Für die Qualitätssicherer ein wichtiger Hinweis, denn diese Stelle gibt, unter dem Rasterelektronenmikroskop betrachtet, Auf-schluss über die Art des Bruches. „Aus Form und Zeichnung können wir erkennen, ob es sich beispielweise um einen Ermü dungs- oder Ge waltbruch handelt“, so Held. „Manchmal zeigen uns die Auf nah-men aber auch, dass bei der Produktion des Bauteils Fremd material eingeschlossen wurde. Ein Einschluss von wenigen tausendstel Millimetern reicht zum Teil schon aus, um einen Bruch auszulösen.“

Das Streben nach höchster Qualität führt hier sprich-wörtlich ins mikroskopische Detail: Sogar die Art des Fremd ma-terials, das eingeschlossen wurde, können Poese und seine Kol legen analysieren. Die sogenannte Mikrobereichs-Röntgen fluores zenz-analyse* des Rasterelektronenmikroskops hilft dabei: „Beim Abras-tern der Untersuchungsprobe entstehen durch die Wechsel wirkung der Elektronen mit dem Objekt Röntgenstrahlen. Und weil unter-schiedliche chemische Elemente auch unterschiedliche Röntgen-strahlen erzeugen, können wir diese identifizieren.“

Dafür nutzt das Team ein Messsystem, das an das REM angeschlossen ist und das Spektrum der gemessenen Röntgen-strahlung in einem Diagramm darstellt. Es zeigt die Aufteilung und Intensität der jeweiligen Elemente und liefert Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Materials. „Ein Sauerstoff-Peak ist für uns beispielsweise ein Indiz für einen Schlackeeinschluss und weist auf einen Herstellungsfehler bei der Stahlerschmelzung hin“, er-läutert Poese.

Es sind Erkenntnisse wie diese, die den Einsatz der Ras-terelektronenmikroskopie bei Audi absolut notwendig machen. Durch die Verarbeitung solcher Informationen innerhalb des Unter-nehmens – von der Entwicklung über die Produktion bis hin zur Kundenbetreuung – sichert Audi die konstante Qualität der Fahr-zeugteile. Für Poese und seine Kollegen hält der Mikrokosmos der Fahrzeugteile Botschaften bereit, die sich nur dem geübten Auge erschließen. Der Laie aber findet sich beim Betrachten der Auf nah-men des Rasterelektronenmikroskops in faszinierenden Land schaf-ten wieder.

Kundig: Im Periodensystem bestimmen die Qualitätssicherer die Elemente, die bei der Röntgenfluoreszenzanalyse auftreten.

Präzise: Martin Poese richtet den Probenhalter im Rasterelektronenmikroskop für die Schadensanalyse aus.

Funktional: Auf dem drehbaren Halter können bis zu acht Proben befestigt werden.

Erfahren: Am Computer wertet Martin Poese die REM-Aufnahmen von einem CFK-Bauteil* aus.

Die Bruchfläche der Ventilfeder zeigt, dass es sich um einen Schwingbruch ausgehend von einem Fremd-materialeinschluss handelt.

Beim Schaden an dem Kugelgraphit-Gusseisen- werkstoff handelt es sich um einen Gewaltbruch.

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Die Ressource Kreativität In seinem Münchner Thinktank setzt Audi Design auf Offenheit – in der Gestaltung der Räume wie im Denken der Mitarbeiter. Deshalb hat Audi zusammen mit dem Schweizer Möbelhersteller Vitra das Studio neu organisiert.Münchner

FreiheitTextKlaus Thomas Edelmann

Fotos Myrzik und Jarisch

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Mitten in München liegt der Thinktank von Audi Design, das Kon-zept Design Studio. Für Fahrzeugentwicklung und Produkt gestal-

tung liefert es wichtige Impulse. Um der Arbeit im Team neue Freiräume zu eröffnen und die Kreativität der Designer maximal zu fördern, wurde das Studio kürzlich zusammen mit dem Schweizer Möbelhersteller Vitra neu gestaltet. Dort unterhielten sich Wolfgang Egger, Leiter Audi Design, und Eckart Maise, Chief Design Officer bei Vitra, über die Zukunft von Büro und Auto, die Ressource Kreativität und den Austausch, der am Beginn jeder Avant-garde steht.

Was bedeutet Design für Ihre Arbeit? Wodurch kann Kreativität entstehen?Maise: Die Kreativität des Menschen ist eine unendliche Ressource. Wenn das

Umfeld stimmt, kommen gute Ideen ganz von alleine. Kreativität muss man „laufen las-sen“, und man muss versuchen, unnötige Beeinträchtigungen des schöpferischen Pro-zesses aus dem Weg zu räumen. Designer müssen ohne Barrieren miteinander kommuni-zieren können. Und genau diese Grundregeln haben wir bei der Gestaltung des Audi Design Stu dios in München beachtet. In meiner Tätigkeit als Designmanager geht es um das gleiche Thema: das Auslösen und Steuern kreativer Prozesse.

Egger: Die Kreativität eines Menschen ermöglicht, aus jeder Situation etwas Neues zu machen. Deshalb freue ich mich, dass wir hier miteinander sprechen und uns aus tauschen. Beim Automobil wie in der Architektur und auch im Bereich der Einrichtung gibt es sehr ähnliche Ideen vom Experimentierfeld. Das Bauhaus hat in den 20er Jahren ge zeigt, wie man verschiedene Kompetenzen und Techniken zusammenbringen kann. Aus dem kreativen Austausch entstand eine Avantgarde.

Maise: Wichtig ist, dass man ohne Grenzen denkt …Egger: … dass man ausbricht aus der eigenen Disziplin …Maise: … neue Perspektiven gewinnt, einen umfassenderen Blick auf die Dinge.

Kann man vom Design lernen, mit Kreativität umzugehen?Egger: Das ist eine Fähigkeit, die für Kinder noch ganz selbstverständlich ist,

denn Kinder erzeugen in einem Moment viele Variationen. Durch unsere Ausbildung oder unseren Beruf verlieren wir oft das Zutrauen in unsere kreativen Fähigkeiten, da wir stets nach der einen, richtigen Lösung suchen. Aber die Kreativität steckt in jedem von uns, wir Designer haben eben das Glück, sie ausleben zu dürfen …

Maise: … aber man muss sich auch etwas trauen. Um aus Kreativität Design zu machen, muss man seine Ideen erlebbar machen und sie möglichst vielen Menschen mit-teilen. Als Designer möchte man die Welt spannender und interessanter gestalten.

Welche Rolle spielt das Audi Konzept Design Studio in München?Egger: Es ist eine Gedankenschmiede. Hier im Konzept Design Studio München

können wir aus der Industriewelt ausbrechen und uns intensiver mit veränderten Be dürf-nissen auseinandersetzen. Jedes Produkt, das hier entsteht, steht für ein Lebensgefühl, das eng mit der Marke Audi verbunden ist. Das Studio ist in Schwabing angesiedelt, einem Viertel in München mit starken künstlerischen Wurzeln. Es ist ein kreatives Umfeld, man sieht hier unmittelbar, wie die Menschen leben, sich mit Mode und Lifestyle aus drücken. Im Design in Ingolstadt sind wir bewusst stärker an der Technischen Entwicklung orien-tiert. Denn dort steht im Fokus, technische Innovation und Design so eng wie möglich miteinander zu verzahnen.

Wolfgang Egger, Jahrgang 1963, ist Head of Audi Group Design. Er ist verantwortlich für die Marken Audi und Lamborghini. Bevor er die Leitung von Audi Design über-nahm, war er Chefdesigner von Alfa Romeo, Seat und Lancia.

Eckart Maise, Jahrgang 1965, ist Chief Design Officer bei Vitra, einem Schweizer Möbelhersteller, der sich der Entwicklung gesunder, in-telligenter, inspirierender und lang lebiger Lösungen für das Büro, das Zuhause und für öffentliche Räume verschrieben hat.

Die Kreativität des Menschen ist eine unendliche Ressource. Wenn das Umfeld stimmt, kommen gute Ideen ganz von alleine. Kreativität muss man „laufen lassen“ und versuchen, unnötige Beeinträchtigungen dieses schöpferischen Pro zesses aus dem Weg zu räumen. Eckart Maise

Unabhängig: „Durch moderne Technik kann Arbeit überall statt-finden“, sagt Eckart Maise.

Thinktank: Im Konzept Design Studio München entstehen Ideen für verschiedenste Produkte.

Ambiente: Eines ist für Egger klar: „Die besten Ideen entstehen in einem kreativen Umfeld.“

Werkzeug: Mit Stift und Lineal kommen die Ideen vom Kopf auf das Papier.

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Wie verändert sich das Büro als solches?Maise: Früher war es eine Art Werkbank der Angestellten, heute wird es wieder

ein sozialer Ort, an dem Kollegen sich austauschen. Es ist ein Ort des gemeinsamen Arbei-tens und der Kommunikation. Tom Allen vom MIT* hat festgestellt, dass 80 Prozent der innovativen und wegweisenden Ideen durch persönliche Kommunikation entstehen. Vitra hat deshalb ein Konzept namens „Citizen Office“ entwickelt, durch das das moderne Büro zum Marktplatz des Wissens wird und gleichzeitig als ein sozialer Treffpunkt genutzt werden kann. Durch moderne Technik braucht man keinen vorgegebenen Ort mehr, an dem alle gemeinsam zur selben Zeit das Gleiche tun. Arbeit kann überall stattfinden, im Büro, im Auto, am Flughafen. Und so nähert sich das Büro heute eher einem Business-Club an, mit unterschiedlichen Zonen und Nutzungen. Auch hier im Audi Konzept Design Studio kann man das erleben.

Wie richtet man ein Designstudio wie dieses hier in München ein?Maise: Wichtig ist, dass die Menschen, die das Büro nutzen, am Ein rich tungs-

prozess beteiligt sind. Gemeinsam mit Audi haben wir mehrere Workshops veranstaltet. Wie beim Design muss man wissen, für wen man entwirft und wie dort gearbeitet wird: Wie oft wird allein gearbeitet, wie oft zu zweit oder zu mehreren? Hinzu kommt, dass ein Designstudio ein spezifischer Ort ist.

Egger: Ganz genau! In einem Designstudio muss Kreativität bis ins Maximum gefördert werden, und Kreativität basiert auf dem Austausch der Designer untereinander. Design besteht auch daraus, sich zusammenzusetzen, mit Ideen zu provozieren, zu dis-kutieren. Das geht am besten so, wie wir hier sitzen – ein Gespräch mitten in der Arbeitsum-gebung. Es ist für uns weniger wichtig, morgens früh aufzustehen, zu zeichnen und abends ein fertiges Objekt vorzeigen zu können. Wir gehen lieber vom Ateliergedanken aus. Er stammt aus der Renaissance. Damals erkannten die Künstler und Architekten, dass es sinnvoll ist, die Menschen um das Objekt ihrer Arbeit zu gruppieren. Uns war wichtig, dass wir isolierte Besprechungssituationen komplett vermeiden. Gespräche können mitten zwischen den Arbeitsplätzen der Designer stattfinden, wir brauchen dafür keinen separa-ten Besprechungsraum mehr.

Maise: Es gibt – und das entspricht ja auch unserer Aufgabe hier bei Audi – immer größere Räume, in denen sich verschiedene Tätigkeiten überlagern. Die Räume werden dabei offener und transparenter. Es wird immer mehr mit Tageslicht gearbeitet. Es geht nicht nur um architektonische, sondern auch um organisatorische Transparenz. Die Höhle, in die man sich dauerhaft zurückzieht, ist da nicht mehr gefragt. Die Dimension der Räume bietet neue Herausforderungen für die Möblierung. Denn dort wird nicht nur gemeinsam gearbeitet. Ein wesentlicher Aspekt ist Konzentration. Wie wird der Raum gegliedert, ohne den gesamträumlichen Eindruck zu verlieren? Das sind inzwischen durch-gehend Aufgabenstellungen, mit denen wir konfrontiert sind.

Egger: Der Austausch betrifft auch den Austausch von Kulturen. Neben Ingol-stadt und München stehen uns noch Italdesign in Turin, Lamborghini in Sant’Agata, das Volkswagen Design Center in Potsdam und das Design Center California in Santa Monica als Austauschpartner zur Verfügung. Und in unserem Audi Design Team von über 200 Mitarbeitern sind 16 Nationalitäten vertreten. Ich sehe es als meine Aufgabe, diesen viel-fältigen Teams, die zu bestimmten Themen zusammenkommen und anschließend wieder ihren Weg gehen, den Raum zu geben, um Ihre Ideen auszutauschen. Sei es digital oder ganz klassisch bei einem persönlichen Treffen.

In einem Designstudio muss Kreativität bis ins Maximum gefördert werden, und Kreativität basiert auf dem Austausch der Designer untereinander. Design besteht auch daraus, sich zusammenzusetzen, mit Ideen zu provozieren, zu disku tieren. Wolfgang Egger

Konzept Design Studio München:„Konzeptdesign braucht Freiheit“ – so definiert Wolfgang Egger die Auf-gabe des externen Kreativstudios in München. Das Konzept Design Studio München ist der Thinktank von Audi Design, hier arbeiten Kre ative aus vielen Disziplinen am schöpferi-schen Input für die Zukunft des Markendesigns.

Der Standort München hat für Audi Design schon Tradition – bereits vor 25 Jahren wurde das Studio in Schwabing eingerichtet. Vom ersten Tag an etablierte sich München als Standort, an dem die Designer weit vorausdenken, an neuen Fahr-zeugkonzepten feilen und der Marke Audi unerwartete Anstöße geben konnten.

Das Studio in München ist ein Ort der Suche nach neuen Impulsen und ein Platz für den offenen Austausch. Die Diskussion mit Kreativen aus anderen Disziplinen oder mit Studen-ten, die sich an Projekten im welt-weiten Hochschulnetzwerk beteili-gen, gibt den Designern immer neue Anregungen. Daneben ist das Kon-zept Design Studio München eng mit den weiteren Designstudios von Audi vernetzt.

Mittendrin: Meetings finden mitten im Büroraum statt, separate Besprechungsräume sind nichts für Kreativität, da sind sich Wolfgang Egger und Eckart Maise einig.

Zweisamkeit: Die besten Ideen entstehen durch Dialog.

Transparenz: Ein Blick nach draußen auf die Straße durch die Schau fensterscheibe inspiriert.

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Das Leben verändert sich, die Umwelt verändert sich, die Städte wachsen und es entstehen neue Formen der Mobilität. Das hat Einfluss auf unsere emotionalen Bedürf-nisse und damit auf das Design von morgen. Wolfgang Egger

Was ist die größte Herausforderung für das Automobildesign in der Zukunft?Egger: Mit neuen Antriebstechniken umzugehen, bedeutet eine enorm große

Veränderung. Auch für das Design. Viele technische Vorgaben lösen sich auf und werden neu definiert. Stellen Sie sich vor, dass der Motorraum aufgelöst wird oder der Mitteltunnel im Interieur keine technische Bedeutung mehr hat. Dadurch bekommen wir Designer ganz neue Gestaltungsparameter. Was allerdings bei aller Veränderung bleibt, ist die Emotion, die sich durch ein Design ausdrückt. Die Aufgabe für uns Designer ist es, die automobile Emo tion in die Zukunft zu tragen, denn unser ästhetisches Grundverständnis bleibt be-stehen. Das ist auch die Herausforderung, die die Gesellschaft in Zukunft an uns Designer stellt. Das Leben verändert sich, die Umwelt verändert sich, die Städte wachsen, und es entstehen neue Formen der Mobilität. Das hat Einfluss auf unsere emotionalen Bedürf-nisse und damit auf das Design von morgen.

Sind die Umbrüche in der Möbelindustrie und bei Vitra weniger gravierend? Maise: Die Welt verändert sich ständig, und natürlich hat das auch Aus wir-

kungen auf die Welt des Arbeitens und des Wohnens. Die Veränderungen im Bereich des Arbeitens sind sehr stark. Eine gewisse Hybridisierung des Wohnens und Arbeitens spielt zunehmend eine Rolle. Das Wohnliche dringt in die Büros vor. Wir sprachen darüber, dass auch beim Designatelier von Audi genau dieser Wunsch am Ausgangspunkt der Umge-staltung stand. Wichtig ist es, bei diesen Projekten die richtige Balance zwischen Pro duk-tivität und Wohlfühlen zu finden.

Können unter heutigen Bedingungen noch Klassiker entstehen?Maise: Kein Eames-Stuhl ist als Klassiker geboren. Dazu gehören das sehr gute

Design, aber auch die Funktion und andere Aspekte, die dazu beitragen, dass wir ihn als Teil unserer Kultur begreifen. Da gibt es auch bei den Autos viele Beispiele. Klassiker kön-nen zu jeder Zeit entstehen, wenn die Qualität da ist und es eine Innovation gibt.

Egger: Aber natürlich entstehen heute noch Klassiker, auch in der Auto mobil-industrie. Ich denke da zum Beispiel an unseren R8. Er hat sicherlich das Potenzial, in zehn, zwanzig und dreißig Jahren noch hochattraktiv und emotional zu sein.

Gibt es Schnittmengen zwischen Audi Design und Vitra, direkte Möglichkeiten der Kooperation, etwa beim Thema Sitzen im Auto?Maise: Ich glaube, es gibt sehr viele Berührungspunkte und Überschneidungen

im Bereich von Emotionalität, von Materialität, von Ästhetik, von der Liebe zum Detail, von der Handwerkskunst. Das ist doch eine ganze Menge, oder?

Egger: Genau! Besonders wichtig ist der Austausch zwischen unseren beiden Designdisziplinen. Das Ergebnis unserer Zusammenarbeit wird sich nicht konkret in Form eines Sitzes im Auto wiederfinden. Wir wollen nichts einfach eins zu eins übertragen. Aber der Austausch von Kreativen unterschiedlicher Disziplinen – siehe Bauhaus – kann zu einer neuen Avantgarde führen.

Maßanzug: Produktdesign mit dem Maß von Audi.

Kindertraum: „Wir Designer haben das Glück, Kreativität aus-leben zu dürfen“, erklärt Egger.

Detailgetreu: Die richtige Lichtsituation schärft den Blick für Formen und Linien.

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Skills. 72 Kunst-Flug 82 Magazin 86 Non Plus ultra 92 Schalt-Zentrale 94 Autonome Bewegung 100 Net gemacht 106 AC/DC 112 Watt Ihr Volt 118 Im Zweivierteltakt 120 Magazin

Skills Zu den großen Stärken von Audi gehört das Können jedes einzelnen Mitarbeiters. Es legt die Basis für Perfektion und Innovation.

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Kunst- Gewichtsreduzierung beim Audi A3 Der neue A3 wiegt je nach Motorisierung bis zu 80 Kilogramm weniger als sein Vorgänger. Audi treibt den ultra-Leichtbau in der Serie mit hohem Aufwand voran.

Kotflügel Wie die Motorhaube sind die Kotflügel aus Aluminium gefertigt. Pro Stück spart das 1,1 Kilogramm Gewicht, das sind 50 Prozent. Bei der Haube sind es 7,0 Kilogramm.

1,1 kg

Flug

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Schwenklager Vorderachse Bei den A3-Varianten ab 110 kW (150 PS) bestehen die Schwenklager aus Aluminium. Pro Stück wiegen sie 2,4 Kilogramm. Mit 4,6 Kilogramm gemeinsamem Mindergewicht gleichen sie das Mehrgewicht der größer dimensonierten Bremsen aus.

18-Zoll-Räder Die großen Räder für den A3 entstehen in der sogenannten Flowforming-Technik. Das Felgenbett wird unter hohem Druck und bei hoher Temperatur über einem Zylinder ausgewalzt.

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Zu den Maßnahmen, die für die Ruhe an Bord des neuen Audi A3 sorgen, gehören die Radlaufschalen aus akustisch däm-mendem Vlies-Werkstoff; sie sind um 0,5 Kilogramm leichter ge-worden. Das Formteil, das zwischen dem Innenraumboden und dem Bodenteppich liegt, wiegt lediglich 3,9 Kilogramm.

Ein großer Gewichtsfaktor im neuen A3 sind die Mo to-ren. Der 1.8 TFSI, der den Dreitürer mit 132 kW (180 PS) und 250 Nm antreibt, wiegt nur wenig mehr als 140 Kilogramm; die Dünn-wand-Technik, in der das Kurbelgehäuse gegossen wird, bringt 2,4 Kilogramm Ersparnis. Beim neuen 2.0 TDI verringert die Mon tage der Ausgleichswellen im Motorblock das Gewicht um 3,0 Kilo-gramm, modifizierte Schalldämpfer im Abgasstrang steuern wei-tere 2,0 Kilogramm bei. Bei allen Motorisierungen hat die Abgas-an lage an Gewicht verloren.

Beim neuen 1.4 TFSI mit 90 kW (122 PS) bleibt der Zei ger der Waage sogar schon bei 107 Kilogramm stehen – 21 Kilo-gramm weniger als beim Vorgängermotor. Mit 18 statt 33 Kilo-gramm hat das neue Aluminium-Kurbelgehäuse den größten Anteil an dieser Diät. Zahlreiche Details – etwa die Aluminium-Kolben, die schlanken Ventile, die hohl gebohrten Pleuellagerzapfen, die ge-wichtsoptimierte Kurbelwelle und der kompakte Ladeluftkühler – runden das Gesamtbild ab.

Auch beim Fahrwerk des neuen Audi A3 sparten die Entwickler stattliche Beträge ein. Der Vorderachs-Hilfsrahmen, der auch den Motor und das Getriebe abstützt, ist in einem Stück aus Aluminium gegossen – dadurch wiegt er nur noch 8,6 Kilogramm, 1,5 Kilogramm weniger als sein dreiteiliger Vorgänger. Beim 1.8 TFSI und beim 2.0 TDI bestehen die Schwenklager an der Vorder-achse ebenfalls aus Aluminium, zusammen bringen sie mit 4,8 Kilogramm nur noch rund halb so viel Gewicht auf die Waage wie die Stahlguss-Bauteile beim Vorgängermodell.

Die optionalen 18-Zoll-Leichtmetallräder sind nicht schwerer als die 17-Zöller; sie entstehen in der aufwendigen Flow-forming-Technik. Das Felgenbett wird unter hohem Druck und bei hoher Temperatur über einem Zylinder ausgewalzt; dabei verfes-tigt sich das Material, was eine geringere Wandstärke erlaubt. Die neuen 18-Zoll-Räder sind fester als beim Vorgängermodell und wiegen dabei nur jeweils 11,6 Kilogramm.

Viele Jahre lang hat sich das Fahrzeug ge-wicht in der Automobilindustrie fast nur in

eine Richtung entwickelt: nach oben. Audi jedoch ist es gelungen, die Gewichtsspirale zu durchbrechen, beim ersten A8 und bei den aktuellen A6- und TT-Modellen. Der neue A3 führt diese Linie fort: Er wiegt in der Basismotorisierung mit dem 1.4 TFSI 80 Kilo gramm weniger als sein Vorgänger, deutlich unter 1,2 Tonnen.

Diese Leistung ist zum einen wegen des kompakten Fahr zeugformats so bemerkenswert, zum anderen durch den Um-stand, dass der neue A3 seinen Vorgänger in allen Kriterien über-trifft – er ist noch sportlicher, noch sicherer und noch besser aus-gestattet. Viele seiner Konstruktionsprinzipien und Einzelbauteile basieren auf dem neuen Modularen Querbaukasten* des Konzerns, der große technische und finanzielle Spielräume für den ultra-Leichtbau bereithält.

Das ultra-Leichtbauprinzip ist keine Pflichtaufgabe für die Ingenieure, sondern eine Geisteshaltung. Die Entwickler von Audi betrachten immer das gesamte Fahrzeug, und dabei zählt jedes Gramm in jedem Bereich. Viele Verkleidungen im Innenraum beispielsweise sind jetzt mit Spreiznieten aus Kunststoff befestigt; jede von ihnen spart 4 Gramm Gewicht gegenüber den Stahl schrau-ben im Vorgängermodell.

Eine neue Anordnung der Steuergeräte macht eine Rei-he von Verkabelungen überflüssig, das Gewicht sinkt dadurch um 1,5 Kilogramm. Die Klimaanlage nahm um 4,0 Kilogramm ab, der Ge bläsemotor kommt mit weniger Wicklungen aus. Das Gehäuse des Beifahrerairbags besteht aus Kunststoff und der Rahmen des MMI-Monitors aus Magnesium – beide Komponenten verloren zu-sam men 0,6 Kilogramm Gewicht. Die neu entwickelten Sitze sind 4,0 Kilo gramm leichter als die alten; im Rahmen der Rücksitzbank lösen Einleger aus Kunststoff den bisher verwendeten Stahldraht ab.

TextJohannes Köbler

Fotos Myrzik und Jarisch

Hilfsrahmen Vorderachse Das große Teil, das auch den Motor und die Vorderachse abstützt, ist in einem Stück gegossen. Dadurch spart es gegenüber dem Vorgängermodell 1,5 Kilogramm Gewicht ein.

Die Werkstoffe in der Rohkarosserie des neuen Audi A3

Motorhaube, Kotflügel und Quer träger im Heck aus Aluminiumblech

Crash-Manage ment-System aus Aluminiumprofil

Längsträger, Bodenquerträger, Schweller und C-Säulen aus moder nem hochfestem Stahl

A-Säulen, B-Säulenwurzeln, Bodenbleche und Gepäckraumboden aus hochfestem Stahl

Wichtige Bereiche der Passagierzelle aus formgehärtetem Stahl

Seitenwandrahmen, Türbleche und Gepäckraumklappe aus tiefgezogenem Stahl

Intelligenter Materialmix: Die Karosserie des neuen A3 besteht aus unterschiedlichen Materialien und Halbzeugen.

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* siehe Glossar, S. 168 –169

8,6 kg

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Page 40: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Crash-Management-System Das Crash-Management-System im Fahrzeugbug, das bei einem Aufprall die Kräfte verteilt, besteht komplett aus Aluminium-Strangpressprofilen. Auf diese Weise ist es 1,4 Kilogramm leichter geworden.

3,8 kg

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Page 41: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Im Presswerk und im Karosseriebau bedeuten die Um-formung der Aluminiumkomponenten und ihre Verbindung mit den Stahlteilen anspruchsvolle Aufgaben. Das Gleiche gilt für die formgehärteten Komponenten, die korrosionshemmende Beschich- tungen aus einer Aluminium-Silizium-Legierung tragen. Audi profi-tiert hier von seinem Know-how im ultra-Leichtbau – bei Modellen wie dem TT sind die progressiven Fügetechniken bereits seit Jahren erprobt. Im Karosseriebau des neuen A3 sind ganz unterschiedliche Verbindungstechnologien im Einsatz, darunter auch Kleben, Clin-chen und Stanznieten.

Zwischen der Seitenwand und dem Dach des Audi A3, die beide aus Stahl bestehen, stellt eine plasmatrongelötete* Naht die Verbindung her, die erlaubte Toleranz beschränkt sich auf weni-ge Zehntelmillimeter. Die fertige Naht wird mit Bürsten geglättet – die „Nullfuge“ ist praktisch unsichtbar. Im Gegensatz zum Vor-gängermodell werden die Türen und Fensterrahmen in einem Stück gepresst, auch das spart Gewicht.

Der ultra-Leichtbau ist seit vielen Jahren eine der Kern-kompetenzen von Audi. Die Marke will den Vorsprung, den sie hier im weltweiten Wettbewerb besitzt, weiter ausbauen. In Zukunft wird jedes neue Audi-Modell leichter sein als sein Vorgänger. Der neue A3 weist den Weg.

Das größte Einzelbauteil an jedem Auto ist die Karos-serie, sie bietet besonders hohe Gewichtspotenziale. Nach dem Motto „Das richtige Material am richtigen Ort für die optimale Funk-tion“ entstand für den neuen A3 eine Stahlzelle in Multi ma te rial-Bau weise, die 25 Kilogramm leichter ist als beim Vorgänger modell. Formgehärtete Stähle bilden ihr Rückgrat; vor dem Um formen wer-den sie in einem Durchlaufofen auf fast 1.000 Grad Cel sius erhitzt und direkt danach im wassergekühlten Press werk zeug auf rund 200 Grad abgeschreckt. Dieser Temperatursprung erzeugt ein Eisen- Kohlenstoff-Gefüge von extrem hoher Festigkeit – die form-gehärteten Stähle kommen mit geringen Wandstärken aus und wiegen 18 Kilogramm weniger als herkömmliche Bauteile.

Die formgehärteten Stähle sind im Übergang des Vor-der wagens zur Passagierzelle, bei den A-Säulen, den B-Säulen, den Dachbögen, dem Mitteltunnel, den Seitenschwellern und im Bo-den blech im Einsatz; gemeinsam nehmen sie 26 Prozent Anteil an der Fahrgastzelle ein. Ein sogenanntes „tailored rolled blank“ bil-det den Übergang vom Boden zum Hinterwagen, seine elf Seg-mente sind in fünf unterschiedlichen Dicken ausgewalzt.

In vielen weiteren Karosseriebereichen, etwa im Boden der Passagierzelle, sind hoch- und höchstfeste Stahlqualitäten im Einsatz. Im Vorderwagen bestehen die Motorhaube und die Kot-flügel aus Aluminium – die Haube wurde dadurch 7,0 Kilogramm leichter, bei den Kotflügeln beträgt die Ersparnis je 1,1 Kilogramm, etwa 50 Prozent. Ein Aluminiumprofil hinter der Bugschürze dient als Crash-Management-System, es wiegt 3,8 Kilogramm und spart 1,4 Kilogramm ein. Die massive Gewichtsreduzierung im Vorder-wa gen führt zu einer fein austarierten Achslast-Balance. Ihr Re-sultat ist das sportlich-ausgewogene Handling, mit dem der neue A3 überzeugt.

Motor und Fahrwerk Einsparung

1.4 TFSI mit integriertem Abgaskrümmer 21,0 kg

Modifizierte Schalldämpfer 2,0 kg

Vorderachs-Schwenklager aus Aluminium 4,6 kg

Vorderachs-Hilfsrahmen aus Aluminium 1,5 kg

Karosserie Einsparung

Formgehärtete Stähle in der Fahrgastzelle 18,0 kg

Weitere Maßnahmen in der Fahrgastzelle 7,0 kg

Motorhaube aus Aluminium 7,0 kg

Vorderkotflügel aus Aluminium 2,2 kg

Crash-Management-System aus Aluminium 1,4 kg

Innenraum Einsparung

Radhausschalen aus Vlies-Werkstoff 0,5 kg

Sitzanlage 4,0 kg

Klimaanlage 4,0 kg

Steuergeräte und Verkabelung 1,5 kg

Anbindung Mittelarmlehne aus Magnesium 1,2 kg

Dazu weitere Maßnahmen

Wie die Fotos entstanden

Audi A3 1.4 TFSI: Vergleich mit dem Vorgängermodell

Flugstunden: Die Leichtbauteile aus dem Audi A3 sind nicht etwa per Bildbearbeitungs-programm an den Sommerhimmel über Ingolstadt gezaubert worden. Sie sind für die Fotos tatsächlich geflogen – mit kräftiger Hilfe durch die Fotoassistentin.

Die leichte Kunst Mit weniger als 1,2 Tonnen Basisgewicht setzt der A3 einen neuen Meilenstein im ultra-Leichtbau von Audi.

* siehe Glossar, S. 168 –169

–80 kg

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Page 42: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

OLEDOLED

Magazin Nur wer über den Tellerrand schaut, kann den eigenen Vorsprung bewerten und ausbauen. Technologie-News aus aller Welt.

Dem Hochwasser entwischt

Weitere Informationen:www.uni-hannover.de

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2Ein Blinzeln genügt – und schon erscheinen

die gewünschten Informationen auf der OLED-Daten-brille*. Dabei kann der Nutzer auf Informationen aus der realen wie auch der virtuellen Welt zugreifen.

Das Herzstück der neuen Technik ist ein bi-direktionales Mikrodisplay. Es ist Bildschirm und Ka-mera zugleich und besteht aus Photodetektoren und organischen Leuchtpixeln (OLEDs), die sich in einer fest-gelegten Struktur ineinander fügen. Dadurch kann es nicht nur Bilder wiedergeben, sondern auch aufneh-men. Somit kann die komplette Bedienung über die Augen gesteuert werden. Das Mikrodisplay erfasst die Blick richtung des Nutzers sehr exakt und gibt sie an die jeweilige interaktive Anwendung weiter. Mit dem An vi-sieren einer virtuellen Taste kann der Nutzer beispiels-weise eine Auswahl darüber treffen, was in seinem Sicht-feld erscheinen soll.

Die Kombination von Kamera und Anzeige macht die Brille kompakt und handlich. Die Forscher vom Fraunhofer COMEDD (Center for Organic Materials and Electronic Devices Dresden) können sich sogar vor-stellen, die Technologie in einer konventionellen Son-nenbrille zu integrieren.

Auf Augenhöhe

Weitere Informationen:www.fraunhofer.de

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Bei Wind und Wetter

Weitere Informationen:www.htwk-leipzig.de

Nie mehr Reifen wechseln! Denn der „adap-tive Reifen“ einer Forschergruppe der HTWK Leipzig soll sich automatisch der Witterung und dem Untergrund anpassen. Die Idee: Je nach Fahrsituation ändert er seine Profilrillen.

Ziel der Wissenschaftler ist es, Ver schleiß, Geräuschentwicklung sowie Benzin verbrauch und Si-cher heit zu optimieren. Deshalb sind sie dabei, eine Regeleinheit in den Reifen zu integrieren, die form-ändernde Komponenten selbstständig nach Bedarf steuert. So sind die Profilrillen des Reifens einzeln be-weglich und können sich der Fahrsituation anpassen. Derzeit arbeiten die Forscher mit Dehnstoff- und Piezo-Keramik-Aktuatoren sowie mit Formgedächtnis legie-rungen und Smart Materials.

Anpassung während der Fahrt: Die Profilrillen des Reifens können sich bewegen.

Mobile Messstation: Sensoren in den Scheibenwischern messen den Niederschlag.

Intelligente Datenbrille: Das Mikrodisplay aus OLEDs und Photodetektoren erkennt die Blickrichtung.

Scheibenwischer, die nebenbei als mobile Wetterstationen dienen, stehen im Fokus des Projektes RainCars an der Universität Hannover. Die Wissen schaft-ler wollen so drohende Überschwemmungen durch starke Regenfälle schneller und exakter orten. Dabei dienen die Scheibenwischer von Autos als In dikator für den Niederschlag. Neben der Wischfre quenz, über die die Regenmenge ermittelt wird, untersuchen die For-scher, ob auch optische Sensoren eingesetzt werden können.

Demnächst starten zehn Taxis aus Hannover in einem Feldversuch. Die ermittelten Daten werden dann mit Messungen stationärer Regensensoren und dem Regenradar abgeglichen.

* siehe Glossar, S. 168 –169Dialoge Technologie83Dialoge Technologie82

Page 43: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

2xsolarsolar

Auszeichnungen für Dialoge

Mit zwei renommierten Preisen wurde Dia­loge – das Audi­Technologiemagazin in den vergan-genen Wochen ausgezeichnet. Für seine hohe Design-qualität erhielt das Magazin den red dot award: com-munication design. Mit dem Best Corporate Publishing Award 2012 in Gold wurde Dialoge als „ein perfekter Imageträger, der neue Ideen und Technologien aus der Welt der Mobilität präsentiert“, wie es in der Begrün-dung der Jury heißt.

Weitere Informationen:www.dialoge.audi.de

Energietransport über die Straße: Die Module derSolar Roadways produzieren Strom.

Aus dem Untergrund

Die Straße als Energiequelle – an dieser Vi-sion arbeiten amerikanische Forscher mit verschie-denen Konzepten. Eine Idee sind die Solar Roadways, die mithilfe von Sonnenlicht erneuerbare Energien er-zeugen und mit diesem Strom sogar die Reichweite von Elektro autos verlängern könnten.

Ein erster Prototyp für ein Modul des Stra-ßenbelags ist bereits fertiggestellt. Es ist drei mal drei Meter groß und besteht aus einer sehr harten Glas-oberfläche. Im Inneren liegen Solarzellen, LEDs für die Straßenbeleuchtung und zum Einblenden von Ver kehrs-zeichen, eine Heizung sowie Mikroprozessoren. Im Herbst diesen Jahres will der Entwickler den Proto typ einer Parklücke realisieren.

Ein weiteres Projekt, das ebenfalls die Stra-ße zur Energieübertragung nutzt, verfolgt ein For scher-team an der Standford Universität. Über magnetische Resonanz soll der elektrische Strom drahtlos auf die Elektroautos übertragen werden – auch während der Fahrt. Dafür wollen die Forscher zwei Kupferspulen in die Straße einbauen, die auf der gleichen Frequenz schwingen. Eine davon wird an eine Stromquelle ange-schlossen und erzeugt ein magnetisches Feld, das die zweite Spule zum Schwin gen bringt. Dadurch kann die elektrische Energie vom Sender auf den Empfänger übertragen werden.

In der Computersimulation kann das Sys-tem bereits 10 Kilowatt über eine Entfernung von zwei Me tern übertragen. Für einen Feldversuch soll eine große Anzahl an Spulen in den Asphalt eingebaut wer-den. Die Empfängerspulen befänden sich am Unter-grund des Autos und könnten während der Fahrt konti-nuierlich die Batterie aufladen.

10Ein Häufchen Sand, das die Form eines Ob-

jekts erkennt und sich selbst zu einem Duplikat formt? Das klingt noch sehr nach Science-Fiction, doch auch hier sind die ersten Forschungsschritte schon gemacht: Die nötige Technologie haben Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT)* mit Wür-feln getestet. Die rund zehn Millimeter großen Quader enthalten einen Mikroprozessor und sind mit Spezial-magneten an den Wänden ausgestattet. Da durch kön-nen sie aneinander andocken, Botschaften austauschen und einfache Rechenarbeit leisten.

In Zukunft soll die Technik auf Sand über-tragen werden. Die einzelnen Körner sollen erkennen, welche Nachbarn sie haben und wo ein Element fehlt und so die Form eines Objekts analysieren. Im finalen Schritt könnten sich die Sandkörner dann selbstständig zum Duplikat eines Gegenstands formen.

Mit Sand bauen

Weitere Informationen:www.web.mit.edu

Rechenarbeit: Die zehn Millimeter großen Würfel können Duplikate bilden.

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Bildquelle: Solar Roadways

* siehe Glossar, S. 168 –169

Weitere Informationen:www.solarroadways.com

Weitere Informationen:www.stanford.edu

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Page 44: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Audi TT evo plus Bei der Technikstudie TT evo plus treibt Audi den ultra-Leichtbau an die Grenzen des Möglichen. Die Karosserie besteht aus CFK, Aluminium und Magnesium, das Coupé wiegt weniger als 1.000 Kilogramm.

Non Plus ultra

86 Dialoge Technologie

Page 45: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Der Technikträger TT evo plus, von dem im Audi Leicht-bauzentrum* und im Vorseriencenter (VSC) Neckarsulm vorerst zwei Exemplare entstehen, treibt dieses Prinzip ins Extrem – durch hohen Aufwand in allen Baugruppen und durch eine große gemein-same Anstrengung aller am Projekt Beteiligten. „Allein aus der Karosserie, die in der Serie nur 206 Kilogramm wiegt, haben wir noch einmal 43 Kilogramm Gewicht herausgenommen“, erläutert Entwicklungsingenieur Thomas Milde voller Enthusiasmus. „Wir haben die Stahl-Bauteile im Heck zum großen Teil durch Aluminium ersetzt und uns in vielen Bereichen für CFK* entschieden.“

Aus CFK, aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, bestehen das Dach, die B-Säulen, der Mitteltunnel und der hintere Bodenbereich; CFK-Anbauteile wie die Heckklappe, die vorderen Kot flügel, die Türen und die Bugkapsel bringen weitere 38 Kilo-gramm Ersparnis. Bei den CFK-Komponenten im Innenraum – den Ver klei dungen von Türen und Seitenteilen etwa oder der Ab de -ckung über den Instrumenten – summiert sich der Einspareffekt auf gut 13 Kilogramm.

„Der TT evo plus ist für uns auch deshalb so spannend, weil wir mit ihm Technologien im ultra-Leichtbau erproben, die wir bald in die Serie einführen wollen“, erklärt Heinz Hollerweger, Lei-ter Entwicklung Gesamtfahrzeug AUDI AG. Der hintere Bereich des CFK-Gepäckraumbodens etwa hat eine wellenförmige Struktur – die sogenannten OLAS-Wellen (OLAS: oscillating laminated absor-b ing structures) bauen bei einem Crash in hohem Maße Energie ab. Viele Kabel und Verkleidungsteile sind an Klebebolzen befestigt; eine Kunststoffschicht schafft eine hochfeste Verbindung mit dem CFK, wenn sie für einige Sekunden erhitzt wird. Als Verbindung zwi schen den CFK- und den Aluminiumteilen dienen ein technischer Kleber und Nieten.

Wer einen erfolgreichen Sprint hinlegen will, braucht eine gute Startposition – beim

TT evo plus von Audi ist dies der Fall. Schon als Serienauto ist das kompakte Coupé dank seiner vielen Aluminium-Komponenten un-ge wöhnlich leicht, als 2.0 TFSI wiegt es leer nur 1.280 Kilogramm. „Und bei unserem neuen Technikträger sind es weniger als 1.000 Kilo gramm“, erklärt Peter Fromm, Leiter Entwicklung Aufbau AUDI AG. „Der TT evo plus ist unsere neue Speerspitze im ultra-Leichtbau.“

Audi führt den Wettbewerb beim Leichtbau an. 1994 de bütierte der erste A8 mit seiner Aluminiumkarosserie in der re-volutionären ASF-Bauweise (Audi Space Frame)*, und seitdem hat die Marke ihren Vorsprung immer weiter ausgebaut. Der jüngste große Schritt ist der Multimaterial Space Frame, der unterschied-liche Materialien miteinander kombiniert – nach dem klassischen Audi-Motto „Das richtige Material am richtigen Ort für die optimale Funktion.“

Die B-Säulen im TT evo plus stehen für eine besonders innovative Variante der CFK-Produktionstechnik: Im Stil der Renn-wagen aus der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) sind sie um einen Schaumkern herum als Hohlstrukturen aufgebaut, ihre mitt-lere Wandstärke beträgt nur 1,3 Millimeter. Die Scharnier aufnah-men für die Heckklappe, die Eck-Aussteifung des Mittel tunnels und die Bleche im oberen Boden bestehen aus Magnesium in verschie-denen Halbzeugen wie Blech und Guss. Das ultra-leichte Metall spart gegenüber Aluminium noch einmal bis zu 15 Prozent Gewicht.

Und welchen Nutzen bringt der Aufwand? Projektleiter Ralph Schünemann umreißt die erwarteten Eckdaten des Tech no-logieträgers im Vergleich mit dem Serienauto: „Der TT evo plus ver braucht auf 100 Kilometer im NEFZ-Zyklus etwa 20 Prozent weniger, und er beschleunigt in weniger als sechs Sekunden von null auf 100 km/h – beides Ergebnisse des ultra-Leichtbaus und der erhöhten Leistungsausbeute des Motors. Wir haben ihn um 25 Kilo-gramm leichter gemacht, beim Block etwa, bei der Kurbelwelle, beim Schwungrad, bei den Schrauben und bei den Nebenaggre-gaten. Und die Abgasanlage besteht aus ultra-leichtem Titan, sie spart 14 Kilogramm Gewicht.“

Schünemann freut sich schon auf den Tag, an dem er den TT evo plus zum ersten Mal auf der Teststrecke fahren kann. „Das Handling wird sehr sportlich sein. Im Fahrwerk verwenden wir Einrohr-Dämpfer aus Aluminium und neue Federn aus glasfaser-verstärktem Kunststoff, mit denen wir bald in Serie gehen. An der Vorderachse nutzen wir eine leichte Bremsanlage mit Aluminium-Festsätteln. Der Stabilisator ist aus CFK, zusammen mit den Brem-sen bringt er uns 13 Kilogramm Ersparnis. Und die geschmiedeten 18-Zoll-Räder, die ein spezielles ultra-Design tragen, wiegen pro Stück gerade mal 6,4 Kilogramm.“

TextJohannes Köbler

Fotos Myrzik und Jarisch

Neue Technologie: Eine Kunststoff- schicht ver bindet die Klebebolzen fest mit dem CFK-Material. Innovation in der Konstruktion: Der hintere Teil des Gepäckraumbodens hat ein wellenförmiges Profil. ultra-leicht: Das Dach des Audi TT evo plus besteht aus kohlenstoff- faserverstärktem Kunststoff. Neue Produktionstechnik: Die B-Säulen der Technikstudie sind um einen Schaumkern herum aufgebaut.

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Kilogramm beträgt die Gewichtsersparnis allein in der Karosserie des TT evo plus gegenüber der Serie.

43* siehe Glossar, S. 168 –16988 Dialoge Technologie 89 Dialoge Technologie

Page 46: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

„In der Montage stecken rund 500 Arbeitsstunden“, rechnet Uhl vor, „in der Paradedisziplin Karosseriebau sind es wei-tere 800 Stunden. Und das Material hat natürlich auch seinen Preis, bei den Karosserie-Werkzeugen kommen schnell ein paar Euro zu-sammen. Einige Bleche sind über Negativformen von Hand geklopft, mit einem handwerklichen Können, das unsere Kollegen im VSC perfekt beherrschen.“

Wenn der TT evo plus fertig ist, wird er jeden Cent wert sein. Peter Fromm, Leiter Entwicklung Aufbau AUDI AG, umreißt die Bedeutung des Technikträgers mit zwei Sätzen: „Das Gewicht von weniger als 1.000 Kilogramm ist ein Statement, auf das wir stolz sind, weil es die Führungsrolle von Audi im Leichtbau ein-drucks voll unter Beweis stellt. Das ultra-Leichtbauprinzip bedeutet für uns, immer wieder an die Grenzen des Machbaren zu gehen, um sie mit unserem starken Team jedes Mal wieder ein Stück weiter zu verschieben.“

Im Vorderwagen des Showcars steckt bereits die Tech-nik des nächsten TT – die großen Aggregate kommen aus dem Mo-dularen Querbaukasten (MQB)* des Konzerns. Der Motor ist nach hinten geneigt eingebaut, die Vorderachse mit der Lenkung wan-derte sieben Zentimeter nach vorn. Schünemann: „Wir haben viel Gewicht von den Enden des Autos weggenommen und in seine Mitte verlegt, dadurch wird der TT evo plus noch agiler. Die Starter-batterie beispielsweise sitzt im Innenraum vor der Hinterachse, sie ist in Lithium-Ionen-Technik aufgebaut. Sie ist viel kleiner als ein Blei-Akku und wiegt nur knapp vier Kilogramm.“

„Der TT evo plus ist ein dynamisches Auto. Aber er ver-langt vom Fahrer keinerlei Verzicht, abgesehen von der fehlenden Rücksitzbank, an deren Stelle wir ein versteifendes Querrohr mit einem Trennnetz montieren“, sagt Jochen Uhl, Aufbausteuerer und Koordinator für Konzept- und Sonderfahrzeuge im VSC Neckarsulm. Uhls Team komplettiert die Karosserie zum fertigen Auto – in ein optisch dezentes Coupé in unschuldigem Weiß mit einem Interieur ganz im feinen Stil von Audi. Tief glänzendes Sicht-CFK kontrastiert mit schwarzen Alcantara-Bezügen; die Rücken der leichten Renn-schalensitze bestehen ebenfalls aus CFK. Klimaanlage und elek-trische Fensterheber sind mit an Bord.

Das Technik-Puzzle, das das VSC-Team zusammensetzt, umfasst mehrere tausend Teile, von den großen Komponenten wie Motor und Getriebe bis hin zu den kleinsten Schrauben und Ste-ckern. Der Zusammenbau verlangt Präzision und Experten wissen. Wie bringt man das neue Motorsteuergerät aus dem MQB dazu, fehlerfrei mit der Elektronik aus dem heutigen TT zu kommunizie-ren? Sind die Clips-Punkte der neuen Seitenverkleidungen richtig gesetzt? Entspricht das Gewicht der Hinterachse der Vorgabe aufs Gramm genau?

Der Innenraum: Die Spezialisten im Vorseriencenter Neckarsulm komplettieren den TT evo plus. Die Fahrertür: Elektrische Fensterheber und Lautspre-cher sind bei der Technikstudie mit an Bord.

Das Gewicht von weniger als 1.000 Kilogramm ist ein Statement, auf das wir stolz sind. Peter Fromm

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Kilogramm Gewichtseinsparung bringen die CFK-Teile im Innenraum.

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Erleben Sie den Aufbau des TT evo plus im Video!www.dialoge.audi.de

* siehe Glossar, S. 168 –16990 Dialoge Technologie 91 Dialoge Technologie

Page 47: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Schalt-Zentrale

Auch auf dem Technikfeld Kraftübertragung treibt Audi den Fortschritt permanent vo-

ran. Für den überarbeiteten R8 steht die von Grund auf neu entwi-ckelte Siebengang S tronic bereit; sie ist beim V8 optional und beim V10 serienmäßig an Bord. Ihre Gänge sind sportlich-eng gestaffelt, doch die letzte Fahrstufe ist lang ausgelegt, was sich drehzahl-senkend und positiv auf den Verbrauch auswirkt: Das Doppel-kupplungs ge triebe reduziert ihn um bis zu 0,9 Liter pro 100 km, zu dem verkürzt es den Standardsprint mit seinen blitzschnellen Schaltvor gängen um drei Zehntelsekunden. Der neue R8 V10 plus schießt sich in 3,5 Sekun den von null auf 100 km/h, sein Topspeed beträgt 317 km/h.

Die neue Siebengang S tronic leitet die Kräfte des Mo-tors über drei Wellen, eine doppelte Antriebswelle und zwei Ab-triebs wellen – ein Layout, das eine sehr kompakte Bauweise ermög-licht. Zwei hintereinander liegende Lamellenkupplungen bedienen zwei voneinander unabhängige Teilgetriebe. Die Kupplung K1 schickt das Drehmoment über eine Vollwelle auf die Zahnräder der Gänge 1, 3, 5 und 7. Um die Vollwelle herum rotiert eine Hohlwelle. Sie ist mit der Kupplung K2 verbunden und wirkt auf die Zahnräder der Gänge 2, 4 und 6 sowie auf den Rückwärtsgang.

Die beiden Teilgetriebe sind permanent aktiv, aber nur eines ist mit dem Motor verbunden. Wenn der Fahrer beispielswei-se im dritten Gang beschleunigt, ist im zweiten Teilgetriebe der vierte Gang bereits eingelegt. Der Schaltvorgang erfolgt durch das Wechseln der Kupplungen – K1 öffnet, K2 schließt. Er läuft so dy-namisch, fließend und komfortabel ab, dass er kaum zu bemerken ist; er dauert nur wenige Hundertstelsekun den und vollzieht sich fast ohne Unterbrechung der Zugkraft.

Der Fahrer kann die Gänge über den Wählhebel oder über Wippen am Lenkrad selbst wechseln, hier ist die Gangart dezi-diert sportlich. Alternativ steht eine vollautomatische Ebene mit den Programmen D und S bereit. Beim Start managt die Launch Con trol auf Tastendruck das Einrücken der Kupplung bei optimaler Drehzahl – so kommt die Power des Motors mit perfekt geregeltem Reifenschlupf auf die Straße. Und der Fahrer des R8 erlebt die Dy-na mik seines Hochleistungs-Sportwagens in ihrer unmittelbarsten Form.

TextJohannes Köbler

Illustration Steven Pope

3,51 Kupplung 1 2 Kupplung 2 3 Eingangswelle4 Abtriebswelle 1 5 Mechatronik 6 Differenzial7 Ausgangswelle zur Vorderachse, verbunden mit Abtriebswelle 2

In gerade mal 3,5 Sekunden schießt der Audi R8 V10 mit S tronic aus dem Stand auf 100 km/h.

Siebengang S tronic In seiner neuen Version ist der Audi R8 noch schneller – gerade beim Wechseln der Gänge. Die neue Siebengang S tronic schaltet praktisch ohne Zugkraftunterbrechung.

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Page 48: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Autonome Bewegung

Automatisch ins Parkhaus Einfach das Auto an der Schranke abstellen, um den Rest kümmert sich der Wagen wie von selbst. In einem Parkhaus in Ingolstadt testet Audi diese verlockende Vision bereits – mithilfe komplexer Elektronik.

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Page 49: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Stümper und sein Team forschen schon länger an den hochkomplexen Technologien. Im Parkhaus am Ingolstädter Nord-bahnhof laufen die praktischen Tests: An einem kleinen Tisch im ersten Stockwerk haben die Mitarbeiter mehrere Computer instal-liert und diskutieren akribisch über Sensorempfindlichkeiten, Pro-grammschleifen und Netzwerkverbindungen, während der Audi A7 Sportback unten an der Einfahrschranke auf seinen Einsatz war-tet. „Der Fahrer soll in Zukunft sein Auto im Eingangsbereich ab-stellen, aussteigen und das Einparkkommando über sein Smart-phone oder den Autoschlüssel erteilen können“, erklärt Stümper.

Dann greifen verschiedene Systeme ineinander: Im Park- haus ist ein zentrales Steuergerät installiert, das den Einpark vor-gang regelt. Über eine abgesicherte WLAN-Verbindung* nimmt es Kontakt mit dem Audi an der Einfahrt auf und fragt dessen wich-tigste Daten ab: etwa den Typ – und damit die Abmessungen – oder vom Kunden gewünschte Dienstleistungen wie beispielsweise das kabellose Laden, wenn es sich um ein Elektrofahrzeug handelt.

Während seiner fahrerlosen Fahrt ist das Auto – dank seiner Seriensensorik und einer zuvor durch das Parkhaus übermit-telten Karte – selbst in der Lage, seinen Standort zu bestimmen. Zugleich überwacht das Parkhaus den Vorgang mithilfe hochge-nauer Lidar-Lasersensoren. „Durch diese Lokalisierung wissen wir immer exakt, wo sich das Auto im Parkhaus befindet“, erklärt Stüm-per – eine entscheidende Voraussetzung für den störungsfreien Ablauf. Danach erfolgt die „Streckenplanung“: Der Rechner ermit-telt, wo der nächste geeignete Stellplatz liegt und sendet eine schematisierte Routenkarte an das Fahrzeug. „Dabei arbeiten wir tausendmal genauer als ein Navigationssystem. Die Route muss sehr exakt berechnet werden“, betont der Entwickler.

Langsam fährt der Audi A7 Sportback im neuen Parkhaus Nord in Ingolstadt die Auf-

fahrt hoch. Noch einmal um die Kurve herum, dann rollt das Auto auf die Parkebene 2 hinaus, an einer freien Lücke vorbei und stoppt. Rückwärtsgang, sauber gelenkt, in zwei oder drei Zügen rein in die Lücke. Schon steht das Auto passend. Alltägliche Szene? Könner am Steuer? Keineswegs. Denn am Lenkrad sitzt niemand. Völlig von alleine hat der Audi die Parklücke angesteuert und eingeparkt. Pilotiertes Parken* nennt das der Techniker, den Laien fasziniert schon der An blick des allein von der Elektronik gelenkten A7.

Autos, die sich ohne Zutun ihres Fahrers bewegen: Was wie Science-Fiction klingt, wird bei Audi Zug um Zug Realität. Neue Technologien zum pilotierten Parken sind aktuell in der Ent wick-lung, eines der aufwendigsten ist das Projekt Parkhauspilot. „Nicht jeder Mensch fühlt sich in einem Parkhaus wohl. In jedem Fall kos-tet es erheblich Zeit, dort einen Parkplatz zu suchen, das Auto ab-zustellen und später wieder abzuholen. Mit unserem Projekt un-terstützen wir den Fahrer bei dieser Aufgabe“, sagt Stefan Stümper, Projektleiter bei der Audi Electronics Venture (AEV)*, einem Audi-eigenen Thinktank. Der Parkhauspilot ist Teil des Inno vations feldes Audi connect, der vernetzten Mobilität. Hier sollen die Autos mehr und mehr Intelligenz bekommen, um die tägliche Bedienung und das Fahren komfortabler zu machen. Bearbeitet werden Ver kehrs-situationen, in denen der Fahrer nicht selbst lenken möchte – und vielleicht bald auch nicht mehr muss.

Geplant: In Zukunft könnten Parkhäuser dem Auto verfügbare Stellplätze per UMTS* schon bei der Anfahrt mitteilen.

Gestartet: Der Autofahrer soll sein Auto im Eingangsbereich abstellen, aussteigen und das Einparkkommando über sein Smartphone oder den Autoschlüssel mit einem Knopfdruck erteilen können.

Geortet: Über eine abgesicherte WLAN- Verbindung nimmt das zentrale Steuergerät im Parkhaus Kontakt mit dem Auto auf und sendet eine Routenkarte.

Projektleiter Stefan Stümper stellt den Audi A7 Sportback vor dem Parkhaus ab. Ein Knopfdruck auf das Smartphone, den Rest übernimmt das Auto.

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TextThomas Tacke

Fotos Myrzik und Jarisch

Parkplatzsuche Navigation

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* siehe Glossar, S. 168 –16997 Dialoge Technologie

Page 50: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Während der Audi A7 Sportback, gelenkt von der Elek-tronik, die ersten Meter hinter sich lässt, verfolgen die Entwickler weiter den Datenfluss. Die digitale Leitschnur steuert die elektro-mechanische Lenkung des Fahrzeugs: Entlang der geplanten Route rollt es mit einer Geschwindigkeit von fünf bis zehn Kilometern pro Stunde durch das Ingolstädter Parkhaus. Ein intelligenter Rechen-Algorithmus fügt alle Daten zu einem vollständigen Bild der Um-gebung zusammen und gleicht sie mit der Routenkarte ab. Droht beim Fahren oder Einparken ein Hindernis oder eine Kollision, bleibt der Audi sofort stehen. Das gilt übrigens auch, falls der Funk kon-takt zum Zentralrechner einmal abbrechen sollte. Sicherheit hat beim Projekt Parkhauspilot höchste Priorität.

Als der Audi A7 an einer Parklücke ankommt, übernimmt eine Weiterentwicklung des bereits in Serie angebotenen Parkassis-tenten das Einparken. Wie von Geisterhand fährt das Auto auf den freien Stellplatz und schaltet sich automatisch ab. Will der Fahrer seinen Wagen wieder abholen, weist er den Parkhaus-Rechner ein-fach per Smartphone an, das Auto wieder zur Ausfahrt zu schicken – falls er den Abholzeitpunkt nicht schon vorher festgelegt hat. Sein Audi rollt selbstständig zur Ausfahrt, und der Fahrer kann wie gewohnt einsteigen; die Parkgebühr wird automatisch abgebucht.

„Insgesamt ergibt sich bei diesem Ablauf eine wahre Flut an Daten. Die Herausforderung liegt vor allem im Zusammen-spiel aller nötigen Sensor- und Steuerungsmodule zu einem Ge-samtkonzept“, sagt Stümper. Aufgrund der enormen Herausfor-de rungen wird die Technologie intensiven Tests unterzogen, um unterschiedliche Szenarien kennenzulernen. Mehrmals stellt das AEV-Team während der Tests die Sensoren neu ein, ändert Para me-ter an den Rechnern und überprüft die Datenverbindung zwischen Parkhaus und Fahrzeug.

„Wir haben zwar schon große Erfolge erzielt, sind aber noch in einem frühen Stadium und einige Jahre entfernt von der Serienentwicklung“, sagt Bernhard Müller-Beßler, Koordinator bei der AEV für Fahrerassistenzsysteme in der Vorentwicklung. Das liege zum einen an der Technik mit all ihren Variablen, zum anderen aber auch an der Infrastruktur: „Eine flächendeckende Umsetzung und die entsprechende Ausstattung der Parkhäuser erfordert na-tür lich auch gesetzliche Rahmenbedingungen. Hier gibt es eine herstellerübergreifende Zusammenarbeit mit den Behörden.“ Zu klären ist auch die Haftungsfrage. Doch Stefan Stümper ist sich sicher: „Dieses Projekt hat ein riesiges Potenzial!“

Gesteuert: Die digitale Leitschnur steuert das Auto über dessen elektromechanische Lenkung zum Parkplatz.

Gelenkt: Eine Weiterentwicklung des bereits in Serie angebotenen Parkassistenten übernimmt das Einparken.

Geparkt: Mithilfe der komplexen Elektronik fährt das Auto schließlich von alleine in die Lücke und schaltet sich ab.

Im Parkhaus am Ingolstädter Nord- bahnhof testet das Team von der Audi Electronics Venture akribisch. Laser- sensoren überwachen die Bewegung des Autos.

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Navigation und Einparken

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Insgesamt ergibt sich bei diesem Ablauf eine wahre Flut an Daten. Die Herausforderung liegt vor allem im Zusam menspiel aller nötigen Sensor- und Steuerungsmodule zu einem Gesamtkonzept. Stefan Stümper

Begleiten Sie die Audi-Entwickler im Video!www.dialoge.audi.de

98 Dialoge Technologie

Page 51: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Rundum vernetzt Das Auto geht online. Audi vernetzt es mit seinem Besitzer, dem Internet, der Infrastruktur und künftig mit anderen Fahrzeugen. Die Audi IT ist dabei wesentlicher Bestandteil.

Netgemacht

Tankstopp: Listet die günstigsten Tankstellen am Ziel, an einem beliebigen Punkt oder in der Nähe des aktuellen Standorts auf.

myAudi: Über audi.com/myaudi kann der Fahrer einige Funktionen von Audi connect von zu Hause aus konfigurieren.

Audi Verkehrsinformationen online:Liefern ein genaues Bild, wie stark die Route belastet ist. Informationen von Hun-dertausenden Handys werden genutzt.

Audi music stream: Zugriff aufs Inter-netradio und die eigene Musikbiblio- thek im iPhone. Steuerung über die MMI Navigation plus.

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Page 52: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Stellen Sie sich einen Tag in schon recht na-her Zukunft vor. Sie steigen am Morgen in

Ihren Audi und überprüfen auf dem Weg zur Arbeit Ihre Termine am Bordmonitor. Eine freundliche Stimme liest Ihnen eine eben eingegangene E-Mail vor, dann eine Reihe aktueller Nach richten. Sie haben noch etwas Zeit vor sich, da Sie im Berufsverkehr stecken. Der Bordcomputer erkennt das und verwöhnt Sie automatisch mit Ihrer Lieblings musik. So hält er die morgendliche Hektik noch für ein paar Minuten von Ihnen fern. In der Nähe Ihres Büros an ge kom-men, meldet er einen freien Parkplatz und weist Ihnen die Route dorthin. Sie stellen den Wagen ab und beginnen entspannt Ihren Arbeitstag …

Was zunächst wie Zukunftsmusik klingen mag, ist bei Audi schon fast Realität. „Das Auto wird uns bald nicht mehr nur von A nach B bringen, sondern uns als persönlicher Assistent zur Seite stehen“, sagt Florian Kirschner, Mitarbeiter der Abteilung IT Elek-trik/Elektronik bei Audi in Ingolstadt. Lästige Aufgaben wie etwa das Einparken nimmt der Wagen dem Fahrer ab – und er schont dessen Nerven im Stop-and-Go-Verkehr. Dadurch kann er die Zeit im Auto viel sinnvoller nutzen als heute – beruflich wie privat.

Vor allem junge Kunden sind es heute gewohnt, ihr Fa-milienleben, ihre Freunde, ihre Lieblingsbücher oder -filme und auch ihr Büro immer dabei zu haben, „always on“ zu sein. Audi bringt die dafür nötigen Funktionen ins Auto, einfach bedienbar und exakt auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet. „Audi connect“ lautet das Zauberwort – die umfassende Vernetzung des Autos mit dem Besitzer, dem Internet, der Infrastruktur und den anderen Fahr-zeugen auf der Straße. Hierzu Dr. Peter Steiner, Leiter Entwicklung Infotainment:„Wir bringen unsere Audi connect Dienste heute mit UMTS-Geschwindigkeit* ins Fahrzeug. Künftig setzen wir auf die noch schnellere LTE-Technologie* und bauen unser Portfolio weiter aus“, so der Experte. „Mit Audi connect schaffen wir einen Mehrwert für unsere Kunden, da sie auch während der Fahrt nicht auf ihr di-gitales Leben verzichten müssen“.

Ohne eine leistungsstarke IT im Hintergrund wäre diese Vernetzung nicht möglich. „Den Fahrzeugkäufern war dieses Thema lange Zeit gar nicht so präsent“, erklärt Matthias Ulbrich, Leiter IT/Organisation bei Audi. „In ihrer Wahrnehmung haben die klas-sischen Leistungen der Fahrmaschine dominiert.“

Die Fäden laufen in der Zentrale der Audi connect Dienste im Audi Rechenzentrum in Ingolstadt zusammen. Dort befindet sich der sogenannte Modulare Backend-Baukasten (MBB). Sein Ge-genstück im Auto ist der Modulare Infotainmentbaukasten (MIB)*. Der Datenaustausch läuft über die Dachantenne des Fahr zeugs, das über eine konventionelle SIM-Karte mit dem Internet verbun-den ist oder über ein Mobiltelefon mit SIM-Access-Profil.

Am Audi A3, dem jüngsten Modell der Marke, lässt sich die Innovation im Bereich Vernetzung besonders deutlich ablesen. Bei der MMI Navigation plus haben die Entwickler zum ersten Mal ein Touchpad in den Dreh-Drücksteller integriert. Das sogenannte Touchwheel erkennt Handschriften in verschiedenen Sprachen – sogar chinesische Schriftzeichen. Alternativ kann der Fahrer aber auch per Freitext-Sprachsuche sein Ziel angeben, das Telefon, die Musikanlage oder die anderen Services von Audi connect steuern.

Funktionen, die man bereits von Smartphone-Apps kennt, lassen sich ebenfalls über das MMI-System verwenden: Ob ein Freund schon auf Facebook geantwortet oder etwas getwittert hat, beantwortet der neue A3 mittels Sprachausgabe selbst. Über vorgefertigte Textbausteine, kombiniert mit der aktuellen Position, können Facebook-Freunde auf Wunsch über den momentanen Auf-enthaltsort auf dem Laufenden gehalten werden. Und Nach richten online bringt Neuigkeiten aus den bevorzugten Quellen des Fahrers ins Auto. Im Stand werden sie auf dem MMI-Bildschirm angezeigt, während der Fahrt vorgelesen. Der umständliche und gefährliche Blick aufs Handydisplay wird dadurch vermieden.

Auch Informationen zum aktuellen Standort oder zum Reiseziel, etwa das Wetter betreffend, lassen sich abrufen. Und vor Fahrtantritt kann der Fahrer per integrierter Navigationskarte mit Google-Earth-Bildern und Street View schon mal einen Blick auf die Zielumgebung werfen. Über die Funktion Picturebook Navigation gelingt sogar die Navigation zu Orten auf selbst geschossenen Fotos – Geodaten machen es möglich. Die Point-of-Interest-Suche versteht Begriffe auf Zuruf und verarbeitet die Daten mit Hilfe der Google-Suche – die Ergebnisliste gleicht der am heimischen Rech-ner. Zudem lassen sich Flug- und Zugverbindungen heraussuchen sowie Tankstellen und Kraftstoffpreise in Reichweite finden. Die Funktion City Events schließlich nennt Veranstaltungen und hilft so bei der Gestaltung des Freizeitprogramms.

Früher war es die Musicbox, die in der Lieblings knei-pe genau zum richtigen Moment für Stimmung gesorgt hat. In den 80er Jahren brachte die Erfindung des Walkmans das indi-viduelle Musikerlebnis auf die Straße. Heute genügt ein Griff zum Smartphone: Ein Fingerstreich gewährt Zugriff auf Songs aller Genres aus jeder Zeit – von den Goldenen Zwanzigern über die 70er Jahre bis hin zu den neuesten Charthits von heute. Hin-zu gesellt sich das Internetradio mit einem nicht enden wol-lenden Angebot an Sendern für wirklich jeden Geschmack, oft-mals spezialisiert auf einzelne Musikrichtungen von Rock über Klassik bis hin zu Electro.

Mit der App Audi music stream für das iPhone bringt Audi dieses Erlebnis für die Ohren ins Auto. Der Kunde lädt sie aus dem App Store herunter und koppelt sie ganz einfach via WLAN* mit der MMI Navigation plus seines Audi. Die Bedie nung läuft nun bequem über das MMI. Eine Sortierung nach Kate go-rien erleichtert deren Auswahl, darunter die Top 20 der belieb-testen Sender. Außerdem steht eine Freitextsuche bereit.

Findet sich online einmal nichts Passendes im Radio, lässt sich über das MMI ebenso einfach Musik aus der persön-lichen Mediathek des iPhones abspielen.

TextStefan Kotschenreuther

FotosAUDI AG

Audi music stream: Easy listening

Mit Audi connect schaffen wir einen Mehrwert für unsere Kunden, da sie auch während der Fahrt nicht auf ihr digitales Leben verzichten müssen. Dr. Peter Steiner

Musikgenuss leicht gemacht: Die Smartphone-App Audi music stream lässt sich bequem über die MMI Navigation plus bedienen, wenn das Handy per WLAN mit dem Auto verbunden ist.

Neu im A3: Das sogenannte Touchwheel, eine Kombination aus Dreh-/Drücksteller und Touchpad. Es erkennt Handschriften und erleichtert somit die Eingabe von Text.

Ultraflach: Das hoch auflösende LED-Display ist nur elf Millimeter dünn, aber besonders gut ablesbar.

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Twitter: Social Media, angepasst fürs Auto – ankommende Tweets werden vor-gelesen, eigene kann der Fahrer mittels Textbausteinen selbst verfassen.

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empfängt Daten, generiert sie aber auch selbst und sendet sie wei-ter. Das Zukunftsschlagwort Car-to-X* umreißt ein Technologiefeld, in dem die Autos untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur – etwa Ampeln oder Parkhäusern – kommunizieren.

„Ein weiterer Trend geht heute dahin, dass sich neue Generationen von Kunden über Online-Communities verbinden. Das greifen wir auf“, erklärt Gerhard Stanzl, Programmleiter Audi connect IT. Unter anderem arbeitet das IT-Team an Follow me, einer Anwendung die – wie der Name schon sagt – speziell für Kolonnen-fahrten konzipiert ist. „Wenn die Autos außer Sichtweite geraten, sorgen wir da für, dass sie sich nicht verlieren“, sagt Martin Hei-mann, Leiter des Innovation Management und IT-Programmleiter von Audi mobility. „Über eine Walkie-Talkie-Funktion können sich die Nutzer während der Fahrt austauschen. Außerdem wäre denk-bar, dass sie miteinander ein Spiel spielen oder sich über den nächs-ten Aufenthalt abstimmen.“

Sollten sich, bei aller virtuellen Vernetzung, die Men-schen persönlich treffen wollen, so können die Navigations systeme einen idealen Treffpunkt berechnen – mit individuellen Abfahrts-zeiten für jeden Teilnehmer. Auch hier ist es die intelligente Back-end-IT, welche die Vernetzung organisiert.

Die Anwendung Audi Verkehrsinformationen online macht das Auto derweil zum interaktiven Verkehrsteilnehmer: Hier-zu werden die Daten von Hundertausenden Smartphones und Na-vi gationsgeräten online aufbereitet. Der Fahrer erhält somit ein genaues Bild darüber, wie stark seine Route belastet ist.

Aber nicht nur der Fahrer des Audi A3 ist gut vernetzt. Mittels WLAN-Hotspot* bietet Audi connect allen Insassen größt-mögliche Freiheit beim Surfen mit dem persönlichen Smartphone oder Tablet-PC. Bis zu acht mobile Geräte lassen sich über den Hot-spot mit dem Internet verbinden.

Ein weiteres Projekt von Audi ist die Umsetzung der Vi-sion Seamless Media: Dank dieser Technik kann der Kunde beispiels-weise zu Hause ein Hörbuch starten, es an einer beliebigen Stelle stoppen und die Wiedergabe am nächsten Morgen im Auto fortset-zen – die Daten sind in der Cloud gespeichert.

Die Zusammenführung und Aufbereitung der Daten wäre nicht möglich ohne den MBB im Audi Rechenzentrum – hier, im Backend, findet die eigentliche Arbeit statt. Nicht nur aus dem Auto, sondern auch vom Rechner zu Hause lässt sich Audi connect nutzen. So gelingt etwa die Zieleingabe in das Navigationssystem bequem vom PC aus.

Der MBB und der MIB sind erstmals im neuen Audi A3 in Verbindung. Ihr modularer Aufbau hält sowohl die Audi connect- Dienste als auch die Hardware stets auf dem neuesten Stand. „Audi stellt sich einer großen Herausforderung“, erklärt IT-Abteilungs-leiter Gunnar Lange. „Wir gewährleisten mithilfe von Rechen zen-trum und MBB, dass ein Audi über seinen Lebenszyklus hinweg ständig mit aktuellen, maßgeschneiderten Inhalten versorgt wird.“ Funktions-Updates und neue Dienste werden laufend von Audi ins Backend integriert und stehen dann allen Audi connect-Nutzern zur Ver fügung. Für die Software notwendige Server-, Rechen- und Spei cher kapazitäten lassen sich über neue IT-Konzepte sehr kurz-fristig zur Verfügung stellen. Auch der MIB ist modular entwickelt worden. Seine einzigartige Architektur erlaubt es, während der Pro duktion einer Modellreihe auf den Einbau technisch aktueller Hardware-Komponenten umzustellen.

Der neue Audi A3 zeigt damit schon heute, was morgen selbstverständlich sein wird: Das Auto ist Teil des Internets, es

Die Informationstechnologie, kurz IT, spielt eine zen trale und bereichsübergreifende Rolle bei Audi. Ob für Be-rechnungen in der Technischen Entwicklung, für die Pro gram-mierung der Anlagen in der Produktion oder zur Vernetzung der meisten von fast 64.000 Mitarbeitern weltweit – die Audi IT sorgt für reibungslose Abläufe. Der Kunde profitiert davon, wenn er die Audi Webseite aufruft, im Showroom eines Händlers sein Fahrzeug konfiguriert oder wenn er in einem Fahrzeug mit Audi connect unterwegs ist. Zunehmend wird IT entscheidend beim Kauf eines Autos und somit zum Wettbewerbsfaktor in der Auto-mobilindustrie.

Alleine in Deutschland arbeiten 600 Mitarbeiter für die Audi IT. Die technische Infrastruktur umfasst aktuell zwei Rechenzentren in Ingolstadt. Hier stehen circa 3.500 Server, jedes Jahr kommen etwa fünf Prozent dazu. Die aktuelle Spei-cher kapazität liegt bei 6,2 Petabyte – das sind mehr als 12.000 handelsübliche 500-GB-Festplatten. Um die Audi IT für die Zu-kunft fit zu machen, wird ab August 2012 ein neues Rechen-zentrum in Betrieb genommen. Hier stehen 2.000 Quadratmeter Platz für bis zu 6.000 Server und Netzwerk kom ponenten bereit, verbunden werden diese mit rund 3.000 Kilometern Glas faser-leitungen.

Trotz der hohen Rechenleistung verbraucht das neue Rechenzentrum unter anderem dank indirekter freier Kühlung mit Außenluft etwa 35 Prozent weniger Energie als das bisherige Rechenzentrum. Dies entspricht einer jährlichen Ersparnis von bis zu 9.000 Tonnen Kohlenstoffdioxid.

Schaltzentrale: Im Audi Rechenzentrum laufen die Fäden von Audi connect zusammen.

Die Audi IT:Always on duty

Hochleistungs-Server: Sie machen die Kommunikation zwischen dem Auto und der Audi IT noch schneller. Im neuen Audi Rechenzentrum sind sie Standard.

City Events: Zeigt Konzerte, Kultur-High-lights, gute Restaurants und mehr am aktuellen Standort oder am Reiseziel oder an einem anderen Ort.

Nachrichten online: Nachrichten auf dem MMI abrufen – oder vorlesen lassen. Einfache Konfi gu ra tion über my-Audi, auch von zu Hause aus.

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AC/DC Der neue Sound der Ringe Elektroautos fahren lautlos – nicht so bei Audi. Im Akustik-Labor der Marke hat Rudolf Halbmeir einen künstlichen Sound für zukünftige e-tron Modelle entwickelt, nach dem sich jeder Passant umdrehen soll. Die Sound-DNA ist fertig gestrickt.

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Page 55: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Der Sound gehört heute zur Visitenkarte eines jeden Fahrzeugs. Audi hat über die letzten Jahrzehnte hinweg gerade den Motorklang perfektioniert. Dabei vermitteln die tiefen Frequenzen eines Verbrennungsmotors Leistung und Hochwertig keit. Ein Sechs-zylinder soll auch klingen wie ein Kraftpaket. Doch beim elektri-schen Motor eines R8 e-tron sieht das anders aus: Hier gibt es fast gar kein Antriebsgeräusch mehr. Die hellen Frequenzen des Elek-tromotors klingen eher unangenehm im Ohr. Deshalb braucht der Wagen einen virtuellen Klang.

Über drei Jahre haben Rudolf Halbmeir und sein Team am e-Sound gefeilt. Zu Anfang hatten sie nichts, woran sie sich orientieren konnten, weil es auf dem Markt nichts gab – weder Hardware noch Software und schon gar keine Sound-Vorlagen. „Wir haben schlichtweg bei null angefangen“, so Halbmeir.

Das sei auch die größte Herausforderung gewesen: „Zu wissen, dass wir mit diesem Projekt Schritte anstoßen, die mit Sicherheit über Jahre gehen und viel Geld kosten würden – das war das Schwerste“, sagt Rudi Halbmeir heute. „Sich einfach zu trauen.“ Heute weiß er, es hat sich gelohnt: Keiner der Mitbewerber sei in der e-Sound-Entwicklung so weit wie Audi, schätzt der 40-Jährige.

Aber wie entwickelt man einen Sound? „Jeder arbeitet da mit seinem eigenen Handwerkszeug“, erklärt Halbmeir. Bei ihm war es eben die Musik. Schon mit fünf Jahren spielte er Trompete in einer Musikkapelle. Damals wie heute konnte er keine einzige Note lesen, er hörte nur die Töne, den Rhythmus, die Melodie. Später wur de dann die Gitarre zu seinem absoluten Favoriten, er spielte auch in einigen Rockbands. Zu Hause hat er sein eigenes kleines Ton- studio, direkt unterm Dach. „Es ist nicht groß, aber ich produziere darin regelmäßig Musik“, sagt er und zieht aus der Schublade sei-nes Schreibtischs eine CD. Jedes Instrument spielt er dabei selbst ein. Braucht man also ein musikalisches Talent? Rudolf Halbmeir überlegt. „Bestimmt hat mein musikalischer Hintergrund da rein-gespielt“. Aber ob das entscheidend war, könne er nicht sagen.

Einen Sound zu kreieren, habe durchaus Ähnlichkeit mit dem Komponieren eines Musikstücks, gibt auch Halbmeir zu. Aber er betont: „Der Platz für Kreativität ist wesentlich kleiner als man denkt, weil man oft nur eine Sekunde anstatt Minuten mit Tönen füllen kann.“ Zuerst hat er das abstrakte Gebilde eines Klanges im Kopf, danach versucht er diese Idee mithilfe des Computers greif-bar, hörbar zu machen. „Das soll jetzt nicht pathetisch klingen“, sagt Halbmeir vorsichtig. „Aber eigentlich hat mich beim Ent wi-ckeln des e-Sounds eher ein Gefühl geleitet.“ Zusammen mit viel Ton-Erfahrung, einem geübten Gehör und seinem Musikverständnis entstand der künstliche Klang.

Das Auto der Zukunft: Wie wird es ausse-hen? Wie werden wir darin fahren? Und vor

allem: Wie mag es klingen? Im Kino bekommen wir einen ersten Eindruck von dem, was sich die Filmemacher darunter vorstellen: Wenn Jedi-Ritter Obi-Wan Kenobi in Star Wars: Episode II sein Lichtschwert zieht, wenn sich das Raumschiff Enterprise mit einem klingonischen Schlachtschiff durch die Galaxie kämpft oder wenn Will Smith in seinem futuristischen Audi RSQ von Robotern verfolgt wird. Viele Hollywood-Streifen haben versucht, den Sound der Zu-kunft zu definieren.

Rudolf Halbmeir hat all diese Filme gesehen. In seinem Archiv liegen Hunderte Ausschnitte, angefangen bei Raum pa ­ t rouille – Raumschiff Orion, der ersten deutschen Weltall-Serie, bis hin zu Zeichentrickfilmen wie Wall­E, von Reihen wie Star Wars oder Star Treck bis zu Science-Fiction-Filmen wie I, Robot oder Tron: Legacy. Er sieht solche Streifen gerne, abends auf der Couch, aber das hat auch einen beruflichen Grund.

Halbmeir ist Sounddesigner bei Audi und hat das An-triebsgeräusch der künftigen e-tron Modelle der Marke entwickelt. Er gesteht: „Ehrlich gesagt, dienten solche Filme nur als Inspi ra-tion.“ Schnell habe er aber gemerkt, dass er nach einem völlig neuen Klang suche. „Etwas, wonach sich jeder auf der Straße umdrehen muss und denkt: Wow, was ist das? Das hört sich gut an!“

TextLena Kiening

Fotos Myrzik und Jarisch

Die ersten Töne: Am Keyboard ent-stand der virtuelle Klang des Elektromotors in seiner Grundform.

Herr der Klänge: Über drei Jahre hat Rudolf Halbmeir am Sound des R8 e-tron gefeilt.

Speziell: Software, Hard- ware – alles musste komplett neu entwickelt werden.

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Bei der Entwicklung des e-Sounds haben wir schlichtweg bei null angefangen. Rudolf Halbmeir

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Nach diesem Sound soll sich jeder auf der Straße umdrehen. Rudolf Halbmeir

Erleben Sie den Sound des e-tron im Video!www.dialoge.audi.de

Halbmeir gehört zu den Kreativen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Musik ist sein Hobby, aber auch sein Beruf. Nach einer Lehre als Energie-Elektroniker entschied sich Halbmeir für ein Studium: Maschinenbau. Anschließend wurde er Akustik-Ingenieur bei Audi und war über acht Jahre dafür verantwortlich, dass Nebenaggregate, etwa die Kühlerlüftung, den Motorsound so wenig wie möglich stören. Vor drei Jahren wurde Halbmeir dann zum Sounddesigner beim Ingolstädter Autobauer und bekam den Auftrag, einen synthetischen Sound zu finden, den e-Sound.

Jetzt sitzt er an einem eher ungewöhnlichen Schreib-tisch, selbst für einen Audi-Mitarbeiter aus der Technischen Ent wick-lung: Neben den Bildschirmen thronen zwei Studio-Lautsprecher, daneben liegen große Muschelkopfhörer, und rechts von ihm steht – ein Keyboard. Hier entsteht der Ton in seiner Grundform.

Aber einen e-Sound entwickelt man nicht allein an Key-board und Computer, weiß auch Rudolf Halbmeir. Es braucht dafür Kollegen wie Axel Brombach und Dr. Lars Hinrichsen. „Das ist ein lebendiger Prozess“, erklärt Halbmeir. Die drei Kollegen haben in den vergangenen drei Jahren sehr eng zusammengearbeitet. „Wir sind das perfekte Team.“

Brombach ist dafür verantwortlich, den Klang der e-Ma-schine auf die Straße zu bringen. Mit robusten Lautsprechern am Unterboden des R8 e-tron sollen Fußgänger und Radfahrer vor dem lautlosen Herannahen des Sportwagens gewarnt werden. „Er ist so verrückt bei Lautsprechern wie ich beim Sound“, scherzt Halbmeir.

Software und Steuergerät entstanden unter der Hand von Dr. Hinrichsen. Dabei erzeugt das Steuergerät den Sound je nach Drehzahl der E-Maschine, nach Last und Geschwindigkeit. Denn beim e-Sound ist der Klang abhängig von der Fahrsituation. Das sei auch der große Unterschied zur Musik: „Bei einem Lied hört man immer die gleiche Melodie“, erklärt Halbmeir. „Und es hat einen Anfang und ein Ende.“ Dagegen sei der e-Sound immer an-ders, je nachdem wie der Fahrer das Fahrpedal bedient.

„Genug geredet“, findet Rudolf Halbmeir und springt auf. Über Sound kann man schlecht reden, man muss ihn hören. Voller Vorfreude und mit breitem Grinsen gleitet er in den Sportsitz des R8 e-tron, streift die Sonnenbrille über die Augen, startet das Fahrzeug – und es bleibt still. Läuft die Maschine? Man hört sie je-denfalls nicht.

Dann tippt Rudi Halbmeir leicht aufs rechte Pedal. Mit hellem Fauchen gleitet der Wagen aus dem Gebäude ins Freie. Halbmeir beschleunigt um die Kurve, der rote R8 e-tron schießt mit seinen 380 PS vom Fleck, und das helle Fauchen wird zu einem ge-hörigen Röhren. Eindeutig ist das kein konventioneller Verbren-nungsmotor, der momentan das Maß aller Dinge ist. „Das wird sich ändern“, prophezeit Halbmeir. In ferner Zukunft werde der Klang eines Elektro fahrzeugs feiner, klarer und leiser designt werden.

Realistisch und nicht künstlich soll der Sound klingen, authentisch und futuristisch zugleich – eine Gratwanderung, die Dr. Ralf Kunkel als Leiter der Akustik Gesamtfahrzeug all die Jahre begleitet hat. „Wir wollten uns an der Spitze der Sportlichkeit bei Audi orientieren, um das Maximale aus dem Sound herausholen.“ So erklärt Kunkel, warum der R8 e-tron die erste e-Maschine mit einem künstlichen Sound geworden ist. Jetzt werde man sich wei-teren e-tron Modellen wie dem A1 und A3 zuwenden. Alle elektri-schen Audi Modelle sollen in Zukunft ihren ganz eigenen Sound bekommen, der aber doch immer „typisch Audi“ sein werde. Die „Sound-DNA“ dafür sei gestrickt.

Auch die Kunden können sich schon bald selbst vom elektrischen Flitzer überzeugen. Ab Ende des Jahres wird der R8 e-tron auf die Straßen kommen. In den nächsten Monaten, so Halb-meir, werde sein Sound noch präzisiert, besonders für die leisen Töne. Der Diamant ist fertig, jetzt folgt der Feinschliff.

Trockenübung unterm Schreibtisch: Der e-Sound klingt immer anders, je nachdem wie der Fahrer das Fahr-pedal bedient.

Grundvoraussetzung: Auf dem Weg zum virtuellen Klang des e-tron braucht es ein feines Gehör und ein Gespür für Töne.

Feiner, klarer, leiser: Mit hellem Fauchen beschleunigt der Audi R8 e-tron, dank seiner 380 PS.

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Projekthaus Hochvolt-Batterie Audi erarbeitet sich konsequent alle Aspekte der Elektromobilität, darunter auch den Bau und die Erprobung der Akkus. Dafür gibt es jetzt ein eigenes Projekthaus. Watt Ihr Volt

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Dabei sind die Ansprüche an das Batteriesystem eines Elektroautos sehr hoch und teilweise auch widersprüchlich, ganz anders als bei Akkus in elektronischen Geräten. Traktionsbatterien müssen leicht und kompakt sein und dabei möglichst viel Energie be reitstellen. Sie müssen mindestens zehn Jahre, 160.000 km Stre cke und Tausende von Ladehüben überstehen, ohne nennens-wert zu altern. Unabhängig von der Außentemperatur müssen sie stets im geeigneten Temperaturfenster – etwa 25 bis 45 Grad Celsius – blei ben, was eine aufwendige Flüssigkeitskühlung erfor-dert. Und bei alledem besitzen die Robustheit und die Sicherheit höchste Priorität.

Bei der Entwicklung seiner Batteriesysteme erarbeitet Audi Lösungen, die alle Aufgaben ausgewogen erfüllen. Die Kom-pe tenz, die sich die Marke hier erwirbt, beginnt bei der Montage; sie erfolgt im Batterie-Technikum. Die Spezialisten hier haben bislang über 70 Akkus für den A1 e-tron und den R8 e-tron gefertigt. Derzeit entstehen Prototypen für Fahrzeuge wie den A6 L e-tron concept, den Audi im Frühjahr auf der Autoshow in Peking präsentiert hat.

Das Batterie-Technikum ist eine Manufaktur, in der die einzelnen Arbeitsschritte teils manuell, teils automatisiert ablau-fen. Eine der Anlagen überprüft die prismatischen Flachzellen, die aus dem Lager kommen, eine weitere presst sie zu Modulen, soge-nannten Stacks, zusammen. Sie bestehen in der Regel aus 6 bis 13 Zellen, die durch Trennelemente wie Teflon-Plättchen voneinander isoliert werden. Jede Zelle ist mit einem Berstventil abgesichert – es stellt sicher, dass die Zelle bei einer möglichen Überhitzung nicht brennt, sondern ausgast.

Die Elektromobilität kommt auf leisen Soh-len. Im neuen Projekthaus Hochvolt-Bat-

terie vor den Toren des Werks Ingolstadt, das Audi im Frühjahr in Betrieb genommen hat, ist nur hinter einigen Türen das Surren elektrischer An triebe zu vernehmen. Sonst geht es in allen Räumen sehr ruhig zu – im Bürotrakt natürlich, aber auch im Prüffeld und im sogenannten Batterie-Technikum.

Die mehr als 100 Fachleute, die im Pro jekthaus auf kur-zen Wegen eng und flexibel zusammenarbeiten, kommen aus ver-schiedenen Audi-Entwicklungsbereichen, aus der Produktion und aus dem Vorseriencenter. Zwei Doktoranden von der RWTH Aachen ergänzen das Team; als wichtiger externer Part ner liefert Panasonic die Batteriezellen. „Die engagierte Diskussion zwischen den Fach-be reichen ist eine große Stärke unseres An satzes“, sagt Jens Koetz, Leiter Vernetzung und Energiesysteme. „Ringen und Reiben erzeugt Knistern, und daraus entstehen immer wieder neue Lösungen.“

Das hochvernetzte Arbeiten ist deshalb so wichtig, weil die Integration der voluminösen Batteriesysteme ins Fahrzeug kei-nerlei Kompromisse mit sich bringen darf. Auch bei einem elek-trisch angetriebenen Audi bleiben alle Stärken der Marke voll ge-wahrt – das progressive Design, das sportliche Handling, die passive Sicherheit oder auch die komfortable Klimatisierung.

TextJohannes Köbler

Fotos Myrzik und Jarisch

Beginn des Produktionsprozesses: Einzelne Flachzellen sind zu einem Stack zusammengefügt.

Hohes Gewicht: Ein spezielles Werkzeug dient dazu, die Einheiten anzuheben und zu positionieren.

Grund-Einheit: Die Platte dient als Basis für den Aufbau der Batterie des Audi R8 e-tron.

Montage: Die Batterie des elektrisch angetriebenen Sport wagens bündelt Zell-Stacks in mehreren Lagen übereinander.

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Technische Daten

Gewicht 550 kg

Anzahl Zellen 530

Kapazität 48,6 kWh

Spannung 389 V

Die Batterie des Audi R8 e-tron

Hebezeug: Kräne an der Decke der Halle ermöglichen den Transport der schweren Batterien.

Präzision: Bei der Verbindung der einzelnen Lagen ist höchste Genauigkeit erforderlich.

Abschluss: Die fertige Batterie hat die Form eines T. Obenauf sitzt die Steuer- und Anschlusseinheit.

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Beim nächsten Schritt, der elektrischen Kontaktierung, setzen Monteure die Stacks auf die stromleitenden Aluminium-schienen. Das Spannungs-Level liegt hier bereits über 60 Volt, jen-seits dieser Grenze wird es für den Menschen gefährlich. Die Mit-arbeiter verfügen deshalb über entsprechende Qualifikationen. Sie tragen Schutzanzüge und arbeiten in einem Bereich, der mit Bän-dern vom Rest der Halle abgetrennt ist. Generell liegt die Sicher-heits technik im Gebäude auf Top-Niveau.

Die Schienen im Batteriesystem, per Laserschweißen miteinander verbunden, integrieren Kanäle, in denen später das Kühl mittel zirkuliert. In der 48,6-kWh-Batterie des R8 e-tron, die aus 530 Zellen besteht, werden die Stacks teilweise in vier Lagen übereinander montiert. Danach versehen die Monteure die Ein hei-ten noch mit den Niedervolt-Anschlüssen für die externen Steuer- und Diagnosegeräte.

Der letzte Arbeitsschritt ist die Endmontage. Die Bat-teriesysteme erhalten ihre Gehäuse – beim R8 e-tron aus kohlen-stofffaserverstärktem Kunststoff – und die sogenannte Junction Box mit Sicherungen und Anschlüssen. Nach der Initialisierung ab solviert jede Einheit noch einen ausgedehnten Testzyklus, der etwa 16 Stunden in Anspruch nimmt.

Neben dem Batterie-Tech nikum liegt das Prüffeld (Foto Seite 112). Hier testen die Entwickler die Batterien als Zellen, als Stacks und als komplette Einheiten. Als Prüfstände nutzen sie Kam-mern, die sich auf Temperaturen von etwa – 40 bis + 80 Grad Celsius einstellen lassen; einige von ihnen erzeugen zusätzlich hohe Luft-feuchtigkeit. Die drei größten Prüf stände mit je 6.000 Litern Volu-men sind in separaten Containern untergebracht. Sie können die mächtigen, je 550 Kilogramm wiegenden Batterien des Audi R8 e-tron aufnehmen; ihre elektrischen Anlagen leisten je etwa 350 kW.

Die Prüfstandsläufe simulieren den späteren Be trieb im Fahrzeug; einige von ihnen dauern mehrere Stunden, andere einige Monate. Die Bauteile werden mit Gleichstrom be- und entla-den, der über einen Gleichrichter aus dem Stromnetz des Ge bäu des kommt. Dabei zeichnen Messfühler alle wichtigen Daten auf – etwa die Temperaturen, die Kapazität, den Innenwiderstand, die Span-nungen und die Stromstärken.

Weitere Anlagen ergänzen das Prüffeld. Beim „Shaker“ handelt es sich um eine Klimakammer, in der Stacks bis 50 Kilo-gramm Gewicht mit bis zu 2.700 Hertz Frequenz gerüttelt und geschüttelt werden. Weitere Prüfstände dienen zum Testen der Stromwandler im Fahrzeug und des Kühlsystems. Im Labor schließ-lich bereiten Spezialisten einzelne Batterieproben für Analysen vor. Sie erfolgen außerhalb des Projekthauses mithilfe von Gas- und Ionen-Chromatografen und Rasterelektronenmikroskopen*.

„Neben unserem Gebäude liegt ein unbebautes Grund-stück“, sagt Jens Koetz, der Leiter Vernetzung und Energie sys teme. „Mittelfristig könnten wir uns dort eine Fertigung in kleinen Serien vorstellen.“ Das neue Projekthaus Traktionsbatterie ist ein großes Investment von Audi in die Zukunft der Mobilität.

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* siehe Glossar, S. 168 –169116 Dialoge Technologie 117 Dialoge Technologie

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Zusätzlich zu all diesen Highend-Lösungen bringt der neue 1.4 TFSI eine neue Technologie von Audi mit – das System cylinder on demand (COD), das seine Premiere in ähnli cher Form in den großen S-Modellen gefeiert hat. Es hat das Po ten zial, den Ver-brauch im EU-Zyklus um einige Zehntelliter pro 100 km zu senken. Die COD-Technologie baut auf dem Audi valvelift sys tem auf, das den Hub der Ventile variiert, und deaktiviert bei niedriger und mitt-lerer Last sowie im Schub den zweiten und dritten Zylinder des Vier zylinders. Die Drehzahl muss dafür zwischen 1.400 und 4.000 1/min, das Drehmoment zwischen circa 25 und 75 Nm liegen.

Die Betätigung erfolgt über axial verschiebbare Hülsen, die sogenannten Nockenstücke, die zwei unterschiedliche Nocken-profile tragen. Um das System COD zu aktivieren, fahren elektroma-gnetisch betätigte Metallstifte in spiralförmige Nuten auf den Hül-sen ein und verschieben sie so um 6,25 Millimeter längs auf den Nockenwellen. Jetzt rotieren die sogenannten Nullhubprofile über den Rollenschlepphebeln der Aus- und Einlassventile. Sie betätigen sie nicht, die Ventilfedern halten die Ventile geschlossen; zugleich wird die Einspritzung deaktiviert. In den aktiven Zylindern 1 und 4 steigt dagegen der Wirkungsgrad, weil sich die Betriebspunkte zu höheren Lasten hin verlagern.

Sobald der Fahrer kräftig Gas gibt, werden die Nocken-stücke zurückverschoben und die abgeschalteten Zylinder wieder aktiv. Alle Umschaltvorgänge dauern, je nach Drehzahl, nur 13 bis 36 Millisekunden; Eingriffe an der Einspritzung und der Drossel-klappe glätten sie. Wenn der Fahrer den Momentanverbrauch im FIS abfragt, erhält er den Zweizylinder-Status angezeigt. Sonst würde er ihn kaum wahrnehmen – auch mit zwei Zylindern läuft der 1.4 TFSI noch leise und vibrationsarm. Er verdankt es seinen geringen be wegten Massen und speziellen Modifikationen an den Motor-lagern, am Zweimassen-Schwungrad und an der Abgasanlage.

Um die Fahrweise des Fahrers zu erkennen, greift das System auf die Informationen des Gaspedalsensors zu. Ergibt sich aus ihnen ein ungleichmäßiges Muster – etwa bei einer Fahrt im Kreisverkehr oder bei sportlicher Gangart auf der Landstraße – un-terbleibt die Abschaltung; sie würde hier höchstwahrscheinlich nur kurz dauern und keinen Kraftstoff sparen. Sobald der Fahrer bremst, wird der Zwei zylinderbetrieb abgebrochen, damit alle vier Zylinder im Schub die Bremswirkung unterstützen. Beim Bergab-Rollen un-terbleibt die Abschaltung generell.

Der von Grund auf neu entwickelte 1.4 TFSI, den Audi in Kürze im A1 Sportback und im

neuen A3 anbietet, ist ein kraftvolles Aggregat. Er schöpft aus sei-nen 1.395 cm³ Hubraum (Bohrung x Hub 74,5 x 80,0 Millimeter) 103 kW (140 PS) Leistung, von 1.500 bis 4.000 1/min stemmt er 250 Nm Drehmoment auf die Kurbelwelle. Der Vierzylinder be-schleunigt den A1 Sportback in 7,9 Sekunden von null auf 100 km/h und weiter bis 212 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die sportliche Performance geht mit einem verblüffend niedrigen Verbrauch ein-her, im Mittel liegt er bei 4,9 Litern pro 100 km.

Der 1.4 TFSI befindet sich in seinem ganzen Konzept auf dem Stand der Technik. Sein Kurbelgehäuse besteht aus Alu-mi nium druckguss statt aus Grauguss wie beim Vor gängeraggregat, es wiegt nur noch 18 statt 33 Kilogramm. Weitere Diät-Maß nah-men, etwa an der Kurbelwelle und den Pleuelstangen, tragen dazu bei, dass der Motor nur noch 107 Kilogramm auf die Waage bringt. Die Verbesserung von 21 Kilogramm bedeutet für das Fahrzeug-gewicht und für die Achslastverteilung große Vorteile.

Eine weitere Innovation ist die Integration des Abgas-krümmers in den Zylinderkopf. Sie sorgt dafür, dass das Kühlwasser nach dem Kaltstart rasch auf Temperatur kommt; erst danach gibt ein Thermostat im neuen Kühlmittelpumpen-Modul die Kühlung des Kurbelgehäuses frei. Im Vollastbereich, etwa bei hohem Auto-bahntempo, senkt der Wassermantel die Temperatur des Abgases; die Anreicherung des Gemisches, die sonst zur Kühlung nötig wäre, kann entfallen, der Verbrauch sinkt.

Die Aluminiumkolben des 1.4 TFSI präsentieren sich neu entwickelt; das annähernd flache Design der Kolbenböden ist präzise auf die ebenfalls neu gezeichneten Einlasskanäle abge-stimmt. Die Common-Rail-Einspritzanlage baut bis zu 200 bar Druck auf, ihre Fünfloch-Injektoren können pro Arbeitstakt bis zu drei Einspritzungen absetzen. Der Turbolader verlor gegenüber dem Vorgängermotor 1,8 Kilogramm Gewicht; sein neuer elektrischer Wastegate-Steller arbeitet besonders schnell und präzise. Die Lade-luftkühlung ist ins Saugrohr integriert und entsprechend kompakt ausgelegt – auch dadurch baut sich der Ladedruck sehr spontan auf.

Im Vergleich zum Vorgängermotor ist die Reibleistung beim neuen 1.4 TFSI um bis zu 20 Prozent gesunken. Die wichtigs-ten Verbesserungen betreffen die Ringe der Kolben und ihr Ein bau-spiel in den Grauguss-Laufbuchsen, die verkleinerten Durch mes-ser an den Kurbelwellen-Hauptlagern, die leichter gewordenen Ventile und die auf Motor-Lebensdauer ausgelegten Zahnriemen für den Steuer- und Nebentrieb. Das neue Ventiltriebmodul ist als se parater Lagerrahmen ausgeführt, er bürgt für hohe Steifigkeit und geringes Gewicht. Die Antriebsräder der Nockenwellenwellen sind nadelgelagert, ihre Reibung ist minimal. Die Einlass nocken-welle lässt sich um 50 Grad Kurbelwinkel verstellen. Die Ölpumpe arbeitet druckgeregelt, dadurch trägt auch sie zur Effizienz bei.

TextJohannes Köbler

IllustrationenSteven Pope

Ganz nach Bedarf: Bei niedriger Last schaltet das System zwei der vier Zylinder vorübergehend ab.

COD aktiv und inaktiv: Im linken Bild sind die Ventile über die Rollenschlepphebel geschlossen, im rechten geöffnet.

Im Zweivierteltakt cylinder on demand

1.4 TFSI mit cylinder on demand Noch mehr aus noch weniger – Audi macht seine Motoren immer effizienter. Der neue 1.4 TFSI mit Zylinderabschaltung repräsentiert den Fortschritt durch Hightech.

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DOPA

Muscheln sind Experten im Kleben. Sie kön-nen an fast jeder Oberfläche haften. Der Schlüssel dazu sind ihre Byssusfäden. So werden nämlich die „Anker-taue“ bezeichnet, an deren Enden sie ein Haftsekret ab- sondern. Mit der darin enthaltenen Aminosäure Dihy-dro xyphenylalanin (DOPA) können sich die Muscheln an organische Oxide im Gestein kleben und Metallionen aus dem Meerwasser aufnehmen. Die Ionen verleihen dem Kleber selbstheilende Eigenschaften.

Forscher vom Max-Planck-Institut für Poly-merforschung haben sich diese Kenntnisse zunutze ge macht. Sie haben vierarmige, sternförmige Polymere hergestellt, die mit DOPA verwandt sind, und an deren Enden Nitrodopamin-Gruppen geknüpft. So kann sich der Kleber unter Wasser vernetzen und bei Beschä di-gungen der Klebefläche selbst heilen. Mit Hilfe von UV-Licht kann dieser Kleber aber auch wieder aufgelöst werden. Durch die Nitrodopamin-Gruppe hat der Kleber einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem natür-lichen Kleber: Er ist reversibel.

Vorbild Natur

Touché erkennt die Art der Berührung.

Klebepunkte auf Glas: Über die Byssusfäden gibt die Miesmuscheln ihren Klebstoff aus DOPA ab.

Weitere Informationen:www.mpip-mainz.mpg.de

Mit Haut und Haar

Kaum berührt der Körper das Sofa, schon schaltet sich der Fernseher ein. Sobald zwei spezielle Armbänder übergestreift sind, kann sogar der eigene Körper als Touchpad dienen. Und schließlich erkennt auch das Wasser, ob jemand die Oberfläche berührt. Visionen, die durch eine Technologie namens Touché Realität werden sollen.

Die Technik dahinter heißt Swept Frequency Capacitive Sensing. Die Forscher von Disney Research in Pittsbourgh haben das System so entwickelt, dass es nicht nur das Szenario „Keine Berührung/Berührung“ erkennen kann, sondern auch die Art und Weise des Kon-takts. So kann es beispielsweise unterscheiden, ob ein Finger den Türgriff berührt oder die ganze Hand.

Um Alltagsgegenstände zu Sensoren zu ma-chen, reicht ein einfacher Anschluss per Draht oder Funk an die Auswertungselektronik. Am Körper oder in Flüs-sig keiten werden zusätzliche Elektroden gebraucht. Laut Disney Research arbeitet das System fast zu 100 Prozent genau.

Weitere Informationen:www.touche-sensor.com

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Weltrekord im Nanobereich! Ein neuer 3-D- Drucker der Technischen Universität Wien setzt Best-zeiten beim dreidimensionalen Drucken. Für das 285 Mikrometer lange Rennauto hat der Drucker nur vier Minuten gebraucht: Es besteht aus 100 Schichten mit jeweils 200 einzelnen Poymerstrichen.

„Bisher hat man die Druckgeschwindigkeit in Millimetern pro Sekunde gemessen. Unser Gerät schafft in einer Sekunde fünf Meter“, erklärt Professor Stampfl von der TU Wien. Um diese Geschwindigkeit zu errei-chen, haben die Forscher die Technik der Zwei-Photo-nen-Litho graphie in einem interdisziplinär angeleg ten Pro jekt verbessert.

Entscheidend für die Geschwindigkeits stei-gerung war die optimierte Steuerung der Spiegel und der Einsatz neuer, an der TU Wien synthetisierter Foto-lacke. Ein Laserstrahl wird dabei mit einem Mikroskop-Objektiv in flüssigem Fotolack fokussiert. Nur im Fokus-punkt kommt es zur Aushärtung (Polymerisation) des Lacks. Durch die Bewegung von zwei Spiegeln vor dem Objektiv kann man den Fokuspunkt innerhalb der Probe bewegen.

Bestzeit

Nano-Präzision: Ein 285 Mikrometer langes 3-D-Rennauto in Rekordzeit gedruckt.

Weitere Informationen:www.tuwien.ac.at

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Magazin Nur wer über den Tellerrand schaut, kann den eigenen Vorsprung bewerten und ausbauen. Technologie-News aus aller Welt.

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Page 62: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

EO

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Wenig Gewicht und extrem fest – darauf kommt es im Leichtbau an. Und genau diese Eigen schaf-ten haben die Fasern von Meerrettich, in Bayern auch Kren genannt.

Nachwuchswissenschaftler der Westsäch-sischen Hochschule Zwickau haben Meerrettich mit anderen nachwachsenden Rohstoffen verglichen, die üblicherweise als Kunststoffverstärker Verwendung finden: Hanf oder Flachs. Dabei haben sie herausge-funden, dass die Kren-Fasern eine „wesentlich höhere Festig keit bei geringerem Gewicht erzielen“. Um die ersten Erkenntnisse weiter voranzutreiben, arbeiten die Nachwuchsforscher nun daran, den Faseraufschluss zu optimieren und die Verarbeitungsmöglichkeiten zu definieren.

Crème de la Kren

Weitere Informationen:www.fh-zwickau.de

Ein Lego-Auto aus nur 50 Einzelteilen? Kein Problem! Bei einer echten Automobilkarosserie ist das ziemlich schwierig: Normalerweise besteht sie aus 150 bis 250 Einzelteilen.

Ein Projektteam am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat die Zahl der Elemente nun auf 50 reduziert. Die Karosserie ist einfach gehalten und wiegt nur 80 Kilogramm. Die Außen- und Innenschale ist aus Aluminium gefertigt. Um eine hohe Sicherheit zu erreichen, besteht der Schaumkern dazwischen aus Hoch leistungskunststoffen.

Minimalprinzip

Um den Faktor 5 abgespeckt: Eine Karosserie aus nur 50 Einzelteilen.

Weitere Informationen:www.dlr.de

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Elektrischer Schwarm

Sie fahren in einer Kette, laden sich gegen-seitig auf und tauschen untereinander Daten aus. Da-durch können die E-Fahrzeuge namens EO smart con-necting cars ihre Reichweite verlängern.

Die Wissenschaftler des DFKI Robotics In-novation Center in Bremen haben das Elektroauto so entwickelt, dass es sich eigenständig dem Verkehr an-passt: Es kann jedes der vier Räder einzeln um 90 Grad drehen und anheben. Außerdem fährt es diagonal und dreht sich auf der Stelle. Das Fahrwerk kann sich wäh-rend der Fahrt zusammenschieben und verkürzt so die Länge des Autos um 0,80 Meter auf 1,5 Meter. Zu sätz-liche Module wie Passagierkabinen können angekop-pelt werden – ganz nach individuellen Bedürfnissen des Fahrers. In Zukunft soll der EO smart connecting car auch komplett autonom fahren können.

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Schwarmintelligenz: Der EO smart connecting car ist vor allem in Gemeinschaft effizient.

Weitere Informationen:www.robotik.dfki-bremen.de

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Copyright: Jaka Plesec

Warnwesten sind ein entscheidendes Si-cher heitselement, sobald sich Menschen auf oder neben einer Fahrbahn aufhalten (müssen). Studenten an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee haben nun in Ko-ope ration mit dem Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland eine Warnweste entwickelt, die mit Hilfe von LEDs verschiedene Zeichen darstellen kann und über Gesten gesteuert wird.

Die TexVest besteht aus Polyester, auf dem 4.230 Leuchtdioden angebracht sind. Die textile Pla tine ist mit Bewegungssensoren an den Armen und einem Mikroprozessor verbunden. Dadurch erkennt die Weste die Handsignale des Trägers und zeigt ein dazugehö-riges Bild an. Die Technik könnte beispielsweise einem Polizisten dabei helfen, nachts den Verkehr zu regeln.

Lichtblick

Weitere Informationen:www.kh-berlin.de

Verkehrszeichen auf dem Oberkörper: 4.230 LEDs sind für die Gestensteuerung erforderlich.

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Passion. 126 Gran Torino 136 Fantasy-Land 144 Dynamisches Achstum 150 Rost und Logis 158 Italienisches SUVenir 168 Glossar

Passion Leidenschaft ist eine Triebfeder in der Entwicklungsarbeit von Audi. Leidenschaft bedeutet Liebe, manchmal Lust und immer volles Engagement.

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Aus dem Handgelenk: Mal zarte, mal harte Linien – mit flinken Strichen werden die Konturen eines neuen Fahrzeugs zu Papier gebracht.Gran Torino

TextUwe Hans Werner

Fotos Myrzik und Jarisch

Form-vollendet Mit der Turiner Edelschmiede Italdesign ist einer der weltweit erfolgreichsten Automobildesigner Italiens unter das Dach von Audi gekommen.

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Page 65: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Moncalieri, Via Achille Grandi, etwa 20 Kilometer südlich von Turin: Das

Domizil von Italdesign liegt inmitten eines ausgedehnten Gewerbegebiets. Ein stattlicher Gebäude komplex in einer gepflegten Gartenanlage – versteckt hinter hohen Zäunen und Gittern, die Zufahrt gesichert mit elektrisch schlie-ßen den Toren. Hier, in diesen gut abgeschirmten Werk-stätten und Ateliers, arbeiten über 800 Menschen: krea-tive Köpfe, geschickte Zeichner und CAD-Experten, For-men- und Mo dell bauer, aber auch Automobil-Handwerker – Me tall be ar beiter und Mecha niker, Elektroniker, Sattler und Schreiner. Spezialisten für alles, was man braucht, um ein komplettes Auto herzustellen. „Wir sind wie eine kleine Autofabrik“, sagt Giorgetto Giugiaro, Senior-Chef und Gründer des Turiner Unternehmens.

IDG – Italdesign Giugiaro – ist eine der bedeu-tendsten und erfolgreichsten Designschmieden im inter-nationalen Automobilgeschäft. In den 45 Jahren ihres Be stehens sind dort über 200 Fahrzeugmodelle aller be-kannten Marken entstanden – als Show- und Concept-Cars oder als Serienfahrzeuge. Zählt man die Produktions- und Stückzahlen der Hersteller zusammen, so sind von Giugiaro insgesamt wohl mehr als 50 Millionen Autos auf die Stra-ßen gekommen: vom zweisitzigen Supersport wagen über das sparsame Familienauto bis hin zum martialischen Off-roader, zum Multivan oder zur exklusiven Luxuslimousine – in Auftrag gegeben von Herstellern aus Europa, Asien und den USA.

Trotz seiner 74 Jahre ist Giorgetto Giugiaro noch fast jeden Tag in seinem Büro. Denn obgleich IDG vor knapp zwei Jahren von Audi übernommen wurde und seit-her die Last der Geschäftsführung auf mehreren Schultern ruht, ist und bleibt der jung gebliebene Grandseigneur Kopf und Gesicht des Unternehmens. Gepflegtes weißes Haar, blaue Anzughose, ein weißes, langärmliges Hemd, braunes Designer-Schuhwerk: Er wirkt aristokratisch, als er uns entgegentritt, verkörpert ganz den italienischen Gentleman. „Benvenuto“, sagt er freundlich lächelnd und heißt uns mit einem kräftigen Händedruck willkommen. Gemeinsam mit Giugiaro begeben wir uns auf einen Rund-gang und das Sightseeing durch seine Welt: die Firma mit ihren Ateliers und Produktionshallen, die schier endlose Galerie der im Lauf von Jahrzehnten erschaffenen Dream-Cars, die Stadt Turin mit einigen der für ihn wichtigen An-laufsta tionen und Plätzen.

Torino, dieses einst überschaubare Städtchen am Po, das die Savoyer 1563 zur Hauptstadt ihres Staates machten und zu einer herrschaftlichen Residenz entwi-ckelten, wurde von den damaligen Hofarchitekten und Bau-meistern auf dem Reißbrett entworfen: ein barocker Stadt-kern mit prachtvollen Straßen, Kolonnaden und Plätzen, mit wunderbaren Palästen, Theatern und Kirchen. Bis weit

ins 19. Jahrhundert hinein wachte eine eigene Stadt be-hörde über die Geschlossenheit des Ensembles. Auch des-halb vermittelt die Innenstadt bis heute ein nahezu ideal-typisches architektonisches Bild.

Außerhalb Italiens verbindet man mit Turin vor allem das Bild einer grauen Industrie- und Autostadt, eng mit dem Unternehmen und der Marke Fiat verbunden. Kaum einer kennt die mondänen Seiten der Alpenmetro-pole, die stets auch im Wettstreit mit dem bedeutenden Nachbarn Mailand steht – und das nicht nur, wenn es um Fuß ball geht. Man ringt um die Vormacht als Zentrum der Mode, als Kulturhauptstadt, als Metropole wirtschaft-licher Prosperität. In beiden Städten sind bedeutende Ver-treter des weltweit geschätzten italienischen Designs zu Hause – in Milano eher die der Haute Couture und der Mö-belindustrie, in Torino jene des Automobils: Bertone, Pinin-farina, Ghia – und Italdesign Giugiaro.

Schon früh wird Turin für Giorgetto Giugiaro zum Mittelpunkt seines Lebens. Mit 14 Jahren übersiedelt er aus seiner Heimatregion im südlichen Piemont hierher und besucht die Kunstschule – abends nimmt er zusätzlich Unterricht in Technischem Zeichnen. Turin ist heute seine Stadt, durch die er stolz flaniert, in der er seine gewohnten Gänge macht, seine besonderen Ecken hat, wo man ihn kennt, schätzt und grüßt – beim Cappuccino im Caffè Torino an der Piazza San Carlo, als Stammkunde beim benachbar-ten Herrenausstatter Olympic oder als Besucher eines der zahlreichen Museen. In diese Stadt wurde er nicht hinein-geboren, doch in ihr ist er buchstäblich groß geworden.

Giugiaros Geschichte ist die einer zielstrebigen Karriere, geprägt von glücklichen Zufällen, von Begeg nun-gen mit wichtigen Menschen und Förderern und von einer disziplinierten Arbeit am eigenen Erfolg: 1955, gerade erst 17-jährig, entdeckt Dante Giacosa, der Chef kon strukteur von Fiat, das junge Talent und holt ihn in seine Firma. Für Giugiaro, der sich nie sonderlich für Autos interessiert, sondern als Kind viel lieber mit Zeichenstift und Malkasten beschäftigt hat, ein atemberaubender Schritt. In der De-sign abteilung des internationalen Fahr zeug her stellers kommt er erstmals mit dem Automobil bau in Be rüh rung: „Das war für mich wie Universität.“ In einem großen Team darf er zunächst zwar nur Teile zeichnen und noch keine eigenen Autos entwerfen, doch dazu kommt es – unter den Fittichen von Giuseppe „Nuccio“ Bertone – schon wenige Jahre später. Er macht den 22-jährigen Giugiaro zum Chef seines neugeschaffenen Design-Centers, nachdem er Wer-ke des jungen Zeichners in einer Ausstellung gesehen hat. Entwürfe aus der Feder Giugiaros werden nun als Show- und Con cept-Cars verwirklicht, und die ersten allein von ihm gestylten Fahrzeuge gehen in Serie: Alfa Romeo 2600 Sprint, Simca 1000, Fiat 850 Spider, BMW 3200 CS oder die Sprint-Version der legendären Alfa Giulia.

Expertenblick: Giugiaro stimmt jede Ecke und Kante ab.

Feingefühl: Auch beim Interieur müssen die Linien stimmen.

Sportsgeist: Auch in der Firma ist der passionierte Mountainbiker viel mit dem Fahrrad unterwegs.

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Mit dem Entwurf des ersten VW Golf, 1974, erziel ten Giorgetto Giugiaro und IDG den Durchbruch im inter - na tionalen Automobilgeschäft: Ein bis dahin beispiel-loses Design sollte prägend für eine ganze Epoche und für eine eigene Fahrzeugklasse werden. Als „One-Box-“ oder „Folded-Paper-Design“ wurde der Stil mit den aufgeräumten Formen, den messerscharfen Kan-ten und den kraftvollen Linien in der Fachwelt ein-geordnet: schnörkellose Sachlichkeit.

Gestaltung ist für Giorgetto Giugiaro Mittel zum Zweck. Er sieht sich vor allem der Logik des Produktes verpflichtet: „Form follows function“ – Fahrer und Passagiere dürfen nicht zum Sklaven ihres Fahrzeugs werden. Insofern ist Design für ihn vor allem eine mathematische Vision, die das umsetzt, was Funktio-nalität und Nutzen fordern: klare Abmessungen mit klaren Proportionen und einer dimensionalen Logik, die sich immer auf den Menschen bezieht.

„Design soll kein Kunstwerk sein“, erklärt Giugiaro. „Im Gegensatz zur Kunst geht man nicht über die Logik hinaus. Einsteigen, aussteigen, sich hinsetzen auf kleinstem Raum – der Reiz liegt in der Reduzierung auf das Wesentliche.“

Auch außerhalb der Automobilsparte hat Italdesign vielen bekannten Industrieprodukten eine Form ge -ge ben. So zeichnet das Unternehmen etwa für die Ge staltung von Pendolino-Zügen für Fiat/Alstom, Kaf fee automaten von Faema oder die legendären Ka me ra- Bodys der Nikon-F- und D-Reihe verantwort-lich. Kurios im großen Reigen dieser Auftragsar bei -ten: das Styling eines kleinen Portionsfläschchens der Sanbitter-Limonade von San Pellegrino oder der De signer-Nudel „Marille“ für den italienischen Her-steller Voiello/Barilla.

Design muss gefallen, muss den Geschmack der Zeit treffen: „Man darf nie in Gefahr kommen, dass das Produkt nicht verstanden wird“, betont Giugiaro. „Und es soll das Leben vereinfachen.“ Trotzdem bleiben die hedonistischen Verführungen, das Streben nach Genuss und sinnlicher Erfüllung, auch für ihn nicht völlig außen vor: „Natürlich wollen wir mit einem Auto auch mal angeben, natürlich ist es immer auch ein wenig Spielzeug für die Selbstdarstellung.“ Doch ge-rade darin liegt für den Designer ein reizvoller Ziel-konflikt, mit dem er gerne spielt: Freude und Lust con-tra Mäßigung zugunsten der Vernunft.

Zusammen mit Sohn Fabrizio (47), der seit 1990 im Un ternehmen ist und seit 16 Jahren mit in der Ge-schäftsleitung sitzt, hat Giorgetto Giugiaro IDG zu einem zukunftsfähigen Entwicklungspartner der Auto-mobilindustrie geformt. Bis heute ist der 74-Jährige Gallionsfigur von IDG geblieben – hochdekortierte Ikone des internationalen Automobildesigns. 1999 wurde er zum Designer des Jahrhunderts gewählt, 2002 in die Automotive Hall of Fame aufgenommen.

Design soll kein Kunstwerk sein

PerfezioneWir sind wie eine kleine Autofabrik, wir haben alles, um ein

komplettes Fahrzeug herzustellen.Giorgetto Giugiaro

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Nach einem weiteren Wechsel zu Bertone-Kon-kurrent Ghia wagt der junge Formenschöpfer 1967 schließ-lich den Schritt in die Selbstständigkeit. Sein Traum ist eine eigene Design- und Entwicklungs schmiede, die mehr kann und will, als im Studio die For men künftiger Auto-modelle oder Fahrzeug genera tionen festzulegen. Ziel und Herausforderung liegen in der Schaf fung eines professio-nellen Fullservice-Dienstleisters für die Auto mobil indus-trie – kreative Schöpfung von der ersten Skizze über die Konstruktionspläne bis hin zum Auf bau funktionsfähiger Vorserienfahrzeuge, Kosten kalku lation und Vorschläge zur Herstellungslogistik inklusive.

Gemeinsam mit dem befreundeten Ingenieur Aldo Mantovani geht er 1968 damit an den Start. Eine ge-niale Verbindung, wie Giorgetto Giugiaro rückblickend ur-teilt: Der stark nach außen wirkende Kreative findet mit Mantovani eine ideale und befruchtende Ergänzung in einem großen, gleichwohl unprätentiösen und eher nach innen gerichteten Techniker und Konstrukteur. Das ist die Geburtsstunde von Italdesign, bis heute eine der heraus-ragenden Designwerkstätten dieser Welt, einer der ein-fluss reichsten Formenschöpfer des internationalen Auto-mobilbaus. Viele der über 200 Modelle und Serien, die dort entstehen und in den folgenden Jahren und Jahr zehn ten auf die Straßen rollen, werden zu Klassikern oder erlangen gar Kultstatus: Man denke an Fiat Panda, Lancia Delta, Saab 9000, BMW M1, Alfasud, Fiat Punto oder Audi 80.

Von ganz besonderer Bedeutung für das junge Unternehmen sind zunächst jedoch die großen Auftrags-arbeiten für die Marke Volkswagen. Mit dem kantigen und scharf geschnittenen Golf 1 gelingt nicht nur Italdesign selbst der Durchbruch im internationalen Geschäft, er hilft auch dem VW-Konzern beim Übergang aus der Käfer-Ära in die Neuzeit des Automobilbaus. „Das wichtigste Auto meiner Laufbahn“, erinnert sich Giugiaro. Mit ihm wird bei Volkswagen nicht nur technologisch und wirtschaftlich ein völlig neues Fahrzeugkonzept geschaffen, die geglückte Ablösung des kugeligen Dauerläufers durch ein betont eckiges Raumwunder sichert die Zukunft von Unter neh-men und Marke. Unterstützt wird diese grundlegende Neu-ausrichtung durch die erfolgreiche Einführung weiterer neuer Produktlinien, die bis heute Gültigkeit haben: Passat und Scirocco stammen aus jener Zeit und kommen – wie der erste Golf – aus den Ateliers von Italdesign in Torino.

„Immer wenn ich einem meiner ‚Kinder‘ begeg-ne, dann freue ich mich darüber, was aus ihnen geworden ist“, berichtet Giorgetto Giugiaro beim Spaziergang ent-lang der Via Po. „Meistens erkenne ich aber auch gleich die kleinen Unzulänglichkeiten, die sich damals im Ent ste-hungsprozess ergeben haben.“ Giugiaro gilt als ein schwer zufriedenzustellender Perfektionist – kritisch vor allem gegen sich selbst. Bei seinen Produkten kennt er alle Stär-

ken, alle Schwächen, weiß, an welcher Stelle nachgegeben wurde und wo Kompromisse zu schließen waren. Fehlende Zeit, zu hohe Kosten, Gewicht, technologische Zwänge, Sicherheitsaspekte: alles Faktoren, die eine Gestaltung mitbestimmen und die selten zu einem Idealentwurf füh-ren: „Es gibt immer etwas, was man hätte besser machen können“, gesteht der Designer.

Tatsächlich scheint er seinen eigenen Ansprü-chen nur bei einem einzigen der vielen Serienfahrzeuge wirklich nahe gekommen zu sein: beim Fiat Panda von 1980. An dem gibt es für ihn bis heute wenig auszusetzen. Mit den Augen der damaligen Zeit betrachtet, ist dieses Auto für ihn „wie eine Jeans“ – ein perfekt gestalteter Ge-brauchsgegenstand, minimalistisch in Form und Ausse-hen, dessen besondere Ästhetik im bedingungslosen Aus-druck der Funktionalität liegt. „Bei diesen Ab mes sun gen“, schmunzelt Giugiaro, „kann man eigentlich nichts Bes-seres erreichen.“

Zum Aperitivo um die Mittagszeit sitzen wir an der zentralen Piazza Castello im Barratti & Milano, einem der eleganten Kaffeehäuser der Stadt. Dort serviert man kleine Appetizer und erfrischenden Prosecco. Das prickeln-de Getränk löst die Zunge: Zeit, auch über Privates zu plau-dern. Giugiaro berichtet von einer Gemäldeausstellung, die er in seiner Heimatstadt Garessio zu Ehren des ver-storbe nen Vaters vorbereitet, erzählt von Freizeit akti vi-täten und von persönlichen Neigungen. Beim Studium der Spei se karte schließlich kommt das Gespräch auf italie-nisches Essen, auf besondere Weine, auf die Spezialitäten des Landes.

Als Hobbykoch betätigt sich Signor Giugiaro zwar eher selten, aber mit Spaß. So fuhr er eigens in die Trüffelmetropole Alba, um sich an einem Kochwettbewerb zu beteiligen – mit „Penne Vodka“, der italienischen Vari-ante eines wohl ursprünglich russischen Nudel gerichts. Im Topf werden der Speise neben den Teigwaren gekochte Kartoffelscheiben, Tomatenpüree, Käse, Butter und viel Schnaps sowie kleine Stückchen der kostbaren weißen Pilz- knolle beigegeben. Damit versuchte er die Jury zu beein-drucken – allerdings mit geringem Erfolg, wie er amüsiert erzählt. Dafür gelingt es ihm umso mehr, unser Inter esse an dem Rezept zu wecken. Wort- und gestenreich erklärt er uns die Zutatenliste und die Zubereitung: Der Meister schneidet, rührt und schüttelt, bewegt die Töpfe und Pfan-nen, fächert Luft und Dampf und gibt uns ganz das Gefühl, mit ihm zusammen dicht am Herd zu stehen. Die Be we-gungen kommen aus dem Handgelenk – hingebungsvoll und virtuos, so als führe er einen Bleistift am Zeichenbrett.

Dort haben wir ihn in seinem Büro Stunden zu-vor beobachtet, als er mit wenigen – mal zarten, mal har-ten – Strichen flink die Konturen eines neuen Fahrzeugs aufs Papier zauberte. Schnell entsteht eine markante Silhouette

MinimalismoMit den Augen der damaligen Zeit betrachtet, ist der Panda

für mich wie eine Jeans.Giorgetto Giugiaro

RiduzioneEinsteigen, aussteigen, sich hinsetzen auf kleinstem Raum –

der Reiz liegt in der Reduzierung auf das Wesentliche.Giorgetto Giugiaro

Unermüdlich: Trotz seiner 74 Jahre ist Giorgetto Giugiaro noch fast jeden Tag im Büro und arbeitet an seinem Zeichenbrett.

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Kraftvoll: Mit dem Concept-Car Brivido sorgte Giugiaro auf dem Genfer Automobilsalon 2012 für Furore.

Kurios: Im Auftrag von San Pellegrino gestaltete IDG ein kleines Fläschchen für Sanbitter-Limonade.

Klassisch: Auch Nikon-Kameras der F- und D-Reihe wurden in Moncalieri designt.

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Austausch: Gern besucht Giugiaro in Turin seinen Freund, den Auktionator Alberto Bolaffi.

Inspiration: Die Klarheit pharaonischer Kunst fasziniert den erfolgreichen Designer.

VisioneWer mit offenen Augen durchs Leben geht, nimmt unbewusst viele Dinge

wahr – und bei der Arbeit kommt manches zurück.Giorgetto Giugiaro

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Experten unter sich: In Turins Ägyptischem Museum fachsimpelt Giugiaro gerne mit der Direktorin.

Verkanntes Turin: Herrschaftliche Metropole mitprachtvollen Gebäuden, Straßen und Plätzen.

Benvenuto Audi: Auch im Kaffeehaus sind die VierRinge schon angekommen.

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Lebensart: Ein Cappuccino im Caffè Torino gehört zu jedem Stadtbummel.

Erfolgsmodell: Der Golf 1 ist die wohl wichtigsteDesignarbeit von IDG.

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mit charakteristischen Merkmalen und Stil elementen – ein spontaner Wurf, wie er zu Beginn des Ent stehungs pro-zesses eines Maserati Bora, des Ferrari GG50 oder eines Alfa Romeo Brera gestanden haben mag.

Anregungen für neue Kreationen holt sich Giu-giaro allerdings aus einer anderen Welt. Der gelernte Kunst- maler und begeisterte Porträtzeichner, der im häuslichen Umfeld nicht eine Skizze von Automobilen verwahrt, ge-winnt Inspiration vor allem bei Ausstellungs- oder Mu-seumsbesuchen. Im Herzen Turins entführt er uns in die Formenwelt der Ägypter, ins Museo Egizio in der Via Acca-demia delle Science. Mit Eleni Vassilika, der Direk torin, fachsimpelt er dort gerne über die Klarheit der Kunst aus pharaonischer Zeit. Mag sein, dass er die scharfkantige, geometrisch geschnittene Architektur der Pyramiden im Kopf hatte, als er damals die Umrisse des VW Golf oder des Fiat Panda zeichnete.

„Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, nimmt unbewusst so viele Dinge wahr – und bei der Arbeit am Zeichentisch kommt manches zurück“, erklärt Giu-giaro, „ein Bild, ein Zitat, eine Vision.“ Er kopiert nichts, ahmt nichts nach, aber er nimmt Gesehenes auf, verarbei-tet es in seinen Skizzen. Das dürfte auch für die geschwun-genen Linien des Jugendstils und die härteren Formen des Art déco gelten. Neben Kunstwerken aus vergangenen Jahrhunderten sammelt Giugiaro Druckgrafiken aus jener Zeit. Im Auktionshaus von Alberto Bolaffi in der Via Cavour stöbert er hin und wieder nach Arbeiten von Toulouse-Lautrec oder einem anderen stilprägenden Künstler dieser Epoche. Und sofern der Chef bei seinen Besuchen selbst zugegen ist, gibt es für die beiden Freunde immer Zeit für einen Espresso und ein anregendes Gespräch. Oder Raum für die Besichtigung der neuesten Exponate in Bolaffis liebevoll zusammengetragener Privatsammlung zu Phä-nomenen menschlicher Kommunikation.

Die entdeckten Freiräume bei unserem Bum-mel durch das sommerliche Turin haben dem 74-jährigen Automobildesigner sichtlich gefallen. Noch ist die Zeit, in der er sich ihnen in vollem Umfang widmen könnte, aber nicht absehbar. In Perioden des Wechsels und Wandels wird der Senior bei IDG nach wie vor gebraucht. Es gilt, den Übergang in die Welt eines Konzernunter neh mens zu be-gleiten und die Integration in den Audi-Verbund voranzu-treiben. „Wir sind jetzt Teil einer großen Familie“, betont Giugiaro. Da muss auch die eigene Rolle neu definiert wer-den: Mannschaftsspiel ist angesagt.

„Natürlich behalten wir unsere unabhängige kreative Seele“, versichert der erfahrene Designer. Als weltweit anerkannter Automotive-Dienstleister will IDG innerhalb des Gesamtkonzerns als Engineering-Center wirken – mit der Entwicklung und dem Aufbau von Con-cept-Cars, fahrbaren Prototypen und Kleinserien für alle

Marken unter dem Dach der Volkswagen AG. Und als tra-ditionsreiches italienisches Designatelier natürlich auch die Fortentwicklung der individuellen Formen spra chen der einzelnen Marken mitgestalten. Dazu sollen in frühen Phasen der Fahrzeugentstehung auch Gestaltungs va ri-anten angeboten werden.

Als internationale Plattform bleibt dem Unter-nehmen die Messe in Genf, auf der IDG über mehr als 40 Jahre hinweg stets vertreten war. Mit einem eigenen Con-cept-Car will man weiterhin alljährlich für Furore sorgen, um den Markt und den aktuellen Zeitgeschmack zu testen. Wie in diesem Jahr mit der aufsehenerregenden Studie des Brivido, die die Fachwelt mit viel Anerkennung quittierte. „Benvenuto Giugiaro“, hieß es 2012 auf dem Geneva Pal-expo, „benvenuto“ – ein Willkommen für eine wirklich at-traktive Audi-Tochter.

IntegrazioneWir sind jetzt Teil einer großen Familie. Aber natürlich behalten wir unsere

unabhängige kreative Seele.Giorgetto Giugiaro

Giorgetto Giugiaro und Italdesign

1938 Giorgetto Giugiaro wird in Garessio im südöstlichen Piemont geboren.

1955 „Lehrjahre“ in der Designabteilung von Fiat in Turin.1959 Nuccio Bertone holt ihn als Designchef in sein neues Design-Center.

1967 Schritt in die Selbstständigkeit – Giugiaro gründet die Firma Italy Styling.1968 Umfirmierung in Italdesign – Partner wird Konstrukteur Aldo Mantovani.

1974 Im Auftrag von Volkswagen entsteht der Golf 1 als Nachfolger des VW Käfer.

1990 Sohn Fabrizio tritt in die Firma ein, ist seit 1996 Mitglied der Geschäftsleitung.1999 Wahl zum Designer des Jahrhunderts.

2002 Aufnahme in die Automotive Hall of Fame.2010 Übernahme von 90,1 Prozent der Anteile durch Audi.

Produkte IndustriedesignLagostina Atmosphere – Dampfdrucktopf Porzellan-Serie „Funé“ – Richard Ginori „Marille“ Pastanudel – Voiello/Barilla Daiwa G2-EX – Skistiefel Tecnica Inline-Skater „Bright red Soda“ (Sanbitter/San Pellegrino) Okamura C /P Baron – Ergomomic Chair Molten Official GL7 – WM-Basketball Nikon Kamera F3- 6, D1- 4, D800 Fiat /Alstom Pedolino ETR 460 ff Minuetto Regionaltriebzüge Lamborghini Tractors Seiko Speedmaster Beretta CX4 Storm G-Energy S-Synth Motor-Oil

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Page 69: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

tasy-Land

24-Stunden-Rennen Zum Langstrecken-Klassiker zieht es Jahr für Jahr Motorsportfans aus der ganzen Welt. Warum bloß?

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Page 70: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Kein guter Ort, um sein Zelt aufzuschlagen, möchte man meinen. Für Adrian Le Monnier der beste Platz auf dem Ge lände. Im „echten Leben“ ist der Brite mit den französischen Wurzeln Anwalt, wohnt in Birmingham und fährt einen mattgrauen Audi R8. Hier heißt er für ein Wochenende einfach nur Ade, ist Motor-sportfan und Vollblutcamper. Zwischen bunten Zelten thront er auf einem Campingstuhl mit Blick zur Straße, in der Hand immer ein kühles Bier. Über ihm weht die englische Flagge. Das Renn ge-schehen spielt sich in einigen hundert Metern Entfernung ab, ist aber unüberhörbar. Aus großen Lautsprecherboxen dröhnt Radio Le Mans, ein englischsprachiger Radiosender, der die Fans rund um die Uhr mit Analysen und Interviews versorgt. Ade ist seit 2007 beim legendären 24-Stunden-Rennen dabei, damals noch mit sechs Freun den. Inzwischen drängen sich 23 Personen auf dem Areal, das mit rot-weißen Absperrbändern markiert ist. „Jedes Jahr wer-den wir mehr“, erzählt er. „Wir kommen aus ganz England und treffen uns genau einmal im Jahr – hier in Le Mans.“

Inmitten des stetig wachsenden Camps steht ein Ver-sorgungszelt, das für ein Outdoor-Wochenende erstaunlich gut ausgestattet ist: Kühlschränke, eine tragbare Kochzeile mit großen Herdplatten und eine riesige Tafel, an der alle Platz finden. Die Grup pe teilt sich an diesem Rennwochenende alles: den Schlafplatz in den Zelten, das Essen, das Bier, vor allem aber die Leidenschaft für den Rennsport. Das ganze Jahr über freut sich Ade auf das Rennen, diesen „echten Männerurlaub“ wie er sagt. Der beginnt, sobald er sich in seinem R8 gen Süden aufmacht – im Konvoi mit all den anderen Le-Mans-Enthusiasten. „Autos und Freundschaft“, diese Kombination macht für ihn den besonderen Reiz an Le Mans aus. Schon Monate im Vorfeld überlegt er sich ein Motto für den Abend vor dem Rennen. Der ist bei Motorsportfans besser bekannt als „mad friday“, verrückter Freitag, und Ade und seine Freunde, die alle bunte Hawaiihemden tragen, fallen unter den Fans, die sich als Walt-Disney-Figuren, Super Marios und Plüschhäschen verklei-den, kaum auf. Sehen und gesehen werden.

„Das ist Le Mans!“ Ein kurzer Satz, der ein-fach klingt. Ein Satz, dem unzählige Ge-

schich ten vorausgehen. Vor allem aber ein Satz, den man immer wieder hört, wenn Menschen mit leuchtenden Augen erzählen, warum sie Jahr für Jahr zu Hundertausenden in eine Stadt 200 Kilometer südwestlich von Paris pilgern. Warum sie für ein Wochen-ende im Juni auf jeglichen Komfort verzichten. Und warum sie ver-suchen, 24 Stunden lang wach zu bleiben – und das alles wegen eines Autorennens.

Um das zu verstehen, muss man Menschen treffen wie Adrian Le Monnier. Ihn findet man an der Straße, die die Haupt -tri bünen gegenüber der Boxengasse direkt mit dem größten Cam-p ing platz an der Strecke verbindet. Hier herrscht Tag und Nacht Hoch betrieb: Grölende Fangruppen ziehen vorbei und werfen ihre leeren Bierdosen in den Straßengraben, die Gendarmerie fährt regelmäßig Patrouille, und stolze Besitzer hochmotorisierter Autos kutschieren ihre Schätze unter lautem Aufheulen der Mo toren die Gerade auf und ab. Sehen und gesehen werden – auch das ist Le Mans.

TextStefanie Kern

Fotos Myrzik und Jarisch

In guter Gesellschaft: Für drei Tage wird Le Mans zum hochkarätig besetzten Zeltplatz.

Nah dran: Das Zelt von Jake Jacobs trennt nur ein kleiner Zuschauer-hügel von der Rennstrecke.

Der Schein trügt: So still und ruhig ist es auf den Campingplätzen rund um die Strecke nur selten.

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Normalerweise gehe ich nicht campen, nur hier in Le Mans. Mein Zelt ist sehr minimalistisch, aber mehr braucht man doch auch nicht. Jake Jacobs

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Auch das ist Le Mans Der wahre Fan kombiniert luxuriöse Anreise mit spartanischem Logis. So finden Hochleistungs-Sportwagen und Zweimannzelt zueinander.

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Die wahren Profis nehmen deshalb den kilometerlan-gen Weg nach Arnage auf sich – ein Ortsteil von Le Mans, in dem einige große Anwesen mit Pool und Doppelgaragen stehen und wo den Rest des Jahres über nicht viel passiert. Hierher gelangen die Hart ge sottenen über die Landstraße. So wie Jean-Charles Colombier. Der Franzose ist ständig auf der Suche nach Fotomotiven. Für ihn ist der Blick auf die Fahrbahn nirgendwo sonst so perfekt wie auf dem kleinen, abgeschiedenen Hügel von Arnage: Die Rennwagen kommen aus der Indianapolis-Kurve geschossen und haben dann ein ganzes Stück freie Fahrt geradeaus vor sich. Hier jagen die Fah-rer die Tachonadel noch einmal so weit in die Höhe, wie es nur geht, bis sie vor der nächsten Biegung abbremsen und die roten Brems-lichter aufleuchten.

Jean-Charles Colombier liebt dieses Wechselspiel aus Be- und Entschleunigung. Der Ausbilder in einer Mechanikerschule im französischen Rouen hat Benzin im Blut und ist am 26. Mai 1963 geboren – auf den Tag genau 40 Jahre nach dem ersten Le-Mans-Rennen. Einer seiner besten Freunde fährt ebenfalls beim Rennen mit: Raymond Narac, im Porsche 911 in der GT2-Fahrerwertung. Colombier lebt und liebt Le Mans. 1985 kam er zum ersten Mal hierher. Das ganze Jahr über sammelt er alles, was ihm an Büchern und Zeitschriften dazu in die Hände fällt. Sein Traum ist es, irgend-wann selbst einmal ein Buch herauszugeben – mit selbstgeschos-senen Fotos von den Fahrern und deren Autos. „Von den echten Champions“, wie Colombier sagt. Auch wenn der 49-Jährige realis-tisch bleibt: „Ich weiß, dass ein Buchdruck sehr teuer ist.“

Für Fotografen ist Le Mans ein echtes Mekka. Schon Mo-tor sportfans wie Adrian Le Monnier bieten in ihren Camps verrückte Motive en masse. Hinzu kommen die vielen teuren Autos, die man eher – von Scheinwerfern angestrahlt – im Showroom eines Auto-hauses vermuten würde als im Schlamm neben den Zelten. So nah und so geballt wie in Le Mans lassen sich die Aston Martin, Ferrari und Porsche selten bestaunen.

Und dann ist da natürlich auch noch das Rennen selbst. Jeder möchte den besten Blick auf die Boliden erhaschen, die Runde um Runde den 13,629 Kilometer langen Kurs entlangjagen. Jeder möchte das beste Foto, den Moment, in dem einfach alles stimmt: das Licht, das Auto in der Kurve, der Hintergrund. Dafür hat man in den 24 Stunden – zumindest beim siegreichen Audi R18 e-tron quattro, der die meisten Runden absolviert hat – 378 Mal die Ge le-gen heit. Man kann sich das Rennen natürlich bequem auf den Haupt- tribünen ansehen. Unter dem Dach ist es bei Regen trocken und bei Hitze kühl, und an den umliegenden Ständen können sich Mo tor-sportfans mit Getränken und Snacks versorgen. Man ist hier aber auch nicht allein, Tausende Fans drängen sich auf den Rängen: Einen guten Standort zum Fotografieren muss man sich hier erkämpfen.

Gut gekleidet: Zu einem echten „Männerurlaub“ an der Rennstrecke gehört auch das richtige Outfit.

Gut getarnt: In den frühen Morgenstunden halten dicke Pullis die Kälte ab.

Gut postiert: In der Dämmerung kommen die Bremslichter am besten zur Geltung.

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Keine Müdigkeit vortäuschen Wach bleiben lautet die Devise in Le Mans – auch wenn es schwer fällt. Wer durchhält, wird mit tollen Fotomotiven belohnt.

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Tribünenplätze: Eine gute Sicht auf die Rennboliden ist Gold wert.

Siegesfeier: Nach dem Drei-facherfolg von Audi pilgern die Fans Richtung Podest.

Farbenspiel: Vor dem Start erscheint die französische Flagge am Himmel über der Strecke.

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Zum Langstrecken-Klassiker ist Colombier mit seinen Kumpels angereist. Sie wohnen auf dem Zeltplatz und wollen Le Mans so erleben, wie sie es immer machen: 24 Stunden wach blei-ben, obwohl sie sich vor Müdigkeit kaum mehr auf den Beinen hal-ten können, um nur ja keine Sekunde auf der Strecke zu verpassen – oder das perfekte Foto. Das ist Le Mans für Jean-Charles Colombier.

Ein schönes Motiv für Paparazzi bietet auch der Audi R8 von Jake Jacobs. Gerade einmal drei Wochen ist das Auto alt und schon unübersehbar ein echter Le-Mans-Renner. Auf dem Camping-platz direkt neben der Porsche-Kurve stiehlt er allen die Show, denn auf der Motorhaube und den Türen prangen knallbunte Sticker mit der Aufschrift „24 Heures du Mans“. Kaum als Eyecatcher taugt hingegen das winzige Zelt, aus dem Jake Jacobs herauskriecht. „Es ist sehr minimalistisch, aber mehr braucht man hier doch auch gar nicht“, sagt er. Zelten ist eigentlich nicht so sein Ding. Der Brite be sitzt drei große Fitnessstudios in Cheltenham und macht sonst lieber Luxusurlaub auf Barbados, einer Insel auf den kleinen Antil-len. Aber einmal im Jahr rauscht der Motorsportfan, der selbst bei Amateurrennen mitfährt, mit einem Audi R8, Ferrari oder Maserati nach Le Mans. Um sein Zelt nicht einmal zehn Meter von der Renn-strecke entfernt aufzuschlagen und sich dann dem Rausch der Ge-schwindigkeit hinzugeben, den Motorensound in den Ohren wum-mern zu hören und das Vibrieren des Bodens zu spüren.

Ja, das ist Le Mans.

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An der Strecke Einmal im Jahr machen sie sich zu Hundertausenden nach Le Mans auf – Motorsportbegeisterte aus der ganzen Welt.

Folgen Sie dem Audi R18 e-tron quattro auf einer Runde in Le Mans!www.dialoge.audi.de

Eine Runde in Le Mans

Ligne droitedes Hunaudières

320 km/h6. Gang

Virage Ford112 km/h3. Gang

Start / Ziel

Virage d’Arnage75 km/h1. Gang

Virage Porsche210 km/h4. Gang

275 km/h5. Gang

310 km/h6. Gang

„S“ du Tertre Rouge150 km/h3. Gang

Virage du Tertre Rouge

190 km/h 4. Gang

RalentisseurPlaystation

105 km/h2. Gang

RalentisseurMichelin

105 km/h2. Gang

305 km/h6. Gang

Courbe Dunlop100 km/h

2. Gang

„S“ d’Indianapolis106 km/h

2. Gang

Virage de Mulsanne87 km/h2. Gang

Ligne droitedes Hunaudières

315 km/h6. Gang

290 km/h5. Gang

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Page 73: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Audi R18 e-tron quattro

Zum ersten Mal triumphierte ein Fahrzeug mit

Hybridantrieb bei den 24 Stunden von Le Mans. Audi feierte den Sieg –

und die Rückkehr des quattro auf die Rennstrecke.

Innovation 2012: Der Audi R18 e-tron quattro kombiniert einen hocheffizienten V6-TDI an der Hinterachse mit einer elektrisch angetriebenen Vorderachse.

Folgen Sie dem Audi R18 e-tron quattro auf einer Runde in Le Mans!www.dialoge.audi.de

Dynamisches Achstum

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Page 74: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Audi und Le Mans: Die Erfolgsstory geht wei­ ter. Immer wieder gelingt es der Marke mit

den Vier Ringen, beim wichtigsten Langstreckenrennen der Welt neue Technologien an den Start zu bringen – und mit ihnen auch zu gewinnen. Der erste Sieg eines Fahrzeugs mit TFSI (2001), der erste Erfolg eines Diesel­Sportwagens (2006) und der erste Triumph mit variabler Turbinengeometrie (VTG) beim Rekord ren nen 2010 sind hervorragende Beispiele dafür. 2012 nun der nächste technolo­gische Meilenstein: der erste Sieg eines Hybridfahrzeugs bei der 80. Auflage des Langstrecken­Klassikers.

Rund 200.000 Zuschauer erlebten ein spektakuläres Rennen mit einer Dramaturgie, wie es sie nur im französischen Mo­torsport­Mekka gibt. Die Chance auf den insgesamt elften Le­Mans­Sieg der Marke war für alle vier gestarteten Audi R18 in greifbarer Nähe, die Entscheidung fiel nach 378 Runden: Am Steuer des Audi R18 e­tron quattro mit der Startnummer 1 hatten die Vorjahres­sie ger erneut die Nase vorn.

„Das Auto fährt wie auf Schienen“, hatte der spätere Gewinner André Lotterer schon geschwärmt, nachdem er mit dem neuartigen Hybrid­Rennwagen die Poleposition geholt hatte. Im Rennen konnte der Audi R18 e­tron quattro dann alle seine Vorteile ausspielen: Platz eins und zwei für das Hybridfahrzeug – gleich beim Le­Mans­Debüt.

TextThomas Voigt

Illustrationensxces

Beschleunigung: Bis 120 km/h treibt der 3,7-Liter-V6-TDI das Fahrzeug allein über die Hinterachse an.

Energiegewinnung: Beim Bremsen wird der Drehmassenspeicher geladen.

LED-Technologie: Der R18 e-tron quattro bringt das Leuchtdioden-Licht von der Straße auf die Rennstrecke.

Charakteristisch: Die lange Finne zwischen Cockpit und Heckflügel.

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Boost-Modus: Die elektrisch angetriebene Vorderachse wird zugeschaltet.

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Der Veranstalter des Rennens, der Automobile Club de l’Ouest (ACO), lässt den Ingenieuren der Automobilhersteller ganz bewusst viel Raum für Kreativität. Audi nutzt das konsequent: Der in Le Mans siegreiche Audi R18 e-tron quattro, von den Mechanikern liebevoll „Electra“ getauft, kombiniert einen hoch effizienten 3,7- Liter-V6-TDI an der Hinterachse mit einer elektrisch angetriebenen Vorderachse. „e-tron quattro“ heißt die Technologie, die Audi auch schon für den Einsatz in der Serie erprobt und die für einen Sport-proto typ einzigartig ist.

Eine ganze Reihe weiterer Innovationen hat den Härte-test Le Mans erfolgreich bestanden. Der eingesetzte digitale Rück-spiegel könnte eines Tages auch den Weg in die Serienfertigung finden: Eine winzige, nach hinten gerichtete Kamera auf dem Dach des Sportwagens erfasst das Geschehen und sendet ihre Signale an einen neuartigen Bildschirm. Anstelle eines LCD-Displays kommt ein Aktivmatrix-OLED-Display (AMOLED) zum Einsatz. Die dort ver-wendeten organischen Materialien sind selbstleuchtend, eine Hin-terleuchtung ist nicht mehr nötig. Die außerordentlich dün nen Dis-plays haben einen extrem hohen Kontrast, eine sehr gute Farb-wiedergabe und Schaltzeiten von wenigen Millisekunden. Selbst bei 330 km/h bleibt der Bildablauf bei Echtzeitübertragung ab-solut flüssig.

Eine echte technische Revolution ist die sogenannte Mo-tor-Generator-Einheit (MGU), die vorne im Monocoque sitzt. Sie wird beim Bremsen aktiviert und verwandelt die Drehbewegung der Vorderräder, die durch zwei Antriebs wellen an der Vorderachse ins Innere der MGU übertragen werden, in Strom. Dieser wird dazu ge- nutzt, einen Drehmassenspeicher im Cockpit elektrisch in Schwung zu versetzen – auf bis zu 45.000 Um dre hungen. Anschließend kann die gespeicherte Energie wieder abgerufen werden, um zwei Elek-tromotoren in der MGU zu speisen. Sie übertragen beim Beschleu-nigen bis zu 150 kW (204 PS) auf die Vorderräder.

Allerdings gibt es – wie so oft im Motorsport – Beschrän-kungen durch das Reglement: Nur maximal 0,5 Megajoule dürfen genutzt werden – in Le Mans sieben Mal pro Runde auf exakt defi-nierten Streckenabschnitten. Und im Falle des R18 e-tron quattro erst ab einer Geschwindigkeit von 120 km/h.

Ab 2014 werden die Karten in Le Mans mal wieder neu gemischt. Das neue, innovative Reglement gibt eine Energiemenge pro Runde vor, aus der jeder das Maximum herausholen muss. Bei der Motorisierung und den Hybridsystemen bekommen die Her-steller dabei noch mehr Freiheiten als bisher. Gleich zeitig soll der Kraftstoffverbrauch um weitere 30 Prozent reduziert werden.

„Das Reglement, an dem wir intensiv mitgearbeitet haben, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung“, ist Audi-Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich überzeugt. „Es fördert die Entwicklung neuer Technologien, die vor allem auch für den Einsatz in der Serie relevant sind. Genau deshalb engagiert sich Audi in Le Mans.“

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Heckkamera: Die winzige, nach hinten gerichtete Kamera auf dem Dach erfasst das Geschehen hinter dem R18 e-tron quattro.

Digitaler Rückspiegel: Was die Heckkamera sieht, zeigt ein Aktivmatrix-OLED-Display (AMOLED).

Eisenmangel: Das Getriebegehäuse im R18 e-tron quattro ist aus CFK gefertigt.

Kraftzwerg: Der V6-TDI mit 3,7 Litern Hubraum leistet 375 kW (510 PS).

VTG-Turbolader: Die Variable Turbinengeometrie (VTG) verbessert das Ansprechverhalten.

Aerodynamik: Der verringerte Luftwiderstand erhöht die dynamische Effizienz.

Auf- und Abtrieb: Für eine optimierte Fahr dynamik sind die aerodynamischen Kräfte exakt aufgeteilt.

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Page 76: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Audi Classic Owners Hinter den privaten Garagentoren mancher Audi-Mitarbeiter verstecken sich ungeahnte Schätze: Old- und Youngtimer – 425 Autos, 14 Traktoren und 176 Motorräder aus allen Epochen der Automobilgeschichte. Inzwischen haben sich 295 Fans und Besitzer zu den Audi Classic Owners (ACO) zusammenge-schlossen. Jede Marke ist erlaubt, 51 sind es mittlerweile. Jedes Auto hat seine Geschichte, wir haben einige davon zusammengetragen.

Rost und Logis

Pure Leidenschaft: Für viele Audianer sind Oldtimer mehr als ein Hobby.

TextAgnes Happich

Fotos Myrzik und Jarisch

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Page 77: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Liebesgeschichte in zwei Takten

Dabei war der 1000 SP sicher nicht als Familienkutsche konzipiert. Die Wildes wussten sich zu helfen. Wenn sie in den Ur-laub fahren wollten, hängten sie kurzerhand einen kleinen Ge päck-anhänger hinten dran. Das Gepäck der ganzen Familie – mittler-weile hatten die Wildes zwei Söhne – hätte nie ins Auto gepasst. So wuchs das Auto mit der Familie.

In den 70er und 80er Jahren wurde der 1000 SP altmo-disch und zog deshalb – ein weiteres Mal – die Blicke auf sich. Das bewog die Wildes aber keineswegs dazu, das Auto zu verkaufen. Sputnik verwandelte sich von selbst in einen Youngtimer und wurde schließlich – nach 30 Jahren in der liebevollen Familienobhut – zum Oldtimer, zumindest auf dem Kennzeichen. „Für mich ist das Auto kein Oldtimer“, sagt Albine Wilde. „Für mich ist das ein Stück Er-innerung, ein Stück Jugend.“

Albine erinnert sich gut an die erste Oldtimerrallye, die sie als Beifahrerin mit ihrem Mann und dem mittlerweile würdevoll gealterten Sputnik bestritt. Das war 1988. „Ich hatte mir so eine Rallye ganz anders vorgestellt, viel glamouröser. Die Fahrt stellte sich aber als purer Stress heraus, ein echter Prüfstein für unsere Be ziehung.“ Nach der schwierigen Premiere gab die ehrgeizige Albine Wilde aber nicht auf. Sie ließ sich in Kursen zur Rallye-Bei-fahrerin ausbilden. Sie lernte, sechs Uhren gleichzeitig zu bedienen und ihren Mann professionell zu navigieren. Mit Erfolg: 1993 ge-wann das Ehepaar die Oldtimer-Europameisterschaft Mitropa-Cup. Nicht zuletzt dank dem Ehrgeiz von „Biene“, wie Walter seine Frau liebevoll nennt.

Der Funke war auch bei ihr übergesprungen. Sie ist es gewesen, die Anfang der 90er Jahre angeregt hatte, noch einen Oldtimer speziell für die Rallyes anzuschaffen. Etwas Wendiges, Sportliches sollte es sein, eine echte Rarität: ein DKW Monza. Die hohen Ansprüche seiner Frau machten Walter Wilde zu schaffen. Ein Monza ist äußerst selten. Es sind kaum mehr als 50 Stück er-halten. Nach langer Suche fanden sie schließlich so ein Schmuck-stück. Und Sputnik bekam sportliche Gesellschaft in der Garage.

Mittlerweile besitzt die Familie acht Old- und Young-timer und ein DKW-Motorrad. Dabei hatten sie nie geplant, Samm-ler zu werden. Walter Wilde hatte einfach ein Auto ge kauft, es ge hegt und gepflegt. Er verbrachte von Anfang an viel Zeit mit seinem Sputnik, kennt jede Schraube, jedes Teil. Wenn der Zwei-taktmotor losknattert, hört er manchmal ein kleines Pfeifen. „Das ist der Keil riemen“, erklärt Albine Wilde. „Er nennt ihn seine Hexe.“ Für Albine Wilde, die anfangs alles andere als autoaffin war, war Walters Lei denschaft für seine Rakete nicht immer einfach. „Ich liebe mein Auto sehr“, gibt Walter Wilde zu. „Aber meine Frau liebe ich mehr.“

Auto Union 1000 SP

Bauzeitraum: 1958 bis 1965Motor: Dreizylinder, ZweitaktHubraum: 981 cm³Leistung: 55 PSOriginalpreis: 10.950 DMExemplare Roadster: 1.640Exemplare Coupé: 5.004

Oldtimer sind alte Autos. Für manche Men-schen aber bedeuten sie viel mehr: Erin ne-

rungen, erste Liebe, Lebensgeschichte. Walter Wilde verliebte sich vor 51 Jahren in einen Auto Union 1000 SP und erfüllte sich mit dem Kauf des Neuwagens einen Traum. Dann verliebte er sich in seine Frau und gründete eine Familie. Die Zeit veränderte vieles, das Auto blieb.

Die Romanze begann etwas holprig. Eigentlich hatte sich Walter Wilde schon gegen sein Traumauto, den Auto Union 1000 SP, entschieden. Das „Vernunftauto“, der solide DKW Junior, war bereits bestellt. Der DKW war Anfang der 60er Jahre das üb-liche Fortbewegungsmittel der Werksangehörigen der Auto Union, keineswegs ein Statussymbol, anders als der 1000 SP.

Doch der Junggeselle Wilde folgte seinem Herzen. Er entschied sich spontan um und zahlte einen schnittigen 1000 SP an. Vernünftig war die Entscheidung nicht. Walter Wilde hatte sich vom günstigsten Auto der damaligen Modellreihe für das teuerste entschieden. „Für den Preis des 1000 SP hätte ich zwei DKW Junior bekommen“, erzählt der heute 75-jährige Wilde. Er wählte mit dem Auto auch ein Image: Der 1000 SP war ein Auto wie der amerika-nische Traum. Wie bei einem amerikanischen Straßen kreuzer ste-hen die Flossen auf dem Heck des Wagens. Die Kombination aus weißem Lack und rotem Kunstleder-Interieur zog zusätzlich die Aufmerksamkeit auf sich. Der 1000 SP, Spitz name „Sputnik“, ist eine echte Schönheit und kommt – trotz oder wegen des Zwei takt-motors – rasant daher. Nicht unbedingt ein Auto für einfache In-genieure der Auto Union wie Walter Wilde.

„Ein Angeberauto war das“, sagt Albine Wilde. Die Bank- kauffrau kannte den 1000 SP ihres späteren Mannes, noch bevor sie den Fahrer kannte. In ihrem Heimatort nahe Ingolstadt hatte sich schnell herumgesprochen, dass ein neu zugezogener Düssel-dorfer Ingenieur den weißen Schlitten fuhr. „Kennenlernen wollte ich den bestimmt nicht“, sagt sie heute lächelnd. Durch Zufall lernten sich Walter und Albine dennoch kennen und – trotz An ge-berauto – lieben. Albine merkte schnell, dass sie in der Beziehung mit Walter nicht allein war – Sputnik war immer dabei. So bestand Walter Wilde am Hochzeitstag darauf, das Hochzeitsauto – seinen 1000 SP – selbst zu fahren. „Das war damals sehr unüblich“, erzählt die 71-jährige Albine. Mit Sputnik fuhren die Wildes anschließend in die Flit terwochen durch die Schweiz, Österreich und Südtirol. Als der kleine Gerhard geboren wurde, brachte ihn Sputnik aus dem Kranken haus nach Hause. Gerhard wuchs mit und in dem Ra ke-tenauto auf. Bei langen Fahrten zu Bekannten erhitzten die Eltern sein Baby fläschchen am Motorblock. „Das muss Spuren bei Gerhard hinterlassen haben“, sagt Albine Wilde lächelnd. Ihr Sohn ist heute selbst Oldtimerfan und Audi-Mitarbeiter. Sputnik spielte von An-fang an eine tragende – und fahrende – Rolle in der Familie.

Mutter, Vater, Auto: Bei den Wildes gehören die Oldtimer zur Familie.

Roter Salon: Das Kunstlederinterieur des DKW Monza ist ein echter Eyecatcher.

Futuristisch: Die Heckleuchten sind für Walter Wilde das Highlight an seinem „Sputnik“.

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Erleben Sie die oldtimer- verrückte Familie Wilde im Video!www.dialoge.audi.de

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Erleben Sie Thomas Frank im Interview!www.dialoge.audi.de

Der Jäger der verlorenen Schätze

Thomas Frank liebt Oldtimer. Als Leiter der Audi Tradition und Gründer der Audi Classic

Owners weiß er alles über den Zauber des alten Blechs. Er ist immer auf der Suche nach dem perfekten Schnäppchen und weiß, was beim Oldtimerkauf zu beachten ist.

Sie kamen gerade mit dem Audi 100 Coupé S, Baujahr 1973, hier an. Ist das etwa Ihr Alltagsauto?

Ich fahre mit alten Autos, so oft es geht. Sogar zur Ar-beit. So kann ich auf der Fahrt ins Büro am besten entspannen.

Ein Oldtimer ist für Sie also ein Gebrauchsgegenstand?Ich finde, ein Auto sollte nicht in der Garage versauern,

auch ein Oldtimer nicht. Es ist schließlich ein „Fahrzeug“ und kein „Stehzeug“. So ein Auto hält auch mal einen Regenschauer aus.

Trotzdem ist das Coupé S ein sehr seltenes Auto.Damit würden Sie auf jeder Oldtimerrallye in Deutsch-

land sofort einen Startplatz bekommen. Dagegen sind Mercedes Flügeltürer, Porsche Spyder oder Jaguar XK Massenware. Sie sind deutlich teurer als ein Coupé S, aber eben auch wesentlich häufiger.

Sie sind nicht nur Gründer der Audi Classic Owners, sondern auch Leiter der Audi Tradition. Sie gehen für Audi auf die Jagd nach Old- und Youngtimern. Welche Quellen empfehlen Sie bei der Suche nach dem perfekten Oldie?

Da sind zunächst die einschlägigen Zeitschriften wie Motor Klassik, Oldtimer Markt oder Auto Bild Klassik. Entscheidend sind immer auch Kontakte. Das ist ja auch der Sinn der Audi Classic Owners: Wir bringen Leute miteinander ins Gespräch. Leute, die vielleicht ein Auto kaufen wollen, können sich mit Oldtimer besit-zern austauschen. Eine ganz wichtige Quelle ist auch das Internet. Ich schaue fast jeden Tag im Internet, zum Beispiel auf mobile.de, Autoscout24 und eBay, nach Angeboten. Ich bin permanent auf der Suche nach Schnäppchen. Das ist überhaupt das Schlimmste, wenn man Oldtimerfan ist. Man ist immer auf der Jagd.

Gibt es dieses ultimative Schnäppchen, den verborgenen Schatz überhaupt noch?

Die gibt es. Diese Schätze sind oft die sogenannten „Opa-Autos“, die jahrelang in Garagen versteckt waren, mit weni-gen Kilometern und kaum verbeult. So gesehen bin ich ein moder-ner Schatzsucher.

Sie haben mal ein Auto auf eBay ersteigert. Können Sie diese Quelle empfehlen?

eBay ist eine der weltweit größten Börsen für Oldtimer und umfasst auch internationale Angebote. Meinen Porsche 944 S2 Cabrio habe ich dort ersteigert. Es war mitten im Winter bei minus 24 Grad. Ich war damals der einzige Bieter. Bei diesen Tem-peraturen wollte keiner ein Cabrio ersteigern.

Welche Regeln sollte man beim Oldtimerkauf unbedingt beachten?

Zunächst sollte man sich den Gesamtzustand des Autos ansehen und dann natürlich den Verkäufer. Dann kommt die Pro-befahrt. Viel beim Autokauf ist Vertrauenssache. Da stellt man schnell fest, ob das Auto beispielsweise schon warmgefahren wur-de. Grundsätzlich sollte man sich unbedingt eine Preisober grenze setzen. Erfahrungsgemäß kommen immer noch Repara turen hin-zu, die im Nachhinein zu Buche schlagen.

Das klingt nach einem teuren Hobby.Überhaupt nicht. Die Versicherungsprämien sind inzwi-

schen sehr gering. Dazu kommt die ermäßigte Steuer von 191 Euro im Jahr mit H-Kennzeichen. Entscheidend ist, dass man genug Platz hat für dieses Hobby. Man muss einen Ort haben, an dem man das Auto unterbringen kann. Am Straßenrand hat ein Oldtimer nichts verloren.

In Zeiten der Finanzkrise schaffen sich immer mehr Menschen Oldtimer als Wertanlage an. Gibt es die „sichere Nummer“ beim Oldtimerkauf? Eine Marke oder ein Modell, das Sie als Investition empfehlen können?

Wenn das so einfach wäre! Natürlich kann man die be-rühmten Modelle der großen Marken kaufen, etwa einen Mercedes SL mit Flügeltüren. Nur sind die heute unerschwinglich. Bei Audi ist das etwas komplizierter. Es gibt die teuren und äußerst seltenen Vorkriegsautos wie Horch, Wanderer, DKW und Audi. Die DKW aus der Nachkriegszeit sind schwerer zu verkaufen, ganz einfach weil sich junge Leute heute eher für Youngtimer interessieren. Interes-sant wird es dann wieder ab den 70ern. Ich rate jedem, der die Mög-lichkeit hat, das extrem seltene Audi 100 Coupé S zu kaufen. Ein guter Kauf sind auch der Audi 50, der NSU TT und der Urquattro.

Sie haben schon viele alte Autos gekauft, beruflich und privat. Welchen Oldtimertraum wollen Sie sich noch erfüllen?

Ich habe in meinem Leben schon zehn Enten besessen, im Moment habe ich keine. Eine Ente könnte ich mir noch einmal vorstellen.

Audi 100 Coupé S

Bauzeitraum: 1970 bis 1976Motor: Vierzylinder-ReihenmotorHubraum: 1.871 cm³Leistung: 112 bis 115 PSOriginalpreis: 14.400 DMExemplare: 30.676

Gold wert: Das Audi 100 Coupé S ist extrem selten und daher eine lohnende Investition.

Nicht mit Samthandschuhen: Oldtimer sind für Thomas Frank Gebrauchsgegenstände.

Der Jäger und seine Beute: Thomas Frank ist immer auf der Suche nach Schnäppchen.

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Das 1.600-Teile-Puzzle

Es riecht nach Öl, nach Autowachs und Gum-mi in der Garage von Wolfgang Mielich. Auf

einem Rollwagen – einer Art OP-Tisch – liegen, fein säuberlich sor-tiert, Muttern, Schrauben, Dichtungen, Werkzeug, eine Zahn bürs te. Das Herz des Patienten – ein imposanter 12-Zylinder – ist bereit für die Operation.

Es ist eine Mammutaufgabe, die Wolfgang Mielich sich gestellt hat. Tagsüber entwickelt er bei Audi Fahrerassistenz sys-teme, in seiner Freizeit restauriert der Ingenieur einen Lamborghini Espada, Baujahr 1971, Teil für Teil. 2005 hat er das Auto gekauft, vieles lag damals im Argen. Die Zeit hatte eine deutliche Patina auf der alternden Schönheit hinterlassen. Die Bremsen waren kaputt, das machte die erste Fahrt im Espada zu einem echten Abenteuer.

Mielich begann seine Operation im Interieur. Die ersten drei Jahre widmete er ausschließlich der Fahrgastzelle des Autos. Er reinigte jedes Teil, kaufte ein neues altes Radio. Den Schaumstoff für die Sitze schnitt er selbst zu. Mielich reiste bis nach Italien auf der Suche nach einem geeigneten Sattler: Bruno Paratelli, der seit Anbeginn für Lamborghini gearbeitet hat. Die Sitze des Espada sind mit einem feinen Lochmuster versehen, die komplizierte Perfora-tions technik beherrscht kaum noch jemand. Die Auftragsbücher des Italieners waren allerdings so voll, dass Mielich die Sitze erst nach Jahren bekommen hätte. Am Ende richtete es ein deutscher Sattler, der den italienischen Meister zum Staunen brachte.

„Man lernt mit jedem Teil neue Leute kennen, Fachleute und Sammler“, das gefällt Wolfgang Mielich so am Thema Old-timer. Heute riecht es im In te rieur des Lamborghini Espada wie in einem Neuwagen. Das kommt vom neuen tiefroten Teppich, vom schwarzen Leder der Sitze. In Summe wurden 14 „Rinderhälften“ in dem Fahrzeug verarbeitet. Der Stier auf dem Lenkrad glänzt wie am ersten Tag – meisterhaft. Die Etappe Interieur ist geschafft.

So ein Riesenprojekt erfordert Können, Liebe zum De-tail und vor allem Durchhaltevermögen. Mielich ging durch Höhen und Tiefen mit dem Espada. An den Rand des Wahnsinns trieben ihn die elektrischen Fensterheber – eine Rarität in den beginnenden 70er Jahren. Der winzige Motor funktionierte nicht mehr, die Seil-winde musste neu justiert werden. Das Seil, das die Fenster hebt und senkt, verläuft in der Tür in undurchschaubaren Windungen – ein Geduldsspiel. Nach Tagen und mit dem Rat eines Fachmannes gelang es Mielich, das Seil in die richtigen Bahnen zurückzulenken, und die Restaurierung konnte weitergehen.

Wolfgang Mielich hat schon immer viel und gerne ge-schraubt. Früher an Motorrädern, dann tunte er seine Autos. Heute schraubt er im Motorraum des silbernen Espada. Er weiß nicht mehr genau, wie viele Teile er schon aus- und wieder eingebaut hat. Einen Anhaltspunkt aber gibt es: Jedes Teil, das Mielich ausbaut, fotogra-fiert er. Nach der Aufbereitung schießt er ein zweites Foto, das Nach-her-Bild. Mittlerweile sind es 3.300 Fotos, das entspricht ungefähr 1.600 aus- und eingebauten Teilen.

Wenn alles gut geht, ist der Espada Ende des Jahres fertig. Nach sieben Jahren des Schraubens, Putzens und Foto gra-fierens darf der keilförmige Sportwagen zurück auf die Straße. Und dann? „Dann kommt sicher das nächste Projekt“, sagt Wolfgang Mielich lächelnd.

Detailverliebt: Wolfgang Mielich kennt jede Schraube seines Espada.

Messerscharf: Das Heck des Espada ist geformt wie die Klinge eines Schwerts (Spanisch: espada).

Schrauberstolz: Nach drei Jahren Arbeit ist das Interieur komplett restauriert.

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Lamborghini Espada

Bauzeitraum: 1968 bis 1978Motor: Zwölfzylinder-V-MotorHubraum: 3.929 cm³Leistung: 325 bis 350 PSOriginalpreis: 69.375 DMExemplare: 1.217

Vorher – nachher:Das Herzblut des Wolfgang Mielich: Der Fußraum des Espada strahlt wieder in Tiefrot.

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Italienisches SUVenir

Die Fähigkeit zu beeindrucken besitzt auch der Urus. Schon hier, in der Halle des Centro Stile Lam-bor ghini, zeigt der Urus enorme Präsenz. Und die re-sultiert nicht aus seiner Größe, mit rund fünf Metern Länge liegt er gut im Feld der bekannten Performance-SUV. Mit einem Maß von knapp zwei Metern ist er etwas breiter als seine künftigen Wettbewerber, mit einer Höhe von 1,66 Meter allerdings rund 15 Zentimeter flacher. „Die richtigen Proportionen sind entscheidend“, sagt Chefdesigner Perini, „und die sind perfekt für solch ein Höchstleistungsmodell.“

Lamborghini-Design ist einzigartig. Tech -ni sche Skulpturen in schneller Bewegung entstehen hier im Centro Stile. Sie wirken puristisch und reduziert, sind konzentriert auf das Wesentliche. Die Flächen sind sauber gespannt, dazu werden sie vielfach unterbro-chen von extrem scharfen, wie die Schnitte eines Mes-sers geführten Linien. „Ein Lamborghini ist einfach ein schönes Automobil“, ist Filippo Perini überzeugt. „Na-türlich ist es eine ganz spezifische, eine sehr technische Schön heit – die aber verbunden ist mit Lebendigkeit und Leich t igkeit.“

TextHermann Reil

Fotos Myrzik und Jarisch

„Possente“ ist das Wort, das al-les beschreibt. „Mächtig“, „stark“

oder auch „gewaltig“ schlägt das Wörterbuch als deut-sche Entsprechungen vor, doch für Filippo Perini bedeu-tet „possente“ mehr: eine souveräne Überlegenheit, eine nahezu unendliche Leistungsfähigkeit, die aber nicht aggressiv erscheint, sondern spielerisch und mit perfekter Präzision zu kontrollieren ist. Für den Chef-de sig ner von Automobili Lamborghini eine exakte Be-schrei bung des neuen Urus. Der Name übrigens bezeich-net die Urform des Bullen, den Auerochsen.

Mit diesem Konzept für ein Sports Utility Vehicle begibt sich Lamborghini auf neues Terrain. Denn die Supersportwagen aus Sant’Agata Bolognese, die Baureihen Aventador und Gallardo, gehören sicher zum Faszinierendsten, was die automobile Welt kennt. Zu-gleich sind sie stets etwas für besondere Stun den, für das Vergnügen extremer Dynamik auf den dafür pas-sen den Straßen oder auch für den großen Auftritt vor entsprechendem Publikum.

„Der Urus jedoch ist der Lamborghini für alle Tage“, ist Maurizio Reggiani sicher. „Er verbindet überragende Performance und einzigartiges Design mit Vielseitigkeit und Alltagstauglichkeit“, urteilt der Di-rek tor für Forschung und Entwicklung bei Lamborghini. Ein Auto für die Familie also, für die Freizeit mit Freun-den soll der Urus sein. Vor allem aber ist er ein echter Lamborghini – einzigartig, extrem, schnell, geballte Hochtechnologie.

Dabei gehört der permanente Allradantrieb auch bei den Supersportwagen zur DNA von Lambor-ghini. Und selbst das SUV-Segment ist der Marke mit dem Stier nicht fremd. Mit dem längst legendären LM002 hatte Lamborghini in den 80er Jahren das Super-luxus-SUV-Segment begründet. Der Gelände wa gen mit Zwölfzylinder-Triebwerk war revolutionär, sein Auftritt beeindruckend.

Einzelgänger: Stolz verteidigt der Urus im Centro Stile Lamborghini sein Terrain. Noch ist das Concept-Car alleine, ab 2016 könnten seine Serienbrüder folgen.

Power-SUV von Lamborghini Schon als Concept-Car begeistert der Urus durch seinen einzigartigen Auftritt. Dynamisch wie der Hochleistungs-SUV ist auch die Designarbeit bei Lamborghini.

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Bereits auf den ersten Blick wird die Ver-wandt schaft zwischen Urus und Aventador, der neuen Zwölfzylinder-Ikone der Marke, deutlich. Die stark ge-pfeilte Front, die großen Lufteinlässe links und rechts, das Y-Motiv in den LED-Scheinwerfern oder die von der Fronthaube über das Dach bis zum Heck durchlaufende Mittellinie sind typische Merkmale der Lamborghini-Formen sprache – und dennoch in jedem einzelnen De-tail komplett neu interpretiert.

Hochmodern und sehr dynamisch ist auch die Art und Weise, in der dieses Design entsteht. Schließ- lich arbeitet im Centro Stile nur eine vergleichsweise kleine Mannschaft von Designern an den Projekten. „Wir haben zwei Geheimnisse“, erklärt Perini. „Das erste heißt Alessandro, Michele, Luca, Alessandro, Marc, Nelson und Biagio. Das sind meine hoch motivierten und engagierten Kol legen. Das zweite ist unser virtu-eller Prozess. Wir arbeiten vom ersten Strich an bis zur Serienfreigabe in digitalen 3-D-Modellen. Das macht uns sehr schnell und garantiert eine durchgängig hohe Qualität.“ So ist der extreme Leichtbau-Super sport-wagen Sesto Ele men to, der demnächst in einer Klein-serie gebaut wird, binnen nur drei Monaten entstanden. Auch der Aven ta dor – ebenfalls in CFK-Monocoque-Bau-weise* – wurde be reits in einem rein virtuellen Design-prozess gestaltet.

Perini sieht die Computersysteme des Cen-tro Stile als Partner in der kreativen Arbeit. „Wenn man erst mal gelernt hat, mit dem digitalen Modell richtig umzugehen, dann kann man auch das spätere Ergebnis schon sehr gut beurteilen.“ Körperliche Modelle werden nur noch gebraucht, wenn es um Präsentationen bei Entscheidungsträgern geht – oder wenn die neue Idee als Concept-Car der Öffentlichkeit gezeigt werden soll. So hatte der Urus dieses Jahr seine Welt premiere bei der Motorshow in Peking, anschließend wurde er in so-genannten Car Clinics Gruppen von potenziellen Kun-den zur Beurteilung gezeigt.

Und die Reaktionen waren hervorragend, weiß Maurizio Reggiani, der technische Direktor. Schon ein paar Tage nach der Messe-Präsentation zählte Google rund zwölf Millionen Einträge im World Wide Web. Und so mancher Interessent bei den Clinics in China hätte den Urus am liebsten sofort mitgenommen – Kaufpreis Nebensache. Doch bis die ersten Serienexemplare in die großzügigen Garagen ihrer Käufer rollen können, dürfte mindestens das Jahr 2016 angebrochen sein.

Ein Lamborghini ist einfach ein schönes Automobil. Natürlich ist es eine ganz spezifische, eine sehr technische Schönheit – die aber verbunden ist mit Lebendigkeit und Leichtigkeit. Filippo Perini

Der Designer: Filippo Perini leitet das Centro Stile Lamborghini.

Innovativ: Kameras als Außenspiegel, Mittelkonsole und Sitzschalen aus neuartigen Carbonmaterialien, Startknopf mit Abdeckklappe – nur sicherheitshalber …

Handstreich: Bei aller Begeisterung für die virtuelle Arbeit am Computer – Filippo Perini zeichnet auch mit dem Bleistift.

* siehe Glossar, S. 168 –169

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Wie präzise, das zeigt der Blick ins Interieur des Urus. So bildet etwa eine offene, skelettartige Car-bonstruktur aus Forged COMPOSITE den Mitteltunnel. Auch die Sitzschalen sind in dieser Technologie gefer-tigt, verbunden mit einem weiteren neuartigen und flexiblen Carbonmaterial, das eine optimale Federung und Dämpfung des Sitzes bei immer noch extrem ge-ringem Gewicht ermöglicht.

Ein Lamborghini ist ein Lamborghini: Blick-fang im Interieur ist und bleibt der Release Button – der Startknopf für das Triebwerk. Eine rote Abdeck klappe sichert ihn vor allzu unvorsichtiger Benutzung, denn: „Possente“ ist das Wort, das alles beschreibt …

Die technischen Eckdaten hat Ingegnere Reggiani mit seinem Team längst definiert, jetzt geht es an die Detailarbeit: Rund 440 kW (600 PS) wird das Triebwerk des Urus leisten, überragende Fahrleis tungen und eine Fahrpräzision ebenso messerscharf wie das Design sind garantiert. „Wir wollen aber unter den ver- gleich baren Wettbewerbern auch den geringsten Ver-brauch erzielen“, betont Maurizio Reggiani. Neben ei-nem hocheffizienten Triebwerk helfen dabei konse-quenter Leichtbau und ein sehr günstiger cw-Wert. Auch ein Plug-in-Hybridsystem* ist vorstellbar, damit wäre der Urus in den Metropolregionen elektrisch und lokal emissionsfrei unterwegs.

Leichtbau bedeutet bei Lamborghini einen intelligenten Materialmix bei Struktur und Karosse - rie sowie immer den intensiven Einsatz von Kohlefa ser-Technologien. Schließlich hat die Marke aus der Terra di Motori zwischen Bologna und Modena ein weltweit ein zigartiges Know-how in der Entwicklung und Pro-duk tion spezifischer Kohlefaser-Technologien. Forged COM POSITE* gehört dazu: Im Gegensatz zu den üb-lichen CFK-Materialien, die auf langen, verwobenen Fa-sern basieren, besteht dieses für Lamborghini paten-tierte Material aus 2,5 bis 5 Zentimeter kurzen Fasern. Mehr als 500.000 ineinander verflochtene Fasern pro Qua drat zoll ergeben ein Material, das nur ein Drittel der Dichte von Titan aufweist, aber eine höhere Belast-bar keit besitzt. Dank eines innovativen Schmiede ver-fa h rens kann Forged COMPOSITE mit höchster Prä zi-sion und sehr effizient geformt werden.

Der Techniker: Maurizio Reggiani leitet Forschung und Entwicklung bei Lamborghini und ist auch für den Zwölfzylinder- Supersportwagen Aventador verantwortlich.

Possente: Der Diffusor und die mächtige Abgasanlage stehen für die Performance des Urus, die große Heckklappe für seine Alltagstauglichkeit.

Fahrende Legende: Der LM002 mit seinem Zwölfzylinder war revolutionär, sein Erscheinungsbild beeindruckend.

* siehe Glossar, S. 168 –169

SUV stehen für Freiheit und Emotion. Der Urus ist sicher die extremste Interpretation dieses Konzepts – er ist einfach der Lamborghini unter den SUV. Maurizio Reggiani

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Page 84: Dialoge-Technologiemagazin, August 2012

Plug-in-Hybrid (PHEV)Als Plug-in-Hybrid bezeichnet man ein Fahrzeug mit Hybridantrieb, bei dem die Batterie auch ex tern mit einem Netzstecker (Plug-in) über das Strom netz auf-geladen werden kann.

RasterelektronenmikroskopieDie Rasterelektronenmikroskopie ist ein mikrosko-pisches Verfahren, das durch die zeilenweise Ab tas-tung (Rasterung) einer Oberfläche mit einem Elek-tro nenstrahl ein Bild erzeugt. Die Wechselwirkung der Elektronen mit der Oberfläche liefert Informa ti-onen über deren Beschaffenheit, die auf einem Röh-renbildschirm parallel zur Rasterung als Bild mit ho her Schärfentiefe dargestellt werden. Der maxima- le Ver größerungsfaktor liegt bei etwa 500.000 zu 1.

RekuperationRekuperation bedeutet die Nutzung der Bewegungs-energie beim Verzögern. In Schub- und Bremsphasen wandelt der Generator die kinetische in elektrische Energie um, sie wird in der Batterie zwischengespei-chert. Die Rekuperation senkt den Verbrauch bei Ver- brennungsmotoren und ist ein wichtiger Baustein bei allen Hybrid- und Elektro-Antrieben.

RTM-VerfahrenHinter der englischen Abkürzung RTM verbirgt sich der Begriff Resin Transfer Moulding. Mit diesem Pro-zess wird Audi künftig viele seiner CFK-Komponenten fertigen, weil er effizienter ist als bisherige Verfahren. Die trockenen Fasergewebe werden zunächst um ge-formt, dann in geschlossene, beheizte Werkzeuge eingelegt, anschließend wird Kunstharz mit Druck injiziert. Das Harz durchtränkt das Gewebe voll stän-dig, es här tet unter Druck und Temperatur aus.

TCNGTCNG ist das Kürzel für die künftige Generation Autos von Audi, die mit Com pressed natural gas (CNG) be- trieben werden, das auf fossilem Erdgas basiert, und auch das regenerativ produzierte Audi e-gas als Kraft-stoff nutzen können.

UMTSUMTS ist die Abkürzung für den englischen Begriff Universal Mobile Telecommunications System. Er be-zeichnet einen Standard für die Datenübertragung im Mobilfunk.

WLANWLAN ist die Abkürzung für Wireless Local Area Net-work, zu Deutsch: drahtloses lokales Netzwerk. Da- bei handelt es sich um ein lokales Funknetz, in dem beispielsweise Computer oder Telefone drahtlos über eine Funkverbindung ins Internet gelangen können.

Glossar

Modularer Infotainmentbaukasten (MIB)Als Bestandteil des Modularen Querbaukastens (sie-he unten) überträgt der Modulare Infotainmentbau-kasten das Baukastenprinzip auf das Infotainment im Wagen. Hard- und Software lassen sich unabhän-gig vom Lebenszyklus des Autos aktualisieren. Da-durch halten sie Schritt mit den Innovationszyklen der IT-Branche, die oft nur wenige Monate dauern.

Modularer Querbaukasten (MQB)Der Modulare Querbaukasten ist eine Entwicklung des Volkswagen Konzerns für die Marken Audi, Seat, Skoda und Volkswagen. Als erstes Fahrzeug baut der neue Audi A3 auf dem MQB auf. Das Bau kasten-Prin-zip nutzt klassen- und markenübergreifende Sy -nergien. Es erhöht Effizienz, Sicherheit, Kom fort und Fahrspaß. Technologien aus höheren Fahrzeugseg-menten gelangen dank des MQB nun auch in die Kom- paktklasse.

OLED-TechnologieDie Abkürzung OLED steht für den englischen Begriff „Organic Light Emitting Diode“. Er bezeichnet ein dünnschichtiges Leuchtelement, das im Gegensatz zu herkömmlichen LEDs ein organisches, halbleiten-des Material enthält. Die Materialcharakteristik er-mög licht den Bau flächiger und biegsamer Leucht-elemente.

Pilotiertes ParkenPilotiertes Fahren bezeichnet bei Audi den Einsatz von Technologien, die das selbstständige Fahren des Automobils ohne Eingriff des Fahrers ermöglichen. Ein Anwendungsbeispiel für diese Technologie ent-wickelt Audi mit dem Parkhauspiloten. Er steuert das Auto fahrerlos von der Parkhausschranke in eine freie Parklücke.

PlasmatronlötenPlasmatronlöten ist ein Verfahren zum Verbinden von Stahlblech-Bauteilen, das höchste Präzision er-möglicht. Es kommt in unterschiedlichen Bereichen der Karosserie zum Einsatz. Beim Audi A7 Sportback beispielsweise sorgt es für einen exakten Spalt zwi-schen dem Dach und dem Seitenteil; die erlaubten Toleranzen liegen unter 0,1 Millimeter.

CFKCFK ist die Abkürzung für carbonfaserverstärkter Kunststoff. Häufig wird auch die englische Abkürzung CFRP (Carbon-Fiber-Reinforced Plastic) für diesen Werkstoff verwendet, bei dem Kohlenstoff fa sern in mehreren Lagen zur Verstärkung in ein Kunst harz ein gebettet werden.

Composite-LösungenComposite ist die englische Bezeichnung für Faser-ver bund-Kunststoffe (siehe un ten).

Faserverbund-Kunststoffe (FVK)Faserverbund-Kunststoffe sind Werkstoffe, bei de-nen Fasern, beispielsweise Kohlenstofffasern, in meh- reren Lagen zur Verstärkung in einen Kunststoff ein- gebettet werden.

LTEDie Abkürzung LTE steht für Long Term Evolution und bezeichnet einen neuen Mobilfunkstandard. Dieser überträgt Daten fünf- bis sechsmal schneller als das aktuelle UMTS-Netz. Übertragungsraten von bis zu 100 Mbit/s machen datenintensive Infotainment-Funktionen wie HD-Fernsehen oder Videokonferen-zen unterwegs möglich. Audi will LTE als erster An-bieter ins Auto bringen.

Mikrobereichs-RöntgenfluoreszenzanalyseDiese Analyseform setzt Audi bei Material-Unter su-chungen mit dem Rasterelektronenmikroskop ein. Durch die Wechselwirkungen zwischen dem Elektro-nenstrahl am Mikroskop und der Probe entsteht eine charakteristische Röntgenstrahlung, festgehalten in einer farbigen Grafik und auf einem Elementver-teilungsbild. Beides liefert wichtige Erkenntnisse.

MITDie Abkürzung für Massachusetts Institute of Tech-nology bezeichnet eine private Hochschule in der Stadt Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts. Gegründet 1861, gilt das MIT als weltweit aner kann- te Einrichtung für Forschung und Lehre. Allein 77 Nobelpreisträger brachte das MIT bislang hervor.

ALZ Das Aluminium- und Leichtbauzentrum (ALZ) bei Audi in Neckarsulm dient der Entwicklung, Produkti ons-planung und Qualitätssicherung für Leichtbauma-terialien wie etwa Aluminium und faserverstärkte Kunststoffe.

Audi Electronics Venture (AEV)Eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der AUDI AG. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Automobil und Elektronik. Ihr Ziel: Innovationen im Fahrzeug auf Basis neuer Technologien für Audi umsetzen. Zu den Aufgaben zählt die Funktions- und Software-entwicklung, allein und in Kooperation mit Partner-firmen.

Audi Space Frame (ASF)Audi Space Frame bezeichnet eine hochsteife Alumi-nium-Rahmenstruktur für die Fahrzeugkarosserie. Der Einsatz von Aluminium bewirkt eine deutliche Ge wichtsreduktion, die den Verbrauch senkt und die Effizienz steigert. Daneben verwendet Audi im Karos-seriebau zunehmend weitere leichte Materialen. Der gleichzeitige Einsatz verschiedener Highend-Werk-stoffe wie Aluminium, Magnesium, Carbon und hoch-fester Stähle macht immer mehr Komponenten eines Audi immer leichter – dieser Weg führt zum Multi-material Space Frame.

Car-to-X-KommunikationUnter Car-to-X-Kommunikation versteht man eine Kommunikationstechnologie, bei der Fahrzeuge über drahtlose Netzwerke untereinander, mit ihren Besit-zern und mit der Verkehrsinfrastruktur kommuni-zieren können. Davon profitieren Verbrauchseffi zi enz und Sicherheit, zudem werden Dienst leistungen wie bar geldloses Tanken möglich.

Fachbegriffe erklärt Kurze Erläuterungen zu Begriffen aus den Themen im Heft.

Vernetzt: Audi Car-to-X-Systeme schaffen voll-kommen neue Kommunikationsstrukturen.

210 Kilogramm: Die ASF-Karosserie des Audi R8 besteht komplett aus Aluminium.

Leicht: CFK spielt neben Aluminium im Leicht-baukonzept von Audi eine gewichtige Rolle.

Mikrokosmos: Alcantara-Fasern in 20.000-facher Vergrößerung.

Gas tanken: Der Audi A3 TCNG nutzt Erdgas, aber auch Audi e-gas.

Ohne Fahrer: Das Auto orientiert sich mithilfe seiner Sensoren.

Innovativ: Als erstes Modell baut der neue A3 auf dem Modularen Querbaukasten auf.

Strom tanken: Audi testet die Alltagstauglichkeit der Plug-in-Hybrid-Technologie.

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Impressum

AUDI AG85045 Ingolstadt

Verantwortlich für den Inhalt:Toni Melfi,Leiter Kommunikation,I/GP

Redaktion:Uwe Hans Werner

Konzept und Realisation:reilmedia

Grafikkonzept und Layout:stapelberg&fritz

Organisation:Stefan KotschenreutherBritta Schmidt (Video)

Autoren:Eva BackesRegina BrandKlaus Thomas EdelmannPaul-Janosch Ersing Melanie GoldmannChristian Günthner Agnes HappichAnnika JochheimStefanie KernLena KieningJohannes KöblerStefan KotschenreutherAnja NerreterHermann ReilThomas TackeHanna van der VeldenThomas VoigtUwe Hans Werner

Lektorat:Winfried Stürzl

Fotografie:Myrzik und JarischStefan WarterAlexander Herbold

Illustrationen:Andreas Nicolas Fischer Cedric KieferSteven PopeBarbara Stehlesxces

Postproduktion:RAWKOST

Druck:Pinsker Druck und Medien