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Marquis de Sade Die 120 Tage von Sodom oder Die Schule der Ausschweifung Roman Aus dem Französischen von Karl von Haverland Anaconda

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Marquis de Sade

Die 120 Tagevon Sodom

oder

Die Schule derAusschweifung

Roman

Aus dem Französischen vonKarl von Haverland

Anaconda

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Titel der französischen Originalausgabe: Les Cent-Vingt Journées deSodome ou L’École du Libertinage, Berlin 1904, entstanden 1785. DieÜbersetzung folgt der ersten deutschen Ausgabe, die 1909 als Privat-druck in Leipzig erschien. Die Illustrationen sind dem DoppelromanJustine / Juliette entnommen, der 1797 anonym in Holland erschienund mit 101 Kupferstichen eines ungenannten Künstlers versehen war.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2006 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: Nicolas Poussin (1594–1665), »Reclining Venus with Cupid«, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, © Staatliche Kunst-sammlungen Dresden / Bridgeman GiraudonUmschlaggestaltung: dyadesign, Düsseldorf, www.dya.deSatz und Layout: GEM mbH, RatingenPrinted in Czech Republic 2010ISBN [email protected]

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I n h a l t

Einleitung7

Erster Teil85

Zweiter Teil377

Dritter Teil403

Vierter Teil431

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E i n l e i t u n g

D ie ungeheuren Kriege, die Ludwig XIV. im Verlaufe sei-ner Regierung zu führen hatte und welche die Gelder des

Staates und die Hilfsmittel des Volkes erschöpften, boten den-noch einer enormen Anzahl von Blutsaugern die Gelegenheit,sich zu bereichern. Diese Blutegel waren immer in der Nähedes Unglücks, das sie noch vermehrten, anstatt es zu verrin-gern, und zogen daraus den größtmöglichen Nutzen für sichselbst. Das Ende dieser im übrigen so glorreichen Regierung istvielleicht eine jener Epochen des französischen Reiches, in derdie meisten jener gewissen geheimen Reichtümer gewonnenwurden, jener Reichtümer, die eine Schwelgerei und Aus-schweifung gebaren, so geheim und verschwiegen wie sieselbst. Es war am Ende dieser Regierung, einige Zeit ehe derRegent durch das berühmte Tribunal die Männer desGerichtshofes wie tolle Hunde losgelassen hatte, um jenerBande von Verrätern die Gurgel abzudrehen – als vier vonihnen die seltsamste Unternehmung der Wollust erdachten, diejemals bekannt geworden ist. Man täte unrecht zu meinen, daßnur Diebe sich mit Gelderpressungen abgaben, dieses Gewerbehatte an seiner Spitze sehr vornehme Herren. Der Herzog vonBlangis und sein Bruder, der Bischof von …, die sich beide aufdiese Weise unermeßliche Vermögen erworben hatten, sindunantastbare Beweise dafür, daß der Adel ebensowenig wie dieanderen die Mittel verschmähte, um sich auf solche Art zubereichern. Diese beiden vornehmen Persönlichkeiten, engverbündet sowohl in den Vergnügungen als in den Geschäftenmit dem berühmten Durcet und mit dem Präsidenten von Cur-val, waren die ersten, welche die Ausschweifung erdachten,deren Geschichte wir erzählen, und nachdem sie die Idee die-sen zwei Freunden mitgeteilt hatten, bildeten alle vier dieAkteure der berühmten Orgien. Vor mehr als sechs Jahren hat-ten diese vier Wüstlinge, die durch die Gleichheit ihrer Ver-mögenslage und ihres Geschmackes vereinigt waren, es unter-

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nommen, die Bande unter sich noch durch Bündnisse zu festi-gen, bei denen die Ausschweifung mehr beteiligt war als jedesandere Motiv, aus dem sonst solche Bündnisse hervorgehen –folgendes waren ihre Arrangements. Der Herzog von Blangis,Witwer von drei Frauen, von deren einer ihm zwei Töchtergeblieben waren, hatte bemerkt, daß der Präsident von Curvaleinige Lust zeigte, die ältere dieser Töchter zu heiraten, trotz-dem er um die Familiaritäten wußte, die der Vater sich mit sei-ner Tochter erlaubt hatte. Der Herzog schlug also eines Tagesplötzlich folgenden Dreibund vor: »Sie wollen Julie zur Gat-tin«, sagte er zu Curval, »ich gebe sie Ihnen ohne Zögern undstelle nur die eine Bedingung, daß Sie nicht eifersüchtig wer-den, wenn sie, obwohl Ihre Gattin, fortfährt, mir dieselbenGefälligkeiten zu erweisen, die ich immer von ihr gehabt habe;und dann noch, daß Sie sich mit mir verbünden, um unserengemeinsamen Freund Durcet zu bestimmen, mir seine Toch-ter Konstanze zur Frau zu geben, für welche, ich gestehe esIhnen, allmählich dieselben Empfindungen in mir entstandensind, wie bei Ihnen für Julie.« – »Aber«, erwiderte Curval, »esist Ihnen zweifellos nicht unbekannt, daß Durcet, der gleicheWüstling wie Sie …« – »Ich weiß alles, was man wissen kann«,unterbrach der Herzog, »sind denn solche Dinge bei unseremAlter und bei unserer Art zu denken ein Hindernis? GlaubenSie, ich will eine Frau, um aus ihr meine Geliebte zu machen?Ich will sie, damit sie meinen Launen diene, und um eineUnmenge kleiner Ausschweifungen zu verschleiern und zuverdecken, der Mantel Hymens hüllt diese prächtig ein; miteinem Wort, ich will Ihre Tochter so, wie Sie die meine wol-len. Meinen Sie, Ihre Absichten und Wünsche seien mir unbe-kannt? Wir Wüstlinge, wir nehmen Frauen, um Sklavinnen zuhaben; ihre Eigenschaft als Gattinnen macht sie uns unterwür-figer als Geliebte, und Sie wissen, welchen Rang der Despotis-mus unter den Vergnügungen einnimmt, die wir bevorzu-gen.« – Während dieses Gespräches trat Durcet ein. Die beidenFreunde unterrichteten ihn über den Inhalt ihrer Konversationund Durcet, entzückt über einen Beginn, der ihm selbst

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erlaubte, die Gefühle zu gestehen, die er gleicherweise fürAdélaïde, die Tochter des Präsidenten, hegte, akzeptierte denHerzog als Schwiegersohn unter der Bedingung, daß er seiner-seits der Schwiegersohn von Curval werde. Die drei Ehenwurden alsbald geschlossen, die Mitgiften waren ungeheuerund die Bedingungen die gleichen. Der Präsident, ebensoschuldig wie seine beiden Freunde, hatte Durcet, ohne ihndadurch abzustoßen, den geheimen Verkehr mit der eigenenTochter gestanden. Auf solche Weise kamen die drei Väter,von denen jeder seine Rechte konservieren wollte, überein,diese Rechte sogar noch weiter auszudehnen, so daß die dreijungen Frauen, durch Gut und Namen allein an ihre Gattengebunden, mit dem Körper dem einen der drei Freunde nichtmehr als den beiden anderen gehörten und die schwerstenZüchtigungen gewärtigten, wenn sie sich versahen, irgendeineder Regeln zu verletzen, denen man sie unterwarf. Man wareben glücklich übereingekommen, als der Bischof, mit denbeiden Freunden seines Bruders schon durch seine Lüste ver-bunden, vorschlug, der Vereinigung ein viertes Objekt zuzu-führen, wenn man ihn dafür an den drei anderen Frauen teil-nehmen ließe. Dieses Objekt, die zweite Tochter des Herzogs,also die Nichte des Bischofs, stand zu diesem in einem vielnäheren Verhältnis, als man ahnte. Der Bischof hatte zu seinerSchwägerin Beziehungen gehabt und beide Brüder wußtenmit vollster Sicherheit, daß die Existenz dieser jungen Person,die Aline hieß, viel mehr dem Bischof als dem Herzog zu ver-danken war; der Bischof hatte sich Alinens schon in der Wiegeangenommen und hatte sie ins Alter der frischen Reize hinein-wachsen sehen, nicht ohne den Wunsch, wie man sich denkenkann, diese Reize zu genießen. Er war also in diesem Punkteder Gleiche, wie seine Genossen, und sein Vorschlag entsprangdem gleichen Grad von Geiz und Verworfenheit. Da aber dieAnmut und zarte Jugend Alinens sie noch über ihre Kollegin-nen emporhob, zögerte man nicht, auf den Handel einzuge-hen. Der Bischof überließ sie mit Vorbehalt seiner Rechte denanderen, und jede unserer vier Hauptpersonen war auf diese

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