Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing...

65
Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte und Mitbestimmung Aurelia Hornung Heinz Leitsmüller Robert Samsinger Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Abteilung Betriebswirtschaft Prinz Eugen Straße 20-22, 1040 Wien www.akwien.at Statistische Auswertung und Analyse der Betriebsrätebefragung Erich Dimitz Thomas Riesenecker-Caba

Transcript of Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing...

Page 1: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte und Mitbestimmung Aurelia Hornung Heinz Leitsmüller Robert Samsinger Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Abteilung Betriebswirtschaft Prinz Eugen Straße 20-22, 1040 Wien www.akwien.at

Statistische Auswertung und Analyse der Betriebsrätebefragung

Erich Dimitz Thomas Riesenecker-Caba

Page 2: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte und Mitbestimmung Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Abteilung Betriebswirtschaft Aurelia Hornung Heinz Leitsmüller Robert Samsinger Wien, Mai 2005

Statistische Auswertung und Analyse der Betriebsrätebefragung

Erich Dimitz Thomas Riesenecker-Caba

Page 3: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.
Page 4: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

INHALT

1. ZUSAMMENFASSUNG DER WICHTIGSTEN ERGEBNISSE .................................................... 5

2. FORDERUNGEN DER ARBEITERKAMMER ............................................................................. 8

3. UMSTRUKTURIERUNGEN IN DER PRAXIS – ERGEBNISSE EINER BEFRAGUNG VON BETRIEBSRÄTEN..................................................................................................................... 10

3.1. Ziel und Vorgangsweise der Befragung..................................................................................... 10

3.2. Beschreibung der Unternehmen ................................................................................................ 11

3.3. Fragen zur Beschreibung von Umstrukturierungsaktivitäten...................................................... 14

3.4. Umstrukturierungen im Zeitbezug.............................................................................................. 16

3.5. Wie oft einzelne Umstrukturierungen vorgenommen werden .................................................... 23

3.6. Welche Umstrukturierungen als besonders „gravierend“ erlebt wurden .................................... 24

3.7. Motive des Arbeitgebers für Umstrukturierungen....................................................................... 26

3.8. Wurden die gesteckten Ziele erreicht? ...................................................................................... 29

3.9. Auswirkungen Umstrukturierung................................................................................................ 31

3.10. Durchführung der Umstrukturierung .......................................................................................... 35

3.11. Unterstützung für Betriebsräte bei Umstrukturierung................................................................. 36

4. ZAHLEN, FAKTEN UND AUSWIRKUNGEN VON UMSTRUKTURIERUNGEN – EIN ÜBERBLICK ÜBER STUDIEN UND MEINUNGEN ................................................................... 37

4.1. Trends und Entwicklungen von Umstrukturierungen ................................................................. 37

4.1.1. Entwicklung von Fusionen und Übernahmen – deutlicher Anstieg 2004................................................... 37

4.1.2. Entwicklung von Mergers and Akquisitions – diverse Untersuchungen .................................................... 38

4.1.3. Neuer Höhenflug bei Outsourcing ............................................................................................................. 39

4.1.4. Neugründungen in Österreich: häufig Outsourcing als Anlass .................................................................. 40

4.1.5. Selectives Outsourcing im Vormarsch....................................................................................................... 40

4.2. Die Auswirkungen von Umstrukturierungen............................................................................... 41

4.2.1. Abbau von Beschäftigten im Vordergrund – Ergebnisse des European Restructury Monitors ................. 41

4.2.2. Die Auswirkungen von Offshoring auf Arbeitsplätze.................................................................................. 43

4.2.3. Gefahr für Forschung und Entwicklung durch Übernahmen...................................................................... 43

4.2.4. Kritik an Fusionen in den USA................................................................................................................... 44

Page 5: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

4.2.5. Fusionen machen Mitarbeiter krank .......................................................................................................... 46

4.2.6. Auswirkungen von Fusionen im Bank- und Versicherungssektor auf Beschäftigte................................... 46

4.2.7. Fusionen sind häufig betriebswirtschaftlich nicht erfolgreich..................................................................... 48

4.2.8. Schwache Unternehmen profitieren mehr von Übernahmen..................................................................... 49

4.2.9. Problematische Erfahrungen mit Outsourcing ........................................................................................... 50

5. AUSLAGERUNGEN BZW BETRIEBSSCHLIEßUNGEN DER LETZTEN JAHRE IN ÖSTERREICH (BEISPIELE) ..................................................................................................... 51

5.1. Beispiele von Auslagerungen/Betriebsschließungen ................................................................. 53

6. ANHANG: PROMINENTE MEINUNGEN ZU UMSTRUKTURIERUNGEN ................................ 57

6.1. Joseph Stiglitz............................................................................................................................ 57

6.2. Stephan Jansen (Institute for Mergers & Acquisitions, Univeristät Witten/Herdecke) ................ 58

Page 6: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

ABBILDUNGEN Abbildung 1: Rechtsform (in Prozent) 11

Abbildung 2: Eigentümerstruktur (in Prozent) 11

Abbildung 3: Branche (in Prozent) 11

Abbildung 4: Unternehmensgröße (in Prozent) 12

Abbildung 5: Teil eines Konzern (in Prozent) 12

Abbildung 6: Umstrukturierungsaktivitäten gesamt (in Prozent) 14

Abbildung 7: Umstrukturierungsaktivitäten mit Zeitbezug (Teil 1) (in Prozent) 16

Abbildung 8: Umstrukturierungsaktivitäten mit Zeitbezug (Teil 2) (in Prozent) 17

Abbildung 9: Umstrukturierungsaktivitäten (Top 5) nach Eigentümerstruktur (in Prozent) 20

Abbildung 10: Umstrukturierungsaktivitäten (Top 5) nach Sektoren (in Prozent) 21

Abbildung 11: Umstrukturierungsaktivitäten (Top 5) nach Unternehmensgrösse (in Prozent) 21

Abbildung 12: gravierernste Umstrukturierungsaktivitäten (in Prozent) 24

Abbildung 13: Motive Arbeitgeber (in Antworten) 26

Abbildung 14: Motive Arbeitgeber nach Eigentümer (in Prozent) 27

Abbildung 15: Motive Arbeitgeber nach Branche (in Prozent) 28

Abbildung 16: Motive Arbeitgeber nach Unternehmensgröße (in Prozent) 29

Abbildung 17: Auswirkungen der Umstrukturierung (Teil 2) (in Prozent) 32

Abbildung 18: Auswirkungen der Umstrukturierung nach Eigentümer (in Prozent) 33

Abbildung 19: Auswirkungen der Umstrukturierung nach Branche (in Prozent) 34

Abbildung 20: Auswirkungen der Umstrukturierung (Top 5) nach Unternehmensgröße (in Prozent) 34

Abbildung 21: Durchführung Umstrukturierung (in Prozent) 35

Abbildung 22: Formen der Unterstützung des Betriebsrates (in Prozent) 36

Page 7: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

Ein Unternehmensberater: ....... „warum gingen beinahe alle fusionen schief? nach einer fusion komme man grundsätzlich in depressive organisationen .... und begegne dort menschen, die von „unterschiedlichen unternehmenskulturen“ redeten, weil sie nicht wüßten, wie sie sich sonst die situation erklären sollten. denen sage er jetzt nicht: wenn von „unterschiedlichen unternehmenskulturen“ die rede sei, dann sei alles im argen, sowas denke er nur, aber es stimme: wenn von „unterschiedlichen unternehmenskulturen“ die rede sei, habe man in wirklichkeit so gar keine ahnung wie vorzugehen sei. man spreche von „unterschiedlichen unternehmenskulturen“, weil niemand genau sagen könne, was das sei und deswegen alles in diesem erklärungsmodell unterzubringen sei. „unterschiedliche unternehmenskulturen“ seien genauso wie „harte bwl“ schimären. aber sowas behalte man, wie gesagt, besser für sich und sehe sich lieber genauer die problemlage an. „natürlich gibt es zahlen und fakten, natürlich gibt es irgendwo einen betriebswirtschaftlichen hintergrund“, aber bis man „harte bwl“ wieder vorfinden könne, müsse man schon eine weile graben.“ Aus Kathrin Röggla, Bruno-Kreisky-Preisträgerin 2005, „wir schlafen nicht“

Page 8: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft________________________________________________________________ 5

1. ZUSAMMENFASSUNG DER WICHTIGSTEN ERGEBNISSE

Trendentwicklung Umstrukturierungen sind zu einer „Routineaktivität“ im betrieblichen Geschehen geworden. Diese reichen von internen Umstrukturierungen (vor allem diverse Flexibilisierungsmaßnahmen) über Ausgliederungen von Unternehmensfunktionen, Fusionen, Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten. Dieser Trend wird auch von anderen Untersuchungen bestätigt (siehe Kapitel 4). Im Gegenteil: in den letzten drei Jahren ist eine weitere Zunahme des Trends zu beobachten. Die Dichte der Veränderungen wird somit größer. Innerhalb der Umstrukturierungsaktivitäten ist erkennbar, dass zunehmend nicht nur ArbeiterInnen sondern immer mehr Angestellte von Umstrukturierungen betroffen sind. Dies wird vor allem durch vermehrtes Outsourcing von Angestelltentätigkeiten erkennbar. Sehr beliebt ist nach wie vor auch das Ausgliedern von Funktionen oder Sparten in eigene Gesellschaften (meist GmbHs) sowie Fusionen mit anderen Unternehmen – vor allem bei großen Unternehmen. Viele Unternehmen haben ihre Umgliederungsaktivitäten offensichtlich immer noch nicht abgeschlossen bzw haben Umstrukturierungen als „permanenten Veränderungsprozess“ etabliert. Als häufigste Umstrukturierungsaktivitäten haben sich „interne Umstrukturierungen“ erwiesen. Diese reichen von Veränderungen bei Lohn- und Zeitmodellen, über Änderungen der Aufbauorganisationen (zB geänderte Abteilungsstruktur Divisionalisierung), Optimierung der Geschäftsprozesse bis zu Maßnahmen im Bereich Human Ressource etc. Über 80 % der befragten Betriebsräte haben in den letzten Jahren Erfahrungen mit internen Umstrukturierungen gemacht. Bemerkenswert ist auch in diesem Zusammenhang ein Blick auf den ERM (European Restructury Monitor) der Dublin Foundation: Die meisten Umstrukturierungsfälle stellen die internen Umstrukturierungen dar. Über 70 % der internen Umstrukturierungen planen die Reduktion von Arbeitsplätzen mit ein.

Der Ausgliederungswelle tritt langsam die Wiedereingliederung entgegen Insourcing nimmt langsam zu, aber auf niedrigen Niveau. Dies ist wohl als Hinweis zu werten, dass viele Outsourcingmaßnahmen nicht richtig funktionieren, wie auch eine Studie von Deloitte untermauert (siehe Kapitel 4). Ziel ist aber auch, die Auslastung von vorhandenen Kapazitäten zu verbessern.

Die „Ich-AG“ – ArbeitskraftunternehmerInnen - im Kommen Noch nicht ausgeprägt aber wachsend zeigt sich der Trend, ArbeitnehmerInnen als Selbständige auszugliedern (Arbeitskraftunternehmer, Ich-AG). Immerhin jeder 5. Betriebsrat gibt an, dass diesbezüglich Aktivitäten in seinem Unternehmen stattgefunden haben.

Umstrukturierungsboom im öffentlichen Sektor Unternehmen in (überwiegender) öffentlicher Hand (Post, ÖBB, ÖIAG-Unternehmen) haben im letzten Jahr bzw den letzten drei Jahren deutlich mehr umstrukturiert als Unternehmen im privaten Eigentum. Auffällig sind die Unterschiede vor allem bei Ausgliederungen in Tochtergesellschaften sowie bei Outsourcing von Angestelltentätigkeiten.

Page 9: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft________________________________________________________________ 6

Interne Umstrukturierungen und Eigentümerwechsel werden als besonders „gravierend“ erlebt Als „besonders gravierend“ werden vor allem interne Umstrukturierungen und Eigentümerwechsel erlebt. Umstrukturierungen, die sich entfernter abspielen wie zB Verschmelzung der Mutter mit anderem Konzern tangieren dagegen die Betriebsräte offensichtlich weniger.

Die Motive werden nur teilweise offen dargelegt Nach außen hin werden Umstrukturierungen häufig mit „Kosteneinsparungen“, „Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit“ sowie „Abbau von Doppelgleisigkeiten“ begründet. Dabei handelt es sich meist um sehr „allgemeine“ Argumente, die nur schwer widerlegt werden können. Aus der Sicht der BetriebsrätInnen sieht die Praxis oft anders aus. Sie sehen vor allem „Einsparungen von Personal“, „Flucht aus dem KV“ und „Machtabbau des Betriebsrates“ als vorrangige Motive. Wettbewerbsfähigkeit, Personaleinsparungen, Abbau von Doppelgleisigkeiten sind vor allem Themen bei Großunternehmen. Im KMU-Bereich zielen Umstrukturierungen viel stärker auf die Erhöhung der Kernkompetenzen ab.

Umstrukturierungen gehen zu Lasten der betroffenen Beschäftigten "Erhöhung des Arbeitsdrucks" und "Verringerung des Beschäftigtenstandes" sind die häufigsten Auswirkungen, die Betriebsräte bei Umstrukturierungen wahrnehmen. Die unsichere Situation der Beschäftigten ("unsichere Arbeitsplätze", "Arbeitnehmer verließen Unternehmen freiwillig", "Synergieeffekte führten zu Personaleinsparungen") wurden in mehr als 50% der befragten Betriebsräte beobachtet. Betriebsräte fühlen sich aber auch immer häufiger in ihrer Mitbestimmungs- und -gestaltungskompetenz beschnitten. Über 60% der Befragten sehen Schwierigkeiten im "Einfluss des Betriebsrates auf strategische Entscheidungen". Einen direkte Auswirkung von Umstrukturierungen auf bestehende Betriebsvereinbarungen sehen knapp 20% der Befragten ("Betriebsvereinbarungen wurden verschlechtert"). Die Beschäftigten sind somit die wahren Betroffenen. Zu ihren Lasten gehen die Umstrukturierungsmaßnahmen. Somit finden sich in Umstrukturierungsmaßnahmen auch ein entsprechender Boden für die Entwicklung von Verunsicherung und Ängsten in der Belegschaft. Negative Auswirkungen auf Beschäftigte werden auch von anderen Untersuchungen bestätigt (siehe Kapitel 4).

Viele Auswirkungen von Umstrukturierungen sind erst nach einem Jahr spürbar Stellenabbau, Lohnverschlechterungen und der sinkende Einfluss des Betriebsrates wird meist erst längere Zeit nach einer Umstrukturierung wirksam. Ursache dafür ist einerseits der vermeintliche Verlust der Schutzwirkung des AVRAG nach einem Jahr aber auch die Tatsache, dass Rationalisierungspotenziale zu Beginn der Umstrukturierung oft noch nicht feststehen und erst allmählich vom Management ausgearbeitet und umgesetzt werden.

Betriebsräte und Belegschaft werden informiert, nicht aber aktiv in den Veränderungsprozess eingebunden

Page 10: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft________________________________________________________________ 7

In mehr als drei Viertel aller Fälle waren Betriebsräte über das geplante Umstrukturierungsvorhaben informiert und die Ziele wurden ihm in mehr als zwei Drittel der Fälle bekannt gegeben. Nur 46% der befragten Personen stuften diese Information als "rechtzeitig" ein. In knapp zwei Drittel aller Fälle fand dann die Ausarbeitung der Umstrukturierungsaktivitäten hinter verschlossenen Türen statt, nur jeder vierte Betriebsrat war in Projektteams eingebunden. BetriebsrätInnen, die u.a. die Kernkompetenz haben, am „Puls“ ihrer KollegInnen zu sein, werden in Umstrukturierungsvorhaben zwar informiert, aber ansonsten links liegen gelassen. Dies trägt sicherlich nicht zu einer besseren Stimmung in den Unternehmen bei.

Unterstützung der Betriebsräte Unterstützung ist in diesem Zusammenhang für Betriebsräte sehr wichtig, mehr als drei Viertel der Befragten wandten sich an Arbeiterkammer und/oder Gewerkschaft, um Unterstützung zu erhalten. BetriebsrätInnen brauchen vor allem juristische und wirtschaftliche Fachberatung. Sehr hoch ist auch der Wunsch nach Kontakten mit anderen Betriebsräte, Bildung von Netzwerken, Schulungsmaßnahmen und nach Prozessbegleitung.

Page 11: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft________________________________________________________________ 8

2. FORDERUNGEN DER ARBEITERKAMMER Bessere Absicherung und Information der betroffenen MitarbeiterInnen

Besserer Schutz des Kollektivvertrages: Alt-Kollektivvertrag soll für ArbeitnehmerInnen auch nach einer Umstrukturierung – etwa bei einer juristischen Verselbständigung - aufrecht bleiben;

Einräumung eines Anhörungsrechtes der Belegschaft: Der Betriebsinhaber soll im Fall einer Umstrukturierung verpflichtet werden, die Belegschaft über die Umstrukturierungen eingehend zu informieren und sich – etwa in Form einer „(Teil)Belegschaftsversammlung“ direkt den Fragen der Betroffenen zu stellen

Mehr Rechte für die Belegschaft und deren Vertretung

Verpflichtende Vorlage eines „Sozial-Business-Planes“, in dem auch mittelfristige Auswirkungen auf die Beschäftigung (Arbeitsplätze, Qualifikationsanforderungen, Standort) sowie die Arbeitsbedingungen (Lohnentwicklung etc) dargestellt werden.

Die Zuständigkeit des alten Betriebsrates (§ 62b ArbVG, bisher 4 Monate) soll auf 9 Monate verlängert werden, solang kein neuer Betriebsrat eingerichtet wurde. Die 4 Monate nach der derzeit gültigen Regelung erweisen sich in der Praxis als zu kurz.

Verbesserung der Informationsrechte des Betriebsrates bei Umstrukturierungen; insbesondere stärkere Sanktionen bei Verletzung der Informationspflichten; Umsetzung der Richtlinie 2002/14/EG über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der europäischen Gesellschaft.

Bildungsfreistellung der Betriebsräte muss ausgebaut werden. Umstrukturierungen sind meistens sehr komplex und erfordern umfangreiche wirtschaftliche und juristische Kenntnisse. Die derzeitigen Bildungsfreistellungen sind dafür nicht ausreichend.

Umstrukturierungen sind meist sehr komplex. Dem Betriebsrat sind daher auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um externe Expertisen bzw Begleitungen einholen zu können. Weiters muss der Belegschaft für die Dauer der Umstrukturierung mehr Zeitkapazität zur Verfügung gestellt werden (zB durch eine auf die Dauer der Umstrukturierung befristete Freistellung).

Klare Regelungen für das Schicksal des Betriebsrats-Fonds nach Umstrukturierungen

Corporate Governance – bessere Kontrolle bei Umstrukturierungen

Klare Regelung von Umstrukturierungen im Aktien- und GmbH-Recht. Formen von Umstrukturierungen wie Outsourcing etc sind bei den zustimmungspflichtigen Geschäften nur sehr schwer subsumierbar, da der Gesetzestext auf einer Jahrzehnte alten Terminologie aufbaut. Alle Formen von Umstrukturierungen sollten als zustimmungspflichtiges Geschäft aufgenommen werden. Auch Umstrukturierungen, die in der Haupt- oder Generalversammlung

Page 12: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft________________________________________________________________ 9

beschlossen werden wie zB Spaltung oder Verschmelzung - sollten einer klaren Vorprüfung durch den Aufsichtsrat unterzogen werden.

Senkung der Grenze für die Einrichtung eines Aufsichtsrates. Da durch Ausgliederungen immer kleinere Unternehmenseinheiten entstehen, fällt häufig die Unternehmenskontrolle durch einen Aufsichtsrat weg. Die derzeit gültigen Grenzen (vereinfacht: ab 300 AN bei GmbH) sollen daher deutlich reduziert werden.

Verpflichtende Wirtschaftsprüfung (Umgründungsprüfung) und steuerliche Betriebsprüfung bei juristischen Verselbständigungen und Verschmelzungen. Umstrukturierungen sind immer auch mit der Verlagerung von Schulden und Vermögen verbunden. Verpflichtende Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer sollen betrügerische Transaktionen vorweg vermeiden helfen. Eine fixe steuerliche Betriebsprüfung soll dazu beitragen, dass Steuerhinterziehung durch Umstrukturierungen vermieden wird. Auch Bewertungsfragen sollen dadurch abgedeckt werden.

Einbremsen der überzogenen Umstrukturierungsdynamik

Einschränkung von steuerlichen Erleichterungen von Umstrukturierungen: Die seit Jänner 2005 geltende Gruppenbesteuerung fördert Umgründungen, die keinen betriebswirtschaftlich-strategischen Nutzen – abgesehen von Steuerminimierung – haben. Die Gruppenbesteuerung soll daher eingeschränkt werden. Gruppenunternehmen aus Drittstaaten sind jedenfalls auszunehmen. Auch die neue Firmenwertabschreibung bei erworbenen Beteiligungen ist aus der Sicht der AK zurückzunehmen. Auf europäischer Ebene ist die Forderung zu erneuern, dass einheitliche Richtlinie für die Unternehmensbesteuerung erarbeitet werden, um den Trend zum Steuerdumping Einhalt gebieten zu können.

Einschränkung von Downstream-Merger: Unternehmen finanzieren ihren eigenen Erwerb selbst und bleiben meist auf den Schulden sitzen. Downstream-Merger, die eine erhebliche Verschlechterung der Kapitalstruktur mit sich bringen, sollen nicht mehr möglich sein.

„Umstrukturierungsprämien“ für das Management (zB Belohnung für erfolgreich über die Bühne gebrachte Fusion) sind abzulehnen. Die Managementvergütung soll sich am § 70 AktG orientieren, wonach das Unternehmen so zu führen ist, dass auch die Interessen des Unternehmens selbst aber auch jene der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit adäquat berücksichtigt werden müssen.

Page 13: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________10

3. UMSTRUKTURIERUNGEN IN DER PRAXIS – ERGEBNISSE EINER BEFRAGUNG VON BETRIEBSRÄTEN

3.1. Ziel und Vorgangsweise der Befragung Umstrukturierungen sind seit gut einem Jahrzehnt die wohl „beliebteste“ Veränderungsaktivität von Unternehmen. Große Unternehmen werden auf kleinere GmbHs aufgeteilt („abgespalten“, „eingebracht“, Tätigkeiten fremd vergeben oder ArbeitnehmerInnen in die Selbstständigkeit verabschiedet („Ich-AG“, „Arbeitskraftunternehmer“). Für Betriebsräte und Personalvertreter sind Umstrukturierungen eine große Herausforderung, gilt es doch, die damit unweigerlich verbundenen Auswirkungen auf die Belegschaft zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, damit die schlimmsten Folgen abgefedert werden können. Jede Umstrukturierung hat ihre eigenen Charakteristika, jede läuft anders ab und meist sind auch die Motive und Ziele nur schwer zu erkennen. So viele Unterschiede es zwischen verschiedenen Umstrukturierungsaktivitäten gibt, eines ist ihnen gemeinsam: beinahe jede Umstrukturierung wirkt sich auf die Beschäftigten aus, sei es dass Arbeitsplätze verloren gehen, der Arbeitsdruck steigt, Ansprüche aus der Beschäftigung wie Lohn und Gehalt verändert werden oder die Mitbestimmung erschwert wird. Ziel dieser Untersuchung ist es, mit dem Hintergrund der seit vielen Jahren geführten Diskussion rund um globale wirtschaftliche Veränderungen in den Betrieben zu erheben, welche Umstrukturierungsaktivitäten in den Betrieben aktuell sind. Auch sollen konkrete Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte und die betriebliche Mitbestimmung analysiert werden. Ziel ist es nicht, eine exakte quantitative Erhebung und Abbildung der Fakten zu erreichen, sondern Hinweise auf die Praxis in den österreichischen Betrieben zu erhalten. Die Befragung wurde von der Arbeiterkammer Wien konzipiert und durchgeführt. Befragt wurden Österreich weit 200 BetriebsrätInnen und AufsichtsrätInnen von in Österreich ansässigen Unternehmen. Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat die gleichen Fragen zusätzlich an oberösterreichische Betriebsräte gerichtet und 265 beantwortete Fragebögen ausgewertet. Insgesamt wurden somit 465 Betriebsräte aus verschiedenen Unternehmen in die Untersuchung einbezogen. Die Ergebnisse der beiden Teiluntersuchungen unterscheiden sich in den wesentlichen Punkten nicht voneinander. Den Befragten wurde Anonymität zugesagt, so dass keine namentliche Erwähnung von Personen oder Firmen vorgenommen wird. Bei der Auswahl der Stichprobe wurde darauf geachtet, dass die Merkmale Unternehmensgröße, Branche und Eigentümer möglichst gleich verteilt sind. Ausgewertet und analysiert wurden die Fragebogen von der FORBA, Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt. In mehreren ExpertInnenrunden wurden die Ergebnisse diskutiert und analysiert. Im Rahmen dieser Untersuchung werden die Ergebnisse der bundesweiten Untersuchung der AK-Wien grafisch und zahlenmäßig dargestellt. Die Ergebnisse der Parallelluntersuchung durch die AK-Oberösterreich werden im Text in Hinblick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten dargestellt. Vorweg wird festgestellt, dass die Ergebnisse kaum von einander abweichen, was die Plausibilität der Untersuchungsergebnisse unterstreicht.

Page 14: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________11

3.2. Beschreibung der Unternehmen Wie sich die untersuchten 200 Unternehmen in ihrer Rechtsform und Eigentümerstruktur zusammensetzen, kann aus den folgenden Grafiken ersehen werden. Knapp zwei Drittel der Betriebe sind als GmbH, knapp ein Viertel als Aktiengesellschaften organisiert. 37% befinden sich im Besitz der öffentlichen Hand, ein Drittel in Privatbesitz und knapp 30% in ausländischem Besitz.

Abbildung 1: Rechtsform (in Prozent)

Aktiengesellschaft24%

GmbH63%

OHG oder KG1%

Sonstiges12%

Abbildung 2: Eigentümerstruktur (in Prozent)

inländischer privater Hand31%

ausländischer Hand27%

öffentlicher Hand (zB Bund, Gemeinde, ÖIAG..)

37%

sonstiges5%

Bezüglich der Branchenzugehörigkeit wurde eine möglichst große Bandbreite an unterschiedlichsten Unternehmen angestrebt. Am stärksten waren Betriebe aus dem Bereich „Metall-Elektro“ mit knapp 20%, „sonstige“ mit 16% und Öffentliche Dienstleister mit 12% vertreten. Abbildung 3: Branche (in Prozent)

Metall-Elektro19%

Papier-Druck2%

Nahrungsmittel, Brauerei3%

IT, Beratung, Telekom12%

Transport, Verkehr8%

Persönliche Dienste (Tourismus, Gastgewerbe etc)

4%

Handel6%Chemie, Kunststoff, Pharma

5%

Energie3%

Textil, Bekleidung1%

Versicherungen5%

Banken4%

Öffentlicher Dienstleister (zB Stadtwerke)

12%

Sonstiges16%

Page 15: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________12

Ebenso wurde hinsichtlich der Unternehmensgröße darauf geachtet, im Gesamtsample eine Gleichverteilung zu erreichen. 23% der Unternehmen wiesen zwischen 50 und 300 Beschäftigte auf, 36% zwischen 301 und 1000 Beschäftigte und 32% hatten mehr als 1000 Beschäftigte. 59% der befragten Unternehmen waren Teil eines Konzerns.

Abbildung 4: Unternehmensgröße (in Prozent)

< 50 Besch.9%

50-300 Besch.23%

301 - 1000 Besch.36%

> 1000 Besch32%

Abbildung 5: Teil eines Konzern (in Prozent)

Page 16: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________13

Teil eines Konzerns ?

ja59%

nein35%

-6%

Page 17: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________14 4

3.3. Fragen zur Beschreibung von Umstrukturierungsaktivitäten Der erste inhaltliche Fragenkomplex galt der Beschreibung von Umstrukturierungsaktivitäten. Dabei wurden, wie in Abbildung 6 verdeutlicht, „interne Umstrukturierungen“ (über 80%) und das „Outsourcing von Hilfstätigkeiten“ (über 70%) an erster Stelle genannt. Dass interne Umstrukturierungen an erster Stelle gelandet sind, verwundert nicht, steht den Unternehmen hier doch ein breites Repertoire an Aktivitäten zur Verfügung. Diese reichen von Veränderungen bei Lohn- und Zeitmodellen, über Änderungen der Aufbauorganisationen (zB geänderte Abteilungsstruktur Divisionalisierung), Optimierung der Geschäftsprozesse bis zu Maßnahmen im Bereich Human Ressource etc. Welche Maßnahmen im Detail unter internen Umstrukturierung verstanden wurden, wurde nicht näher abgefragt, da dies Teil einer eigenen Untersuchung sein wird. Interne Umstrukturierungen sind häufig im Vorfeld von „externen“ Umstrukturierungen (zB Ausgliederungen, Fusionen) zu finden. Die Organisation wird damit auf weitere Umstrukturierungsaktivitäten vorbereitet (zB Divisionalisierung als Vorbereitung für die Auslagerung einer Geschäftssparte). Interne Umstrukturierungen sind häufig auch Folgen von zuvor stattgefundenen Ausgliederungen oder Fusionen. Typisch dafür sind etwa Zusammenlegungen von Abteilungen nach einer Fusion, um Doppelgleisigkeiten abzubauen. In knapp 45% der Betriebe wurden „Produktionssparten oder Tätigkeiten in eigene Tochtergesellschaften ausgegliedert“. In mehr als 30% der befragten Betriebe wurden „Outsourcing von typischen Angestelltentätigkeiten“ (38%), „Verschmelzen des eigenen Unternehmens mit anderen Unternehmen“ (33,3%), „sonstige Umstrukturierungsaktivitäten“ sowie ein „Eigentümerwechsel“ durch den Verkauf des Unternehmens (31,7%) rückgemeldet. Bemerkenswert ist, dass in 18,2% der Unternehmen früher auswärts durchgeführte Tätigkeiten wieder in das eigene Unternehmen rückgeholt („Insourcing“) wurden. Die Auflistung dieser Aktivitäten lässt deutlich erkennen, in welcher Bewegung Österreichs Unternehmenslandschaft ist. Umstrukturierung ist kein Ausnahmefall, Umstrukturierung ist mittlerweile offensichtlich zur alltäglichen betrieblichen Routine für das Management und die betroffenen Beschäftigten geworden. Ein Abflachen dieser Welle ist nach wie vor nicht zu erkennen. Abbildung 6: Umstrukturierungsaktivitäten gesamt (in Prozent)

Page 18: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________15

Vergleichsergebnisse AK Oberösterreich: Auch die oberösterreichische Untersuchung bringt die interne Umstrukturierung, Outsourcing von Hilfstätigkeit sowie Ausgliederungen in eigene juristische Körperschaften als die häufigsten Umstrukturierungsarten hervor. Geringe Rangunterschiede gibt es bei den nachfolgenden Umstrukturierungsaktivitäten. Im wesentlichen sind die Ergebnisse der beiden Untersuchungen von AK-Wien und AK-Oberösterreich deckungsgleich.

0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0 80,0 90,0 100,0

Verschmelzung der Mutter mit Konzern Gründung „Personalleasing-Gesellschaft“

Insourcing Ausgliederung von AN als freie DN

Ausgl. von Vermögen in eigene Tochterges. Verlagerung von Prod.teilen ins Ausland

Eigentümerwechsel Son. Umstrukturierungsaktivitäten

Verschmelzung mit anderem Unternehmen Outsourcing von Prod.tätigkeiten

Outsourcing von „typ.“ Ang.tätigkeiten Ausgl. in eigene Tochterges.

Outsourcing von Hilfstätigkeiten Int. Umstrukt.

Page 19: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________16

3.4. Umstrukturierungen im Zeitbezug Abbildung 7: Umstrukturierungsaktivitäten mit Zeitbezug (Teil 1) (in Prozent)

12,2 12,2 8,5 67,1

7,2 16,7 9,4 66,7

13,5 12,4 9,6 64,6

11,4 16,3 10,3 62,0

15,5 19,3 10,2 55,1

13,8 27,5 30,7 28,0

34,9 30,3 18,5 16,4

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Ang.tätigkeiten

Ja, im letzten Jahr Ja, innerhalb der letzten drei Jahre Ja, innerhalb der letzen 10 Jahre Nein

Int. Umstrukt.

Outsourcing von Hilfstätigkeiten

Ausgl. in eigene Tochterges.

Outsourcing von „typ.“

Outsourcing von Prod.tätigkeiten

Verschmelzung mit anderem Unternehmen

Son. Umstrukturierungsaktivitäten

Page 20: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________17

Abbildung 8: Umstrukturierungsaktivitäten mit Zeitbezug (Teil 2) (in Prozent)

Bei den „internen Umstrukturierungen“ fällt auf, dass in über 65% der Fälle, diese Veränderungen innerhalb der letzten drei Jahren stattgefunden haben (34,9% im letzten Jahr, 30,3% innerhalb der letzten 3 Jahre) (siehe Abbildung 7). Interne Umstrukturierung ist somit auch im aktuellen Zeitbezug die wohl „populärste“ Umstrukturierungsform. Zu beachten ist dabei aber, dass interne Umstrukturierungen oft sehr eng mit Ausgliederungen oder Outsourcing oder anderen Umstrukturierungsformen verknüpft sind bzw von letzteren überhaupt erst ausgelöst werden. Oft finden die internen Umstrukturierungen zeitlich aber erst dann statt, wenn der Anlass bereits wieder in „Vergessenheit“ geraten ist. Bei der Frage nach „Outsourcing von Hilfstätigkeiten“ (wie Werksküche, Reinigung, Facility Management) antworteten 30,7% der Betriebe, dass diese Tätigkeiten innerhalb der letzten 10 Jahre ausgegliedert wurden (13,8% im letzten Jahr, 27,5% innerhalb der letzten drei Jahre). Im letzten Jahr wurden doch deutlich weniger Hilfstätigkeiten ausgelagert. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass viele Unternehmen diese Maßnahme bereits hinter sich gebracht haben. Während Produktionsbetriebe ihre Hilfstätigkeiten meist schon ausgelagert haben, dürfte bei Dienstleistungsbetrieben hier noch ein „Nachholbedarf“ sein. (siehe Abbildung 10). Outsourcing von Angestelltentätigkeit (Buchhaltung, Personalentwicklung, IT etc) gewinnt dagegen erst in letzter Zeit an Aktualität. Vor allem in der IKT-Branchen ist dieser Trend derzeit stark bemerkbar. Ganze IT-Abteilungen werden ausgelagert. Zusätzlich gibt es einen Trend zu Standard-Produkten wie SAP und damit übernehmen Logopartner der EDV-Programmanbieter die Dienstleistungen. Da es bei diesen Standardprodukten auch schwieriger wird, die Produkte zu durchschauen, ist ein Trend zur Verlagerung zum Anbieter die logische Konsequenz. Internationale Vernetzung und Möglichkeit des Datentransfers erleichtern dies. Generell ist auslagern leichter, je standardisierter die Anwendungen sind. Je mehr Rückfragen notwendig sind, desto schwieriger wird Outsourcing. Es geht aber auch umgekehrt: die Unternehmen konzentrieren sich auf das Kerngeschäft und lagern komplexere Dinge aus (zB Steuerberatung, Expertisen). Outsourcing von

7,2% 2,8 89,4

4,9 6,5% 4,9 83,8

9,7 6,7 81,8

5,5% 7,7 8,2 78,6

3,3 10,5 7,7 78,5

6,5% 7,5 8,6 77,4%

8,2% 8,2 15,3 68,3

Insourcing

Ja, im letzten Jahr Ja, innerhalb der letzten drei Jahre Ja, innerhalb der letzen 10 Jahre Nein

Eigentümerwechsel

Verlagerung von Prod.teilen ins Ausland

Ausgl. von Vermögen in eigeneTochterges.

Ausgliederung von AN als freie DN

Gründung „Personalleasing- Gesellschaft“

Konzern Verschmelzung der Mutter mit

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Page 21: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________18

Angestelltentätigkeiten bringt für die Unternehmen vor allem den Vorteil, dass Fixkosten für Personal etc in variable Kosten umgewandelt werden. Letztendlich werden aus den Kosten Preise, das Unternehmen kann die ausgelagerten Tätigkeiten flexibel zukaufen. Vergleichsergebnisse AK Oberösterreich: Auch in der Vergleichsstudie werden diese Ergebnisse bestätigt. Der Trend zu Insourcing ist ebenso im Kommen wie das Outsourcing von Angestelltentätigkeiten sowie die Verlagerung in Richtung freie DienstnehmerInnen.

Page 22: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________19

Wie sich die Umstrukturierungsaktivitäten in den letzten Jahren gewandelt haben Die häufigsten Umstrukturierungsformen im letzten Jahr

Rang Umstrukturierungsart 1 interne Umstrukturierung 2 Ausgliederung in

Tochtergesellschaft 3 Outsourcing von Hilfstätigkeiten 4 Outsourcing von Produktion 5 Outsourcing von

Angestelltentätigkeiten 6 Insourcing 7 Eigentümerwechsel 8 Verschmelzung von Unternehmen 9 Verlagerung von Produktion ins

Ausland 10 Ausgliederung von Arbeitnehmern

als Selbständige Die häufigsten Umstrukturierungsformen in den letzten drei Jahren

Rang Umstrukturierungsart 1 interne Umstrukturierung 2 Outsourcing von Hilfstätigkeiten 3 Ausgliederung in

Tochtergesellschaft 4 Outsourcing von

Angestelltentätigkeiten 5 Verschmelzung von Unternehmen 6 Outsourcing von Produktion 7 Eigentümerwechsel 8 Verlagerung von Produktion ins

Ausland 9 Ausgliederung von Arbeitnehmern

als Selbständige. 10 Verschmelzung der Mutter

Die häufigsten Umstrukturierungsformen in den letzten 10 Jahren

1 Outsourcing von Hilfstätigkeiten 2 interne Umstrukturierung 3 Eigentümerwechsel 4 Ausgliederung in

Tochtergesellschaft 5 Outsourcing von

Angestelltentätigkeiten 6 Verschmelzung von Unternehmen 7 Outsourcing von Produktion 8 Verlagerung von Produktion ins

Ausland

Page 23: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________20

9 Ausgliederung von Arbeitnehmern als Selbständige

10 Gründung von eigenen Personalpool GmbHs

Die Rankings zeigen deutliche Trends:

- Outsourcing von Hilfstätigkeiten verliert letzter Zeit etwas an Gewicht (ist bereits „ausgereizt“) - Insourcing wird deutlich bedeutender (Unzufriedenheit mit Outsourcing als Hintergrund?) - Eigentümerwechsel hat in der unmittelbaren Vergangenheit etwas abgenommen (These:

Unsicherheit auf den Aktienmärkten ab 2001, weniger Übernahmen als Folge) - Outsourcing Produktion gewinnt deutlich an Relevanz (Verlagerung von Tätigkeiten in die

CEE Länder als ein möglicher Hintergrund) Abbildung 9: Umstrukturierungsaktivitäten (Top 5) nach Eigentümerstruktur (in Prozent)

Bei einer Differenzierung der Umstrukturierungsaktivitäten nach Eigentümer zeigt sich, dass Unternehmen in öffentlicher Hand offensichtlich im letzten Jahr bzw in den letzten drei Jahren einen deutlichen Aufholprozess hingelegt haben. Im öffentlichen Bereich finden deutlich mehr Umstrukturierungen statt als etwa bei Gesellschaften mit österreichischen oder ausländischen Eigentümern. Typische Unternehmen in diesem Bereich sind Post, ÖBB, ausgegliederte Museen, Theater etc aber auch Unternehmen im ÖIAG-Bereich. Auffällig sind die Unterschiede vor allem bei Ausgliederungen in Tochtergesellschaften sowie bei Outsourcing von Angestelltentätigkeiten. Gesellschaften mit ausländischen Eigentümer (meist Konzerne) haben diese Phasen bereits wesentlich früher eingeleitet.

Page 24: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________21

Abbildung 10: Umstrukturierungsaktivitäten (Top 5) nach Sektoren (in Prozent)

Nach Sektoren differenziert zeigt sich, dass der Dienstleistungssektor mehr in Bewegung ist, als der produzierende. Hier könnte eine These sein, dass im Produktionssektor viele Um- bzw Restrukturierungen bereits abgeschlossen sind und der Dienstleistungssektor erst allmählich auf diesen Zug aufspringt. Stellvertretend für die ansteigenden Umstrukturierungsbewegungen im Dienstleistungssektor sind die Umbrüche im Finance-Sektor genannt (Banken, Versicherungen). Eigentümerwechsel, Verschmelzungen, Auslagerungen von Tätigkeiten prägen hier das Bild in den letzten Jahren sehr deutlich. Abbildung 11: Umstrukturierungsaktivitäten (Top 5) nach Unternehmensgrösse (in Prozent)

Page 25: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________22

Page 26: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________23

3.5. Wie oft einzelne Umstrukturierungen vorgenommen werden Wie oft werden einzelne Umstrukturierungen in den letzten 10Jahren im selben Unternehmen durchgeführt (Fälle in Prozent)

% ein oder zwei mal

drei bis 5 mal mehr als 5 mal

Summe

interne Umstrukturierung 50,9 38,2 10,9 100,0 Ausgliederung Tochtergesellschaft 60,0 33,3 6,7 100,0 Outsourcing Hilfstätigkeiten 74,4 23,0 2,6 100,0 Outsourcing Angestelltentätigkeiten 75,0 20,9 4,1 100,0 Ausgliederung von Arbeitnehmern als Selbständige

75,0 25,0 100,0

Verlagerung von Prod. ins Ausland 78,6 21,4 100,0 Sonstiges 83,3 16,7 100,0 Outsourcing Produktion 84,6 7,7 7,7 100,0 Verschmelzung von Unternehmen 85,7 14,3 100,0 Insourcing 88,9 11,1 100,0 Eigentümerwechsel 91,7 8,3 100,0 Gründung Personalleasing Ges. 100,0 100,0 Verschmelzung der Mutter 100,0 100,0 Es zeigt sich, dass viele Umstrukturierungen nicht nur einmal im selben Unternehmen, sondern häufig mehrmals im Laufe der Zeit durchgeführt werden. So haben 38 % der Betriebsräte, die in den letzten 10 Jahren interne Umstrukturierungen wahrgenommen haben, zwischen 3 und 5 derartige Aktivitäten gezählt. Jeder 10. Befragte gab sogar an, dass mehr als 5 mal intern umstrukturiert wurde. Es wurden auch Unternehmen geortet, in denen in den letzten 10 Jahren mehr als 15 interne Umstrukturierungen abgewickelt worden sind. Ähnliche Ergebnisse gibt es bei Ausgliederungen von Tochtergesellschaften sowie bei den diversen Outsourcing Aktivitäten. Auch hier zeigt sich, dass diese Umstrukturierungen öfters als einmal stattfinden. Jede Umstrukturierung hat Auswirkungen auf die Belegschaft. Die Untersuchung zeigt, dass die Belegschaft permanent durch Umstrukturierungen tangiert wird, Verunsicherungen innerhalb der Belegschaft sind die Folge. Die Beschäftigten wenden viel Energie auf, um sich mit der bevorstehenden Umstrukturierung zu befassen – Energie, die dem betrieblichen Leistungsprozess entzogen wird. Negative Auswirkungen auf Motivation, Identifikation, Fluktuation etc sind die Folgen der Umstrukturierungswelle.

Page 27: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________24 4

3.6. Welche Umstrukturierungen als besonders „gravierend“ erlebt wurden Die meisten BetriebsrätInnen haben mehrere Umstrukturierungen im Laufe ihrer Tätigkeit erlebt. Umstrukturierungen werden in ihrer Intensität unterschiedlich erlebt. Je nachdem wie viele Beschäftigte betroffen sind, wie rasch die Umstrukturierung über die Bühne gebracht wird oder welche Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Betroffenen vermutet werden, wird eine Umstrukturierung als „gravierend“ oder weniger gravierend erlebt. Die "internen Umstrukturierungen" wurden von einem Viertel der Befragten als die gravierendsten Veränderungen im Hinblick auf die Situation der Beschäftigten und des Betriebsrates wahrgenommen. Rückmeldungen mit über 10% erhielten des weiteren der "Eigentümerwechsel" (13,2%), "sonstiges" (12,5%) und die "Ausgliederung von Produktionssparten oder Tätigkeiten in eigene Tochtergesellschaften" (10,3%). Auffällig ist hier vor allem die hohe Nennung von Eigentümerwechsel. 24 Befragte hatten einen Eigentümerwechsel, 18 davon haben gemeint, dass dies die gravierendste Aktivität war. Dies kann in so ferne erklärt werden, als Eigentümerwechsel immer das gesamte Unternehmen betrifft, während etwa bei Outsourcing nur ein Teil der Belegschaft betroffen ist. Bestes Beispiel dazu bietet etwa der Eigentümerwechsel in der VA-Tech (Siemens), der zu unmittelbaren Gefährdung von Geschäftsbereichen führen könnte. Umstrukturierungen, die auf einer höheren, entfernteren Ebene stattfinden (zB Fusion auf Mutterebene), werden nur selten als gravierend erlebt, auch wenn in der Folge möglicherweise völlig neue Unternehmensstrategien eingeschlagen werden. Abbildung 12: gravierernste Umstrukturierungsaktivitäten (in Prozent)

Diese Grafik ist wie folgt zu lesen: Von allen Betriebsräten, die eine Umstrukturierung in ihrem Betrieb wahrgenommen haben, sind 25 % der Meinung, dass interne Umstrukturierungen als die gravierendsten erlebt werden.

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0 35,0 40,0 45,0 50,0

Insourcing

Verschmelzung der Mutter mit Konzern Outsourcing von „typ.“ Ang.tätigkeiten

Outsourcing von Prod.tätigkeiten Gründung „Personalleasing-Gesellschaft“

Ausgl. von Vermögen in eigene Tochterges. Verlagerung von Prod.teilen ins Ausland

Ausgliederung von AN als freie DN Outsourcing von Hilfstätigkeiten

Verschmelzung mit anderem Unternehmen Ausgl. in eigene Tochterges.

Son. Umstrukturierungsaktivitäten Eigentümerwechsel

Int. Umstrukt.

Page 28: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________25

Vergleichsergebnisse AK Oberösterreich: Im Wesentlichen gab es nur geringe Reihungsunterschiede im Vergleich zur Untersuchung der AK-Oberösterreich. Auch die oberösterreichischen Betriebsräte erlebten die internen Umstrukturierungen als die gravierendsten. Anders als in der überregionalen Untersuchung folgen dann aber vor allem Verschmelzungen und Produktionsverlagerungen ins Ausland. Als gravierend werden in Oberösterreich weiters Outsourcing von Hilfstätigkeiten, sowie Ausgliederungen von Tochtergesellschaften wahrgenommen.

Page 29: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________26

3.7. Motive des Arbeitgebers für Umstrukturierungen Es wurde nach ausdrücklich genannten bzw vermuteten Motiven des Arbeitgebers gefragt. Ausdrücklich genannt wurde von den Arbeitgebern "Erzielung von Kosteneinsparungen", "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit" und "Abbau von Doppelgleisigkeiten". Befragt nach den vermuteten und nicht ausdrücklich genannten Motiven stehen "Einsparungen von Personal" an vorderer Stelle. Hier zeigt sich die Betroffenheit der Betriebsräte, die regelmäßig die Erfahrung machen, dass unter „Kosteneinsparung“ beinahe immer auch „Personaleinsparung“ verstanden wird. Generell fällt auf, dass bei offiziellen Statements der Unternehmensleitungen eher allgemeine, nicht konkretisierte Motive verwendet werden. Es besteht die Vermutung, dass dadurch die Akzeptanz des Vorhabens erhöht werden soll. Gegen Argumente wie Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit oder Abbau von Doppelgleisigkeiten ist kaum Widerstand zu erwarten. Anders bei Motiven, die die Belegschaft direkt betreffen: Sie werden seltener offiziell transportiert (Personaleinsparungen, Flucht aus dem KV, Machtabbau des Betriebsrates). Hier wird offensichtlich eine höhere Sensibilität für die Themen angenommen. Der Machtabbau des Betriebsrates steht in der „offiziellen“ Motivliste ganz unten. Die Betriebsräte vermuten allerdings, dass dieser als „Nebeneffekt“ gerne mitgenommen wird. Freilich weisen die hohen Vermutungen bei diesem Motiv auch auf die große Verunsicherung der Belegschaftsvertretung bei jeder Umstrukturierung hin. Abbildung 13: Motive Arbeitgeber (in Antworten1)

1 Da die einzelnen Motive (bis auf 4 Motive) nur von jeweils knapp 50% der befragten Betriebe

beantwortet wurden, findet hier eine Darstellung nach Antworten statt.

Dieses Motiv wurde vom Arbeitgeber ausdrücklich genannt... Dieses Motiv wurde nicht genannt, ich vermute aber, das dahintersteckt..

Kosteneinsparungen Wertbewerbsfähigkeit

Abbau Doppelgleisigkeiten Stärkung Kernkompetenz

Mehr Nähe zum Kunden Standortsicherung

Personaleinsparung

Abbau von Fixkosten Koop. strat. Partner

Trennung Rechnungskreise Bessere Leitung Konzern

Stärkung Kapitalbasis Steuervorteilen Flucht aus KV

Verkauf von Anteilen Sonstiges

Machtabbau BR 0 20 40 60 80 100 120 140

Page 30: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________27

Ranking nach den(vom Management) ausdrücklich“ genannten Motive: 1. Kosteneinsparungen 2. Wettbewerbsfähigkeit 3. Abbau

Doppelgleisigkeiten 4. Stärkung Kernkompetenz 5. Nähe zum Kunden Ranking nach den Motiven aus der Sicht der Betriebsräte: 1. Personaleinsparung 2. Machtabbau des BR 3. Steuervorteile 4. Flucht aus

Kollektivvertrag 5. Abbauf von Fixkosten Abbildung 14: Motive Arbeitgeber nach Eigentümer (in Prozent)

Es fällt auf, dass das Motiv der Personaleinsparungen im öffentlichen Bereich wesentlich offener ausgesprochen wird als im privaten Sektor.

Page 31: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________28

Abbildung 15: Motive Arbeitgeber nach Branche (in Prozent)

Das Potenzial an Personaleinsparungen ist im produzierenden Bereich im Abnehmen begriffen, während im Dienstleistungssektor deutlich öfter Umstrukturierungen auf dieses Ziel abstellen. Generell zeigt sich, dass im Dienstleistungssektor Einsparungen viel mehr im Vordergrund stehen, als im produzierenden. Es wird vermutet, dass der produzierende Bereich in den letzten Jahren viele Rationalisierungspotenziale bereits ausgeschöpft hat und der Dienstleistungssektor nun nachzieht.

Page 32: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________29

Abbildung 16: Motive Arbeitgeber nach Unternehmensgröße (in Prozent)

Wettbewerbsfähigkeit, Personaleinsparungen, Abbau von Doppelgleisigkeiten sind vor allem Themen bei Großunternehmen. Im Klein- und Mittelbetriebe-Bereich zielen Umstrukturierungen viel stärker auf die Erhöhung der Kernkompetenzen ab.

3.8. Wurden die gesteckten Ziele erreicht?

Page 33: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________30

Ranking der Ziele, die aus der Sicht des Betriebsrates tatsächlich erreicht wurden (gereiht nach der Häufigkeit der Nennung)

1. Kosteneinsparung 2. Personaleinsparung 3. Trennung der Rechnungskreise 4. Erhöhung der Kernkompetenz 5. Abbau von Doppelgleisigkeiten 6. Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit 7. Abbau von Fixkosten 8. Machtabbau des Betriebsrates 9. Ausnützen von Steuervorteilen

10. Kooperation mit strategischem Partner Das Ranking zeigt deutlich, dass vor allem Kosteneinssparungen als „tatsächlich“ erreicht beurteilt werden. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch, dass Arbeitnehmer – und Betriebsräte Kosteneinsparungen im Zuge von Umstrukturierungen meistens am eigenen Leib verspüren, in dem Arbeitsplätze abgebaut oder Löhne bzw Arbeitsverträge verschlechtert werden.

Page 34: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________31

3.9. Auswirkungen Umstrukturierung Befragt nach den Auswirkungen der Umstrukturierung wurden eine "Erhöhung des Arbeitsdrucks" und eine "Verringerung des Beschäftigtenstandes" an erster Stelle genannt. Die unsichere Situation der Beschäftigten ("unsichere Arbeitsplätze", "Arbeitnehmer verließen Unternehmen freiwillig", "Synergieeffekte führten zu Personaleinsparungen") wurden in mehr als 50% der befragten Betriebe wahrgenommen. Dies führte indirekt dazu, dass Betriebsräte sich in ihrer Mitbestimmungs- und Gestaltungskompetenz beschnitten sehen. Über 60% der Befragten sehen Einbußen beim "Einfluss des Betriebsrates auf strategische Entscheidungen". Einen direkten Einfluss auf bestehende Betriebsvereinbarungen sehen knapp 20% der Befragten ("Betriebsvereinbarungen wurden verschlechtert"). Abbildung 17: Auswirkungen der Umstrukturierung (Teil 1) (in Prozent)

Ja, im ersten Jahr nach der Umstrukturierung Ja, nach dem ersten Jahr nach der Umstrukturierung Nein Weiß ich nicht

Arbeitsdruck erhöht

Abt./Betr. kleiner oder geschlossen

Beschäftigung verringert

andere Strategie

weniger Einfluss BR

Unsichere Arb.pl.

AN freiwillig weg

Synergieeffekte/ Personaleinsp.

Golden Hand Shake

Gewinne gestiegen

Vorz. Pens./Berufsunfähigkeitspens.

verbesserte Kostenstruktur

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Page 35: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________32

Abbildung 17: Auswirkungen der Umstrukturierung (Teil 2) (in Prozent)

Auswirkungen sofort Auswirkungen nach einem Jahr 1. Arbeitsdruck steigt 1. Arbeitsplätze werden unsicherer 2. Strategie wird verändert 2. Beschäftigung wird verringert 3. Beschäftigung wird verringert 3. Einfluss Betriebsrat wird weniger 4. Abteilung/Betrieb verkleinert oder

geschlossen 4. Arbeitsdruck steigt

5. freiwilliger Abgang von ArbeitnehmerInnen

5. Sozialleistungen werden gekürzt

6. Einfluss des Betriebsrates wird weniger 6. Entlohnung verschlechtert sich 7. Arbeitsplätze werden unsicherer 7. Vorzeitige Pensionierungen 8. Synergieeffekte/Personaleinsparungen 8. Kostenstruktur verbessert sich 9. Golden Handshake 9. Abteilungen/Betriebe werden

verkleinert/geschlossen 10. Höhere Unternehmensgewinne 10. Synergieeffekte/Personaleinsparungen Das Ranking zeigt deutlich, dass die Auswirkungen auf die Beschäftigten oft erst weit nach der Umstrukturierung eintreten. An der Spitze dieser „späten Nachwirkungen“ stehen vor allem Auswirkungen in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis, die Entlohnung und die Mitbestimmung des Betriebsrates. Hier wird sichtbar, dass ein Jahr nach einer erfolgten Umstrukturierung die Schutzwirkung des AVRAGs nachlässt und es dann zu einer weiteren Rationalisierungswelle kommt. Outgesourcte Arbeitnehmer werden dann vom neuen Dienstleistungserbringer gekündigt oder die Entlohnung etwa durch Vertragsänderungen verschlechtert. Speziell bei Eigentümerwechsel dauert es, bis der neue Eigentümer seine Strategie ausgearbeitet hat, wodurch massive Auswirkungen erst später bemerkbar werden.

Ja, im ersten Jahr nach der Umstrukturierung Ja, nach dem ersten Jahr nach der Umstrukturierung Nein Weiß ich nicht

Qualität der Prod./Dienstl. Schlechter

Flex. Arbeitsverh.

Freiw. Sozialleist. abgeschafft

Sonstige Ausw.

Mitbestimmung BR schwächer

Entlohnung verschlechtert

AZ-Regelung verschlechtert

KV-Zugehörigkeit verändert

Produktion verlagert

Definitivst./Pens.zusagen abgeschafft

BV verschlechtert

Entfernung Arbeitsplatz größer

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Page 36: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________33

Der Betriebsrat ist zu Beginn der Umstrukturierung meist noch sehr aktiv mit der Abwicklung der Umstrukturierung beschäftigt. Bei Ausgliederungen oder Fremdvergaben vertritt der Betriebsrat die ausgegliederte Belegschaft nach den Regeln des Arbeitsverfassungsrechtes noch 4 Monate oder maximal bis zum Ende seiner Amtszeit weiter. Die Schwächung des Betriebsrates wird also ebenso nicht unmittelbar nach der Umstrukturierung sichtbar, sondern entwickelt sich erst allmählich im Laufe der Zeit. Spätestens wenn neue Körperschaften gewählt werden müssen, ergeben sich die ersten Probleme, da dabei meist etliche Betriebsmitglieder ihr Mandat abgeben müssen. Neue Mandatare müssen gefunden und veränderte Vertretungsstrukturen (zB Konzernbetriebsrat) eingerichtet werden. Vergleichsergebnisse AK Oberösterreich Die häufigsten Auswirkungen von Umstrukturierungen sind:

1. Arbeitsdruck 2. Andere Strategien 3. Veränderte Kostenstruktur 4. Beschäftigungsverringerung 5. Weniger Einfluss des Betriebsrates 6. Freiwillige Kündigung von

ArbeitnehmerInnen 7. Arbeitsplätze werden unsicherer Abteilungen/Betriebe werden

verkleinert/geschlossen Die Ergebnisse der AK-Oberösterreich decken sich bezüglich der Auswirkungen im wesentlichen mit den AK-Wien Ergebnissen.

Abbildung 18: Auswirkungen der Umstrukturierung nach Eigentümer (in Prozent)

Page 37: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________34 4

Abbildung 19: Auswirkungen der Umstrukturierung nach Branche (in Prozent)

Abbildung 20: Auswirkungen der Umstrukturierung (Top 5) nach Unternehmensgröße (in

Prozent)

Page 38: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________35

3.10. Durchführung der Umstrukturierung Für Betriebsräte kommen durch Umstrukturierungsaktivitäten eine Reihe von Aufgaben und Herausforderungen zu: Um mitgestalten zu können, benötigen sie den Einbezug in Verhandlungen und in den betrieblichen Informations- und Kommunikationsfluss. Zur fachlichen und strategischen Positionierung als Arbeitnehmervertreter brauchen sie als Grundlage Informationen über Ziele, Zahlen und Fakten der geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen. In mehr als drei Viertel aller Fälle waren Betriebsräte über das geplante Umstrukturierungsvorhaben informiert. Die Ziele wurden ihm in mehr als zwei Drittel der Fälle bekannt gegeben, wohingegen nur 46% der Betriebsräte diese Information als "rechtzeitig" einstuften. In knapp zwei Drittel aller Fälle fanden die Umstrukturierungsaktivitäten hinter verschlossenen Türen statt, in nur 22% der Fälle waren Betriebsräte aktiv in Projektteams eingebunden. Umstrukturierungsprojekte werden also meistens top-down durchgeführt. „Hinter verschlossenen Türen“ bereitet ein kleines Projektteam gemeinsam mit den Managern die Umstrukturierung vor, die Belegschaft wird dann meist erst sehr spät über die beschlossenen Maßnahmen informiert. Eine aktive Einbeziehung der Belegschaft ist in den meisten Fällen nicht vorgesehen, nur in jedem fünften Fall erhielt der Betriebsrat ein Konzept oder wurde in das Projektteam bei gezogen. Unterstützung ist für Betriebsräte sehr wichtig, mehr als drei Viertel der Befragten wandten sich an Arbeiterkammer und/oder Gewerkschaft. Dieser Aspekt der externen Unterstützung wird im nächsten Kapitel näher beleuchtet. Abbildung 21: Durchführung Umstrukturierung (in Prozent)

22,1

23,327,0

31,9%

35,0%

35,0%38,0

42,9

46,0

55,2

60,1

65,0%

67,5

75,5%76,7

0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0 80,0 90,0 100,0

Projektteam mit BR BR erhielt Konzept

lange vorbereitet

BR brachte Anregungen vor

BR erhielt

„Verlierern“ wurde

Erarbeitung Sozialplan hauptsächlich BR-Vorsitzende

BR rechtzeitig

Behandlung im Aufsichtsrat ext. Beratung

hinter verschlossenen

Ziele BR bekannt

BR offiziell informiert

BR holte AK/Gew.

Page 39: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________36

3.11. Unterstützung für Betriebsräte bei Umstrukturierung Die Unterstützung für Betriebsräte bei Umstrukturierungen ist ein wichtiger Faktor für die Mitgestaltung und Mitbestimmung. Die Wünsche der Befragten waren hier vielfältig. An erster Stelle genannt wurden "juristische Beratung" (86,7%), "Kontakte zu anderen Betriebsräten mit ähnlichen Problemen" (85%) und "Checklisten und schriftliche Unterlagen für diverse Probleme" (83,3%). Aber auch die anderen Antwortvorgaben wurden nicht weniger wichtig eingeschätzt, wie folgende Abbildung unterstreicht. Der von vielen Befragten geäußerte Wunsch nach einer externen Begleitung des Umstrukturierungsprozesses dürfte damit zusammenhängen, dass Umstrukturierungen meist sehr komplex sind und keine „rezepthaften“ Lösungen zulassen. Die Vorgangsweise ist in jedem Fall verschieden und muss immer aufs Neue erarbeitet werden. Abbildung 22: Formen der Unterstützung des Betriebsrates (in Prozent)

7,5%

71,7%

75,7%

79,8%

83,8%

85,0%

86,7%

0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0% 80,0% 90,0% 100,0%

Sonstiges

Begleitung Prozess

Schulungsmaßnahmen

Beurteilung wirtschaft.Sinnhaftigkeit

Checklisten/Unterlagen

Kontakte zu and. BR

Juristische Beratung

Page 40: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________37

4. ZAHLEN, FAKTEN UND AUSWIRKUNGEN VON

UMSTRUKTURIERUNGEN – EIN ÜBERBLICK ÜBER STUDIEN UND MEINUNGEN

Umstrukturierungen verändern nicht nur die Unternehmenslandschaft, sie sind immer von gravierenden Einschnitten bei den Beschäftigten begleitet. In diesem Kapitel werden die Auswirkungen auf die Beschäftigten anhand verschiedener veröffentlichter Untersuchungen dargestellt. Ob die Umstrukturierungswelle ihren Zenit bereits überschritten hat, sollen die Ergebnisse von zu diesem Thema veröffentlichten Studien verdeutlichen.

4.1. Trends und Entwicklungen von Umstrukturierungen

4.1.1. Entwicklung von Fusionen und Übernahmen – deutlicher Anstieg 2004

Die Statistik der European Merger Control zeigt, dass Fusionen und Übernahmen bis zum Jahr 2001 stetig zunahmen – offensichtlich beflügelt von einem bis dorthin sehr günstigen Börsenklima. Der sich abzeichnende Börsencrash zu Beginn des neuen Jahrtausends hat zu einer spürbaren Zurücknahme von F&Ü Aktivitäten geführt, die bis 2003 angehalten hat. Erst ab 2004 sind wieder ansteigenden Aktivitäten zu vermerken. In Österreich zeigt sich dagegen bis 2003 ein relativ stabiles Bild, mit einem leichten Höhepunkt im Jahr 2002. 2004 wurden dagegen 379 Zusammenschlüsse angemeldet, um knapp 24 % mehr als 2003. Damit liegt Österreich im internationalen Trend. Die größten Transaktionen tätigte im Vorjahr die Uniqa mit der Übernahme der Mannheimer Holdung sowie des italienischen Lebensversicherers Claris Vita.

Page 41: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________38

4.1.2. Entwicklung von Mergers and Akquisitions – diverse Untersuchungen Weltweit nahmen 2004 laut „e-fundresearch.com Data GmbH“ die Fusionen und Übernahmen (M&A) zu und erreichten den höchsten Stand seit drei Jahren, sowohl in Bezug auf Volumen, als auch auf die Anzahl der abgeschlossenen Transaktionen. Allein in Europa betrug die Zunahme 28%. Das Umfeld scheint für eine anhaltende M&A-Aktivität günstig, auch für die angekündigten Transaktionen,

Page 42: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________39

die voraussichtlich in diesem Jahr abgeschlossen werden. Ob sich M&A günstig für den Gesamtmarkt auswirken, ist strittig. Bisher waren sie für das übernommene Unternehmen günstig, aber nicht für das übernehmende. Eine Analyse der KPMG Corporate Finance in Zusammenarbeit mit Dealogic2 zeigt ebenfalls, dass sich eine Trendwende am globalen Markt für Mergers & Acquisitions 2004 ergeben hat: Mit US$ 1.536 Mrd. lag das Gesamtvolumen 47 % über dem Vorjahreswert. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der Transaktionen weltweit um 10 % auf 18.481. Österreich verzeichnet ebenfalls eine vermehrte Aktivität in diesem Bereich. Die Zahl der abgeschlossenen Deals stieg im Jahresvergleich um 20 % auf 237. Betrachtet man die Fusions- und Übernahmeaktivitäten nach Regionen, so verzeichnete der asiatisch-pazifische Raum Zuwachsraten von 53 % bezogen auf den Transaktionsumfang und 30 % gemessen an der Summe der Deals. Den höchsten Wertzuwachs im abgelaufenen Jahr erzielte Amerika: Das Gesamtvolumen stieg um 61 %, dagegen nahm die Zahl der abgeschlossenen Unternehmensfusionen und -käufe im Jahresvergleich um nur bescheidene 16 % zu. In den Regionen Europa, Mittlerer Osten und Afrika erhöhte sich der Wert der abgeschlossenen Transaktionen um 23 %, die Anzahl hingegen stagnierte auf dem Niveau des Vorjahres.

4.1.3. Neuer Höhenflug bei Outsourcing Der Outsourcing-Boom hat 2004 zu neuen Höhenflügen angesetzt. Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes Frost & Sullivan (www.frost.com) werden bis zum Jahresende insgesamt 826.000 IT-Jobs aus den Industrienationen in Billiglohnländer abgewandert sein. Hauptexporteure bei den Jobs sind die USA und Japan bzw. in Europa Deutschland. Profiteure der Abwanderung von IT-Stellen sind Indien und China. Frost & Sullivan hat für seine Studie die Entwicklung in 14 Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, Hongkong, Japan, die USA und Großbritannien, in den vergangenen drei Jahren unter die Lupe genommen. Demnach ist die Zahl der IT-Jobexporte seit Beginn 2002 unaufhaltsam angestiegen - der durchschnittliche jährliche Zuwachs bei den Stellen, die von den Industrie- in Entwicklungsländer gingen, lag bei 5,9 Prozent. Neben den Kostenvorteilen wurde das Outsourcing vor allem durch staatliche Unterstützungen und Steuer-Anreize in den Billiglohnländern begünstigt. Darüber hinaus hat sich der Trend zum Outsourcing dadurch verstärkt, dass viele ausländische IT-Profis ihren Arbeitgebern in den Industrieländern den Rücken kehrten und in ihre Heimatländer zurückgingen, wo sie die selbe Arbeit zu einem geringeren Gehalt verrichteten. Die Länder, in die die IT-Jobs gehen, sind Indien, China, Brasilien, Mexiko, Malaysia, Polen, Rumänien und Russland. Dabei führt Indien als größter "Importeur" von IT-Jobs weit vor China - gegenwärtig werden doppelt so viele Stellen in den Subkontinent wie in das Reich der Mitte ausgelagert. Diese Kluft soll sich verringern, schreibt Frost & Sullivan, was nicht zuletzt auf mehrere IT-freundliche Initiativen der chinesischen Regierung zurückgeführt werden könne. Der Trend zum Outsourcing kann laut der Studie nicht aufgehalten werden. Auch gesetzliche Initiativen in den Industrieländern könnten dies nicht verhindern, sondern wären vielmehr ein Schuss ins eigene Knie. "Der Staat, der per Gesetz die Abwanderung von IT-Jobs einschränken will, wird nur

2 Quelle: www.kpmg.at

Page 43: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________40 4

sein eigenes Geschäft behindern und gefährdet die Schaffung von Stellen in der Zukunft", kommentiert Frost-&-Sullivan-Analyst Jarad Carleton.

4.1.4. Neugründungen in Österreich: häufig Outsourcing als Anlass Ein Grossteil des Gründungsbooms geht auf den gegenwärtigen Outsourcing-Trend zurück. 80 Prozent der Neugründungen sind Einzelgesellschaften. Es gibt eine Reihe von Branchen, in denen Mitarbeiter in die Selbstständigkeit bzw. zur Lösung eines Gewerbescheins gedrängt werden. Gleichzeitig wird der Weg in die Selbstständigkeit oft aus steuerlichen Vorteilen gewagt. Ein auffälliger Trend zum Gewerbeschein ist vor allem bei den Vertriebsschienen Multi-Level-Marketing, Direktmarketing und Network-Marketing zu beobachten. Firmen-Crashs sind laut KSV-Experten mitunter programmiert. Viele Leute gründen Firmen ohne ausreichendes Eigenkapital, Wirtschaftsverständnis und Polster für Rückschläge. Dazu kommen Betrügereien mit den "Eintags-Firmen" wie in der Baubranche. "Sie werden vorsätzlich gegründet, um sie nach zwei Jahren wieder begraben zu können", sagt Insolvenzexperte Kantner. 3 Auch 2003 waren 80 Prozent der neu gegründeten Unternehmen Einzelgesellschaften, die meistens als Ein-Mann-Betriebe geführt werden. Nur sieben Prozent entfielen auf die volkswirtschaftlich wichtigeren Personengesellschaften. Zehn Prozent der Betriebe wurden als GmbH gegründet.

4.1.5. Selectives Outsourcing im Vormarsch Outsourcing wird auch in nächster Zeit der große Wachstumsmarkt in der Informationstechnologie sein - darüber sind sich die von DER STANDARD4 befragten Analysten von IDC, Gartner und der MetaGroup sicher. "Allerdings ist das komplette Outsourcing out. Unternehmen konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen und lagern andere Bereiche an Spezialisten aus. Selektives Outsourcen - dort, wo es sinnvoll und kosteneffizient ist - wird einen Boom erleben", so Jeffrey Mann von MetaGroup Als Beispiel einer selektiven Auslagerung nennt Mann etwa den Bereich Security. Joachim Seidler von IDC ergänzt: "Die Zeiten, in denen Unternehmen die gesamte IT-Infrastruktur ausgelagert haben, sind vorbei. Outsourcing wird aber dennoch der große Treiber der Branche sein. Wir erwarten hier zweistellige Zuwachsraten zwischen zehn und 20 Prozent." Auch beim Marktbeobachter Gartner zeigt man sich überzeugt, dass Outsourcing im deutschsprachigen Markt jetzt richtig durchstarten wird. "Wir erwarten, dass der Bereich des Offshore oder Global Outsourcing gute Zuwachsraten erzielen wird", so Seidler. "Es ist dies eine logische Reaktion auf internationale Firmenstrukturen. Internet-Applikationen kennen schon jetzt keinerlei Grenzen. Neue Applikationen und das Bestreben nach Kosteneinsparung und Transparenz werden Wachstum bringen." Die Branche befindet sich nach Meinung der Analysten in einem Umbruch, der dazu führt, dass hoch qualifizierte Arbeit in Billiglohnländer verlagert wird. Aber nicht mehr nur große Firmen werden Teilbereiche ihrer IT-Infrastruktur auslagern, auch bei Klein- und Mittelbetrieben rechnen die Experten mit großen Zuwachsraten.

3 Quelle: Wirtschaftsblatt 24.2.2004, www.ksv.at 4 Quelle: DER STANDARD 18.11.2004

Page 44: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________41 4

4.2. Die Auswirkungen von Umstrukturierungen

4.2.1. Abbau von Beschäftigten im Vordergrund – Ergebnisse des European Restructury Monitors

Das ERM (European Restructury Monitor) ist ein Projekt der Dublin Foundation, das seit März 2003 läuft. Es besteht aus einem Netz von Länderkorrespondenten, die die Zeitungen (v.a. business press) in ihrem Land kontinuierlich auswerten, und (geplante) Umstrukturierungsmaßnahmen in ein vorgefertigtes Formular eintragen (fact sheets). Außerdem wird 1/4 jährlich eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse erstellt und einige besonders interessante Fälle werden aufgearbeitet. Hintergrund ist, vor allem auch quantitative Angaben zum Thema Umstrukturierung zu erhalten. Derzeit sind etwa 2450 Fälle von Umstrukturierungen europaweit im Monitor abgebildet (Stand März 2005). Die Daten sind nur ein rudimentäres Abbild der Realität und sind als Hinweis für die faktischen Gegebenheiten zu verstehen. Sie zeigen aber deutlich, welche Problemlagen für die Beschäftigten mit Umstrukturierungen verbunden sind. Für Österreich gibt es zur Zeit noch zu wenige Daten – es sind erst knapp 40 Umstrukturierungsfälle in der Datenbank aufgenommen. Im Zeitraum Jänner bis Dezember 2004 fallen laut Unternehmensplänen mehr als 215.000 Arbeitsplätze internen Umstrukturierungen europaweit zum Opfer. Interne Umstrukturierungen vernichten somit rund 5 mal so viele Arbeitsplätze wie Insolvenzfälle. Aber auch Fusionen und Auslagerungen schlagen sich mit über 30.000 geplanten Kündigungen dramatisch zu Buche. Alleine in den ersten eineinhalb Monaten des Jahres 2005 wird sich der Arbeitsplatzabbau europaweit um 135.000 Stellen fortsetzen (inklusive CEE-Länder). Die Tabelle zeigt deutlich, dass die meisten Arbeitsplatzverluste durch interne Umstrukturierungen, Insolvenz und Betriebsschließungen verursacht werden. Verlagerungen, Verschmelzungen und Outsourcing sind zusammen für ein Zehntel der gesamten Jobverluste verantwortlich, etwa der gleiche Wert wie die Insolvenzen. Drei Viertel aller Arbeitsplatzverluste gehen aber auf das Konto von internen Umstrukturierungen. Dem steht gegenüber, dass in nur 15 % der Fälle interner Umstrukturierungen Personalaufstockungen geplant sind.

Page 45: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________42 4

Beschäftigtungseffekte von Umstrukturierungsarten (im Jahr 2004)

Art der Umstrukturierung

Geplanter Jobabbau

in % Geplante Schaffung von Jobs

in % Fälle in %

Interne Umstrukturierung

215146 73.4% 8710 15.03% 323 49.62%

Insolvenz 45345 15.47% 190 0.33% 133 20.43%

Geschäftsausweitung 0 0% 47988 82.81% 93 14.29%

Verlagerung 12874 4.39% 721 1.24% 57 8.76%

Merger / Acquisition 12803 4.37% 250 0.43% 24 3.69%

Outsourcing 6808 2.32% 90 0.16% 20 3.07%

sonstige 150 0.05% 0 0% 1 0.15%

Quelle ERM

Page 46: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________43 4

4.2.2. Die Auswirkungen von Offshoring auf Arbeitsplätze

Nahezu drei von vier Unternehmen nutzen Offshore-Dienste oder planen dies in naher Zukunft. Nur 26 Prozent der 247 von Forrester Research befragten Firmen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden haben nicht vor, innerhalb des nächsten Jahres Arbeiten in Niedriglohnländer zu verlagern. 17 Prozent packen das Thema in den kommenden zwölf Monaten an. Zehn Prozent betreiben derzeit Pilotprojekte und fast jedes zweite Unternehmen steckt bereits mitten in Offshore-Vorhaben. Befragt wurden Unternehmen, die überwiegend über einen Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro verfügen. Die Umfrage belegt wachsende Offshore-Budgets. Bereits im nächsten Jahr wollen 40 Prozent der Firmen bis zu einem Zehntel ihrer für externe Dienstleister vorgesehenen Ausgaben einem Anbieter aus einem Niedriglohnland zukommen lassen. Gaben im Jahr 2004 nur vier von hundert der Unternehmen zwischen elf und 30 Prozent ihres Dienstleistungsbudgets an Offshore-Anbieter weiter, planen dies im kommenden Jahr bereits elf Prozent und im Jahr 2008 voraussichtlich 18 Prozent. Und auch die Zahl der Anwender, die mehr als 30 Prozent dieser Mittel in Offshore-Dienste investieren, steigt von aktuell fünf Prozent auf sechs Prozent im nächsten und zwölf Prozent in vier Jahren.

Quelle Forrester Research

4.2.3. Gefahr für Forschung und Entwicklung durch Übernahmen

Schon seit Jahren ist zu beobachten, dass einfache Produktionen nach dem Gesetz der komparativen Kosten eher ins Ausland abwandern. Daher ist es unter den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen notwendig, den weiteren wirtschaftlichen Erfolg Österreichs auf „intelligente“ Produkte stützen, für die Ausbildung, Facharbeiterqualität, ein gutes soziales Klima sowie ein hohes Maß an Forschung und Entwicklung von Bedeutung sind. „Die internationale Wettbewerbesfähigkeit eines Landes hängt zu einem wesentlichen Teil auch davon ab, wieweit es in den Standortentscheidungen international orientierter Unternehmen für

Page 47: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________44 44

Steuerungsfunktionen (Headquarter) und andere höherwertige Unternehmensfunktionen wie z. B. Forschung und Entwicklung berücksichtigt wird. Im Zuge der Ostöffnung Anfang der neunziger Jahre konnte sich Österreich als Standort für regionale Headquarter mit Verantwortung für die ostmitteleuropäischen Nachbarländer etablieren.“ Vor dem Hintergrund der damals bevorstehenden EU-Erweiterung wurde in einer von Industriellenvereinigung und Wirtschaftsministerium im Frühjahr beauftragten Headquarter-Studie des Wifo5 die Standortwahl international orientierter Unternehmen untersucht. Darin sollte Aufschluss gegeben werden über die Bedeutung bestimmter Standortkriterien und die Einschätzung zur Qualität des Standorts Österreich. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei Standortkriterien einerseits für die Ausübung internationaler Headquarter-Funktionen und andererseits für die Durchführung von Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsaktivitäten. Diese Studie des Wifo bestätigte, dass Übernahmen eine ernsthafte Gefahr für F&E in Österreich sind: 42 von 263 der im Frühjahr '04 befragten Unternehmen mussten eine Reduktion oder Verlagerung von F&E-Aktivitäten hinnehmen, davon 23,2 Prozent nach Fusion oder Übernahme sowie 21,4 Prozent aufgrund einer Zentralisierung.

4.2.4. Kritik an Fusionen in den USA Ausschnitt aus TAZ vom 23.12.2004: Kein Tag vergeht ohne Schlagzeilen über milliardenschwere Übernahmen6. Jüngstes Beispiel: Der Versuch des Atomkraftwerkbetreibers Exelon, die Public Service Enterprise Group für 12 Milliarden US-Dollar zu schlucken. Allein vorige Woche wurden Zusammenschlüsse mit einem Rekordwert von 85 Milliarden Dollar bekannt gegeben. Insgesamt kam es 2004 bisher zu Übernahmen im Wert von 742 Milliarden Dollar. So gut lief es schon seit vier Jahren nicht mehr. 2003 waren es beispielsweise nur 543 Milliarden Dollar gewesen. Und Experten rechnen damit, dass dies erst der Anfang ist: "Es wird noch mehr Fusionen geben - und das heißt: mehr Begeisterung für den Aktienmarkt", meint Marc Pado, Marktstratege bei Cantor Fitzgerald. In den ersten zehn Monaten knauserten die Firmen mit Investitionen, weil ihnen die Zeiten zu unsicher waren. Doch seit Präsident George W. Bush wieder gewählt wurde, fassen sie wieder Mut. Mit genügend Geld in der Kriegskasse gehen sie auf Schnäppchensuche. Wie die Firma United Technologies: Für 2,8 Milliarden Dollar will sie die britische Firma Kidde Plc übernehmen. Demnächst verkauft sie dann nicht nur Alarmanlagen und Aufzüge, sondern auch Feuerschutzprodukte. Andere Elefantenhochzeiten werden eher durch den Konjunkturaufschwung und die Börsenhausse angeregt: So verkündete der Konsumgüterhersteller Johnson & Johnson den Kauf des Medizintechnikunternehmen Guidant für 24 Millarden Dollar. Zwei Drittel des Kaufpreises will er mit seinen Aktien bezahlen - deren Preis sich im letzten Jahr um etwa 10 Dollar erhöht hat. In Branchen mit langsamem Wachstum und zu vielen Rivalen steht meist die Überlegung im Mittelpunkt, sich mit Übernahmen schnell mehr Marktanteil kaufen zu können. Durch die 35 Milliarden

5 Norbert Knoll, International orientierte Unternehmen in Österreich. Rahmenbedingungen für

Steuerungsfunktionen und Forschungskompetenz

6 TAZ VOM 23.12.2004

Page 48: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________45 4

Dollar teure Fusion zwischen Nextel und Sprint entsteht nun ein Mobilfunkriese mit über 35.000 Kunden. Kostenersparnisse in der Höhe von 12 Milliarden Dollar sind anvisiert. Zum Beispiel durch Stellenabbau. Ziel ist es, mit einer größeren Palette von preiswerten Produkten mehr Kunden zu binden. Larry Ellison, Chef des Softwarekonzerns Oracle, wollte den Rivalen PeopleSoft dagegen eigentlich nur übernehmen, um ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Dagegen hat sich PeopleSoft 18 Monate lang gewehrt. Nach einer Erhöhung des Übernahmepreises stimmte die Firma der 10,3 Milliarden Dollar teuren Übernahme zu. Inzwischen ist Ellison vorsichtiger geworden. Kunden will er die besten Produkte beider Firmen anbieten. Dass die Fusionswelle über die USA fegt, könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass der Aktienmarkt kurz vor einer Korrektur steht. Erfahrungsgemäß schließen sich Firmen zusammen, wenn eine Schwächeperiode droht. Nachdem im Januar 2000 Fusionen im Wert von 237 Milliarden Dollar stattfanden, dauerte es nur kurze Zeit, bis die Internetblase platzte. Damals schlossen sich auch Time Warner und AOL zusammen, was sich als großer Fehler entpuppte. Brisant ist nämlich, dass viele Fusionen die gesteckten Ziele nicht erreichen und so als Fehlschlag enden. Zum Beispiel, weil sie auf dem Höhepunkt des Marktaufschwungs abgeschlossen wurden und deshalb den finanziellen Anforderungen nicht gerecht werden können. Oder weil es zu Verzögerungen kommt, Computersysteme nicht integriert und die Belegschaft nicht genügend auf die neue Aufgabe vorbereitet wird. Solche Probleme sind beispielsweise bei Guidant absehbar: Die Fusion muss noch vom Kartellamt verabschiedet werden. Das kann dauern und drückt auf die Nerven. Es könnte zu Spannungen kommen. Unsicherheit herrscht auch bei der geplanten Hochzeit zwischen Sprint und Nextel. Die Firmen wollen zwei Hauptquartiere beibehalten. Für Kritiker ist das ein Zeichen, dass sie nicht eng genug zusammenarbeiten. Während man über den Erfolg der Fusionen selbst jedoch nur spekulieren kann, stehen die Gewinner bereits fest: Es handelt sich um die Investment Banker, die den Firmen bei den Fusionen geholfen haben. Ihre hohen Gebühren werden bezahlt, ganz egal, ob die die Zusammenschlüsse ein Erfolg werden oder nicht.

Page 49: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________46 4

4.2.5. Fusionen machen Mitarbeiter krank Britisch-schwedische Studie7: Rapide Expansionen und Fusionen machen die Mitarbeiter krank. Arbeitnehmer, die in Unternehmen tätig sind, die 18 Prozent und mehr pro Jahr wachsen, haben ein zweieinhalb mal höheres Risiko, langfristig oder chronisch krank zu werden. Das belegt ein britisch-schwedisches Forscherteam im Wissenschaftsmagazin The Lancet. Die Experten geben an, dass die Studie eins zu eins auf Österreich übertragbar ist. Untersucht wurde das Arbeitsleben von 24.036 Arbeitnehmern in den Jahren 1991 bis 1996. Die Mediziner verglichen die Beschäftigungsdaten mit der Zahl der Krankenstandstage und den Krankheitsgeschichten. Jene zehn Prozent, die von raschen Firmenexpansionen betroffen waren, waren zweieinhalb mal so oft 90 Tage durchgehend krank oder im Spital wie andere Kollegen. "Wir sprechen also nicht von bloßen Erkältungen, sondern von langfristigen Krankheitsbildern - wie Depression, Wirbelsäulenschäden oder chronischen Krankheiten, die bei Stress eher auftreten", erklärte Jane Ferrie vom Institut für Öffentliche Gesundheit des University College of London dem STANDARD. Die Studie erfasst Arbeitnehmer unter 65 Jahren, in allen Tätigkeitsbereichen im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft; egal, ob ihre Arbeit von der Firmenexpansion direkt betroffen war oder nicht. Über die Folgekosten machten die Wissenschafter keine Erhebungen. Entsprechende Berechnungen für Österreich liegen auch im Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht auf. Die Untersuchung ist die erste, die Nebenwirkungen von Expansionen unter die Lupe nimmt. Bisher wurden ausschließlich Situationen durchleuchtet, in denen Mitarbeiter abgebaut wurden. Das British Medical Journal etwa berichtete jüngst, dass Arbeitnehmer von schrumpfenden Unternehmen ein doppelt so hohes Herzinfarktrisiko haben wie andere. "Die Resultate überraschten uns", sagte Ferrie: "Wir hatten erwartet, dass Expansion Sicherheit signalisiert. Die Wahrheit aber ist, dass nur stetes, langsames Wachstum den Mitarbeitern gut tut." Eine Politik rapider Expansion führe genauso zu Instabilität wie Kündigungen. Expansionen brächten eine generell instabile Organisationsstruktur mit sich, die dauernd der Firmengröße angepasst werden müsse, begründete Studienleiter Hugo Westelund das Phänomen. Probleme der Unternehmen bei der Suche nach qualifiziertem Personal für die geänderten Anforderungen machen den vorhandenen Mitarbeitern Stress: Sie hätten Angst, ein erhöhtes Arbeitspensum in der Übergangszeit nicht zu bewältigen. Mehrarbeit, immer wieder geänderte Job-Descriptions, mangelnde Unterstützung sowie familienunfreundliche Bedingungen hinterließen dementsprechende Spuren, betont Westelund. Letzteres betreffe vor allem Frauen: Von den betroffenen Testpersonen waren sie doppelt so oft krankgemeldet wie Männer.

4.2.6. Auswirkungen von Fusionen im Bank- und Versicherungssektor auf Beschäftigte

Im Januar 2000 beauftragte der UNI-Europa Finanz-Sektor drei Experten, Berichte über die Auswirkungen von Fusionen und Übernahmen im europäischen Bank- und Versicherungssektor zu veröffentlichen, und zwar als Ergänzung zu seiner eigenen internen Untersuchung mit dem Titel: „Fusionen und Übernahmen im Finanzsektor - Bericht über eine UNI-Europa-Erhebung". (http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/01545.pdf)

7 Quelle: Der Standard 15.4.2004

Page 50: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________47 4

Diese Berichte beleuchten die Auswirkungen von Fusionen und Übernahmen auf die Angestellten, auf die Verbraucher, und auf die Aktionäre. Nachstehend werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen zusammengefasst, und es drängt sich gleich zu Beginn die Feststellung auf, dass alle Experten die negativen Folgen von Fusionen und Übernahmen im Finanzsektor unterstreichen.

Die Auswirkungen von Fusionen und Übernahmen auf Angestellte, Belegschaftsvertreter und ihre Gewerkschaften

In diesem Teil weist Tina Weber, ECOTEC, auf die tief greifenden Umstrukturierungen hin, die sich zur Zeit im europäischen Finanzdienstleistungssektor vollziehen. Dieser Prozess setzte zu Beginn der 90er Jahre im nördlichen Teil Europas ein, und er dehnte sich dann langsam in südlicher Richtung aus, wobei er in den letzten Jahren auch südeuropäischen Länder erreichte. Diese Veränderungen waren von einer stärkeren Diversifizierung der Tätigkeiten und von neuen Arbeitsmethoden begleitet, die erlaubten, angesichts des verschärften Wettbewerbs Effizienzgewinne zu erzielen. Eurostat-Daten zeigen in allen Mitgliedstaaten eine stark rückläufige Beschäftigung im europäischen Finanzdienstleistungssektor (wobei einige Länder wesentlich stärker betroffen sind, als andere). Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu behandeln, denn es ist nicht immer klar, welcher Definitionsrahmen bei Eurostat zur Anwendung kam, und inwieweit ausgelagerte Funktionen bei der Berechnung der Beschäftigtenzahlen berücksichtigt wurden. Der UNI-Europa-Erhebung zufolge wurden in den letzten zehn Jahren in Europa allein aufgrund von Fusionen und Übernahmen 130'000 Arbeitsplätze abgebaut.

Oft ist es schwierig, die Auswirkungen von Fusionen und Übernahmen von anderen Folgen, die aufgrund des Wettbewerbdrucks oder der Einführung neuer Technologie entstanden sind, zu trennen. Es steht aber in jedem Fall fest, dass diese Faktoren oft miteinander verknüpft sind, und dass Fusionsentscheidungen als Katalysator für die Umstrukturierung der Arbeitskräfte wirken. Die Ankündigung einer Fusion oder einer Übernahme geht oft mit der Ankündigung von Arbeitsplatzverlusten einher. Es ist nicht immer klar, in welchem Maße die vor oder nach Fusionen gemachten Ankündigungen tatsächlich eintreffen, da sie eindeutig für ein spezifisches Publikum bestimmt sind.

In den vergangenen Jahren haben sich auch die Art und die Qualität der Beschäftigung in diesem Sektor verändert.Der Personalabbau betraf insbesondere traditionelle Filialen und den Back-Office. Die Leidtragenden sind in erster Linie die älteren Arbeitnehmer und die Frauen mit traditionellen Bank-Fachkenntnissen, die nur schwer auf die neuen, zentralisierten Funktionen, so wie sie in Call Centern verlangt werden, übertragen werden können. Die Standardisierung von Produkten hat die Arbeitsaufgaben so verändert, dass auch ohne traditionelles Bankfachwissen ein hohes Kundenvolumen bewältigt werden kann. Wenn es zu der Schaffung von Arbeitsplätzen kam, dann oft in Führungsfunktionen, sowie im Bereich der IT und in anderen Fachbereichen. Ein weiterer wichtiger Trend, der nachhaltige Auswirkungen auf die Beschäftigung hat, ist die vermehrte Auslagerung von Funktionen, zum Beispiel auf den Gebieten IT, Reinigung und Wartung. Die Arbeitsbedingungen und auch die tarifvertraglichen Regelungen in Vertragsfirmen sind oft nicht vergleichbar mit denjenigen, die für die direkt beschäftigten Arbeitnehmer gelten. Fusionen haben häufig zur Folge, dass die verbleibenden Mitarbeiter einer stärkeren Belastung ausgesetzt sind, da die Unternehmen mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit, Mobilität und Kompetenzen verlangen. Solchen Anforderungen von Seiten der Unternehmen steht nur selten ein betriebliches Engagement zur Gewährleistung einer größeren Flexibilität für die Arbeitnehmer und zusätzlicher Schulungsmöglichkeiten gegenüber.

Page 51: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________48 4

Eine gängige Methode, die die Unternehmen für den Personalabbau wählen, ist der Einsatz von

Vorruhestandsregelungen. Diese Frührentensysteme sind jedoch für die Arbeitgeber, den öffentlichen Haushalt und die anderen Angestellten mit ständig steigenden Kosten verbunden. Es sollten daher Alternativen, wie zum Beispiel Arbeitszeitverkürzungen, in Betracht gezogen werden.

Fusionen und Übernahmen stellen für Geschäftsleitungen oft auch eine Gelegenheit dar, die Bedingungen für ihre Mitarbeiter neu auszuhandeln, wodurch das soziale Klima beeinträchtigt wird. Diese Situation wird durch begrenzte Informations- und Konsultations-Möglichkeiten in der neuen fusionierten Gesellschaft weiter verschlimmert. Da mit Fusionen und Übernahmen häufig auch organisatorische Veränderungen verbunden sind, die die Auflösung bestehender Verhandlungseinheiten bewirken, müssen die tarifvertraglichen Vereinbarungen zum Gegenstand neuer Verhandlungen gemacht werden.

Die heute in Kraft befindlichen Gesetze reichen in vielen Fällen nicht aus, um die Arbeitnehmer-Informations und Konsultationsgremien mit den Befugnissen und Mitteln auszustatten, die ihnen erlauben würde, kritische Situationen, wie zum Fusionen und Übernahmen, wirksam anzugehen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Beschäftigten oft sehr spät über solche Maßnahmen informiert werden, manchmal wenn alle Entscheidungen schon getroffen sind. Es ist daher dringend notwendig, die einzelstaatlichen und europäischen Gesetze auf diesem Gebiet zu überarbeiten. Dabei könnte die Bekanntmachung von beispielhaften Praktiken der Unternehmen, die Erfahrungen im Umgang mit solchen Situationen haben, sehr hilfreich sein. Die UNI-Europa-Gewerkschaftsstrategie im Zusammenhang mit Fusionen und Übernahmen stellt einen wichtigen Schritt in dieser Richtung dar.

4.2.7. Fusionen sind häufig betriebswirtschaftlich nicht erfolgreich

Die Hälfte der Fusionen reduziert den Wert der Unternehmen laut Larry Selden, Professor für Finanzen und Wirtschaftswissenschaften an der Graduate School of Business der Columbia University in New York (zitiert von Johanna Weninger Muhr, www.european-journalists.net/aktuell.S1.htm Demnach tätigen die erfolgreichsten Firmen wenige und eher kleine Transaktionen und achten dabei vor allem auf zwei Dinge: Erstens auf die Bilanz, denn viele Käufer konzentrierten sich primär auf die Gewinn- und Verlustrechnung des Zielobjekts. Oft vergessen sie, die gesamten Kapitalkosten einzurechnen - einschließlich der für die Kaufsumme. Eine sorgfältige Analyse der Bilanz und eine genaue Kostenzuordnung zeigten dagegen oft, dass der für die Anteilseigner erzeugte Gewinn nach einem Kauf deutlich ins Minus rutschte.

Zweitens konzentrieren sie sich auf die Kunden. Firmenchefs sollte bewusst sein, dass sie Kunden erwerben, nicht Unternehmen. Oft sei es klüger, nur die lukrativen Kunden zu übernehmen und dafür einen höheren Preis zu zahlen, als alle Kunden zu erwerben.

Page 52: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________49 4

Gunter Tichy, ein österreichischer Ökonomieprofessor, hat sich die Mühe genommen, 80 empirische Studien über Fusionen auszuwerten. Das Ergebnis der bisher umfassendsten M&A-Studie, in welche die Erfahrung aus Tausenden von Deals eingeflossen ist: Nur ein Viertel aller Firmenzusammen-schlüsse erhöht die Wohlfahrt der Konsumenten; ein weiteres Viertel erhöht den Gewinn des Unter-nehmens auf Kosten der Konsumenten; die Hälfte der Fusionen reduziert den Wert des Unternehmens.

Fatal wirkten auch falsche Anreize: «Die Entschädigung der Manager ist mancherorts immer noch an die Höhe des Firmenumsatzes gekoppelt», kritisiert Günter Müller-Stewens, Professor am Institut für Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen. Oft wurde während des Hypes behauptet, der Übernahmepreis sei nicht entscheidend, es komme nur auf die strategische Komponente an.

Verlierer der Fusionswelle sind die Aktionäre des akquirierenden Unternehmens, häufig auch deren Belegschaft, da über Sparmaßnahmen das Geld wieder hereingeholt werden muss, das bei der Übernahme zu viel bezahlt wurde. Zu den Verlierern gehört oft auch der Wettbewerb: Großfusionen kreieren Oligopole. Wenn weniger als vier oder fünf Anbieter einen Markt beherrschen, sei die Wahrscheinlichkeit von wirksamem Wettbewerb «eher klein», kritisiert Tichy.

Die Aktionäre müssten mehr Einfluss nehmen können. Tichy fordert auch schärfere Wettbewerbs-regeln und ein Abschiednehmen von alten Mythen: «Mergers steigern nicht automatisch die Produktivität und kreieren deshalb nicht automatisch mehr Wohlstand.

4.2.8. Schwache Unternehmen profitieren mehr von Übernahmen Unterdurchschnittliche oder schwach aufgestellte österreichische Unternehmen ("Zitronen") profitieren von einer Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen deutlich stärker als überdurchschnittliche Unternehmen ("Rosinen"). Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) über die Auswirkungen ausländischer Übernahmen auf die Produktivität übernommener österreichischer Firmen. Die Wahrscheinlichkeit für Austrofirmen, von Ausländern aufgekauft zu werden, ist laut Studie generell aber sehr gering. Wenig profitable Unternehmen und Kapitalgesellschaften werden eher übernommen als profitable (Familien-)Betriebe. Kein Zusammenhang besteht demnach zwischen Übernahme und Investitionsquote oder Exportneigung. "Selektionsphase" wichtiger als "Eingliederungsphase" "Es ist klar erkennbar, dass sich die Übernahme bei den ,Zitronen' positiver auswirkt als bei den ,Rosinen'", so die Studienautoren Michael Pfaffinger, Michael Wild und Christian Bellak. Für Wachstum, Produktivität und Profitabilität der übernommenen Firma sei fast ausschließlich der Zustand vor der Übernahme - die "Selektionsphase" - verantwortlich, nicht jedoch die "Eingliederungsphase", also jene nach der Übernahme. Eine nähere Betrachtung der "Zitronen" zeigt, dass deren Beschäftigungswachstum zwei Jahre nach der Übernahme hinter jenem der Vergleichsgruppe (Kontrollgruppe) nicht übernommener Firmen liegt. Aber: Cashflow und Produktivität sind höher. Vier Jahre später sind alle drei Performancekoeffizienten größer - am ausgeprägtesten ist die Produktivität. Ziemlich gleich ist hingegen die Performance nach zwei und vier Jahren. "Die Übernehmer scheinen also zumindest in der kurzen Frist vermutete Potenziale noch nicht ausschöpfen zu können bzw. überwiegen noch die Restrukturierungskosten", so die Studie. Bei den "Rosinen" zeigt sich zwei Jahre

Page 53: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________50

danach, dass Beschäftigungswachstum und Produktivitätswachstum geringer sind als in der Kontrollgruppe. Die Profitabilität weicht überhaupt signifikant negativ ab: "Offenbar führt die Akquisition zu hohen Anpassungskosten bzw. zu einem Transfer der Gewinne zur Muttergesellschaft mittels Verrechnungspreisen", vermuten die Studienautoren. Der Studie basiert auf Bilanz- und Ergebnisdaten von rund 500 Industriebetrieben von 1989 bis 2002, wo 59 Firmen von ausländischen Unternehmen übernommen wurden (davon 37 "Rosinen" und 26 "Zitronen"). Der Dienstleistungssektor (z. B. die Banken) blieb also ausgespart. Eine Kontrollgruppe umfasste 377 Unternehmen.

4.2.9. Problematische Erfahrungen mit Outsourcing Viele große Unternehmen sind so unzufrieden mit ihren Outsourcing-Projekten, dass sie überlegen oder gar schon begonnen haben, die IT wieder zurück in ihr Unternehmen zu holen (zitiert aus www.silicon.de). Ironischerweise hätten sie, so die Studie der Consulting-Firma Deloitte, gerade in den Bereichen schlechte Erfahrungen gemacht, wegen denen Outsouring vor ein paar Jahren zum Trend geworden war: Kosten und Komplexität. Deshalb denken nun 70 Prozent der befragten Unternehmen laut über Alternativen nach. Ein Viertel hat bereits Abteilungen wieder Inhouse. Mehr als die Hälfte haben versteckte Kosten ausgemacht, die sie so im Vorfeld nicht auf ihrer Budget-Liste hatten. Das sei generell eines der größten Probleme: Die Verwaltung von Outsourcing-Projekten verschlinge mehr Geld als oft angenommen. Die Outsourcing-Argumente - Kostrenreduktion, Flexibilität, ausgebildete Leute - kommen bei vielen als Bumerang zurück. Inzwischen verhandeln 83 Prozent der Befragten ihre Verträge neu, 53 Prozent reduzierten die Vertragsdauer von sechs bis zehn Jahren auf maximal fünf Jahre und 73 Prozent lagern ihre Abteilungen nicht mehr exklusiv zu einem Anbieter aus, sondern verteilen sie auf mehrere Provider. Befragte, die ihre gesamte IT einem Anbieter übergeben hatten, berichteten von negativen Erfahrungen.

Trotz allem glaubt Deloitte nicht an den Untergang des Outsouring-Konzepts. "Aus den richtigen Gründen und mit dem richtigen Modell kann ein Auslagerungsvertrag durchaus positiv ausfallen und das Unternehmen zufrieden stellen", so Ken Landis, Senior Strategy Principal bei Deloitte. Befragt

Page 54: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________51

wurden 25 US-Großkonzerne aus den Industriezweigen Transport, Consumer Business, Energie, Finanzen Technologie, Telekommunikation und Gesundheit sowie Behörden. 5. AUSLAGERUNGEN BZW BETRIEBSSCHLIEßUNGEN DER

LETZTEN JAHRE IN ÖSTERREICH (BEISPIELE)

Neben internen Umstrukturierungen haben sich Auslagerungen in den letzten Jahren als wohl „populärste“ Umstrukturierungsvariante etabliert. Die nach wie vor bestehenden hohen Lohnunterschiede führen zu Arbitrageeffekten, lohnintensive Arbeit wird in Billiglohnländer verlagert. Konzentrierten sich die Auslagerungen vor einem Jahrzehnt noch vor allem auf manuelle Tätigkeiten (zB Bearbeitung von Textilien), hat sich das Bild in den letzten Jahren stark gewandelt. Ausgelagert werden nun vermehrt auch Angestelltentätigkeiten wie etwa Programmierarbeiten, Supportleistungen oder Buchhaltungsleistungen. Zielländer heimischer Unternehmen sind dabei vor allem die CEE-Länder, immer stärker aber auch Indien oder China. Die technische Vernetzung sowie die stark steigende Internationalisierung der heimischen Unternehmen – auch im KMU-Bereich – führen dazu, dass die Möglichkeiten des Auslagerns immer häufiger genützt werden. Ein Ende des Trends ist noch nicht erkennbar.

Einer Studie der Universität München zufolge sind in den letzten Jahren über 20.000 Arbeitsplätze durch Auslagerungen in die CEE Länder verloren gegangen (siehe nachfolgende Tabelle). In Deutschland sind über 90.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Den ausgelagerten Arbeitsplätzen stehen auch neu geschaffene Jobs in Österreich gegenüber, was vor allem auf die Austauschbeziehungen mit CEE-Ländern (Exporte) zurückzuführen ist. Die dadurch geschaffenen Arbeitsplätze betragen allerdings nur rund ein Zehntel der verlagerten Arbeitsplätze. Das Wirtschaftsministerium schätzt, dass etwa 15.000 Arbeitsplätze in den letzten 10 Jahren verloren gegangen sind. Dies würde eine Verringerung des gewerblich-industriellen Sektors um 2-3 % bedeuten.

Zu einem überdurchschnittlich hohen Maß liegen die betroffenen Standorte in wirtschaftsschwachen Grenzregionen, die an Gebiete anderer Mitgliedstaaten mit hohen Förderungsintensitäten angrenzen.

Beachtet werden muss dabei aber, dass viele Auslagerungen „indirekt“ geschehen. Etwa wenn allmählich Aufträge an ausländische Auftragsnehmer vergeben werden und nicht an inländische (Offshoring, Outsourcing). Es ist daher davon auszugehen, dass die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze durch Verlagerungen über diesen Schätzungen liegen dürfte.

Page 55: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________52

Quelle: Dalia Marin, Volkswirtschaftliche Fakultät der Ludwig-Maximilians Universität München; „A nation of poets and thinkers, less so with Eastern Enlargements? Austria and Germany; 2004

Page 56: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________53

5.1. Beispiele von Auslagerungen/Betriebsschließungen

Unternehmen Art/Teil/Umfang der Verlagerung Zielland

Admiral Sportwetten Softwareentwicklung verlagert Polen

AKG (Freisprecheinrichtungen) Teilverlagerung Tschechien

Aktual Fenster Verlagerung Tschechien

Arteysin (Netzgeräte,...)(Stmk) Sukzessive Verlagerung Ungarn

Astron Elastomerprodukte (Wien) (z.B. Schuhsohlen) Sukzessive Produktionsverlagerung Angrenzendes Ausland

Austria Hefe AG (wien) Teilverlagerungen Ungarn

Aweco (eh Bleckmann) Verlagerung Slowakei

BASF (Wien) Teilverlagerung Slowakei

Bäumler AG (Hohenems) Produktionsverlagerung k.A.

Bombardier Transportation Wien (Schienenfahrzeuge)

Teilverlagerung Produktion; Funktionsverlust als Teilheadquarter

Deutschland/Bautzen (Osten)

Bramac Dachsysteme (NÖ) Sukzessive Teilproduktionen verlagert CEE

Carrera-Optyl-Brillenwerke Verlagerung Italien

Cention (Wien) (Pillen) Produktion verlagert; Standort geschlossen Deutschland (Marburg?/Osten)

Dreefs (OÖ) (elektr. Schalter) Verlagerung Deutschland

EKB (Braunau) Verlagerung Tschechien

Emco Maier (Werkzeugmaschinen)(Hallein) Verlagerung Großteil der Produktion Deutschland/Magdeburg

(Osten)und Tschechien

Ergee (NÖ) (Strümpfe) Teilverlagerung Tschechien

Page 57: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________54 4

Flextronics (Elektronik)(Stmk) Verlagerung Ungarn

Gloriette Bekleidungswerk (Bgld) Teilverlagerung Bulgarien

Graf Gerüstbau (Feitsch) Produktionsverlagerung Ungarn

GroSchuh (Bgld) Teilverlagerung Ungarn

Head (Vbg) Verlagerung der Produktion China

Hirtenberger (NÖ) Teilproduktion verkauft und in der Folge verlagert Ungarn,...

Högl (OÖ) (Schuhe) Verlagerung der Produktion Ungarn

Högl-Schuhe (OÖ) Teilverlagerung Ungarn

IFE (Waidhofen) Verlagerung der Produktion Tschechien

Kapsch Softwareentwicklung zum gr. Teil ausglagert

Verschiedene Töchter in neuen EU MS

Klacka Mineralöltransporte (Wien) Auslagerung eines wesentlichen Teils des Fuhrparks Slowakei

Kopp (Elektrotechnik) Verlagerung Tschechien

Lagermax Verlagerung Slowakei

Lambacher Hitiag Leinen AG (NÖ) Standortverlagerung Ungarn

Maier Jeans (OÖ) Verlagerung Ungarn

Packard Electric (Bgld) Teilverlagerung Ungarn

Palfinger Kräne (OÖ) Teilverlagerungen Tschechien, Slowenien, Bulgarien

Philips (Wien) Teilverlagerung Faxgeräte Ungarn

Philips Displays (Stmk) Teilverlagerung, rest schließung Ungarn

Richter (OÖ)(Schuhe) Produktionsverlagerung Ungarn

Page 58: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________55

Roco Spielwaren (Slzbg) Verlagerung Tschechien

Sandler (OÖ)(Textilwaren) Verlagerung Tschechien

Sandoz (Wien) Verlagerung des Headquarters Deutschland

Schering (Wien) Verlagerung/

Produktionsschließung Italien

Schrack AG (NÖ) Schrittweise Produktionsverlagerung Tschechien

Semperit Reifen (NÖ) Produktionsverlagerung Tschechien

Siemens PSE (Wien) Sukzessive Auslagerung von Softwareentwicklung

Slowakei und weitere neue EU MS

Siteco Verlagerung der Produktion nach Maribor Slowenien

Stahlcord (Trefilarbed Austria)(Stmk) Teilproduktionsverlagerung Ungarn

TRW Repa-Gurte Verlagerung Tschechien

T-Systems Austria Softwareverlagerung Verschiedene Töchter in neuen EU MS

Tyco Electronics (Waidhofen,Wien) Teilverlagerung Tschechien

Universal Versand Verlagerung Deutschland

Vishay (Vöklabruck) Verlagerung Neue MS

Vitana (nahrungsmittel) Verlagerung Ungarn

Voglauer Möbel Verlagerung Ungarn

Vogt Electronic Austria Teilverlagerung Tschechien

Volvo (eh. Steyr Bus) (OÖ) Verlagerung Polen

Vossen (Bgld) (Frotier) Teilverlagerung Ungarn

Wertheim AG (Wien) Produktionsverlagerung Slovakei

Page 59: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________56

Wiesner Hager Teilverlagerung Polsterei Tschechien

ZF Steyr (OÖ) (Zahnräder) Verlagerung Deutschland (passau)

Quelle: Geschäftsberichte, diverse Publikationen, zusammengestellt von AK-Wien

Page 60: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________57

6. ANHANG: PROMINENTE MEINUNGEN ZU UMSTRUKTURIERUNGEN

6.1. Joseph Stiglitz

Joseph Stiglitz; Meinung eines Ökonomie-Nobelpreisträgers zu negativen Auswirkungen des Outsourcings 8 „Auch Qualifikation schützt vor Auslagerung nicht - Negative Auswirkungen des Outsourcings können nur durch eine aktive Rolle des Staats gemanagt werden“ Das neueste Schlagwort in der Globalisierungsdebatte ist Outsourcing. Plötzlich scheinen die Amerikaner - lange Zeit Vorreiter in Sachen Globalisierung - beunruhigt über die negativen Auswirkungen des Outsourcings auf die US-Wirtschaft. Die glühendsten Verfechter des Outsourcings sind natürlich von Arbeitsplatzverlust nicht betroffen. Sie betonen, dass Outsourcing Kosten senkt und ebenso wie Innovation Produktivität und Gewinne erhöht. Und was für die Gewinne gut ist, muss auch für die US-Wirtschaft gut sein. Die "Gesetze der Ökonomie" würden dafür sorgen, dass es auf lange Sicht für jeden einen Job gibt, der einen haben möchte. Zumindest solange sich der Staat nicht durch Mindestlöhne und Arbeitsplatzgarantien in die Abläufe des Marktes einmischt und solange die Gewerkschaften die Löhne nicht übermäßig in die Höhe treiben. In Wettbewerbsmärkten garantiere das Gesetz von Angebot und Nachfrage, dass sich auf lange Sicht Nachfrage und Angebot an Arbeit die Waage halten - und es keine Arbeitslosigkeit geben wird. Aber wie es Keynes so ergreifend formulierte, auf lange Sicht sind wir alle tot. Diejenigen aber, die den Verlust von Arbeitsplätzen so lapidar abtun, lassen dabei den springenden Punkt außer Acht: Der US-Wirtschaft geht es nicht so gut. Zusätzlich zu Leistungsbilanz- und Haushaltsdefiziten gibt es auch ein Arbeitsplatzdefizit. In den letzten dreieinhalb Jahren hätte man vier bis sechs Millionen Jobs schaffen müssen, um allen Neuzugängen am Arbeitsmarkt Beschäftigung anbieten zu können. Tatsächlich gingen aber über zwei Millionen Jobs verloren - zum ersten Mal seit der Großen Depression gibt es über die gesamte Amtszeit einer Administration einen Nettoverlust an Arbeitsplätzen. Das Allermindeste, was wir daraus ersehen, ist, dass Märkte allein nicht so schnell arbeiten, dass jedem ein Job garantiert ist. Der Staat spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Vollbeschäftigung - aber diese Aufgabe wurde von der Bush-Administration schlecht erfüllt. Wäre die Arbeitslosigkeit geringer, hätte man auch weniger Sorgen mit Outsourcing. Es gibt noch einen tiefer liegenden Grund für die Befürchtungen hinsichtlich des Outsourcings von, sagen wir, Hightech-Jobs nach Indien: Outsourcing zerstört den Mythos, wonach sich die Beschäftigten nicht vor der Globalisierung fürchten müssen - ein zentraler Lehrsatz in den Globalisierungsdebatten. So meinen die Verfechter des Outsourcings, die reichen Länder werden unqualifizierte Jobs wie etwa im Textilbereich an Niedriglohnländer wie China verlieren. Aber das sei ja angeblich gut und nicht schlecht, da sich Amerika in Bereichen spezialisieren sollte, in denen es einen komparativen Vorteil hat und wo qualifizierte Arbeitskräfte und fortgeschrittene Technologie nötig sind.

8 Quelle: Der Standard 17.05.2004

Page 61: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________58

Dieses Argument scheint nicht mehr überzeugend. Amerika bildet weniger Ingenieure aus als China und Indien, und selbst wenn diese Ingenieure aus Entwicklungsländern entweder durch ihre Ausbildung oder ihren Standort einen Nachteil haben sollten, wird das durch Lohnunterschiede mehr als wettgemacht. Spezialisten aus reichen Ländern werden sich entweder mit niedrigeren Löhnen abfinden müssen, arbeitslos werden und/oder sich nach einer neuen Arbeit umsehen müssen - die schlechter bezahlt ist. Wenn nun Amerikas gut ausgebildete Spezialisten diesem Angriff des Outsourcings nicht standhalten können, was ist dann mit den schlechter ausgebildeten? Ja, Amerika, könnte seinen komparativen Vorteil ganz oben, in der Spitzenforschung, halten. Aber ein Großteil der sehr gut qualifizierten Ingenieure und Wissenschafter arbeitet in der "normalen Wissenschaft" und ist mit jenen wichtigen, alltäglichen Verbesserungen in der Technologie beschäftigt, die die Grundlage für wachsende Produktivität bilden - und es ist nicht klar, ob Amerika in diesem Bereich einen langfristigen Vorteil hat. Aus der Debatte sind zwei Lektionen zu lernen. Erstens: Während Amerika mit den Herausforderungen der Globalisierung kämpft, sollte es sich die Misere der Entwicklungsländer bewusster vor Augen führen, wo den Menschen viel weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Außerdem: Wenn es Amerika mit seiner relativ geringen Arbeitslosigkeit und seinem sozialen Sicherheitsnetz für nötig befindet, etwas zum Schutz seiner Beschäftigten und Firmen vor ausländischem Wettbewerb zu tun - etwa bei Software oder Stahl -, wären derartige Maßnahmen der Entwicklungsländer noch eher gerechtfertigt. Zweitens: Für Amerika ist es jetzt Zeit, sich Sorgen zu machen. Viele Verfechter der Globalisierung behaupten weiterhin, die Anzahl der ausgelagerten Jobs sei relativ gering. Manche behaupten, jeder zweite Job könnte letzten Endes dem Outsourcing zum Opfer fallen, andere wiederum meinen, das Potenzial sei viel geringer. Haareschneiden und anderes, wo es auf den Standort ankommt, können nicht ausgelagert werden. Aber selbst wenn die Größenordnung des Outsourcings letztlich begrenzt ist, kann es zu dramatischen Auswirkungen für die Beschäftigten und auf die Verteilung der Einkommen kommen. Das Wachstum wird angekurbelt, aber den Beschäftigten könnte es schlechter gehen als zuvor - und nicht nur denen, die ihre Jobs verlieren. In manchen Entwicklungsländern ist dieser Fall schon eingetreten. Und in den zehn Jahren des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens sind die durchschnittlichen Reallöhne auch in den USA gesunken. Den Kopf in den Sand zu stecken und zu behaupten, von Globalisierung werden alle profitieren, ist töricht. Das Problem der Globalisierung heute ist, dass es Wenigen besser, aber der Mehrheit schlechter gehen könnte, außer der Staat übernimmt eine aktive Rolle in der Gestaltung der Globalisierung.

6.2. Stephan Jansen (Institute for Mergers & Acquisitions, Univeristät Witten/Herdecke)

Die meisten Fusionen scheitern. Und doch lassen sich Manager immer wieder darauf ein. Warum das so ist und wie es besser ginge, erklärt Stephan Jansen, Chef des Institute for Mergers & Acquisitions der Universität Witten/Herdecke9. Im Folgenden wird ein Interview mit Stephan Jansen, durchgeführt von „Brand Eins“ wiedergegeben.

9 Stephan A. Jansen ist Gründer des Institute for Mergers & Acquisitions (IMA) an der Universität

Witten/Herdecke, Visiting Scholar an der Harvard Business School sowie Chefredakteur der Fachzeitschrift »M&A Review« der Verlagsgruppe Handelsblatt.

Page 62: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________59

brand eins: Fusionen sind ein riskantes Unterfangen, die Mehrzahl scheitert. Warum lassen sich Manager trotzdem immer wieder darauf ein? Jansen: Manager sind Parasiten des Risikos. Sie leben davon, und sie erzeugen es. Das macht sie unverzichtbar und sichert ihre Jobs. Jede Fusion schafft Nachfrage nach mehr Managementleistung und damit nach Managern. Darum lieben Manager Fusionen, auch wenn in der Tat, wie eine unserer Studien nachweist, 78,5 Prozent aller Fälle schief gehen. Gemessen an ihrer Börsen-Performance ist die Entwicklung fusionierter Unternehmen nicht besser oder schlechter als die der Wettbewerber. Was die Umsatzentwicklung anbelangt, schneiden 56 Prozent der untersuchten Unternehmen schlechter ab als ihre Konkurrenten. Diese Werte sind - vergleicht man sie mit ähnlichen Studien aus dem anglo-amerikanischen Raum - seit Ende der siebziger Jahre ziemlich stabil. Das bedeutet: Die Lernkurve ist erschreckend flach. Wollen Sie damit sagen, Fusionen sind die Ergebnisse egoistisch denkender Manager und nicht etwa betriebswirtschaftlicher Überlegungen? Fusionen haben neben den allgemein bekannten und selten erreichten rationalen Zielen wie Kosten- und Wachstumssynergien für Manager drei heroische, also persönliche Motive. Macht, Geld und Liebe. Durch Fusionen bekommen einzelne Manager die Möglichkeit, Märkte und Branchen zu gestalten. In den vergangenen Jahren wurden ganze Branchen wie zum Beispiel das Kreditgewerbe, die Telekommunikation oder der Automobilbereich mit jedem Deal neu sortiert - wenn auch nur bis zum nächsten Deal. Das elektrisiert nicht bloß Vorstände, sondern auch Journalisten, Aktionäre und Wettbewerbsrechtler. Darüber hinaus sind Fusionen das ultimative Change-Management-Instrument für bereits wandelresistente Unternehmen. Viele Vorstände verzweifeln an den ständig neuen Reorganisationsprogrammen, an deren Erfolg weder sie noch die Mitarbeiter mehr glauben mögen. „Organisationale Widerstände“ heißt das dann im Fachjargon. Zusammenschlüsse hingegen schaffen einen für alle Betroffenen verständlichen Anlass zum Wandel. Ein weiterer Grund für viele Fusionen, der letztlich auch auf Daimler-Benz und Chrysler zutraf und für Bayer oder Volkswagen gilt, ist die Angst des Managements, wegen geringer Marktkapitalisierung selbst Übernahmeziel zu werden, was Machtverlust bedeuten würde. Also kaufen sich viele lieber selbst groß. Geld ist kein Motiv? Vorstände und Führungskräfte verdienen durch Verschmelzungen oft deutlich mehr, sie sind Gewinner ohne Risiko. Sie verdienen entweder durch Abfindungen oder eine Gehaltssteigerung, da ihre Bezüge nach wie vor an der Unternehmensgröße gemessen werden. Klaus Esser von Mannesmann ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Frage, ob das moralisch oder ökonomisch gerechtfertigt ist, ist keineswegs geklärt. Fusionen machen Vorstände zu Helden. Jürgen Schrempp wurde nach dem DaimlerChrysler-Deal zum Manager des Jahres gewählt. Manager wollen eben nicht nur Macht und Geld, sie wollen auch geliebt werden, sich in die Unternehmens- und Branchengeschichte einschreiben. Und viele Vorstände betrachten Fusionen als ein probates Mittel, um von Aktionären und auch der Presse geliebt zu werden.

Quelle: www.brandeins.de

Page 63: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________60

Da sich der Karrierezyklus des Top-Managements verkürzt hat, entsteht bei Management-Entscheidungen - vor allem in klassischen Industrien, wie der Kapitalmarkt- und Organisationsexperte Michael Jensen feststellt - eine Präferenz für das Kurzfristige. Unternehmenszusammenschlüsse schaffen viel Wirbel in kürzester Zeit, wenn auch manchmal um nichts. Wenn Fusionen demnach weiterhin en vogue bleiben, wie können dann die Risiken in den unterschiedlichen Stadien des Zusammenschlusses minimiert werden? Üblicherweise unterscheiden wir Betriebswirte drei Phasen bei Fusionen: die Pre-Merger-Phase, die Merger-Phase und die Post-Merger-Phase. Die Professionalisierung dieser einzelnen Prozessschritte nimmt nun auch in Deutschland zu. So werden in der Pre-Merger-Phase so genannte Due Diligences - zu übersetzen etwa mit „Beobachtung mit gebührender Sorgfalt“ - durchgeführt, die eine Vielzahl von Risiken im Vorfeld identifizieren sollen. Mittlerweile werden Human Resource, Legal, Financial, Commercial, Environmental oder - der letzte Schrei - Cultural Due Diligences durchgeführt. Diese Analysen werden vor allem zur Kaufpreisfindung herangezogen, aber leider noch zu wenig für die Post-Merger-Phase eingesetzt. In der Merger-Phase werden vor allem kaufvertragliche Aspekte diskutiert. Im Besonderen die Guaranties und Warranties, mit denen die Risikoverteilung auf die Käufer- und Verkäuferseite definiert wird. Bei der das Risiko berücksichtigenden Kaufpreisfindung haben sich verschiedene Bewertungsverfahren etabliert, die vor allem auf künftige Erträge und Risiken ausgerichtet sind. Die diesjährigen Nobelpreis-Gewinner für Ökonomie haben das Problem der Informationsunterschiede zwischen Käufer und Verkäufer am Beispiel von Gebrauchtwagen thematisiert, bei „gebrauchten“ Unternehmen trifft diese Informationsasymmetrie den Käufer ungleich schärfer. In der Post-Merger-Phase ist Risikominimierung kaum mehr möglich; viele weiche Risiken zeigen sich hier in unerbittlicher Härte. Als ein Instrument zur Kontrolle dieses Prozesses betrachten Forscher übrigens die Integration Balanced Scorecard. Trügt der Eindruck, dass Manager die vermeintlich sicheren Größen - die Zahlen - überbewerten und dabei die weichen Faktoren vernachlässigen? Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die vorhandenen Analyse-Instrumente entweder gar nicht verwendet werden. So wird eine systematische Due Diligence nur in jedem achten Deal eingesetzt. Oder aber als Ex-Post-Rationalisierung für im Bauch bereits getroffene Entscheidungen. Allerdings schaffen auch die Instrumente selbst Risiken, weil sie Scheinsicherheiten produzieren. Einer der wesentlichen Trugschlüsse lauert in der Phasenlogik. Fusionen brauchen eine - wie ich es nenne - Pre-Merger-Integration. Das heißt, schon in der Vorphase sollte eine detaillierte Post-Merger-Logik, eine Strategie für die Zeit nach dem Deal, erarbeitet und verhandelt werden. Darüber hinaus ist es in der Tat so, dass die Härte der weichen Faktoren und auch die Weichheit der harten Faktoren unterschätzt werden. Weiche Faktoren wie Kommunikation, Knowledge-Management oder auch das Human-Resource-Management führen bei Fusionen immer wieder zu Schluckbeschwerden. Mangelnde Kommunikation, abnehmende Innovationskraft oder hohe Mitarbeiterfluktuation sind die Hauptursachen für das Scheitern. Die harten Faktoren, also die Analysen und die Unternehmensbewertungen stellen sich erst im Nachhinein als weich heraus. Oft wird dann deutlich, dass sie für das Gelingen weniger wichtig waren als vorher angenommen. Welche Rolle spielen Berater und Investmentbanker für das Gelingen einer Unternehmensverschmelzung? Die Prozesskette der Dienstleistungen bei Fusionen ist sehr feingliedrig: Investmentbanker identifizieren in der Regel das Übernahmeziel und strukturieren die Finanzierung des Deals. Spezialisierte Beratungshäuser übernehmen Teilbereiche der Due Diligences. Rechtsanwälte helfen bei Vertragsgestaltung und Verhandlungen. Managementberatungen sind für Strategie und Umsetzung beim Post-Merger-Management verantwortlich.

Page 64: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________61

Erfahrene Dienstleister können das Risiko der einzelnen Prozessschritte durchaus reduzieren. Eine Gefahrenquelle kann allerdings die schlecht aufeinander abgestimmte Arbeit der Fusionsdienstleister sein. Das Hauptproblem jedoch ist: Den Rat, den Deal nicht zu machen, hört ein Vorstand von den Beratern selten. Alle beteiligten Dienstleister wollen den Deal und an ihm verdienen. Und: Der Manager sieht durch die Vielzahl von Beratern zumeist seine bedeutsamste Aufgabe nicht mehr - die unternehmerische Entscheidung, ob der Deal wirklich eine industrielle Logik und eine Umsetzungschance aufweist. Dabei könnten ihm die Experten aus dem eigenen Haus helfen. Aber Zusammenschlüsse werden in der Praxis im Geheimen vorbereitet, die Entscheidungen in sehr kleinem Kreis getroffen. Es ist in der Tat eines der wesentlichen Probleme von börsennotierten Unternehmen, dass Fusionen in Stundenhotels oder an anderen verschwiegenen Orten mit einem kleinen Kreis von Beteiligten erörtert werden müssen, um den Börsenkurs nicht zu beeinflussen und damit den Deal möglicherweise zu verteuern. Bei diesen Verhandlungen sollten aufgrund der nur bedingt vorliegenden Informationen lediglich grobe Eckpunkte wie der Kaufpreis und die Top-Management-Ebene definiert werden. Alle weiteren Aspekte sollten bis zu einem vertraglichen Abschluss von einem breiteren Kreis auf beiden Seiten sorgfältig analysiert und geplant werden. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass „langsame“ Verschmelzungen besser funktionieren. Geschwindigkeit wird schnell zum Risiko. Aventis ist dafür ein guter Beleg. Bedingt durch die verzögerte Zustimmung der Aktionäre zum Deal haben Hoechst und Rhône Poulenc sehr sorgfältig planen können und müssen. Das macht sich jetzt bezahlt. Wie reagieren die Mitarbeiter, werden sie genügend einbezogen? Empirisch lassen sich signifikant gestiegene Maschinenausfallszeiten sowie Fehlzeiten bei den Mitarbeitern nach einer Fusion feststellen. Auch ein erhöhter Materialschwund bis hin zu destruktiven Energien. Angst um den Arbeitsplatz und vor den Veränderungen, Heimatverlust oder auch Stress durch die Doppelbelastung „Integration und Tagesgeschäft“ beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit der Belegschaft nachhaltig. Das Problem heißt in fast allen Fällen mangelnde interne Kommunikation. Wenn die Kapitalmärkte schon nicht den Sinn des Mergers verstehen, wie sollen ihn dann die Mitarbeiter begreifen? Nach einer Analyse der »Financial Times« verstehen nur fünf Prozent die Strategie ihres Arbeitgebers. Inwieweit werden die Interessen der Kunden bei einer Fusion berücksichtigt? Kaum. Ebenso wie die der Zulieferer. Volkswagen hat das beim Erwerb von Rolls-Royce spüren müssen: Der Absatz ging kurz nach der Ankündigung der Übernahme spürbar zurück. Wenn zwei Unternehmen fusionieren, reibt sich die Konkurrenz die Hände: Die Kunden wandern angesichts der austauschbaren Produkte viel leichter zum Wettbewerber ab. Diese Absatzdelle lässt sich nach unseren Erfahrungen systematisch prognostizieren. Durch die Beschäftigung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter mit sich selbst, sinkt empirisch die Qualität und die Anzahl der Patente. Das bringt vor allem wissensbasierte Unternehmen, etwa aus der Pharmaindustrie, regelmäßig ins Straucheln. Novartis ist nach einem durchaus guten Post-Merger-Management in das Pipeline-Problem gestolpert - es gab zu wenige neue Produkte. Die Wissenschaftler Andrei Shleifer und Lawrence H. Summers haben in einer interessanten Studie nachgewiesen, dass eine Fusion ein Bruch von „impliziten Verträgen“ mit Zulieferern und Kunden darstellt. Nach ihrer Einschätzung ist sie eine Umverteilung von Erträgen und Risiko zugunsten des fusionierten Unternehmens und geht zulasten der Kunden und Zulieferer. Der von den Zulieferern antizipierte Preisdruck (Stichwort: Kostensynergie) und das von den Kunden erwartete Sinken der Produktqualität, etwa durch die Umstellungen von Wertschöpfungsprozessen bei der Logistik, der IT und der Produktion, führen zu einer Qualitätsverschlechterung bei den Zulieferern sowie zur Abwanderung der Kunden. Um dies zu

Page 65: Die Auswirkungen von Umstrukturierungen auf Beschäftigte ... · Outsourcing bis hin zu Insourcing von Tätigkeiten. Ein Ende des Trends ist nicht abzusehen und auch nicht zu erwarten.

AK-Wien, Abteilung Betriebswirtschaft_______________________________________________________________62

vermeiden, muss auch der Nutzen für die Kunden in die Fusionsentscheidung einbezogen werden. Bei den von uns analysierten Hightech-Mergern im Silicon Valley wurde immer der Kundennutzen als wichtigstes Argument des Zusammenschlusses herangezogen. Tatsächlich bestätigten unabhängige Marktforschungsanalysen die gestiegene Attraktivität der fusionierten Unternehmen für den Kunden. Nun haben wir viel darüber gehört, was bei Fusionen schlecht läuft. Gibt es auch erfolgreiche? Ich werde häufig nach gelungenen Beispielen gefragt und kann noch immer über keine berichten. Es gibt deutsche Transaktionen wie Aventis, EADS, E.ON oder auch die Hypo-Vereinsbank-Gruppe und die Akquisitionen der Preussag, die in Teilaspekten überzeugen. Aber die Hauptschwierigkeit für uns Forscher ist, dass wir nur sehr schwer Einblick in die Prozesse bekommen. Die Post-Merger-Forschung leidet seit Jahrzehnten unter der Tatsache, dass Manager nur selten über Misserfolge reden wollen. Überzeugt haben mich die Transaktionen von Adobe, Veritas oder Quantum, die ich im Silicon Valley analysieren durfte. Was machte diese Zusammenschlüsse erfolgreich? In meinem 7-K-Modell habe ich die Erfolgsfaktoren zusammengestellt, von denen ich hier der gebotenen Kürze halber nur die fünf wichtigsten nennen möchte. Der erste Faktor ist die Koordination: Bei den erfolgreichen Deals erfolgte die Integration der übernommenen Unternehmen nicht sofort. Die Unternehmen setzen auf eine lose Kopplung und zeitversetzte Integration beziehungsweise den Verkauf einzelner Bereiche. Außerdem wurden aus beiden Organisationen gemischte Fusions-Teams eingesetzt, die den gesamten Prozess abteilungsübergreifend begleitet haben. Interessant war zudem, dass - wie auch im deutschen Sample - die Langsamen die Erfolgreichen waren. Der zweite wichtige Punkt sind die Kunden: Bei guten Deals standen ihre Interessen im Vordergrund der Fusionsentscheidung. Die Servicequalität, die Funktionalität des Produktes sowie die Verbesserung des Vertriebs waren die wichtigsten Ziele. Drittens die Kernbelegschaft: Schlüsselmitarbeiter zu halten war zentral, da die Kaufpreise vielfach maßgeblich von der Summe der „Kopfprämien“ abhingen. Die Fluktuationsraten lagen oft unter fünf Prozent, im Vergleich zu anderen Fusionen ist das sensationell. Konsequentes Personalmanagement sowie die für alle Beteiligten klar verfolgte Strategie hat hier eine Win-Win-Situation geschaffen. Vierter Erfolgsfaktor ist das Knowledge Management: Der Fokus bei diesen Transaktionen lag - wie es Cisco-Manager beschrieben - auf dem Wissen der Mitarbeiter, das sie in den nächsten Jahren haben werden. Bereits bei der Due Diligence wurde versucht zu klären, wie dieses Wissen zu Wissensbasen zusammengeführt werden könnte. Fünftens die Kosten: Firmen wie Quantum und Veritas haben keinerlei Kostensynergien in ihre Kalkulation aufgenommen. Es ist günstiger, keine Kostensynergien zu haben, da Reibungsverluste und Widerstände dagegen zumeist teurer sind. Vielmehr wurden Integrationskosten vorab abgeschätzt und die Budgets für Forschung und Entwicklung erhöht. Nichtsdestotrotz: Ein Restrisiko bleibt. Kann die Wissenschaft hier helfen, oder müssen Manager mit der Unsicherheit leben? Es gibt Unternehmen wie Porsche oder H & M, die durch rein organisches Wachstum erfolgreich das Risiko Fusion ausgeschlossen haben. Es gibt Unternehmen wie Tyco, General Electric oder auch Cisco, die mit Kleinstakquisitionen sehr erfolgreich sind. Und es gibt Unternehmen wie DaimlerChrysler, die ein durchdachtes Post-Merger-Management ansetzen, deren Fusionslogik aber nicht stichhaltig war. Die Wissenschaft kann hier keine allgemeinen Lösung präsentieren. Der Manager muss mit der Unsicherheit leben, sonst lebt die Sicherheit ohne ihn. So ist das mit Parasiten.