Die Bedeutung des Enterokokkus für die Infektionen der Harn- und Gallenwege

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9. DEZEMBER 1924. KLINISCHE \VOCHENSCHRIFT. 3. JAHRGANG. Nr. 50 229i hat die Vernichtung der roten Kerne Hypertonie der Muskulatur zur Folge. RADEMAgER, den ich yon meinen Erfahrungen in Kennt- his gesetzt babe, meint in einem an mich gerichteten Schreiben, dab ,,die Streckkontraktur der Extremit~ten wahrscheinlich als Erlahmungszustand der Zellen der roten Kerne zu betrachten sei." Den besct{riebenen Symptomenkomplex der Enthirnungs- starre land ich nut in jenen F~llen yon multipler SMerose, in denen schwere spastische Erscheinungen (Rigidit~t, BA- m~'sK>Zeichen) vorhanden waren, so dab ich als Conditio sinequanon eine Pydegeneration voraussetze. Ich denke mir, dab durch Ausfall der Pybahnfunktion die motorische Kern- s~ule des verl~ngerten und Rflckenmarkes sich in- fiber- erregbarem Zustand befindet und daher selbst geringffigigen Zustands~nderungen in den Zellen der roten Kerne mit er- h6htem Funktionieren, d.i. mit Contractur, antwortet. Durch die Verbindnng der Zellen der roten Kerne mit den Zellen der motorischen Kernsgule -- via MoNaKow-Bahn -- ist der V~eg tfir die supponierte Erregung gegeben. Auch die fibrigen Symptome : Harnverhaltung, Amblyopie, Herz- klopfen, lassen sich eher als Folgen yon Erregung, denn Ms Lghmung erklgren. So kann man annehmen, dab das im Zwischenhirn gelegene oberste Zentrum des Sympathieus in Erregung geratend, den spastischen Zustand der Blasen- schlieBmuskulatnr (daher die Harnverhaltung) der Retinal- get~13e (Amblyopie) hervorruft. Auch das HerzklopIen ist als Sympathicus-Erregungszustand gut zu deuten. Somit waren s~mtliche Symptome, welche die dutch parenterale Injektionen hervorgerufene TemperaturerhOhung begleiten, als Erregungserscheinungen der Kerne des Zwischen- und Mittelhirngebietes gut zu erkl~ren. Aus meinen Feststellungen glaube ich weiter folgern zu dfirfen, dab ein der Enthirnungsstarre analoger Zustand beim Menschen dann entsteht, wenn neben der Erregung der Mittel- hirngegend (roter Kern) (Substantia nigra ?) auch die Pybahn funktionsgest6rt ist. Hierffir spricht der Fall yon multipler Sklerose mit halbseitiger L~hmung. Nur an der Seite der L~hmung, wo also die Pybahn mit l~diert war, stellte sich der Contraeturzustand der gelghmten Extremit~t ein. Ich glaube, dab meine Grundauffassung, die oben be- schriebenen Symptome als Folgen des Erregungszustandes der Kerngebilde im Zwischen- und Mittelhirngebiet zu deuten, richtig ist, trotzdem ich mir dessert bewul3t bin, viel Hypo- thetisches beigemengt zu haben. DIE BEDEUTUNG DES ENTEROKOKKUS FOR DIE INFEKTIONEN DER HARN- UND GALLENWEGE. Von Dr. KURT MEYER. Aus der Bakteriotoglsehen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses in Berlin. Die Streptolcokken als Erreger so mannigfaltiger Krank- heitsbilder bei Mensch und Tieren geben immer wieder AnlaB zu lebhaften ErOrterungen unter Bakteriologen und Klinikern. Auch gegenw/~rtig steht eine Reihe yon Streptokokken- problemen zur Diskussion. Es braucht nur an die Frage der Virulenzbestimmung, der Konstanz der verschiedenen Typen, der Beziehungen der Streptokokken zu ~tiologisch uner- forschten Erkrankungen wie dem Scharlach erinnert zu werden. Von jeher war man bemflhtl der anscheinend unbegrenzten Mannigfaltigkeit der Eigenschaften, die bei den Streptokokken beobachtet wird, durch AuJstellung bestimm.ter Typen Herr zu werden, denen man dann charakteristische pathogene Wirkungen oder typlsche Lokalisationen zuschreiben zu k6nnen glaubte. Morphologische Merkmale, kulturelle Eigenschaften, Verhalten im tierischen Organismus suchte man fflr die Systematik zu ver- werten. W~hrend sich in Deutschland eigentlich nut die Schottmgllersche Einteilung in einen Str. haemolyticus, viridans und mucosus neben der alten Unterscheidung yon Str. longns und brevis allgemeinere Geitung zu verschaffen vermochte, hat man in England und Amerika seit den ersten Arbeiten yon GORDON l) besonders auf Grund des VergXrungsverm6gens ffir verschiedene Kohlenhydrate eine gr613ere Zahl yon gut umschriebenen Typen aufstellen zu k6nnen, geglaubt, wobei man aber keineswegs das gelegentliche Vorkommen yon atypischen oder Obergangsformen fibersah. Diesen Bemfihungen zu einer Systema*ik der Streptokokken steht nun die Skepsis sehr zahlreicher Bakteriologen gegeniiber, die ant Grund experimenteller Beobachtungen fiber weitgehende Variabilitiit mancher Eigenschaften der Streptokokken die Berechti- gang zur Aufstellung gesonderter Typen in Zweifel ziehen und die jeweils festzustellenden Eigenschaften yon den gerade gegebenen ~uBeren Faktoren bedingt glauben. Wir m6chten zu dieser Frage hier nicht welter Stellung nehmen, meinen abet, dab die experimentell gewonnenen Er- gebnisse ffir die Minische Auffassung der Streptokokkeninfek- tionen nur mit groBer Vorsieht verwertbar sind. Ftir die Pathogenese dfirfte eine solche Typen~nderung nut selten in Frage kommen, wie denn auch dem Kliniker yon Beziehungen etwa des Erysipels zur Sepsis lenta oder einer verruk6sen Endokarditis zu septischen Abscessen nichts bekannt ist. Dabei wollen wit ganz absehen yon den noch fester fixierten Sondertypen wie dem Str. putridus, dem Enterok0kkus ~ oder dem Pneumokokkus. Auf einen dieser Sondertypen, den Enterokokkus, m6chten wir in folgendem die Aufmerksamkei• !enken. Dieser Kokkus wurde wohl zuerst in Deutschland yon ESCHERICH ~) im S~ngr lingsstuhl gesehen und als Micrococcus ovalis beschrieben. Trotzdem hat er in Deutschland nut wenig Beact~tmag ge- funden. In den Lehrbfichern wird er entweder gar nicht yon anderen Streptokokken unterschieden oder nut mit wenigen Worten abgehandelt. Es ist das Verdienst yon SCHMITZ a) auf die ausl~tndische Literatur fiber diesen Mikroorganismus hin- gewiesen und seinem Vorkommen eigene Untersuchungen ge- widmet zu haben, abet auch seine Arbeit vermochte dem Enterokokkns nicht die Beachtung der deutschen Bakterio- logen zu vermitteln. Wit glauben, dab diese geringe Beachtung nicht der Wichtigkeit entspricht, die dem Enterokokkus als Erreger einer Reihe yon Erkrankungen zukommt. In der auslXndischen, besonders in der franz6sischen" Literatur finden wit denn anch seine Bedeutung voll gewfirdigt. THI~RCELIN 4) beschrieb ihn erstmals als Erreger einer Enteritis, stellte abet selbst bald test, dab er normalerweise im Darme vorkommt. Er gab ibm daher, in Analogie zu den Bezeichnungen Meningo- and Pneumo- kokkus, den Namen t~ntrokokkus. In England wurde er yon ANDR~WES und HORDER 5) in ihrer grundlegenden Arbeit fiber die Einteilung der Streptokokken unter der Bezeichnung Str. iaecalis ats besonderer Typus aufgestellt. Erst neuerdings hat ihm der englische Bakteriologe DIBLE 6) eine eingehende Arbeit gewidmet. Bezfiglich der Nomenklatur m~Schten wit vorschlagen, die Bezeichnung als Enterokokkus beizubehalten, da die yon ESCI~RICH gegebene Beschreibung zu unvollkommen ist, um darauf das Priorit~tsrecht der Namensgebung zu grfinden. Gegenfiber der englischen Bezeichnung hat die franzSsische einmal den Ansprueh der PrioritXt, sodanu kennzeichnet sie treffender die Biologie des Enterokokkus, da er nicht nur ein F~kalbacterium, sondern ein regelm~13iger Bewohner ausgedehnter Darmabschnitte ist. Es handelt sich bei dem Enterokokkus um einen Mikr0- organismus, der morphologisch und in vielen kulturellen Eigenschaften die grSflte ~hntichlceit m# dem Pneumokokkus aufweist. XAriedieser tritter als grampositiver Diplokokkus yon Kerzenflammenform anti Vorzugsweise zeigt er diese Gestalt im menschlichen Organismus, aber auch in der Kultur, besonders auf flfissigen N~hrb6den, bleibt sie in der Regel erhalten. Auf der Blutagarptatte bildet er meist zarte, in- folge Meth~moglobinbildung schwarzgrfine Kolonien, die sich nicht mit Sieherheit yon denen des Pnenmokokkus unterscheiden lassen. Wie dieserj wgchst er~ inj Bouillon unter gleichm~giger Triibung. Anderseits besitzt der Enterokokkus eine l~.eihe yon Eigen- schaften, die ihn ohne Schwierigkeiten yore Pneumokokkus di//erenziere~z lassen. Zun~ehst bildet er im menschlichen Organismus keine echten Kapseln, wie wit auf Grund unserer Erfahrungen im Gegensatz zu manchen Literaturangaben be- hanpten mfissen. Sodann sind seine Ansprfiche beztiglich der Kulturbedingungen wesentlich bescheidener als die des Pneumokokkus. Allerdings bereitet die erste Zfichtung bis- ~46.

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9. DEZEMBER 1924. K L I N I S C H E \ V O C H E N S C H R I F T . 3. J A H R G A N G . Nr. 50 2 2 9 i

hat die Vernichtung der roten Kerne Hypertonie der Muskulatur zur Folge. RADEMAgER, den ich yon meinen Erfahrungen in Kennt- his gesetzt babe, meint in einem an mich gerichteten Schreiben, dab ,,die Streckkontraktur der Extremit~ten wahrscheinlich als Erlahmungszustand der Zellen der roten Kerne zu betrachten sei."

Den besct{riebenen Symptomenkomplex der Enthirnungs- starre land ich nut in jenen F~llen yon multipler SMerose, in denen schwere spastische Erscheinungen (Rigidit~t, BA- m~'sK>Zeichen) vorhanden waren, so dab ich als Conditio sinequanon eine Pydegeneration voraussetze. Ich denke mir, dab durch Ausfall der Pybahnfunktion die motorische Kern- s~ule des verl~ngerten und Rf lckenmarkes sich in- fiber- erregbarem Zustand befindet und daher selbst geringffigigen Zustands~nderungen in den Zellen der roten Kerne mit er- h6htem Funktionieren, d . i . mit Contractur, antwortet. Durch die Verbindnng der Zellen der roten Kerne mit den Zellen der motorischen Kernsgule -- via MoNaKow-Bahn -- ist der V~eg tfir die supponierte Erregung gegeben. Auch die fibrigen Symptome : Harnverhaltung, Amblyopie, Herz- klopfen, lassen sich eher als Folgen yon Erregung, denn Ms Lghmung erklgren. So kann man annehmen, dab das im Zwischenhirn gelegene oberste Zentrum des Sympathieus in Erregung geratend, den spastischen Zustand der Blasen- schlieBmuskulatnr (daher die Harnverhaltung) der Retinal- get~13e (Amblyopie) hervorruft. Auch das HerzklopIen ist als Sympathicus-Erregungszustand gut zu deuten.

Somit waren s~mtliche Symptome, welche d i e dutch parenterale Injektionen hervorgerufene TemperaturerhOhung begleiten, als Erregungserscheinungen der Kerne des Zwischen- und Mittelhirngebietes gut zu erkl~ren.

Aus meinen Feststellungen glaube ich weiter folgern zu dfirfen, dab ein der Enthirnungsstarre analoger Zustand beim Menschen dann entsteht, wenn neben der Erregung der Mittel- hirngegend (roter Kern) (Substantia nigra ?) auch die Pybahn funktionsgest6rt ist. Hierffir spricht der Fall yon multipler Sklerose mit halbseitiger L~hmung. Nur an der Seite der L~hmung, wo also die Pybahn mit l~diert war, stellte sich der Contraeturzustand der gelghmten Extremit~t ein.

Ich glaube, dab meine Grundauffassung, die oben be- schriebenen Symptome als Folgen des Erregungszustandes der Kerngebilde im Zwischen- und Mittelhirngebiet zu deuten, richtig ist, t rotzdem ich mir dessert bewul3t bin, viel Hypo- thetisches beigemengt zu haben.

DIE BEDEUTUNG DES ENTEROKOKKUS FOR DIE INFEKTIONEN DER HARN- UND GALLENWEGE.

Von

Dr. KURT MEYER. Aus der Bakteriotoglsehen Abteilung des Rudolf Virchow-Krankenhauses in Berlin.

Die Streptolcokken als Erreger so mannigfaltiger Krank- heitsbilder bei Mensch und Tieren geben immer wieder AnlaB zu lebhaften ErOrterungen unter Bakteriologen und Klinikern. Auch gegenw/~rtig steht eine Reihe yon Streptokokken- problemen zur Diskussion. Es braucht nur an die Frage der Virulenzbestimmung, der Konstanz der verschiedenen Typen, der Beziehungen der Streptokokken zu ~tiologisch uner- forschten Erkrankungen wie dem Scharlach erinnert zu werden.

Von jeher war man bemflhtl der anscheinend unbegrenzten Mannigfaltigkeit der Eigenschaften, die bei den Streptokokken beobachtet wird, durch AuJstellung bestimm.ter Typen Herr zu werden, denen man dann charakteristische pathogene Wirkungen oder typlsche Lokalisationen zuschreiben zu k6nnen glaubte. Morphologische Merkmale, kulturelle Eigenschaften, Verhalten im tierischen Organismus suchte man fflr die Systematik zu ver- werten.

W~hrend sich in Deutschland eigentlich nut die Schottmgllersche Einteilung in einen Str. haemolyticus, viridans und mucosus neben der alten Unterscheidung yon Str. longns und brevis allgemeinere Geitung zu verschaffen vermochte, hat man in England und Amerika seit den ersten Arbeiten y o n GORDON l) besonders auf Grund des VergXrungsverm6gens ffir verschiedene Kohlenhydrate eine gr613ere

Zahl yon gut umschriebenen Typen aufstellen zu k6nnen, geglaubt, wobei man aber keineswegs das gelegentliche Vorkommen yon atypischen oder Obergangsformen fibersah.

Diesen Bemfihungen zu einer Systema*ik der Streptokokken steht nun die Skepsis sehr zahlreicher Bakteriologen gegeniiber, die ant Grund experimenteller Beobachtungen fiber weitgehende Variabilitiit mancher Eigenschaften der Streptokokken die Berechti- gang zur Aufstellung gesonderter Typen in Zweifel ziehen und die jeweils festzustellenden Eigenschaften yon den gerade gegebenen ~uBeren Faktoren bedingt glauben.

Wir m6chten zu dieser Frage hier nicht welter Stellung nehmen, meinen abet, dab die experimentell gewonnenen Er- gebnisse ffir die Minische Auffassung der Streptokokkeninfek- tionen nur mit groBer Vorsieht verwertbar sind. Ftir d i e Pathogenese dfirfte eine solche Typen~nderung nut selten in Frage kommen, wie denn auch dem Kliniker yon Beziehungen etwa des Erysipels zur Sepsis lenta oder einer verruk6sen Endokarditis zu septischen Abscessen nichts bekannt ist. Dabei wollen wit ganz absehen yon den noch fester fixierten Sondertypen wie dem Str. putridus, dem Enterok0kkus ~ oder dem Pneumokokkus.

Auf einen dieser Sondertypen, den Enterokokkus, m6chten wir in folgendem die Aufmerksamkei• !enken. Dieser Kokkus wurde wohl zuerst in Deutschland y o n E S C H E R I C H ~) im S~ngr lingsstuhl gesehen und als Micrococcus ovalis beschrieben. Trotzdem hat er in Deutschland nut wenig Beact~tmag ge- funden. In den Lehrbfichern wird er entweder gar nicht yon anderen Streptokokken unterschieden oder nut mit wenigen Worten abgehandelt. Es ist das Verdienst yon SCHMITZ a) auf die ausl~tndische Literatur fiber diesen Mikroorganismus hin- gewiesen und seinem Vorkommen eigene Untersuchungen ge- widmet zu haben, abet auch seine Arbeit vermochte dem Enterokokkns nicht die Beachtung der deutschen Bakterio- logen zu vermitteln.

Wit glauben, dab diese geringe Beachtung nicht der Wichtigkeit entspricht, die dem Enterokokkus als Erreger einer Reihe yon Erkrankungen zukommt.

In der auslXndischen, besonders in der franz6sischen" Literatur finden wit denn anch seine Bedeutung voll gewfirdigt. THI~RCELIN 4) beschrieb ihn erstmals als Erreger einer Enteritis, stellte abet selbst bald test, dab er normalerweise im Darme vorkommt. Er gab ibm daher, in Analogie zu den Bezeichnungen Meningo- and Pneumo- kokkus, den Namen t~ntrokokkus.

In England wurde er yon ANDR~WES und HORDER 5) in ihrer grundlegenden Arbeit fiber die Einteilung der Streptokokken unter der Bezeichnung Str. iaecalis ats besonderer Typus aufgestellt. Erst neuerdings hat ihm der englische Bakteriologe DIBLE 6) eine eingehende Arbeit gewidmet.

Bezfiglich der Nomenklatur m~Schten wit vorschlagen, die Bezeichnung als Enterokokkus beizubehalten, da die yon ESCI~RICH gegebene Beschreibung zu unvollkommen ist, um darauf das Priorit~tsrecht der Namensgebung zu grfinden. Gegenfiber der englischen Bezeichnung hat die franzSsische einmal den Ansprueh der PrioritXt, sodanu kennzeichnet sie treffender die Biologie des Enterokokkus, da er nicht nur ein F~kalbacterium, sondern ein regelm~13iger Bewohner ausgedehnter Darmabschnitte ist.

Es handelt sich bei dem Enterokokkus um einen Mikr0- organismus, der morphologisch und in vielen kulturellen Eigenschaften die grSflte ~hntichlceit m# dem Pneumokokkus aufweist. XArie dieser t r i t t e r als grampositiver Diplokokkus yon Kerzenflammenform anti Vorzugsweise zeigt er diese Gestalt im menschlichen Organismus, aber auch in der Kultur, besonders auf flfissigen N~hrb6den, bleibt sie in der Regel erhalten. Auf der Blutagarptatte bildet er meist zarte, in- folge Meth~moglobinbildung schwarzgrfine Kolonien, die sich nicht mit Sieherheit yon denen des Pnenmokokkus unterscheiden lassen. Wie dieserj wgchst er~ inj Bouillon unter gleichm~giger Triibung.

Anderseits besitzt der Enterokokkus eine l~.eihe yon Eigen- schaften, die ihn ohne Schwierigkeiten yore Pneumokokkus di//erenziere~z lassen. Zun~ehst bildet er im menschlichen Organismus keine echten Kapseln, wie wit auf Grund unserer Erfahrungen im Gegensatz zu manchen Literaturangaben be- hanpten mfissen. Sodann sind seine Ansprfiche beztiglich der Kulturbedingungen wesentlich bescheidener als die des Pneumokokkus. Allerdings bereitet die erste Zfichtung bis-

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weilen Sehwierigkei ten. E r entwickel t sich mi tun te r zun/~chst nur in fliissigen N~hrb6den und anscheinend such dann besser un te r anaeroben Bedingungen, z .B. in Organbouil lon. E i n m M isoliert , w~chst er abe t gu t auf den gew6hnl ichen NXhrb6den, b le ib t in den Ku l tu ren lunge Zei t am Leben, v e r m e h r t sich bet Z immer t empera tu r und erweis t sich gegen Erh i t zen auI 6o ~ als re la t iv widerstandsfXhig, so dab yon franzbsischen Auto ren ftir die Isol ieru~g aus Bak te r i engemisehen halbsti indiges Er- h i tzen einer Vorku l tu r auf 60 ~ empfohlen wird. Wet te r is t der En te rokokkus im Gegensatz zum Pneumokokkus optochin- unempf ind l ich und galleunl6slich und verg~r t in der Regel Manni t un te r S~urebildung, w~hrend er Inul in , das v o m Pneumokokkus gespal ten wird, n ich t angreift .

Was die Beziehung zu anderen Streptolcokkentype~ betriff t , so is t die Unte r sche idung y o n Str. haemoly t icus durch das W a c h s t u m auf der B lu tp l a t t e ohne weiteres gegeben. Wit" haben bet fr isch gezt ichteten En te rokokken niemals auch n u t A n d e u t u n g yon H/~molyse gefunden, sahen abe t bet einigen S t~mmen nach l~ngerer For tz f ieh tung fiber B lu tp la t t en all- ms h~molyt isches W a c h s t u m eintreten, ohne dab die anderen typ ischen Eigenschaf ten ver loren gingen,

Auch die Unte rsche idung des En te rokokkus v o m Str, vir idans, n i t dem er j a die Bi ldung grtiner Kolonien auf der B lu tp l a t t e gemeinsam hat, bere i te t k a u m j emals Schwierig- keiten, t3ildet doch der typische Str. vir idans, wie er im Blur bet Sepsis len ta gefunden wird, im al lgemeinen mehr oder weniger lunge Ke t t en . E r l~Bt die Boui l lon fast Mar und w~tchst in Br6ekeln auf dem Boden. Die einzelnen Glieder der Ke t t e sind be im Str. v i r idans rundlieh. Manni t wird yon i h m fast niemals angegriffen.

Nur die Untersche idung des En te rokokkns yon j enen im 1Raehen vorkommenden , ebenfalls griin wachsenden aviru- len ten Diplokokken, ftir die m a n ja engere Beziehungen zu den Pneumokokken ann immt , kann gelegenr schwerer fallen, doch k o m m t diese Schwier igkei t fiir die prakt i sche Diagnos t ik k a u m in Bet racht . ~b r igens dfirfte die F~higkei t der 1Raffinoseverg~rung, die viele IRachenst reptokokken besitzen, different ia ldiagnost isch wer tvol l seth.

Mit groger Wahrsehein l ichkei t darf man annehmen, dab der En te rokokkus n i t d e n hfmfigsten Erreger der Milch- s~ureg~rung, d e m StL lacticus yon Knvsn: ) , ident isch ist. W e n n KRVS~ diesen und n i t i hm den En te rokokkus such mi t d e m Pneumokokkus identif iziert , so k6nnen wi t uns dieser Auffassung aus den oben er6r ter ten Gri inden in l~bereinst im- mung n i t ether neneren Arbe i t HnlMS s) n ich t anschlieBen. Das posi t ive Merkmal der Manni tve rg~rung scheint uns n i t Bes t immthe i t dagegen zu sprechen, dab der En te rokokkus eine K i immer fo rm des Pneumokokkus set, wie wir sic z. B. in der lV[undh6hle Gesunder sowie in Mten Kul tu ren beobaeh tem

Als eharakteristisctt ffir den Entero~okkus muB noch die groBe Po~ymorphie in der Ku l tu r hervorgehoben werden, die er j a m i t manehen Pneumokokkens t i immen teil t . N ich t selten sieht m a n runde Formen, die an S taphylokokken erinnern, anderersei ts lunge s t~bchenf6rmige Gebilde, die yon Pseudo- diphther iebaci l len k a u m zu nnterscheiden sind. Auch Bi~b- nnd Pdesenformen-beobachte t m a n h~ulig.

Was die pathogene Rolle des Enterokold~us betriffc, so f inder m a n diese, wie schon erw~hnt, in der deutsehen L i t e ra tu r fast gar n ich t gewfirdigt. Natf i r l ich konnte seth, wie wir sehen werden, h~ufiges V o r k o m m e n .der Beobach tung nicht ent- gehen, a b e r m a n ha t offenbar die in solchen Fa l len gefundenen Kokken ftir ident iseh n i t den gew6hnlichen St reptokokken, e twa dem Str. haemoly t icus oder Str. vir idans, angesehen oder sic gar ftir Pnenmokokken gehalten.

Nnr Esc~Enlc~ ~) gibt yon seinem Str. enteritidis eine Beschrei- bung, die sich ganz mit der des Enterokokkus deckt. Er und seine Schiller fanden diesen Streptokokkus bet gewissen Formen yon S~uglingsenteritiden in groBer Zahl in den Stilhlen und sahen in ibm den Erreger der Erkrankung, zumal sic autoptisch die Kokken auch in der Darmwand naehweisen konnten. ~ESCHERICH erkennt die enge Verwandtschaft der Kokken n i t d e n Milchsaurestrepto- kokkus und glaubt, entsprechend den damaligen Anschanungen, den GenuB verdorbener Milch fiir die Entstehnng dieser Enteritiden anschuldigen zu sollen. Heute wird man die prim~re Rolle des Enterokokkus bet der Genese der Sauglingsenteritiden filr wmaiger

sicher halten und eher an eine sekund~re Vermehrung der den D a r n stets bewohnenden Enterokokken unter bestimmten, filr ihre EntwicMung gilnstigen Bedingungen denken, ohne dab deswegen ihre Bedeutung filr den KranMleitsprozeB sis ganzen bestritten werden soll.

Im Gegensatz zu den sp~rlichen Angaben der deutschen Lite- ratur spielt der Enterokokkus bei den franz/3sischen Klinikern eine wichtige Rolle. In dem neuen groBen I-Iandbuch der Medizin 1~ von t{OGER, WIDAL und TEISSIER ist der Enterococcie ein eigenes yon MACAmNE bearbeitetes Kapitel gewidmet. Auch hier werden d e n Enterokokkus in erster Linie Darmerkrankungen, besonders eine mucomembran6se Form, zur Last gelegt. Sodann wird seine Bedeutung ffir Erkrankungen der Leber und Gallenwege hervor- gehoben. Endlich ~drd, wenn wir yon anderen selteneren Lokali- sationen absehen, eine typische Septic~mieform, bet der such Ausgang in Meningitis beobachtet wurde, beschrieben.

Wi r setbst haben auf das V o r k o m m e n des En te rokokkus seit vielen J ah ren geach te t mad sind ihm sehr h~ufig begegnet . N u t kurz bert ihr t set, dab wir ihn bet den verschiedensten Eiterungsprozessen, die i rgendwie n i t d e n Darn in Beziehung stehen, wie per i typht i t i schen, paraprokt i t i sehen, subphre- nischen, Douglas-Abscessen, fast regelm~i3ig und nicht selten als einzigeu Mikroorganismus antreffen, w~hrend h~molyt ische S t rep tokokken bet diesen Prozessen verh~ltnism~tBig selten vor- kommen. Erw~thnen mbchten wir, dab wi t bet solchen h~mo- lyt ischen S t~mmen weder in morphologischer noch in kul- turel ler t t ins ich t Ann~herungen an den En te rokokkus fest- stellen,, also keinen A n h a l t s p u n k t ftir einen Obergang der En te rokokken in h/~molytische S t rep tokokken l inden konnten.

Wet te r begegnen wir dem Ente rokokkus n ich t selten im Urin bei Cystltide~ nnd Pyelltiden. W i t beobach te ten ein solches Vorkommen in den le tz ten drei J ah ren 45 mal und in 12 yon diesen F~tllen fund sieh der ]~nterokokkus in Rein- kul tur . Man wird h ie rnach die 1Rolle des En te rokokkus als Erreger yon entziindliehen Prozessen der Harnwege nieht be- zweifeln k6nnen, wenn auch in dieser Bez iehung seine Be- deu tung der des Colibacillus n icht g le ichkommt . Jedenfal ls scheint uns abe t die yon SCHEIDEMANDEL ~ ~) in seiner S ta t i s t ik angegebene Zahl yon 1% fiir die du tch Dip lokokken hervor - gerufenen Harn in fek t ionen n ich t den tats~ichlichen Verhgl t - nissen zu entsprechen] Der In fek t ionsmodus dfirfte tier gleiche wie be im Colibaeillus sein.

Ganz besondere Bedeu tung aber m6chten wir dem h~u- figen V o r k o m m e n des En te rokokkus bet den Erlcranhungen der Gallenwege beilegen.

Die Bakter io logie der Gal leninfekt ionen ha t ja seit langen Jahren eine e ingehende t3earbei t~ng ertahren.

Trotzdem scheinen endgt~ltige Ergebnisse such jetzt noch nicht gewonnen zu sein. Die allgemein herrschende Meinung, die such yon den Lehrbilchern vertreten wird, geht dahin, dab in der grogen Mehrzahl der F~lle der Colibacillus gefunden wird. Typhus-, Para- typhusbacilien, Staphylokokken, Streptokokken und andere ]3ak- terien gelten als seltenere Vorkommnisse, Immerhin tritt, wenn wir yon den bisher yon anderer Seite nicht best~tigten Angaben G~ND~RMA~ZgS12), der den Staphylokokken eine ilberragende Rolle zuschreibt, absehen, in neueren Arbeiten auch die t~edentung der Streptokokken mehr in den Vordergrund. So linden sich in einer Statistik yon WAG~R ~a) unter 465 FMlen 57real Streptokokken, darunter 39maI als einzige Bakterien. ~ber den Typus clef Strepto- !~o[~k, en werden fast nirgends nXhere Angaben gemacht. Man wird an- nehmen d~irfen, dab die Mehrzahl der Kliniker sic filr die gew6hn- lich sis Eitererreger in Frage kommenden h~tmolytisehen Strepto- kokken h~lt. So gibt z. B. R o v s I ~ 1~) in einer unl~ngst erschienenen Arbeit an, dab er unter 53 ~ FMlen yon Cholelithiasis 28mal den Streptococcus pyogenes beobachtet habe, und wenn E I c ~ o ~ ~a) aus der Sehottmfillerschen Abteilnng 2 F~lle als besondere Vor- kommnisse ver6ffentlicht, da bet ihnen der Streptococcus viridans aus Galle und Blur geziichtet wurde, so ist such dies wohl damit zu erkl~ren, dab er die 1V~ehrzahl der Streptokokkeninfektionen der Gallenwege dutch h~molytische Streptokokken bedingt glaubt.

Auf Grund unseres eigenen iVlaterials mfissen wir dem Enterokokkus circe Hauptrol~e /~r die Gallenin#ktionen zu- weisen. W i t haben in den le tz ten 3 Jah ren I4 ~ Gallenfliissig- kei ten im wei te ren Sinne, d. h. einschlieBlich Eiter , Trans- sudaterl usw., zur bakter io logischen Unte r suchung erhalten. ~ b e r die Kl in ik der be t ref fenden FAlle ist uns wenig bekannt , so dab wir n~here Angaben, ob es sich um akute oder ehronische

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Erkrankungen, um solche mit oder ohne Steinbildung ge- handelt hat, nicht machen kSnnen. Wit sind uns auch Mar dartiber, daB, worauf GUND]~n~ANN besoiiders hingewiesen hat, d e r lBefund in der Gallenfltissigkeit allein keine absolut billdenden Schltisse beziiglich der Atiologie des Prozesses zu- l~13t, dab hierffir,vielmehr auch eine genaue Untersuchung tier Gallenblasenwand erforderlich ist. Tro• glauben wir aus unserem Material pralctisch verwertbare SchluBfolgerungen zieheii zu k6nnen. ~.

Unter unseren I4o F~llen ergab sich 58 mal ein negativer bakteriologischer 13efund. Die Enterokolckus fanden wit in 34 F~Lllen, d. h. in nahezu einem Viertel aller Fglle und in 41,5% derer mit positivem bakteriologischen Be/und. 9 real war er mit t3. coli vergesellschaftet, 2real mi t ]3. Friedl~nder, I mal mit ]3. coli und lB. Friedl~nder, und 22 mat ]and er sich in Reinkultur. Vielfach waren schon bei der direkten mikro- skopischen Untersuchung die typischen lanzettf6rmigen Diplokokken zu sehen. Wir m6chten aber hervorheben, dab wir in mehreren F~Lllen tange Ketten gefiinden haben und dab erst die Kultur die Enterokokkennatur der Erreger erkennen lieB.

H~tmolytische Streptokokken beobachteten wit niemals. Anh/~molytische Streptokokkeii, die nicht mit Sicherheit klassifiziert werden konnten, begegneten uns nur 2 real.

Mit einigen Worten miissen wit hier noch einmal auf die Arbeit EICHHOF~S, der einzigen, die Angaben fiber den Typus der Streptokokken macht, zurtickkommen. Wie erw~hnt, gibt er an, den Str. viridans gezfichtet zu haben, und stellt daranf hin, der Anregung SCHOrT~aOLLE~S folgend, in Analogie zur Endocarditis lenta das Krankheitsbild der Cholangitis lenta auf. Hierzu muB bemerkt werden, dab die Schott- miillersche Schule alle auf der ]31utplatte grfin wachsenden Streptokokken als Str. viridans zusammenfaBt nnd so auch yon dem Vorkommen des Str. viridans im Darme spricht. Demgegeniiber glauben wir, wie oben erSrtert, den Entero- kokkus yon dem als Erreger der Sepsis lenta bekannten Str. viridans im engereii Sinne durchaus trennen zii miissen. Danii erscheint es aber durehaus m6glich, dab es sich auch bei den Eichhoffschen F~llen nm den Enterokokkus gehandelt hat, der ja nach den franzSsischen Autoren auch in das Blut fibertreten kann. Die lBerechtigung, diese F~lle mit der Endocarditis lenta in Analogie zu setzen, erschiene hiernach noch zweifelhaft.

Da wir nun, um auf IInser Material zuriickzukommen, gegenfiber den 34 Enterokokkenbefunden den Colibacillus anch nicht mehr als 42 mal, darunter 8 mal init dem Entero- kokkus vergesellschaftet, gefunden haben, so glauben wit dem Enterokolckus eine Bedeutung ]iir die In]ektione~ der Gallen- wege beimessen zu d'ar]en, die der des Colibacillus kaum nach- steht.

Die Erkeniitnis, daft es sieh bei den Streptolcolcken der Gallenin]ektionen nahezu ausschliefllich um den Enterokokkus handelt, dfirfte in mehrfacher iqinsicht yon ]3edeutung sein. Einmal wird sich die prognostische Auffassung des Krankheitsfalles wesentlich anders gestalten, wenn feststeht, dab man es mit dem verh~tltnism~13ig wenig aggressiven Eiiterokokkus zu tun hat, als wenn man an das Vorliegen einer Infektion mit dem wegen seiner Malignit~t geftirchteten h~Lmolytischen Streptokokkus gladben muB.

Therapeutische Folgerungen werden sich einstweilen wohl noch nicht ergeben, abet es ist Mar, dab es in Zukunft fiir chemotherapeutische Versuche wegen der ElektivitXt der Wirkungen and ebenso fiir irnmunotherapeutische MaB- nahmen yon Wichtigkeit sein wird , genau den Typus des Erregers zu kennen.

Endlich f~llt ein Licht auf die Pathogenese der Gallenin]e]c- tionen. Fiir die Coliinfekte wird die enterogene Entstehung wohl yon keiner Seite bezweifelt. Dagegen lag ffir die Strepto- kokkeninfektionen, solange man sie durch den Str. haemo- lyticus oder Str. viridans bedingt glaubte, die Vermutung eines h~matogenen Ursprungs sehr nahe. Steht aber lest, dab auch die Streptokokkeninfektionen durch einen Darm- bewohner hervorgerufen werden, so wird man auch ftir sie die

Entstehung yore Darme her annehrnen dtirfen. Damit w/ire dann fiir die groi3e Mehrzahl aller GMleninfektionen eine ein- heitliche Genese gegeben.

DaB die unteren Abschnitte des Ductus choledochus and selbst die Gallenblase schon normalerweise keineswegs stets frei yon Bakterien sind, ist self langem bekannt. Am h~ufig- sten Iinden sich Angaben fiber das Vorkommen yon B. coli, aber auch der lEnterokokkus ist, wenigstens beim Hunde, von GILB~R'r und LIPP~ANN 16) als sehr h~ufiger Bewohner der GMlenwege nachgewiesen worden. Allerdings scheint die Zahl der Bakterien in der Galle normMerweise nur sehr gering zu sein. Erst wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind, zu denen in erster Linie wohl die Stauung geh6rt, komm* es zu einer Vermehrung der schon vorhandenen und zum Anfw~Lrts- wandern neuer Bakterien yore Darme her und damit zur eigentlichen Infektion.

DaB die Enterokokken sich nicht nur gewissermal3en als Saprophyten in den aus anderen Ursachen erkrankten Gallenwegen aufhalten, ergibt sich aus dem Vorkommen reiner Enterokokkeninfektionen. Der Einwand, dab die prim~tren Infektionserreger verschwunden und nur die Entero- kokken zurfickgeblieben sein k6nnten, erscheint dutch nichts gestiitzt; er k6nnte ja mit gleichem Recht auch gegenfiber den Colibefunden erhoben werden. Zudem spricht der histo- logische Nachweis der Kokken in der Gallenblasenwand mit Sicherheit fiir ihre pathogenen F~higkeiten.

Durch unsere Ausfiihrungen glauben wir die lBedeutung, die dem Enterokokkus ffir die Genese wichtiger and welt ver- breiteter Erkrankungen zukommt, sichergestellt zu haben. 13etrachtet man die Lokalisation dieser Krankheitsprozesse, so dr~ngt sich die Analogie, die zwlschen Enterokokkus und Col~baeillen besteht, ohne weiteres auf. Hier wie dort haben wir es mit norrnalen lBewohnern des ]:)arms zu tun, gleichsam mit Symbionten des menschlichen Organismus, die sicher wichtige Funktionen, sei es im Ablauf des Verdauungsprozesses, sei es in der Niederhaltung darmfremder Bakterien, zu erftillen haben und somit, solange sie an der gewotmten St~ttte ihrer T~Ltigkeit verbleiben, eine niitzliche Rolle spielen. Gelangen sie abet entweder passiv durch mechanische Verschleppung oder aktiv infolge Steigerung ihrer invasiven F~higkeit in grSBerer Menge in Organe, die an ihre Anwesenheit nicht gewShnt sind, so wirken sie als sch~digendes Moment und rufen mehr oder weniger heftige Krankheitsprozesse hervor. Es zeigt sich auch hier wieder, dab die Pathogenit~t der ]3akterien nicht eine ein fiir allemal gegebene GrSBe, sondern yon den ~uBeren Bedingungen abl~itngig ist.

Zusammen]assung. Der Enterokokkus oder Streptococcus faecalis stellt einen Sondertypus der Streptokokken dar. Er zeigt in vielen Eigenschaften groBe J6,hnlichkeit mit dem Pnemnococcus, kann aber yon diesem wie yon anderen Strepto- kokkentypen mi t Sicherheit unterschieden werden.

Ein normaler ]3ewohner des Darmkanals, kann er patho- gen werden, wenn er in andere Organe eindringt und hier ffir seine Vermehrung giinstige lBedingungen antrifft. So findet er sich h~ufig bei Eiterungsprozessen, die irgendwie zum Darm in Beziehung stehen, er kann Cystitiden und Pyelit iden her- vorrufen nnd spielt vor allem eine wichtige Rolle bei den In- fektionen der Gallenwege, wo er an Bedeutung dem Coli- bacillus kaum nachsteht. Die Streptokokkeninfektionen der Gallenwege sind 1nit wenigen Ausnahmen Infektionen mit dem Enterokokkus, fiir die wie ffir die Coliinfektionen eine entero- gene Genese anzunehmen ist.

In der Art und Lokalisation seiner pathogenen Wirkungen zeigt der Enterokokkus eine ausgesprochene Analogie mit dem Colibacillus.

L i t e r a t u r: 1) M. H. GonI)ON, Lancet 2, 14oo. 19o5; Journ. of pathol, a. bacteriol. I5, 323. t91I. - - 2) TH. ESCH1~RICH, Die Darm- bakterien des Sauglings and ihre Beziehungen zur Physiologie- der Yerdauung. Stuttgart 1886. -- 3) It. SCt~ITZ, Zentralbl. L Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt, I, Orig. 67, 51. 1913. -- a) THIEnCELIN, Cpt. rend soc. de biol. 51, 269. 1899. -- 5) ANDREWES u n d HORDER, L a n c e t 2, 708. 19o6. - - 6) j. H. DIBL~;. Journ. of pathol, a. bacteriol. 24, I. 1922. -- ~) W. KRusE, Zentral-

Page 4: Die Bedeutung des Enterokokkus für die Infektionen der Harn- und Gallenwege

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b la t t f. Bakteriol., Parasi tenk. u. Infektionskrankh. , Abt. I , Orig. 34, 737. 1924- -~ s) L. HEIr , Zeitscllr. f. Hyg. n. Infektionskrankh~ xol, lO 4. 1924. -- ~) TH. ESCHERICH, Jahrb. f. Kinderheilk. 49, I37. 1899 . _ ~0) G. ROGER, F. WIDAL and P. J. TEISSlER, Nouveau t ra i t6 de m6deeine. Paris 192o If. -- *t) E. SCHEIDEMANDBL, Wflrz- burger Abh. a. d. Gesamtgeb. d. prakt. Med. I3, 179. I913 . --

12) W. GUNDERMANN, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. 37, 243. 1923 . _ 1~) A. %tAGgER, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med, u, Chirurg. 34, 4 I- i92i ' _ 14) TH. ROVSlNG, Acts ctlirnrg, scandin. 56 , iO3. 1923 . - - la) FR. ]~ICHHOFF, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. 35, 439. 1922 . __ 16) GILBERT and LIPPMANN, Ct)t. rend. soc. de biol. 54, 718- 19o2.

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N . ZUM MECHANISMUS DER MANIFEST-TETANISCHEN

SYMPTOME. Von

PAUL GYOR~Y.

Das A u f t r e t e n m a n i f e s t t e t a n i s c h e r S y m p t o m e (Laryngo- spasmus , apno i sche Zus t~nde , Ek lamps ie ) , i m Kindesa l t e r i s t a n b e s t i m m t e aus l6sende U r s a c h e n gebunden . Als solche k e n n e n w i t e r f a h r u n g s g e m ~ g :

I, F ieberans f ieg . 2. Schre iweinen, psych i sche Er regung , Schmerz , Affekt ,

E r w a c h e n aus d e m Schlaf. 3. S t a r k e Magenff i l lung n a c h re ich l icher N a h r u n g s z u f u h r . Die u n t e r I. a n d 2. b e z e i c h n e t e n Zus t~nde lassen eine

g e m e i n s a m e B e t r a c h t u n g zu, B e i m F i e b e r a n s t i e g a n d be im Schre iweinen f a n d e n w i t e inen s t a r k e n CO~-Verlust im Blut*) , den wir in E r g ~ n z u n g a n b e k a n n t e L i t e r a t u r a n g a b e n als 1)ber- v e n t i l a t i o n s s y m p t o m deu ten . A u c h die p ~ - W e r t e s p r a c h e n in d iesem Sinne. Andere r se i t s h a b e n psych i sche Er regung , Sehmerz , Affekt , E r w a c h e n aus d e m Schlaf e ine E r r e g b a r k e i t s - e r h 6 h u n g des A t e m z e n t r u m s zur Folge (H. STRAUB a n d seine Schule). Diese b e d i n g t abe r w i e d e r u m eine e r h 6 h t e A t m u n g : ~ b e r v e n t i l a t i o n . Die u n t e r I. u n d 2. e r w ~ h n t e n aus l6senden U r s a c h e n s ind d e m n a ' c h d u r c h den g le ichen M e c h a n i s m u s gekennze ichne t , der i m E f f e k t als eine , , A t m u n g s t e t a n i e " in E r s c h e i n u n g t r i t t .

B e t n o r m a l e r I o n e n z u s a m m e n s e t z u n g der Gewebss~ifte, bet n o r m a l e r E r r e g b a r k e i t der N e r v e n z e n t r e n (so s u c h des A t e m z e n t r u m s ) u n d der Nerven , k a n n e rs t eine l~inger d a u e r n d e ~Jbe rven t i l a t i on t e t a n i s c h e S y m p t o m e he r vo r ru f en . Bet v e r ~ n d e r t e n B e d i n g u n g e n k a n n es schon n a c h ki i rzerer D a u e r zur A t m u n g s t e t a n i e k o m m e n . So geiang es d e m Verf. , den N a c h w e i s - z u e rbr ingen , dab die Aus l6sungsdaue r a u c h b e i m gle ichen I n d i v i d u u m m i t d e m geograph i schen O r t wechse l t ; i n gr6Beren H 6 h e n i s t sie viel kt i rzer als in der Tiefe (Heidel- b e r g Z - D a v 0 s - - E n g a d i n ) . Bei l a t e n t e r T e t a n i e k a n n sie n u n ein M i n i m u m er re ichen (vgl. a u c h die ki i rz l ich m i t g e t e i l t e n Ve r suche yon ADLERSBERG u n d PORGES),

I n we t t e r en U n t e r s u e h u n g e n f a n d e n wir bei t e t a n i s c h e n K i n d e r n a u c h in: anfa l l s f re ien S t a d i u m e inen e rn i ed r ig t en C O ~ G e h a l t a n d h e r a b g e s e t z t e Alka l i rese rve i m B l u r (vgl. a u C ] l FREUD]ENBERG, R e f e r a t Kiss ingen) , A u c h dieser Be- funci dfirf te m i t d e m e r h 6 h t e n E r r e g b a r k e i t s z u s t a n d des A t e m - z e n t r u m s in t3eziehung s tehen .

W ~ h r e n d Wit ~ be t de r G r u p p e I u n d 2 der aus l6senden U r s a c h e n B e r t i h r u n g s p u n k t e m i t der , , A t m u n g s t e t a n i e " ab- zu le i t en g lauben , weis t die ,,Magenfiillung" (Gruppe 3) Be- z ie t iungen z u m M e c h a n i s m u s der ,,Maggntetanie" auf. Be-

k a n n t l i c h f f ih r t j ede N a h r u n g s z u f u h r bei n i c h t v611ig da rn ieder - l iegender Magensa lz s~uresek re t ion zu e iner d e u t t i c h e n vorf iber- g e h e n d e n Alkalose, die d a n n die e n t s c h e i d e n d e Ca-En t ion i - s ie rung -- zumaI bei den gegebenen t e t a n i s c h e n Bed ingungen( [ ) -- ve ru r s ach t .

Es d t i r f te die SchluBfolgerung e r I aub t sein, d a b der M e c h a n i s m u s de r m a n i f e s t t e t a n i s c h e n Kr~impfe l e t z t en E n d e s d u t c h k r i s e n h a f t au f t r e t ende , m e i s t r a sch vor f ibe rgehende a lka lo t i sche Z u s t ~ n d e b e s t i m m t wird. (A~s der Iteidelberger Kinder klinilc. )

DIE HERKUNFT DER SCHWANGERSCHAFTSACIDOSE.

Von

A. BOCK.

Seif den U n t e r s u c h u n g e n y o n HASSELBALCH u n d GAMMlCL- TOFT wissen wit , d a b in de r S c h w a n g e r s c h a f t e ine r e l a t i ve Aci- dose be s t eh t , die d u t c h die H e r a b s e t z u n g de r B l u t k o h l e n s ~ u r e - s p a n n u n g p r a k t i s c h ausgeg l i chen wird. Diese T a t s a c h e k o n n - t en d a n n spt t ter BOKELMANN u n d RO~H~R, die s ich d e m Stu- d i n m dieser Z u s a m m e n h / t n g e e i n g e h e n d g e w i d m e t h a b e n , b e s t g t i g e n ; n a c h ganz wen igen T a g e n des W o c h e n b e t t s f a n d e n sie wieder Alka lescenzwer te , die s ich v o n d e n e n n i c h t s c h w a n g e - re r F r a u e n n ich t m e h r un t e r s cb i eden . Bis j e t z t i s t es n o e h n i c h t b e k a n n t , welche c h e m i s c h e n K 6 r p e r es s ind, die diese Acidose bewi rken . I n G e m e i n s c h a f t m i t O. BOKELMANN u n d I. ROTH~R b a b e ich re ich j e t z t bemi ih t , diese K 6 r p e r zu f i nden ; t r o t z de r A b l e h n u n g d u r c h NovAK u n d PORGES schien uns ein Zu- s a m m e n h a n g zwischen der Schwange r scha f t s ac idose u n d der B i l d u n g yon Aeetonkdrpern zu b e s f e h e n ; j edenfa l l s I~13t sich naehweisen , d a b fin' Ver l au f de r S c h w a n g e r s c h a f t eine s t e t ig z u n e h m e n d e re l a t ive u n d abso lu t e V e r m e h r u n g de r Aeeton- kd'rper im B l u t e au f t r i t t .

Das E r g e b n i s unse re r e igenen e x p e r i m e n t e t l e n U n t e r - s u e h u n g e n i iber d ie se F r a g e l~Bt sich ku rz d a m n z u s a m m e n - fassen, d a b e i n m a l w ~ h r e n d de r S c h w a n g e r s c h a f t eine re la t ive ,,Ketondimie" b e s t e h t , d. h. d a b de r G e h a l t a n A c e t o n k 6 r p e r n in der S e h w a n g e r s c h a f t h 6 h e r i s t als n a c h ih re r Beend igung . A b e t s u c h abso lu t i s t die Menge der A c e t o n k 6 r p e r i m B l u t e yon S c h w a n g e r e n d u r c h s c h n i t t l i c h e rh6h t , n n d zwar u m e twa 2 0 - - 3 o % gegeni iber der Menge bei n o r m a l e n n i c h t s e h w a n g e r e n F r a u e n ,

I n I~iirze werden w i t unse r A r b e i t s v e r f a h r e n u n d unse re E r - gebnisse aus f i ih r l i ch mi t t e i l en . ( Aus der Universitiits-Frauen- klinik der Charite zu Berlin [Direktor: Geheimer Medizinalra~ Pro/essor Dr. K. Franz].)

K A S U I S T I S C H E ,,PR!MARES" CHORIONEPITHELIOM DER LEBER UNTER DEM KLINISCHEN BILDE EINES GEDECKT PERFORIER-

TEN BLUTENDEN ULCUS DUODENI.

Von

Dr . ANNA HII~GE, Assistenz~irzti~ an der I. inneren Abteilung des st~dtischen Rudolf Virchow-Kranken-

hauses in Berlin (Direktor Geh. Sam-Rat Prof. Dr. L. KUTTNER).

Der Fall, t ibe r den bier in Ktirze ber ichtet werden soll, bietet folgende Anamnese : Die 53 j~hr. Pat. E. F. ist frflher stets gesund

*) Die VefiSffentliehung tier gemainsam mit den Herren KAPPES und KRUSE aus- gefflhrten Versuche eriolgt a. a. O.

M I T T E I L U N G E N . gewesen; auch aus der Famil ienanamnese is t nichts Besonderes hervorzuheben. Pat . ba t IO normale Geburten gehabt. Die Menstru- at ion war stets unregelnlaBig, Vor 2 Jabren angeblich Metrorrha- gien.

Am 17. V. 1923 bekam Pat. pl6tzlich auf der Stral3e beftige Sehmerzen im Unterleib and in der Magengegend. Seit dieser Zeit erbracb sie alles, was s iezu sicb nabm, und ha t te naeh jeder Nah- rungsanfnahme Schmerzen im Epigastr ium. Erleicbternng t r a t nach dem Erbrechen nicht ein. ]Pat. ba t hie Blur erbrochen, abet der Stuhl soil in den letzten Tagen vor der Aufnahme ganz schwarz, wie ,,verbrannt" ausgesehen haloen. Da lErbrechen und Schmerzen nicht naehlieBen, wurde Pat. am 6. VI. 1924 in das Rudolf Virehow- Krankenhaus aufgenommen.