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Philippe Wampfler Version 2.2 phwa.ch/mek Die Bildlegende Es gibt dieses schöne Sprichwort: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Doch meist sagt ein Bild alleine gar nichts. Denn erst in Verbindung mit Informationen wo das Bild entstanden ist, wer oder was darauf zu sehen ist, können Fotografien ihre ganze visuelle Kraft ausspielen. In den Medien übernehmen Bildle- genden diese Funktion. Obwohl sie neben dem Titel und dem Lead von den Lesern am ehesten gelesen werden, wird dafür in den Redaktionen meist am wenigsten Zeit aufgewendet. Bildlegenden diese kurzen Texte welche meist unter den Bildern stehen. Neben dem Titel und dem Lead eines Artikels sind es meist die letzten Textteile die man liest bevor man zum nächsten Artikel umblät- tert. Sie müssen deshalb auf ihrem kleinen Raum gleich eine Doppelfunktion erfüllen. Einerseits sollen die Bildlegenden den Leser an einem leckeren Aspekt der Story schnuppern lassen, so dass Appetit aufs Ganze entsteht, so Wolf Heckmann von der Abendzeitung. Andererseits müssen sie über den Bildinhalt informieren, wie schon Henri Nannen, der Gründer des Stern, treffend beschrieb: Die Bildtexte müssen dem Leser das Bild vorlesen, damit klar wird: Wer sind die abgebildeten Leute, was tun sie? Wann ist das Foto aufgenommen und wo? Irgendwelcher feuilletonistischer Quatsch ist hier überflüssig. Henri Nannen, Gründer des Stern

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Philippe Wampfler Version 2.2 phwa.ch/mek

Die Bildlegende

Es gibt dieses schöne Sprichwort: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Doch meist sagt ein Bild alleine gar nichts. Denn erst in Verbindung mit Informationen wo das Bild entstanden ist, wer oder was darauf zu sehen ist, können Fotografien ihre ganze visuelle Kraft ausspielen. In den Medien übernehmen Bildle-genden diese Funktion. Obwohl sie neben dem Titel und dem Lead von den Lesern am ehesten gelesen werden, wird dafür in den Redaktionen meist am wenigsten Zeit aufgewendet.

Bildlegenden diese kurzen Texte welche meist unter den Bildern stehen. Neben dem Titel und dem Lead eines Artikels sind es meist die letzten Textteile die man liest bevor man zum nächsten Artikel umblät-tert. Sie müssen deshalb auf ihrem kleinen Raum gleich eine Doppelfunktion erfüllen. Einerseits sollen die Bildlegenden den Leser an einem leckeren Aspekt der Story schnuppern lassen, so dass Appetit aufs Ganze entsteht, so Wolf Heckmann von der Abendzeitung. Andererseits müssen sie über den Bildinhalt informieren, wie schon Henri Nannen, der Gründer des Stern, treffend beschrieb:

Die Bildtexte müssen dem Leser das Bild vorlesen, damit klar wird: Wer sind die abgebildeten Leute, was tun sie? Wann ist das Foto aufgenommen und wo? Irgendwelcher feuilletonistischer Quatsch ist hier überflüssig. Henri Nannen, Gründer des Stern

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Aufbau einer Bildlegende

In vielen Zeitungen und Zeitschriften wird die Bildlegende zwei- geteilt, wie hier etwa beim Spiegel vom 21.08.06: Aussenminister Steinmeier, Kanzlerin Merkel: “Die Regeln des Einsatzes sind in der Resolution nicht ausreichend geklärt” (Henning Schacht / Action Press) Der erste Teil der Bild- legende, die Sach-zeile, soll informieren und den Bildinhalt beschreiben. Der zweite Teil nennt sich die Schmuckzeile und soll den Leser dazu anregen soll, den Artikel zu lesen. Im Falle des Spiegels wird die Schmuckzeile auch dazu genutzt, eine wichtige Aussage des Artikels hervorzuheben. Diese zweigeteilte Art von Bildle-genden findet man in vielen Magazinen, wie etwa der Weltwoche (Schmuckzeile: Sachzeile), dem Spie-gel (Sachzeile: Schmuckzeile) aber auch in etwas anderer Form in einigen Tageszeitungen. Dort wird die Trennung in die zwei Teile nicht durch das Doppelpunkt erreicht, sondern durch die Fettung. Die ge-samte Bildlegende besteht dann aus einem ganzen Satz. Dazu ein Beispiel aus der Schweizer Tageszei-tung Der Bund anlässlich der Schweizer Tournee von Robbie Williams:

Begeisterte am Mittwochabend 40 000 Fans im Berner Stade de Suisse: Robbie Williams in voller Aktion.

Die Bildlegende gehört zusammen mit dem Titel und dem Lead zu den Kleintexten. Diese spielen zu-sammen mit dem Bild und dem Layout einen wichtigen Teil im Wahrnehmungsvorgang beim Zeitungs-lesen. Sie tragen wesentlich zur Entscheidung mit, ob ein Artikel gelesen wird oder nicht. Eine gute Bildlegende zu schreiben braucht Zeit. Häufig werden aber gerade die Kleintexte erst in letzter Minute verfasst. Weiter sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

– Kein Bild ohne Legende

– Einfache Syntax, möglichst konkret und keine Epik

– Kein Wissen voraussetzen

– Legende muss verständlich sein

– Keine Nullinfo bzw. Doppelung des Bildinhaltes

– Die Bildlegende soll Neugierde wecken

– Auch Bildlegenden müssen grammatikalisch korrekt sein.

– Nicht in die Bildlegende gehören Wiederholungen aus dem Titel, dem Lead sowie dem Einstiegsund dem Endsatz des Artikels.

– Zitate in Bildlegenden müssen klar zuzuordnen sein. Wie bei allen Texten eines Artikels gilt auch für die Bildlegende zu beachten, für wen die Legende getextet wird und dass sie sich gut in den Kontext einfügt. Der Titel, Untertitel, Lead und die Bildlegende sollten gut zusammenspielen.

Bild-Text-Schere

Eine Bild-Text-Schere bezeichnet eine Bildlegende, deren Inhalt nicht mit dem Inhalt des Bildes korres-pondiert. So hat etwa die Schweizer Zeitung Der Bund zum Bild zweier Männer welchen Tierkäfige aus einem Tierheim tragen folgende Legende geschrieben: »Die möglichen Gefahren einer Vogelgrippe-Pandemie geben den Krisenplanern zu denken.« Bei genauem Hinsehen sind auf dem Bild Katzen zu

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sehen und die beiden Herren sind wohl kaum die Planer, eher die welche den Plan ausführen. Grundsätzlich muss eine Bild-Text-Schere nicht zwangsläufig zu einer schlechten Bildlegende führen. In vielen Fällen passt sie aber dann doch nicht wirklich und verwirrt mehr, als dass sie zum Lesen anregt.

Bildlegende und Layout

Für die Gestalter einer Zeitung ist die Bildlegende oft eher ein notwendiges Übel als eine grosse Freude. Wo soll sie den nur platziert werden? Entweder sie kommt dem Lauftext in die Quere oder dem Bild. Grundsätzlich stehen Bildlegenden unter oder neben dem Bild. Ist sie neben dem Bild platziert, so muss die Legende im Flattersatz und ohne Trennungen platziert werden. Wichtig ist, dass sie gut zu lesen ist. Eine Bildlegende sollte nicht im Bild stehen, denn ein Bild hat keine leeren Stellen. Zudem sind Bildle-genden in Bilder häufig schlecht zu lesen. Weisse oder farbige Legenden sind oft unleserlich. Ebenfalls schlechter lesbar sind kursiv gesetzte Bildlegenden. Vor allem in Magazinen und Boulevardblätter kann die Bildlegende die gleiche Länge und Bedeutung erhalten, wie ein Lead. Das Bild zusammen mit der Legende ist schon fast ein Mini-Artikel in sich.

Einige Tipps zum Verfassen guter Bildlegenden

Obwohl die Kleintexte, zu denen die Bildlegenden gehören, noch am ehesten von den Lesern gelesen werden, wird dafür in den Redaktionen die wenigste Zeit aufgewendet. Will man also eine gute Bildle-gende verfassen, kann man einige Punkte beachten:

– Laut lesen, was man schreibt. Holpert es, liest es sich auch nicht leicht.

– Sich etwas Zeit nehmen, für die Legenden. Sie sind zu wichtig um in Null-Komma-Nichts geschrieben zu werden.

– Vorsicht bei Farbangaben. Der Druck und die Sehgewohnheiten jedes Einzelnen sind un-terschiedlich.

– Die Zielgruppe und das Ressort beachten. Was für Informationen sind für meine Leser wichtig.

– Normalerweise braucht jedes Bild eine Legende, keine Sammellegenden.

– Je näher man dem Bild ist, desto genauer will man wissen, wo es gemacht wurde. Dies ist

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insbesondere im Lokaljournalismus wichtig und schafft eine Nähe zum Leser, wodurch eine höhere Leserbindung erzielt werden kann.

Übung