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Betriebsstättengewinnauftei- Auswirkungen der deutschen Verwaltungsgrundsätze 1 2/2017 Die deutschen Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnaufteilung Auswirkung auf Bau- und Montagebetriebsstätten Betriebsstättengewinnaufteilung Stefan Bendlinger 1. Betriebsstättengewinnermittlung nach dem „Authorized OECD Approach“ Der von der OECD entwickelte AOA 1 wurde im Zuge des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26. 6. 2013 (AmtshilfeRLUmsG) 2 durch Änderung des § 1 Abs 4 bis 6 dAStG mit Wirkung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. 12. 2012 begonnen haben, in das deutsche Steuerrecht übernom- men. § 1 Abs 5 Satz 1 AmtshilfeRLUmsG sieht vor, dass die folgenden Bestimmungen des dAStG auch auf das Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Anwendung finden: 3 Einkünftekorrektur nach Maßgabe des § 1 Abs 1 dAStG unter Anwendung des Fremdverhal- tensgrundsatzes; Bestimmung von Fremdvergleichswerten auch im Fall einer Funktionsverlagerung (§ 1 Abs 3 dAStG); Fiktion schuldrechtlicher Vereinbarungen für „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ iSd § 1 Abs 4 Satz 1 Nr 2 dAStG mit der Möglichkeit des Gegenbeweises, wenn der Steuerpflichtige seinen Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Bedingungen zugrunde legt, die dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen und dadurch entweder inländische Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder ausländische Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Ziel und Zweck des AOA ist es, Betriebsstätten für Zwecke der steuerlichen Ergebnisaufteilung wie rechtlich selbständige und wirtschaftlich unabhängige Personen – und damit so wie Kapitalgesellschaf- ten – zu behandeln. 4 Die Besteuerung grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle iSd § 1 Abs 4 dAStG zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen soll nach den gleichen Grundsätzen er- folgen wie die Besteuerung entsprechender Geschäftsvorfälle zwischen nahestehenden Personen (§ 1 Abs 1 und 3 dAStG). Damit wird eine Betriebsstätte für die Gewinnaufteilung im Verhältnis zu dem Unternehmen, zu dem sie gehört, faktisch einem diesem nahestehenden Unternehmen gleichgestellt. 5 Zu diesem Zweck sollen Geschäftsbeziehungen (Geschäftsvorfälle, „dealings“) 6 zwischen Stamm- haus und Betriebsstätte fingiert werden (zivilrechtlich unwirksame Innentransaktionen) und nach Prof. Dr. Stefan Bendlinger ist Steuerberater und Partner einer internationalen Steuer- beratungs- und Wirtschaft- streuhandgesellschaft in Linz. Der deutsche Gesetzgeber hat bereits im Juni 2013 den sogenannten „authorized OECD approach“ (AOA) zur Ergebnisabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in das Außensteuergesetz (AStG) übernommen. Im Oktober 2014 wurde dazu die Betriebsstät- tengewinnaufteilungsverordnung, im Dezember 2016 wurden die „Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung“ veröffentlicht. Dem AOA entsprechend will der deutsche Fiskus damit sicherstellen, dass die Ergebnisabgrenzung innerhalb des Einheitsunterneh- mens den gleichen Grundsätzen folgt wie zwischen verbundenen, rechtlich selbständigen Unternehmen. Dieser Ansatz mag bei „Dauerbetriebsstätten“ sinnvoll und zweckmäßig sein, stößt aber bei „temporären Betriebsstätten“, wozu Bauausführungen und Montagen zu zählen sind, auf Schwierigkeiten. Sowohl die Verordnung als auch das Anwendungs- schreiben widmen deshalb diesen, meist „ungewollten“ Betriebsstätten eigene Kapitel und Abschnitte. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem deutschen Ansatz der Betriebsstätten- Ergebnisabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten iSd Art 5 Abs 3 OECD-MA und zeigt, welche Auswirkungen sich daraus für österreichische, in Deutschland tätige Unter- nehmen ergeben können. 1 OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments (22. 7. 2010). 2 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Um- setzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG vom 26. 6. 2013, dBGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802); siehe Wassermeyer, Die BFH-Rechtsprechung zur Betriebsstättenbesteuerung vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV, IStR 2015, 37 (37). 3 Andresen/Liche, Die missglückte Repräsentanz – im Fokus der französischen Steuerfahndungsprüfung, IStR 2017, 104 (105). 4 Melhem/Dombrowski, Die unbestimmten Grenzen der Selbständigkeitsfiktion des AOA, IStR 2015, 912 (912). 5 BsGaV, Rz 2. 6 § 1 Abs 4 Z 2 dAStG subsumiert unter den Begriff der „Geschäftsbeziehung“ auch „Geschäftsvorfälle zwischen einem Un- ternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrecht- liche Beziehungen)“.

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Betriebsstättengewinnauftei-Auswirkungen der deutschen Verwaltungsgrundsätze

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Die deutschen Verwaltungsgrundsätze zur BetriebsstättengewinnaufteilungAuswirkung auf Bau- und MontagebetriebsstättenBetriebsstättengewinnaufteilung

Stefan Bendlinger

1. Betriebsstättengewinnermittlung nach dem „Authorized OECD Approach“Der von der OECD entwickelte AOA1 wurde im Zuge des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzesvom 26. 6. 2013 (AmtshilfeRLUmsG)2 durch Änderung des § 1 Abs 4 bis 6 dAStG mit Wirkung fürWirtschaftsjahre, die nach dem 31. 12. 2012 begonnen haben, in das deutsche Steuerrecht übernom-men. § 1 Abs 5 Satz 1 AmtshilfeRLUmsG sieht vor, dass die folgenden Bestimmungen des dAStGauch auf das Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Anwendung finden:3■ Einkünftekorrektur nach Maßgabe des § 1 Abs 1 dAStG unter Anwendung des Fremdverhal-

tensgrundsatzes;■ Bestimmung von Fremdvergleichswerten auch im Fall einer Funktionsverlagerung (§ 1 Abs 3

dAStG);■ Fiktion schuldrechtlicher Vereinbarungen für „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ iSd

§ 1 Abs 4 Satz 1 Nr 2 dAStG mit der Möglichkeit des Gegenbeweises, wenn der Steuerpflichtigeseinen Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Bedingungen zugrunde legt, diedem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen und dadurch entweder– inländische Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder– ausländische Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden.

Ziel und Zweck des AOA ist es, Betriebsstätten für Zwecke der steuerlichen Ergebnisaufteilung wierechtlich selbständige und wirtschaftlich unabhängige Personen – und damit so wie Kapitalgesellschaf-ten – zu behandeln.4 Die Besteuerung grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle iSd § 1 Abs 4 dAStGzwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen soll nach den gleichen Grundsätzen er-folgen wie die Besteuerung entsprechender Geschäftsvorfälle zwischen nahestehenden Personen (§ 1Abs 1 und 3 dAStG). Damit wird eine Betriebsstätte für die Gewinnaufteilung im Verhältnis zu demUnternehmen, zu dem sie gehört, faktisch einem diesem nahestehenden Unternehmen gleichgestellt.5

Zu diesem Zweck sollen Geschäftsbeziehungen (Geschäftsvorfälle, „dealings“)6 zwischen Stamm-haus und Betriebsstätte fingiert werden (zivilrechtlich unwirksame Innentransaktionen) und nach

Prof. Dr. Stefan Bendlinger ist Steuerberater und Partner einer internationalen Steuer-beratungs- und Wirtschaft-streuhandgesellschaft in Linz.

Der deutsche Gesetzgeber hat bereits im Juni 2013 den sogenannten „authorized OECDapproach“ (AOA) zur Ergebnisabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in dasAußensteuergesetz (AStG) übernommen. Im Oktober 2014 wurde dazu die Betriebsstät-tengewinnaufteilungsverordnung, im Dezember 2016 wurden die „VerwaltungsgrundsätzeBetriebsstättengewinnaufteilung“ veröffentlicht. Dem AOA entsprechend will der deutscheFiskus damit sicherstellen, dass die Ergebnisabgrenzung innerhalb des Einheitsunterneh-mens den gleichen Grundsätzen folgt wie zwischen verbundenen, rechtlich selbständigenUnternehmen. Dieser Ansatz mag bei „Dauerbetriebsstätten“ sinnvoll und zweckmäßigsein, stößt aber bei „temporären Betriebsstätten“, wozu Bauausführungen und Montagenzu zählen sind, auf Schwierigkeiten. Sowohl die Verordnung als auch das Anwendungs-schreiben widmen deshalb diesen, meist „ungewollten“ Betriebsstätten eigene Kapitel undAbschnitte. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem deutschen Ansatz der Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten iSd Art 5 Abs 3 OECD-MA undzeigt, welche Auswirkungen sich daraus für österreichische, in Deutschland tätige Unter-nehmen ergeben können.

1 OECD, 2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments (22. 7. 2010).2 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Um-

setzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG vom 26. 6. 2013, dBGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802); siehe Wassermeyer, DieBFH-Rechtsprechung zur Betriebsstättenbesteuerung vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV, IStR2015, 37 (37).

3 Andresen/Liche, Die missglückte Repräsentanz – im Fokus der französischen Steuerfahndungsprüfung, IStR 2017, 104(105).

4 Melhem/Dombrowski, Die unbestimmten Grenzen der Selbständigkeitsfiktion des AOA, IStR 2015, 912 (912).5 BsGaV, Rz 2.6 § 1 Abs 4 Z 2 dAStG subsumiert unter den Begriff der „Geschäftsbeziehung“ auch „Geschäftsvorfälle zwischen einem Un-

ternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrecht-liche Beziehungen)“.

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einem – auch auf die Ergebnisabgrenzung zwischen selbständigen Rechtsträgern anwendbaren –Fremdverhaltensgrundsatz abgerechnet werden. Grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle von Be-triebsstätten sollen steuerlich nach gleichen Grundsätzen behandelt werden wie entsprechende Ge-schäftsvorfälle zwischen nahestehenden rechtlich selbständigen Personen. § 1 Abs 5 dAStG siehtdeshalb für die steuerliche Ergebnisabgrenzung zwischen rechtlich unselbständigen, in verschiede-nen Staaten gelegenen Unternehmensteilen eine uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion7 vor.Nach diesem „functionally separate entity approach“ ist Ausgangspunkt für die DBA-rechtliche Ge-winnabgrenzung deshalb nicht der vom Unternehmen im Zuge einer betriebsstättenbegründendenTransaktion erwirtschaftete Gesamtgewinn, sondern das nach Fremdvergleichsmaßstäben den ein-zelnen Unternehmensteilen zuzuordnende Ergebnis. Die Betriebsstätte soll demnach auch Gewinneerwirtschaften können, wenn das Gesamtunternehmen Verluste erlitten hat.8

Die Ergebnisabgrenzung soll dabei in zwei Schritten erfolgen:1. Feststellung der Betriebsstättentätigkeit durch Identifikation der von der Betriebsstätte ausge-

übten Geschäftstätigkeit anhand einer Funktions- und Risikoanalyse, Analyse der bei ihr ange-siedelten wesentlichen Personalfunktionen („significant people functions“), einschließlich derZuordnung von materiellen und immateriellen Wirtschafsgütern, Chancen und Risiken, Ge-schäftsvorfällen, Dotationskapital und der übrigen Passiva der Betriebsstätte.

2. Bestimmung des Betriebsstättenergebnisses durch Identifikation der zwischen Stammhausund Betriebsstätte bestehenden (fiktiven) Geschäftsvorfälle („dealings“) und deren Bewertungdurch analoge Anwendung der Verrechnungspreisgrundsätze für verbundene Unternehmen.

Aufgrund der Ermächtigungsnorm in § 1 Abs 6 dAStG hat das deutsche BMF Anfang 2014 die Um-setzung des AOA durch eine weiterführende Rechtsverordnung (BsGaV)9 konkretisiert, die am18. 10. 2014 wirksam geworden ist und für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31. 12.2014 beginnen.10 In der Begründung zu dieser BsGaV heißt es, dass durch die innerstaatliche Um-setzung des AOA Deutschland im Rahmen der allgemeinen Systematik des § 1 dAStG den interna-tionalen Bemühungen folgt, die bisher weitgehend uneinheitliche Praxis der internationalen Be-triebsstättenbesteuerung verbindlich an einem einheitlichen Standard (Fremdvergleichsgrundsatz)auszurichten.11

Weiter konkretisiert werden Gesetz und Rechtsverordnung durch ein 186-seitiges Anwendungs-schreiben des deutschen BMF (VWGBsGa),12 dessen finale Version am 22. 12. 2016 veröffentlichtworden ist. Die VWGBsGa sollen mit Beispielen und Hinweisen konkrete Hilfestellung bei der Aus-legung der normativen Grundsätze geben und das Ermessen der deutschen Finanzverwaltung lenken.

2. Einseitige KorrekturvorschriftBei § 1 Abs 5 AStG und die BsGaV handelt es sich nur um Einkünftekorrekturvorschriften, die nurzu einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen oder einer Minde-rung der ausländischen Einkünfte – also des Steuerfreistellungsvolumens – eines unbeschränkt Steu-erpflichtigen führen können. Alle anderen Korrekturen sind nur auf Grundlage des DBA-Rechtsmöglich.13 Der Regelungsrahmen umfasst grenzüberschreitende Sachverhalte, wenn■ die Einkünfte zwischen einem deutschen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte

aufzuteilen sind (Betriebsstättengewinnaufteilung) oder■ die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens zu ermitteln

sind (Betriebsstättengewinnermittlung).14

7 Melhem/Dombrowski, IStR 2015, 912 (912 ff).8 Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010,

757 (758).9 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 des AStG (Betriebs-

stättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV) vom 13. 10. 2014, dBGBl I 2014/47, 1603; zu den Inhalten des Entwurfsaus dem 2014 siehe Kußmaul/Delarber/Müller, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung-Entwurf – Ein allgemeinerÜberblick, IStR 2014, 466 (466); Schnorberger/Sassmann/Shekhovtsova, Betriebsstättengewinnermittlung nach demOECD-Ansatz, IStR 2014, 81 (81).

10 Heidecke/Perger, Bilanzierung von Betriebsstätten, IWB 2016, 702 (702).11 Die Grundsätze der Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung gelten auch für die grenzüberschreitende Aufteilung von Ein-

künften aus selbständiger Arbeit für feste Geschäftseinrichtungen iSd Art 14 OECD-MA idF vor dem Update 2000, nichtjedoch für die Besteuerung eines Mitunternehmers, soweit er Geschäftsbeziehungen zu seiner Mitunternehmerschafthat. Für diese gilt § 1 Abs 1 dAStG.

12 Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem in-ländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte einer inländi-schen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Abs. 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstät-tengewinnaufteilungsverordnung (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWGBsGa, IV B 5 –S 1341/12/19991-03, vom 22. 12. 2016, BStBl I 2017, 182). Zu den Änderungen, die im Vergleich zum Erstentwurf vom18. 3. 2016 in der Endfassung enthalten sind, siehe Heinsen, Die neuen Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättenge-winnaufteilung – Zehn wichtige Neuerungen, DB 2017, 85 (85); Schoppe, Entwurf der Verwaltungsgrundsätze zur Be-triebsstättengewinnaufteilung (VWGBsGa), IStR 2016, 615 (615); Tenberge, Die finalen Verwaltungsgrundsätze Be-triebsstättengewinnaufteilung, IWB 2017, 99 (99).

13 VWGBsGa, Rz 10 und 20.14 Die VWGBsGa verwenden jedoch in beiden Fällen den Begriff „Betriebsstättengewinnermittlung“; VWGBsGa, Rz 8.

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Durch § 1 Abs 5 dAStG wurde der bislang nur in ganz wenigen deutschen DBA in Art 7 OECD-MAidF des Updates 2010 verankerte AOA in das deutsche Steuerrecht übernommen, und zwar mitDBA-überschreibender Wirkung.15

3. Ergebnisabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten3.1. Allgemeines zu Bau- und MontagebetriebsstättenIm Gegensatz zum OECD-Betriebsstättenbericht aus dem Jahr 201016 enthalten sowohl die BsGaVals auch die VWGBsGa besondere Regelungen für Bau- und Montagebetriebsstätten iSd Art 5 Abs 3OECD-MA. Begründet mit dem Umstand, dass Bau- und Montagebetriebsstätten von vornehereinzeitlich begrenzt sind und ihnen im Regelfall außer der Geschäftsbeziehung zum „übrigen Unter-nehmen“,17 also dem Stammhaus (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung iSd §§ 16, 32, 33BsGaV), keine bzw nur wenige Geschäftsbeziehungen zuzuordnen sind.18 Die BsGaV widmet Ab-schnitt 4 (§§ 30 bis 34 BsGaV) den Besonderheiten bei Bau- und Montagebetriebsstätten. DieVWGBsGa befassen sich in den Punkten 2.30 bis 2.34 bzw den Rz 341 bis 385 mit dieser Form inter-nationaler Geschäftstätigkeit.

Einleitend wird auf die für die Frage der Betriebsstättenbegründung relevante projektbezogeneBetrachtungsweise hingewiesen, wonach bei „Folgeverträgen“ jeweils zu prüfen ist, inwieweit einörtlicher und sachlicher Zusammenhang mit einer bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte be-steht. Ist von einem „Anschlussvertrag“ auszugehen, gilt dieser als Teil der bestehenden Bau- undMontagebetriebsstätte.19 Besteht neben einer eigenständig zu beurteilenden Bau- und Montagebe-triebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung (zB ein Baustellen-Koordinationsbüro), ist der Ge-winn dieser festen Geschäftseinrichtung (Art 5 Abs 1 OECD-MA) nach den in §§ 1 bis 17 BsGaVfestgeschriebenen allgemeinen Regeln zu ermitteln.20

3.2. Kooperationsformen im Bau- und AnlagenbauPositiv zu bewerten ist der aus Vereinfachungsgründen gewählte Ansatz, wonach bei Auftragsab-wicklung durch eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE), deren Zweck die Erfüllung eines einzigenWerkvertrags ist, der B&M-Vertrag nicht der ARGE, sondern den ARGE-Partnern unmittelbar zu-geordnet werden soll.21 Die Bildung solcher Arbeitsgemeinschaften ist vor allem im Baugewerbe,weniger im Anlagenbau, üblich. Damit ist einerseits die Betriebsstätteneigenschaft auf Ebene deseinzelnen Partners, andererseits die Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung für jeden einzelnen Partnernach Maßgabe der §§ 30 ff BsGaV zu prüfen. Die VWGBsGa stellen auch klar, dass die im Anlagen-bau üblichen Konsortien keine Mitunternehmerschaften iSd § 15 Abs 1 Satz 1 Nr 2 dEStG sind, dadas Merkmal der gemeinsamen Gewinnerzielungsabsicht fehlt.22 Die Feststellung der Betriebsstätte-neigenschaft und die Gewinnermittlung haben in diesen Fällen – analog der Einzweck-ARGE – fürjeden einzelnen Konsortialpartner zu erfolgen.

3.3. Zuordnung materieller WirtschaftsgüterGemäß § 31 Abs 1 BsGaV ist ein materielles Wirtschaftsgut, das in einer Bau- und Montagebetriebs-stätte genutzt wird, nur dann dieser zuzuordnen, wenn dort neben der Nutzung zusätzlich auch Per-sonalfunktionen ausgeübt werden, die iZm der Anschaffung, der Herstellung, der Veräußerungoder der Verwertung des materiellen Wirtschaftsgutes stehen. Weitere Voraussetzung ist, dass diesePersonalfunktionen gegenüber jenen des übrigen Unternehmens eindeutig überwiegen.23 Das wirdmeist nicht der Fall sein, weil die iZm B&M-BS eingesetzten Wirtschaftsgüter üblicherweise vom üb-rigen Unternehmen (dem Stammhaus) angeschafft oder hergestellt werden und meist auf verschie-denen Baustellen zum Einsatz kommen. Wird jedoch zB ein Kran vom Personal der Bau- und Mon-tagebetriebsstätte angeschafft, des ausschließlich an dieser Baustelle genutzt, gewartet und von diesernach Ende der Nutzung weiterveräußert, wäre dieses Wirtschaftsgut der Bau- und Montagebetriebs-stätten zuzuordnen.

Andere, nach den Grundsätzen des § 31 Abs 1 BsGaV nicht der B&M-BS zuzuordnende materi-elle Wirtschaftsgüter sind gem § 31 Abs 2 BsGaV dem übrigen Unternehmen zuzuordnen und gelten

15 Neumann-Tomm, Der Gewinn von Bau- und Montagebetriebsstätten nach der BsGaV, IWB 2015, 166 (167).16 Siehe FN 1.17 Der Begriff „übriges Unternehmen“ steht für alle Teile des Unternehmens mit Ausnahme der betreffenden Betriebsstätte;

VWGBsGa, Rz 1.18 VWGBsGa, Rz 341.19 VWGBsGa, Rz 343.20 VWGBsGa, Rz 344. Diese Aussage deckt sich mit den Ausführungen des österreichischen BMF, wonach die Betriebsstät-

teneigenschaft eines Bau- oder Montageprojektes gesondert von anderen in diesem Zusammenhang im Betriebsstätten-staat unterhaltenen Einrichtungen zu beurteilen ist; BMF 16. 12. 1991, EAS 60; 15. 12. 1997, EAS 1194; 23. 6. 2009,EAS 3076.

21 VWGBsGa, Rz 345.22 VWGBsGa, Rz 346.23 VWGBsGa, Rz 350.

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als der Bau- und Montagebetriebsstätte unentgeltlich beigestellt. Es kommt damit weder zu einersteuerlichen Entstrickung des Wirtschaftsgutes iSd § 4 Abs 2 Satz 3 und 4 dEStG beim deutschenB&M-Unternehmen noch zu einer fiktiven Veräußerung oder entgeltlichen NutzungsüberlassungiSd § 16 Abs 1 BsGaV. Beispiel für eine solche unentgeltliche Beistellung wäre eine vom B&M-Un-ternehmen beschaffte Spezialmaschine, die temporär an der Bau- und Montagebetriebsstätten ge-nutzt und in der Folge auf anderen Baustellen eingesetzt wird.24

3.4. Zuordnung von anderen VermögensgegenständenGemäß § 31 Abs 3 BsGaV gelten die in § 31 Abs 1 und 2 BsGaV genannten Grundsätze für die Zu-ordnung immaterieller Werte (§ 6 BsGaV), die Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen undähnlichen (§ 7 BsGaV) und sonstigen Vermögenswerten (§ 8 BsGaV) entsprechend. Entscheidendist auch in diesen Fällen, wo die maßgeblichen Personalfunktionen überwiegend wahrgenommenwerden. Für immaterielle und sonstige Vermögenswerte ist deren Schaffung oder Erwerb von zen-traler Bedeutung und für Beteiligungen und Finanzanlagen deren Nutzung. Erfolgt eine Zuordnungzum übrigen Unternehmen, also dem Stammhaus, wovon bei Bau- und Montagebetriebsstätten aus-zugehen sein wird, gelten auch diese Vermögenswerte der Bau- und Montagebetriebsstätte als un-entgeltlich beigestellt. Beispiel wäre die Nutzung eines Patents, das bei verschiedenen Projekten desB&M-Unternehmens eingesetzt wird und bezüglich dessen Schaffung, Veräußerung oder Verwer-tung keine Personalfunktionen an der Bau- und Montagebetriebsstätte ausgeübt werden (§ 6 BsGaViVm § 31 Abs 3 iVm Abs 1 BsGaV).25

3.5. Zuordnung des Bau- und MontagevertragsDer Bau- und Montagevertrag selbst ist mit dem Auftraggeber ist ein Geschäftsvorfall iSd § 1 Abs 4Nr 1 dAStG bzw § 9 BsGaV, der in aller Regel der „Geschäftsleitungsbetriebsstätte“, also dem übrigenUnternehmen, zuzuordnen ist.26 Denn die im Vorfeld eines Projekts notwendige Bearbeitung vonAusschreibungen, die Angebotskalkulation und die Vertragsverhandlungen sind regelmäßig einePersonalfunktion des Stammhauses, da diese Tätigkeiten in einem Zeitraum erfolgen, zu dem dieBau- und Montagebetriebsstätte idR noch gar nicht bestehen wird. Nur dann, wenn den an derB&M-BS ausgeübten Personalfunktionen iZm dem Vertrag bzw der Vertragserrichtung die größereBedeutung zukommen würde oder aus funktionalen Gründen davon auszugehen ist, dass die Bau-und Montagebetriebsstätte, wäre sie ein unabhängiger Dritter, den B&M-Vertrag vom übrigen Un-ternehmen übernommen hätte, wäre eine Zuordnungsänderung vorzunehmen. In diesem Fall wärevon einer fremdüblich zu vergütenden „anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung“ iSd § 16 Abs 1Z 1 BsGaV auszugehen, also von einer fiktiven, fremdüblich zu vergütenden Veräußerung des B&M-Vertrags. Denn die Leistungen, die von einem Unternehmensteil für den anderen erbracht werden,sind dem Fremdverhaltensgrundsatz entsprechend zu vergüten.27

3.6. Kostenaufschlagsmethode bei Bau- und Montagebetriebsstätten3.6.1. Vorrang kostenorientierter Verrechnungspreismethoden§ 32 Abs 1 BsGaV regelt als Grundsatz, dass die Mitwirkung einer Bau- und Montagebetriebsstättean der Erfüllung des vom B&M- Unternehmen abgeschlossenen B&M-Vertrags (widerlegbar) alsanzunehmende schuldrechtliche Beziehung gilt, die als fiktive Dienstleistung der Bau- und Mon-tagebetriebsstätte gegenüber dem übrigen Unternehmen zu qualifizieren ist. Es wird fingiert, dassdie Bau- und Montagebetriebsstätte quasi als Subunternehmer für das übrige Unternehmen tätigwird und nur eine reine Routinefunktion ausübt.28 Entscheidend für diese Einordnung ist der Zeit-punkt der Betriebsstättenbegründung. Eine allfällige, später notwendige, technisch aufwendige Be-seitigung von Fehlmaßnahmen führt grundsätzlich zu keinem Methodenwechsel.29 Allerdingsführen die VWGBsGa aus, dass dann, wenn sich das Funktions- und Risikoprofil aufgrund der Tä-tigkeit der Bau- und Montagebetriebsstätte nachweislich so geändert hat, dass die Voraussetzungenfür die Anwendung einer geschäftsfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode vorliegen (zB Über-nahme hochqualifizierter Tätigkeiten durch die Bau- und Montagebetriebsstätte), § 33 BsGaV fürdie gesamte Dauer der Bau- und Montagebetriebsstätte anzuwenden ist.30 Gleiches soll im umge-kehrten Fall gelten.31

Der für die „Dienstleistung“ anzusetzende „Verrechnungspreis“, der von der Bau- und Monta-gebetriebsstätte an das übrige Unternehmen erbracht wird, soll gem § 32 Abs 1 Satz 2 BsGaV nach

24 VWGBsGa, Rz 351.25 VWGBsGa, Rz 352.26 VWGBsGa, Rz 353.27 VWGBsGa, Rz 35528 Sennewald/Geberth, BMF veröffentlicht Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnaufteilung, BB 2017, 33 (33).29 VWGBsGa, Rz 356 und 380.30 VWGBsGa, Rz 380.31 VWGBsGa, 381.

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einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode, dh nach der Kostenaufschlagsmethode,bestimmt werden, wenn die von der Bau- und Montagebetriebsstätte erbrachte fiktive Dienstleis-tung als Routinetätigkeit beurteilt werden kann. Nach den Ausführungen in den VWGBsGa ist voneiner Routinetätigkeit auszugehen, wenn die Bau- und Montagebetriebsstätte lediglich die eigentli-chen Bau- und Montagearbeiten erbringt, auch wenn diese technisch schwierig und anspruchsvollsind, während die eigentliche Wertschöpfung iZm der Projektrealisierung im übrigen Unternehmenerfolgt.

In der Praxis wird die Abgrenzung zwischen „Routinebetriebsstätten“ und solchen, bei denen„komplexe Tätigkeiten“ ausgeübt werden, zu Konflikten führen. In den BsGaV findet sich als Bei-spiel, das ein Abweichen von der Kostenaufschlagsmethode zulassen würde, die Errichtung einerschlüsselfertigen Fabrikanlage durch ein deutsches Bau- und Montageunternehmen, die zur Begrün-dung einer Bau- und Montagebetriebsstätte im Quellenstaat führt und an der deutsche Spezialistentätig werden, die wesentliche Planungs- und Ingenieursarbeiten vor Ort durchführen.32 DieVWGBsGa führen aus, dass die für Routinebetriebsstätten iSd § 30 BsGaV aufgestellten Grundsätzeauch auf andere funktions- und risikoarme Betriebsstätten angewandt werden können (zB iZm War-tungsverträgen begründete Dienstleistungsbetriebstätten).33

3.6.2. Kostenbasis und GewinnaufschlagBei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode sind der Kostenbasis in erster Linie die Personal-kosten zuzuordnen, die unmittelbar durch die Erbringung von Personalfunktionen in der Bau- undMontagebetriebsstätte verursacht worden sind (Monteure, Überwachungspersonal, Integration vonSubunternehmern durch Personal der Bau- und Montagebetriebsstätte). Als unmittelbare Kostengelten die direkten Kosten der Personalfunktionen (zB Bruttolöhne, Sozialabgaben, Zuführungen zuPensionsrückstellungen, Reisekosten), die der Bau- und Montagebetriebsstätte gem § 4 BsGaV zu-zuordnen sind.34 Grundlage sind die Vollkosten, bestehend aus Personaleinzel- und Personalge-meinkosten (zB Kosten der Personal-, Steuer- oder Rechtsabteilung).35 Kosten, die iZm der Materi-albeschaffung oder der Einschaltung von Subunternehmern anfallen, gehören nur dann zur Kos-tenbasis, wenn die diesen zugrunde liegenden Verträge gem § 9 BsGaV der Bau- und Montagebe-triebsstätte zuzuordnen sind. Das wäre zB dann der Fall, wenn der Bauleiter der Bau- undMontagebetriebsstätte Subunternehmer eigenständig beauftragt, selbständig Material bestellt oderdie Überwachung- und Koordinierung der Subunternehmer an der Bau- und Montagebetriebsstättequalitativ überwiegen würde, selbst wenn das übrige Unternehmen die Verträge formal unterschrei-ben würde.36

Fehlmaßnahmen, die durch die Personalfunktionen der Bau- und Montagebetriebsstätte verur-sacht sind, sind von dieser zu tragen und nicht in die Kostenbasis für den Gewinnaufschlag einzube-ziehen. In solchen Fällen kann es sein, dass einer Bau- und Montagebetriebsstätte, die Routinetätig-keiten ausübt, auch Verluste zugeordnet werden können.37 Entstehen der Bau- und Montagebe-triebsstätte jedoch Kosten aufgrund von Fehlmaßnahmen, die vom übrigen Unternehmen verursachtworden sind, sind diese Kosten sehr wohl in die Kostenbasis einzubeziehen.38 Mittelbare Kosten, wieVerwaltungs- und Geschäftskosten, die mit der kaufmännischen Auftragsabwicklung zusammenhän-gen (zB Controlling, Projektleitung, Rechts- und Steuerabteilung), zählen nicht zur Kostenbasis undsind dem Stammhaus zuzuordnen.39 Die ersten praktischen Erfahrungen bei der Abwicklung vonBau- und Montagebetriebsstätten zeigen jedoch, dass die deutsche Finanzverwaltung idR davon aus-geht, dass Routinebetriebsstätten jedenfalls Gewinne zugeordnet werden müssen.

Die von der Bau- und Montagebetriebsstätte an das übrige Unternehmen erbrachte, aus fiktivenLeistungsbündeln bestehende fiktive Dienstleistung ist gem § 32 Abs 2 BsGaV dem Grunde nacheinheitlich zu verrechnen, es sei denn, eine gesonderte Verrechnung für jedes Leistungsbündelwürde im Einzelfall zu einem Ergebnis führen, das dem Fremdverhaltensgrundsatz besser ent-spricht. Die VWGBsGa nennen als Beispiel den Bau eines besonders aufwendigen Fundamentsdurch besonders qualifiziertes Personal einer Bau- und Montagebetriebsstätte, der als fiktive Dienst-leistung der Bau- und Montagebetriebsstätte gesondert von den übrigen Bauarbeiten an das übrigeUnternehmen zu verrechnen wäre.40 Nach deutscher Verwaltungspraxis wurde bei Bau- und Mon-tagebetriebsstätten bislang ein Gewinnaufschlag von 5 % bis 10 % akzeptiert, der individuell für dieeinzelne Bau- und Montagebetriebsstätte vor Projektbeginn festzulegen ist.41

32 VWGBsGa, Rz 356.33 VWGBsGa, Rz 357; Heinsen, DB 2017, 85 (88).34 VWGBsGa, Rz 358.35 Neumann-Tomm, IWB 2015, 166.36 VWGBsGa, Rz 359.37 VWGBsGa, Rz 360.38 VWGBsGa, Rz 361.39 VWGBsGa, Rz 362.40 VWGBsGa, Rz 363.41 Neumann-Tomm, IWB 2015, 166 (172).

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Auswirkungen der deutschen VerwaltungsgrundsätzeBetriebsstättengewinnauftei-

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3.6.3. Abrechnung fiktiver Dienstleistungen der Bau- und Montagebetriebsstätte§ 32 Abs 3 Satz 1 BsGaV gebietet eine zeitnahe (mindestens einmal jährliche) Abrechnung der vonder Bau- und Montagebetriebsstätte erbrachten fiktiven Dienstleistung, unabhängig vom Zeitpunktder Gewinnrealisierung durch das B&M-Unternehmen. Damit kollidiert der Abrechnungsmodusim Fall einer ausländischen B&M eines inländischen Unternehmens mit den Grundsätzen der Ge-winnrealisierung bei mehrjährigen Fertigungsaufträgen.42 Hat sich Deutschland DBA-rechtlich zurFreistellung der Gewinne von Bau- und Montagebetriebsstätten verpflichtet, ist nach den Ausfüh-rungen in den VWGBsGa das Betriebsstättenergebnis jährlich freizustellen, selbst wenn nachdeutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen die Gewinnrealisierung erst nach Fertigstellung des Bau-oder Montageprojekts erfolgt. Sollte im DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerung die Anrech-nungsmethode vorgesehen sein und der Quellenstaat die Bau- und Montagebetriebsstätte nach der„Percentage-of-Completion-Methode“ besteuern, Deutschland jedoch nach der „Completed-Cont-ract-Methode“, wären die in den einzelnen Jahren erhobenen Steuern insgesamt erst im Jahr der tat-sächlichen Ergebnisrealisierung in Deutschland anrechenbar.43 § 32 Abs 3 Satz 2 BsGaV lässt einefrühere oder spätere Abrechnung der fiktiven Dienstleistung zu, wenn dies dem Verhalten unabhän-giger Unternehmen und damit dem Fremdverhaltensgrundsatz besser entspricht.44

3.6.4. Leistungen des übrigen Unternehmens an die Bau- und MontagebetriebsstätteDienstleistungen, die im übrigen Unternehmen iZm dem B&M-Vertrag erbracht werden, gelten gem§ 32 BsGaV auch dann nicht als gegenüber der Bau- und Montagebetriebsstätte erbracht, wenn sieiZm der Dienstleistung der Bau- und Montagebetriebsstätte stehen. Die VWGBsGa führen dazu aus,dass derartige Leistungsbeiträge idR im eigenen Interesse des übrigen Unternehmens zur Erfüllungdes Bau- und Montagevertrags (der dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist) erbracht werden. Da-für stünden dem übrigen Unternehmen die Zahlungen des Auftraggebers, abzüglich der Vergütungenfür die fiktiven Dienstleistungen der B Bau- und Montagebetriebsstätte, zu. Solche Leistungsbeiträgesollen deshalb als unentgeltlich der Bau- und Montagebetriebsstätte beigestellt gelten, auch wenn siein einem sachlichen Zusammenhang mit der Bau- und Montagebetriebsstätte stehen.45

Positiv anzumerken ist, dass die VWGBsGa – abweichend von der Rechtsprechung des BFH –nun klarstellen, dass Vorlaufkosten iZm einem B&M-Vertrag (Kosten der Auftragserteilung, Aus-schreibung, Planung, Auftragskalkulation etc) dem übrigen Unternehmen zuzuordnen sind, zumaleiner Betriebsstätte vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden können.46

Bezüglich der Zuordnung von Dotationskapital unterscheidet die BsGaV zwischen inländi-schen Betriebsstätten ausländischer Unternehmer („Inbound-Fall“) und ausländischen Betriebsstät-ten inländischer Unternehmer („Outbound-Fall“). Während § 12 BsGaV für den „Inbound-Fall“ dieKapitalaufteilungsmethode vorsieht, ist in § 13 BsGaV für den „Outbound-Fall“ die Mindestkapi-talausstattungsmethode zwingend vorgesehen. Die VWGBsGa lassen für Bau- und Montagebe-triebsstätten mit einem § 32 BsGaV entsprechenden Funktions- und Risikoprofil (Routinetätigkei-ten) unter gewissen Voraussetzungen jedoch zu, dass auch für deutsche Bau- und Montagebetriebs-stätten ausländischer Unternehmen die Mindestkapitalausstattungsmethode angewandt wird.47

3.6.5. Hilfs- und Nebenrechnung§ 3 Abs 1 BsGaV regelt, dass für eine Betriebsstätte zu Beginn des Wirtschaftsjahres eine Hilfs- undNebenrechnung aufzustellen ist, die während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zu dessenEnde abzuschließen ist.48 Diese Hilfs- und Nebenrechnung muss spätestens zum Zeitpunkt der Ab-gabe der Steuererklärung erstellt sein, in der die Betriebsstätten-Einkünfte zu Berücksichtigung fin-den. Gemäß § 3 Abs 2 BsGaV muss diese Hilfs- und Nebenrechnung jene Bestandteile enthalten, dieder Betriebsstätte aufgrund ihrer Personalfunktionen zuzuordnen sind (Vermögenswerte, Dotati-onskapital, Passiva, tatsächliche und fiktive Betriebseinnahmen und -ausgaben), samt Begründungder vorgenommenen Zuordnung.49 Für Bau- und Montagebetriebsstätten gehen die VWGBsGa da-von aus, dass bei Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung einer ausländischen Bau- und Montage-betriebsstätte von der projektbezogenen Kosten- und Leistungsrechnung ausgegangen werden kann.Aus den Unterlagen müssen die Bemessungsgrundlage und die jeweils verwendeten Gewinnauf-schläge zweifelsfrei ableitbar sein.50

42 Neumann-Tomm, Die bloße Einkünftekorrekturfunktion des § 1 Abs. 5 AStG, IStR 2015, 907 (909).43 VWGBsGa, Rz 364; Dombrowski/Sommer/Dahle, Die Pflicht zur Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnungen für Be-

triebsstätten, IStR 2016, 109 (109).44 VWGBsGa, Rz 36545 VWGBsGa, Rz 366.46 VWGBsGa, Rz 66 und 36747 VWGBsGa, Rz 368.48 Greier/Friedrich, Die Hilfs- und Nebenrechnung i.S.d. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, DB 2016, 1773

(1773).49 § 3 Abs 3 BsGaV verweist diesbezüglich auf die nach § 90 Abs 3 Satz 4 dAO geregelten Aufzeichnungspflichten.50 VWGBsGa, Rz 369.

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Betriebsstättengewinnauftei-Auswirkungen der deutschen Verwaltungsgrundsätze

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3.7. Gewinnaufteilungsmethode bei Bau- und Montagebetriebsstätten3.7.1. Subsidiäre Methode der Ergebnisabgrenzung§ 32 BsGaV lässt es zu, von der Kostenaufschlagsmethode abzuweichen und eine (geschäftsvorfall-bezogene) Gewinnaufteilungsmethode anzuwenden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfülltsind:1. Die Personalfunktionen, die jeweils sowohl von der Bau- und Montagebetriebsstätte als auch

vom übrigen Unternehmen im Hinblick auf die Erfüllung des B&M-Vertrags ausgeübt werden,sind keine Routinetätigkeit und bewirken, dass dem übrigen Unternehmen und der Bau- undMontagebetriebsstätte jeweils vergleichbare Chancen und Risiken zuzuordnen sind (§ 33 Abs 1Z 1 BsGaV), oder

2. für die Erfüllung des Bau- oder Montagevertrags werden sowohl von der Bau- und Montagebe-triebsstätte als auch vom übrigen Unternehmen einzigartige immaterielle Werte selbst entwi-ckelt oder erworben.51

Der erste Tatbestand setzt voraus, dass beide Unternehmensteile einen „Entrepreneuer-Status“ in-nehaben. Als Beispiel nennen die VWGBsGa die Errichtung einer komplexen Fertigungsanlage mitkomplexen Leistungsanforderungen, die es notwendig macht, dass die Bau- und Montagebetriebs-stätte einen Teil des Detail-Engineerings, die Überwachung, die Koordination der Projektabwick-lung und die Inbetriebnahme der Anlage übernimmt und für die funktionsfähige Übergabe der An-lage sorgt. Gelingt der Nachweis, dass die Chancen und Risiken der Bau- und Montagebetriebsstättemit jenen des übrigen Unternehmens vergleichbar sind, soll die Anwendung einer Gewinnauftei-lungsmethode zulässig sein.52

Abb 1: Indizien für einen „Profit-Split“ rechtfertigende, komplexe Leistungsbeziehungen

Der in § 33 Abs 1 Z 2 BsGaV vorgesehene zweite Alternativtatbestand der gemeinsamen Schaffungeinzigartiger immaterieller Werte wäre zB dann erfüllt, wenn Know-how von der Bau- und Monta-gebetriebsstätte speziell für das konkrete Bau- und Montageprojekt geschaffen worden ist. Als Bei-spiel findet sich in den VWGBsGa die Errichtung einer neuartigen Fertigungsanlage (Pilotanlage),die der Entwicklung einer neuen Technologie sowie der intensiven Zusammenarbeit zwischen demPersonal des übrigen Unternehmens und den bei der Bau- und Montagebetriebsstätte tätigen Spezi-alisten bedarf.53

Ausgangspunkt der Gewinnaufteilung ist in solchen Fällen das gesamte Projektergebnis aufGrundlage der dafür zu erstellenden Kostenrechnung (Projekterfolgsrechnung, Kostenträger- oderKostenstellenrechnung). Bei Ermittlung des Projektergebnisses sind alle Kosten, die mit dem Projektin Zusammenhang stehen, zu berücksichtigen, unabhängig davon, wann sie entstanden sind (Akqui-sition-, Ausschreibungskosten, Kosten für Pre-Engineering sowie für Forschung und Entwicklung).Kosten für die Beseitigung von Fehlmaßnahmen, die zweifelsfrei den Personalfunktionen der Bau-und Montagebetriebsstätt zugeordnet werden können, sind unmittelbar der Bau- und Montagebe-triebsstätt anzulasten.54 Die Ermittlung des aufzuteilenden Projektergebnisses hat nach deutschen

51 VWGBsGa, Rz 370.

Projektmerkmale■ Großes Projektvolumen,■ lange Dauer der Inbetriebnahme,■ geringer Wiederholungscharakter,■ erheblicher Schulungsbedarf von Kunden-

personal.

Baustellenpersonal■ Hohe Qualifikation,■ einzigartiges Know-how,■ Plananpassungen/Detailplanung an die

Bau- und Montagebetriebsstätte,■ hoher Koordinationsbedarf von Subunter-

nehmern.Hohe Wertschöpfung an der Bau- und Monta-gebetriebsstätte■ Große Anzahl zu montierender Bestandteile,■ komplexes Tuning vor Ort,■ enge Verzahnung der Arbeiten im Stamm-

haus und an der Bau- und Montagebetriebs-stätte,

■ viele unterschiedliche Gewerke,■ Erreichen der Leistungsparameter liegt in der

Verantwortung des B&M-Personals,■ autarkes Arbeiten des B&M-Personals.

Komplexe Vertragsbeziehungen■ Viele Subunternehmer,■ Koordinationsbedarf anderer Lieferanten,

die unmittelbar vom Auftraggeber beauf-tragt worden sind,

■ Behördenarbeit,■ hoher Abstimmungsbedarf des B&M-Per-

sonals mit dem Auftraggeber.

52 VWGBsGa, Rz 371.53 VWGBsGa, Rz 372.54 VWGBsGa, Rz 373.

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Auswirkungen der deutschen VerwaltungsgrundsätzeBetriebsstättengewinnauftei-

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Gewinnermittlungsgrundsätzen zu erfolgen. Auch die Gewinnrealisierung hat zu jenem Zeitpunktzu erfolgen, der im deutschen Steuerrecht dafür vorgesehen ist („Completed-Contract-Methode“ ver-sus „Percentage-of-Completion-Methode“).55

3.7.2. AufteilungsschlüsselGemäß § 33 Abs 2 BsGaV bestimmt sich der für die Gewinnaufteilungsmethode anzuwendende Auf-teilungsschlüssel nach den Beiträgen, die jeweils von der Bau- und Montagebetriebsstätte und vomübrigen Unternehmen für den B&M-Vertrag geleistet werden. Vor Begründung der Bau- und Mon-tagebetriebsstätte erbrachte Leistungsbeiträge sind beim übrigen Unternehmen zu berücksichti-gen.56 Der Umfang der geleisteten Beiträge berechnet sich gem § 33 Abs 2 Satz 2 BsGaV nach denKosten der maßgeblichen Personalfunktionen (zB Teilnahme an der Ausschreibung, Engineering,Montage, Überwachung, Inbetriebnahme). Die auf Hilfstätigkeiten (zB Werkschutz, Kantine, Fahr-dienste) entfallenden Kosten für Personalfunktionen sind zwar bei Ermittlung des Projektergebnis-ses zu berücksichtigen, für Zwecke der Berechnung des Aufteilungsschlüssels jedoch ausscheiden.57

Gemäß § 33 Abs 2 Satz 3 BsGaV ist dabei pauschal auch an angemessener Anteil an den Forschungs-und Entwicklungskosten (F&E-Kosten) der eingesetzten, in Vorjahren geschaffenen immateriellenWerte sowie an vergeblichen Akquisitionskosten für nicht zustande gekommene B&M-Verträge zuberücksichtigen. Das bewirkt, dass insofern ein höherer Anteil am Projektergebnis dem übrigen Un-ternehmen zugeordnet wird. Wie der Aufteilungsschlüssel im Einzelfall berechnet wurde, ist zu be-gründen und zu dokumentieren.58 § 33 Abs 3 letzter Satz BsGaV lässt es zu, einen alternativen Auf-teilungsschlüssel anzuwenden, wenn dieser im Einzelfall zu einem Ergebnis der Bau- und Montage-betriebsstätte führt, das dem Fremdverhaltensgrundsatz besser entspricht.59 Die VWGBsGa nennenals Beispiel eine Gewinnaufteilung anhand einer Wertschöpfungsanalyse.60

3.7.3. ÜbergangsregelungWurde eine Bau- und Montagebetriebsstätte bereits vor dem 1. 1. 2013 begründet, kann das B&M-Unternehmen die Betriebsstätten-Gewinnermittlung nach den bisher von den deutschen Finanzbe-hörden anerkannten Grundsätzen ermitteln (§ 34 Abs 1 BsGaV). Das gilt auch für Anschlussver-träge, die nach dem 1. 1. 2013 abgeschlossen worden sind, wenn diese mit dem früher abgeschlosse-nen Vertrag in einem wirtschaftlichen und örtlichen Zusammenhang stehen. Das Wahlrecht kannjedoch für eine Bau- und Montagebetriebsstätte nur einheitlich ausgeübt werden.61

Allerdings kann sich das B&M-Unternehmen auch dafür entscheiden, § 1 Abs 5 dAStG, dieBsGaV und die VWGBsGa auch für Jahre anzuwenden, die vor dem 1. 1. 2013 begonnen haben,wenn die Regelungen auf die gesamte Bestandsdauer der Bau- und Montagebetriebsstätte ange-wandt werden und dadurch international weder Doppel- noch Doppelnichtbesteuerung entsteht.62

Auch für Bau- und Montagebetriebsstätten, die in den Jahren 2013 und 2014 bzw vor Ablaufeines abweichenden Wirtschaftsjahres 2014/2015 begründet worden sind,63 lässt es § 34 Abs 2VWGBsGa zu, die von der Finanzverwaltung ehemals anerkannten Grundsätze der Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung anzuwenden, wenn das B&M-Unternehmen,1. nachweist, dass es für die Kalkulation seiner Leistungen von der Anwendung der bisher von der

Finanzbehörde anerkannten steuerlichen Grundsätze ausgegangen ist, und2. glaubhaft macht, dass die Regelungen dieser Verordnung seiner Kalkulation die Grundlage ent-

ziehen.

4. Die Grenzen des deutschen AOA aus österreichischer SichtGemäß Art 7 Abs 1 des deutsch-österreichischen DBA (DBA Deutschland)64 können Gewinne einerBetriebsstätte sowohl im Ansässigkeitsstaat als auch im Betriebsstättenstaat besteuert werden, wobeisich der jeweilige Ansässigkeitsstaat in Art 23 DBA Deutschland verpflichtet, zur Vermeidung vonDoppelbesteuerung den Betriebsstättengewinn von der Besteuerung freizustellen. Um diese Vor-gabe tatsächlich zu erreichen, müssen allerdings beide Staaten den Betriebsstättengewinn nach der-selben Methodik ermitteln. Wenngleich es in der Begründung zur BsGaV heißt, dass diese bezwe-cken soll, die uneinheitliche Vorgangsweise bei der Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung zu verein-heitlichen, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland mit § 1 Abs 5 dAStG, der

55 VWGBsGa, Rz 374.56 VWGBsGa, Rz 367 und 375.57 VWGBsGa, Rz 376.58 VWGBsGa, Rz 377.59 VWGBsGa, Rz 378.60 VWGBsGa, Rz 379.61 VWGBsGa, Rz 383.62 VWGBsGa, Rz 382 f.63 VWGBsGa, Rz 384 f.64 BGBl III 2002/182 idF BGBl III 2012/32.

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BsGaV und den VWGBsGa eine einseitige Maßnahme gesetzt hat, allein dadurch, dass der Fremd-verhaltensgrundsatz tendenziell zugunsten der deutschen Finanzverwaltung ausgelegt wird.65 Die inder BsGaV dargelegte Grundkonzeption der dem AOA entsprechenden Betriebsstätten-Gewinner-mittlung kann zwar theoretisch überzeugen, enthält aber Tatbestände, die besser im dEStG bzw derdAO hätten geregelt werden sollen. So ist das Zuordnungskriterium der „maßgeblichen Personal-funktionen“ ein theoretisches Konzept, das Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen viel Raum fürInterpretationen lässt. Die von dAStG und BsGaV verwendeten neuen Begriffe sind nicht mit aus-reichenden Inhalten gefüllt.66 Kritisch ist auch anzumerken ist, dass Deutschland bei der Anwen-dung des AOA nicht zwischen alten und neuen DBA unterscheidet. Die neuen Grundsätze der Er-gebnisabgrenzung sollen auf alle deutschen DBA anwendbar sein, unabhängig davon, ob der Wort-laut des DBA dem AOA idF des Updates 2010 des OECD-MA folgt oder einen Art 7 idF OECD-MA2008 enthält. Ein Art 7 idF OECD-MA 2010 findet sich übrigens nur in wenigen deutschen DBA undwird selbst bei aktuellen Neuverhandlungen nur ausnahmsweise in den Abkommenstext übernom-men.

Als Exportnation hat der deutsche Fiskus vor allem den Outbound-Fall vor Augen – also Aus-landsbetriebsstätten deutscher Unternehmen – und will damit das deutsche Freistellungsvolumenmöglichst gering halten, um deutsches Besteuerungssubstrat zu sichern. Besteuerungskonflikte sinddeshalb – vor allem im Verhältnis zu Entwicklungs- und Schwellenländern – zu erwarten.67 Eine Lö-sung könnte nur § 1 Abs 5 Satz 8 dAStG bieten. Darin heißt es, dass dann, wenn ein DBA anzuwen-den ist und der Steuerpflichtige geltend macht, dass dessen Regelungen § 1 Abs 5 Satz 1 bis 7 dAStGwidersprechen, das Abkommen Vorrang hat, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der andereStaat sein Besteuerungsrecht entsprechend diesem Abkommen ausübt und deshalb die Anwendungder Sätze 1 bis 7 leg cit zu einer Doppelbesteuerung führen würden. Dennoch ist sicher, dass der Al-leingang Deutschlands bilaterale Besteuerungskonflikte auslösen wird.

Da Deutschland der wichtigste österreichische Handelspartner ist, wird die praktische Umset-zung des AOA für deutsche Betriebsstätten österreichischer Unternehmer den Steuerpflichtigen unddie Finanzverwaltungen vor besondere Herausforderungen stellen.68 Derzeit findet sich der AOAnach Maßgabe des Art 7 OECD-MA idF des Updates 2010 in keinem einzigen in Wirksamkeit ste-henden österreichischen DBA und wurde selbst in neue abgeschlossene DBA nicht übernommen.69

Deshalb konnte die Finanzverwaltung bislang nur zu jenen Aspekten des AOA Stellung nehmen, diein Art 7 OECD-MA der „Altfassung“ Deckung finden.70 Eine vollinhaltliche Anwendung des AOAwürde eine Übernahme in die österreichischen DBA erfordern, sodass der OECD-MK zu Art 7OECD-MA 2010 für die österreichischen DBA nur insoweit von Relevanz sein kann, als er mit derderzeitigen Fassung des Art 7 OECD-MA nicht in Widerspruch steht.71 So hat zB der DBA-PartnerSchweiz die Anwendung der vermeintlich mit Art 7 idF OECD-MA 2008 stehenden OECD-Kom-mentierung abgelehnt, weil Art 3 Abs 2 DBA Schweiz,72 abweichend von Art 3 Abs 2 OECD-MA,nur jene Rechtslage zur DBA-Auslegung zulässt, die im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA bestan-den hat (Versteinerungstheorie).73

Die österreichischen VPR-2010, die sich in Rz 179 und 180 ausführlich mit der Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung beschäftigen, nehmen deshalb nur insoweit auf den AOA Bezug, als er mit demOECD-MK zu Art 7 OECD-MA (idF 2008) nicht in Widerspruch steht. Die österreichische Finanz-verwaltung geht davon aus, dass die im inländischen Rechtskreis entwickelte Sichtweise zur Be-triebsstätten-Ergebnisabgrenzung vollinhaltlich mit den Grundsätzen des AOA übereinstimmt, undhat das in einigen, bereits zitierten Einzelerledigungen auch zum Ausdruck gebracht.74 Bei Fragenzur Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung verweist das BMF deshalb regelmäßig auf die Grundsätzedes OECD-MK zu Art 7 OECD-MA idF des Updates 2008 und auf die diesen zugrunde liegenden

65 Mechtler/Wenzl, SWI-Jahrestagung: Gewinnzurechnung zu deutschen Betriebsstätten, Anpassungen im Zuge von Be-triebsprüfungen und verfahrensrechtliche Auswirkungen, SWI 2015, 468 (468)

66 Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des internationalen Steuerrechts (2016) 362.67 Bendlinger/Reinhold/Sennewald, Das deutsch-indische DBA und dessen Anwendung auf den deutschen Maschinen-

und Anlagenbau, IStR 2013, 453 (455); Seeleitner/Krinninger/Grimm, Verschärfung der steuerlichen Herausforderungendurch den Authorised OECD Approach (AOA) bei Bau- und Montagebetriebsstätten? IStR 2013, 220 (220 f).

68 Ditz/Hagen, Germany Adopts New Regulations Governing Allocation of Income to Permanent Establishments, Intertax2015, 508 (518); Endres/Oestreicher/Van der Ham, Die neue Betriebsstättengewinnaufteilung – 5 Musterfälle zur Ausle-gung (Teil 1), PIStB 2014, 276 (276).

69 So entspricht die Verteilungsnorm für Unternehmensgewinne in Art 7 des seit 1. 3. 2017 in Kraft befindlichen und ab 1.1. 2018 wirksamen DBA mit Island (BGBl III 2017/25) idF OECD-MA 2008. Auch im neuen DBA mit Japan findet sichein dem OECD-MA 2008 entsprechende Verteilungsnorm, allerdings unter dem protokollarischen Vorbehalt, dass Ös-terreich durch diplomatische Note mitteilen muss, wenn erstmals Art 7 idF OECD-MA in ein DBA übernommen wird.Dann müsste Österreich auch im Verhältnis zu Japan die neue Fassung des Art 7 OECD-MA übernehmen.

70 Rz 181 VPR 2010, AÖF 2010/221; Loukota/Jirousek, § 6 Z 6 EStG und der „AOA“, ÖStZ 2007, 142 (142 ff).71 Eckerstorfer/Hütter/Simader, Ermittlung des Gewinns einer österreichischen Betriebsstätte, ecolex 2010, 32.72 DBA Schweiz, BGBl 1975/64 idF BGBl 1995/161, BGBl III 2001/204, BGBl III 2007/22, BGBl III 2011/27.73 Aufhebung von BMF 17. 9. 2007, EAS 2891, durch BMF 14. 5. 2008, BMF-010221/1291-IV/4/2008, AÖF 2008/162; Wip-

linger, Schweizer Finanzierungsbetriebsstätten doch nicht vor dem Aus? FJ 2008, 293 (293 ff); Rosenberger, Schweizer Fi-nanzierungsbetriebsstätte: Rechtfertigt der AOA eine Änderung der Verwaltungspraxis? SWI 2007, 551.

74 BMF 20. 4. 2012, EAS 3272.

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Regeln des AOA.75 Die dem AOA inhärente uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion nach der Fas-sung des Art 7 OECD-MA 2010 und der Kommentierung dazu können aber derzeit im Verhältnis zuden österreichischen DBA-Vertragsstaaten nicht – so wie Deutschland das will – bedingungslos zurAnwendung kommen. So können zB zwischen Teilen ein und desselben Unternehmens keine fikti-ven Mietverträge mit steuerlicher Wirkung abgeschlossen oder einer Baubetriebsstätte für die Nut-zung von Maschinen fremdübliche Mieten verrechnet werden. Sehr wohl sind aber gem Art 7 Abs 3idF vor dem OECD-MA 2008 jene Aufwendungen der Betriebsstätte anzulasten, die dem Hauptsitzin Bezug auf die der Betriebsstätte überlassenen Maschinen erwachsen sind, wie zB Abschreibungen,Fremdfinanzierungskosten, Instandhaltungskosten oder Versicherung.76

Gerade bei Bau- und Montagebetriebsstätten stößt der AOA nach deutschem Muster mit dennotwendigen, zivilrechtlich nicht nachvollziehbaren Fiktionen auf Grenzen. Auch die deutsche An-sage, Bau- und Montagebetriebsstätten seien grundsätzlich einem „Routineunternehmen“ vergleich-bar, dem jedenfalls ein Gewinnanteil zugerechnet werden müsste, löst bereits jetzt bei Verlustpro-jekten zwischenstaatliche Konflikte aus. Denn idR weigert sich der deutsche Fiskus, anzuerkennen,dass die Ursache für Projektverluste auch in der Sphäre der Bau- und Montagebetriebsstätte gelegensein kann, sodass sich der dem österreichischen Stammhaus zuzurechnende Verlust um den inDeutschland zu versteuernden Gewinn der Bau- und Montagebetriebsstätte erhöht. Das unter-schiedliche Verständnis des AOA durch Österreich und Deutschland löst bereits die ersten deutsch-österreichischen Verständigungsverfahren aus.

Auf den Punkt gebracht

Bitte eine kurze Zusammenfassung in drei bis fünf Sätzen ergänzen!

75 BMF-Erlass vom 18. 10. 2012, BMF-010221/0627-IV/4/2012, Salzburger Steuerdialog 2012 – Zweifelsfragen zum Inter-nationalen Steuerrecht, Pkt 1.

76 BMF 29. 10. 2007, EAS 2896; 25. 11. 2011, EAS 3251.