Die Divertikulose des Dickdarms - oneta.ch · Symptome bei komplizierter Divertikulose:...

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Die Divertikulose des Dickdarms Carl M. Oneta Spital Zimmerberg Horgen

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Die Divertikulose des Dickdarms

Carl M. OnetaSpital Zimmerberg Horgen

Übersicht– Definitionen– Epidemiologie (Prävalenz)– Symptomatologie

• Unkomplizierte Divertikelerkrankung• Komplizierte Divertikelerkrankung

– Diagnostik– Aetiopathogenese– Konservative (nicht-chrirugische) Therapie– Indikation zur chirurgischen Therapie– Chirurgische Therapieverfahren

Divertikel (sog. Pseudodivertikel)

1) Muskelschicht

2) Schleimhautschicht

aus Wirth HP, 2004

Divertikulose des Dickdarms

Sigma-divertikulose

in 95 %!

Häufigkeit der Divertikulose in westlichen Ländern (5 – 45%)

65%>80

30%60

<10%<40

Prävalenz(= wieviele von 100‘000 Individuen haben

eine Divertikulose)

Alter (Jahre)

Painter & Burkitt, 1971 und 1975; Parks, 1975

Bedeutung der Divertikulose des Dickdarms (Spontanverlauf)

• ~70%: asymptomatische Divertikulose• - 25%: Divertikulitis:

• 75%: einfach 25%: kompliziert33%: nach 2. Attacke>50%: nach >2 Attacken

• 75%: einmalig 25%: rezidivierend

• - 15%: Divertikelblutung:• 70%: einmalig 30%: 2- und mehrmalig

Hughes, 1969; Parks 1975

Symptome

• Unterscheidung von

• Unkomplizierte Divertikulose– Asymptomatischer Patient– Symptomatischer Patient

• Komplizierte Divertikulose– Divertikulitis– Komplizierte Divertikulitis (Perforation,

Abszess, Fistel, Darmverengung)– Divertikelblutung

Symptome bei unkomplizierter Divertikulose

• Unspezifische Bauchbeschwerden• Unterbauchschmerzen, meist linksseitig, meist

vermehrt nach Essen und vermindert nach Stuhlgang und Luftabgang

• Ev. auch andere Symptome wie Blähungen und Verstopfung

• Klinisch meist leichter bis mässiger Druck-schmerz im linken Unterbauch

• Keine Zeichen der Entzündung im Blut, Labor normal

• Ev. positiver Hämokkult-Test (cave: Carzinom)

Symptome bei komplizierter Divertikulose: „Divertikulitis“ (1)

• Entstehung der Divertikelentzündung:– Verlegung des Divertikelhalses mit Stuhl,– Schleimhautabschilferung im Divertikelsack,– Entzündung und Einwanderung

von Bakterien– Verminderter venöser Blutabfluss

und Ischämie, bedingt durch den Stuhlpfropf, der auf die Gefässe drückt,

– Entzündung der gesamten Divertikelwand und schliesslich

– Perforation• Grösse und Lokalisation der Perforation

bestimmen schliesslich den klinischen Verlauf!

Perforations-stelle

Symptome bei komplizierter Divertikulose: „Divertikulitis“ (2)

• I.d.R. linksseitige Unterbauchschmerzen (Sigmadivertikulitis = sog. „linksseitige Appendizitis“)– Cave bei Sigmadivertikulitis: machmal auch Schmerzen in

Blasenregion oder rechtsseitige UB-Schmerzen– Schmerzen intermittierend oder andauernd

• Häufig gl‘zeitig sich veränderndes Stuhlverhalten• Selten: Blut im Stuhl, Gewichtsabnahme, Übelkeit,

Erbrechen• Klinisch: lokaler Druckschmerz (ev. „Walze“ im

linken UB), verminderte DG, meistens Fieber• Labor: Entzündungszeichen meist vorhanden

Symptome bei Divertikelblutung

• Meist abrupt einsetzender, schmerzloser, analer Blutab-gang (meist Frischblut und Blutkoagula, aber auch Meläna möglich)

• Ev. leichte Bauchkrämpfe, häufiger notfallmässiger Stuhl-drang

• Anamnese: häufig Einnahme von NSAR und Aspirin• Blutung stoppt spontan in 70-80% der Fälle, Rezidiv-

blutungsrate bei 20-40%, Wahrscheinlichkeit einer 3. Blutung bis in 50% der Fälle

• Cave: Vorhandensein von Divertikeln erlaubt bei posi-tivem Hämokkult-Test nicht die Diagnose einer Divertikel-blutung

Diagnostik bei Vd. a. Divertikulitis (1)• Meist klinische Diagnose (typische Symptomatik)• Labor:

– Leukozyten, CRP• Abdomen leer Rx‘aufnahme:

– bei sehr starken Bauchschmerzen: freie Luft, Ileus, Koprostase, Darmdilatation...?)

• Ultraschall (US):– Gute Methode in geübten Händen

(Sensitivität 85-98%, Spezifität 80-98%) [Yacoe & Jeffrey, 1994]– Sonographische Kriterien: druckschmerzhaftes Kolonsegment,

reduzierte Peristaltik, echoarme kurzstreckige Wandverdickung auf über 4mm mit Targetzeichen, Nachweis einzelner Divertikel, breiter reflexreicher Halo im entz. Brereich (Peridivertikulitis), echoarme oder –freie Raumforderung mit oder ohne Gasbildung (Abszess).

Diagnostik bei Vd. a. Divertikulitis (2)• Kolonkontrasteinlauf (wasserlösliches KM):

– ev. indirekte Diagnosestellung über KM-Austritt aus Kolon (Abszess), Stenosenbildung, intramurale Höhlenbildungen, Fisteln (falsch negative Resultate in 2-15%)

• Computertomogramm (CT):– Methode der Wahl bei akuter Divertikulitis

(Sensitivität: 93-98%, Spezifität: 75-100%) [Cho et al, 1990]

• Endoskopie (Koloskopie):– Methode der Wahl zur Diagnose einer Divertikulose (meist

im Intervall) und Ausschluss anderer Erkrankungen (Ca!)– i.d.R. kontraindiziert bei akuter Divertikulitis (Gefahr der

Perforation durch Gerät, Lufinsufflation), ev. hilfreich bei unklarer Diagnose (Sigmoidoskopie)

• Virtuelle CT-Koloskopie (experientell)

Ultraschall des linken Unterbauches

Hypertrophie der Laminamuscularis

Divertikel

Kolonkontrasteinlauf

Divertikulose Divertikulitis

Computertomogramm (CT)

Endoskopie (Koloskopie)

Mukosaoedem, subtotale Stenosierung

Entzündliche Stenose, endoskop. Passage nicht möglich

Divertikulitischer, entzündlicher Pseudotumor

normale SH

Virtuelle CT-Koloskopie (experimentell)

Divertikel

Mögliche Komplikationen der Divertikulitis

• Abszess• Fistel

– Darm-Blase („Pneumaturie“)– Darm-Scheide– Darm-Uterus

• Obstruktion• Perforation• Peritonitis

Divertikulitischer Abszess (CT)

Fistel zwischen Dickdarm und Uterus (CT des Beckens)

Verdickte Sigmawand

Luft in Uterushöhle

Sigmoid mit einzelnen Divertikeln

Inkompletter Fistelgang bei Divertikulitis

Obstruktion (Stenose) nach Divertikulitis (Kolonkontrasteinlauf)

Perforation bei Divertikulitis (konventionelle Rx‘aufnahmen)

Thorax-Röntgen dv

Abdomen-leer (li SL)

Perforation bei Divertikulitis (CT)

freie Luft

Differentialdiagnose der Divertikulitis• Akute Appendizitis (v.a. Asiaten, Pat. mit hypermobilem Sigma)

• Chronisch entzündliche Darmerkrankung (MC, CU)

• Coloncarzinom• Ischämische Colitis (inkl. NSAR-Colitis)• Pseudomembranöse Colitis• Infektiöse Colitis (Amoeben)

• Gastroduodenale Ulcusperforation• Colon irritabile (Reizdarm)• Gynäkologische Erkrankungen (rupt. Ovarialzyste, Torsion

eines Ovars, EUG, entzündlicher Prozess im Becken)

• Nephrolithiasis, Pyelonephritis

Diagnostik bei Vd. a. Divertikelblutung• Ausschluss einer Blutung aus dem oberen GI-Trakt

– 10-15% der Patienten mit Hämotchäzie haben Blutungsquelle oben

• flexible Sigmoidoskopie• Erythrozyten-Szintigraphie

– nicht-invasiv, Blutungsrate 0.1ml/min, wiederholte Darstellung möglich, da EC aktiv für fast 24h

• Mesenterialis-Angiographie– invasiv, Blutungsrate 0.5ml/min, genaue Identifizierung des Blutungsortes,

therapeutisches Potential (subselektive Embolisation)

• Koloskopie– Während Blutung mit Behandlung der Blutungsquelle (sehr effektiv bez.

Rezidivblutung, häufig aber ineffektiv wegen fehlender Sicht)– Da Blutung meist spontan stoppt, auf jeden Fall elektiv zum Ausschluss

einer anderen Blutungsquelle (z.B. Carzinom)

Divertikelblutung (1)

blutendes Gefäss

Divertikelblutung (2)

Endoskopisch kann es auch so aussehen !

Divertikelblutung (3)

Differentialdiagnoseder unteren GI-Blutung

Differentialdiagnoseder unteren GI-Blutung (seltene Ursachen)

Ursache und Pathogenese (1)• Mangel an faserreicher Kost (1)

– Ausgeprägte geographische Variabilität [Painter & Burkitt, 1971]:

– Vergleich von Stuhlgewichten und Stuhltransitzeiten zwischen Individuen in England (wenig Fasern essend) und Uganda (sehr viele Fasern essend) (n = >1200) [Burkitt et al, 1972]:

<1%Rechts

zunehmend

5-45%Links (Sigma)

zunehmend

PrävalenzLokalisation vorwiegendHäufigkeit

Asien/AfrikaWesten

34 h80 hTransitzeit

450 g/Tag110 g/TagStuhlgewichtUgandaEngland

⇒ Erhöhter intraluminaler Druck

Ursache und Pathogenese (2)

• Mangel an faserreicher Kost (2)– Vegetarier haben seltener Divertikel als Nicht-Vegetarier

[Miettinen & Tarpila, 1978]

– Assoziation zwischen Adipositas und Divertikel bei Männern unter 40 Jahren [Schauer et al, 1992]

– Kohortenstudie an 43‘881 männlichen, im Gesundheitswesen arbeitenden Amerikanern [Aldoori et al, 1998]: Relatives Risiko,an symptomatischer Divertikulose (v.a. Divertikulitis) zu erkranken, steigt bei faserarmer Kost um 2.4 bis 3.3!

– Tierexperimente an Ratten [Fischer et al, 1985]:• Unter faserarmer Kost: 45% der Ratten entwickeln eine Divertikulose• Unter faserreicher Kost: 9% der Ratten entwickeln eine Divertikulose

Ursache und Pathogenese (3)

• verminderter Kolonwandwiderstand• ws degenerativ bedingt, d.h. erworben (Auftreten altersabhängig ⇑)

[Mäkela et al, 1998]• möglicherweise auch genetische Prädisposition (vermehrtes und ver-

frühtes Auftreten von Divertikeln bei Ehlers-Danlos und Marfan-Syndrom) [Simpson et al, 2002]

• Motilitätsstörungen mit segmentalen Kontraktionen und intraluminalen Drucksteigerungen

• xx

ev. gesteigert durch Mangel an Faserstoffen in der Nahrung

[Stollman und Rasky, 2004]

Therapie bei unkomplizierter Divertikulose

• Asymptomatischer Patient (zufällig entdeckte Divertikulose):– Faserreiche Kost wahrscheinlich sinnvoll [Aldoori et al, 1994]– Nicht verdaubare Fasern von Früchten und Gemüsen

wahrscheinlich protektiver als Getreide-Fasern [Aldoori et al, 1998]

• Symptomatischer Patient:– Signifikante Reduktion der Symptome nach 3 Monaten faserreicher

Kost (n = 18) [Brodripp, 1977]– Keine wesentliche Verbesserung der Symptome, ausser Obstipation

(n = 58) [Ornstein, 1981]

Empfehlung: Erhöhung des Früchte/Gemüse-Konsums

Empfehlung: Erhöhung des Früchte/Gemüse-Konsums

Ballaststoffe (=Nahrungsfasern)

– pflanzliche Nahrungskomponenten, die nicht verdaut werden können (= nicht-Stärke Polysaccharide und Lignin)

– Funktion: Regulieren Dickdarmtransitzeit (Stuhl-passagezeit), erhöhen die Stuhlmasse/-frequenz („Ballastfunktion“)

– Unerwünschte Wirkungen: Blähungen, ev. Mal-absorption von Vitaminen und Spurenelementen (bei normaler Ernährung allerdings keine Bedeutung)

Ballaststoffe

HaferkleieHafermehlBohnenErbsenReiskleieGersteZitrrusfrüchteApfelmarkErdbeerenKartoffeln

Weizen und VollkornprodukteWeizenkleieRoggenVollkornreisApfelschaleKohlKarottenRosenkohlRübeBlumenkohl

GummiMucilageneBest. Pektine und Hemizellulose

LigninZelluloseBest. Pektine und Hemizellulose

Lösliche Nahrungsafasern

Nicht lösliche Nahrungsfasern

Nebenbei: weitere günstige Effekte der Ballaststoffe

• bei Uebergewicht– Rascheres Sättigungsgefühl

• bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)– Stärkeabbau ⇓, Glucoseabsorption ⇓

• bei Koronarer Herzkrankheit, Gallensteinen– Cholesterin- und Gallensäurenabsorption ⇓

• bei Verstopfung– Stuhlgewicht ⇑

• Dickdarmkrebsprophylaxe

Therapie bei komplizierter Divertikulose (Divertikulitis)

• Hospitalisation ?• Flüssige, leichte Kost• Breitsprektrum-Antibiotikum mit Aktivität gegen Anärobier und

gram-negative Keime (speziell: E.coli und Bacteroides fragilis)– Besserung meist nach 2-3 Tagen– Therapiedauer (7) – 10 Tage

• Nicht-Ansprechen auf konservative Therapie:– Suche nach Komplikationen– Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose– Chirurgisches Konsilium ⇒ chirurgische Therapie in 15-30%

• Chirurgische Therapie

Risiken der Divertikulitis (1)

7 – 45%>50%

4 – 10%2.5 – 36.8%

Rezidiv nach 1. AttackeRezidiv nach 2. AttackeRezidiv nach ResektionLetalität der Resektion

⇒ Wiederholte Attacken (Rezidive)

Wong et al, 2000; Benn et al, 1984

Risiken der Divertikulitis (2)

91Tod wegen Komplikation372Rezidiv/Komplikation

Keine Resektion(n = 43)

Resektion(n = 77)

Farmakis et al, 1994

Klinische Beobachtung von 120 Patienten mit komplizierter Divertikulitis über 5 Jahre

Operationsindikationen bei Divertikulitis

• >2 unkompl. Schübe• 1. Schwerer oder kompl.

Schub (?)• 1. Schub bei Alter <40

Jahre (?)• Chronische Obstruktion• Fistel• Persistierender

Carzinomverdacht

• Freie Perforation mit diffuser Peritonitis

• Nicht-drainierbarer Abszess

• Versagen der konservativen Therapie

• Unkontrollierbare Sepsis

ElektivNofallmässig

Operationsverfahren bei Sigmadivertikulitis

Prinzipien der operativen Technik im Notfall

• Schwere der Erkrankung bestimmt die Verfahrenswahl– Hartmann-Operation– Primäre Anastomose

• Peritonitis-Behandlung im Vordergrund• Keine grossen Resektionsausmasse oder

Gewebstraumata• Resektion und Anus praeter (AP)• Primäre Resektion und Anastomose m/o AP als

Ausnahme• Anterograde Colonspühlung

Prinzipien der operativen Technik bei elektiven Operationen

• Entfernung des verdickten, entzündlichen Darmabschnittes

• Präparation nahe an der Kolonwand• Keine Resektion aller divertikeltragenden

Kolonabschnitte• Resektion des Sigmas• Anastomose des Kolons im oberen

Rektumdrittel

Therapie der Divertikelblutung• Kreislaufstützung (Volumen, Blutkonserven)• Meist selbstlimitierend, danach aber unbedingt

Koloskopie zum Ausschluss einer anderen Blutungsursache (z.B. Coloncarzinom, Angiodysplasie)

• Notfallkoloskopie bei schwerer Blutung nach Präparation mit Elektrolytlösung– Unterspritzung mit Adrenalin, Cauterisation (Goldprobe,

Argon-Beamer), Clipping

• Angiographie mit subselektiver Embolisationdes blutenden Gefässes

• Operation (Segmentresektion vs. subtotale Kolektomie)

Endoskopische Blutstillung

Clipping

Adrenalin-Injektion und Cauterisation

Take-home Messages• Divertikulose ist eine sog. „Zivilisationskrankheit“ und hat

ein erhebliches Krankheitspotential mit enormen Gesund-heitskosten

• Komplikationen bei 30% der Befallenen (Divertikulitis,Divertikelblutung)

• Therapie in erster Linie konservativ, bei Nicht-Ansprechen Suche nach Komplikationen

• Operation nur bei schweren, rezidivierenden Verläufen und bei Komplikationen (Abszess, Peroration mit Peritonitis, Fistel, Obstruktion), wenn immer möglich elektiv

• Empfehlung für die Prophylaxe:– Regelmässige Einnahme von Früchten und Gemüsen– Regelmässige genügende Flüssigkeitsaufnahme– Sportliche Betätigung

Danke für die Aufmerksamkeit!