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13 Die Geographie ist als Disziplin sowohl den Natur- als auch den Geisteswissen- schaften zuzuordnen. Ihr Spektrum greift in beide wissenschaftliche Hemisphären hinein. Allerdings sind durch die frühere Verwissenschaftlichung des naturwissen- schaftlichen Astes innerfachliche Transfers des geowissenschaftlichen Forschungs- stils in die kultur- und sozialwissenschaftliche Geographie erfolgt, so dass eine isolierte Darstellung der Wissenschaftsgeschichte der Geographie des Menschen Fehlinterpretationen zur Folge hätte. Aus der Sicht der Geographie ist die menschliche Gesellschaft an den Planeten Erde gebunden. Welche Ideologie auch immer diese Mensch-Umwelt-Relation aufgrund der technologischen Entwicklung und der zeitspezifischen geistigen Strömungen haben mag, so bleibt sie doch für alle globalen Fragen des Faches maßgebend. Die Geographie ist ein altes und überaus komplexes Fach, das letzte Fach, das in den abgelaufenen 150 Jahren nicht nur eine Aufspaltung in Sektoren, sondern in immer kleinere Teilstücke erfahren hat. Ihre Fachvertreter sind zum Unter- schied von den Vertretern der systematischen Disziplinen mit dem immanenten Nachteil konfrontiert, dass das Informations- und Forschungsterrain durch die drei Dimensionen von Raum, Zeit und sachlichen Bezügen definiert wird. Die- ser Informationsraum des Faches ist nun äußerst ungleichmäßig besetzt. Es sind große Leerräume vorhanden, die als Unterbrecher wirken, andererseits kommt es in manchen Bereichen zur Ballung und Intensivierung von Kontakten, wobei gegenwärtig – dem individualistischen Zeitgeist entsprechend und weltweit über Zitierkartelle ausstilisiert – die Kleingruppenbildung fortschreitet und globale Fragen vergessen werden. Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft im Spiegel der Institutionspolitik und Biographieforschung Elisabeth Lichtenberger Präambel * Vom Großstaat der k.u.k. Monarchie zum Kleinstaat der Zweiten Republik *) Die vorliegende Fassung ist ein überarbeiteter und erweiterter Abdruck einer Abhandlung, welche in dem von Karl ACHAM herausgegebenen Sammelwerk: „Geschichte der österreichischen Human- wissenschaften“ in Band 2: „Lebensraum und Organismus des Menschen“ im Jahr 2000 beim Pas- sagen Verlag Wien, unter dem Titel „Geographie“ erschienen ist. Sie wurde im Juli 2008 abgeschlos- sen. Unter Bezug auf die institutionelle und die generationale Perspektive wurde der Titel geändert und ein Kapitel über die institutionelle Sonderstellung Österreichs hinsichtlich der Konsequenzen des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 aufgenommen. Diese sogenannte „Lex Firnberg“ gehört zwar aufgrund des 2002 erlassenen neuen Universitätsorganisationsgesetzes der Vergangenheit an, hat jedoch ein schweres Erbe hinsichtlich der universitären Forschung hinterlassen. Zur Sonder- stellung Österreichs zählt ebenso die an den östlichen Staaten Europas orientierte sehr bedeutende und synchron zur Lex Firnberg ausgebaute Forschungslandschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zu der auch geographische Einrichtungen zählen. I. Tendenzen der Fachentwicklung seit dem 19. Jahrhundert II. Die politisch-institutionellen Perioden der Wissenschaftsentwicklung in Österreich III. Generationsfolgen und Schulen IV. Die Chancen der geographischen Forschung in einem Kleinstaat V. Die institutionelle Sonderstellung der Österreichischen Geographie. Rückblick und Ausblick.

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Die Geographie ist als Disziplin sowohl den Natur- als auch den Geisteswissen-

schaften zuzuordnen. Ihr Spektrum greift in beide wissenschaftliche Hemisphären

hinein. Allerdings sind durch die frühere Verwissenschaftlichung des naturwissen-

schaftlichen Astes innerfachliche Transfers des geowissenschaftlichen Forschungs-

stils in die kultur- und sozialwissenschaftliche Geographie erfolgt, so dass eine

isolierte Darstellung der Wissenschaftsgeschichte der Geographie des Menschen

Fehlinterpretationen zur Folge hätte.

Aus der Sicht der Geographie ist die menschliche Gesellschaft an den Planeten

Erde gebunden. Welche Ideologie auch immer diese Mensch-Umwelt-Relation

aufgrund der technologischen Entwicklung und der zeitspezifischen geistigen

Strömungen haben mag, so bleibt sie doch für alle globalen Fragen des Faches

maßgebend.

Die Geographie ist ein altes und überaus komplexes Fach, das letzte Fach, das

in den abgelaufenen 150 Jahren nicht nur eine Aufspaltung in Sektoren, sondern

in immer kleinere Teilstücke erfahren hat. Ihre Fachvertreter sind zum Unter-

schied von den Vertretern der systematischen Disziplinen mit dem immanenten

Nachteil konfrontiert, dass das Informations- und Forschungsterrain durch die

drei Dimensionen von Raum, Zeit und sachlichen Bezügen definiert wird. Die-

ser Informationsraum des Faches ist nun äußerst ungleichmäßig besetzt. Es sind

große Leerräume vorhanden, die als Unterbrecher wirken, andererseits kommt

es in manchen Bereichen zur Ballung und Intensivierung von Kontakten, wobei

gegenwärtig – dem individualistischen Zeitgeist entsprechend und weltweit über

Zitierkartelle ausstilisiert – die Kleingruppenbildung fortschreitet und globale

Fragen vergessen werden.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft im Spiegel der Institutionspolitik und Biographieforschung

Elisabeth Lichtenberger

Präambel*

Vom Großstaat der k.u.k. Monarchie zum Kleinstaat der Zweiten Republik

*) Die vorliegende Fassung ist ein überarbeiteter und erweiterter Abdruck einer Abhandlung, welche in dem von Karl ACHAM herausgegebenen Sammelwerk: „Geschichte der österreichischen Human-wissenschaften“ in Band 2: „Lebensraum und Organismus des Menschen“ im Jahr 2000 beim Pas-sagen Verlag Wien, unter dem Titel „Geographie“ erschienen ist. Sie wurde im Juli 2008 abgeschlos-sen. Unter Bezug auf die institutionelle und die generationale Perspektive wurde der Titel geändert und ein Kapitel über die institutionelle Sonderstellung Österreichs hinsichtlich der Konsequenzen

des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 aufgenommen. Diese sogenannte „Lex Firnberg“ gehört zwar aufgrund des 2002 erlassenen neuen Universitätsorganisationsgesetzes der Vergangenheit an, hat jedoch ein schweres Erbe hinsichtlich der universitären Forschung hinterlassen. Zur Sonder-stellung Österreichs zählt ebenso die an den östlichen Staaten Europas orientierte sehr bedeutende und synchron zur Lex Firnberg ausgebaute Forschungslandschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zu der auch geographische Einrichtungen zählen.

I. Tendenzen der Fachentwicklung seit dem 19. JahrhundertII. Die politisch-institutionellen Perioden der Wissenschaftsentwicklung in ÖsterreichIII. Generationsfolgen und SchulenIV. Die Chancen der geographischen Forschung in einem KleinstaatV. Die institutionelle Sonderstellung der Österreichischen Geographie.

Rückblick und Ausblick.

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Es ist daher ein äußerst schwieriges Unterfangen, eine Wissenschaftsgeschichte

der Geographie in Österreich zu schreiben. Als Grundlage für die Aussagen wur-

den die Würdigungen und Nachrufe aller österreichischen Universitätsprofes-

soren bis zum Geburtsjahrgang 1928 herangezogen. Folgende Leitthemen ordnen

das vorhandene Kaleidoskop an Informationen:

1. Welche generellen Tendenzen haben die Fachentwicklung in diesem Zeitraum

geprägt?

2. Welche Effekte hatte der politische Zusammenbruch der Donaumonarchie,

des größten Staates Europas nach Russland? Welche Reduzierung hat das For-

schungspotential des Faches im österreichischen Kleinstaat in der Ersten und

Zweiten Republik erfahren?

3. Welche Schulen wurden dem HUMBOLDTschen Universitätsideal folgend be-

gründet? Wer sind die Gründerfiguren gewesen? Welche Forschungsstränge

sind von Österreich ausgegangen?

4. Die Schlussfragen lauten: Worin besteht das spezifische Forschungsprofil der

Geographie in der österreichischen Wissenschaftslandschaft? Welche Chan-

cen hat die Geographie in Österreich, im gegenwärtigen Prozess der Globali-

sierung mitzuhalten?

I. Tendenzen der Fachentwicklung seit dem 19. Jahrhundert

1. Überblick

Die abgelaufenen eineinhalb Jahrhunderte der Fachentwicklung in der Geogra-

phie folgten vier Tendenzen:

1. Aus der „Frontierdisziplin“ im Entdeckungszeitalter der Erde entstand schritt-

weise eine „Normaldisziplin“.

2. Hinsichtlich der Erforschung der Beziehung zwischen der natürlichen Um-

welt – der Erde – und dem Menschen kam es zu einer Umdrehung der Sicht-

weise.

3. Im gleichen Zeitraum hat sich die Geographie in Subdisziplinen aufgespaltet

und das Verhältnis des Faches zu den Nachbardisziplinen geändert.

4. Die Rangordnung in der geographischen Forschung hat sich zwischen den

großen Sprachräumen verschoben. Der deutsche Sprachraum musste sei-

ne Führungsposition nach dem Zweiten Weltkrieg an den angelsächsischen

Sprachraum abgeben.

Die Geographie ist keine Wissenschaft im elfenbeinernen Turm, sondern hat

aufgrund ihres räumlichen Bezugssystems stets vier außerwissenschaftliche

Funktionen von allerdings wechselnder Bedeutung besessen, von denen Rück-

koppelungseffekte auf die wissenschaftlichen Fragestellungen ausgegangen sind:

1. Die Geographie war stets ein politisches Fach und aufgrund ihrer system-

stabilisierenden und -erhaltenden Funktionen als Bildungsdisziplin von den

jeweils aktuellen politischen Ideologien abhängig.

2. Die Geographie war stets auch ein geostrategisch und damit militärisch wich-

tiges Fach. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden auf beiden Seiten Geographen

als Experten bei den Friedensverträgen herangezogen.1 Im Zweiten Weltkrieg

waren Geographen in den Forschungsstaffeln der deutschen Wehrmacht, aber

ebenso bei den Alliierten tätig.

3. Die Geographie hat stets Informationsaufgaben für die Wirtschaft und die

Medien wahrgenommen. Geographen hatten daher früh Schlüsselpositionen

bei Verlagen inne. Umgekehrt haben Verlage „Geographische Reihen“ heraus-

gebracht.

4. Als für die „Ordnung des Raumes“ zuständige Disziplin hat sich die „Raum-

forschung“ als ein wichtiger interdisziplinärer Bereich, der in Österreich von

Geographen begründet und aufgebaut wurde, zwischen Wissenschaft, Politik

und Technik entwickelt.

2. Die Frontierdisziplin Geographie und das Ende des Zeitalters der Entdeckungen

Die Geographie war als Entdeckungswissenschaft der Erde im 19. Jahrhundert

eine „Frontierdisziplin“. Aus dieser Positionierung im damaligen Forschungsfeld

der Disziplinen resultierten Merkmale, welche stets wissenschaftlichen Frontier-

disziplinen eigen sind: Interdisziplinarität, Interesse der politischen Entschei-

dungsträger und öffentliches Ansehen.2

Das Merkmal der Interdisziplinarität bedeutete, dass einerseits der Bereich

der geowissenschaftlichen Geographie und andererseits der Bereich der „histo-

rischen Geographie“ ohne Abgrenzung mit anderen Wissenschaften, den Geo-

1) Im Büro der Geographical Society in New York wurden von dem amerikanischen Geographen BOWMANN die Unterlagen für die Aufteilung der Habsburgermonarchie ausgearbeitet, wobei Kar-ten des serbischen Geographen J. CVIJICS die Strukturierung der Nachfolgestaaten, vor allem die von Jugoslawien, entscheidend mitbestimmt haben. Auf österreichischer Seite war zwar der Geograph Robert SIEGER bei den Friedensverhandlungen anwesend, doch blieb ihm ein Erfolg verwehrt.

2) Das wissenschaftliche Ansehen des Faches sei mit zwei Eckdaten belegt: 1871 fand der erste in-ternationale Geographenkongress in Antwerpen statt; 1922, knapp nach Beginn der Periode des Völkerbundes, wurde die IGU (Internationale Geographische Union) gegründet.

Elisabeth Lichtenberger

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wissenschaften bzw. den Geistes- und Kulturwissenschaften, verbunden und ein

Karrierewechsel über Fachgrenzen hinweg für Hochbegabte möglich war (vgl.

Kap. III 2 und III 3).

Das Entdeckungszeitalter wird im Allgemeinen mit dem Zeitalter der Euro-

päisierung der Erde und der Kolonialisierung gleichgesetzt. Österreich, seit 1867

die österreichisch-ungarische Monarchie, war zwar der größte Staat des Konti-

nents nach Russland, hat jedoch niemals Kolonien besessen. Österreichische For-

schungsreisende haben daher immer für andere Staaten geforscht und sind nicht

selten in fremde Kolonialdienste getreten, in spanische, portugiesische, englische,

angloägyptische, belgische und in solche des Deutschen Reiches. In der doku-

mentarischen Veröffentlichung von Hugo HASSINGER „Der Anteil Österreichs an

der Erforschung der Erde“ sind die Einzelheiten der räumlich und sachlich weit

gestreuten Partizipation Österreichs an der Beseitigung der „weißen Flecken auf

der Landkarte“ nachzulesen. Die großen Forschungsreisen begannen in Öster-

reich überdies nicht mit der Zielsetzung der Entdeckung von Neuland, sondern

sie erfolgten seit dem 18. Jahrhundert im Auftrag des Kaiserhauses und dienten

der Vermehrung der kaiserlichen Sammlungen.3 In der zweiten Hälfte des 19.

Jahrhunderts wurden die überseeischen Forschungen unter der Mitwirkung der

Kriegsmarine durchgeführt. Dabei war die bekannte „Novara-Expedition“ vom

30. April 1857 bis 30. August 1859 keineswegs die erste Erdumsegelung, sondern

sie folgte dem Beispiel anderer Staaten.4 Der Schwerpunkt des Unternehmens lag

auf der akribischen geographisch-enzyklopädischen Aufnahme der Sachverhalte

in den angesteuerten Häfen.5

Auch die beiden österreichischen Polarexpeditionen (1872–1874 und 1882/83)

sind wesentlich unter Mitwirkung der Kriegsmarine zustande gekommen. Die

Entdeckung des Franz Joseph Landes 1873 ist der PAYER-WEYPRECHT-Expediti-

on zu verdanken. Die ozeanographische Erforschung des östlichen Mittelmeer-

beckens und des Roten Meeres wurde durch die „Pola“ (1890–1898) durchgeführt.

3) Von dem kaiserlichen Auftrag (1755) an Nikolaus Josef JACQUIN (1727–1817) profitierte die Bota-nik. JACQUIN hat sich 1752 als Arzt in Wien niedergelassen und wurde 1753 zum Direktor des neu gegründeten Botanischen Gartens in Schönbrunn und zum Professor der Botanik und Chemie an der Universität bestellt. Es entstand seine „Flora Austriaca“ (Wien 1773–1778) in fünf Bänden mit 500 kolorierten Karten.

4) Britische Fregatte „Herald“, 1845–1851; dänische Fregatte „Galatea“, 1845–1848; schwedische Fre-gatte „Eugenie“, 1851–1853; Vereinigte Staaten von Nordamerika Expeditions-Escadre 1853–1855; vgl. MÖGG 1857, Ausführungen des Freiherrn von REDEN, S. 20. Das Kommando der Novara hatte WÜLLERSTORF-URBAIR, der auch die ozeanographischen und meteorologischen Beobachtungen leitete. Route: Madeira–Rio de Janeiro–Kapstadt–Neu-Amsterdam–Ceylon–Singapur–Batavia–Manila–Hongkong–Shanghai–Sydney–Oakland–Tahiti–Valparaiso.

5) Vgl. F. W. von REDEN in MÖGG 1857, S. 21: „Als Hauptaufgabe betrachte ich das Studium der auf ihrer Reise berührten Theile der Erde, in Beziehung auf deren natürliche Beschaffenheit, Bewohner, Erwerbs- und Verkehrsverhältnisse.“

Die geplante Antarktis-Expedition von Graf WILCZEK scheiterte infolge des Aus-

bruchs des Ersten Weltkrieges. Das von Deutschland gekaufte Expeditionsschiff

„Gauß“, dessen Ausrüstung die Geographische Gesellschaft finanziert hatte, lag

aufbruchsbereit im Hafen von Triest, als mit den Schüssen von Sarajevo die lange

Friedenszeit des liberalen Zeitalters zu Ende ging.

Es ist einsichtig, dass das Fehlen von Kolonien eine verstärkte Binnensicht zur

Folge hatte. Doch profitierten davon in erster Linie die museal verankerten Fächer

wie die Völkerkunde und Volkskunde6 sowie die bereits in der Mitte des 18. Jahr-

hunderts universitär etablierte Botanik.7 Das sogenannte „Kronprinzenwerk“, die

15-bändige Deskription der „Monarchie in Wort und Bild“, kann das Verdienst

einer breiten Illustrationssammlung für sich in Anspruch nehmen.8 Darin spiegelt

sich die von Kaiserhaus und Adel unterstützte Sammeltätigkeit von Objekten für

Museen wie das k.u.k. Naturhistori sche Hofmuseum, das Museum für Völkerkun-

de und das Museum für Österreichische Volkskunde wider.9

Eine Länderkunde der Monarchie kam in dem Vielvölkerstaat nicht mehr zu-

stande. Die Absicht von Albrecht PENCK, eine zu schreiben, gelangte aufgrund

seiner Berufung nach Berlin nicht zur Ausführung.10 Die österreichische und die

ungarische Reichshälfte separierten sich seit dem Ausgleich mit Ungarn 1867

nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern auch in der Wissenschaftspolitik. Die

wichtige Institution des statistischen Dienstes wurde geteilt. Der Vielvölkerstaat

der Monarchie war nicht imstande, eine reichsübergreifende institutionelle Infor-

mationsstruktur für die wissenschaftlichen Disziplinen zu schaffen. Dies galt auch

für das Fach Geographie.11

Der Zerfall der Monarchie 1918 beendete die Existenz des Großreiches, nicht

jedoch das Ende des Entdeckungszeitalters. Einzelne Österreicher haben bis

6) Die Völkerkunde der Monarchie wurde in den grundlegenden Werken des Freiherrn von CZOERNIG „Ethnographie der Österreichischen Monarchie“, 3 Bände, Wien 1855–1857, und Adolf FICKERs „Die Völkerstämme der österreichisch-ungarischen Monarchie“, Wien 1869, sowie in den großen Sammelwerken „Die Völker Österreich-Ungarns“(15 Bände, Teschen 1881–1889) ausführlich be-handelt.

7) Die Pflanzengeographie Österreich-Ungarns hat Antont KERNER von MARILAUN begründet.8) „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild.“ Auf Anregung und unter Mitwir-

kung des Kronprinzen Rudolf, Verlag der Kaiserlich-Königlichen Hof- und Staatsdruckerei, Graz, 1888–1891.

9) Seine Gründung geht auf Michael HABERLANDT, einen Schüler von Albrecht PENCK und Eugen OBERHUMMER, zurück.

10) Das kleine Goeschen-Bändchen von A. GRUND über die österreichisch-ungarische Monarchie bie-tet nur eine erste Information.

11) In diesem Zusammenhang erscheint von Interesse, dass Eduard BRÜCKNER als Rektor der Univer-sität Bern den 5. Internationalen Geographenkongress 1891 in die Schweiz, Albrecht PENCK im gleichen Jahr den Deutschen Geographentag nach Wien geholt haben. 1912 hat Albrecht PENCK als Vorsitzender des Zentralausschusses von Berlin aus den Deutschen Geographentag unter dem Vorsitz Franz von WIESERs nach Innsbruck gebracht.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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herauf in die Nachkriegszeit beachtliche Leistungen vollbracht. Verwiesen sei auf

Alphons GABRIELs Querung der Wüste Lut, die topographischen Aufnahmen von

Hans BOBEK im Elbursgebirge, und vor allem auf Hermann von WISSMANNS For-

schungen in Arabien und in China.12

3. Die Änderung der Basisideologien in der Mensch-Umwelt-Relation

In der Brückenfunktion der Geographie zwischen den Geowissenschaften und

den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften (konkret: in der Erforschung der

Beziehung zwischen der natürlichen Umwelt – der Erde – und dem Menschen)

haben sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Sichtweisen grundlegend geän-

dert. Schiebt man die teleologische Perspektive von Carl RITTER, dem Begründer

der Länderkunde, beiseite, der die Erde als „Erziehungshaus für die Menschheit“

aufgefasst hat, so war die Weltsicht im 19. Jahrhundert weitgehend vom Determi-

nismus, d.h. der Auffassung von der Bestimmung des Menschen durch die natür-

liche Umwelt, geprägt.

Der erste Ausbruch aus der deterministischen Interpretation erfolgte in Rich-

tung auf einen Possibilismus durch die Kulturkreislehre Friedrich RATZELs, welche

von großem Einfluss auf alle Kulturwissenschaften gewesen ist, wonach Innovati-

on und Diffusion von Phänomenen als selbststeuernde Prozesse aufzufassen sind.

Hugo HASSINGER hat in seinem Werk über „Die Geographie des Menschen“ den Ein-

fluss der Naturlandschaft auf den Menschen (physische und psychische Anthropo-

geographie) und den Einfluss des Menschen auf die Naturlandschaft und ihre Um-

gestaltung zur Kulturlandschaft unterschieden. Ohne es explizit auszuführen, hat

die sozialgeographische Kulturstufenlehre von Hans BOBEK bereits den Gedanken

der schrittweisen Emanzipation von der natürlichen Umwelt enthalten.

Inzwischen ist eine weitere Veränderung erfolgt. Die wissenschaftliche Frage

lautet nicht mehr, welcher Wandel hat sich von der Naturlandschaft zur Kultur-

landschaft vollzogen, wie dies noch bis herauf in die 1960er Jahre der Fall war, son-

dern im Gefolge der grünen Bewegung und der globalen Modelle wird nunmehr

die Zerstörung der biologischen Umwelt auf der Erde durch den Menschen in

12) Hermann von WISSMANN war einer der letzten Forschungsreisenden, der noch im Stil des zweiten Entdeckungszeitalters in langen Karawanenreisen das Gesehene mit Bussole, Schrittmaß und Zei-chenstift festgehalten hat. Hingewiesen sei noch auf den Kartographen Erik ARNBERGER, der sich vor der Welle des Tourismus in die Inselwelt des Indischen und Pazifischen Ozeans hineinbegeben hat und dessen posthum von seiner Frau Hertha ARNBERGER herausgegebenes Werk über „Die tro-pischen Inseln des Indischen und Pazifischen Ozeans“ (Deuticke, Wien 1988) einen Überblick über 38.000 Inseln bietet. Die englische Übersetzung ist im Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erschienen.

das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Während sich die menschliche Gesell-

schaft in den entwickelten Staaten zum Teil ein künstliches Klima der Behausung

und Umwelt schaffen konnte, haben Vegetation und Tierwelt tiefgreifende globale

Zerstörungen erfahren, Wasser und Luft sind durch Emissionen der modernen

Industrien und Technologien bedroht.

4. Die Änderung der Position zu den Nachbardisziplinen

Immanuel KANT hat im preußischen Staat in den Jahren 1757 bis 1797 29-mal

sein Bildungskolleg „Physische Geographie“ gelesen. Zitieren wir KANT: „Die Geo-

graphie betrifft Erscheinungen, die sich, in Ansehung des Raums, zu gleicher Zeit er-

eignen. Nach den verschiedenen Gegenständen, mit denen sie sich beschäftigt, erhält

sie verschiedene Namen. Demzufolge heißt sie bald die physische, die mathematische,

die politische, bald die moralische, die theologische, litterarische oder mercantilische

Geographie. Die Geschichte desjenigen, was zu verschiedenen Zeiten geschieht, und

welches die eigentliche Historie ist, ist nichts anders als eine continuierliche Geogra-

phie, daher es eine der größten historischen Unvollständigkeiten ist, wenn man nicht

weiß, an welchem Orte etwas geschehen sei, oder welche Beschaffenheit es damit ge-

habt habe. Die Historie ist also von der Geographie nur in Ansehung des Raumes

und der Zeit verschieden. Wir können aber beides, Geschichte und Geographie, auch

gleichmäßig eine Beschreibung nennen, doch mit dem Unterschiede, daß erstere

eine Beschreibung der Zeit, letztere eine Beschreibung dem Raume nach ist“.13 Die

KANTsche Definition der Geographie als Raumwissenschaft und ihre Trennung

von der Geschichte bieten den Einstieg für eine Reihe von Aussagen.

Die Trennung von raum- und sachspezifischer Forschung

Die Trennung zwischen raum- und sachspezifischer Forschung lässt sich, wie

die Wissenschaftsgeschichte belegt, nicht mittels wissenschaftstheoretischer Krite-

rien festlegen, sondern vollzieht sich in Abhängigkeit von den wissenschaftlichen

Organisationsformen des jeweiligen politischen Systems und der darin agierenden

Wissenschafter in den großen Sprachräumen der entwickelten Welt in recht unter-

schiedlicher Weise. Sie folgt nämlich nicht zwangsläufig einer bestimmten Raum-

bzw. Sachlogik, sondern ist von den Persönlichkeiten abhängig, welche imstan-

de sind, zwischen Raum- und Sachthematik gelegene Forschungsstrukturen zu

schaffen und institutionell zu verankern.

Es bestehen beachtliche Unterschiede zwischen der deutschen und der nord-

amerikanischen Geographie, und zwar in der physischen Geographie durch die

13) BECK 1973, S. 163.

Elisabeth Lichtenberger

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frühe Verselbständigung der Morphologie von der Geologie und in der Geogra-

phie des Menschen durch die Begründung der geographischen Stadtforschung an

der Schnittstelle zur Architekturgeschichte und zum Städtebau sowie durch die

Separierung der Sozialgeographie von der Soziologie.

Die Aufspaltung des Faches in Teildisziplinen

Die Fachentwicklung ist seit KANT durch eine schrittweise Verwissenschaftli-

chung gekennzeichnet. Die Geographie löste sich als letztes großes Fach in ein-

zelne wissenschaftliche Teildisziplinen auf. Bei diesem Prozess ist die geowissen-

schaftliche Geographie vorangegangen, während der Vorgang der Aufspaltung des

humanwissenschaftlichen Teilbereiches in theoriegestützte Bestandteile bis zur

Gegenwart herauf anhält und noch nicht abgeschlossen ist.

Dieser Unterschied kann begründet werden: Alle Teilfächer der physischen Ge-

ographie, mit Ausnahme der Morphologie, verfügen über systematische natur-

wissenschaftliche Nachbardisziplinen. Im humanwissenschaftlichen Teilbereich

bestehen dagegen nur zwei „geowissenschaftlich“ fundierbare Subdisziplinen,

nämlich die Siedlungsgeographie (des ländlichen Raumes) und die Stadtgeogra-

phie. Letztere verfügt über eine sehr komplexe Forschungsstruktur und stellt die

theoretisch-methodisch am weitesten ausgebaute Subdisziplin des Faches dar. Sie

besitzt keine Nachbarwissenschaft, sondern nur eine technische Siedlungslehre als

Propädeutik an den Technischen Universitäten. Ebenso wie die Morphologie weist

sie eigene Theorien und Klassifikationssysteme auf. Dementsprechend ist auch

die Verselbständigung der geographischen Stadtforschung als internationales Fach

am weitesten fortgeschritten. Sie ist die Wachstumsdisziplin par excellence und

verfügt über ein breites Spektrum an Zeitschriften.

Die noch sehr stark in der Tradition der historischen Kulturlandschaftsfor-

schung verankerte Siedlungsgeographie ist mit dieser zu den historischen Diszi-

plinen „abgewandert“, wo sich ein interdisziplinärer, von Historikern dominierter

Verbund rings um die Zeitschrift „Siedlungsforschung“ entwickelt hat. Primär von

systematischen Nachbardisziplinen bestimmt sind dagegen die Bevölkerungsgeo-

graphie und die Wirtschaftsgeographie mit ihren Teilbereichen.14 „Neue“ human-

wissenschaftliche Geographien des Verhaltens, der Bildung sowie des Arbeits- und

Wohnungsmarktes sind durch den Import von Theorien aus Nachbardisziplinen

durch österreichische Geographen seit den 1970er Jahren begründet worden.15

14) Infolge der Einrichtung eines Ordinariats an der Exportakademie, der späteren Hochschule für Welthandel und der heutigen Wirtschaftsuniversität in Wien, ist schon früh eine Aufgabenteilung gegenüber den universitären Geographieinstituten eingetreten.

15) MEUSBURGER, Peter: Beiträge zur Geographie des Bildungs- und Qualifikationswesens. Regionale und soziale Unterschiede des Ausbildungsniveaus der österreichischen Bevölkerung. Innsbrucker

Der „geographische“ Maßstab

Die Frage des Raumes führt mit Notwendigkeit zur Frage, welcher Maßstab dem

Fach Geographie eigen ist. Beginnend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

bis herauf an die Schwelle der Gegenwart, wurde der geographische Maßstab mit

dem Landschaftsbegriff identifiziert und etwa mit dem Maßstab 1:25 000 gleich-

gesetzt. In dem genannten Zeitraum hat sich die Forschung in den physischen

Nachbardisziplinen der Geographie vom Makro- zum Mikromaßstab hin bewegt.

Diese Aussage gilt für die Vegetationsforschung, die Geologie, Petrographie, Mi-

neralogie und Bodenkunde. Technologische Fortschritte im Laboratorium, u.a.

das Elektronenmikroskop, haben hierzu entscheidend beigetragen. Damit liegt

die räumliche Bezugsebene bei der empirischen Analyse in den Nachbarwissen-

schaften vielfach tiefer als in den jeweiligen geographischen Teildisziplinen. Dies

führt dazu, dass physische Geographen überall dort, wo sich ihre systematischen

Kontrahenten bereits auf den Mikromaßstab zu bewegen, ebenfalls den For-

schungsmaßstab tiefer legen müssen bzw. „übersprungene“ und datenmäßig nicht

genutzte Räume besetzen.

Die Aussagen für die humanwissenschaftlichen Subdisziplinen und ihre Nach-

barfächer lauten anders. Bei diesen besteht eine deutliche Zweiteilung hinsichtlich

der Theoriehorizonte und des Forschungsmaßstabs. Zwei Disziplinen, nämlich

die Volkskunde und die Völkerkunde, haben sich bereits im 19. Jahrhundert klar

unterhalb des von der Humangeographie untersuchten Landschaftsmaßstabs im

Realobjektraum angesiedelt und eigene Forschungsclaims abgesteckt.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Zuge des Take-offs der

analytischen Geographie eine zweite Gruppe von Nachbarwissenschaften in engen

Kontakt mit der Geographie geraten. Ihre Hauptvertreter sind die Soziologie, die

Ökonomie und die Politologie. Ihre Theorien sind zum Großteil aräumlich bzw. be-

wegen sich dort, wo sie sich auf räumliche Einheiten beziehen, zumeist im kleinen

Maßstab von Staaten und Großregionen. Im Zuge der generellen Wissenschafts-

entwicklung folgen jedoch auch sie, allen voran die Soziologie, dem Trend zur For-

schungsarbeit in kleineren Räumen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Geoäste

der genannten Nachbardisziplinen tiefere räumliche Bezugsebenen erreichen wer-

den. Damit wird ein Druck auf die benachbarten Teildisziplinen der Geographie

ausgeübt, deren gegenwärtiges Problem darin besteht, dass sie, um Theorien aus

Geographische Studien 7, Innsbruck 1980. FASSMANN, Heinz: Arbeitsmarktsegmentation und Berufslaufbahnen. Ein Beitrag zur Arbeits-marktgeographie Österreichs. Beiträge zur Stadt und Regionalforschung 11, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1993. MATZNETTER, Walter: Wohnbauträger zwischen Staat und Markt. Strukturen des sozialen Woh-nungsbaus in Wien. Frankfurt a. M. u.a.: Campus, 1991.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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den Nachbarwissenschaften integrieren zu können, wie die Wirtschaftsgeographie

und teilweise auch die Sozialgeographie, den geographischen Maßstab verlassen

und eine höhere räumliche Bezugsebene als Forschungsebene wählen müssen, und

zwar diejenige, auf der diese Nachbarwissenschaften operieren.

Mit der Abbildung 1 wird das immanente Problem der Forschungsstruktur der

Geographie offengelegt, wonach die einzelnen Teildisziplinen aufgrund des not-

wendigen Konnexes mit den Nachbarwissenschaften in verschiedenen Maßstäben

arbeiten müssen. Nun wäre es unrichtig, der Geographie des Menschen ein sta-

tisches Verharren auf der Maßstabsleiste zuzuschreiben. Auch sie hat in der empi-

rischen Forschung die Maßstabsgrenzen in der Nachkriegszeit immer tiefer gelegt,

und zwar über den Katastermaßstab mit Parzellenschärfe zum Maßstab von 1:100

bei Haus- und Wohnungsgrundrissen. Es wurde eine Maßstabsgrenze erreicht,

welche sich nicht mehr von den Arbeitsmaßstäben der Architekten, Völker- und

Volkskundler unterscheidet.

In der Sozialgeographie haben sich die Untersuchungsobjekte von Sozial-

schichten über Sozialgruppen bis zu Individuen hin verschoben, gleichzeitig

wurden immer diffizilere Fragen aus den Sozialwissenschaften aufgegriffen, wie

Verhaltensmuster, Aktionsräume, Lebensläufe, Wohnketten usf., und damit an

der Nahtstelle zu den Sozialwissenschaften Terrains erreicht, bei denen sich die

grundsätzliche Frage stellt, ob und in welcher Weise räumliche Differenzierungen

besser von systematischen Nachbardisziplinen in eigenen Geoästen als Fragestel-

lungen aufgegriffen und bearbeitet werden bzw. ob und inwieweit systematische

Fragen bei einer Integration in die Humangeographie einer besseren Lösung zu-

geführt werden können. Es ist einsichtig, dass, solange das Verbundpotential von

geowissenschaftlicher und geistes- und kulturwissenschaftlicher Methodik von

Geographen genutzt wird, diese einen Vorteil überall dort besitzen, wo die Pro-

blemlösung das Wissen um räumliche Strukturen voraussetzt, wie dies u.a. bei

Fragen der Raumforschung der Fall ist.

Der Stellenwert von allgemeiner und regionaler Geographie

Die KANTsche Definition von der Geographie als Raumwissenschaft hat, ver-

stärkt durch ihre Funktion als Bildungsfach an der höheren Schule und in der

Öffentlichkeit, zur Auffassung geführt, dass die regionale Geographie, d.h. die

Länderkunde, „die Krönung des Faches“ darstellt. Derart wurde und wird die

Entstehung immer weiterer Subdisziplinen, d.h. „neuer Geographien“, von vie-

len Geographen mit Misstrauen betrachtet und abgelehnt. Andererseits ergab sich

aus der bildungs- und staatspolitischen Funktion der regionalen Geographie die

Notwendigkeit einer Popularisierung von Sachinhalten, welche die Vertreter von

Subdisziplinen vielfach dazu brachte, die regionale Geographie aufgrund „der Un-

wissenschaftlichkeit ihrer Deskriptionen und des fehlenden theoretischen Über-

baus“ abzulehnen.

In der Generationenfolge der universitären Geographie ist das Beispiel von

Norbert KREBS (1876–1947), dem Auslandsösterreicher und langjährigen Lehr-

kanzelinhaber in Berlin, anzuführen, der nahezu ausschließlich Länderkunden

geschrieben hat und für den die Länderkunde nicht Gegenstand einer metatheo-

retischen Diskussion, sondern in erster Linie ein Problem der Darstellung, d.h. der

Herausarbeitung der jeweils landesspezifischen Eigenart, gewesen ist. Umgekehrt

haben sich am Berliner Institut in Opposition zum Institutschef alle Dozenten

auf Teilgebiete der Geographie spezialisiert und neue Subdisziplinen geschaffen

und damit die ersten zwei Jahrzehnte der Nachkriegsentwicklung im deutschen

Sprachraum und darüber hinaus entscheidend bestimmt: Julius BÜDEL (1903–

1983) die Klimamorphologie, Carl TROLL (1899–1975) die Landschaftsökologie,

Hans BOBEK (1903–1990) die Sozialgeographie. Herbert LOUIS (1900–1985) eta-

blierte sich in der Strukturmorphologie und Anneliese KRENZLIN (1903–1993) in

der historischen Siedlungsgeographie.

Der Rückblick auf eineinhalb Jahrhunderte Fachgeschichte führt zur Aussage

eines generationsweisen Wechsels der Präferenzen zwischen allgemeiner und regi-

onaler Geographie. In Zeiten politischer Umbrüche bei gleichzeitig akkumuliertem

Human-geographie

PhysischeGeographie

Geographischer Maßstab(Landschaft)

aktueller Theoriehorizont

Makromaßstab MikromaßstabSystematischeDisziplinen

Siedlungs-geographie

Morphologie

Abbildung 1: Geographischer Maßstab und aktuelle Theorie-horizonte von Nachbar-disziplinen der Geographie (Quelle: Lichtenberger, 1985, S. 64)

Elisabeth Lichtenberger

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19

neuem Wissen in den allgemeinen Disziplinen gehört die Abfassung von Länder-

kunden zum Pflichtprogramm derjenigen, die über den Forschungsstand in den

Subdisziplinen Bescheid wissen und die regionale Darstellung als eine Aufgabe an-

sehen. Die Schaffung der Europäischen Union hat über den deutschen Sprachraum

hinaus an der Wende zum 21. Jahrhundert erneut eine Welle der Abfassung von

Länderkunden gebracht.16

II. Die politisch-institutionellen Perioden der Wissenschaftsentwicklung in Österreich

1. Einleitung

Jede Wissenschaft bedarf der Institutionen, um Stabilität und Kontinuität der

Forschung zu erhalten und den „Fortschritt durch Irrtum“ zu finanzieren. Die

Einrichtung von wissenschaftlichen Institutionen ist in den abgelaufenen zwei

Jahrhunderten eine Angelegenheit des Staates gewesen. Der Staat hat in Öster-

reich niemals das Informationsmonopol aus der Hand gegeben und auch die For-

schung entscheidend durch seine Bereitschaft und Möglichkeiten zur Einrichtung

und Finanzierung wissenschaftlicher Institutionen bestimmt. Eine Institutionsge-

schichte der Wissenschaften kann daher nur synchron zur politischen Geschichte

des Staates geschrieben werden. Diese Aussage schließt das Fach Geographie ein.

Entsprechend der politischen Entwicklung lassen sich vier Perioden der instituti-

onellen Fachentwicklung unterscheiden:

1. Die Vorphase des aufgeklärten Absolutismus der Habsburgermonarchie bis

zur Mitte des 19. Jahrhunderts schuf die Grundlagen, welche die geogra-

phische Forschung benötigt:

- exakte topographische Karten und

- statistische Daten über Bevölkerung, Siedlung und Wirtschaft.

Für diese Informationsblöcke entstanden die institutionellen Vorausset-

zungen einerseits durch die Militärkartographie und andererseits durch die

Einrichtung eines statistischen Dienstes.

2. Die liberale Gründerzeit war das Zeitalter der Industrialisierung und des

Bahnbaus sowie das Zeitalter der staatlichen Gründungen von wissenschaft-

lichen Institutionen, darunter auch von zahlreichen geographischen Lehr-

kanzeln.

16) Die wissenschaftliche Buchgesellschaft und der Verlag Klett in der Bundesrepublik Deutschland sowie der Verlag Reclus in Frankreich haben neue Reihen der Länderkunde eröffnet.

3. Der Zusammenbruch der Donaumonarchie, des größten Staates Europas, hat

alle Bereiche der Bevölkerung und Wirtschaft betroffen und änderte die „Wis-

senschaftslandschaft“ grundlegend. Alle wissenschaftlichen Einrichtungen

waren plötzlich zu groß dimensioniert und wurden in die Krise hineingeris-

sen. Die Erste Republik war ein krisengeschüttelter Kleinstaat. Bereits im Jahr

1934, dann wieder 1938 und schließlich 1945 sind universitäre Fachvertreter

in den Strudel politischer Ereignisse geraten.17

4. Die Zweite Republik konnte dank der ökonomischen Prosperität an der

universitären Gründungswelle der Nachkriegszeit in Europa partizipieren,

wobei durch die Gleichzeitigkeit einer egalitären Universitätsreform mit der

Vermehrung der universitären Dienstposten und der Gründung von außer-

universitären Forschungseinrichtungen spezifisch österreichische Lösungen

auch im Fach Geographie entstanden sind.

2. Die Vorphase bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Österreich hat sich am Kolonialzeitalter der europäischen Großmächte nicht

beteiligt. Es hatte im 18. und 19. Jahrhundert Aufbauarbeit in den weiten, z. T.

verwüsteten und siedlungsleeren Räumen der östlichen Reichshälfte zu leisten,

welche Jahrhunderte unter osmanischer Herrschaft gestanden hatten und „Ent-

wicklungshilfe“ für alle Bereiche der Wirtschaft ebenso benötigten wie den geord-

neten Ausbau von Siedlung und Verkehr. Beamtenstand und Militär bildeten die

Säulen für die Administration des Großreiches. Die akribische Durchführung der

statistischen Zählungen war ein Verdienst des Beamtenstandes, die Schaffung der

topographischen Grundlagen dasjenige der Ingenieursoffiziere.

Militärkartographische Aufnahmen

Die Errichtung der kaiserlichen Ingenieurakademien in Wien und Brüssel

(1717) bildete Marksteine für die Entwicklung einer wissenschaftlich begründeten

österreichischen Kartographie. Seit damals wurden in der Monarchie die topogra-

phischen Aufnahmen als Teil der Offiziersausbildung durchgeführt. Infolge der

räumlich weitgespannten Politik der Monarchie erlangte die Militärkartographie

Österreichs europäische Bedeutung, denn wo immer Heere des Kaiserreichs mar-

schierten, machten Ingenieursoffiziere Landesaufnahmen.18

17) 1934 Entlassung von METZ in Innsbruck, MACHATSCHEK in Wien; 1938 Außerdienststellung von SÖLCH, Selbstmord LICHTENECKERs, beides in Wien; 1945 Tod von LUZERNA in Prag.

18) Die Militärkartographie erhielt ihre geodätische Grundlage durch den Jesuitenpater Josef LIESGANIG, der Direktor der Wiener Sternwarte war. Auf Befehl MARIA THERESIAs maß er 1762 eine Dreieckbasis bei Wie-ner Neustadt, eine zweite in Marchfeld, 1769 zwei weitere Grundlinien in Ungarn. Ihm ist die erste Grad-messung auf deutschem Boden zu verdanken (Meridianbogen Brünn/Varazdin) (HASSINGER 1950, S. 98).

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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Die planmäßige Aufnahme aller österreichischen Länder auf Blättern 1:28.800

begann 1763 und dauerte bis 1787. Sie ist als Josephinische Aufnahme in die Ge-

schichte der Kartographie eingegangen.19 Ein Jahrhundert später folgte die von

Erzherzog Karl angeregte Francisceische Aufnahme im Katastermaßstab 1:2.880,

welche von 1860 bis 1869 ausgeführt wurde.20 Die Auswertung beider Aufnahmen

und der Vergleich mit Kartierungen im Gelände, um die Veränderungen der Kul-

turlandschaft zu untersuchen, gehören seit Hugo HASSINGER zum methodischen

Repertoire der österreichischen kulturgeographischen Forschung.

Mit der Aufnahme und Herausgabe der topographischen Karten in der Hoch-

gründerzeit (1873–1889) in den Maßstäben 1:25.000 und 1:75.000 für die gesamte

Monarchie hat das k.u.k. militärgeographische Institut eine außerordentliche Lei-

stung vollbracht, welche mit der Kartierung der Britischen Inseln und dem Riesen-

werk des Indienatlas in der langen Regierungszeit von Königin Viktoria verglichen

werden kann. Die Tätigkeit des Militärgeographischen Instituts hat sich nämlich

nicht auf die Monarchie beschränkt. Die sogenannte Generalkarte von Mitteleu-

ropa erstreckte sich im Maßstab 1:200.000 über ganz Italien, umfasste auch die

Balkanhalbinsel und reichte bis in die heutige Ukraine hinein.

Die Periode der Lexika

Bereits 100 Jahre vor der Einrichtung universitärer Institute, in der Periode des

aufgeklärten Absolutismus, hat die Monarchie die statistischen Grundlagen für

die politische Arithmetik geschaffen; eine Leistung, die nicht hoch genug ein-

zuschätzen ist. Synchron zu Katasterkarten, Stadtplänen und topographischen

Karten erfolgten topographisch genaue Zählungen der Siedlung, Bevölkerung

und Wirtschaft durch den statistischen Dienst. Sie bildeten die Grundlage für to-

pographische Lexika und Adressbücher, welche z.T. auch durch private Initiative

entstanden sind. Manufakturisten, Handels- und Gewerbetreibende sowie Unter-

nehmer waren die Interessenten.

Im folgenden seien nur die wichtigsten topographischen Lexika für den Gesamt-

staat genannt. Bereits 1782 wurde von F. G. HERMANN in Wien der wirtschaftlich

ausgerichtete „Abriß der physikalischen Beschaffenheit der österreichischen Staaten

und des gegenwärtigen Zustandes der Landwirtschaft, Gewerbe, Manufakturen,

Fabriken und Handlungen in denselben“ herausgegeben; 1787–1791 erschien das

19) Über 5.400 Originalblätter (Sektionen) dieses Werkes liegen im Wiener Kriegsarchiv. Die Sektions-blätter der josephinischen Karte sind aquarellierte Handzeichnungen, die lange Zeit streng geheim-gehalten wurden.

20) Das für ihre Zeit vorbildliche Werk der francisceischen Katasterkarte 1:2.880 mit ihren „Fassionen“ wurde ebenfalls nicht gedruckt.

sechsbändige „Handbuch des österreichischen Staates“ von Ignaz DE LUCA, Pro-

fessor der Statistik an der Universität Wien (1746–1799); das „Topographische

Postlexikon aller Ortschaften der kaiserlichen Erbländer“ in 24 Bänden wurde von

Christian CRUSIUS in Wien von 1798 bis 1828 herausgebracht. Der Begriff Geo-

graphie wurde zum ersten Mal von Max Josef Freiherr von LIECHTENSTERN für

das 1817/18 veröffentlichte dreibändige „Handbuch der neuesten Geographien des

österreichischen Kaiserstaates“ verwendet.

Eine zweite Reihe von landeskundlichen Monographien stammt aus dem Vor-

märz. G. W. BLUMENBACH verfasste ein dreibändiges Werk des Fabrik- und Ge-

werbewesens im österreichischen Kaiserstaat (Wien, 1819–1824). Sein populär-

wissenschaftliches Werk „Neueste Gemälde der österreichischen Monarchie“ (Wien,

1830–1833) erschien in verbesserter zweiter Auflage 1837 in drei Bänden. Franz

RAFFELSBERGER (1793–1861) veröffentlichte in Wien (1846–1853) das „Geogra-

phische Lexikon des österreichischen Kaiserstaates“ in 10 Bänden.

3. Die Gründerzeit der wissenschaftlichen Institutionen in der österreichisch-ungarischen Monarchie

Das liberale Zeitalter ist eine Periode des unglaublichen Aufbruchs aller Wissen-

schaften und ebenso eine Periode der Neugründung von Institutionen gewesen.

Der hier extensiv gefasste Begriff Gründerzeit (1848–1918) gilt nicht nur für die

Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Stadtentwicklung, sondern auch für die Entwick-

lung der wissenschaftlichen Institutionen. Der Staat war zugleich Bauherr, Grün-

der und Finanzier der Einrichtungen. In der Metropole Wien wurden zunächst

die baulichen Dimensionen gestaltet, die rechtlichen Normen festgesetzt und die

Aufgaben der Institutionen definiert, die nach 1867 von Budapest und schließlich

von den Hauptstädten der Kronländer nachgeahmt worden sind. In Wien ent-

standen um die Mitte des 19. Jahrhunderts knapp nacheinander drei große staat-

liche Forschungseinrichtungen: 1847 wurde die Österreichische Akademie der

Wissenschaften gegründet, 1849 die Geologische Reichsanstalt und 1851 die k.u.k.

Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus.

Zu den Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften gehörten von Anfang

an auch Geographen.21 Die Akademie der Wissenschaften übernahm die wissen-

21) Bei der Gründung befanden sich unter 40 wirklichen Mitgliedern zwei Geographen: Adrian EDLER von BALBI, k.u.k. Rat in Mailand (er war Verfasser eines „Atlas Ethnographique du Globe“, Lon-don 1826 sowie eines „Abrege de Geographie“, London 1832, in deutscher Übersetzung; 8. Auflage neu bearbeitet von F. HEIDERICH, Wien 1892 bis 1894, 3 Bände), und der Forschungsreisende Karl Freiherr von HÜGEL. Eine der ersten Denkschriften der Akademie (1850) enthielt sein Werk „Das Kabulbecken und die Gebirge zwischen dem Hindukusch und der Sutlej“. Unter den gewählten ausländischen Ehrenmitgliedern befanden sich Carl RITTER und Alexander von HUMBOLDT (Ber-

Elisabeth Lichtenberger

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schaftliche Schirmherrschaft über die bereits genannten Expeditionen, die No-

vara-Expedition und die beiden Polarexpeditionen und publizierte deren Ergeb-

nisse. Sie förderte aber auch die geologische Erforschung der Balkanländer und

Griechenlands ganz wesentlich.22

Der Direktor der Geologischen Reichsanstalt, Franz von HAUER, brachte ab 1867

eine geologische Übersichtskarte der Monarchie heraus. Anlässlich des 50jährigen

Regierungsjubiläums von Kaiser FRANZ JOSEPH (1898) erschienen die ersten Blät-

ter der geologischen Spezialkarte.

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus erlangte unter der

Leitung von Julius HANN (vgl. unten) Weltruf, wobei durch die Messungen auf

den neu eingerichteten Hochstationen des Obir (2.047 m) und des Sonnblicks

(3.105 m) bisherige meteorologische Auffassungen grundsätzlich revidiert wer-

den konnten. Um die Jahrhundertwende bestanden 400 Stationen. 1865 wurde

die Österreichische Gesellschaft für Meteorologie gegründet. Sie unterstützte und

ergänzte die Arbeiten der Zentralanstalt. Die von ihr herausgegebene meteorolo-

gische Zeitschrift wurde das führende Organ der meteorologischen Wissenschaft.

Der geowissenschaftlichen Aufbruchsstimmung der frühen Gründerzeit, die

sich in den großen Weltumsegelungen (vgl. oben) äußert, entsprach es auch, dass

an der Wiener Universität bereits 1851 das erste Ordinariat für Geographie ein-

gerichtet und mit einem Naturforscher, Friedrich SIMONY, besetzt worden war.

Dies war zu einem Zeitpunkt als in Deutschland nach dem Tode Carl RITTERs kein

einziger ordentlicher Lehrstuhl für Geographie bestanden hatte.23

Nahezu zwei Jahrzehnte blieb die Wiener Lehrkanzel die einzige in der Monar-

chie. Erst in der Hochgründerzeit (1870–1895) und somit um zwei Jahrzehnte

später als die Gründung der großen staatlichen Forschungseinrichtungen setzte

die große Gründungswelle von geographischen Lehrkanzeln an den Universi-

täten ein. Ungarn erhielt die erste Lehrkanzel für Geographie 1870 in Budapest,

die zweite 1875 in Klausenburg; in der österreichischen Reichshälfte wurde nach

Wien zuerst 1877 ein Lehrstuhl in Prag eingerichtet. Gleichzeitig entstanden Ex-

traordinariate in Graz und Krakau, 1880 weitere in Innsbruck und Czernowitz,

die dann innerhalb weniger Jahre in Ordinariate umgewandelt wurden; 1882 ka-

men Lemberg in Galizien und 1884 Agram (Zagreb) in Kroatien hinzu. Von der

lin) und der Direktor des Geographischen Instituts in Brüssel, Philip MAELEN. Aktuar der Akade-mie wurde der Geograph Dozent Dr. Adolf SCHMIDL.

22) Die Veröffentlichungen der Balkankommission, die südarabische Expedition und A. MUSILs Reisen in Nordarabien sowie die Mission von R. POECH nach Südafrika sind zu nennen.

23) In Berlin war Heinrich KIPPERT zunächst nur als außerordentlicher Professor tätig, in Göttingen und Breslau war die Geographie kein selbständiges Lehrfach, sondern mit Statistik (J. E. WAPPAEUS) und alter Geschichte (Karl NEUMANN) verbunden.

Fertigstellung des Gebäudes der Neuen Universität an der Ringstraße profitierte

die Wiener Geographie. 1885 wurden nach der Emeritierung von SIMONY zwei

Lehrkanzeln eingerichtet, und zwar für „physikalische Geographie“ und für „hi-

storische Geographie“. Damit war die institutionelle Gründungswelle der univer-

sitären Geographie abgeschlossen.

In der Spätphase der Gründerzeit (1890–1918) erfolgte 1893 die Gründung

des Hydrographischen Zentralbüros und damit die Organisation des hydrogra-

phischen Beobachtungsdienstes in Österreich, der in weiterer Folge weniger den

Interessen der Binnenschifffahrt, sondern denen der Wasserwirtschaft und dem

Hochwasserschutz zugute gekommen ist.

Knapp vor der Jahrhundertwende, 1898, wurde in Wien die Exportakademie er-

richtet und 1919 in die Hochschule für Welthandel umgewandelt. Die Wirtschafts-

geographie verfügte zunächst über eine, später sogar über zwei Lehrkanzeln.

Während die „Lehrkanzeln“ entsprechend ihrer Bezeichnung von Anfang an

für die „Lehre“ des jeweiligen Fachgebietes eingerichtet waren und ihnen keine

Mittel für Publikationen zur Verfügung standen, übernahmen fachspezifische

Vereine die Aufgabe der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Informationen

und Ergebnissen. Sie wurden von den damaligen politischen, ökonomischen und

intellektuellen Eliten gegründet.

Es war ein bemerkenswerter Zufall, dass nahezu gleichzeitig mit dem Hand-

schreiben von Kaiser Franz Joseph zur Entfestigung von Wien und zum Bau der

Ringstraße, nämlich am 26. 9. 1856, die kaiserliche Genehmigung der Statuten der

k. k. Geographischen Gesellschaft erteilt worden ist.24 J. SÖLCH, der erste Rektor

der Universität Wien nach 1945, schrieb in den Mitteilungen der Geographischen

Gesellschaft 1951 (S. 4): „Die angesehensten Männer des Staates, hohe Militärs, Ad-

miralität, hohe Beamte, wissenschaftlich Interessierte des Hochadels, führende Män-

ner des Wirtschaftslebens waren an der Gründung beteiligt, selbst Mitglieder des Kai-

serhauses, darunter Kronprinz Rudolf, befanden sich unter den Förderern.“

Dem Stil des Zeitgeistes entsprechend wurden Stiftungen eingerichtet und

namhafte Preise vergeben. Es entstand eine bedeutende geowissenschaftliche

Vortragstradition, welche fächerübergreifend Geologen, Botaniker, Geophysiker,

24) Die Gründung der Geographischen Gesellschaft in Wien erfolgte eine Generation später als in Paris (1821), Berlin (1828) und London (1830). Zur Zeit der Gründung bestanden in Europa bereits 12 geographische Gesellschaften. Hugo HASSINGER hat darauf hingewiesen (ebd., S. 100), dass P. Marco Vinzenco CORONELLI (1615–1718) schon um 1684 in Venedig eine Accademia Cosmogra-fica degli Argonauti zur Förderung der Herausgabe von Globen und Karten und zur Förderung der Kosmographie geschaffen hat. Ein wechselvolles Schicksal führte herauf zur Gründung des Coronelli-Weltbundes der Globusfreunde (1952), der noch heute in Wien besteht (Internationale Coronelli-Gesellschaft für Globenkunde).

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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Anthropologen und Ethnologen vereinigte. Die engen wissenschaftlichen Bezie-

hungen zu den großen geowissenschaftlichen Institutionen, wie zur Geologischen

Bundesanstalt und zur Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und zum

Militärgeographischen Institut, äußerten sich im Wechsel der Präsidentschaft.25

Neben die 1856 gegründete k.u.k. Geographische Gesellschaft in Wien trat 1872

die Ungarische Geographische Gesellschaft in Budapest, 1904 die Böhmische Geo-

graphische Gesellschaft in Prag.26

4. Die Krise der Institutionen in der Ersten Republik

Der Zusammenbruch der Monarchie und der Fortbestand Österreichs als Klein-

staat brachten nicht nur den Verlust der staatlichen Identität, sondern änderten

auch den Bedingungsrahmen dessen, was als staatsbürgerliche Erziehung und Bil-

dung in den Lehrbüchern der Monarchie verankert gewesen war. Die Verarmung

des Adels und der Unternehmer sowie die Verluste der Positionen des Beamten-

tums in den weiten Provinzen des Reiches gingen konform mit der Eliminierung

der geographischen Inhalte aus der politischen Vergangenheit des Großreiches in

den Lehrbüchern.

Die Krise der Wirtschaft hatte eine dramatische Krise der Institutionen zur Fol-

ge. Das Statistische Zentralamt, in der Monarchie eine der führenden Instituti-

onen in Europa, konnte die Volkszählungen des Kleinstaates in den Jahren 1923

und 1934 nicht wie bisher durchführen und veröffentlichen. Die kartographische

Landesaufnahme verlor ihre militärische Funktion und war nicht einmal imstan-

de, die topographischen Karten evident zu halten. Die wissenschaftlichen Vereine,

darunter auch die Geographische Gesellschaft, verloren mit der Verarmung von

Adel, Unternehmern und Beamten den Großteil ihrer Mäzene.

25) 1856 Gründungspräsident der Gesellschaft Wilhelm von HAIDINGER, Direktor der Geologischen Reichsanstalt; 1859 der Ethnograph Karl FREIHERR von CZOERNIG; 1861 der Reformator des wis-senschaftlichen Lebens in Österreich Leo Graf von THUN-HOHENSTEIN; 1862 der Kommandant des Expeditionsschiffs Novara, Bernhard Freiherr von WÜLLERSDORF-URBAIR; 1864 der Orientforscher Theodor KOTSCHY; 1865 der Feldzeugmeister Franz Ritter von HAUSLAB; 1866 der Direktor des Mi-litärgeographischen Instituts Franz STEINHAUSER; 1867 der Geologe Ferdinand von HOCHSTETTER; 1882 Hans Graf WILCZEK; 1889 der Direktor der Geologischen Reichsanstalt Franz Ritter von HAUER; 1897 der Feldzeugmeister Christian Freiherr von STEEB; 1900 der Direktor der Geolo-gischen Reichsanstalt Emil TIETZE; erst 1907–1914 der Geograph Eugen OBERHUMMER; 1915–1920 der Geograph Eduard BRÜCKNER.

26) Bezüglich der wissenschaftlichen Veröffentlichungen vgl. HASSINGER 1950, S. 138. In diesem Zu-sammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass von den Fachzeitschriften die Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Wien die ältesten darstellen, welche nahezu gleichzeitig mit Petermann‘s Geographischen Mitteilungen begonnen wurden und zum Unterschied von diesen kontinuierlich bis heute erscheinen. Erst seit 1866 wurde die Zeitschrift der Gesellschaft für Erd-kunde zu Berlin herausgegeben.

Der Zusammenbruch konnte jedoch eines nicht vernichten: das Wissen in den

Köpfen der Menschen, welche die Chance gehabt hatten, noch in der Monarchie

ihre universitäre Ausbildung zu erhalten und in einem Vielvölkerstaat aufgewach-

sen zu sein. Es gehört daher zu den interessanten Paradoxien, dass die Erste Re-

publik, deren Existenzfähigkeit von der Bevölkerung bezweifelt wurde, eine ganz

erstaunliche Anzahl von Wissenschaftern in allen Sparten, darunter auch in der

Geographie, aufgewiesen hat. Die Besetzungslisten der österreichischen Universi-

täten in Wien, Graz und Innsbruck während der Zwischenkriegszeit bezeugen dies

nachdrücklich, enthielten sie doch durchwegs Spitzenvertreter des Faches: Hugo

HASSINGER (Wien), Otto MAULL (Graz), Fritz MACHATSCHEK (Wien), Johann

SÖLCH (Innsbruck, Wien), die nicht zuletzt dank der großen, von ihnen verfassten

Handbücher ganz wesentlich zum Ansehen der deutschsprachigen Geographie

beigetragen haben.

Auf ein zweites, ebenso erstaunliches Phänomen sei hingewiesen, nämlich, dass

die noch in der Gründerzeit geborene Generation von Geographen auch Heraus-

geber und Autoren für die Reihe „Enzyklopädie der Erdkunde“ gestellt haben, die

– was ebenso erstaunlich war – von dem im deutschen Sprachraum immer noch

renommierten Verlag Deuticke in Wien herausgebracht worden ist. Alle wichtigen

Bereiche der allgemeinen physischen Geographie waren darin vertreten: Glet-

scherkunde, Klimatologie, Morphologie.

5. Der universitäre Ausbau in der Zweiten Republik

Der universitäre Ausbau in der Zweiten Republik erfolgte unter einem anderen

Vorzeichen als in der Ersten Republik. Hatte in dieser nach dem Zerfall der Donau-

monarchie ein enormer Überhang an wissenschaftlichem Potential und Eliten, nicht

zuletzt auch in der Geographie, bestanden, so wurde dieses bedeutende Reservoir

im Verlauf der Nachkriegszeit weitgehend verbraucht. Österreich entwickelte sich

zu einem Abwanderungsland für junge talentierte Akademiker und Wissenschafter

aus allen Bereichen, während andererseits die Zuwanderung von Wissenschaftern

aus dem westlichen Ausland im Verhältnis dazu unzureichend blieb.

Auch auf dem Felde der wissenschaftlichen Geographie haben sich die Kommu-

nikationsmuster zum Teil einseitig entwickelt. Konzepte und Methoden strömten

aus dem vielfach größeren Nachbarstaat Deutschland nach Österreich ein und

wurden häufig erst mit deutlicher Phasenverschiebung wirksam, während es an-

dererseits nur einzelnen Fachvertretern der österreichischen Universitäten gelun-

gen ist, jenseits der Grenze mit eigenen Forschungen zur Kenntnis genommen

zu werden.

Elisabeth Lichtenberger

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Diese Angleichung der wissenschaftlichen Kapazitäten an die Dimensionen

eines Kleinstaates vollzog sich dabei unter anderen ökonomischen Vorzeichen als

in der Ersten Republik. Das „österreichische Wirtschaftswunder“ folgte dem des

benachbarten westlichen Auslandes. Der generelle Wachstumsprozess der Wirt-

schaft und die allgemeine Wohlstandssteigerung führten zur Neugründung von

Institutionen durch den Staat. Österreich partizipierte an der europaweiten Neu-

gründungswelle von Universitäten. Auf der föderalistischen Struktur des Staates

beruhten die Bestrebungen „jedem Bundesland seine Universität“ zu geben. 1964

wurde die Universität Salzburg wiedereröffnet, 1972 wurde die sozialwissenschaft-

liche Universität in Linz und 1978 die bildungswissenschaftliche Universität in

Klagenfurt gegründet. In Salzburg und Klagenfurt wurden Geographische Insti-

tute eingerichtet. Es ist die „Heimkehrergeneration“ gewesen, auf deren Initia-

tive als „Aufbaugeneration“ die Neuerrichtung und Ausstattung vieler Institute

zurückging ebenso wie die Stärkung des inneruniversitären Ansehens des Faches

durch Rektoren und Dekane aus dem Fach Geographie.27

Der österreichische Staat übernahm auch die Förderung der Wissenschaft durch

öffentliche Fonds, darunter den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen For-

schung, der allerdings, anders als die Deutsche Forschungsgemeinschaft in der

Bundesrepublik Deutschland, keine „staatliche Exportförderung“ der Forschung

für das Fach Geographie betrieben hat, so dass Auslandsforschung und Über-

seeforschung in Österreich weit weniger gefördert wurden als im Nachbarstaat

Deutschland. Daraus resultierte eine stärkere Bindung etablierter Wissenschafter

an den nationalen Rahmen, wodurch die Herstellung des österreichischen Natio-

nalatlasses ebenso möglich gewesen ist wie ein stärkeres territoriales Engagement

in angewandter geographischer Forschung.

Österreich partizipierte auch an der Umwandlung der HUMBOLDTschen Uni-

versität zur Massenuniversität im sozialen Wohlfahrtsstaat. Damit vollzog sich ein

grundsätzlicher Wandel des Lehr- und Forschungsstils (vgl. unten). Der geradezu

spektakuläre Ausbau der Geographie an den Universitäten sei an Hand von drei

Querschnitten für die Jahre 1955, 1977 und 2003 mittels der Zahl der Lehrenden

dokumentiert. Unvorstellbar bescheiden war die Zahl der Professoren und Assi-

stenten zum Zeitpunkt der österreichischen Staatsvertrages 1955 (vgl. Tabelle 1).

In den bereits in der Gründerzeit bestehenden 4 Geographieinstituten an den Uni-

versitäten Wien, Graz und Innsbruck hatte sich ebenso wie an der Wirtschaftsu-

niversität die Stellenzahl nicht verändert. Im Wiener Institut hatten 2 Lehrkan-

zelinhaber mit 3 Assistenten und 3 Lehrbeauftragten, durchwegs sogenannten

27) Rektoren waren in der Nachkriegszeit: KINZL und FLIRI (Universität Innsbruck); SÖLCH und SPREITZER (einstimmig gewählt, dann aus Gesundheitsgründen zurückgetreten) an der Universität Wien, SCHEIDL an der Hochschule für Welthandel in Wien und LENDL an der Universität Salzburg.

Privatdozenten, den Andrang der Jahrgänge des Babybooms des NS-Regimes von

mindestens 150 neu Inskribierten in jedem Studienjahr zu bewältigen.

Die größte Zahl an Privatdozenten (PD) wies damals das Geographische In-

stitut an der Hochschule für Welthandel auf. Insgesamt hatte die 1968 diskrimi-

nierte Ordinarienuniversität mit einer heute unvorstellbaren kleinen Zahl von 5

Lehrkanzeln, 3 Extraordinarien, 7 Assistenten und 10 durchwegs renommierten

Lehrbeauftragten nahezu ein Jahrzehnt – ungeachtet des enormen Andranges von

Studierenden – den Lehr- und Forschungsbetrieb aufrecht erhalten, auf dessen

Struktur im folgenden Kapitel eingegangen werden wird.

In der beschriebenen Gründungsphase der Universitäten erfolgte dann in den

1970er Jahren eine ganz wesentliche Vermehrung der Stellenzahl (vgl. Tabelle 2).

Das Geographische Taschenbuch 1977 belegt das Wachstum des Lehrpersonals

auf 14 Ordinariate, 5 Extraordinariate, 38 Assistentenstellen und 17 Stellen von

Lehrbeauftragten (LB) bzw. sogenannten wissenschaftlichen Hilfskräften (wH).

Im Jahr 1977 war das neue Universitätsorganisationsgesetz bereits gültig, auf

dessen Erbe noch eingegangen wird (vgl. unten). Die in seinem Zeichen vollzo-

genen Veränderungen sind aus dem Vergleich der Angaben von H. FASSMANN für

Wien 2 3 PD 3 + 2

Graz 1 1 1?

Innsbruck 1 1 (tit.) 1Hochschulef. Welthandel 1 1 2 PD 5

Summe 5 3 7 10

Universität Lehrkanzel a.o. Prof. Assistenten LehrbeauftragteStand 1955

Tabelle 1: Das Lehrpersonal an Geographischen Instituten in Österreich 1955(Quelle: Geographisches Taschenbuch 1954/55 und 1956/57)

Wien 5 14 wH 9

Graz 2 2 4

Innsbruck 2 8 1WU Wien Geogr. Inst. 1 1 4 Raumordnung 1 3

Summe 14 5 38 17

Universität Lehrkanzel a.o. Prof. Assistenten LehrbeauftragteStand 1977

Salzburg 2 2 5 LB 7

Klagenfurt 1 8 1

Tabelle 2: Das Lehrpersonal an Geographischen Instituten in Österreich 1977(Quelle: Geographisches Taschenbuch 1977)

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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das Jahr 2003 zu entnehmen. In allen Universitäten wurden zumindest 2 Ordinari-

ate, jeweils für physische Geographie und Humangeographie, eingerichtet. Damit

hat sich die Zahl der Ordinariate mäßig vermehrt, während durch die Verschie-

bung von habilitierten Assistenten in die Position von außerordentlichen Profes-

soren eine sehr starke Zunahme dieser Gruppe eingetreten ist und andererseits die

Zahl der Assistenten leicht abgenommen hat. Außerordentlich stark gewachsen ist

die Gruppe der Lehrbeauftragten.

Diese quantitativen und qualitativen Veränderungen waren mit einem Wandel

im Forschungs- und Lehrstil verbunden, der die gesamte Institution Universität

umfasste und das Fach Geographie stark betroffen hat.

6. Der Wandel im Forschungs- und Lehrstil

Der Wandel der HUMBOLDTschen Universität des Bildungsbürgertums zur Mas-

senuniversität des sozialen Wohlfahrtsstaates erfolgte über Europa hinweg, freilich

mit unterschiedlichen juristischen Konsequenzen. Österreich, welches in seiner

politischen Struktur eine Übergangsposition zum Osten besaß, weist auch auf

dem universitären Sektor eine Sonderentwicklung auf (vgl. Kap. II 7). Im Fol-

genden einige Stichworte zu den allgemeinen Veränderungen:

» Mit der HUMBOLDTschen Universität war die Lebensform des Gelehrten ver-

bunden gewesen. Sie stirbt nun nahezu schlagartig aus. Bezahlte wissenschaft-

liche Angestellte mit egalitären Ansprüchen an Freizeit und Privatleben treten

an ihre Stelle. An einzelne Persönlichkeiten gebundene Schulen, gekennzeich-

net durch die Einheit von wissenschaftlichem Weltbild, theoretischen Sicht-

weisen und instrumentellen Techniken laufen damit aus.

» Wissenschaftliche Grundlagenforschung wird durch die Marktforschung ver-

drängt, verliert an Ansehen und Attraktivität und ist auf staatliche Finanzie-

rung angewiesen. Wissen wird zu einem Marktprodukt. Gleichzeitig wird die

Lebensdauer wissenschaftlicher Produkte stark reduziert.

» Die Mitglieder des Faches versuchen daher häufig, in geschützten Nischen

dem Dilemma zu entkommen, dass die Entwicklung der menschlichen Ge-

sellschaft und der von ihr entscheidend umgestalteten natürlichen Umwelt

sich in einem so rasanten Tempo vollzieht, dass jede Querschnittsanalyse zum

Zeitpunkt ihrer Fertigstellung bereits überholt ist.

» Der Forschungsstil ändert sich grundsätzlich. Die Feldforschung wird vielfach

durch die Schreibtischarbeit, persönliche Erkundungen durch Internetre-

cherchen substituiert. Wissen aus zweiter und dritter Hand in immer neuer

Verpackung tritt an die Stelle der Primärforschung, welche dort, wo es um

Befragungen und Erhebungen geht, durch Datenschutz immer schwieriger

und teurer wird.

» Die Forschungsorganisation hat sich zuerst im geowissenschaftlichen Ast aus

der Einzelforschung gelöst und in Richtung auf ein Teamwork entwickelt,

eine Tendenz, welche inzwischen auch den humanwissenschaftlichen Zweig

erfasst hat.

» Aus der Eigenfinanzierung von Forschung ist seit den 1970er Jahren Schritt für

Schritt eine Projektfinanzierung geworden.

» Damit hat das Ranking von Einzelpersonen und Institutionen eine Verände-

rung erfahren. Nicht mehr nur die internationale Präsenz durch Publikati-

onen und Vorträge, sondern die Einbringung von Forschungsmitteln ist zu

einem Kriterium von zunehmender Bedeutung geworden. Hierbei hat sich

die Skala von regionalen, über nationale bis zu internationalen und EU-

finanzierten Projekten erweitert.

» Die universitäre Ausbildung hat sich grundlegend verändert. Eine Analogie

zum Gastgewerbe sei gestattet. Anstelle des Menüs eines klar definierten Aus-

bildungsganges tritt nunmehr das „À-la-carte“-Studieren, begünstigt durch

die Zunahme der Zahl von Lehrenden aller Qualitätsstufen, ohne klare Eti-

kettierung und auch ohne Kontrolle der Qualität. Der „Normalkonsument“

wird mit „aufgewärmten“ Produkten abgespeist. Neue Diskriminierungen

entstehen, darunter die Diskriminierung der frontalen Großvorlesung, Klein-

gruppen sind „in“, die billige Ware wird nicht nur im Supermarkt, sondern

auch auf der Universität zum „Verkaufsschlager“. Ein Bonus belohnt dabei die

Besuchstreue der a priori definierten Zahl der Teilnehmer.

» Aus dem selbständigen Studium mit wenigen Pflichtveranstaltungen und Prü-

fungen über umfangreichen Stoff ist eine Scheine-Sammelwirtschaft geworden.

Elisabeth Lichtenberger

Wien 6 7 7 33

Graz 2 4 2 18

Innsbruck 2 6 1 14

WU Wien 3 11 19

Summe 19 21 29 113,5

Universität Lehrkanzel a.o. Prof. Assistenten LehrbeauftragteStand 2003

Salzburg 4 4 4 20

Klagenfurt 2 4 9,5

Tabelle 3: Das Lehrpersonal an Geo-graphischen Instituten in Österreich 2003(Quelle: Fassmann 2004, S. 17–32)

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» Mit dem Ende der Paternalisierung in den Familien bei gleichzeitiger Beibe-

haltung der Alimentierung – auch durch den Staat – ist überdies das Massen-

phänomen der neuen Lebensform des auf wenig Mühe und viel Spaß ausge-

richteten postmodernen Studierenden entstanden, der erwartet, dass Reisen

in Form von Exkursionen vom Staat mitfinanziert wird.

7. Das Erbe der Lex Firnberg

Staatliche Forschungspolitik und politökonomische Konzeptionen beeinflus-

sen Forschungsziele und Forschungsstile tiefgreifend. Unter der Überschrift „Lex

FIRNBERG“ wird das 1975 von Frau Bundesminister Hertha FIRNBERG erlassene

Universitätsorganisationsgesetz verstanden, welches grundstürzende Änderungen

für die universitäre Lehre und Forschung in Österreich gebracht hat.

Positiv ist zu vermerken, dass es im Zuge der gesetzlichen Neuordnung von

Studiengängen am Institut für Geographie in Wien gelungen ist, zwei neue Stu-

dienzweige, nämlich „Raumforschung und Raumordnung“ und „Kartographie“,

einzurichten und damit sehr viel früher als in Deutschland eine Chance des Faches

wahrzunehmen. Die starke formalwissenschaftliche bzw. technische Ausrichtung,

d.h. die starke Betonung von Methoden der Informatik und Statistik sowie der

Luftbildauswertung, der EDV-Graphik und von GIS sowie der Praxisbezug der

Fragestellung, d.h. die Projektorientierung der Ausbildung haben beide Studi-

enzweige zu einem Erfolg gemacht. Dem stehen folgende nachteilige Verände-

rungen durch die Lex FIRNBERG gegenüber:

1. Mit dem Hochschulstudiengesetz wurden die Anstellungserfordernisse für

Akademiker im gesamten öffentlichen Dienst geändert, d.h. das Doktorat

durch das Magisterium ersetzt. Diese argumentativ unter Bezug auf die an-

gelsächsische Universitätsstruktur begründete Herabstufung der Zugangsbe-

dingungen zum akademischen Arbeitsmarkt hat inflationistische Wirkungen

gezeigt. Es ist in Hinblick auf die Zahl der Dissertationen ein UOG-Schock

erfolgt. Die Zunahme der Studentenzahlen bewirkte keine Zunahme der Zahl

an Dissertationen. Es kam vielmehr zu einer Abnahme. Hierbei ließ sich ein

zentral-peripherer Effekt beobachten, insofern als in Innsbruck und Graz

noch längere Zeit Dissertationen verfasst wurden, während in Wien der Stu-

dienabschluss in Form von Diplomarbeiten erledigt worden ist.

2. Durch die Festlegung von schulmäßigen Studienplänen und eine Aufglie-

derung der Übungen und Seminare in kleine Gruppen war es erforderlich,

Lektoren in großer Zahl in den universitären Lehrbetrieb hereinzunehmen,

wobei die Hälfte der Lektoren aus den benachbarten Sachdisziplinen bzw.

technischen Wissenschaften stammt.

3. Nur einzelnen Angehörigen der Universität gelang es, ökologische Nischen

für die eigene Forschungsarbeit zu finden, während insgesamt durch den

wachsenden Organisations- und Verwaltungsaufwand die Forschung eine re-

siduale Position im Zeitbudget erhalten hat.

4. Insgesamt hat die nahezu drei Jahrzehnte gültige Lex FIRNBERG mit der Ab-

schaffung der traditionellen Ordinarienuniversität und ihrem Ersatz durch

drittelparitätische Entscheidungsgremien von Professoren, Mittelbauvertre-

tern und Studenten das wissenschaftliche Niveau nicht stimuliert, sondern

auf ein Mittelmaß reduziert. Es wurden keine Spitzenwissenschaftler, sondern

bestenfalls mittelmäßige Funktionäre erzeugt. Überdies waren vielfach Haus-

berufungen die Regel, während talentierte Wissenschaftler ins Ausland gin-

gen. Im internationalen Ranking sind die österreichischen Universitäten auf

tiefere Plätze gerutscht.

Mit dem Universitätsorganisationsgesetz 2002 hat sich die Situation mehr-

fach geändert. Die Universitäten wurden mit Unternehmen gleichgestellt, welche

Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium abschließen und dem Rektor die

Rechte der Unternehmensleitung geben. Den Professoren wurde die Mehrheit in

den Gremien zurückgegeben. Wissenschaftliche Leistung ist wieder gefragt.

Die Abfolge der Karrierepfade (vgl. Kap. III, Abb. 2) hat damit zu Beginn des 21.

Jahrhunderts einen neuen Abschnitt erhalten, in dem analog zur Gründerzeit wie-

der der Import von Geographen, vor allem aus Deutschland bei der Pensionierung

der Mitglieder der Babyboom-Generation zum Tragen kommt. Eine neue Seite in

der Entwicklung der Geographie wird damit aufgeschlagen (vgl. unten).

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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III. Generationenfolgen und Schulen

1. Die Generationenfolge der geographischen Ordinariate an österreichischen Universitäten

In der sozialwissenschaftlichen Biographie- und Lebenslaufforschung wird die

Frage nach der Abfolge der Generationen hinsichtlich Bildung, Vermögen, beruf-

licher Profession und Lebensstilen gestellt. In der wissenschaftlichen Welt geht es

um Kontinuität und Wandel bzw. um Abkehr von traditionellen und die Generie-

rung von neuen Theorien, um methodischen Fortschritt und die Operationalisie-

rung von Fragestellungen.

Bei der Anwendung der Konzeption der Generationenfolge auf die Wissen-

schaftsgeschichte der Geographie in Österreich im Zeitraum von eineinhalb Jahr-

hunderten wurde versucht, die Abfolge der Generationen zu erfassen sowie die

Weitergabe und den Aufgriff von neuen Themen zu spezifizieren (vgl. Anhang).

Es ist einsichtig, dass zwei Bezüge herzustellen sind:

1. jener zur generellen wissenschaftlichen Entwicklung und

2. jener zum politisch-institutionellen Schicksal der einzelnen Generationen.

Die universitäre Gründungsphase der Geographie wird von den Mitgliedern der

Frontiergeneration getragen, die aus anderen Disziplinen gekommen sind und

Autodidakten waren. Hierzu die Beispiele aus dem benachbarten Deutschland:

Alexander von HUMBOLDT (1769–1859) begann seinen Weg zur Geographie als

Botaniker, Carl RITTER (1779–1859) als Historiker, Adolf STIELER (1775–1883)

hatte Jurisprudenz studiert, bevor er die wissenschaftliche Atlaskartographie be-

gründete. Damit stehen am Beginn der Wissenschaftsgeschichte der Geographie

drei Männer, die noch im 18. Jahrhundert geboren wurden und deren wissen-

schaftliche Lebensarbeitszeit zum Großteil vor dem Eisenbahnzeitalter lag.

Mit einer deutlichen Zäsur von zwei Generationen folgen die nächsten bedeu-

tenden Wissenschafter, welche die Geographie im liberalen Zeitalter als univer-

sitäre Profession eingerichtet haben. Auch ihre Hauptrepräsentanten sind Auto-

didakten gewesen: Friedrich RATZEL (1844–1904) hat Pharmazie und Zoologie

studiert, Joseph PARTSCH (1851–1925) Geschichte, Siegfried PASSARGE (1866–

1958) Medizin und Geologie, Robert GRADMANN (1865–1950) Theologie bzw.

Botanik und Oscar PESCHEL (1826–1875) kam von der Journalistik. Als Beispiele

für die Herkunft aus der Geologie sind Ferdinand von RICHTHOFEN (1833–1905)

und Erich von DRYGALSKI (1865–1949) anzuführen. Diese „Immigranten“ aus an-

deren Disziplinen haben aus diesen das wissenschaftliche Gepäck in Form von

theoretischer Ausrüstung und methodischer Praxis mitgebracht.

Blenden wir an dieser Stelle die Fachgeschichte in Österreich ein. Sie eröffnet

später als im Deutschen Reich mit der interessanten Persönlichkeit von Fried-

rich SIMONY (1813–1896), der rund ein halbes Jahrhundert nach Alexander von

HUMBOLDT und eine Generation vor Friedrich RATZEL geboren wurde. Er war

seiner Ausbildung nach ein Pharmazeut, seinem persönlichen Hobby nach ein

leidenschaftlicher Naturfreund und Alpinist. Mit seiner Ernennung 1851 zum Or-

dinarius für Geographie in Wien wird die Schiene für das Fach in die Zukunft ge-

legt. Die geographische Forschung in Österreich bleibt mit den Geowissenschaften

verkettet. Das belegt das Curriculum der Schüler von Friedrich SIMONY, welche

der Generation von Friedrich RATZEL angehören.

Von den drei wichtigen Schülern SIMONYs blieb nur Eduard RICHTER (1847–

1905) im Fachgebiet der Geographie. Julius HANN (1839–1921) habilitierte sich

zwar 1869 bei SIMONY und wurde 1874 zum a.o. Professor für physikalische Geo-

graphie ernannt, um drei Jahre später zum Direktor der Zentralanstalt für Mete-

orologie und Erdmagnetismus bestellt zu werden und das Schwergewicht seiner

Forschungen auf das Gebiet der Klimatologie und Geophysik zu verlegen. Carl

DIENER (1862–1928) hatte ebenfalls bei SIMONY studiert und sich 1885 in der Ge-

ographie habilitiert, 1893 wurde seine Venia auf Geologie übertragen, 1903 er-

folgte seine Ernennung zum außerordentlichen, 1906 zum ordentlichen Professor

der Paläontologie. Ein weiterer SIMONY-Schüler, Alexander SUPAN (1846–1920),

eröffnete die Reihe von Geographen, welche die Möglichkeit einer außeruniversi-

tären Karriere bei Verlagen ergriffen haben.

Der Beginn der universitären Profession Geographie, d.h. die Verwissenschaft-

lichung der Geographie als universitäre Forschungsdisziplin, hat sich in Österreich

einerseits im physischen Bereich auf der Grundlage der Geologie und andererseits

im humanwissenschaftlichen Bereich auf der Grundlage der Sprachwissenschaft

und Philologie vollzogen. Die Curricula belegen, dass die Fachgrenzen weiter-

hin offen geblieben sind. Als im Jahre 1885 Albrecht PENCK (1858–1945), seinem

Universitätsstudium nach Geologe, als Nachfolger von Friedrich SIMONY zum or-

dentlichen Professor für physikalische Geographie in Wien ernannt worden ist,

war nicht vorherzusehen, dass damit der „Stammvater der österreichischen Geo-

graphie“ berufen wurde, dessen „Urenkel“ noch in der Gegenwart geographische

Ordinariate besetzen. Albrecht PENCK, Ehrenmitglied der mathematisch-natur-

wissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, hat

eine mächtige und weit verzweigte Schule hinterlassen, welche von seinen beiden

Wirkungsstätten Wien und Berlin aus bis herauf in die Zwischenkriegszeit und die

ersten Jahre der Nachkriegszeit die physische Geographie im deutschen Sprach-

raum entscheidend mitbestimmt, aber auch weit darüber hinaus gegriffen hat.

Elisabeth Lichtenberger

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Der zweite universitäre Entwicklungsast kam von der Geschichtswissenschaft

und Philologie. Franz von WIESER (1848–1923), der die Reihe der Ordinariate in

Innsbruck eröffnete, hat noch in seiner Abschiedsvorlesung betont, dass er immer

Historiker geblieben ist. Die Kenntnisse von Wilhelm TOMASCHEK (1841–1901),

der 1885 auf die neu eingerichtete zweite Lehrkanzel für „Historische Geogra-

phie“ in Wien berufen worden war, umfassten vor allem die antike Literatur und

Geschichte sowie das weite Feld des Sprachvergleichs (vgl. unten). Auch der als

Nachfolger von Wilhelm TOMASCHEK 1901 berufene Otto OBERHUMMER (1859–

1944) beschäftigte sich mit der historischen Geographie unter Heranziehung von

abendländischen und orientalischen Quellen.

Während es Albrecht PENCK gelungen ist, in der Morphologie gleichsam in

einem Zug die weitgehende Abtrennung des jüngsten Abschnitts der Erdgeschich-

te, nämlich des Zeitraums des Quartärs, von der Geologie zu erreichen, hat dieser

Vorgang der Separierung der Geographie von der Geschichte, den KANT katego-

risch postuliert hat, in der Geographie des Menschen mehrere Generationen in

Anspruch genommen, in denen ein Heraufrücken des geographischen Zeithori-

zonts der Forschung erfolgt ist. Anders als in der physischen Geographie fehlt da-

her bei den Vertretern der historischen Geographie die Kontinuität der Weitergabe

von Ideen in der Generationskette des Faches und damit verbunden die Weiterga-

be des methodischen Instrumentariums. Selbst der institutionell sehr engagierte

und wissenschaftlich talentierte Otto OBERHUMMER konnte keine Schule grün-

den. Es sind PENCK-Schüler gewesen, welche vor dem Ersten Weltkrieg die ös-

terreichischen Universitäten besetzten, wie Franz HEIDERICH (1863–1926), der an

der Exportakademie die Geographie des Welthandels begründet hat, und Robert

SIEGER (1864–1926) in Graz, der den Vorschlag von Albrecht PENCK aufgegriffen

hat, sich mit der Almwirtschaft zu beschäftigen, welche PENCK als Teilaspekt in

den Überlegungen über die Tragfähigkeit der Hochgebirge im Zusammenhang

mit der Bonitierung der Erde wichtig erschienen ist.

In der Generation der zwei Weltkriege hat sich die Professionalisierung des

Faches vollzogen. Es handelt sich um eine interessante Generation, welche den

technologischen Fortschritt von der Eisenbahn zum Flugzeug und zum Auto

ebenso miterlebte, wie den zweimaligen politisch-militärischen Zusammenbruch

in Zentraleuropa. Ihre Mitglieder waren noch im Großreich der Monarchie auf-

gewachsen, hatten ihre professorale Karriere aber erst in der Zwischenkriegszeit

gemacht. Sie besaßen noch ein enzyklopädisches Fachverständnis und eine an den

Dimensionen eines Vielvölkerstaates orientierte Weltsicht, andererseits war ihnen

nationales Bewusstsein selbstverständlich. Noch nicht abgelenkt durch Massen-

medien des Rundfunks und Fernsehens nützten sie alle Chancen der Globalisie-

rung der Printmedien und Statistiken. Die meisten schrieben aus heutiger Sicht

eine geradezu unglaubliche Zahl von Handbüchern der allgemeinen und regio-

nalen Geographie.

Mehrere PENCK-Schüler befinden sich darunter: Norbert KREBS (1876–1947),

der zuerst nach Würzburg, dann nach Berlin als Nachfolger von Albrecht PENCK

berufen wird; Fritz MACHATSCHEK (1876–1957), dessen Karrierepfad über Prag

nach Wien und schließlich nach München führt; Hugo HASSINGER (1877–1952),

der die Auslandsschleife über Basel und Freiburg zurück nach Wien zieht und auf

den als Begründer der Stadtgeographie und Kulturlandschaftsforschung noch

eingegangen wird; Johann SÖLCH (1883–1951), der von Innsbruck nach Heidel-

berg geht und von dort als Nachfolger von Fritz MACHATSCHEK nach Wien be-

rufen wird und Otto LEHMANN (1884–1941), der an die TU Zürich berufen, in

der Schweiz bleibt. Schließlich ist noch Otto MAULL (1867–1957), ein gebürtiger

Frankfurter, zu nennen, der den Ruf nach Graz erhält und mit dem die Reihe der

PENCK-Schüler endet. Insgesamt sind acht PENCK-Schüler Ordinarien an österrei-

chischen Universitäten gewesen.

Seit den 1930er Jahren kommen andere Schulen, wie die HETTNER-Schule mit

dem Landeskundler Friedrich METZ (1890–1969), der eine Zwischenetappe seiner

Berufskarriere in Innsbruck absolviert, bzw. Mitglieder der „Enkel-Generation“

von Albrecht PENCK wie Hans SPREITZER (1897–1973), ein SIEGER-Schüler, und

Hans KINZL (1898–1979), ein SÖLCH-Schüler, bei den Besetzungen zum Zug. In

einer Zeit kärglicher finanzieller Mittel gelingt es nicht, den bedeutenden deut-

schen Arabien- und Chinaforscher Hermann von WISSMANN (1895–1979), der in

Wien studiert und eine beispielgebende Forschungsarbeit über das Bergbauern-

problem im Ennstal vorgelegt hat, nach Österreich zurückzuholen.

Die Generation des 20. Jahrhunderts, welche im Ersten Weltkrieg noch zu jung

war, um einberufen zu werden, bildet eine kleine Gruppe. Zu ihr gehörte Hans

BOBEK (1903–1990), der als SÖLCH-Schüler und damit PENCK-Enkel im Stamm-

baum aufscheint. Er wird zum Gründer der Sozialgeographie und zur dominie-

renden Persönlichkeit der österreichischen Geographie in der ersten Hälfte der

Nachkriegszeit. Hochbegabt, konnte er sich vom Schicksal seiner Kohorte, welche

zwei politische Zusammenbrüche miterlebte, abkoppeln, deren Vertretern, wie

Egon LENDL (1906–1989) und Herbert PASCHINGER (1911–1992), nur mehr eine

späte innerösterreichische Karriere offen stand.

Die Berufungspolitik auf österreichische Ordinariate überließ Hans BOBEK

in der Heimkehrergeneration, die man als Aufbaugeneration bezeichnen kann,

einem anderen SÖLCH-Schüler, nämlich Hans KINZL in Innsbruck. Dessen Schüler

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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besetzten mit Franz FLIRI (1918–2008) und Adolf LEIDLMAIR (1919–) die Inns-

brucker Ordinariate, mit Helmut HEUBERGER (1923 –) das Salzburger Ordinariat.

Relativ spät kam der oben genannte KINZL-Assistent Herbert PASCHINGER auf den

Grazer Lehrstuhl.

Auf die Verdienste der Aufbaugeneration wurde hingewiesen. Es handelt sich

um eine Kohorte mit einer sehr großen Breite an Sichtweisen, vielfach noch aus-

gestattet mit einem von den Mitgliedern der jüngeren Kohorten belächelten en-

zyklopädischen Fachverständnis und mit großem topographischem Wissen. Sie

hat den wissenschaftlichen Standard noch an der Komplettheit und Akribie der

Literaturzitate gemessen. Andererseits sah sie sich mit der „quantitativen Revo-

lution“ des Faches konfrontiert, bei der sich allerdings einige Mitglieder dieser

Generation als Spitzenreiter im deutschen Sprachraum etablieren konnten (Franz

FLIRI, Innsbruck; Elisabeth LICHTENBERGER, Wien).

Die finanziellen Engpässe bezüglich der Auslandsforschung haben in den ersten

drei Jahrzehnten der Nachkriegszeit eine Konzentration der Fachvertreter auf die

Forschung im eigenen Lande erzwungen. Daraus resultiert andererseits eine er-

freuliche institutionelle Aussage für die Geographie Österreichs, insofern als dyna-

mische und talentierte Mitglieder der Babyboom-Generation des Dritten Reiches,

d.h. der Nachkriegsgeneration, wichtige Positionen in Regierungs- und Verwal-

tungsstellen innehaben. An erster Stelle ist die große Bedeutung von Geographen

in der österreichischen Statistik zu nennen, die z.T. durch das Fehlen demogra-

phischer Lehrkanzeln mitbedingt ist. Von 1971 bis zu Beginn des 21.Jahrhunderts

befand sich die Leitung der Großzählungen in Österreich in geographischer Hand

(Heimold HELCZMANOVSZKI, Richard GISSER). Damit wurden geographische

Konzeptionen bei der Primärerhebung und bei der räumlichen und sachlichen

Aggregierung der Daten in die österreichische Statistik eingebracht. Auch stati-

stische Landesämter werden von Geographen geleitet, ferner die Österreichische

Raumordnungskonferenz (vgl. oben), eine Verbindungsstelle zum Bundeskanz-

leramt, welche sehr wichtige Informationsaufgaben zwischen Wissenschaft, Re-

gierung und Verwaltung wahrnimmt, überdies sind Geographen in nahezu allen

Landesplanungsstellen tätig.

Die Generation des 21.Jahrhunderts unterscheidet sich von der Nachkriegsge-

neration ganz wesentlich. Die Konsequenzen der oben gekennzeichneten Lex Firn-

berg haben die Entstehung eines international konkurrenzfähigen Nachwuchses

für die österreichischen Ordinariate verhindert. Diese Aussage gilt nicht nur für

die Geographie, sondern für weite Bereiche der universitären Landschaft. Damit

fehlen, von wenigen Geographen abgesehen, die aus dem Ausland zurückberufen

wurden, qualifizierte österreichische Bewerber für die ausgeschriebenen Profes-

sorenstellen. Bewerber aus der Bundesrepublik Deutschland kommen zum Zug.

2. Generationenfolge und Karrieretypen

Die Antwort auf die Frage nach der Generationenfolge und damit nach der Bil-

dung von Schulen zeichnet die wissenschaftlichen Stammbäume nach. Eine zweite

Aussagenebene bieten die Karrieretypen. Gerade in einem Kleinstaat wie Öster-

reich ist hierbei die Frage nach dem „Import“ und „Export“ von Wissenschaftern

von entscheidender Bedeutung, d.h. die ausländische universitäre Nachfrage nach

österreichischen Geographen bzw. umgekehrt die Berufung ausländischer Wis-

senschafter auf österreichische Lehrstühle. Demnach sind vier Typen von Karrie-

ren zu unterscheiden:

1. Berufungen von Geographen aus dem Ausland;

2. ins Ausland berufene und dort verbliebene österreichische Geographen;

3. österreichische Geographen mit Auslandsschleifen von unterschiedlicher

Dauer, welche an ausländische Universitäten berufen wurden und wieder

nach Österreich zurückgekehrt sind.

4. Als „österreichische Lösungen“ werden die Pfade bezeichnet, bei denen sich

die gesamte Laufbahn an der Studienuniversität abgespielt hat und eine

Hausberufung bzw. eine Berufung an eine andere österreichische Universität

erfolgt ist.

Abbildung 2 belegt recht eindrucksvoll die Unterschiede der Karrieretypen in

der Generationenfolge.

Abbildung 2:Karrieretypen in der Generationsfolge(Quelle: Lichtenberger)

1. Autodidakten in der Gründerzeit

KarrieretypenGenerationenfolge

Import Österr.Lösung

Auslands-schleife

Export

2. Spätgründerzeit - Zwischenkriegszeit

3. Generation der zwei Weltkriege

4. Generation des 20. Jahrhunderts

5. Heimkehrergeneration des 2. Weltkrieges

6. Nachkriegsgeneration

7. Generation des 21. Jahrhunderts

Elisabeth Lichtenberger

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Die institutionellen Anfänge der Fachentwicklung in der Gründerzeit an den

Universitäten waren durch „österreichische Lösungen“ gekennzeichnet. Es gab

weder Berufungen aus dem Ausland, noch wurden Österreicher auf ausländische

Universitäten berufen. Am Beginn der Einrichtung von Lehrstühlen sind in jedem

Fach Autodidakten die Regel. Der Beginn der Professionalisierung des Univer-

sitätsfaches Geographie war dagegen in der Spätgründer- und Zwischenkriegs-

zeit durch den „Import“ von Wissenschaftern aus dem Ausland gekennzeichnet.

Es handelte sich um sehr bedeutende Persönlichkeiten: Albrecht PENCK, der aus

Sachsen stammte, Eugen OBERHUMMER, der in München geboren worden war,

und den Baltendeutschen Eduard BRÜCKNER (1862-1927) aus Dorpat (heute

Tartu, Estland). Diese Importphase, welche mit dem Ausbau des Faches Geogra-

phie in der Hochgründerzeit verbunden war, blieb im 20. Jahrhundert allerdings

ein einmaliges Ereignis. Entsprechend dem Bedeutungsgewinn des Faches än-

derten sich die Karrieretypen in der Generation der zwei Weltkriege entschei-

dend. Österreichische Geographen wurden in beachtlicher Zahl auf Lehrstühle

im deutschen Sprachraum berufen. In Österreich selbst erfolgte keine Berufung

ohne Auslandsschleife, als Beispiele seien Johann SÖLCH und Hugo HASSINGER

angeführt. „Österreichische Lösungen“ fehlten, mit Ausnahme der Hochschule

für Welthandel.

In der zahlenmäßig kleinen Gruppe von Fachvertretern, die der Generation des

20. Jahrhunderts angehören, dominieren dagegen „österreichische Lösungen“ bei

Angehörigen einer Kohorte, welche von den Effekten des NS-Regimes und des

Zweiten Weltkriegs betroffen war. Diese Aussage traf auch auf einen großen Teil

der Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg zu, bei der allerdings die Zahl

der Mitglieder mit Auslandserfahrungen mit der Zahl der in Österreich verbliebe-

nen nahezu gleichziehen konnte.

Bei der Nachkriegsgeneration, die im Wesentlichen auf den Babyboom des

Dritten Reiches zurückgeht, ist andererseits die große Zahl von Exporten be-

sonders auffällig, welche die geringen Chancen im eigenen Land ebenso wie den

Überschuss an wissenschaftlichem Potential dokumentiert. Den sechs „Exporten“

stehen andererseits nur zwei „Importe“ gegenüber. Von den neun Mitgliedern die-

ser Generation auf österreichischen Lehrstühlen handelt es sich in sieben Fällen

um österreichische Lösungen ohne Auslandserfahrungen und nur in zwei Fällen

um Personen mit Auslandsschleifen. Unter den Bedingungen der Lex FIRNBERG

war eine Rückkehr von Wissenschaftlern an österreichische Universitäten von ge-

ringem Interesse. Dasselbe galt für Fachvertreter aus dem westlichen Ausland.

Die Generation des 21. Jahrhunderts spiegelt den Wandel in der Universitäts-

politik wider. Auf die Defizite des österreichischen Nachwuchses durch die Lex

FIRNBERG wurde hingewiesen. Der Nachwuchs für die österreichischen Universi-

täten kommt im 21. Jahrhundert in erster Linie aus dem Ausland, vor allem aus

der Bundesrepublik. Sieben Zuwanderern stehen bisher (2008) nur zwei österrei-

chische Professoren mit einer Auslandsschleife gegenüber.

Überblickt man den gesamten Zeitraum, so sind zwei Aussagen abgesichert:

» Mit Ausnahme der Professionalisierungsphase des Faches ist Österreich in

der wissenschaftlichen Geographie bis zum Endes des 20. Jahrhunderts ein

Land mit Exportüberschuss geblieben (vgl. Abb. 2). Ferner hat bis herauf in

Abbildung 3: Österrei-chische Geographen auf Ordinariaten im mitteleuro-päischen Ausland, Ende 20. Jahrhundert(Quelle: Lichtenberger)

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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die ersten Nachkriegsjahrzehnte die eiserne Regel gegolten, dass Auslandser-

fahrung eine unabdingbare Voraussetzung für eine Rückberufung bildet. Sie

wurde erst in der Wachstumsphase der Universitäten in den 1970er Jahren

partiell außer Kraft gesetzt. „Österreichische Lösungen“ für Ordinariate und

der Export von Wissenschaftern auf ausländische Ordinariate ohne allzu

große Rückkehrchancen und Rückkehrinteresse standen einander gegenüber.

Im 21. Jahrhundert ist schließlich der Kleinstaat Österreich – wie nie zuvor –

auf die Zuwanderung von universitären Eliten aus Deutschland und anderen

Staaten angewiesen. Die Zeit einer Überschussproduktion ist zu Ende.

» Österreichische Geographen haben im abgelaufenen 20. Jahrhundert, wie aus

der obigen Aufstellung zu entnehmen ist, eine beachtliche Anzahl von Lehr-

stühlen in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz innegehabt.

Insgesamt handelt es sich um 20 Institute, wobei an manchen Instituten im

Laufe der Zeit mehrere österreichische Ordinarien der Geographie tätig wa-

ren (wie in Freiburg, Heidelberg und Frankfurt) (vgl. Abb. 3).

3.BiographienvonGründerfiguren

Albrecht Penck (1858–1945) – Begründer der Morphologie und Eiszeitforschung in Wien und Berlin

Wien war um die Jahrhundertwende mit dem Dreige-

stirn von Albrecht PENCK, Eduard SUESS und Julius von

HANN ein Zentrum der europäischen Geowissenschaft in

den Fächern Morphologie, Geologie und Meteorologie.

Albrecht PENCK, seiner Herkunft nach ein Sachse, gehört

zu den zahlreichen ausländischen Künstlern und Wissen-

schaftern, welche die kaiserliche Weltstadt Wien in der

Gründerzeit angezogen hat. Hochbegabt, widerlegt Alb-

recht PENCK bereits mit 19 Jahren durch Beobachtung von

nordischen Basalten in den eiszeitlichen Ablagerungen im

Leipziger Raum in seiner ersten wissenschaftlichen Arbeit

die herrschende Drifttheorie zur Erklärung der Inlandeis-

vergletscherung. In München schreibt er mit 24 Jahren sein

erstes großes Werk „Die Vergletscherung der deutschen Al-

pen, ihre Ursachen, periodische Wiederkehr und ihr Ein-

fluß auf die Bodengestaltung“ (1882) und legt darin die

Grundstrukturen seines späteren Werkes über „Die Alpen

im Eiszeitalter“ fest.

PENCKs Karriere ist ein Beispiel für die Chancen von Hochbegabten in der

Gründerzeit. Mit 25 Jahren wird er in München als Privatdozent für Geographie

habilitiert, mit 27 Jahren (1885) auf die Lehrkanzel für physikalische Geographie

als Nachfolger von Friedrich SIMONY in Wien berufen.

In der Wiener Zeit begründet PENCK mit dem Werk „Die Alpen im Eiszeitalter“,

in dem Eduard BRÜCKNER die Gletscher der Nordschweiz, das Schweizer Rhône-

gebiet und die Gletscher der Südalpen westlich der Etsch behandelt, seinen inter-

nationalen Ruf. In Wien verfasst er, einer Aufforderung Friedrich RATZELs folgend,

in mehr als zehnjähriger Arbeit das erste Lehrbuch der systematischen Morpho-

logie der Erdoberfläche, in dem nicht nur die Morphographie, sondern auch die

Morphometrie und Fragen der Geophysik behandelt werden. In die Wiener Zeit

fallen damit die Hauptleistungen von Albrecht PENCK:

» die Trennung der Morphologie von der Geologie und ihre Etablierung als geo-

graphische Subdisziplin mit der Aufgabe der Klassifikation, Beschreibung

und Erklärung der endogenen Oberflächenformen der Erde sowie

» die Erforschung des Eiszeitalters in Hinblick auf Morphologie, Stratigraphie,

Chronologie, Klimatologie und prähistorische Archäologie. Über die Erfor-

schung der eiszeitlichen Phänomene hinaus gelang damit die Abtrennung des

Quartärs als jüngster Teil der Erdgeschichte von der historischen Geologie

und Paläontologie und die Etablierung als interdisziplinärer, stark von der

Geographie dominierter Forschungsbereich.

In der Wiener Zeit entstehen von PENCK angeregte und geförderte Arbeiten

zur hydrographischen Forschung von Seen, Flüssen28 und Karstgewässern.29 In

Fortführung der Untersuchungen von Friedrich SIMONY und in Zusammenar-

beit mit Eduard RICHTER in Graz entsteht der Atlas der österreichischen Alpen-

seen. Darüber hinaus werden Seenstudien zur Untersuchung des Problems der

Klimaschwankungen durchgeführt.30 Albrecht PENCK war auch der Mitbegründer

der biologischen Station Lunz.

Entsprechend seiner globalen Weltsicht forderte Albrecht PENCK bereits 1891

auf dem internationalen Geographenkongress in Bern, die Herstellung einer Welt-

karte im Maßstab 1:1,000.000 und erlebte 1909 die Genugtuung, dass sich das

internationale Map-Komitee über das Programm einigen konnte. 1906 wird Alb-

recht PENCK als Nachfolger Ferdinand von RICHTHOFENs an die Universität Ber-

28) Zur Hydrographie des fließenden Wassers wurden berühmt gewordene Untersuchungen von V. RUVARAC (Elbe in Böhmen) und P. VUJEVIC (Theiß) durchgeführt.

29) Zur Karstforschung sind die Arbeiten von J. CVIJIC, N. G. KLEB, A. GRUND und seine eigenen Beiträ-ge zur Karsthydrographie anzuführen.

30) Am Neusiedler See durch Anton SWAROVSKI, an den innerafrikanischen und den hocharmenischen Seen durch Robert SIEGER.

Abbildung 4: Albrecht Penck (1858-1945) (Foto: ÖGG)

Elisabeth Lichtenberger

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31

lin berufen.31 Sein internationaler Ruf wächst, als er von dort 1908 als Austausch-

professor nach Amerika geht und andererseits William Morris DAVIS nach Berlin

zu Vorlesungen kommt, dessen morphologische Zyklustheorie rasch Eingang in

deutsche Lehrbücher findet.

In Berlin setzt Albrecht PENCK das Entdeckungszeitalter auf dem Lande, auf den

Weltmeeren und in der Antarktis fort. Bereits in Wien hat sich PENCK mit Adria-

forschung beschäftigt, in Berlin übernimmt er die Direktion des Museums für

Meereskunde und kann bei der Schaffung einer Professur für Meereskunde seinen

Wiener Schüler Alfred MERZ vorschlagen, dem er auch die Leitung des Museums

überlässt. Mit der Antarktisforschung hat sich PENCK ebenfalls schon in Wien be-

schäftigt, er führt sie in Berlin fort. Die beispielgebenden Forschungsfahrten der

„Meteor“ verdanken nicht zuletzt ihm ihre Verwirklichung.

Die Ereignisse des Krieges und der Folgejahre veranlassen Albrecht PENCK, sich

mit Fragen der politischen Geographie zu beschäftigen. Auf ihn geht der Begriff

„Zwischeneuropa“ zurück. Sehr ausführlich befasst sich PENCK mit der Frage der

Tragfähigkeit der Erde, die er als ein Hauptproblem der physischen Anthropo-

geographie auffasst.32 In seiner ersten Arbeit schätzt PENCK die größtmögliche

Bevölkerung der Erde auf rund 8 Mrd., nach ihm kommt FISCHER zu bloß 6,2

Mrd., HOLLSTEIN dagegen zu 13,3 Mrd., und zwar aufgrund des Hektarertrags der

nutzbaren Fläche. In der zweiten Arbeit schreibt PENCK „als Lebensfläche kann

man heute das gesamte Gebiet der Erdoberfläche ansehen, die Grenzen der Öko-

nomene sind gefallen“. Mit der Untersuchung der Tragfähigkeit der Erde hat Alb-

recht PENCK eine neue immanente Fragestellung in der Geographie eröffnet.

Versucht man ein wissenschaftliches Persönlichkeitsprofil von PENCK zu zeich-

nen, so wäre m. E. der LORENZsche Satz von der „Freude an der gekonnten Be-

wegung“ in abgewandelter Form auf ihn anzuwenden. Es war die „Freude an der

gekonnten Beobachtung“ idealtypisch definierter Sachverhalte der realen phy-

sischen Objektwelt, welche als ganz entscheidender Motor des wissenschaftlichen

Arbeitens fungiert hat. Albrecht PENCK besaß die intuitive Fähigkeit, in der ex-

plorativen Feldforschung äußerst rasch die Schlüsselstellen für das Erkennen der

Zusammenhänge zu finden und das Puzzle der Beobachtungen in globale Modelle

einzufügen. Von seinen Schülern sind die Anforderungen beschrieben worden, die

er stellte: scharfe Problemstellung, gründliche Beobachtung, völlige Vertrautheit

mit der einschlägigen Literatur, kritisches Urteil, Kombinationsgabe, unermüd-

liche Arbeit, körperliche Leistungsfähigkeit und Ausdauer, vollste Hingabe an das

Fach, aber keineswegs Beschränkung auf dieses.

31) PENCK lehrte bis 1926 in Berlin und war 1917 Rektor.32) „Bonitierung der Erdoberfläche“, Verhandlungen des 21. deutschen Geographentages in Breslau,

(1925), S. 211–220; Lebensraumfragen europäischer Völker, Bd.I., Leipzig 1941, S. 10–32.

Eine Vorstellung vom Einfluss Albrecht PENCKs auf die Geographie im deut-

schen Sprachraum gibt Abb. 5, aus der ersichtlich ist, wie von Wien aus in erster

Linie der süddeutsche Raum, von Berlin aus Norddeutschland bei der Berufungs-

politik unter PENCKs „Kontrolle“ bei der Berufungspolitik geraten ist.

Die zwei Jahrzehnte akademischer Tätigkeit in Wien sind die wissenschaftlich

besten Jahre von Albrecht PENCK gewesen. Aus allen Teilen des Vielvölkerreiches

strömten ihm talentierte Studierende zu, ebenso aber auch dem Ausland, besonders

aus den Balkanstaaten, die damals noch keine eigenen Hochschulen besaßen.33

33) Im Folgenden die Liste von PENCKs Schülern. Die ersten waren nicht viel jünger als er selbst: E. BRÜCKNER, R. SIEGER, F. HEIDERICH, J. MÜLLNER, J. CVIJIC, A. E. FORSTER, V. RUVARAC,

Abbildung 5: Albrecht Pencks Schüler in Wien und Berlin auf Ordinariaten im deutschen Sprachraum(Quelle: Lichtenberger)

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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Hugo hassinger (1877–1952) – Begründer der Wiener Schule der Stadt- und Kulturgeographie

Die Leistungen von Hugo HASSINGER liegen auf dem Ge-

biet der Geographie des Menschen. In seinem umfassenden

Beitrag zum „Handbuch der geographischen Wissenschaft“

repräsentiert er sich als letzter Vertreter einer enzyklopä-

dischen Fachtradition, welche er in das Gebiet der Geogra-

phie des Menschen hineingetragen hat. Der RATZELschen

Kulturkreislehre folgend, spannte er den globalen Bogen der

Information von der Rassenlehre, Völkerkunde und Volks-

kunde bis zu den Kapiteln über Bevölkerung, Siedlung,

Wirtschaft und Verkehr. Das Werk ist ein Schlussstein einer

Epoche. Es dokumentiert den Forschungsstand auf allen ge-

nannten Gebieten in der Zwischenkriegszeit, d.h. vor mehr

als zwei Generationen.34

Hugo HASSINGERs Arbeiten sind als Zeitdokumente auf-

zufassen. Das gilt vor allem für seine Forschungen über das

donauländische Grenz- und Inseldeutschtum, das durch die

politischen Ereignisse fast vollständig vernichtet wurde.

Methodisch beispielgebend blieb der Stil seiner kulturgeographischen Arbeits-

methodik, allen voran sein eigenes kunstgeographisches Werk über den alten Bau-

bestand in Wien,35 die Einführung der Isochronenmethode in der Stadtgeographie

und die Verwendung eines Assoziations- und Sukzessionsprinzips in der sozio-

graphischen Analyse von Städten, mit dem er das Konzept der sozialökologischen

Schule von Chicago bereits vorweggenommen hat, jedoch ohne es als allgemeines

Prinzip herauszustellen.

Hugo HASSINGER war in seinem Denken Enzyklopädist und in diesem Geist hat

er stets die Ideen von umfassenden Regionalatlanten zu verwirklichen getrach-

A. SWAROVSKY und A. BECKER. Einer späteren Reihe gehörten an: N. KREBS, F. MACHATSCHEK, A. GRUND, H. HASSINGER, R. LUZERNA, R. HÖDL und R. ROTHAUG. Die Folge seiner Wiener Schü-ler schließt mit G. GÖTZINGER, A. MERZ, J. SÖLCH, O. LEHMANN, M. KLEB und L. von SAWICKY. Seine beiden Assistenten waren gleichzeitig Privatdozenten, die beiden SIMONY-Schüler Philip PAULITSCHKE und Carl DIENER. Auch aus dem Ausland kam eine Reihe von Schülern, der Wie-ner Schüler PENCKs, J. CVIJIC, wurde der bedeutendste Geograph Jugoslawiens. Stepan RUDNYCKJ wirkte in der Ukraine, in Utrecht OESTRIJCH, in Japan JAMASAKI, um nur die bekanntesten zu nen-nen. Von den ausländischen Studenten in Berlin ist noch hinzuweisen auf die Italiener R. ALMAGIA und G. BAINELLE, ferner auf den Franzosen E. de MARTONNE sowie auf J. E. ROSBERG, L. von SAWI-CKY und A. WATANABE.

34) HASSINGER, H.: Die Geographie des Menschen, in: Handbuch der Geographischen Wissenschaft, Akademische Verlagsgesellschaft Potsdam 1933, 2. Teil, S. 169–558.

35) Kunsthistorischer Atlas 1917.

tet. Mit seinem oben genannten „Kunsthistorischen Atlas von Wien“ ist er der

Begründer des Denkmalschutzes und schließlich ebenso der Raumforschung in

Österreich gewesen.

Hugo HASSINGERs Karrierepfad gehört einer späteren Generation als der von

PENCK an. Die Zahl der Assistentenstellen war in der Spätgründerzeit unzurei-

chend, die Bezahlung schlecht, das Curriculum führte über das Mittelschullehramt

und die Habilitation und war durch die Hoffnung auf eine Berufung mitmotiviert.

HASSINGER promovierte 1902 bei PENCK mit „Geomorphologische Studien aus dem

inneralpinen Becken und seinem Randgebirge“ (veröffentlicht 1905), deren sorgfäl-

tige morphometrische Deskription ihre Gültigkeit nicht verloren hat. 1903 legte

HASSINGER die Lehramtsprüfung für Mittelschulen ab und wurde Lehrer am Gym-

nasium zuerst in Mährisch-Weißenkirchen (bis 1906), dann in Wien. 1914 habili-

tierte er sich als Mittelschullehrer mit „Die mährische Pforte und ihre benachbarten

Landschaften“. 1917 erschien der erwähnte „Kunsthistorische Atlas der Stadt Wien“.

1918 wurde HASSINGER zunächst als außerordentlicher, dann als ordentlicher

Professor an die Universität Basel berufen. Hier konnte er bereits sein institu-

tionelles Engagement beweisen. Er wirkte als Dekan, war Mitbegründer der

Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft in Basel, leitete eine Zeitlang die

Naturforschende Gesellschaft und entwarf ein Programm der Haus- und Sied-

lungsforschung für die Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde. In Basel

schrieb HASSINGER die „Länderkunde der Tschechoslowakei“ (1925).

Berufungen an die Universitäten Frankfurt am Main, Graz und an die Hoch-

schule für Welthandel lehnte er ab, doch folgte er 1927 einer Berufung an die

Universität Freiburg. Hier behandelte er für das Werk von R. KJELLEN „Die Groß-

mächte vor und nach dem Weltkrieg“ Österreich-Ungarn bzw. die Nachfolgestaaten

sowie Frankreich und Italien und verfasste „Die geographischen Grundlagen der

Geschichte“, welche 1931 erschienen. Im gleichen Jahr wurde er als Nachfolger von

Eugen OBERHUMMER nach Wien berufen. In Wien schrieb er „Die allgemeine Geo-

graphie des Menschen“ (1937) in KLUTEs Handbuch der Geographischen Wissen-

schaften (vgl. oben).

Institutionell war Hugo HASSINGER auch in Wien außerordentlich aktiv. Er

betrachtete es als Aufgabe der österreichischen Geographie vor allem den euro-

päischen Osten, insbesondere die deutsche Kulturleistung, zu erforschen. Bereits

1931 begründete er die Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft an der Univer-

sität Wien und konzipierte den „Atlas des Donauraums“, welcher freilich erst in

der Nachkriegszeit von seinem Schüler Josef BREU – anders strukturiert – im

Ost- und Südosteuropa-Institut herausgebracht werden konnte. 1939 übernahm

Abbildung 6: Hugo hassinger (1877–1952)(Foto: ÖGG)

Elisabeth Lichtenberger

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er die Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung an der Universität Wien und ver-

öffentlichte gemeinsam mit Fritz BODO den „Burgenlandatlas“, der dieses jüngste

Bundesland Österreichs zu einem der best erforschten Gebiete gemacht hat. Hugo

HASSINGER verstand es, diesen Arbeitsbereich nach dem Zweiten Weltkrieg in

Form einer Kommission an die Österreichische Akademie der Wissenschaften hin-

überzuretten. In dieser begann er 1951 den „Atlas von Niederösterreich“, der von

seinem Schüler ARNBERGER nach seinem Unfalltod fertig gestellt worden ist.

In der Notzeit der unmittelbaren Nachkriegsjahre gelang es Hugo HASSINGER

ferner, die maßgeblichen wissenschaftlichen Vereinigungen Österreichs in dem

„Notring der wissenschaftlichen Verbände Österreichs“ zusammenzufassen, der die

Forderungen der Wissenschaft bei den Behörden und der Regierung vertrat.

In einem seiner letzten Werke hat Hugo HASSINGER „Österreichs Anteil an der

Erforschung der Erde“ (1950) in dokumentarischer Form festgehalten. Die un-

gemein zahlreichen, teilweise unveröffentlichten Berichte, kritischen Referate,

Gutachten, Eingaben an Behörden und Denkschriften über die verschiedensten

Angelegenheiten sind für Hugo HASSINGER ebenso bezeichnend gewesen wie

seine wissenschaftlichen Arbeiten. Aufgrund der persönlichen Ideologie als An-

hänger einer großdeutschen Lösung in der Ersten Republik und seines Engage-

ments in Fragen des deutschen Volkstums in Südosteuropa ist Hugo HASSINGER,

m. E. völlig zu Unrecht, in der deutschen Wissenschaftsgeschichte stiefmütterlich

behandelt worden.36

Er war der letzte bedeutende Fachvertreter mit einem enzyklopädischen Wis-

sen über „Die Geographie des Menschen“ auf der Erde. Einerseits dem klassischen

historischen Kulturlandschaftsparadigma verpflichtet, war er andererseits ein zu

früh Geborener, um mit gesellschaftsrelevanter Forschung in die Politik in größe-

rem Maße hineinwirken zu können.

Hans bobek (1903–1990) – Begründer der Sozialgeographie

Am 15. Februar 1990 starb der emeritierte ordentliche Universitätsprofessor

für Geographie DDr. h.c. Hans BOBEK im 87. Lebensjahr. Die deutschsprachige

Geographie verlor einen Gelehrten, welcher das Weltbild einer Disziplin mitge-

staltet hat. Das von BOBEK Anfang der 1950er Jahre konzipierte „Logische System

der Geographie“37 hat das Landschaftskonzept von Otto SCHLÜTER zur Basiside-

36) Vgl. HEINRITZ, G./G., SANDNER/R., WIESSNER (Hg.): Der Weg der deutschen Geographie. Rückblick und Ausblick, Stuttgart 1996.

37) „Gedanken über das logische System der Geographie“, MÖGG, 99, (1957): S. 122–145. Wiederab-druck in: STORKEBAUM, W. (Hg.): Zum Gegenstand und zur Methode der Geographie, Wiss. Buch-gesell, Darmstadt 1967, S. 289–329.

ologie des Faches im deutschen Sprachraum gemacht.38 Noch

einmal wurde die bereits im „Handbuch der Geographischen

Wissenschaft“, (herausgegeben von Fritz KLUTE, 2 Bände, Pots-

dam 1933), in der Zwischenkriegszeit fassbare Aufspaltung der

Geographie in weitgehend unabhängige Geoäste von systema-

tischen Disziplinen zu überspielen versucht.

Der Einbruch des neuen, in der angelsächsischen Welt ent-

standenen Paradigmas der analytischen und quantitativen Geo-

graphie auf dem Kieler Geographentag 1968,39 wo neomarxi-

stische und „analytische“ Studenten vereint gegen die klassische

Geographie zu Felde zogen, wurde von dem nahezu 70jährigen

in der Abschiedsvorlesung „Die Entwicklung der Geographie

– Kontinuität und Umbruch“40 mit der Akzeptanz des Pluralis-

mus des wissenschaftstheoretischen Zugangs in der Geographie

quittiert.

Die Kapitelüberschriften in der Wissenschaftsgeschichte der Geographie gelten

heute dem Sozialgeographen Hans BOBEK und damit dem Begründer einer neuen

Forschungsperspektive.41

Allerdings hat Hans BOBEK seine zahlreichen neuen Ideenskizzen, wie die über

das Problem des Fortschritts und die Entfaltung der Zivilisation, die Hauptstu-

fen der Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft, die Überlagerung und

Auseinandersetzung verschiedener Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme, nie-

mals selbst in eine Forschungsstrategie umgesetzt. Dies gilt u.a. für die Theorie

des Rentenkapitalismus, welche er in Fortführung der Ideen von Max WEBER und

Werner SOMBART aus seiner Forschungserfahrung im Vorderen Orient auf der

Metaebene42 konzipiert hat und welche aus der Entwicklungsländerforschung43

nicht mehr wegzudenken ist.

Hans BOBEK hat k e i n e „Wiener Schule der Sozialgeographie" geschaffen, ganz

zum Unterschied von der Münchener Schule der Sozialgeographie,44 welche in

38) Mit J. SCHMITHÜSEN: „Die Landschaft im logischen System der Geographie“, Erdkunde, III, (1949), S. 112–120.

39) LICHTENBERGER, E.: „Quantitative Geography in the German-Speaking Countries“, Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie 69,6 (1978), S. 362–373.

40) MÖGG, 114 (1972), S. 3–18.41) „Stellung und Bedeutung der Sozialgeographie“, Erdkunde, II, 1/3, (1948), S. 118–125.42) „Zum Konzept des Rentenkapitalismus“, Tijdschrift voor Economische en Sociale Geografie, 65/2

(1974), S. 74–78.43) „Zur Problematik der unterentwickelten Länder“, MÖGG, 104 (1962), S. 1–24, 3 Tafeln.44) MAIER, K./R. PAESLER/K. RUPPERT/F. SCHAFFER: Sozialgeographie, Das Geographische Seminar,

Braunschweig 1977.

Abbildung 7:Hans bobek (1903-1990)(Foto: Photo Fayer, Wien)

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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induktiver Tradition den methodischen Zugang auf der Mikroebene von Sozial-

gruppen wählte, deren Details Hans BOBEK „niemals so genau wissen wollte“.45

BOBEKs sozialgeographischen Konzeptionen sind freilich auf einer Metaebene in

weite Teile der Humangeographie diffundiert, darunter in die Wohnungs- und

Arbeitsmarktforschung, in die Forschungen über den ländlichen Raum, in die Er-

forschung der Freizeitgesellschaft und last, not least, in die Stadtgeographie der

Wiener Schule.

Infolge der Etikettierung als Sozialgeograph wird gerne übersehen, dass Hans

BOBEK – seiner Zeit weit voraus – mit seiner Dissertation über Innsbruck46 die

funktionelle Sichtweise von Städten und die Stadt-Umland-Forschung begründet

hat.47 Er hat als erster verschiedene Modelle von Stadt-Land-Beziehungen, insbe-

sondere monofunktionelle Revierbildungen, untersucht48 und schließlich Walter

CHRISTALLERs zentralörtliche Theorie49 nicht nur kritisch ergänzt, sondern mit

der Zentrale-Orte-Forschung an der Kommission für Raumforschung der Öster-

reichischen Akademie der Wissenschaften eine Grundlage für die Regional- und

Raumplanung in Österreich geschaffen.50

Nur in Stichworten können die Stationen des Karrierepfads nachgezeichnet

werden: Das Studium an der Innsbrucker Universität (1921–1926: Geographie,

Geschichte, Sozialwissenschaften) begründete zwei Forschungslinien: mit der Un-

tersuchung der Stadt vor der Haustüre der Universität die funktionelle Stadtfor-

schung, fortgeführt in späteren Lebensjahrzehnten als Zentrale-Orte-Forschung,

und unter dem Einfluss von Johann SÖLCH, auch motiviert durch die Freude am

Alpinismus, die Beschäftigung mit der Quartärforschung.51

Mit 28 Jahren von Norbert KREBS nach Berlin (1931–1939/40) auf eine Assi-

stentenstelle geholt, erhielt Hans Bobek damit die Chance, an das damals führende

45) Der in der wissenschaftstheoretischen Literatur verwendete Begriff der „Wien-Münchner Schule der Sozialgeographie“, den P. WEICHHART in „Entwicklungslinien der Sozialgeographie“ verwen-det, ist bedauerlicherweise unrichtig. Es wäre zweckmäßig gewesen, Frau Dr. Maria BOBEK-FESL zu befragen, wie dies in der Biographieforschung üblich ist.

46) Innsbruck, eine Gebirgsstadt, ihr Lebensraum und ihre Erscheinung. Forsch. zur Dt. Landes- u. Volkskunde, 1928.

47) „Grundfragen der Stadtgeographie“, Geogr. Anzeiger (1927), S. 213–224. Wiederabdruck in SCHÖLLER P. (Hg.): Allgemeine Stadtgeographie. Wege der Forschung 181, Darmstadt 1969, S. 195–219.

48) „Über einige funktionelle Stadttypen und ihre Beziehungen zum Lande“, Comptes Rendus Congr. Intern. Geogr. Amsterdam (1938), t.III, S. 88–102. Wiederabdruck in, P. SCHÖLLER (Hg.): Allgemei-ne Stadtgeographie. Wege der Forschung 181, Darmstadt 1969, S. 269–288.

49) „Die Theorie der zentralen Orte im Industriezeitalter“, Tagungsberichte u. wiss. Abh. Dt. Geogr. Tag Bad Godesberg (1967), S. 199–213.

50) Mit M. FESL: Das System der Zentralen Orte Österreichs – Eine empirische Untersuchung. Schriften d. Komm. f. Raumforschung, Bd. 3, Graz-Köln 1978; ebenfalls mit M. FESL: Zentrale Orte Österrei-chs II. Beiträge zur Regionalforschung, Bd. 4, Verlag d. Österr. Akademie d. Wissensch. Wien 1983.

51) Die jüngere Geschichte der Inntalterrasse und der Rückzug der letzten Vergletscherung im Inntal. Jahrbuch d. Geol. Bundesanstalt, Wien 1935, S. 135–189.

Geographische Institut zu kommen und in den Kreis von jungen Wissenschaftern

zu gelangen, die nach dem Krieg die Fachentwicklung im deutschen Sprachraum

entscheidend bestimmt haben (vgl. oben).52 Der Standort Berlin bot die Mög-

lichkeit zur Auslandsforschung. Hans BOBEK wählte den Orient, im Speziellen

den Iran, da hier „erst wenige Geographen gearbeitet hatten“, ferner fand er einen

ausgezeichneten Lehrer des Persischen. Mit dieser Entscheidung hat der damals

Dreißigjährige den regionalen Schwerpunkt der eigenen Forschung – vermutlich

ohne dies voraussehen zu können – für sein Leben fixiert.53

Die Jahre des Zweiten Weltkrieges bedeuteten für Hans BOBEK nicht wissen-

schaftlich verlorene Jahre. Er hatte vielmehr das Glück, durch die Tätigkeit bei der

militärgeographischen Abteilung des Oberkommandos des Heeres (1940–1943)

und die Leitung der Arbeitsgruppe über den Vorderen und Mittleren Orient, spä-

ter auch über Nordafrika, Zugang zu allen damals verfügbaren Karten, Luftbildern,

gedruckten und ungedruckten Texten gewinnen zu können. Hier schrieb er die

„Soziallandschaften des Orients“, ein Manuskript, das leider nie gedruckt worden

ist, als Grundlage der späteren sozialgeographischen Arbeiten. Seit 1944 bei den

Kommandos der Forschungsstaffel, von Russland bis Jugoslawien und Norditalien,

zum Schluss in Prag, konnte er seine geographischen Kenntnisse erweitern. Zusam-

menarbeit und Gespräche mit ökologisch ausgerichteten Botanikern, wie Heinz

ELLENBERG und Josef SCHMITHÜSEN, öffneten ihm den Zugang zu einer geoöko-

logischen Fragestellung, die in eigenen Forschungen im Iran einen Niederschlag

fand.54

Die erste Berufung in der Nachkriegszeit führte Hans BOBEK nach Freiburg

(1946–1948). Hier schrieb er als Mittvierziger bahnbrechende Aufsätze über „Die

Stellung und Bedeutung der Sozialgeographie“ (vgl. oben), „Soziale Raumbildungen

am Beispiel des Vorderen Orients“55 und „Die Landschaft im logischen System der

Geographie“.

Nach einem kurzen Zwischenspiel an der Wirtschaftsuniversität Wien (1949–

1951) wurde er schließlich als Nachfolger von Hugo HASSINGER an das Geo-

graphische Institut der Universität Wien berufen (1951–1971). Er kam in eine

52) LICHTENBERGER, E., „The German-Speaking Countries“, in: Geography since the 2nd World War. An International Survey, London 1984, S. 156–184, 4 Tab., 3 Fig.

53) Forschungsreisen im Iran: 1934 (8 Monate), 1936 (3 Monate), 1956 (7 Monate gem. mit dem Lim-nologen H. LÖFFLER), 1958/59 (mehrere Reisen und Gastprofessur an der Universität Teheran), 1975 (1 Monat), 1978 (1 Monat) Publikation: Iran. Probleme eines unterentwickelten Landes alter Kultur, Frankfurt-Berlin-Bonn 1962.

54) Die natürlichen Wälder und Gehölzfluren Irans. Bonner Geogr. Abh. H. 8, Bonn 1951, 62 S., 18 Abb. auf 4 Tafeln, 1 vierfarbige Karte 1: 4 Mio. „Beiträge zur klimaökologischen Gliederung Irans“, Erdkunde, VI, (1952), S. 65–84.

55) Tagungsbericht Dt. Geographentag München 1948, Amt f. Landeskunde, Landshut, 1951, 15 S.

Elisabeth Lichtenberger

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institutionelle und personelle Konstellation, die das letzte Drittel seines wissen-

schaftlichen Lebens entscheidend bestimmt hat; einerseits durch die Übernahme

der Kommission für Raumforschung an der Österreichischen Akademie der Wis-

senschaften (1954) und andererseits durch die intensiven persönlichen Kontakte

mit Erik ARNBERGER56 und Rudolf WURZER.

Für Rudolf WURZER entwarf Hans BOBEK das Konzept des ersten regionalen

Planungsatlasses (über das Lavanttal), unterstützte den nach Wien berufenen Pro-

fessor für Städtebau und Raumplanung bei der Gründung der Österreichischen

Gesellschaft zur Förderung von Landesforschung und Landesplanung57 und ließ

sich zur Mitarbeit an einem umfangreichen Gutachten für die Regierung KLAUS

gewinnen.58 1955 fasste Hans BOBEK seinen Entschluss, gemeinsam mit Erik

ARNBERGER einen „Nationalatlas der Republik Österreich“ herauszugeben.59

Als Obmann der Kommission für Raumforschung der Österreichischen Akade-

mie der Wissenschaften (1954–1983)60 gelang es Hans BOBEK trotz sehr beschei-

dener Mittel, die intellektuelle Elite der Aufbaugeneration in allen mit räumlichen

Fragestellungen arbeitenden Disziplinen zur Mitarbeit am „Atlas der Republik Ös-

terreich“ zu gewinnen. Nahezu fünfzig Karten wurden hierbei von ihm selbst mit-

strukturiert. Originelle und erstmalige Darstellungen gelten wichtigen Themen,

wie Klimatypen, ökologische Gesamtwertung, Gemeindetypen, Zentrale Orte und

wirtschaftsräumliche Strukturen. Mit diesem Atlas und den damit verbundenen

Publikationen hat Hans BOBEK im letzten Drittel seines wissenschaftlichen Lebens

ein singuläres Dokument für die räumliche Kenntnis des österreichischen Staates

geschaffen61 und letztlich die Ausformulierung seines umfassenden Konzepts der

Sozialgeographie beiseite geschoben.62

56) LICHTENBERGER, E.: „Erik Arnberger-Nachruf“, Almanach d. Österr. Akademie der Wissenschaften, 138 (1988), S. 412–418.

57) Umbenannt in Österreichische Gesellschaft für Raumforschung und Raumplanung: Gründungs-mitglied, stellvertretender Vorsitzender 1954–1969. Auflösung der Gesellschaft 1990.

58) „Strukturanalyse des österreichischen Bundesgebietes“, hg. v. WURZER, R., Schriftenreihe d. Österr. Ges. f. Raumforschung und Raumplanung, 2 (1979): (a) „Ausgliederung der Strukturgebiete der österreichischen Wirtschaft“ S. 451–460, (b) „Die zentralen Orte und ihre Versorgungsbereiche“, S. 475–504.

59) „Österreichs Regionalstruktur im Spiegel des Atlas der Republik Österreich“, MÖGG, 117 (1975), S. 117–164.

60) Herausgabe, wissenschaftliche und entwurfskartographische Gesamtleitung des „Atlas der Repu-blik Österreich“; Herausgabe der „Schriften der Kommission für Raumforschung“ und der „Beiträ-ge zur Regionalforschung“.

61) „Österreichs Regionalstruktur im Spiegel des Atlas der Republik Österreich“, in: Österreich. Geo-graphie, Kartographie, Raumordnung 1945–1975, Wien 1975, S. 116–164.

62) Im Nachlass ist das letzte Inhaltsverzeichnis mit September 1965 datiert.

4. Schulen und Forschungsstränge: Ein Rückblick

Die oben herausgearbeitete beherrschende Rolle der PENCK-Schule hatte Kon-

sequenzen für die „Normalkarriere“ und damit den Forschungsstil. Es gehörte bis

herauf zur Heimkehrergeneration zur „Normalkarriere“, zuerst auf dem Gebiet

der physischen Geographie gearbeitet zu haben und sich erst dann, wenn über-

haupt, in das Gebiet der kultur- und sozialwissenschaftlichen Geographie hinein-

zubewegen. Dies war andererseits eine Voraussetzung dafür, um informative Län-

derkunden schreiben zu können.63

In der wissenschaftlichen Grundhaltung der geowissenschaftlichen Geographen

dominierte ein „schlichter“ Positivismus. „Schlicht“ deswegen, da wissenschafts-

theoretische Überlegungen hinsichtlich der Einbindung von Wissenschaftern

in die gesellschaftspolitischen Ideologien nicht stattgefunden haben. Daraus re-

sultierte mit Notwendigkeit eine „naive“ Sichtweise gegenüber politischen Fra-

gestellungen, wie sie vor allem in der Zwischenkriegszeit gegenüber der damals

boomenden Geopolitik von Seiten der gleichfalls boomenden politischen Geogra-

phie an der Tagesordnung gewesen ist.

Albrecht PENCK hat – ebenso wie vor ihm schon Ferdinand von RICHTHOFEN

in Berlin – wesentliche Merkmale der geologischen Forschung in die Geographie

eingebracht. Das bedeutete: Die Kenntnis der vorliegenden Literatur über die For-

schung wurde als „Pflicht“ in den wissenschaftlichen Ehrenkodex integriert, der

Feldforschung absolute Priorität gegenüber sekundären Quellen eingeräumt, die

kartierende Aufnahmetechnik weiterentwickelt und ausgebaut. In der Glazialmor-

phologie und Quartärforschung sind damit analog zur Deckentektonik bestimmte

Aufschlüsse zu den Kernstücken der prozessualen Erklärung avanciert.

Die Forschungsfragen selbst haben sich in der Generationenfolge geändert bzw.

grundsätzliche Fragen sind durch dokumentarische Publikationen zu einem gewis-

sen Abschluss gelangt. Im Folgenden einige Stichworte zu den Klassikern: Am Anfang

steht das Werk von Albrecht PENCK und Eduard BRÜCKNER „Die Alpen im Eiszeital-

ter“ (1909), in dem am Beispiel der Alpen die bis heute gültige Viergliederung der

Eiszeit und die Formenserie einer Eisstromvergletscherung belegt worden sind.

Die Auffassung PENCKs vom „gewaltigen“ Ausmaß der Glazialerosion wurde

in der Modellstudie von Johann SÖLCH über „Fluß- und Eiswerk in den Alpen“

entscheidend revidiert. Die Thematik der geologisch-tektonisch bedingten, sehr

unterschiedlichen regionalen Morphogenese der Großformen der Erde hat Fritz

MACHATSCHEK in dem zweibändigen Werk „Das Relief der Erde“ (1. Auflage 1937,

63) Nur zwei Schüler von Hugo HASSINGER haben nicht physisch-geographisch gearbeitet: Egon LENDL und Josef MATZNETTER.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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2. Auflage 1955) aufgearbeitet und damit als international interessantes Thema

abgeschlossen. Zwei Jahrzehnte später wurde von Julius BÜDEL, der dem Berliner

Kreis um Norbert KREBS angehörte, bereits das „Handbuch der Klima-Geomorpho-

logie“ (1977) mit der neuen Fragestellung der klimatisch bedingten Formen der

Erdoberfläche herausgebracht, an der sich freilich österreichische Morphologen

nur mehr als Mitläufer beteiligt haben.

Durch die beschriebene Normalkarriere erfolgte ein Transfer der positivi-

stischen Grundhaltung und geowissenschaftlicher Methodik in die Geographie

des Menschen. Allerdings sonderten sich dabei von Anfang „Kerndisziplinen“, wie

die Stadtgeographie und die Kulturlandschaftsgeographie, von den „Randdiszi-

plinen“ der Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Verkehrsgeographie, in denen das

Landschaftsparadigma von Hans BOBEK (vgl. oben) und damit auch die Kartie-

rung von im Realobjektraum identifizierten Typologien und Klassifikationssyste-

men stets nur randliche Bedeutung hatten und Statistiken das Grundgerüst der

Informationen bildeten.

Die Kartierung hat als geowissenschaftliche Methode zum ersten Mal in Hugo

HASSINGERs „Kunsthistorischer Atlas von Wien“ (1917) ihre Effizienz bewiesen, als

sie zur Herausarbeitung der sozialhistorischen Wohnbautypen eingesetzt worden

ist. Damit wurde der Grundstein für die Wiener Schule der Stadtgeographie gelegt.

Die haus- und parzellenweise Kartierung von Baubestand, Betrieben und Flächen-

nutzung welche in den Jahren 1955 bis 1958 im Rahmen des Lehrbetriebs von der

Autorin auf der Grundlage des Feuerwehrplans von Wien durchgeführt wurde, ist

als historisches Dokument dem Historischen Museum der Stadt Wien übergeben

worden. In generalisierter Form hat diese Stadtkartierung von Wien mehrere Jahr-

zehnte die Grundlage des Flächenwidmungsplans der Stadt gebildet.

Bereits seit dem Zweiten Weltkrieg und dann in der Nachkriegszeit sind Luftbild-

auswertung und -interpretation64 sowie Techniken des Remote Sensing als „Kar-

tierung vom Schreibtisch“ zu geowissenschaftlichen Methoden von wachsender

Bedeutung geworden und haben der Forschung eine neue Dimension eröffnet.

Während die geowissenschaftlichen Subdisziplinen der Geographie keine

Schwierigkeiten hatten, eine „glückliche Ehe“ mit geographischen Informationssy-

stemen und Datenbanken einzugehen, ist die Entwicklung im Bereich der Geogra-

phie des Menschen seit dem Kieler Geographentag 1968 und dem gleichzeitigen

Auftreten der Analytik und des Neomarxismus durch einen Bruch gekennzeichnet,

der nur teilweise durch die Generierung eines neuen Primärforschungsstils über-

wunden werden konnte.65 Von diesem Bruch sind zwei Strukturen betroffen:

1. das Verhältnis der Geographie des Menschen zur Zeitdimension und

2. das Verhältnis zu den Nachbardisziplinen.

1. Das Verhältnis der Geographie des Menschen zur Zeitdimension

Grundsätzlich führte der Weg in den abgelaufenen eineinhalb Jahrhunderten

zu einer Verschiebung auf der Zeitachse, und zwar von einer bis in die Prähistorie

und die antiken Hochkulturen zurückreichenden „historischen Geographie“ über

mehrere Etappen bis herauf zur geographischen Zukunftsforschung. Hierzu im

Folgenden einige Stichworte.

Die Kenntnisse von Wilhelm TOMASCHEK, der 1885 auf die neu eingerichte-

te historisch-geographische Lehrkanzel in Wien berufen worden ist, umfassten

vor allem die antike Literatur und Geschichte sowie das weite Feld der Sprach-

vergleichung. Er besaß ausgedehnte Kenntnisse der indogermanischen und ural-

altaischen Sprachen, ebenso aber auch des Arabischen. Sein Arbeitsfeld war der

Orient; er studierte die historische Topographie Kleinasiens auf der Grundlage

von römischen und mittelalterlichen Quellen. Sein wissenschaftliches Anliegen in

der historischen Geographie basierte auf linguistischer Grundlage.

Eugen OBERHUMMER, der Zeitgenosse von Albrecht PENCK, der 1901 nach dem

Tode von Wilhelm TOMASCHEK berufen wurde, war einer der letzten deutschen

64) BOBEK, H.: Luftbild und Geomorphologie - Luftbild und Luftbildmessung, Nr. 20, hg. v. Hansa Luftbild, Berlin 1941, 8–160.

65) LICHTENBERGER, E.: Gastarbeiter – Leben in zwei Gesellschaften. Unter Mitarbeit von H. FASS-MANN, EDV-Technologie, Wien u.a. 1984. LICHTENBERGER, E.: Stadtverfall und Stadterneuerung. Beiträge zur Stadt- und Regionalforschung, Bd. 10. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1990.

STADTFORSCHUNGHistorische Disziplinen

Stadt-, Sozial-,Wirtschafts-,

Architektur-geschichte Kommunal-

wissenschaft

Gesellschafts-wissenschaft

Factorial Ecology

Stadt-wirtschaftslehre

STÄDTEBAU STADTPLANUNG

Zentralitätsforschung

KlassischeStadtgeographie

AnalytischeStadtgeographie

physischeStadtplanung

Stadtentwicklungs-planung

Landnutzungsmodelle,Flächenbilanzierung,Prognosen für Umbau-prozesse, Slumsanierung,Stadterneuerung,Zentrenplanung

mathematischeArbeits-Wohn-Standortmodelle,Optimierung derStandorte sozialerEinrichtungen

Stadt-Umwelt-forschung

Wohnbauforschung

Abbildung 8:Das Spektrum der Nach-barwissenschaften der klassischen und analy-tischen Stadtgeographie(Quelle: Lichtenberger 1980, S. 109)

Elisabeth Lichtenberger

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Vertreter der historisch ausgerichteten Geographie, der zur klassischen Altertums-

wissenschaft und zur Geschichte der Erdkunde in der Kartographie enge Bezie-

hungen unterhielt. Er brach eine Lanze dafür, dass die Anthropogeographie sich

der Methoden bedienen muss, welche die historischen Wissenschaften, wie die

Archäologie, die Epigraphik, die Numismatik sowie die Sprachwissenschaften, zur

Verfügung stellen. In diesem Sinne wurde von ihm die historische Geographie als

raumbezogene Alte Geschichte verstanden.

Das Heraufrücken der Forschung in der Zeitachse vollzog dann der PENCK-

Schüler Alfred GRUND (1875–1914, gefallen), der mit seinem viel zu wenig beach-

teten Buch über „Die Veränderungen der Topographie im Wiener Wald und Wiener

Becken“(1901) die mittelalterliche Wüstungsforschung als Teil der historischen

Kulturlandschaftsforschung in einem interdisziplinären Forschungsterrain be-

gründet hat und in einer Zeit ethnisch determinierter historischer Flurforschung

nachweisen konnte, dass Haus- und Hofformen nur mit großer Einschränkung

zur Feststellung ethnischer Raumgliederung verwendbar sind. Bei der Bearbei-

tung der Blätter von Niederösterreich des „Historischen Atlasses der österrei-

chischen Alpenländer“ wurde erkannt, dass die Grenzen der Sprengel der hohen

oder Blutgerichtsbarkeit weit dauerhafter sind als die Grenzen anderer räumlicher

Gliederungen wie die des Herrschaftsbesitzes, der Niedergerichtsbarkeit oder

der Pfarreinteilung und mit den alten Grafschaften und vielfach mit den Gauen

zusammenfallen.

Hugo HASSINGERs globale Sichtweise, die er in mehreren Büchern niedergelegt hat,

ist durch die folgenden Sätze im geographischen Einleitungsband zur „Geschichte

der führenden Völker“ belegt: „Aufgabe einer historischen Geographie muß es sein, die

Kulturlandschaften vergangener Zeiten zu rekonstruieren und aus den kulturellen und

politischen Verhältnissen ihrer Entstehungszeit zu erklären. Aufgabe einer Anthropogeo-

graphie ist es, die heutige Kulturlandschaft als ein Compositum von ererbten und ent-

standenen Formen zu betrachten“ (2. Auflage, Herder Verlag, Freiburg 1953, S. 6/7).

Schulebildend war nicht zuletzt der bereits genannte „Kunsthistorische Atlas von

Wien“, der seine Fortsetzung in den Baualterplänen der österreichischen Städte und

im ländlichen Raum in der Siedlungs- und Flurformenkarte von Adalbert KLAAR

gefunden hat und die zahlreichen auf der Auswertung des Josephinischen und Fran-

zisceischen Katasters beruhenden Arbeiten seiner Schüler, welche einen spezifischen

Stil der österreichischen Kulturlandschaftsforschung begründet haben.

Mit der Übernahme des Paradigmas der analytischen Geographie in den 1970er

Jahren änderte sich der Zeitbegriff grundlegend. Die Zeit wird zu einer Variablen

der Systemanalyse. Diese Tatsache hat begreiflicherweise Vertreter der klassischen

Kulturlandschaftsforschung verstört, sie hat andererseits durch den Einbau von

Prognosetechniken auch der Geographie den Weg zur Zukunftsforschung geöff-

net. Damit ist es möglich geworden, die Frage nach der programmierten und der

ungewissen Zukunft der Gesellschaft in den räumlichen Kontext zu stellen. Ös-

terreichische Geographen haben als erste im deutschen Sprachraum eine geogra-

phische Zukunftsforschung etabliert (vgl. unten).

2. Die Veränderung des Spektrums der Nachbarwissenschaften der Geographie des Menschen

vollzog sich in drei Etappen. In der ersten Etappe, welche bis zu HASSINGERs An-

thropogeographie heraufreicht, bestanden engste Verbindungen zur Völkerkunde

und Volkskunde. Noch Friedrich RATZEL konnte eine dreibändige Völkerkunde

herausgeben.66

Die Basislektüre der Jahrgänge unmittelbar vor und nach dem Zweiten Welt-

krieg bildete das „Handbuch der Geographie“ von KLUTE, in dem Hugo HASSINGER

die Geographie des Menschen geschrieben hat, mit Schnittstellen zur Rassenlehre,

Anthropologie, Völkerkunde und Volkskunde. Mit der Sozialgeographie von Hans

BOBEK verschob sich das Spektrum der Nachbarwissenschaften. Völkerkunde und

Volkskunde rückten aus dem Gesichtskreis der Humangeographie. Die Soziologie

wurde zur wichtigsten Nachbarwissenschaft und blieb es vielfach bis heute. Eine

Vorstellung von dem breiten gegenwärtigen Spektrum der systematischen Diszi-

plinen bietet die Stadtgeographie. Sie stellt derzeit die am weitesten entwickelte

Subdisziplin des Faches dar. Die Abbildung 8 dokumentiert das Spektrum der

Nachbarwissenschaften der klassischen und der analytischen Stadtgeographie.67

Auf der Grundlage des Stadtlandschaftskonzepts hat bereits Hugo HASSINGER

eine Brücke zum Städtebau geschlagen. Darüber hinaus bestehen in der histo-

rischen Stadtlandschaftsforschung enge Beziehungen zu den historischen Diszi-

plinen. Dem stehen andererseits die Verbindungen der analytischen Stadtgeog-

raphie zur Regional Science, Stadtwirtschaftslehre, analytischen Psychologie und

Verhaltensforschung gegenüber. In der angelsächsischen Welt entstand zuerst ein

fächerübergreifender Zitierverbund, in dem die Grenzen zwischen räumlich und

systematisch orientierter Forschung verschwunden sind. Er ist inzwischen auch

im deutschen Sprachraum vorhanden.

66) Leipzig 1886/88, 2. Auflage in 2 Bänden, 1894/95. Diese enge Beziehung dokumentiert auch der Vortrag von Eugen OBERHUMMER über „Völkerpsychologie und Völkerkunde“ bei der feierlichen Sitzung der Akademie der Wissenschaften am 31. Mai 1922. Darin verweist er auf die Entstehung des Begriffes Völkerpsychologie. Dieser wurde durch Moritz LAZARUS geprägt, der sich mit dem Verhältnis von Geographie und Psychologie beschäftigt hat.

67) LICHTENBERGER, E.: Stadtgeographie, Stuttgart: Teubner, 3. Auflage, 1998.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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IV. Die Chancen der geographischen Forschung in einem Kleinstaat

Die Frage dieses Kapitels ist zweigeteilt. Sie lautet:

1. Worin besteht das Forschungsprofil der Geographie in der österreichischen

Wissenschaftslandschaft?

2. Welche Chancen hat die österreichische Geographie im gegenwärtigen Pro-

zess der Globalisierung der Wissenschaft mitzuhalten? Welche Forschungs-

felder haben Zukunft?

1.DasForschungsprofilderösterreichischenGeographie

Das Forschungsprofil der österreichischen Geographie weist mehrere Kennzei-

chen auf:

1. Bemerkenswert ist die bis zur Gegenwart heraufreichende Allianz von Geo-

graphie und Kartographie, welche durch die technologisch neuen Schienen

von Fernerkundung und Geographischen Informationssystemen (GIS) er-

weitert worden ist.

2. Klassische Forschungsfelder mit Zukunft – so lautet die These – sind abhängig

von den natürlichen Ressourcen des Staates und den historischen Mehrwertpo-

sitionen, welche europäisches Format besitzen. Sie liegen im traditionsreichen

Untersuchungsterrain vor der Haustüre der österreichischen Universitäten,

wo für das Aufgreifen von neuen Fragestellungen der Vorteil einer sowohl hi-

storisch tief gestaffelten als auch leicht zugänglichen aktuellen Informations-

struktur besteht. Forschungsfelder mit Zukunft liegen erstens im Alpenstaat

Österreich in der geo- und humanwissenschaftlichen Hochgebirgsforschung,

zweitens, beruhend auf der Funktion der Hauptstadt Wien als ehemalige Welt-

stadt und Eurometropole, in der Stadt- und Metropolenforschung

3. Jede Disziplin bedarf des Aufgriffs neuer ungelöster Probleme, neuer Sichtwei-

sen und neuer Methoden, um eine Zukunft zu besitzen. Neue Forschungsfelder

haben sich zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik entwickelt: In der Mi-

grationsforschung, Bildungs- Wohnungs- und Arbeitsmarktforschung und

nach der politischen Wende 1989 in der Transformationsforschung in Südost-

und Osteuropa. Hervorhebung verdient das singuläre Programm eines For-

schungsschwerpunkts über „Österreich: Raum und Gesellschaft“ das auf einer

vernetzten geo- und sozialwissenschaftlichen Forschungsmethodik beruhte.

4. Last, not least, hat die österreichische Geographie neben der universitären

Forschung im 21. Jahrhundert zusätzlich zu der von Hugo HASSINGER ge-

gründeten Kommission für Raumforschung und Wiederaufbau, welche 1986

in das Institut für Stadt- und Regionalforschung umgewandelt wurde, an der

Österreichischen Akademie der Wissenschaften, weitere drei Einrichtungen

erhalten, deren summierte Forschungskapazität inzwischen jene an den Uni-

versitäten übertrifft.

2. Die Allianz von Geographie und Kartographie

Geographen sind stets auch Kartographen gewesen und haben zur Kartographie

und zur Kartenproduktion ein Naheverhältnis besessen. Sie mussten einerseits als

Forschungsreisende mit der Technik der Kartenaufnahme vertraut sein und waren

andererseits Herausgeber von historischen Kartenwerken, wie Franz von WIESER,

Eugen OBERHUMMER und Hans KINZL.

Aufnahmen des Katasters und von topographischen Karten sind der geowissen-

schaftlichen und humanwissenschaftlichen Forschung um mehr als ein Jahrhundert

vorausgegangen. Damit erhielt die Kartographie eine propädeutische Funktion und

bestimmte mit dem aus militärisch-strategischer Sicht definierten geometrischen

Gerüst und den Inhalten topographischer Karten sowie den Generalisierungs-

schritten der Maßstabsstufen auch die Forschung im Realobjektraum.

Diese unreflektierte Allianz zwischen beiden Disziplinen hat um die Wende

vom 19. zum 20.Jahrhundert internationale Leistungen vollbracht, wie den "Atlas

der Alpenseen" und den "Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer". Nach

der Krise der Zwischenkriegszeit ist nochmals, und zwar durch Akzentuierung

der Bedeutung des Realobjektraums als Planungsraum von Hugo HASSINGER,

eine neue "Produktionsphase" von Länderatlanten eingeleitet worden. Auf de-

ren Hauptleistung, den Österreich-Atlas, der aus der Zusammenarbeit von Hans

BOBEK mit Erik ARNBERGER in 30-jähriger Arbeit (1955–1985) entstanden ist,

wurde hingewiesen. Diese bemerkenswerte Phase der Atlasproduktion kann als

glanzvolles Aufleben einer bis heute nicht völlig beiseite geschobenen enzyklopä-

dischen Fachtradition interpretiert werden, wobei auch neue Fragestellungen der

Forschung, wie z.B. die Hierarchie der Zentralen Orte und Bereiche in Österreich,

kartographisch dokumentiert worden sind.68

Wie häufig in der Fachgeschichte lässt sich dabei die Gleichzeitigkeit des Un-

gleichzeitigen beobachten. Die kartographische Produktion erfolgte nämlich zur

gleichen Zeit, als einerseits die physischen Fächer mit ihren Proben aus dem Ge-

68) Im Rahmen des im Anschluss an den Forschungsschwerpunkt „Österreich“ von A. BORSDORF am ISR durchgeführten interdisziplinären Projektes „RAUMALP – Raumstrukturelle Probleme im Al-penraum“ wurde ein EDV-Atlas „Das neue Bild Österreichs. Strukturen und Entwicklungen im Alpenraum und in den Vorländern.“ Wien: Verlag der ÖAW 2005 herausgegeben.

Elisabeth Lichtenberger

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lände ins Labor gingen und nur mehr der räumliche Standort der Probenwahl

noch seine Wichtigkeit beibehielt, und sich andererseits in der Humangeographie

die Forschungsfront aus dem Realobjektraum in den Wahrnehmungs- und Ak-

tionsraum des einzelnen Mitglieds der Gesellschaft und mittels standorttheore-

tischer Raumbegriffe in funktionelle Zusammenhänge von Regionen verlagerte.

Diese „Atlantenphase“ hat andererseits, wesentlich unterstützt durch die EDV-

Technologie, die Abkoppelung der Kartographie von der Geographie und die Eta-

blierung einer eigenen Disziplin entscheidend gefördert.

Die durch den gesamten Zeitraum vorhandene Allianz zwischen der Geogra-

phie und der Kartographie hat zu „Exportprodukten“ geführt. Hierzu gehört der

von Adolf LEIDLMAIR am Institut für Landeskunde in Innsbruck herausgegebene

„Tirol-Atlas“, welcher Nord- und Südtirol umspannt und der unter Leitung von

Josef Breu vom Institut für Südosteuropaforschung in Wien herausgegebene

„Atlas von Südosteuropa“. Derzeit ist seine Fortsetzung in Form eines EDV-Atlasses

und mit neuen Fragestellungen im Gang. Am Ende des Jahrhunderts wurde ferner

vom Institut für Südosteuropaforschung zusammen mit der Russischen Akademie

der Wissenschaften und dem Verlag Hölzel in Wien ein „World Atlas of Resources

and Environment“ auf der Grundlage der russischen Fernerkundungsdaten he-

rausgegeben (1999).69

3. Klassische Forschungsfelder

Hochgebirgsforschung

Österreich ist ein Alpenstaat. Die Alpen waren und sind ein Eldorado der geo-

wissenschaftlichen Forschung. Gemäß den Maßstäben von Internationalität und

Interdisziplinarität der Forschung besitzen vier Forschungsfelder einen guten

Rangplatz an der internationalen Forschungsfront:

» Quartärforschung,

» Gletscherforschung,

» Karstforschung und

» Witterungsklimatologie (synoptische Klimatologie).

Sie sind das Ergebnis einer Konzentration der Forschung auf wenige Bereiche

der historischen geowissenschaftlichen Fachtradition.

69) Peter JORDAN ist es im 2007 geschlossenen Ost- und Südosteuropa-Institut als Herausgeber ge-lungen, einen institutionellen Verbund aufzubauen, welcher die wissenschaftlichen Netzwerke des einstigen Großreiches der Donaumonarchie nachzeichnet.

Ihr Stellenwert ist durch eine günstige Informationssituation zu begründen. Die

Quartärforschung konnte die lange Tradition sorgfältiger Aufschlussprotokollie-

rung für sich verbuchen, bevor sie mit ihren Proben ins Labor ging. Der Gletscher-

forschung kam der Enthusiasmus zahlreicher Alpenvereinsmitglieder zugute, wel-

che jahrzehntelang freiwillige Messungen betrieben haben. Ebenso verdankt die

Karstforschung ihre Fortschritte dem Zusammenspiel von Einzelleistungen und

vereinsmäßiger Organisation. Die genannten drei Forschungsrichtungen sind fer-

ner durch ein reiches Sortiment von neuen, spezialisierten Techniken wesentlich

besser ausgerüstet als die Bereiche der klassischen Morphologie. Dies gilt insbe-

sondere für die Speläologie und Karsthydrologie im Vergleich zur Karstmorpholo-

gie. Besonders reichhaltig ist die Vernetzung bei der Quartärforschung. Sie reicht

von den traditionellen Kooperationen mit der Archäologie und Paläopedologie

bis zur Isotopenforschung. Insbesondere in der Gletscherforschung und in der

Karsthydrologie werden auch mathematisch-physikalische Modelle verwendet. In

Richtung auf Ingenieurgeologie und Wasserbau hat sich die Karsthydrologie ein

Forschungsfeld aufgebaut. Der Witterungsklimatologie kam die EDV-Technologie

zugute, mit der es gelang, den Informationsgehalt der verfügbaren meteorolo-

gischen Messreihen tiefer auszuloten.

Insgesamt sind die genannten Subdisziplinen der physischen Geographie durch

sehr starke zentrifugale Bewegungen in Richtung auf die naturwissenschaftlichen

Anrainer gekennzeichnet. Ihre künftige institutionelle Positionierung wird daher

von den tragenden Persönlichkeiten abhängen.

Mit der Aufgabe der Rekonstruktion der jüngeren Erdgeschichte anhand von

bruchstückhaften und zumeist nur durch Hypothesen interpretierbaren Fakten

hat die Quartärforschung auf einzelne Fachvertreter dieselbe Faszination aus-

geübt wie die Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte mittels Ausgrabungen

auf Archäologen und Prähistoriker. Stets wurden prominente Fachvertreter von

dieser Aufgabe angezogen. Die zunächst nur als geowissenschaftliche Grundlagen-

forschung interpretierbaren Untersuchungen der eiszeitlichen Ablagerungen ha-

ben inzwischen durch die Weiterentwicklung und Verfeinerung der Chronologie

auch Relevanz für die aktuelle brisante Diskussion um die Klimaveränderung des

“Planeten Erde” erhalten.70 Dasselbe gilt für die Gletscherforschung, zu deren

70) Dabei hat sich der Schwerpunkt der Forschung von Wien nach Innsbruck verlagert. Dies hängt mit dem frühen Tod von Julius FINK zusammen, der ein Verbundsystem der Quartär-gpstdivoh wpo Útufssfjdi bvt nju efo Obdicbstubbufo Vohbso, DTTS voe Svnėojfo mėohtder Donau als Bezugssystem aufbauen und die Lössforschung als Subdisziplin begründen konnte. Beides ist inzwischen von Nachbardisziplinen übernommen worden. Die Unter-suchungen der Innsbrucker Schule in den Inntalsedimenten erbrachten den zeitlichen Ab-lauf des Auf- und Abbaus der letzten Vergletscherung (Würm), welche sich mit einem Zeit-maß von 30.000 Jahren als sehr viel kürzer erwiesen hat, als bisher angenommen wurde. Vor 14. 000 Jahren war das Inntal wieder eisfrei.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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international beachtenswerten Leistungen die Erstellung des „Österreichischen

Gletscherkatasters” und die Etablierung einer „Österreichischen Gletscherdaten-

bank” mit rund 60 Merkmalen je Gletscher ab 1969 und eine Wiederholung der

Aufnahme 1996–1998 gehören. Die Ergebnisse hinsichtlich der Volumens- und

Flächenreduzierungen der österreichischen Gletscher in den abgelaufenen drei

Jahrzehnten besitzen für die Fragen der Naturrisken im Hochgebirge, den Touris-

mus und die Wasserwirtschaft ebenso Relevanz wie für die Thematik der Klima-

veränderungen.71

In der Karstforschung konnten zwei Bereiche dank der herausragenden

Leistungen von einzelnen Wissenschaftlern die internationale Tradition wah-

ren. In der Höhlenforschung hat Hubert TRIMMEL mit der Kompletterstellung

eines Höhlenkatasters von rund 4.400 Höhlen, unterstützt von den zahlreichen

Höhlenvereinen, eine enorme Leistung vollbracht, welche internationale Vorbild-

funktion besitzt. Die Erforschung und Erschließung der Riesenhöhlen ist dem

internationalen Tourismus zugute gekommen.72 In der Karsthydrologie ist die

von Josef G. ZÖTL, einem Schüler von Hans SPREITZER, 1966 eingeführte Methode

der Anwendung von Markierungsstoffen zur Verfolgung unterirdischer Wässer

zu einem unentbehrlichen Instrument bei der Klärung von technischen Fragen

im Speicher- und Stollenbau ebenso wie von Problemen der Wasserwirtschaft ge-

worden.73 Es ist ein Netz von Stationen mit Routinemessungen, analog zu dem für

Niederschlagsbeobachtungen, entstanden.

In einer Zeit rasant gestiegenen Verkehrsaufkommens und zunehmender An-

sprüche der Freizeitgesellschaft an den Alpenraum erhält die Witterungsklima-

tologie der Alpen ebenfalls steigende Bedeutung. Sie wurde in Österreich durch

Franz FLIRI begründet, der damit, in kritischer Reflexion von Bauernregeln über

das Wetter, einen Ausgriff in das von der Meteorologie nicht bearbeitete Feld

71) Die erste Erhebung wurde im Zusammenhang mit der internationalen hydrologischen De-kade unter Leitung von G. PATZELT im Rahmen des Instituts für Hochgebirgsforschung ge-meinsam mit G. GROSS (und anderen) in Form der photogrammetrischen Messungen von 925 Gletschern durchgeführt. Die Ergebnisse konnten zum größten Teil in der „Zeit-schrift für Gletscherkunde und Glazialgeologie“ (Herausgeber: M. KUHN und G. PAT-ZELT) veröffentlicht werden, die eine Brücke zum internationalen Fortschritt bildet. Die Organisation der Wiederholung der Aufnahme durch M. KUHN erfolgte mit Hilfe von Flugauf-nahmen des österreichischen Bundesheers (1996–1998).

72) Drei Viertel der im gegenwärtigen Höhlenkataster aufgenommenen Höhlen sind erst in der Nach-kriegszeit bekannt und erforscht worden, darunter auch mehr als 20 Riesenhöhlen. Mit einem An-teil von 10% an der Liste der großen Höhlen auf der Erde besitzt der Kleinstaat Österreich eine beachtliche Position. Dank der interdisziplinären Kooperation mit der Archäologie, Sedimentpe-trographie, Paläontologie, Quartärforschung und verschiedenen Spezialfächern konnten wesent-liche neue Forschungsergebnisse gewonnen worden.

73) Die Spanne der neuen Forschungsmethode der Isotopenmessung reicht von der Ermittlung der Verweildauer des Wassers im Untergrund, der mittleren Höhe des Einzugsgebietes von Quellen bis zur Erarbeitung von Typen karsthydrographischer Landschaften.

der synoptischen Klimatologie der Alpen unternommen hat.74 Österreich zählt

in Hinblick auf die regionale Witterungsklimatologie zu den besterforschten

Räumen Europas.

Mehrere Subdisziplinen sind der physischen Geographie seit der Gründerzeit

verlorengegangen. Dazu gehört die von Albrecht PENCK stark geförderte hydro-

graphische Forschung, ebenso die bedeutende Seenforschung, die längst zu einer

Angelegenheit der Biologen geworden ist. Die Hydrobiologie hat sich dank der Ex-

istenz von biologischen Stationen (Lunzer See, Neusiedler See) zu einer wichtigen

Grundlagenwissenschaft der Wasserwirtschaft gemausert. Es war der Biologe H.

LÖFFLER, welcher im Rahmen von UNESCO-Programmen die Leitung der inter-

disziplinären Seenforschung in die Hand genommen hat. Eine „biologische Geogra-

phie” hat es in Österreich mit Ausnahme von Ansätzen nicht gegeben, daher ist auch

kein nennenswerter Beitrag der Geographie zur Umweltforschung vorzuweisen.

In der humanwissenschaftlichen Hochgebirgsforschung reicht die Thematik

der Überlebenschancen des Bergbauerntums bereits ins späte 19. Jahrhundert. Sie

ist aufgrund der Agrarüberschüsse in der EU und der bis vor kurzem niedrigen

Weltmarktpreise ein Dauerthema gewesen wie die Untersuchung der Effekte der

Überlagerung der bergbäuerlichen Gesellschaft durch die Freizeitgesellschaft in

den Hochgebirgen Europas, bei denen die bisher nur für Städte verwendete so-

zialökologische Theorie erstmals auf die dritte Dimension der Siedlungsräume

des Hochgebirges übertragen und mit innovations- und diffusionstheoretischen

Ansätzen verknüpft werden konnte. Normative Aufgaben der Ausgliederung von

Nationalparks für die Europäische Union stehen am Horizont ebenso wie noch

recht unscharfe Konzepte von einer „nachhaltigen Entwicklung“ der alpinen Kul-

turlandschaft.75

Eine sektorale Sonderstellung bezieht die Geographie des Fremdenverkehrs

und der Freizeitgesellschaft, die sich einer problemorientierten Zusammenar-

74) Eine völlige Neubearbeitung der täglichen Beobachtungen von mehr als 1.000 Stationen für 30 Jahre war hierzu erforderlich; sie erbrachte 1962 mit dem Hauptwerk „Die Wetterlagenkunde von Tirol“ grundsätzlich neue Erkenntnisse über Klassifikationssysteme der Wetterlagen und als Ne-benprodukt das erste Lehrbuch über statistische Methoden in der deutschsprachigen Geographie („Statistik und Diagramm“). Die Arbeiten von F. FLIRI und seinen Schülern im Westen Österreichs werden nunmehr von W. WAKONIGG und seinen Schülern im Osten ergänzt bzw. fortgeführt.

75) LICHTENBERGER, E.: „Die Sukzession von der Agrar- zur Freizeitgesellschaft in den Hochgebirgen Europas“, Innsbrucker Geographische Studien 5 (Festschrift für Prof. A. LEIDLMAIR), S. 401–436.

PENZ, H.: „Die Stellung der Landwirtschaft im Modernisierungsprozeß Österreichs nach dem Zwei-ten Weltkrieg“. Ergebnisse von Untersuchungen im Rahmen des Teilprojektes Landwirtschaft des Forschungsschwerpunktes der FWF „Österreich – Raum und Gesellschaft“, in: MÖGG, 139, (1997), S. 77–100.

WEIXELBAUMER, N.: Gebietsschutz in Europa. Konzeption-Perzeption- Akzeptanz. Ein Beispiel an-gewandter Sozialgeographie am Fall des Regionalkonzepts in Friaul-Julisch Venetien. Beiträge zur Bevölkerungs - und Sozialgeographie, Bd. 8, Wien (1998), 415 S.

Elisabeth Lichtenberger

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41

beit mit anderen Disziplinen geöffnet und den Praxisbezug ebenso gefestigt wie

die raumordnungspolitischen Perspektiven akzeptiert hat. Geographen beteiligen

sich an der verwaltungsinternen Grundlagenforschung und partizipieren an der

direkten Auftragsforschung, andererseits ist zum Unterschied von der Bundesre-

publik Deutschland die Tourismusforschung im Ausland von geringer Bedeutung

geblieben.

Die geographische Stadtforschung – eine Wachstumsdisziplin

Auf die Wiener Schule der geographischen Stadtforschung wurde wiederholt

hingewiesen. Wien verfügt auf dem Gebiet der Stadtforschung über eine heraus-

ragende Position, deren Bedeutung weit über den Rang als Hauptstadt eines

Kleinstaates hinausgeht. Die Weltstadtperiode Wiens hat die Tradition einer be-

deutenden Stadtforschung hinterlassen, die in der Nachkriegszeit stets an der For-

schungsfront des Faches fortgeführt werden konnte.76

Die Reihe der immanenten Themen reicht von der Frage nach der Konvergenz

der Stadtentwicklung in der entwickelten Welt aufgrund der Globalisierung der

Ökonomie und Technologie zu dem neuen Problem des Recycling der gebauten

Kubatur. Galt bis in die Nachkriegszeit die Regel, dass die Lebenserwartung der

physischen Struktur von Städten länger ist als die Lebenserwartung der darin woh-

nenden städtischen Bevölkerung, womit der Wandel der städtischen Gesellschaft

im baulichen Gehäuse thematisiert werden musste, so hat diese Regel inzwischen

ihre Allgemeingültigkeit verloren. Damit reduziert sich auch der Erklärungswert

der in die sozialökologische Theorie integrierten Filtering-down-Konzeption,

welche einen Baubestand voraussetzt, dessen Lebensdauer lang genug ist, um ein

Abwohnen in der Abfolge von Generationen zu ermöglichen. Aufgrund der Ver-

längerung der Lebenserwartung der Bevölkerung überschneiden sich nunmehr

zwei Kurven, und zwar die Kurve der abnehmenden Lebenserwartung der Be-

standteile der physischen Struktur von Städten und die Kurve der zunehmenden

Lebenserwartung der städtischen Bevölkerung. Es geht damit die Periode des

Wandels im baulichen Gehäuse der Stadt zu Ende, die Periode des Recyclings der

gebauten Kubatur innerhalb der Lebenszeit der Generationen beginnt. Daraus

resultiert die Thematik von Stadtverfall und Stadterneuerung im intermetropoli-

tanen Vergleich. Die Theorie des Lebens in zwei Gesellschaften definiert ein neues

Phänomen. Sie gründet sich auf die Aufspaltung der Wohnstandorte einerseits

von Gastarbeitern zwischen Herkunfts- und Zuwanderungsgebiet und anderer-

76 ) Vgl. LICHTENBERGER, E.: Stadtgeographie I: Begriffe, Konzepte, Modelle, Prozesse, Stuttgart, 1. Auf-lage 1986, 2. Auflage 1992, 3. Auflage 1998.

Italienische Übersetzung von 2. Auflage: Geografia dello spazio urbano. A cura di Marcella Schmidt di Friedberg. Milano, 1993.

seits von großstädtischer Bevölkerung zwischen Arbeits- und Freizeitwohnungen.

In beiden Fällen entstehen Unter- bzw. Überschichtungsphänomene, und zwar ei-

nerseits in den Großstädten und andererseits im ländlichen Raum. Entsprechend

den rhythmischen Phänomenen der arbeitsteiligen und der Freizeitgesellschaft

bzw. der Verschiebung des Wohnstandortes im Laufe des Lebenszyklus, werden die

Einwohner von großen Städten in zunehmendem Maße zu „Bewohnern auf Zeit“.

Ein „postindustrielles städtisches Nomadentum“ entsteht, welches neue kommu-

nalpolitische Interessenskonflikte bewirkt.

Nordamerika ist der Trendsetter in der Globalisierung der Ökonomie, der

Metropolitanisierung und der interkontinentalen Migration. Seine Metropolen

sind Problemfelder ersten Ranges durch das Entstehen von Megaghettos in den

Kernstädten, eine exorbitant steigende Zahl von Haushalten von alleinerziehen-

den Frauen, die Ausschließung der „underclass“ aus der Arbeitsgesellschaft, das

erschreckende Phänomen einer neuen Obdachlosigkeit und einer steigenden Zahl

von Outlaws. Es ist eine neue immanente Forschungsfrage entstanden. Sie lau-

tet: Werden die europäischen Metropolen ebenso zu Problemfeldern werden oder

kann die Regionalpolitik der sozialen Wohlfahrtsstaaten bzw. der Munizipalsozial-

ismus diese Probleme verhindern bzw. eindämmen und welche Probleme gehören

zur „Globalisierung gesellschaftlicher Prozesse“?77

Es ist verständlich, dass eine so stark expandierende Richtung wie die geo-

graphische Stadtforschung auch in der Auslandsforschung vertreten ist. Mono-

graphische Trittsteine folgen den Raumbezügen des Staates von Athen in Griech-

enland in den Vorderen Orient über Istanbul nach Teheran und schließlich nach

Bombay in Indien.78 In der Stadtforschung der USA sind die Untersuchungen von

K. FRANTZ über das neue Phänomen der Gated Communities verankert, mit dem

er sich in der internationalen Forschung einen Namen gemacht hat.79

Das Forschungsterrain in Ost- und Südosteuropa

Es zählt zu den Usancen der geographischen Forschung in der Bundesrepub-

lik Deutschland, dass aufgrund der Förderung der Auslandsforschung durch die

Deutsche Forschungsgemeinschaft der einzelne Wissenschafter seine regionalen

Forschungsinteressen wie die Schnecke das Gehäuse von einem Universitäts-

77) LICHTENBERGER, E.: Stadtverfall und Stadterneuerung, Wien: Verlag der Österreichischen Akade-mie der Wissenschaften, 1990.

LICHTENBERGER, E.: Gastarbeiter – Leben in zwei Gesellschaften, Unter Mitarbeit von H. FASSMANN (EDV-Technologie), Wien-Köln-Graz: Böhlau 1984.

78) KERN, W.: Athen, LEITNER, W.: Istanbul, SEGER, M.: Istanbul, Teheran, NISSEL, H.: Bombay.79) FRANTZ K., Gastprofessur an der Akademie der Wissenschaften.

Publikationen vgl. www.uibk.ac.at/ geographie/personal/frantz/ publikationen.html.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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standort zu einem anderen mitnehmen kann. Von derartigen individuellen In-

teressentransfers ist hier nicht die Rede. Zukunftsfelder der geographischen For-

schung im Ausland bedürfen in einem Kleinstaat der institutionellen Absich-

erung, d.h. sie müssen durch ein längerfristiges Forschungsprogramm von Insti-

tutionen abgedeckt sein. In diesem Zusammenhang sind zwei Institutionen zu

nennen: das bereits oben angeführte, inzwischen geschlossene Ost- und Südosteu-

ropa-Institut80 und das Institut für Stadt- und Regionalforschung an der Öster-

reichischen Akademie der Wissenschaften, welche mittels institutioneller Netz-

werke Forschungsstrukturen in Ost- und Südosteuropa aufgebaut haben. Geog-

raphische Forschung in senso strictu wurde und wird nur an letzterem betrieben.

Der Aufbau eines Forschungsnetzwerkes begann hier schon in den 1980er Jahren

und war durch die institutionelle Verflechtung der Österreichischen Akademie der

Wissenschaften mit den Akademien der östlichen Nachbarstaaten begünstigt und

erleichtert. Dadurch ergab sich nach dem Wegziehen der kommunistischen Decke

der „Vorteil der ersten Stunde“ für eine breite Transformationsforschung in den

postsozialistischen Staaten Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei, die bei

der EU-Erweiterung 2004 in die EU eingegliedert wurden.

Mehrere Thesen konnten inzwischen bestätigt werden. Demnach wird in den

postsozialistischen Staaten keine gegenüber dem Westen Europas nur zeitlich ver-

schobene Entwicklung stattfinden, sondern manche Entwicklungen werden ak-

zeleriert, andere zögernd ablaufen. Es hat eine neue Gründerzeit mit schlagartig

auftretenden Effekten der Liberalisierung, Privatisierung und Kommerzialisierung

eingesetzt. Zu den Transformationsprozessen im Spannungsfeld von Internatio-

nalisierung und Restrukturierung zählen die vom internationalen Kapital ge-

steuerten Investitionen auf dem Immobilienmarkt, bei der Gründung von Ban-

ken, Versicherungen und Großhandelsketten ebenso wie die Deindustrialisierung

und Entstaatlichung des Arbeitsmarktes. Übersprungseffekte der modernen Tech-

nologien und des quartären Sektors begünstigen die Metropolen und verstärken

das West-Ost-Gefälle.

Es erwies sich die These als richtig, dass Teile der physischen Strukturen und

Organisationssysteme aus dem Staatssozialismus erhalten bleiben. Wenn man von

Polen absieht, in dem eine Kollektivierung der kleinbäuerlichen Betriebe nicht

stattgefunden hat, so hat eine echte Reprivatisierung der Landwirtschaft mit der

Rückführung zu Kleinbetrieben nur in einem einzigen Staat, nämlich in Rumä-

nien in umfassender Form stattgefunden, ansonsten wird die großbetriebliche

Landwirtschaft – wenn auch mit anderen Eigentümerstrukturen – fortbestehen.

80) Aufgrund von Budgetkürzungen wurde das Institut 2007 geschlossen. Doch gelang es 2008 Peter JORDAN und den von ihm herausgegebenen Atlas am Institut für Stadt- und Regionalforschung zu verankern und dessen Weiterführung zu sichern.

Irreversibel sind ferner die Reduzierung des kleinbetrieblichen Einzelhandels und

des Gewerbes. Die kleinen und die mittleren Zentralen Orte waren die Verlierer im

Staatskapitalismus und sie werden es bleiben.

Mit zwei Schneisen konnten neue Forschungsfronten bei der Untersuchung der

Transformation vom Plan zum Markt eröffnet werden. Längs der einen Schnei-

se wurden Vergleichsanalysen von Immobilien-, Wohnungs- und Arbeitsmärkten

in Metropolen81, Zentralen Orten und ländlichen Regionen unternommen und

die Übersprungseffekte durch den internationalen Immobilienmarkt analysiert

sowie die Kommerzialisierung und Restrukturierung auf dem Wohnungsmarkt

und die Tertiärisierung als Gegensteuerung zur Entindustrialisierung auf dem

Arbeitsmarkt untersucht.

Längs der zweiten Schneise wurde „Die Rückkehr der Regionen“ thematisi-

ert und zwar einerseits in Hinblick auf die unterschiedlichen räumlichen Konse-

quenzen der nationalen Modelle der Transformation, die sich zwischen neoklas-

sischer und KEYNESianischer Richtung anordnen, und andererseits in Hinblick

auf das erneute Aufbrechen der durch den Staatskapitalismus reduzierten region-

alen Disparitäten.82

81) SCHULZ, M.: Der Tauschwohnungsmarkt in der zentralistischen Planwirtschaft – das Beispiel von Ostberlin. ISR-Forschungsberichte 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1991.

SCHMIDT, H.: Die metropolitane Region Leipzig – Erbe der sozialistischen Planwirtschaft und Zukunftschancen. ISR-Forschungsberichte 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften, Wien 1991.

WECLAWOWICZ, G.: Die sozialräumliche Struktur Warschaus – Ausgangslage und postkommuni-stische Umgestaltung. ISR-Forschungsberichte 8, Verlag der Österreichischen Akademie der Wis-senschaften, Wien 1993.

SEIDL, M.: Stadtverfall in Bratislava. ISR-Forschungsberichte 9, Verlag der Österreichischen Akade-mie der Wissenschaften, Wien 1993.

LICHTENBERGER, E.: Wien-Prag. Metropolenforschung. Wien-Köln-Weimar: Böhlau, 1993. LICHTENBERGER, E./Z. CSEFALVAY/M. PAAL: Stadtverfall und Stadterneuerung in Budapest. Beiträge

zur Stadt- und Regionalforschung, Bd. 12. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wis-senschaften, 1994.

MYDEL, R./K. VORAUER: Krakau – Städtebauliche Entwicklung und Denkmalschutz, MÖGG, 136 (1994), S. 119–142.

82) FASSMANN, H. (Hg.): Die Rückkehr der Regionen – Beiträge zur regionalen Transformation Ost-mitteleuropas, Beiträge zur Stadt- und Regionalforschung, Bd. 15, Verlag der Österreichischen Aka-demie der Wissenschaften, Wien 1997.

FASSMANN, H./E. LICHTENBERGER (Hg.): Märkte in Bewegung, Metropolen und Regionen in Ost-mitteleuropa, Wien-Köln-Weimar: Böhlau, 1995.

LICHTENBERGER, E.: „Metropolen und periphere Regionen: Probleme der Sozialpolitik in den USA und in Europa“, in: Int. Symposium der Österr. Akademie der Wissenschaften. Verlag der Österr. Akademie der Wissenschaften 1999, S. 93–139.

Elisabeth Lichtenberger

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4. Zukunftsforschung und Schwerpunktprogramm: „Österreich – Raum und Gesellschaft am Ende des 20. Jahrhunderts“

Die Geographie hat bis in die 1980er Jahre die Zukunftsforschung den aus Sta-

tistikern gemauserten Zukunftsforschern überlassen. Globale bzw. nationale Mo-

delle waren das Ergebnis.

Im Jahr 1987 wurden erstmals von österreichischen Geographen die Chancen

einer regionalgeographischen Zukunftsforschung in dem bisher ausschließlich

von Vertretern der systematischen Disziplinen und Statistikern besetzten Terrain

wahrgenommen. In Kontrastszenarien wurden einerseits die räumlichen Effekte

eines Beitritts zur EG und andererseits einer Öffnung Österreichs gegen den Osten

in sektoralen Modellanalysen hinsichtlich Bevölkerung, Landwirtschaft, Fremden-

verkehr und Industrie berechnet, wobei die multiregionale Bevölkerungsprognose

von Michael SAUBERER die Plattform für den Verbund der sektoralen Modellrech-

nungen bis zum Jahr 2000 bzw. 2030 gebildet hat.

Die vor der Öffnung des Eisernen Vorhangs im Jänner 1989 fertiggestellte Pu-

blikation ist noch vor dem Hintergrund der festzementierten räumlichen Struktur

eines geteilten Europas entstanden. Sie hat die Konsequenzen der Öffnung nach

dem Osten in Hinblick auf die Zuwanderung richtig eingeschätzt und war für den

Meinungsbildungsprozess auf der politischen Entscheidungsebene hinsichtlich

des Beitrittsansuchens Österreichs an die EG von Bedeutung.83

Durch die politische Trendwende von säkularem Ausmaß sind beide als Szenarien

simulierten Alternativen g l e i c h z e i t i g Wirklichkeit geworden: Die Öffnung der

Grenzen nach dem Osten und der Beitritt zur EU. Dadurch liegt nunmehr Öster-

reich in der Mitte von Europa in einem Schnittpunkt des Transfers von Bevölkerung,

Arbeitskräften und Kapital. Die Jahrzehnte der Nachkriegszeit, in denen Österreich

als östlichster Staat von Westeuropa weit in den Ostblock hineinragte, sind zu Ende.

Eine neue Standortbestimmung von Raum und Gesellschaft war erforderlich.

Diese Jahrhundertchance der geographischen Wissenschaft wurde genutzt, um

eine externe Analyse des Quantensprungs gegen den Hintergrund europäischer

Regionen sowie eine interne Analyse der räumlichen Konsequenzen in den er-

sten Beitrittsjahren durchzuführen. 1994, im Jahr der Volksabstimmung über den

Beitritt Österreichs in die Europäische Union, wurde vom FWF der auf 5 Jahre

anberaumte Forschungsschwerpunkt „Österreich. Raum und Gesellschaft“ einge-

83) LICHTENBERGER, E. (Hg.): Österreich zu Beginn des 3. Jahrtausends. Raum und Gesellschaft. Pro-gnosen, Modellrechnungen und Szenarien. Beiträge zur Stadt- und Regionalforschung, Bd. 9, Wien 1989.

richtet, welcher der geographischen Forschung im Kleinstaat Österreich einen we-

sentlichen Auftrieb gebracht hat.84

Mit dem Zuschnitt auf ganz Österreich und der Verknüpfung von technolo-

gischem Fortschritt und innovativen sozialwissenschaftlichen Fragestellungen

hatte der Forschungsschwerpunkt im deutschen Sprachraum eine singuläre Po-

sition. Sein technologisch-wissenschaftlicher Fortschritt bestand in der Erfüllung

der vom Fonds erstellten Auflage „ein digitalisiertes Bild von Österreich anhand

der Auswertung der russischen Satellitenbilder auf der topographischen Grundla-

ge 1:50.000“ zu erstellen und ein GIS der österreichischen Gemeinden zu schaffen,

in welchem durch den erstmaligen Zugriff auf anonymisierte Individualdaten, die

sogenannten Aggregatdaten der Großzählungen 1990 und 1991, ein völlig neues

Informationsterrain für die geographische Mikroanalyse erschlossen worden ist.

Der Schwerpunkt zentrierte um mehrere Fragestellungen. Hierzu eine Auswahl:

1. Die Retrospektive auf den „erfolgreichen österreichischen Weg“ in der Nach-

kriegszeit bediente sich des heuristischen Prinzips der Modernisierungs-

84) ÖSTERREICHISCHE GEOGRAPHISCHE GESELLSCHAFT (Hg.): Österreich – Raum und Gesellschaft. Schwerpunkt des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung: Programm und erste Ergebnisse, MÖGG, 137 (1995), S. 274–426.

Abbildung 9:Teilprojekte und Mitglieder des Forschungsschwer-punktes „Österreich - Raum und Gesellschaft“

P 1

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P 2 GIS UND EDV-KARTOGRAPHIEF. Kelnhofer

P 3 FERNERKUNDUNG UND LANDSCHAFTSVERBRAUCHM. Seger

P 4 RÄUMLICHE ORGANISATION VON STADT UND LANDE. Lichtenberger

P 5 REGIONALE DEMOGRAPHIEM. Sauberer

P 6 RÄUMLICHE ORGANISATION DER GESELLSCHAFTM. Sauberer6.1 DER RÄUMLICHE KONTEXT IM POLITISCHEN SYSTEM

D. Wastl-Walter

P 7 RÄUMLICHE ORGANISATION DER WIRTSCHAFTG. Palme7.1 LANDWIRTSCHAFT

H. Penz7.2 PRODUKTIONSSTILE IM TOURISMUS

F. Zimmermann7.3 WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER ÖSTERR. GROSSSTÄDTE

Z. Cefalvay, H. Fassmann

P 8 MODELLSTUDIE ÖTZTALG. Patzelt

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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theorie, mit welcher synchron die „stille Revolution der Gesellschaft“, (H.

FASSMANN), der Vorgang der chaotischen Urbanisierung (E. LICHTENBERGER)

und die Phänomene der Entagrarisierung (H. PENZ) und Tertiärisierung un-

tersucht wurden.

2. Die Analyse und Herausarbeitung der aktuellen österreichspezifischen Phä-

nomene im Kontext von Raum und Gesellschaft vor dem Hintergrund des

„gemeinsamen Hauses Europa“ umfasste mehrere Sektoren (vgl. unten). Der

Beitritt Österreichs zur EU hat der ökonomischen Frage nach der Wettbe-

werbsfähigkeit österreichischer Städte und Regionen einen zentralen Stellen-

wert zugeordnet.

» Die Vergleichsanalyse der Aufgaben der Landwirtschaft, nämlich der Produk-

tionsfunktion und der Funktion der Landschaftspflege, erbrachte einerseits

eine weitgehende Emanzipation von den agrarökologischen Bedingungen

und andererseits eine Wahrnehmung der Landschaftspflege als integrale Auf-

gabe durch die lokale Bevölkerung und die Gemeinden des ländlichen Raums

(H. PENZ).

» Die Immobilienmarktforschung ermöglichte durch die Monetarisierung des

Siedlungssystems neue Zugänge zu klassischen Forschungsfragen, wie der re-

gionalen Disparitätenforschung und der Zentrale-Orte-Forschung, Die bri-

santen Aussagen der umfangreichen Printmedienanalyse (n=29.621) lauten:

Die enorme Neubautätigkeit in der Nachkriegszeit in Form des Einfamilien-

hausbaus hat weder die künftigen Marktpreise kalkuliert, noch den potenti-

ellen Bedarf berücksichtigt. Derart ist eine enorme regionale Überproduktion

erfolgt, die erst beim Generationswechsel sichtbar werden wird.

» Die EDVisierung der klassischen Forschungsarbeit von Hans BOBEK über die

Zentralen Orte aus den 1960er Jahren und eine umfassende Neuerhebung

(n=39.000 Betriebe) erbrachten den Nachweis der grundstürzenden Verän-

derung der Ränge und Einzugsbereiche der Zentralen Orte im Neoliberalis-

mus durch das Filialsystem. Einzelne Stufen des Zentrale-Orte-Systems wur-

den nahezu eliminiert und die Ortskerne von Verfall erfasst. Nur ein Teil der

Zentralen Orte wird den ökonomischen Konzentrationsprozess überstehen

(E. LICHTENBERGER).

» Die Erreichbarkeit stellt den Basisparameter für die Standortqualität eines

Gebietes bzw. eines Ortes dar, wobei die metrische Distanz durch die Zeit-

Kosten-Mühe-Relation erweitert werden muss. Auf Gemeindebasis konnte

eine „zentrale Peripherie“ des österreichischen Staates belegt, und die Aussa-

ge einer Inversion des THÜNENschen Modells getroffen werden. Ferner gelang

der Nachweis der sozialen Auseinanderschichtung der Bevölkerung durch

den öffentlichen Verkehr, in dessen städtischen Zentren sich höher gestellte

Bevölkerungsschichten und Migranten gruppieren, während im suburbanen

Raum Facharbeiter überproportional vertreten sind.

3. Die Herausarbeitung von „programmierter" und „ungewisser" Zukunft

konzentrierte sich auf die Effekte der Ostöffnung, welche Österreich in eine

komplizierte Schnittstellenlage in der Mitte Europas versetzt haben. Zwei

räumlich einander entgegengesetzte Bewegungen treten auf: erstens die Ost-

West-Wanderung der Bevölkerung und zweitens die West-Ost-Verschiebung

des Kapitals, wodurch Österreich immer mehr in den Einflussbereich des glo-

balen Finanzkapitals gerät, während andererseits österreichisches Finanzka-

pital in den östlichen Anrainerstaaten investiert wird. Hierbei ist als positiver

Effekt der Eingliederung Österreichs in die EU und der Ostöffnung die Ent-

stehung eines ökonomischen Glacis mit zahlreichen Filialen österreichischer

Betriebe in den Bereichen des Bankenwesens und der Erdölwirtschaft außer-

halb der Staatsgrenzen zu werten.

Elisabeth Lichtenberger

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V. Die institutionelle Sonderstellung der Öster- reichischen Geographie. Rückblick und Ausblick

1. Das Erbe der Donaumonarchie

Die Entwicklung der Geographie begann in Österreich in einem Großstaat, der

Donaumonarchie, nach Russland dem größten Staat auf dem Kontinent. Damit

ist die Frage nach dem Erbe dieses Großreiches zu stellen. Es besteht in den bereits

auf die Zeit des aufgeklärten Absolutismus zurückgehenden exakten Katasterauf-

nahmen und statistischen Daten über Bevölkerung, Siedlung und Wirtschaft. Für

diese Informationsblöcke entstanden die institutionellen Voraussetzungen einer-

seits durch die Militärkartographie und andererseits durch die Einrichtung eines

statistischen Dienstes. Bis zur Gegenwart herauf bieten die Wiener Archive einma-

lige Informationsschätze nicht nur über den Raum der Monarchie, sondern weit

in das ehemalige Osmanische Reich hinein.

Die liberale Gründerzeit war nicht nur das Zeitalter der Industrialisierung und

des Bahnbaus, sondern auch das Zeitalter der staatlichen Gründungen von wis-

senschaftlichen Institutionen, darunter auch von zahlreichen geographischen

Lehrkanzeln in der gesamten österreichischen Reichshälfte. Mit Stolz kann ver-

merkt werden, dass an der Wiener Universität 1851 bereits das erste Ordinariat

für Geographie eingerichtet und mit einem Naturforscher, Friedrich SIMONY, be-

setzt worden war. – Zu einem Zeitpunkt als in Deutschland nach dem Tode Carl

RITTERs kein einziger ordentlicher Lehrstuhl für Geographie bestanden hatte. Es

ist auch nicht weiter erstaunlich, dass in Europa führende Persönlichkeiten auf

der Wiener Universität, darunter auch in der Geographie gelehrt haben. So war

Albrecht PENCK, der Begründer der Morphologie und Eiszeitforschung, zuerst

in Wien und dann in Berlin tätig und kann als Stammvater der österreichischen

Geographie bezeichnet werden. Auf die von ihm gegründete sehr umfangreiche

Schule wurde besonders eingegangen. Die beherrschende Rolle der PENCK-Schule

hatte Konsequenzen für die „Normalkarriere“ und damit den Forschungsstil. Es

gehörte bis herauf zur Heimkehrergeneration zur „Normalkarriere“, zuerst auf

dem Gebiet der physischen Geographie gearbeitet zu haben und sich erst dann,

wenn überhaupt, in das Gebiet der kultur- und sozialwissenschaftlichen Geogra-

phie hineinzubewegen.

Aus der liberalen Gründerzeit stammt auch die Aufgabenteilung zwischen uni-

versitärer Lehre und Publikationstätigkeit durch Vereine. Während die „Lehrkan-

zeln“ entsprechend ihrer Bezeichnung von Anfang an für die „Lehre“ des jeweiligen

Fachgebietes eingerichtet waren und keine Mittel für Publikationen zur Verfügung

standen, übernahmen fachspezifische Vereine, im Falle der Geographie die 1856

gegründete Geographische Gesellschaft, die Aufgabe der Veröffentlichung von

wissenschaftlichen Ergebnissen.

Der Zerfall der Monarchie hat alle Bereiche der Bevölkerung, Wirtschaft und

Wissenschaft betroffen. Alle wissenschaftlichen Einrichtungen der Ersten Repu-

blik waren zu groß dimensioniert und wurden in die enorme Krise hineingerissen.

Diese konnte jedoch eines nicht vernichten: das Wissen in den Köpfen der Men-

schen, welche die Chance gehabt hatten, noch in der Monarchie ihre universitäre

Ausbildung zu erhalten und in einem Vielvölkerstaat aufgewachsen zu sein. Damit

sind bis herauf in die 1960er Jahre hervorragende Fachvertreter der Geographie

als Ordinarien in Wien an der Universität und der Hochschule für Welthandel,

in Innsbruck und in Graz tätig gewesen: Hugo HASSINGER (Wien), Otto MAULL

(Graz), Fritz MACHATSCHEK (Wien), Johann SÖLCH (Innsbruck, Wien), die nicht

zuletzt dank der großen, von ihnen verfassten Handbücher ganz wesentlich zum

Ansehen der deutschsprachigen Geographie beigetragen haben.

Das Forschungsprofil umfasste die Hochgebirgsmorphologie ebenso wie die geo-

graphische Stadtforschung, die politische Geographie, die geographische Bevöl-

kerungsforschung und die Länderkunde von Europas und der Nachfolgestaaten.

Dieser Überschuss an wissenschaftlichem Potential äußerte sich auch in dem Ex-

port von Geographen aus Österreich ins Ausland und kam nochmals in den 1950er

und 1960er Jahren der Zweiten Republik zum Tragen. Es verdient Hervorhebung,

dass sich alle genannten Subdisziplinen bis zur Gegenwart herauf erhalten haben

und erst im 21. Jahrhundert durch die Übernahme der Ordinariate durch bundes-

deutsche Geographen, welche ihr individuelles wissenschaftliche Gepäck mitbrin-

gen, Veränderungen des Forschungsspektrums stattfinden.

2. Effekte des Föderalismus und der Lex Firnberg

Die Zweite Republik konnte dank der ökonomischen Prosperität an der universi-

tären Gründungswelle der Nachkriegszeit in Europa partizipieren, wobei durch die

Gleichzeitigkeit einer egalitären Universitätsreform mit der Vermehrung der uni-

versitären Dienstposten und der Gründung von außeruniversitären Forschungsein-

richtungen spezifisch österreichische Lösungen auch im Fach Geographie entstan-

den sind. Auf der föderalistischen Struktur des Staates beruhten die Bestrebungen

„jedem Bundesland seine Universität“ zu geben. Es ist die „Heimkehrergeneration“

gewesen, auf deren Initiative als „Aufbaugeneration“ die Errichtung und Ausstat-

tung vieler Institute zurückging ebenso wie die Stärkung des inneruniversitären

Ansehens des Faches durch Rektoren und Dekane aus dem Fach Geographie.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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In den 1970er Jahren kippte das System. Die Umwandlung der HUMBOLDT-

schen Universität des Bildungsbürgertums in die Massenuniversität des sozialen

Wohlfahrtsstaates vollzog sich in Österreich in Form eines Wachstumssyndroms

unter dem Vorzeichnen der Lex FIRNBERG (1975–2002), welche die elitäre Ge-

lehrtenuniversität abgeschafft und durch eine drittelparitätische Konstruktion

von Kurien der Professoren, Assistenten und Studenten ersetzt hat. Eine Nivellie-

rung des wissenschaftlichen Lehr- und Forschungsniveaus war die Folge. Damit

wurde eine Hypothek aufgenommen, welche die österreichischen Universitäten

im 21. Jahrhundert bezahlen müssen, denn es wurden zwar mittelmäßige Funkti-

onäre, jedoch kaum der internationalen Konkurrenz gewachsene Wissenschaftler

produziert.

Positiv ist zu vermerken, dass es im Zuge der gesetzlichen Neuordnung von

Studiengängen am Institut für Geographie in Wien gelungen ist, zwei neue Stu-

dienzweige, nämlich „Raumforschung und Raumordnung“ und „Kartographie“

einzurichten und damit sehr viel früher als in Deutschland eine Chance des Faches

wahrzunehmen. Österreichische Geographen hatten seit Hugo HASSINGER einen

wesentlichen Anteil an der Etablierung der Raumforschung als universitäres Fach

und als staatliche Institution. Es ist gelungen, aufgrund der bedeutenden ange-

wandten Forschung im Ziviltechnikergesetz die Gleichstellung von Berufsgeo-

graphen mit Zivilingenieuren zu erreichen.

Eine erfreuliche Begleiterscheinung des Wachstumssyndroms der Universitäts-

institute war der Ausbau der Zweigvereine der Österreichischen Geographischen

Gesellschaft, gleichzeitig ein Beleg für die Möglichkeit einer glücklichen Ehe zwi-

schen Zentralismus und Föderalismus

3. Die Forschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

In der Zeit des geteilten Europa war Österreich ein Staat zwischen West und

Ost mit einem interessanten Amalgam zwischen dem Staatskapitalismus östlicher

Prägung, einem Erbe der russischen Besatzungszeit, d.h. einer verstaatlichten

Großindustrie, und einem verstaatlichten Finanzwesen. Dazu kam in der Ära

KREISKY der Einfluss östlicher Forschungsmodelle der dortigen Akademien der

Wissenschaften. Damit ist die Grundlage für die heutige Sonderstellung der Ös-

terreichischen Akademie der Wissenschaften innerhalb der EU gelegt worden, die

sich aus einer Gelehrtengesellschaft zu einem Forschungsunternehmen mit über

1.100 wissenschaftlichen Mitarbeitern entwickelt hat, welches sich budgetär zwi-

schen den Universitäten Klagenfurt und Linz einordnet.

Dabei erfolgte in den 1970er Jahren, in der Ära FIRNBERG, – synchron zur be-

schriebenen Umstrukturierung der Universitäten – die erste große Gründungs-

welle von wissenschaftlichen Instituten, die in erster Linie den Naturwissen-

schaften zugute gekommen ist. Eine zweite Welle in den 1990er Jahren schloss sich

an, als im Zuge der Privatisierungstendenzen Allianzen mit Privatunternehmen

der Pharmaindustrie geschlossen und die Verbindungen mit den Bundesländern

ausgebaut worden sind. Von diesem enormen Aufschwung der Akademie hat auch

die Geographie profitieren können.

Derzeit bestehen vier von Geographen geleitete Forschungseinrichtungen an

der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, davon drei im Zentrum So-

zialwissenschaften der phil.-hist. Klasse und eine in der math.-nat.Klasse im For-

schungsbereich Geowissenschaften.85

1. Das Institut für Stadt- und Regionalforschung ist 1986 aufgrund der Initia-

tive der Autorin aus der von Hugo HASSINGER gegründeten Kommission für

Raumforschung entstanden.

2. Die Kommission für Migrations- und Integrationsforschung wurde 2004

auf-grund eines Vorschlags der Autorin eingerichtet und inzwischen durch

Personalunion und räumlich mit dem Institut für Stadt- und Regionalfor-

schung verbunden. Sie hat die Zielsetzung, eine Plattform für die österrei-

chische und europäische Migrationsforschung zu bilden.

3. die Forschungsstelle für Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt ist 2006 als

„Tochterunternehmen“ aus dem Institut für Stadt- und Regionalforschung in

Innsbruck entstanden und kooperiert mit dem diesbezüglichen Forschungs-

cluster der Universität.

4. Die Forschungsstelle für Geographic Information Science ist 2007 in Salz-

burg von der Landeshauptfrau BURGSTALLER gemeinsam mit der Österrei-

chischen Akademie der Wissenschaften eingerichtet worden.

Summiert man die wissenschaftlichen Kapazitäten aller genannten Einrich-

tungen, so übertreffen sie bereits die Forschungskapazität der Universitätsinsti-

tute des Faches Geographie. Im Folgenden wird nur auf das Forschungsprofil

des Instituts für Stadt- und Regionalforschung eingegangen, die Programme und

Ziele der anderen erst im 21. Jahrhundert gegründeten Einrichtungen sind aus

den Webauftritten zu entnehmen.

Die von Hugo HASSINGER 1946 gegründete Kommission für Raumforschung

und Wiederaufbau, welche von Hans BOBEK 1954 bei der Übernahme der Leitung

85) Vgl.http://www.oeaw.ac.at/deutsch/forschung/einrichtungen/zentren.html sowie http://www.oeaw-giscience.org/.

Elisabeth Lichtenberger

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in die Kommission für Raumforschung umbenannt worden ist, wurde zur Atlas-

Institution des Kleinstaates, an welcher nach dem Burgenlandatlas von Hugo

HASSINGER der Niederösterreich-Atlas in Angriff genommen und von seinem

Schüler Erik ARNBERGER herausgegeben worden ist. Gemeinsam mit diesem hat

dann Hans BOBEK in 20-jähriger Arbeit den Österreich-Atlas herausgebracht, auf

den bereits eingegangen wurde. Nochmals hingewiesen sei auf seine Analyse des

Systems der Zentralen Orte in Österreich, welche er mit seiner zweiten Frau und

langjährigen Mitarbeiterin, Frau Dr. Maria BOBEK-FESL durchgeführt hat. Die in

umfangreichen Publikationen und Karten niedergelegten theoretischen Zugän-

ge, Begriffe und Ergebnisse bildeten eine Grundlage der Raumordnungspolitik

der 1960er und 1970er Jahre und sind für weitere Forschungen unverzichtbar

geworden.

1983 übernahm die Autorin die Leitung der Kommission. Damit begann ein

neuer Abschnitt der wissenschaftlichen Forschung, welcher die Umwandlung der

Kommission für Raumforschung in das Institut für Stadt- und Regionalforschung

mit Beschluss der Gesamtsitzung der Akademie am 18. 12. 1988 zur Folge hatte.

Der persönliche Stil der Großforschungsprojekte in der Einheit von Forschung

und Lehre an der Universität Wien wurde an die Österreichischen Akademie der

Wissenschaften transferiert und damit die Möglichkeiten einer neuen Ära genutzt,

in der Forschungsmittel des Staates und von privaten Stiftungen auch im Ausland

bereitstanden. Bei diesen Großprojekten ging es stets um Primärforschung mittels

sozialwissenschaftlicher Surveys, Archivstudien und Feldforschung. Dies erzwang

die Beschäftigung mit der Frage der Arbeitsökonomie von Forschungsprojekten,

darunter die „Gewinn- und Verlustrechnung“ von den Rohdaten bis zu den For-

schungsdaten.

Drei Projekte sind zu nennen, und zwar über Gastarbeiter, Stadtverfall und Stad-

terneuerung und über Transformation in den postsozialistischen Staaten.

Die Gastarbeiterforschung in Wien besitzt in der europäischen Migrationsfor-

schung eine singuläre Position durch die zweimalige Durchführung (1974, 1981) eine

singüläre Positon, weiters durch die bilaterale Zusammenarbeit und die tragfähige

Konzeption einer bilateralen Schichtungstheorie, welche durch die Untersuchung in

der Heimat und am Arbeitsort operationalisiert worden ist.

Mit dem schockierenden Titel „Stadtverfall“ wurde das von der Gemeinde Wien

unterstützte Großprojekt benannt, welches die haus- und betriebsweise Erfassung

von Residential, Industrial und Commercial Blight im geschlossen verbauten grün-

derzeitlichen Stadtraum von Wien mit 40.000 Bauobjekten als Grundlagenfor-

schung für die politischen Entscheidungsträger zum Ziel hatte und in der Folge

dann auch in modifizierter Form auf Budapest und Prag ausgedehnt worden ist.

Auf die Transformationsforschung in Ostmitteleuropa wurde bereits hinge-

wiesen. Sie führte zur Schaffung eines internationalen Forschungsverbunds mit

ostmitteleuropäischen Universitäten und Akademien sowie zur Abfassung von

Forschungsberichten.

In Zusammenhang mit der EDVisierung der Primärforschung entstand eine

Datenbank auf der Grundlage von Gemeinden und ein geographischen Infor-

mationssystem von Österreich, welches die Ausgangsbasis des Schwerpunktpro-

gramms „Österreich – Raum und Gesellschaft“ bildete und dessen Kerndaten an

die Mitarbeiter desselben weitergegeben worden sind.

Spannt man den Bogen von der Gründungszeit des Instituts zur Gegenwart, so

ist die derzeitige Forschungsthematik im Internet nachzulesen. Hervorzuheben

ist die Verbreiterung der Stadtforschung in Richtung auf den suburbanen und

postsuburbanen Raum. Vor allem aber wurde durch den derzeitigen Leiter des

Instituts, Heinz FASSMANN, die Bearbeitung migrationsbezogener Themen, nicht

zuletzt aufgrund der bereits erwähnten Personalunion mit der Kommission für

Migrations- und Integrationsforschung, weiter ausgebaut. Ferner gelang es ihm,

das Institut für Stadt- und Regionalforschung (ISR) in ein EU-weites Network

of Excellence (IMISCOE) einzubinden und durch die Gewinnung mehrerer EU-

finanzierter Projekte die internationale Sichtbarkeit und Präsenz des Instituts

ganz wesentlich zu steigern.

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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Literatur

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gen bis zur Errichtung der ersten Lehrkanzel für Geographie in Wien (1851). In: MÖGG, 97. S.

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BERNLEITHNER E. (1953-54), Das Geographische Institut an der Universität Wien. In: GJÖ XXV,

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HASSINGER H. (1950), Österreichs Anteil an der Erforschung der Erde. Wien.

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Elisabeth Lichtenberger

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MITTEILUNGEN DER K. K. GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT IN WIEN (1857), (1858), (1859), darin:

Berichte zur „Novara-Expedition“.

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hunderts. In: MÖGG, 51. S. 453–452.

SPREITZER H. (1957), Zum Hundertjährigen Bestand der Geographischen Gesellschaft in Wien.

Rückschau und Ausblick. In: Festschrift zur Hundertjahrfeier der Geographischen Gesellschaft in

Wien 1856–1956. Wien. S. XV–XXXV.

STIGLBAUER K. (1975), Geographie und Raumordnung. Anmerkungen zu einem Literaturver-

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UMLAUFT F. (1898), Die Pflege der Erdkunde 1848 bis 1898, Festschrift der k. k. Geographischen

Gesellschaft. Wien.

Anmerkung Eine ausführliche Österreich-Bibliographie der Autorin findet sich in folgendem Beitrag:

LICHTENBERGER E. (2001), Geographie. In: Die Geschichte der österreichischen Humanwis-

senschaften – ein zentraleuropäisches Vermächtnis. Band 2: Lebensraum und Organismus des

Menschen. S. 71–148. Wien.

Anhang - Generationenfolgen

I Importe, Ö österr. Lösung, A Auslandsschleifen, E Exporte

1. Autodidakten in der Gründerzeit

Friedrich SIMONY (1813–1896) Wien Ö Pharmazie >> Gletscherforschung, Waldökologie

Wilhelm TOMASCHEK (1841–1901) Graz–Wien Ö Antike Literatur, Geschichte > Historische Geographie

Eduard RICHTER (1847–1905) Graz Ö Gletscherforschung, Historische Geographie (SIMONY-Schüler)

Franz von WIESER (1848–1923) Innsbruck Ö Geschichtswissenschaft und Philologie > Historische Geographie

2. Spätgründerzeit - Zwischenkriegszeit: Beginn der Profession

Albrecht PENCK (1858–1945) Wien–Berlin I Geologie >> Morphologie-Eiszeitforschung

Otto OBERHUMMER (1859–1944) München–Wien I Historische Geographie, politische Geographie (RATZEL-Schüler)

Eduard BRÜCKNER (1862–1927) Bern–Wien I Eiszeitforschung, Klimaschwankungen (PENCK-Koop.)

Franz HEIDERICH (1863–1926) Wien–WU Ö Welthandel (PENCK-Schüler)

Robert SIEGER (1864–1926) Wien–WU–Graz Ö politische Geographie, Almforschung (PENCK-Schüler)

3. Die Generation der zwei Weltkriege

Alfred GRUND (1875–1914 gefallen) Prag E Wüstungsforschung, Karsthydrographie (PENCK-Schüler)

Norbert KREBS (1876–1947) Würzburg– E Länderkunde (PENCK-Schüler) Freiburg–Berlin

Fritz MACHATSCHEK (1876–1957) Zürich–Prag– E

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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Relief der Erde, Länderkunde (PENCK-Schüler) Wien–München

Hugo HASSINGER (1877–1952) Basel–Freiburg– A Morphologie, Anthropogeographie, München Südosteuropa (PENCK-Schüler)

Johann SÖLCH (1883–1951) Innsbruck– A Hochgebirgsmorphologie, Heidelberg–Wien Großbritannien (PENCK-Schüler)

Otto LEHMANN (1884–1941) Wien–Zürich-TU E Theoretische Morphologie (PENCK-Schüler)

Otto MAULL (1887–1957) Frankfurt–Graz I Morphologie, Anthropogeographie, politische Geographie (PENCK-Schüler)

Friedrich METZ (1890–1969) Innsbruck kurzer I Landeskunde (HETTNER-Schüler)

Randolf RUNGALDIER (WU) (1892–1981) Prag–WU-Wien A Geographie des Welthandels

Hermann von WISSMANN (1895–1979) China–Tübingen E Letzter Forschungsreisender Arabien, China (OBERHUMMER-Schüler)

Hans SPREITZER (1897–1973) Prag–Graz–Wien A Morphologie, historische Siedlungsforschung (SIEGER-Schüler)

Hans KINZL (1898–1979) Innsbruck A Gletscherforschung, Bevölkerungsgeographie, Lateinamerika (SÖLCH-Schüler)

4. Die Generation des 20. Jahrhunderts

Hans BOBEK (1903–1990) (Berlin) Freiburg– A Theorie der Geographie, Sozialgeographie, WU-Wien Zentrale-Orte, Persien (SÖLCH-Schüler)

Sieghard MORAWETZ (1903 –1993) Graz Ö Morphologie, steirische Landeskunde (SIEGER-Schüler)

Leopold SCHEIDL (WU) (1904–1974) Graz–WU-Wien Ö Wirtschaftsgeographie, Japan

Herbert SCHLENGER (1904–1968) Graz kurzer I historische Siedlungsgeographie

Egon LENDL (1906–1989) Salzburg Ö Kulturgeographie Südosteuropa (HASSINGER-Schüler)

Ernst NEEF (1908–1986) Leipzig E Labormorphologie, Zentrale-Orte (SÖLCH-Schüler)

Walter STRZYGOWSKI (1908–1970) WU-Wien Ö Stadt- und Raumplanung

(HASSINGER-Schüler)

Herbert PASCHINGER (1911–1992) Graz Ö Eiszeitforschung (KINZL-Schüler)

Wolfgang PILLEWITZER (1911–1999) TU-Dresden– A Expeditionen, Gletscherbewegungen, TU-Wien Kartographie (MAULL-Schüler)

5. Die Aufbaugeneration nach dem Zweiten Weltkrieg

Konrad WICHE (1913– ? ) Mainz E Periglazialforschung (SÖLCH-Schüler)

Josef BREU (1914–1998) Leiter OSI Ö Atlaskartographie, Ortsnamenforschung (HASSINGER-Schüler)

Josef MATZNETTER (1917–1990) Frankfurt E Fremdenverkehrsgeographie, Kanarische Inseln (HASSINGER-Schüler)

Julius FINK (1918–1981) Wien Ö Quartär- und Lössforschung, Bodenkunde (SÖLCH-Schüler)

Erik ARNBERGER (1918–1987) Wien Ö Kartographie Enzyklopädie (HASSINGER-Schüler)

Franz FLIRI (1918–2008) Innsbruck Ö Witterungsklimatologie, Bevölkerungsgeographie, Quartärforschung (KINZL-Schüler)

Adolf LEIDLMAIR (1919–) Karlsruhe–TU-Bonn A Kulturgeographie, Südtirol, –Innsbruck Hadramaut (KINZL-Schüler)

Karl SINNHUBER (1919–) Großbritannien– A Wirtschaftsgeographie WU-Wien

Erhart WINKLER (1921–2005) St. Gallen– A Wirtschaftsgeographie (HASSINGER-Schüler) WU-Wien

Herfried BERGER (1922–1984) Regensburg E Morphologie (SPREITZER-Schüler)

Helmut HEUBERGER (1923–) München– A Hochgebirgsforschung (KINZL-Schüler) Salzburg

Elisabeth LICHTENBERGER (1925–) Kent, Ohio– A Hochgebirgsforschung, Stadtforschung, Ottawa, Kanada, Gastarbeiterforschung (SÖLCH-Schülerin) Erlangen–Wien

Ernest TROGER (1926–1988) Wien Ö Bevölkerungsgeographie, Thailand (KINZL-Schüler)

Karl STIGLBAUER (1927–) Wien Ö

Elisabeth Lichtenberger

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Kulturgeographie, Raumordnung (HASSINGER-Schüler)

Wilhelm LEITNER (1926–1999) Graz Ö Kulturgeographie, Türkei (SCHLENGER-Schüler)

Ferdinand MAYER (WU) (1927–1995) Westermann- A Atlaskartographie, Digitale Kartographie Verlag, Wien

6. Die Nachkriegsgeneration

Hans FISCHER (1931–) Köln–Wien A Klassische Morphologie (SPREITZER-Schüler)

Bruno BACKE (1932–) Klagenfurt Ö Stadtgeographie (LICHTENBERGER-Habil.)

Helmut RIEDL (1933–) Salzburg Ö Morphologie, Griechenland (SPREITZER-Schüler)

Wigand RITTER (1933–) Nürnberg E Wirtschaftsgeographie (STRZYGOWSKI -Schüler)

Gerhard ABELE (1937–1994) Mainz–Innsbruck I (D) Bergstürze, Hochgebirgsforschung (LEIDLMAIR-Schüler)

Christoph STADEL (1938–) Brandon/Kanada– I (D) Hochgebirgsforschung, Salzburg Lateinamerika, Kanada (METZ-Schüler)

Gernot PATZELT (1939–) Innsbruck Ö Quartär- und Gletscherforschung (FLIRI-Schüler)

Martin SEGER (1940–) Klagenfurt Ö Stadtforschung Ökologie, Satellitenbildforschung (LICHTENBERGER-Habil.)

Josef STEINBACH (1941–) Eichstätt E Wirtschaftsgeographie (LICHTENBERGER-Habil.)

Peter MEUSBURGER (1942–) Heidelberg E Humangeographie, Bildungsforschung (KINZL-Schüler)

WAKONIGG Herwig (1942–) Graz Ö Gletscherforschung (PASCHINGER-Schüler)

Michael SAUBERER (1942–) Klagenfurt Ö Zukunftsforschung (LICHTENBERGER-Habil.)

Manfred M . FISCHER (1947–) Erlangen–WU-Wien I (D) Mathematische Geographie

Peter WEICHHART (1947–) Salzburg–Wien Ö Theoretische Geographie

Axel BORSDORF (1948–) Innsbruck I (D) Stadtforschung, Lateinamerika (WILHELMY-Schüler)

Helga LEITNER (1949–) Minnesota, USA E Stadtgeographie (LICHTENBERGER-Schülerin)

Helmut WOHLSCHLÄGL (1949–) Wien Ö Bevölkerungssgeographie (TROGER-Schüler)

Friedrich ZIMMERMANN (1951–) Klagenfurt–Graz Ö Fremdenverkehrsgeographie

Doris WASTL-WALTER (1953–) Klagenfurt–Bern E

Politische Geographie

7. Die Generation des 21. Jahrhundertes

Wolfgang KAINZ (1954–) TU-Graz–Wien A Informatik - GIS

Martin COY (1954–) Innsbruck I (D) Entwicklungsländerforschung

Heinz FASSMANN (1955–) München–Wien A Migrations-Arbeitsmarkt-, Stadtforschung, Raumordnung

Johann STÖTTER (1956–) Innsbruck I (D) Gletscherforschung, Hazard research, Island

Jürgen BREUSTE (1956–) Salzburg I (D) Stadt- und Landschaftsökologie

Josef STROBL (1958–) Salzburg Ö Geographische Informationssysteme, UNIGS, Geogis OEAW

Lothar SCHROTT (1962–) Salzburg I (D) Geomorphologie und Umwelt

Christian ZELLER (1962–) Salzburg I(CH) Wirtschaftsgeographie

Andreas KOCH (1965–) Salzburg I (D) Kommunikation, Finanzdienstleistungen

Thomas GLADE (1964–) Wien I (D) Geomorphologische Prozesse, Risikoforschung

Die Entwicklung der Geographie als Wissenschaft

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