Die Erfolgsstrategie des Uni-Bankers I - Lupus Alpha€¦ · ment. Doch das war wohl auch ein...

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„Höhere Renditen gibt es nicht ohne eigenen Einsatz“ R alf Lochmüller, Chef der deutschen Fondsgesellschaft Lupus alpha, sagt, was deut- sche Anleger von David Swensen abschauen sollten. WELT AM SONNTAG: Inwieweit kann ein Privatanleger dem Yale- Konzept überhaupt folgen? RALF LOCHMÜLLER: Eine durch- schnittliche Wertentwicklung von mehr als zwölf Prozent pro Jahr ist natürlich ein Wort. Das geht nur mit einer Langfriststrategie. Stän- dige Käufe und Verkäufe von Wert- papieren bringen wenig, sie kosten nur Geld. Daneben zeigt die Yale- Universität, wie wichtig eine Streu- ung über viele Anlageklassen ist. Swensen investiert viel in Hedge- fonds und Private Equity. Da ha- ben Privatanleger selten Zugang. Das stimmt, Privatanleger können daran aber lernen: Es bringt nichts, sich nur auf ausgetretenen Anle- gerpfaden zu bewegen. Abseits gibt es mehr Rendite. Mit Nebenwerten verdienen Anleger seit Jahren mehr als mit Aktien großer Indizes wie Euro-Stoxx-50 oder Dax. Das Risiko ist aber auch größer. Nicht, wenn man sein Geld breit streut. Was viele Anleger verges- sen: Die Fonds und Indizes mit den großen Unternehmen sind viel stärker von einzelnen Branchen abhängig als die mit den kleinen. Das zeigte sich eindrucksvoll wäh- rend der Krisen der Banken und Versorger. Dass Swensen Anlegern zu einem diversifizierten ETF-Portfolio rät, dürfte Ihnen als aktiver Fondsma- nager nicht behagen. Die Frage ist, wo man als Anleger herkommt. Wer sich gerade erst vom Sparbuch wegbewegt, für den sind Indexfonds als Standardanla- ge nicht schlecht. Wer allerdings mehr als den Durchschnitt haben will, ist bei aktiven Fonds besser aufgehoben. Sofern er den richtigen findet. Höhere Renditen gibt es nicht ohne eigenen Einsatz. Ein Anleger muss sich kümmern, Zeit in die Fonds- auswahl investieren. Auch das zeigt das Beispiel der Yale-Universität. Hinter den zwölf Prozent Rendite steckt viel Arbeit. I n seiner Freizeit geht David Swensen gern zu Bierverkostun- gen. Dort probiert er dann diver- se Sorten und diskutiert über Vorzüge und Charakteristika. Doch wenn die Sprache auf seine liebste Variante des Gerstensaf- tes kommt, fällt er in seiner Heimat, den USA, stets aus dem Rahmen: Sein Lieblingsbier kommt nämlich aus Kulm- bach im fernen Deutschland. Konformität ist nicht Swensens Sa- che. Nicht beim Bier und vor allem nicht bei der Geldanlage. Das hat der Chefinvestor der Yale-Universität in den 30 Jahren bewiesen, die er das Stif- tungsvermögen der altehrwürdigen In- stitution managt. Er hat völlig neue Pfa- de beschritten, und er tut dies so erfolg- reich, dass seine Strategie der Geldanla- ge heute als das „Yale-Modell“ bekannt ist, das Hunderte Stiftungen inzwischen imitieren. Doch auch für Privatanleger hat Swensen klare und wichtige Tipps. Dabei wirkt Swensen auf den ersten Blick nicht wie ein ungestümer Revolu- tionär. Im Gegenteil: Er sitzt in einem klassischen Anzug ruhig und zurückge- nommen auf einem Sofa in einem Frankfurter Hotel, im Hintergrund zün- geln die Flammen eines Kaminfeuers, und die angenehme sonore Stimme des 63-Jährigen fügt sich perfekt in die hei- melige Atmosphäre ein. Hier sitzt kein aufrührerischer Banker von der Wall Street, der die Welt aufmischen will. Und doch begann genau dort, im Au- ge des Finanzkapitalismus, seine Kar- riere. Nachdem er sein Studium in Yale abgeschlossen hatte, ging er Anfang der 80er-Jahre zur Investmentbank Salo- mon Brothers, später wechselte er zu Lehman Brothers – beide Namen sind längst aus dem Universum der Finanz- welt verschwunden. Doch die Welt der Investmentbanken war nicht seine, das merkte er recht früh. „Ich wollte etwas tun, das von Bedeutung ist, dem eine Mission innewohnt“, sagt er. 1985 kam da seine alte Universität auf ihn zu, fragte ihn, ob er nicht ihr Stiftungsver- mögen managen wolle. Und dies wurde fortan seine Mission: dabei zu helfen, dass Yale die finanziellen Möglichkeiten hat, um an der Spitze der akademischen Lehre zu bleiben. Heute kann man sagen, dass ihm das hervorragend gelungen ist. Das Stif- tungsvermögen wuchs, seit Swensen die Aufgabe übernahm von rund einer auf über 27 Milliarden Dollar. Dabei hatte er anfänglich, wie er selbst sagt, überhaupt keine Ahnung vom Vermögensmanage- ment. „Doch das war wohl auch ein Vor- teil“, stellt er nun fest. Denn er schaute ganz unvoreingenommen auf das, was er vorfand – und es war nicht gut. „Die Hälfte des Geldes steckte in US-Aktien, weitere 40 Prozent in Anleihen und Bar- geld und zehn Prozent in alternativen Anlagen“, erzählt er, „wobei als alterna- tive Anlagen damals Aktien aus anderen Ländern galten.“ All das widersprach dem Grundprinzip der Diversifikation, das ihm seine Lehrmeister zu seiner Zeit als Student beigebracht hatten, al- len voran der spätere Nobelpreisträger James Tobin. „Das Geld war im Wesent- lichen in zwei Bereiche aufgeteilt, es war praktisch überhaupt nicht diversifi- ziert“, sagt er. Folglich änderte er dies – allmählich, aber konsequent. Anfang der 90er-Jahre war das Yale-Vermögen so angelegt, wie Swensen es haben woll- te und wie es auch heute im Prinzip noch verteilt ist. Dazu gehören natür- lich Aktien und Anleihen. Doch sie ste- hen aktuell zusammen gerade mal für rund ein Viertel. Der Rest verteilt sich auf Immobilienanlagen, Rohstoffe, Hedgefonds, Wagniskapital und Private Equity. Das Besondere dieser Anlagefor- men: Sie sind überwiegend illiquide, al- so nicht minütlich handelbar. Geld, das in solche Anlagen investiert wird, steckt auf Jahre fest. Aber für eine Stiftung ist schnelle Liquidität auch nicht notwen- dig. Ihr Anlagehorizont ist langfristig. Zudem bringen diese Anlagen seit Jah- ren stets deutlich höhere Renditen als Aktien oder Anleihen. Über die vergan- genen 20 Jahre schaffte Swensen so ei- ne Rendite von 12,1 Prozent pro Jahr. Er hat die Geldanlage großer Institutionen damit revolutioniert, denn inzwischen kopieren praktisch alle sein Modell, manche nur teilweise, andere komplett. Aber in der Finanzkrise hätte ihm diese Verteilung des Vermögens um ein Haar das Genick gebrochen. „Es war ei- ne schreckliche Zeit“, sagt er rückbli- ckend. Der Wert illiquider Anlagen stürzte praktisch über Nacht ins Boden- lose, denn alle brauchten plötzlich Geld und warfen alles auf den Markt. Aber Swensen musste nichts tun, denn die Stiftung brauchte kein Geld. Er konnte stattdessen sogar noch nachkaufen, zu einmalig günstigen Preisen. „Das Einzi- ge, was ich heute bedauere, ist, dass wir damals nicht mehr Geld zur Verfügung hatten, um noch mehr nachzukaufen.“ Er zog dennoch Konsequenzen aus diesen Erfahrungen, reduzierte den An- teil illiquider Anlagen im Portfolio von rund zwei Drittel auf die Hälfte. Diese Zielmarke gilt auch heute. So sieht er sich gewappnet, selbst neuerliche tur- bulente Phasen unbeschadet zu über- stehen. Gleichzeitig misstraut er der Börse heute mehr denn je. Vor allem der sogenannte Hochfrequenzhandel ist ihm ein Dorn im Auge, also Computer- programme, die innerhalb von Millise- kunden zahllose Aufträge abfeuern und minimale zeitliche Vorsprünge gegen- über normalen Händlern ausnutzen. Bei diesem Thema wird der sonst so abge- klärte und gelassene Swensen plötzlich richtig emotional, es wühlt ihn auf. „Die Hochfrequenzhändler haben unseren Aktienmarkt total ruiniert“, empört er sich, „sie schaden normalen Investoren, das ist völlig irrsinnig.“ Und das Schlimmste daran sei, dass die Börsen- aufsicht nichts dagegen tue. „Die ist to- tal inkompetent“, erregt er sich. Mindestens ebenso stören ihn akti- vistische Aktionäre, also jene, die sich bei einer Firma in großem Stil einkau- fen und sie dann zwingen, hohe Baraus- schüttungen vorzunehmen ohne Rücksicht darauf, ob das Geld besser in Investitionen in die Zukunft angelegt wäre. Deren Tätigkeit färbe zudem auf den Gesamtmarkt ab, da allein die Furcht, in den Blick solcher Aktivisten zu geraten, viele heute dazu treibe, mehr Geld auszuschütten und weniger zu investieren, mit allen negativen Fol- gen. Swensen redet sich in Rage, um dann erleichtert hinzuzufügen: „Bei den illiquiden Anlagen, in die wir investie- ren, gibt es das zum Glück nicht.“ Schön für ihn, Pech für normale An- leger. Denn die haben meist keine Mög- lichkeit, in Private Equity, Hedgefonds oder Wagniskapital zu investieren. Und wenn doch, dann ergibt dies angesichts der hohen Kosten bei den üblichen In- vestitionssummen von Kleinanlegern keinen Sinn. Aber Swensen hat auch für sie einen Rat: „Kaufen Sie sich ein gut diversifiziertes Portfolio von Index- fonds.“ Damit haben Kleinanleger zwar keine Chance, den Markt zu schlagen, so wie Swensen das seit Jahren tut. Sie laufen aber auch nicht Gefahr, schlech- ter abzuschneiden. Und das bei un- schlagbar günstigen Gebühren. Zudem warnt er davor zu glauben, dass man durch perfektes Timing den günstigsten Einstiegszeitpunkt erwischt. Sich selbst traut er es jedenfalls nicht zu, diesen Moment zu finden. Über seine privaten Geldanlagen will er übrigens nicht weiter reden. Das sei alles viel zu lausig, da zeichne er sich nicht durch besonderen Erfolg aus. Aber man darf davon ausgehen, dass er dennoch sein Auskommen hat, sein Jah- ressalär liegt bei vier Millionen Dollar. Es reicht daher auch dafür, dass er seinen Aufenthalt in Europa nutzt, um aus Frankfurt für einen Kurzurlaub ins italienische Piemont weiterzureisen, zusammen mit seiner Frau, die ihn auf der Europareise begleitet. Dort werden die beiden an einer Weinprobe teilneh- men. Wein? Warum nun plötzlich Wein? „Na wegen der Diversifikation“, sagt Biertrinker Swensen und lacht. Die Erfolgsstrategie des Uni-Bankers David Swensen verwaltet das Vermögen der Yale-Universität. Sein Ansatz wurde zum Maßstab – auch für Kleinanleger VON FRANK STOCKER „Etwas tun, dem eine Mission innewohnt“: David Swensen auf dem Yale-Campus in New Haven, Connecticut DRIELY SCHWARTZ VIEIRA/THE NEW Y/REDUX/LAIF WELT AM SONNTAG NR. 46 12. NOVEMBER 2017 42 FINANZEN Dazu soll auch beitragen, was in der Verwaltung unter dem Schlag- wort E-Government läuft. Die Bür- ger sollen die Gebühren für Dienst- leistungen der Städte und Gemein- den zunehmend per Mausklick im Internet begleichen können. So ist es in Frankfurt am Main beispielsweise möglich, mit Giropay direkt online einen Bewohnerparkausweis zu be- zahlen. Mehr als 1000 Kommunen sind an das Onlinebezahlverfahren angebunden, das von mehreren Ban- ken gemeinsam betrieben wird. Auch PayPal, der Bezahlriese aus den USA, hat die Kommunen bereits vor Jah- ren als Kunden entdeckt. Mit 250 Stellen aus der öffentlichen Verwal- tung arbeitet PayPal mittlerweile zu- sammen, dazu gehören auch die hes- sische Bußgeldzentrale in Kassel und das Hunderegister in Niedersachsen. Noch stecken viele der Bürger- portale in den Anfängen. In einigen Gemeinden können Anträge zwar auf digitalem Weg gestellt werden, bezahlen müssen die Bürger aber weiterhin vor Ort. Der Druck, viel mehr online abzuarbeiten, wird mit der nächsten Generation steigen, ist sich Verwaltungsexperte Erdmann sicher: mit der nächsten Generation der Beschäftigten und der nächsten Generation der Bürger. Sie würden einfach erwarten, dass für Standard- verfahren niemand mehr persönlich auf einem Amt erscheinen muss, sondern alles per Smartphone im Internet abwickeln kann. Das gilt auch beim Bezahlen. Neben Sicherheit und Service spielen bei der Abkehr vom Bargeld in der Verwaltung natürlich auch die Kosten eine Rolle. Bargeld ist für ei- ne Behörde nicht zwangsläufig teu- rer als eine EC-Karten-Transaktion, geschweige denn als eine Zahlung per PayPal. Die Finanzunternehmen verlangen schließlich Gebühren für die Nutzung ihrer Dienste. Eine pauschale Antwort auf die Frage, was günstiger ist, wird es nicht ge- ben, das muss jeder Kassenverwal- ter für seine Behörde ausrechnen. Die Verantwortlichen der Bun- desagentur für Arbeit kamen für sich zu einem eindeutigen Ergebnis: Der Unterhalt eines Automaten ist teurer als die Variante mit den La- denkassen. Eine einzelne Auszah- lung in den Arbeitsagenturen und Jobcentern kostete die Behörde nach eigenen Angaben bislang acht Euro. Die Maschinen müssen schließlich regelmäßig befüllt und gewartet werden. Angesichts von 400.000 Transak- tionen, die im Vorjahr über die Kas- senautomaten liefen, summierten sich die Kosten auf 3,2 Millionen Eu- ro im Jahr. Wie viel die Bundesagen- tur künftig durch die Auslagerung des Service in die Supermärkte und Drogerien spart, will sie nicht sagen. Nur so viel: Die Kosten pro Auszah- lung seien in Zukunft geringer. So verschwindet im kommenden Jahr das Bargeld aus den Räumen der Bundesagentur, rund zehn Jahre nachdem dort Kassenautomaten aufgestellt wurden. Sie hatten, da- mit das Bargeld nicht mehr per Hand ausgegeben werden musste, einst die Menschen von den Behör- denkassen verdrängt. Nun erhalten die Arbeitslosen ihr Bargeld wieder von echten Menschen ausbezahlt. Nur sitzen die jetzt bei Rossmann an der Kasse. FORTSETZUNG VON SEITE 41 Hessen können Bußgelder per PayPal bezahlen

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„Höhere Renditen gibt es nicht ohne eigenen Einsatz“

R alf Lochmüller, Chef derdeutschen FondsgesellschaftLupus alpha, sagt, was deut-

sche Anleger von David Swensenabschauen sollten.

WELT AM SONNTAG: Inwieweitkann ein Privatanleger dem Yale-Konzept überhaupt folgen?RALF LOCHMÜLLER: Eine durch-schnittliche Wertentwicklung vonmehr als zwölf Prozent pro Jahr istnatürlich ein Wort. Das geht nurmit einer Langfriststrategie. Stän-dige Käufe und Verkäufe von Wert-papieren bringen wenig, sie kostennur Geld. Daneben zeigt die Yale-Universität, wie wichtig eine Streu-ung über viele Anlageklassen ist.

Swensen investiert viel in Hedge-

fonds und Private Equity. Da ha-ben Privatanleger selten Zugang.Das stimmt, Privatanleger könnendaran aber lernen: Es bringt nichts,sich nur auf ausgetretenen Anle-gerpfaden zu bewegen. Abseits gibtes mehr Rendite. Mit Nebenwertenverdienen Anleger seit Jahrenmehr als mit Aktien großer Indizeswie Euro-Stoxx-50 oder Dax.

Das Risiko ist aber auch größer.Nicht, wenn man sein Geld breitstreut. Was viele Anleger verges-sen: Die Fonds und Indizes mit dengroßen Unternehmen sind vielstärker von einzelnen Branchenabhängig als die mit den kleinen.Das zeigte sich eindrucksvoll wäh-rend der Krisen der Banken undVersorger.

Dass Swensen Anlegern zu einemdiversifizierten ETF-Portfolio rät,dürfte Ihnen als aktiver Fondsma-nager nicht behagen.Die Frage ist, wo man als Anlegerherkommt. Wer sich gerade erstvom Sparbuch wegbewegt, für densind Indexfonds als Standardanla-ge nicht schlecht. Wer allerdingsmehr als den Durchschnitt habenwill, ist bei aktiven Fonds besseraufgehoben.

Sofern er den richtigen findet.Höhere Renditen gibt es nicht ohneeigenen Einsatz. Ein Anleger musssich kümmern, Zeit in die Fonds-auswahl investieren. Auch das zeigtdas Beispiel der Yale-Universität.Hinter den zwölf Prozent Renditesteckt viel Arbeit.

I n seiner Freizeit geht DavidSwensen gern zu Bierverkostun-gen. Dort probiert er dann diver-se Sorten und diskutiert überVorzüge und Charakteristika.Doch wenn die Sprache auf seineliebste Variante des Gerstensaf-

tes kommt, fällt er in seiner Heimat,den USA, stets aus dem Rahmen: SeinLieblingsbier kommt nämlich aus Kulm-bach im fernen Deutschland.

Konformität ist nicht Swensens Sa-che. Nicht beim Bier und vor allemnicht bei der Geldanlage. Das hat derChefinvestor der Yale-Universität inden 30 Jahren bewiesen, die er das Stif-tungsvermögen der altehrwürdigen In-stitution managt. Er hat völlig neue Pfa-de beschritten, und er tut dies so erfolg-reich, dass seine Strategie der Geldanla-ge heute als das „Yale-Modell“ bekanntist, das Hunderte Stiftungen inzwischenimitieren. Doch auch für Privatanlegerhat Swensen klare und wichtige Tipps.

Dabei wirkt Swensen auf den erstenBlick nicht wie ein ungestümer Revolu-tionär. Im Gegenteil: Er sitzt in einemklassischen Anzug ruhig und zurückge-nommen auf einem Sofa in einemFrankfurter Hotel, im Hintergrund zün-geln die Flammen eines Kaminfeuers,und die angenehme sonore Stimme des63-Jährigen fügt sich perfekt in die hei-melige Atmosphäre ein. Hier sitzt keinaufrührerischer Banker von der WallStreet, der die Welt aufmischen will.

Und doch begann genau dort, im Au-ge des Finanzkapitalismus, seine Kar-riere. Nachdem er sein Studium in Yaleabgeschlossen hatte, ging er Anfang der80er-Jahre zur Investmentbank Salo-mon Brothers, später wechselte er zuLehman Brothers – beide Namen sindlängst aus dem Universum der Finanz-welt verschwunden. Doch die Welt derInvestmentbanken war nicht seine, dasmerkte er recht früh. „Ich wollte etwastun, das von Bedeutung ist, dem eineMission innewohnt“, sagt er. 1985 kamda seine alte Universität auf ihn zu,fragte ihn, ob er nicht ihr Stiftungsver-mögen managen wolle. Und dies wurdefortan seine Mission: dabei zu helfen,dass Yale die finanziellen Möglichkeitenhat, um an der Spitze der akademischenLehre zu bleiben.

Heute kann man sagen, dass ihm dashervorragend gelungen ist. Das Stif-tungsvermögen wuchs, seit Swensen dieAufgabe übernahm von rund einer aufüber 27 Milliarden Dollar. Dabei hatte eranfänglich, wie er selbst sagt, überhauptkeine Ahnung vom Vermögensmanage-ment. „Doch das war wohl auch ein Vor-teil“, stellt er nun fest. Denn er schauteganz unvoreingenommen auf das, waser vorfand – und es war nicht gut. „DieHälfte des Geldes steckte in US-Aktien,weitere 40 Prozent in Anleihen und Bar-geld und zehn Prozent in alternativenAnlagen“, erzählt er, „wobei als alterna-tive Anlagen damals Aktien aus anderenLändern galten.“ All das widersprachdem Grundprinzip der Diversifikation,das ihm seine Lehrmeister zu seinerZeit als Student beigebracht hatten, al-len voran der spätere NobelpreisträgerJames Tobin. „Das Geld war im Wesent-lichen in zwei Bereiche aufgeteilt, eswar praktisch überhaupt nicht diversifi-ziert“, sagt er. Folglich änderte er dies –allmählich, aber konsequent. Anfangder 90er-Jahre war das Yale-Vermögenso angelegt, wie Swensen es haben woll-te und wie es auch heute im Prinzipnoch verteilt ist. Dazu gehören natür-

lich Aktien und Anleihen. Doch sie ste-hen aktuell zusammen gerade mal fürrund ein Viertel. Der Rest verteilt sichauf Immobilienanlagen, Rohstoffe,Hedgefonds, Wagniskapital und PrivateEquity. Das Besondere dieser Anlagefor-men: Sie sind überwiegend illiquide, al-so nicht minütlich handelbar. Geld, dasin solche Anlagen investiert wird, steckt

auf Jahre fest. Aber für eine Stiftung istschnelle Liquidität auch nicht notwen-dig. Ihr Anlagehorizont ist langfristig.Zudem bringen diese Anlagen seit Jah-ren stets deutlich höhere Renditen alsAktien oder Anleihen. Über die vergan-genen 20 Jahre schaffte Swensen so ei-ne Rendite von 12,1 Prozent pro Jahr. Erhat die Geldanlage großer Institutionen

damit revolutioniert, denn inzwischenkopieren praktisch alle sein Modell,manche nur teilweise, andere komplett.

Aber in der Finanzkrise hätte ihmdiese Verteilung des Vermögens um einHaar das Genick gebrochen. „Es war ei-ne schreckliche Zeit“, sagt er rückbli-ckend. Der Wert illiquider Anlagenstürzte praktisch über Nacht ins Boden-

lose, denn alle brauchten plötzlich Geldund warfen alles auf den Markt. AberSwensen musste nichts tun, denn dieStiftung brauchte kein Geld. Er konntestattdessen sogar noch nachkaufen, zueinmalig günstigen Preisen. „Das Einzi-ge, was ich heute bedauere, ist, dass wirdamals nicht mehr Geld zur Verfügunghatten, um noch mehr nachzukaufen.“

Er zog dennoch Konsequenzen ausdiesen Erfahrungen, reduzierte den An-teil illiquider Anlagen im Portfolio vonrund zwei Drittel auf die Hälfte. DieseZielmarke gilt auch heute. So sieht ersich gewappnet, selbst neuerliche tur-bulente Phasen unbeschadet zu über-stehen. Gleichzeitig misstraut er derBörse heute mehr denn je. Vor allem dersogenannte Hochfrequenzhandel istihm ein Dorn im Auge, also Computer-programme, die innerhalb von Millise-kunden zahllose Aufträge abfeuern undminimale zeitliche Vorsprünge gegen-über normalen Händlern ausnutzen. Beidiesem Thema wird der sonst so abge-klärte und gelassene Swensen plötzlichrichtig emotional, es wühlt ihn auf. „DieHochfrequenzhändler haben unserenAktienmarkt total ruiniert“, empört ersich, „sie schaden normalen Investoren,das ist völlig irrsinnig.“ Und dasSchlimmste daran sei, dass die Börsen-aufsicht nichts dagegen tue. „Die ist to-tal inkompetent“, erregt er sich.

Mindestens ebenso stören ihn akti-vistische Aktionäre, also jene, die sichbei einer Firma in großem Stil einkau-fen und sie dann zwingen, hohe Baraus-schüttungen vorzunehmen – ohneRücksicht darauf, ob das Geld besser inInvestitionen in die Zukunft angelegtwäre. Deren Tätigkeit färbe zudem aufden Gesamtmarkt ab, da allein dieFurcht, in den Blick solcher Aktivistenzu geraten, viele heute dazu treibe,mehr Geld auszuschütten und wenigerzu investieren, mit allen negativen Fol-gen. Swensen redet sich in Rage, umdann erleichtert hinzuzufügen: „Bei denilliquiden Anlagen, in die wir investie-ren, gibt es das zum Glück nicht.“

Schön für ihn, Pech für normale An-leger. Denn die haben meist keine Mög-lichkeit, in Private Equity, Hedgefondsoder Wagniskapital zu investieren. Undwenn doch, dann ergibt dies angesichtsder hohen Kosten bei den üblichen In-vestitionssummen von Kleinanlegernkeinen Sinn. Aber Swensen hat auch fürsie einen Rat: „Kaufen Sie sich ein gutdiversifiziertes Portfolio von Index-fonds.“ Damit haben Kleinanleger zwarkeine Chance, den Markt zu schlagen,so wie Swensen das seit Jahren tut. Sielaufen aber auch nicht Gefahr, schlech-ter abzuschneiden. Und das bei un-schlagbar günstigen Gebühren. Zudemwarnt er davor zu glauben, dass mandurch perfektes Timing den günstigstenEinstiegszeitpunkt erwischt. Sich selbsttraut er es jedenfalls nicht zu, diesenMoment zu finden.

Über seine privaten Geldanlagen willer übrigens nicht weiter reden. Das seialles viel zu lausig, da zeichne er sichnicht durch besonderen Erfolg aus.Aber man darf davon ausgehen, dass erdennoch sein Auskommen hat, sein Jah-ressalär liegt bei vier Millionen Dollar.

Es reicht daher auch dafür, dass erseinen Aufenthalt in Europa nutzt, umaus Frankfurt für einen Kurzurlaub insitalienische Piemont weiterzureisen,zusammen mit seiner Frau, die ihn aufder Europareise begleitet. Dort werdendie beiden an einer Weinprobe teilneh-men. Wein? Warum nun plötzlich Wein?„Na wegen der Diversifikation“, sagtBiertrinker Swensen und lacht.

Die Erfolgsstrategie des Uni-BankersDavid Swensen verwaltet das Vermögen der Yale-Universität. Sein Ansatz wurde zum Maßstab – auch für Kleinanleger

VON FRANK STOCKER

„Etwas tun, dem eine Mission innewohnt“: David Swensen auf dem Yale-Campus in New Haven, Connecticut

DRIEL

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Chef vom Dienst

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Dazu soll auch beitragen, was inder Verwaltung unter dem Schlag-wort E-Government läuft. Die Bür-ger sollen die Gebühren für Dienst-leistungen der Städte und Gemein-den zunehmend per Mausklick imInternet begleichen können. So ist esin Frankfurt am Main beispielsweisemöglich, mit Giropay direkt onlineeinen Bewohnerparkausweis zu be-zahlen. Mehr als 1000 Kommunensind an das Onlinebezahlverfahrenangebunden, das von mehreren Ban-ken gemeinsam betrieben wird. AuchPayPal, der Bezahlriese aus den USA,hat die Kommunen bereits vor Jah-ren als Kunden entdeckt. Mit 250Stellen aus der öffentlichen Verwal-tung arbeitet PayPal mittlerweile zu-sammen, dazu gehören auch die hes-sische Bußgeldzentrale in Kassel unddas Hunderegister in Niedersachsen.

Noch stecken viele der Bürger-portale in den Anfängen. In einigenGemeinden können Anträge zwarauf digitalem Weg gestellt werden,bezahlen müssen die Bürger aberweiterhin vor Ort. Der Druck, vielmehr online abzuarbeiten, wird mitder nächsten Generation steigen, istsich Verwaltungsexperte Erdmannsicher: mit der nächsten Generationder Beschäftigten und der nächstenGeneration der Bürger. Sie würdeneinfach erwarten, dass für Standard-verfahren niemand mehr persönlichauf einem Amt erscheinen muss,sondern alles per Smartphone imInternet abwickeln kann. Das giltauch beim Bezahlen.

Neben Sicherheit und Servicespielen bei der Abkehr vom Bargeldin der Verwaltung natürlich auch dieKosten eine Rolle. Bargeld ist für ei-ne Behörde nicht zwangsläufig teu-rer als eine EC-Karten-Transaktion,geschweige denn als eine Zahlungper PayPal. Die Finanzunternehmenverlangen schließlich Gebühren fürdie Nutzung ihrer Dienste. Einepauschale Antwort auf die Frage,was günstiger ist, wird es nicht ge-ben, das muss jeder Kassenverwal-ter für seine Behörde ausrechnen.

Die Verantwortlichen der Bun-desagentur für Arbeit kamen fürsich zu einem eindeutigen Ergebnis:Der Unterhalt eines Automaten istteurer als die Variante mit den La-denkassen. Eine einzelne Auszah-lung in den Arbeitsagenturen undJobcentern kostete die Behördenach eigenen Angaben bislang achtEuro. Die Maschinen müssenschließlich regelmäßig befüllt undgewartet werden.

Angesichts von 400.000 Transak-tionen, die im Vorjahr über die Kas-senautomaten liefen, summiertensich die Kosten auf 3,2 Millionen Eu-ro im Jahr. Wie viel die Bundesagen-tur künftig durch die Auslagerungdes Service in die Supermärkte undDrogerien spart, will sie nicht sagen.Nur so viel: Die Kosten pro Auszah-lung seien in Zukunft geringer.

So verschwindet im kommendenJahr das Bargeld aus den Räumender Bundesagentur, rund zehn Jahrenachdem dort Kassenautomatenaufgestellt wurden. Sie hatten, da-mit das Bargeld nicht mehr perHand ausgegeben werden musste,einst die Menschen von den Behör-denkassen verdrängt. Nun erhaltendie Arbeitslosen ihr Bargeld wiedervon echten Menschen ausbezahlt.Nur sitzen die jetzt bei Rossmannan der Kasse.

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