Die Flavonoide von Riccia fluitans L.

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Institut fUr Allgemeine Botanik der Universitat Mainz Die Flavonoide von Riccia fZuitans L. The Flavonoids of Riccia fluitans 1. O. VANDEKERKHOVE Eingegangen am 12. August 1977 . Angenommen am 2. September 1977 Summary Five flavonoids of Riccia Jluitans were analysed by means of paper chromatography and uv-spectral data. One substance was identified as luteolin, the others are glycosides of api- genin and luteolin: apigenin-7-0-glucuronide, luteolin-7-0-glucuronide, luteolin-7 -O-glucu- ronide-3' -O-rhamnoside and luteolin-6,8-di-C-glycoside (lucenin). Key words: liverworts, Riccia Jluitans, Jlavonoids, luteolin, apigenin-7-0-glucuronide, luteolin-7 -O-glucuronide, luteolin-7 -O-glucuronide-3'-O-rhamnoside, luteolin-6,8-di-C -glyco- side (lucenin). Einleitung Der erste Bericht tiber ein Flavonoid bei Lebermoosen stammt von MOLISCH (1911). Das von ihm aufgefundene Saponarin wurde in seiner Struktur inzwischen aufgeklart (NILSSON, 1969; TJUKAVKINA et aI., 1970). Unterdessen verftigen wir insbesondere durch die Untersuchungen von MARKHAM und Mitarbeitern tiber viele neue Erkenntnisse, hauptsachlich hinsichtlich der Mar- chantiales und Sphaerocarpales (MARKHAM, 1972; MARKHAM and PORTER, 1973, 1974 a, 1974b, 1975 a, 1975b, 1975c; MARKHAM et aI., 1969, 1972, 1976 a, 1976 b). Auch tiber die Jungermanniales sind bereits einige positive Ergebnisse publiziert worden (MUEs and ZINSMEISTER, 1975, 1976; NILSON and BENDZ, 1973). MARKHAM and PORTER berichteten 1975 tiber die Flavonoide von Riccia crystal- !ina und fan den hier Naringenin und dessen 7-0-g1ucosid, Apigenin-7-0-g1ucosid und Apigenin-7-0-g1ucuronid. SCHIER untersuchte 1974 eine Anzahl von Arten der Marchantiales, darunter 10 Riccia-Arten, und fand tiberall Flavonoide vor, die aber nicht isoliert und identifiziert wurden. In der vorliegenden Arbeit soil tiber die Flavonoide von Riccia fluitans berichtet werden, die eine Verwandtschaft zu Marchantia und Conocephalum erkennen las- sen. Z. PJlanzenphysiol. Bd. 86. S. 217-221. 1978.

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Institut fUr Allgemeine Botanik der Universitat Mainz

Die Flavonoide von Riccia fZuitans L.

The Flavonoids of Riccia fluitans 1.

O. VANDEKERKHOVE

Eingegangen am 12. August 1977 . Angenommen am 2. September 1977

Summary

Five flavonoids of Riccia Jluitans were analysed by means of paper chromatography and uv-spectral data. One substance was identified as luteolin, the others are glycosides of api­genin and luteolin: apigenin-7-0-glucuronide, luteolin-7-0-glucuronide, luteolin-7 -O-glucu­ronide-3' -O-rhamnoside and luteolin-6,8-di-C-glycoside (lucenin).

Key words: liverworts, Riccia Jluitans, Jlavonoids, luteolin, apigenin-7-0-glucuronide, luteolin-7 -O-glucuronide, luteolin-7 -O-glucuronide-3' -O-rhamnoside, luteolin-6,8-di-C -glyco­side (lucenin).

Einleitung

Der erste Bericht tiber ein Flavonoid bei Lebermoosen stammt von MOLISCH (1911). Das von ihm aufgefundene Saponarin wurde in seiner Struktur inzwischen aufgeklart (NILSSON, 1969; TJUKAVKINA et aI., 1970).

Unterdessen verftigen wir insbesondere durch die Untersuchungen von MARKHAM und Mitarbeitern tiber viele neue Erkenntnisse, hauptsachlich hinsichtlich der Mar­chantiales und Sphaerocarpales (MARKHAM, 1972; MARKHAM and PORTER, 1973, 1974 a, 1974b, 1975 a, 1975b, 1975c; MARKHAM et aI., 1969, 1972, 1976 a, 1976 b).

Auch tiber die Jungermanniales sind bereits einige positive Ergebnisse publiziert worden (MUEs and ZINSMEISTER, 1975, 1976; NILSON and BENDZ, 1973).

MARKHAM and PORTER berichteten 1975 tiber die Flavonoide von Riccia crystal­!ina und fan den hier Naringenin und dessen 7-0-g1ucosid, Apigenin-7-0-g1ucosid und Apigenin-7-0-g1ucuronid. SCHIER untersuchte 1974 eine gro~ere Anzahl von Arten der Marchantiales, darunter 10 Riccia-Arten, und fand tiberall Flavonoide vor, die aber nicht isoliert und identifiziert wurden.

In der vorliegenden Arbeit soil tiber die Flavonoide von Riccia fluitans berichtet werden, die eine Verwandtschaft zu Marchantia und Conocephalum erkennen las­sen.

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Material und Methode Das Untersuchungsmaterial wurde durch Anzucht in Sterilkultur gewonnen'f). Die Kultur erfolgte in Penicillinkolben, Erlenmeyerkolben oder Fernbachkolben im

schwachen WeiBlicht bei 16-Stunden-Tag in Konstantdiumen bei 20°C in folgender Nahr­flussigkeit.

Nahrsalze:

KNOs CaCl2 X 2 H 20 Fe-III-citrat

10,1 0/ 0

1,0 Ofo 0,27 Ofo

MgS04 X 7HP KH2P04

1,36 Ofo 1,0 Ofo

Zusatzlich wurden noch 0,2 Ofo Glucose beigegeben, wodurch sich die Wachstums;ate von Riccia fluitans sehr erh6hen lalk Die Extraktion wurde im Soxhlet-Apparat vorgenommen. Zunachst mit Benzin zur Entfernung der Chlorophylle und lipophiler Ballaststoffe, anschlie­Bend erfolgte die Elution der Flavonoide mit Methanol.

Die methanolische L6sung wurde stark eingeengt und unmittelbar zur zweidimensionalen und eindimensionalen Papierchromatographie auf Chromatographierpapier Schleicher & Schull Nr. 2316 verwendet. Die Lage der Flavonoidflecken wurde durch Betrachten in UV-Licht bei 350 nm, Rauchern mit Ammoniak sowie Bespruhen mit Naturstoffreagens A und Benedicts Reagens bestimmt.

Das Material fUr die UV-Spektralphotometrie wurde durch eindimensionale absteigende Papierchromatographie in 150f0iger Essigsaure im Durchlauf in reiner Form gewonnen. Die Messung erfolgte mit einem Spektralphotometer ZEISS M 4 Q III unter Verwendung der ublichen Methoden (MABRY et aI., 1970).

Ergebnisse und Diskussion

Das zweidimensionale Papierchromatogramm zeigte 5 Flavonoide, von denen eines als Aglykon eingeordnet wurde, vier als Glykoside.

R,-Werte der Flavonoide von Riccia fluitans

I: Kthylacetat/Ameisensaure/Wasser 10: 2: 3 II: t-Butanol/Essigsaure/Wasser 3 : 1 : 1 (TBA)

III: 150f0ige Essigsaure

II III

Aglykon 0,82 0,75 0,08 RF-1 0,61 0,43 0,15 RF-2 0,70 0,55 0,26 RF-3 0,62 0,44 0,39 RF-4 0,28 0,23 0,50

Dariiber hinaus wurde eine weitere Substanz gefunden, auf die SCHIER (1974) im Zusammenhang mit Riccia fluitans, Riccia albolimbata und Riccia michelii bei Rr 0,80/0,42 (TBA/15 Ofo HOAc) hinweist. Die Fluoreszenz ist blaugriin im UV-Licht,

,:-) Prof. Dr. 1. BAUER (Institut fur Allgemeine Botanik der Universitat Mainz) sei fUr die Dberlassung einer Sterilkultur von Riccia fluitans sowie fUr Hinweise zur Anzucht herzlich gedankt.

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die Farbe schlagt urn nach orangerot bis lachsfarben bei Raucherung mit Ammo­niak bzw. Bespriihen mit Benedicts Reagens.

1m Zusammenhang mit der Identifizierung von Naringenin bei Riccia crystallina durch MARKHAM and PORTER (1975) ist es nicht unwahrscheinlich, dag es sich hier­bei urn ein Chalkon handelt. Eine nahere Untersuchung der Substanz wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausgeklammert.

Farbreaktionen der 5 Flavonoide von Riccia fluitans

UV NH3/UV NRA/UV Benedicts Test

Aglyko:. dunkel gelb orange dunke1 RF-l dunkel gelb orange dunkel RF-2 dunkel griin griin ge1b RF-3 dunkel griin griin ge1b RF-4 dunke1 gelb orange dunkel

Zunachst wurde das Aglykon durch zweidimensionale Cochromatographie mit Vergleichssubstanz (Roth) als Luteolin identifiziert. Der Vergleich der UV-Spektren ergab ebenfaIIs Identitat. An dieser Stelle mug erwahnt werden, dag das Aglykon sowie die Substanz RF-1 in groBerer Menge in der Nahrlosung auftraten, in der Riccia kultiviert wurde, wobei mengenmaBig das Aglykon iiberwiegt.

Wieweit dieser AusscheidungsprozeB auf die besonderen Kulturbedingungen zu­riickzufiihren ist oder einen natiirlichen Vorgang darstellt, der auch in der norma­len Umwelt ablauft und fiir das Moos von physiologischer Bedeutung ist, wird noch zu klaren sein. Die beiden Substanzen RF-1 und RF-2 sind sehr widerstands­fahig gegen Hydrolyse. Hierzu wurden sie aus dem Papier eluiert und in Atha­noIl2n HCl 1 : 1 (v/v) zwei Stunden im siedenden Wasserbad am RiickfIuBkiihler erhitzt.

Erst hierbei erfolgte teilweise Aufspaltung in Aglykon und Zucker. Dies legte nahe, in den beiden Substanzen 7-g1ucuronide zu vermuten, die bei den Marchan­tiales weit verbreitet sind.

Zunachst wurde eine Aufarbeitung von Marchantia polymorpha vorgenommen und aus dieser Apigenin- und Luteolin-7-g1ucuronid nach der Methode von MARK­HAM and PORTER (1974 b) gewonnen. Zweidimensionale Cochromatographie wies auf Identitat hin. Mit I)-Glucuronidase (Serva) in destilliertem Wasser konnte nun eine 100o'!oige Spaltung in Apigenin, Luteolin und Glucuronsaure erzielt werden. Die Glucuronsaure wurde durch zweidimensionale Cochromatographie auf Cellulo­seplatten MN 300 (Macherey-Nagel + Co.) in dem Laufmittel n-ButanoIlPyri­din/H20 6 : 4 : 3 identifiziert (MACEK, 1963). Dieses Laufmittel gestattet eine gute Trennung der Paare Glucose/Galactose und Glucuronsaure/Galacturonsaure. Die Sichtbarmachung erfolgte mit Anilin-Phthalsaure. Die Aglyka konnten durch Co-

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chromatographie mit Vergleichssubstanzen (Roth) als Apigenin und Luteolin identifi­ziert werden.

Ergebnisse der UV-Spektralphotometrie (Amax, nm)

RF-l RF-2 Methanol Na-methylat AlCl3

AlCl3/HCl NaOAc NaOAc/H3B03

256, 266 sh, 344 258, 401 273, 298sh, 331,429 271,296sh, 361, 386 257, 266 sh, 405 256, 374

Methanol Na-methylat AlC13

AlCl3/HCl NaOAc NaOAc/H3B03

267, 330 269,388 270, 298sh, 344, 380 270, 298sh, 344, 380 268, 388 268, 338

Damit kann als gesichert geiten, daB RF-1 und RF-2 Luteolin-7-0-glucuronid bzw. Apigenin-7-0-glucuronid sind.

Die Substanz RF-3 zeigt aufgrund ihres Na-methylat-Spektrums und auch wegen ihrer Verfarbung bei Raucherung mit Ammoniak eine freie 4'-OH-Gruppe an. Sie ist negativ gegentiber Benedicts Test. Bei einsttindiger Hydrolyse geht sie quantita­tiv in RF-1 tiber und reagiert nun positiv auf Benedicts Test. Als Zucker wurde auf Celluloseplatten (Merck) mit dem Laufmittel Kthylacetat/Essigsaure/Methanol! H 20 60 : 15 : 15 : 10 durch Besprtihen mit Anilinphthalat und Cochromatographie mit authentischer Substanz Rhamnose nachgewiesen (Rf-Wert 0,36).

RF-3 ist somit Luteolin-7-0-glucuronid-Y-O-rhamnosid. Derartige Verbindungen von Aglyka wie Apigenin, Chrysoeriol und Luteolin mit Glucuronsaure und Rham­nose treten auch bei Conocephalum coni cum auf (MARKHAM et aI., 1976 a).

Die Substanz RF-4 laBt sich weder durch saure Hydrolyse tiber sechs Stunden noch durch P-Glucuronidase oder iJ-Glucosidase (Serva) in Acetatpuffer pH 5,0 in ihre Bestandteile zerlegen. Die mehrsttindige Hydrolyse liefert eine teilweise Zerset­zung des Flavonoids.

Wegen des Fehlens einer Wessely-Moser-Umlagerung bei sechssttindiger Hydroly­se muB daher der SchluB gezogen werden, daB RF-4 ein Luteolin-6,8-di-C-glycosid ist, des sen beide Zuckeranteile identisch oder sehr ahnlich sind.

UV-Spektren von RF-4

Methanol Na-methylat AlCl3

AlCl3/HCl NaOAc NaOAc/H3BOa

256, 270, 346 260, 282 sh, 408 278,430 278, 359, 378 sh 280, 324 sh, 399 267, 381, 428

Das Auftreten von Apigenin-7-glucuronid und Luteolin-7-glucuronid (RF-1 und RF-2) deutet auf Verwandtschaftsbeziehungen zu Riccia crystallina und Ricciocar­pus natans (MARKHAM and PORTER 1975 a), Sphaerocarpos texan us, Riella america-

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na, Riella affinis (MARKHAM et al., 1976 b), Marchantia macropora (MARKHAM and

PORTER, 1975 c), Marchantia polymorpha (MARKHAM and PORTER, 1974 b), Mar­

chantia foliacea (MARKHAM and PORTER, 1973), Marchantia berteroana (MARKHAM and PORTER, 1975 b).

Die beiden vorgenannten Verbindungen zusammen mit RF-3 und RF-4 legen eine

enge Verwandtschaft zu Conocephalum conicum nahe, welches ebenso wie Riccia

fluitans ein Lucenin enthalt sowie eine Kombination von Luteolin mit Glucuron­saure und Rhamnose (MARKHAM et al., 1976 a).

Freilich Iaf~t die bei Riccia fluitans geringere Anzahl der Flavonoide im Ver­

gleich zu Conocephalum conicum - 5 gegenliber 11 - auf eine Reduktion bei der Gattung Riccia schlid~en.

Literatur

MABRY, T. J. et al.: The Systematic Identification of Flavonoids, Springer-Verlag, 1970. MACEK, K.: In: HAIS, 1. M. und K. MACEK, Handbuch der Papierchromatographie, Fi­

scher-Verlag, 1963. MARKHAM, K. R.: Phytochemistry 11, 2047 (1972). MARKHAM, K. R. and L. J. PORTER: Phytochemistry 12, 2007 (1973).

Phytochemistry 13, 1553 (1974 a). Phytochemistry 13, 1937 (1974 b). Phytochemistry 14, 199 (1975 a). Phytochemistry 14, 1093 (1975 b).

- Phytochemistry 14, 1641 (1975 c). MARKHAM, K. R. et al.: Phytochemistry 8, 2193 (1969). - Phytochemistry 11, 2875 (1972). - Phytochemistry 15, 147 (1976 a). - Phytochemistry 15,151 (1976 b). MOLISCH, H.: Ber. dt. bot. Ges. 29, 487 (1911). MUEs, R. and H. D. ZINSMEISTER: Phytochemistry 14, 577 (1975). - - Phytochemistry 15, 1757 (1976). NILSSON, E.: Acta Chern. Scand. 23, 2910 (1969). NILSSON, E. and G. BENDz: In: G. BENDZ and J. SANTESSON, Chemistry in Botanical Classi­

fication, Academic Press 1973, S. 117. SCHIER, W.: Nova Hedwigia XXV, 549 (1974). TJUKAVKINA, N. A. et al.: ColI. Czech. Chern. Commun. 35,1306 (1970).

Dr. O. VANDEKERKHOVE, Institut fiir Allgemeine Botanik der Universitat Mainz, Saarstr. 21, D-6500 Mainz.

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