Die Flut Der Fremden (Heerlager Der Heiligen)

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Die Flut der Fremden der essay In seinem erstmals 1973 veröffentlichten Roman „Das Heerlager der Heiligen“ nahm der französische Schriftsteller Jean Raspail die aktuelle Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer in prophetischen und verstörenden Bildern vorweg. Das Buch erschüttert auch heute noch. Zusammen mit Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ bildet es ein Diptychon des europäischen Untergangs 50 vatican 6-7| 2015

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Ein Essay über die Bücher Heerlager der Heiligen von Jean Raspail und das Buch Unterwerfung von Michel Houllebecq.

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  • Die Flut der Fremden

    der essay

    In seinem erstmals 1973 verffentlichten Roman Das Heerlager der Heiligen nahm der franzsische Schriftsteller Jean Raspail die aktuelle Flchtlingskatastrophe im Mittelmeer in prophetischen und verstrenden Bildern vorweg. Das Buch erschttert auch heute noch. Zusammen mit Michel Houellebecqs Unterwerfung bildet es ein Diptychon des europischen Untergangs

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  • Linke Dystopien, das heit Anti-Utopien, werden gerne sprichwrtlich, ber rechte Dystopien traut man sich hin-gegen nicht zu sprechen, selbst wenn man der Meinung ist, dass sie Wesentliches benennen oder neue Denkschnei-sen ins postmoderne Dickicht schlagen. Orwells 1984 oder Huxleys Brave new world sind linke Dystopien. Sie kennt jedes Kind. Beide Bcher sind Pflichtlektre in der Schule. Sie gehren zum staatsbrgerlichen Bildungskanon der Genera-tion Datenschutz. Ernst Jngers Arbeiter, Oswald Speng-lers Untergang des Abendlands und auch Alexander Solsche-nizyns Archipel Gulag hingegen werden immer noch hinter vorgehaltener Hand empfohlen. Es sind bse Bcher. Zu die-sen livres maudits, auf die man sich nur ungerne ffentlich beruft, gehrt auch der 1973 erschienene und seitdem in vie-len Sprachen weit ber hunderttausend Mal verkaufte Roman

    Le Camp des Saints (Das Heerlager der Heiligen, Neuber-setzung in der Edition nordost) des franzsischen Reise- und Abenteuerschriftstellers Jean Raspail, der in wenigen Wochen neunzig Jahre wird. Wer dieses Buch heute in der Pariser Metro liest, luft Gefahr, als Rassist beschimpft zu werden. Wer die-ses Buch in einer Zeitung thematisiert, der muss damit rech-nen, als ein Autor des rechten Flgels eingeordnet und entspre-chend sanktioniert zu werden. Raspail hat das geahnt. Er hat gesagt, er sei um das Thema herumgeschlichen wie ein Hun-defhrer um eine Paketbombe. Ein Buch, vor dem sein eige-ner Autor Angst hat, kann nichts anderes sein als die Definiti-on eines livre maudit.

    Jean Raspail ist ein bekennender Monarchist mit Wur-zeln in der Pfadfinderbewegung (man lese hierzu seinen sch-nen Romans Sire aus dem Jahre 1991, in dem die Monar-

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  • Islamisten zu stoppen ist. Die Menschen dieses Landes haben keine Werte mehr, die es zu verteidigen gilt. Die Mnner kn-nen sich mit der Etablierung eines religisen Staates gut arran-gieren, weil er ihre Bedrfnisbefriedigung frdert: mehr Geld, eine Frau fr die Kche, zwei Frauen frs Bett. In einem Inter-

    chie ins heutige Frankreich zurckkehrt). Er gehrt jener zutiefst franzsischen Gattung der crivains voyageurs an, jener Gruppe vagabundierender Abenteuerautoren mit Tiefgang, Stil und Kul-tur. Raspail hat viele Jahre mit Reisen verbracht und einfhlsa-me Bcher ber fremde Kulturen geschrieben. Seinen strengen Standpunkt hat er dabei nicht verlassen. Im Gegenteil: Je mehr er reiste, desto genauer wusste er, wer er war. Von sich selbst sagt er mit anti-kumenischer Verve: Ich bin Katholik, kein Christ.

    Das Heerlager der Heiligen ist sein bekanntestes und erfolg-reichstes Buch. Es schildert den Untergang und die freiwillige Unterwerfung Frankreichs unter eine Flut von Immigranten aus Indien. Das Land ist dabei nur ein Platzhalter. Es knnte auch ein afrikanisches oder lateinamerikanisches gemeint sein. Das Buch erzhlt, wie eine Million ausgehungerter und kranker indischer Immigranten an der franzsischen Mittelmeerkste landet an einem Ostersonntag, nachdem die Flotte vierzig Tage auf den Wsten der Weltmeere umherirrte. Eine ins Negative gewende-te Ostersymbolik durchzieht den ganzen Roman wie ein dunk-ler Basso Continuo. Die Ankunft der Flchtlinge versetzt Kirche, Politiker und Journalisten in einen kollektiven Rausch des Gut-menschentums, der durch das postkoloniale schlechte Gewis-sen weiter angestachelt wird. Die Immigranten gehen an Land und nehmen den ganzen franzsischen Sden in Besitz. Fried-lich und gewaltfrei. Die Soldaten der Grande Arme desertieren. Die weie Bevlkerung flieht nach Norden. Das Abendland hat keine Kraft mehr, sich zu wehren. In den sdfranzsischen Std-ten werden die verbleibenden weien Frauen in Bordelle fr die Inder gesteckt. Umgekehrte Harems, sozusagen. In den Gro-stdten brechen Rassenunruhen aus. Ende.

    Raspails Buch ist, wenn man so will, das 1984 der Rechten. Das Buch ist ein Abgesang auf das christliche Abendland, so wie Orwells Zukunftsroman ein Abgesang auf die Freiheit (oder den Mythos der Freiheit) war. Doch whrend bei Orwell die Bedro-hung von innen kommt, aus der eigenen Gesellschaft, droht bei Raspail der Untergang von auen, durch das Fremde, durch das Andere. Bei Orwell ist es der (sozialistisch verstandene) groe Bruder, das Mitglied der eigenen Familie, der auf einmal auer Kontrolle gert und zum Feind mutiert. Bei Raspail ist es nicht The big Brother, sondern The big Other das groe Ande-re , das den Feind darstellt. The big other so berschrieb Ras-pail das (in Frankreich umstrittene) Vorwort zur Neuausgabe seines Buches im Jahre 2011, die brigens wochenlang auf Platz eins der franzsischen Amazon-Verkaufsliste stand.

    Raspail gab mit dieser Neuauflage Michel Houellebecq eine Steilvorlage, der in seinem vor kurzem erschienenen Roman Unterwerfung die Geschehnisse, die Raspail im Heerlager der Heiligen schildert, konsequent zu Ende denkt. Houelle-becqs Roman, der im Jahr 2022 spielt, schildert, wie aus Frank-reich schlielich eine moderate muslimische Demokratie wird, weil das Volk unter allen Umstnden eine rechte Prsidentin Marine Le Pen verhindern will, deren Partei, der Front Natio-nal, nur durch einen Schulterschluss der Sozialisten mit den

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    Flchtlinge auf dem Mittelmeer. Ziel: Europa.

  • Modell mit seinem Freiheits- und Gleichheitsideal zerbricht. Es hat den Menschen ein Versprechen gegeben, das es nicht halten kann. Wir wohnen einer Rckkehr des Religisen bei. Ein Para-digmenwechsel, ein Prozess der Respiritualisierung ist im Gang. Das Glaubens- und Wertesystem verndert sich. Eine Gedanken-

    view mit dem Spiegel beschreibt Houellebecq diese Entwick-lung als den historischen Endpunkt einer Bewegung, die mit der Franzsischen Revolution einsetzte: Ich glaube, dass ein histo-rischer und politischer Zyklus, der mit der Franzsischen Revo-lution 1789 begann, sich dem Ende zuneigt. Das republikanische

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    strmung, die mit der Reformation begann und mit der Aufkl-rung ihren Hhepunkt erreichte, ist dabei, zu erlschen.

    Die epische Konstruktion des Romans ist uerst geschickt angelegt. Unterwerfung (die wrtliche bersetzung des Wor-tes Islam) ist in der Ich-Perspektive geschrieben. Der Prota-gonist ist ein Literaturwissenschaftler an der Sorbonne, der auf den katholischen Autor Huysmans spezialisiert ist. Er arran-giert sich mit dem Islam, um sein materialistisches Lebenskon-zept zu retten. Seine Existenz ist die postmoderne Karikatur des Huysmanschen Helden Floressas Des Esseintes, eines sthetizis-ten, der im Roman Gegen den Strich ein Leben der Dekadenz

    und uersten sinnlichen Verfeinerung fhrt, das er der Verfla-chung der Welt und der Gesellschaft entgegenhlt. In Unterwer-fung ist dieses extravagante Leben aber nur noch als Schwund-stufe mglich: An die Stelle des Fin de Sicle-sthetizismus tritt bei Houellebecq der industrielle Materialismus der Mikrowel-lenprodukte und des gekauften Sex. Immer wieder scheint in der satirischen Dekonstruktion des Optimismus dabei auch die Blau-pause des Voltairschen Candide hindurch. Es ist aber auch nicht falsch, sich bei der Lektre dieses gerade in seiner pragma-tischen Fatalitt so bitteren Buches an den Bestseller Le suici-de franais (Der franzsische Selbstmord) von Eric Zemmour

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    Die undatierte Aufnahme zeigt den franzsi-schen Schriftstel-ler Jean Raspail, der in wenigen Wochen neunzig Jahre alt wird.

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  • erinnert zu fhlen, der zurzeit in Frankreich die Verkaufslisten anfhrt.

    Ursprnglich hatte Houellebecq geplant, seinen Protagonis-ten am Ende zum Katholizismus konvertieren zu lassen, so wie es Huysmans selbst tat und es in seinem Buch En route (Unter-wegs) eindrucksvoll schildert. Der Autor Houellebecq zeigt sich im Interview begeistert von der Manif pour tous, jener Aktions-bewegung, die sich in Frankreich als Reaktion auf die gleichge-schlechtliche Idee und vor allem auf das Adoptionsrecht fr gleichgeschlechtliche Paare bildete und der es gelang, Millio-nen Menschen zu mobilisieren. Houellebecq lsst sich hier-zu im Spiegel emphatisch aus: Persnlich bin ich berzeugt, dass noch viel Kraft im Katholizismus steckt. Ich glaube, er hat Zukunft, obwohl sich die Entwicklung im Buch anders darstellt. Der Protest gegen die gleichgeschlechtliche Ehe brachte in Frank-reich ungeheure Menschenmengen auf die Strae, darunter eine neue Generation junger Katholiken, modern, offen, sympa-thisch, brderlich, leuchtend, wie ich sie nie gesehen hatte. Ganz anders als die alten Traditionalisten oder die Progressisten, die in Wahrheit verkappte Protestanten sind. Der Protestantismus als Geist der Aufklrung ist der Niedergang des Katholizismus, in der Kunst wie im Glauben. Der Roman endet nicht katho-lisch, sondern mit einer Unterwerfung. Doch wer genau liest, der bemerkt, dass Houellebecq eine Hintertr offen lsst. Denn der Roman schlgt im entscheidenden Schlussabschnitt ins Konditi-onal um: Die Zeremonie der Konversion selbst wrde sehr ein-fach sein. Ist es erlaubt, diese stilistische Volte als einen Hoff-nungsschimmer zu lesen? Kann man diese Tempuswechsel als ein offenes Ende interpretieren?

    Es ist das Carl-Schmittsche Freund/Feind-Schema, des-sen Demarkationslinie die linke von der rechten Dystopie unter-scheidet. In der linken Dystopie wird diese Demarkationslinie nach Innen verlegt, der Konflikt wird psychologisiert und sozio-logisiert. Die linke Dystopie schildert einen Zustand, der thera-pierbar ist, wenn man nur frh genug zu warnen beginnt. In der rechten Dystopie kommt der Feind von auen. Es ist ein Feind aus Fleisch und Blut. Es ist ein konkreter Feind. Hier ist der Kon-flikt nur durch eine gewaltsame Auseinandersetzung zu lsen, als eine Verteidigung des Eigenen. Diese Auseinandersetzung setzt aber eines voraus: Selbstbehauptungswillen und Identittsbe-wusstsein. Wenn diese nicht mehr gegeben sind, dann fllt selbst eine tausendjhrige Kultur in sich zusammen wie ein Karten-haus. Die Christen folgen den Inkas und Azteken. So sieht es Ras-pail. Perspektivlosigkeit ist das Prinzip des Heerlagers: Ich bin berzeugt, dass das Schicksal Frankreichs besiegelt ist, bekann-te Raspail in einem Interview mit der franzsischen Zeitung Le Figaro im Jahre 2004. Wer von ihm Sentimentalitt oder Larmo-yanz erwartet, ist auf dem Holzweg. Das einzige, was der abend-lndische Mensch, der noch wei, was Gre ist, jetzt machen kann, ist, sich mit Stil und Wrde dem Untergang zu stellen und an seinem Seelenheil zu arbeiten.

    Es gibt das Leben der Anderen, das nicht unser Leben ist, nicht unsere Geschichte, nicht unsere Kultur. Und es gibt unser

    Leben, unsere Geschichte, unseren Erfahrungsraum, den wir das christliche Abendland nennen. Diese Unterscheidung hlt Ras-pail fr wesentlich. Ist er deswegen schon ein Rassist, wie es ihm linke Kritiker vorwerfen? Zwei Jahrzehnte ist Raspail als Aben-teurer unterwegs gewesen, hat bedrohte Vlker besucht und in seinen Bchern ihre Bedrohung durch die moderne Zivilisati-on beschrieben. Das Fremde war ihm allzu gut bekannt, aber als Fremdes. Viele so genannte Antifaschisten, die sich lautstark zu Anhngern des Anderen, des Fremden machen, haben ihr Kinderzimmer nie verlassen. Die Rassismus-Keule dieser Linken trifft Raspail durchaus in einigen Szenen, an denen er das Leben an Bord der Armada als ein wollstig-animalisches Vegetieren schildert (wobei man ihm dabei aber auch den Geist der siebziger Jahre zu Gute halten kann, der ja auch die rassistischen Blax-spoitation-Movies hervorbrachte). Sie trifft ihn aber nicht in sei-nem Versuch, das je Eigene der Kulturen herauszuarbeiten und auf einer kulturellen Authentizitt der Vlker zu beharren, was brigens ein linker Ethnologe wie Lvi-Strauss auch getan hat.

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    Raspail formuliert die bedenkenswerte These, dass die Globali-sierung, die mit dem Entstehen der so genannten dritten Welt ihren Ausgang nahm, die Substanz des katholischen Selbstver-stndnisses angreifen und letztlich zerstren muss, weil sie die Identifikationsmuster dieses Katholischen auslscht, das ja in sei-ner Geschichte immer auch mit einer Freund/Feind-Opposition gearbeitet hat.

    Vor diesem Denkhorizont einer Welt der Anti-Globalisie-rung, die bei sich beheimatet sein muss, um lebbar zu sein, muss man die Migrationskritik des Heerlagers verstehen. Die uns heute bedrngende Frage Wie knnen wir helfen?, Was kn-nen wir tun? lsst dieser Roman links liegen, weil er der Mei-nung ist, wir Abendlnder seien nicht mehr in der Lage, die Rolle von Helfern zu spielen. hnlich denkt der Roman ber die Nchstenliebe, die von den Lawinen des Elends gleichsam ver-schttet wird. Gerade dieser kollektivistische Ansatz hat dem Buch viel Kritik eingebracht. Man hat seinen polemischen Tenor kritisiert. Der Roman enthlt viele polemische Passagen: wenn es

    um die Verbldung und Gleichschaltung der Massenmedien und Schulen, um die Missachtung der sagesse populaire, um den Verlust der Wirklichkeit, um den intellektuellen Terrorismus einer fabrizierten Moral, um die Kritik des stndigen Suchens nach soziologischen Erklrungen, um die abgedroschene Wir sind alle Inder-Rhetorik geht. Raspail verzichtet aber immer dann auf Polemik, wenn er das Elend selbst in den Blick nimmt. Dann findet er einen Ton der berhhung und des pathetischen Sprechens, der ihn nicht immer vor problematischen Unschr-fen schtzt, dem es aber auch zu verdanken ist, dass sich der Text in seinen hrtesten und unertrglichsten Kapiteln an den Ton-fall der Offenbarung des Johannes anschliet. Das war die Idee Raspails: Die Figur der totalen Migration als ein Geschehen zu schildern, das nur eschatologisch zu begreifen ist. Dass ein sol-ches Unterfangen schwer umsetzbar und zudem angreifbar ist, ist offensichtlich.

    Aber immerhin: Ein klarer Standpunkt erzeugt Klarheit. Aus der Haltung eines rechten Dystopisten heraus hat Raspail vierzig Jahre vor den Flchtlingstragdien im Mittelmeer und vor der Drohung des IS, Europa mit Cargo-Schiffen voller Immigranten zu bombardieren, Bilder gefunden, die sich in das Bewusstsein des Lesers fr immer einschreiben. Wer Raspails Roman kann-te, die Bilder der letzten Wochen sah und dann auch noch Hou-ellebecqs Roman las, der glaubte, an der Erfllung einer Prophe-tie teilzuhaben. Und das umso mehr, als Raspail in seinem Buch noch weitere Ereignisse unserer Gegenwart auf fast erschtternde Weise vorweggenommen hat. Der amtierende Papst im Heer-lager der Heiligen heit zwar nicht Franziskus, aber immerhin Benedikt XVI. Nachdem sein Vorgnger nach dem dritten Vati-kanischen Konzil den gesamten Besitz der rmisch-katholischen Kirche verkauft hat (und dabei Ironie des Schicksals eine Summe zustande kam, mit der kaum der Agraretat fr Pakistan fr ein Jahr ausgeglichen werden konnte), lebt er nun in einer armseligen Wohnung in der Nhe des Vatikan! Alle christlichen Form-und Kulturmerkmale haben sich aufgelst. Es herrscht eine Religion der kumene und der Gutglubigkeit. Dominikanerpa-tres tragen Jeans und T-Shirts. Der Erzbischof von Paris schenkt der muslimischen Gemeinde dreiig Kirchen. Und so weiter. Das kennt man alles irgendwie. Bei der Lektre des Romans sieht man sich zunehmend von der Einsicht eingeholt, dass die Erosi-on des Katholischen vierzig Jahre tatenlos beobachtet wurde.

    Ist das Heerlager nun ein christlicher, gar ein katholischer Roman? Was dagegen sprechen knnte, ist weniger die Absenz von guten Taten und vorbildhaften Figuren, die dieser Roman in der Tat nicht enthlt, die aber auch viele andere katholische Bcher von Bloy ber Bernanos bis Pguy nicht enthalten. Viel-mehr ist es die abgrundtiefe Einsamkeit seines Tonfalls, seine Verachtung der Innerweltlichkeit und seine radikale Unange-passtheit, die ihn fr viele heutige Katholiken zu einer schwie-rigen Lektre machen. Es gibt aber auch nicht wenige, die genau das von einem Katholizismus erwarten, der sich dazu entschie-den hat, das Zeitalter der Beliebigkeit zu berleben. Fr sie hat Jean Raspail das Heerlager der Heiligen geschrieben.

    Der franzsische Schriftsteller Michel Houelle-becq whrend der Vorstellung seines neuesten Buchs Unterwerfung in Barcelona im April 2015.

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