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Peter Schmid " Heinrich Wanderwitz (Hrsg. ) DIE GEBURT ÖSTERREICHS 850 Jahre Privilegium minus SCHNELL - STEINER C)gýýgý.

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Peter Schmid " Heinrich Wanderwitz (Hrsg. )

DIE GEBURT ÖSTERREICHS 850 Jahre Privilegium minus

SCHNELL - STEINER

C)gýýgý.

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Knut Gärich

,,... damit die Ehre unseres Onkels nicht gemindert werde ...

" Verfahren und Ausgleich im Streit um das

Herzogtum Bayern 1152-1156

Die Erhebung der Markgrafschaft Österreich zum Herzogtum im September 1156 markiert das Ende eines langen Konflikts. ' Seine Wurzeln reichen zurück in die Zeit Konrads III. Im Jahre 1 138 hatte er dem \Velfen Heinrich dem Stolzen erst das Herzogtum Sachsen, dann auch das Herzogtum Bayern entzogen. Zu Lebzeiten Konrads wurden die daraus resultierenden Konflikte nicht mehr gelöst. Zwar übertrug der Staufer das Herzogtum Sachsen schon 1142 an den Sohn Heinrichs des Stolzen, Heinrich den Löwen. Bezüglich des Herzogtums Bayern, das der Löwe als Erbe seines Vaters ebenfalls beanspruchte, wurde jedoch keine Lösung gefunden. Konrad hatte es zunächst an den Babenberger Leopold IV., nach dessen Tod 1142 an dessen Bruder Heinrich II. Jasomirgott ausgegeben. Diese Übertragung Bayerns an die babenbergi- schen Stiefbrüder des Staufers war Bestandteil seiner �Verwandtschaftspolitik"

2; vielleicht noch gezielter als die Könige vor ihm vergab Konrad III. Ämter und Würden vor allem an seine Verwandten und sicherte seine Herrschaft auf diese Weise ab. Als Friedrich Barbarossa im März 1152 seinem Onkel Konrad auf dem Königsthron folgte, wurde auch die Lösung des Konflikts um Bayern zu einer Familienangelegenheit: denn Barbarossa war über seine Großmutter, die Salierin Agnes, ein Neffe der babenbergischen Brüder, und über seine Mutter, die Welfin Judith, ein Vetter Heinrichs des Löwen; er war also mit beiden Kontrahenten ver- wandt. Und nur mit Unterstützung seines mächtigen welfischen Verwandten gelangte Barbarossa anstelle des Sohnes Konrads III. auf den Thron. Als Gegenleistung dürfte 3

1 Dazu Kurt REINDEL, Das welfische Jahrhundert in Bayern, in: Max SPINDLER (Hg. ), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 1, München 21981,335-345; Heinrich APPELT, Privilegium minus. Das staufische Kaisertum und die Babenberger in Österreich, Wien u. a. 21976,32-80; Odilo ENGELS, Die Restitution des Bayernherzogtums an Heinrich den Löwen, in: Jochen LuctittARDT- Franz NIEHOFF (Hg. ), Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft

und Repräsentation der Welfen 1125-1235, Bd. 2: Essays, München 1995,159-171. 2 Dazu Jutta ScIIucK, König, Fürsten und Reich (1056-1159). Herrschaftsverständnis im Wandel (Mittelalter-

Forschungen 7), Stuttgart 2001,146f.; Tobias WELLER, Auf dem Weg zum staufischen Haus': Zu Abstammung,

Verwandtschaft und Konnubium der frühen Staufer, in: Hubertus SEIBERT und Jürgen DENDORFER (Hg. ), Grafen,

Herzöge, Könige - Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (Mittelalter-Forschungen 18), Stuttgart 2005,

41-63,52-56.

3 Zum Problem der Nachfolge Konrads III. zuletzt Stefanie DICK, Die Königserhebung Friedrich Barbarossas im Spiegel der Quellen, in: ZRG Germ. Abt. 121 (2004) 200-237, mit ausführlichen Hinweisen auf die jüngste Forschungsdiskussion.

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Barbarossa seinem welfischen Vetter die Übertragung Bayerns versprochen haben. t Ein Indiz dafür ist, dass sich der Löwe in einer am 18. Mai 1152 auf dem Merseburgcr Hoftag in Anwesenheit Barbarossas ausgestellten Urkunde dicr Barcariae ei Sa oniae nannte - ein Titel, den er seit 1148 beanspruchte, den ihm die staufische Kanzlei jedoch vor 11» nie zumaß. Die Verwirklichung der Zusage Barbarossas nahm immerhin vier Jahre in Anspruch.

Die Prinzipien, die bei diesem Ausgleich rivalisierender Ansprüche zu berücksichtigen

waren, wurden im Privilegium minus von 1156 klar und deutlich angesprochen: die Mark Österreich wurde in ein Herzogtum umgewandelt, damit, so die bezeichnende Formulierung in Barbarossas Urkunde, honor ei gloria. �die Ehre und der Ruhm unseres geliebtesten Onkels in keiner Weise gemindert erscheinen"6. Mit diesen Worten ist ein zentrales Element der mittel alterlichen Herrschaftspraxis benannt; weil sie vor allem personenbezogen war, musste in der Beziehung zwischen König und Großen auch der honor der Beteiligten gewahrt werden, also die Ehre als Summe aus Vornehmheit, Ämtern, Besitz, persönlichen Fähigkeiten und Verbindungen. Die Wahrung der Ehre war für König und Große wichtig genug, um ihretwillen

viel zu tun, was nach modernen Vorstellungen von Staatsräson unvernünftig gewesen ist. 7 Der Streit um Bayern betraf nicht nur die Frage, wer künftig über das Herzogtum und seine

4 Dazu Werner HECHBERGEe, Staufer und Welfen I125-1190. Zur Verwendung von Theorien in der Geschichts-

wissenschaft, Köln - Weimar - Wien 1996,239-258; Bernd SCIINEIDMOLLER, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung, Stuttgart u. a. 2000,187.

5 Karl JORDAN (Hg. ), Die Urkunden Heinrichs des Löwen, Herzogs von Sachsen und Bayern, Nachdruck Stuttgart

1995, Nr. 18; vgl. Johann Friedrich BOH. ItuR - Ferdinand OPLL (tig. ), Regesta Imperii. Die Regesten des

Kaiserreichs unter Friedrich 1.1152 (1122)-I190, Bd. 1 (künftig BO), Wien u. a. 1980, Nr. 89; HI: cIInmRGI: R, Staufer (wie Anm. 4) 251. Erstmals begegnet Heinrichs Titel als Doppelherzog im Jahr 1148, Vgl. JORDAN,

Urkunden (wie Anm. 5) Nr. 12, S. 26. 6 Heinrich APPELT u. a. (Hg. ), Die Urkunden Friedrichs 1. (MGH Diplomata regum et imperatorum Gennaniae

10.1-5, künftig DF. I. ), Hannover 1975-1990, Nr. 151, S. 259, Z. 18-23: Ne aalen, in hoc facto aliyualenus minui videretur honor ei gloria dilectissLni patnri nostri (.. J marchiant Austrie in ducatuni commutavin, us ei eundeni ducatuni cmn onini pure prefab patnm nosi m Heinrico (.. J in benefrcitun concessinius. Dazu APPELT, Privilegium

(wie Anm. 1) 50f.; Hanna VOLLRAT1t, Fürstenurteile im staufisch-welfischen Konflikt von 1138 bis zum Privilegium Minus. Recht und Gericht in der oralen Rechtswelt des früheren Mittelalters, in: Karl KROtscnt: LL - Albrecht CORDES, Funktion und Form. Quellen und Methodenprobleme der mittelalterlichen Rechtsgeschichte

(Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 18), Berlin 1996,39-62, hier 60-62. 7 Joachim EITEERS, Friedrich 1. Barbarossa (1152-1190), in: Bernd SCIINEIDMOLLER - Stefan \VEINI1JRTER (Hg. ), Die

deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian 1. (919-1519),

München 2003,232-257, hier 233; vgl. auch Jürgen MIE'DIKE, Rituelle Symbolik und Rechtswissenschaft ini

Kampf zwischen Kaiser und Papst. Friedrich Barbarossa und der Konflikt um die Bedeutung von Ritualen, in:

Franz J. FELTEN u. a. (Hg. ), Ein gefüllter Willkomm. Festschrift für Knut Schulz, Aachen 2002,91-125, hier 97:

�Honor sollte zumindest daneben auch Anspruch, Einkommen, Prestige, Besitz, ja subjektives Recht umfassen.

mit einem Wort also die Substanz der Person und deren materielle Grundlagen, ihre Identität, Geltung und

Wirkungsmöglichkeiten. " Zur Bedeutung der Ehrvorstellung im Umkreis des staufischen Hofes vgl. Knut GORictt,

Die �Ehre

des Reichs" (honor imperii). Überlegungen zu einem Forschungsproblem, in: Johannes LAUDAGE - Yvonne LEtVERKUS (1ig. ), Rittertum und höfische Kultur der Stauferzcit, Köln u. a. 2006,36-74.

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Ressourcen verfügen konnte, sondern auch, wer den damit verbundenen Herzogstitel tragen sollte - eine Frage der Ehre, die im Kreis der um Prestige rivalisierenden Adligen nicht weni- ger wichtig war als die unseren heutigen, vor allem ökonomischen Maßstäben nähere Frage nach der Herrschaft über materielle Ressourcen. Die 1156 gefundene Lösung war besonders tragfähig, denn sie ermöglichte Heinrich II. Jasomirgott, den Titel eines dux auch weiterhin zu führen; das bedeutete, dass er dem neuen Herzog von Bayern, dessen Anspruch er unterlegen war, nicht als Vasall untergeordnet sein sollte - was der Fall gewesen wäre, wenn der Babenberger nach dem Verlust Bayerns nur mehr Markgraf der bayerischen Mark Österreich geblieben wäre. So aber konnte er seinem welfischen Gegner im Kreis der Großen künftig auf gleicher Augenhöhe begegnen. Der Weg zu dieser Lösung war lang, und man würde seine - im agonalen Verhältnis der Fürsten zueinander wurzelnde - Eigentümlichkeit verkennen, wenn man ihn nur als Durchsetzung des herrscherlichen Willens verstünde.

Der Bischof Otto von Freising, ein Bruder Heinrichs II. Jasomirgott und somit ein weiterer Onkel Barbarossas, ist der einzige Informant über die einzelnen Verfahrensschritte vor dem Ausgleich. Anhand seines Berichts in den Gesta Friderici zeichne ich im Folgenden die Stationen dieser Konfliktlösung nach; 8 ihre Untersuchung verspricht Einblick in das Bündel jener Ordnungsvorstellungen, Gewohnheiten und rangverpflichteter Verhaltensweisen, die man mit Gerd Althoff als �Spielregeln

der Politik" im Mittelalter bezeichnen kann. 9 Öffentlichkeit war konstituierend für Ehre. Ehre musste vor der Öffentlichkeit gewahrt und

verteidigt, nötigenfalls wiederhergestellt werden. Für Barbarossas Versuch, den Konflikt zwi- schen seinen Verwandten beizulegen, war charakteristisch, dass er den Rang Heinrichs II. Jasomirgott von allem Anfang an öffentlich anerkannte: als der Staufer während seines Umritts im Juni 1152 nach Regensburg kam, dem Hauptort des bayerischen Herzogtums, nahm sein Onkel am dortigen Hoftag teil und huldigte dem neuen König; 10 in der Zeugenliste einer dort ausgestellten Urkunde erscheint er als dzcr Bavariae. 11 Das verdient deshalb besondere Erwähnung, weil sich Barbarossas Vorgänger Konrad in einer vergleichbaren Situation ganz anders verhalten hatte. Konrad hatte jede öffentliche Begegnung mit Heinrich dem Stolzen ver- mieden, ihn auch zur Huldigung nicht zugelassen - und zwar deshalb nicht, um ihn im Rahmen einer öffentlichen Begegnung nicht begrüßen und damit als das anerkennen zu müssen, was der

8 Zuletzt dazu Hermann Ka\ip, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, Darmstadt 2001,143-154. 9 Gerd ALTuoFF, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997; zur

Diskussion um den Begriff vgl. DERs., Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Darmstadt 2003,23 mit Anm. 38.

10 So m. E. zu Recht ENGEts, Restitution (wie Anm. 1) 164. 11 DE l. Nr. 13, S. 25, Z. 30; freilich ist die Echtheit der Urkunde wegen mancher Unstimmigkeiten in der Datierung

nicht einfach zu beurteilen (vgl. dazu den Editionskommentar mit weiteren Hinweisen); indessen gibt es keinen Grund, an der Zuverlässigkeit der Zeugenliste zu zweifeln. Zeugennennung als Neinritus dux Bonarie auch in DF. I. Nr. 14, S. 27, Z. 23; in diesem Fall bereitet nun die Zeugenliste Schwierigkeiten, die möglicherweise erst 1154 niedergeschrieben wurde. Die mit diesen frühen Urkunden Barbarossas verbundenen Probleme wurzeln im damaligen Mangel an Notaren; dazu Rainer Maria HERKEN[tnrtt, Regnum und Imperium in den Diplomen der ersten Regierungsjahre Friedrichs 1. (erstmals 1969, wiedergedruckt), in: Gunther WOLF (Hg. ), Friedrich Barbarossa (Wege der Forschung 390), Darmstadt 1975,323-359, hier 345 mit Anm. 111.

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Welfe war: Herzog von Sachsen und Bayern, was er aber nach Konrads Vorstellung künftig

nicht mehr sein sollte. 12 Anders also Barbarossa, der seinen Onkel in Regensburg als Herzog

von Bayern an seinem Hof empfing - obwohl er zur damaligen Zeit schon beabsichtigte, den

Anspruch Heinrichs des Löwen durchzusetzen, der sich in seinen Urkunden seit langem dux

Bavariae et Saxoniae nannte. Wenig später setzte Barbarossa den beiden Herzögen für Oktober

1152 einen Tag in Würzburg an, um den Streit um Bayern zu schlichten. 13 Diese Mitteilung

war für Heinrich II. Jasomirgott offenkundig bedrohlich, denn hätte Barbarossa lediglich den

Anspruch des Löwen auf Bayern zurückweisen wollen, dann hätte allein dessen Ladung an den

Hof wohl genügt. So aber musste der Babenberger Verhandlungen über sein Herzogtum fürch-

ten, das er indessen zur Disposition zu stellen nicht bereit war, deshalb blieb er dem

Würzburger Hoftag fern. '4 Das Verfahren, mit dem Barbarossa sein Ziel erreichen wollte, beschreibt Otto von Freising mit der Alternative iudicio rel consilio, also: �durch

Urteil oder durch Ratschlag"15. Gemeint war damit die Alternative zwischen einem öffentlichen Verfahren

vor dem Königsgericht, das mit einem iudicium, also einem Urteilsspruch der Fürsten enden

sollte, einerseits, und gütlicher Einigung zwischen den Beteiligten, also einer Lösung auf dem Verhandlungsweg andererseits. 16 Zwischen diesen beiden Polen iudiciunº und consiliuni bewegte sich das Verfahren bis zu seinem Ende im September 1156.17 Mit den beiden

Alternativen waren zwei unterschiedliche Sphären der Öffentlichkeit verbunden. Während ein Urteil des Königsgerichts in der Öffentlichkeit eines Hoftags gefällt wurde, wurden Verhandlungen über gütlichen Ausgleich vertraulich geführt. Dieser Unterschied ist deshalb

wichtig, weil mit dem unterschiedlichen Grad an Öffentlichkeit auch ein unterschiedliches Maß an Rücksichtnahme auf den Ranganspruch der Beteiligten's und damit auf ihre Ehre ver-

12 Dazu VOLLRATZ, Fürstenurteile (wie Anm. 6) 51 f.; ferner Horst FuiiR. UANN, �\Villkommen und Abschied". Über

Begrüßungs- und Abschiedsrituale im Mittelalter, in: Wilfried HARTmtA''N (Hg. ), Mittelalter. Annäherungen an

eine fremde Zeit, Regensburg 1993,111-139; niedergedruckt in DERs., Überall ist Mittelalter. Von der Gegenwart

einer vergangenen Zeit, München 1996,17-39.

13 BO (wie Anm. 5) 95; ENGELS, Restitution (wie Anm. 1) 164, vermutet, Barbarossa habe in Regensburg das Ziel

einer Übertragung Bayerns an den Löwen noch nicht verfolgt; anders HECIIUERGER, Staufer (wie Anm. 4)

249-258. 14 BO (wie Anm. 5) 135. 15 Georg WAtrz (Hg. ), Ottonis et Rahewini Gesta Friderici 1. imperatoris (NIGH SS rer. Germ. 46), Hannover 1912,

117, S. 107, Z. 29-33: Rex ergo predictam litern indicio vei consilio decisunes utrique autunrpnali tempom: mense

Octobre in civitate Herbipoli curian: pref: git; quo dorr alter, id est Heinrici ducis filius, veniret, alter se

absentaret, itentn: ei itenrn vocatu".

16 Zu dieser Verfahrensalternative vgl. Knut GÖR1a1, Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und

politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001,309f.; KAatP, Friedensstifter (wie Anm. 8) 144.

charakterisiert das Procedere treffend als �Mischung aus Gebot und Vermittlung"

17 Dass es sich dabei nicht von Anfang an um einen foorrnlichen Prozess handelte und sich das gerichtliche Procedere

vom Ergebnis her betrachtet sogar nur als �Zsischenspiel" darstellt, betont in Auseinandersetzung mit der älteren

Forschung zuletzt KAMP, Friedensstifter (wie Anm. 8) 147.

18 Dazu grundsätzliche Überlegungen bei Gerd AL. ntorr, Colloquium familiare - colloquium secretunt - colloquium

publicum. Beratung im politischen Leben des früheren Mittelalters, in: Dazs., Spielregeln (wie Anm. 9) 157-184;

außerdem DERs., Macht (wie Anm. 9) 19f.

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bunden war. ein Urteil war eine öffentliche Demütigung für den, der unterlag; Verhandlungen im kleinen Kreise brachten dagegen keine Beschädigung von Ansehen und Würde mit sich. Wichtig Nur das Verständnis der einzelnen Schritte ist, dass Barbarossa je nach politischer Opportunität, etwa um Druck aufzubauen, zwischen den Alternativen von iudicium und consi- lium wechselte. Diesen Handlungsspielraum verstand er mit einiger Virtuosität zu nutzen.

Zum zweiten Mal wollte er die bayerische Frage im Juni 1153 auf dem Hoftag von Worms verhandeln. Dieses Mal erschien auch Heinrich II. Jasomirgott. 19 Dass er während des Hoftags auf ausdrückliche Bitte Barbarossas in einer Angelegenheit des Erzbistums Köln ein Urteil im Königsgericht verkündete, 20 zeigt, dass das Verhältnis zum König trotz seines früheren Nichterscheinens in Würzburg ungetrübt war. In der bayerischen Frage aber wurde auch in Worms kein Fortschritt erzielt. Die vertraulichen Verhandlungen stockten, und als Barbarossa auf eine öffentliche Beilegung des Streits durch ein iudicium des Königsgerichts drängte, ent- zog sich Heinrich, wie Otto von Freising berichtet, mit der Behauptung, er sei nicht legittime vocatus, also: nicht förmlich zur Verhandlung geladen worden. 21 Heinrichs Einrede zeigt nicht nur, dass in Worms kein gütlicher Ausgleich gefunden wurde, sondern vor allem, dass Barbarossa zwar Druck auf seinen Onkel ausübte, in eine Beilegung des Streits durch iudicium der Fürsten einzuwilligen; jedoch konnte dieser geltend machen, dass er zu einem solchen Zweck hätte förmlich geladen werden müssen, was aber nicht der Fall gewesen war. Der glei- che Wechsel zwischen demonstrativem Nichterscheinen des Babenbergers und gescheiterter Suche nach einer Verhandlungslösung, wie ihn die Orte Würzburg und Worms markieren, wiederholte sich 1153 noch einmal. Im September erschien Heinrich nicht auf dem Hoftag in Regensburg, "' wohl aber im Dezember auf einem Hoftag in Speyer. 23 Dort freilich konnte wiederum keine Entscheidung getroffen werden, weil sich, so Otto von Freising, Heinrich erneut mit Berufung auf die fehlende legillima i'ocatio einem iudiciwn entzog 24 Barbarossa dürfte sich schwerlich ein zweites Mal über die Rechtmäßigkeit einer Ladung geirrt haben, man wird die Nachricht also wieder als Aussage über das Scheitern einer gütlichen Lösung zu verstehen haben: um seinen Onkel überhaupt zum Erscheinen am Hof bewegen zu können,

19 BO (wie Arun. 5) 178.

20 BO (wie Anm. 5) 180. 21 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 11 9, S. 110, Z. 36-111, Z. 4: Ad predictam curiam

prenominaii duces ainbo Heinrici. pro ducatu Norico, zit dictum est, contenderttes, venerunt; sed allem, quod legiuirne vocatus non fuerit. pretendente debittun frnen: negotiurn ibi habere non potuit. Die Übersetzung von legittime mit �ordnungsgemäß"

führt zur Schwierigkeit, dass man Barbarossa unterstellen muss, er habe nicht

gewusst, wie eine ordnungsgemäße Ladung in einem solchen wichtigen Fall auszusehen habe; das jedoch ist

einigermaßen unwahrscheinlich. Dazu auch K A\tP, Friedensstifter (wie Anm. 8) 145.

22 BO (wie Arun. 5) 159; Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 11 11, S. 111 Z. 28-31: Circa idea: tempus. mense Septembre, principes n: aiortsque Baioariae a rege Ratisponae convocantur, sed nichil ibi de bono

pacis in ills prosincia proper duorun: ducun: litern tenninari poterat. 23 BO (wie Anm. 5) 202- 24 Otto von Frcising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) II 11, S. 112, Z. 10-13: Proximo dehinc mense Decembrio

utrique duces Neindaus ei itiden: Neinriads iudiclo principis in civitate Spira adsistunt, sed itenm: altem dc legiuinia se wocatione c. rc usante. res pmteletur.

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dürfte ihm Barbarossa zuvor versprochen haben, den Hof ohne Beeinträchtigung seines ho nor wieder verlassen zu können, also kein iudiciunr des Königsgerichts fürchten zu müssen. In

ähnlich gelagerten Fällen ist eine solche Zusicherung des Staufers bezüglich des unverletzten honor sogar ausdrücklich überliefert ̀S Noch auf einem Hoftag in Bamberg im Februar 1154

setzte der Staufer unverkennbar auf eine Verhandlungslösung; so erklärt sich, dass unter den

Zeugen der Königsurkunde über die Unterstellung der Abtei Niederaltaich unter das Bistum

Bamberg auch Neinritus dux Barariae genannt wird2b - ein deutliches Zeichen dafür, dass der

Babenberger am Hof nach wie vor in seiner Stellung anerkannt wurde. Angesichts des bevorstehenden Romzuges zur Kaiserkrönung, für den er auf die

Unterstützung Heinrichs des Löwen angewiesen war, änderte Barbarossa aber sein Vorgehen.

Im Juni 1154, wenige Monate vor seinem Aufbruch nach Italien, lud er beide Herzöge zu einem Hoftag ins sächsische Goslar. Otto von Freising erwähnt bei dieser Gelegenheit erstmals aus- drücklich eine schriftliche Ladung; anders als auf den vorangegangenen Hoftagen sollte der Streit um Bayern nun ein offizieller Verhandlungsgegenstand werden. 7 Dass der Staufer nun beide Rivalen an den Hof lud, muss für den Babenberger erneut ein alarmierendes Signal

gewesen sein: der König demonstrierte dadurch seine Rechtsauffassung, dass die bayerische Frage geregelt werden müsse. Am Hof zu erscheinen hieße, diese Rechtsauffassung zu teilen. Heinrich II. Jasomirgott teilte sie nicht und blieb - anders als der Löwe, der ja auf seinen Vorteil rechnen konnte - auch dem Hofhag in Goslar fern. 28 Wegen dieses offenkundigen Ungehorsams gegenüber der herrscherlichen Ladung wurde ihm in Goslar allerdings durch ein iudicitun der Fürsten das Herzogtum Bayern entzogen und dem Löwen zugesprochen. 29 Diese Entscheidung hatte Konsequenzen für künftige Begegnungen zwischen Barbarossa und seinem Onkel. So lange der Babenberger an seinem Anspruch auf Bayern festhielt, konnte er nicht mehr damit rechnen, öffentlich am Hof empfangen zu werden. Tatsächlich erschien Heinrich II. Jasomirgott auch nicht mehr am Hof und umging damit jede Situation, in der sein Rang in der Öffentlichkeit strittig werden könnte. Barbarossas Entscheidung zu Gunsten des Löwen

war eindeutig -jedoch markierte das Urteil des Königsgerichts noch keineswegs das Ende des Verfahrens. Das zeigt sich daran, dass die königliche Kanzlei Heinrich dem Löwen trotz des in

25 Etwa im Fall des Streits zwischen Barbarossa und Erzbischof Eberhard 1. von Salzburg, dazu Günther

HODL - Peter CLASSEN (Hg. ), Admonter Briefsammlung nebst ergänzenden Briefen (NIGH Briefe der deutschen

Kaiserzeit 6), München 1986, Nr. 61, S. 115, Z. 9-12: 1... J tat linmperator] de staut ccclesiae faaniliariter sv? biscunr

conferat et iuata prudentiam a Deo robis concessan: consilium Testrum audiat. Sciatis eninm prucul dubio, quod

sine aliqua coactione seit graramine. inmro c ant honore post jamiliare colloquium ad aecci siam restram

remeabitis; dazu GORicti, Ehre (wie Anm. 16) 65f.

26 BO (wie Anm. 5) 208; DF. 1. Nr. 70, S. 117, Z. 20.

27 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 11 11, S. 112, Z. 21-23: Prvinde in oppido Saraniac Goslaria

curiam celebrans taimsque daces datis edictis eincatit. 28 Gerd ALTUOFF, Konfliktverhalten und Rechtsbewußtsein. Die Welfen im 12. Jahrhundert, in: DcRs., Spielregeln

(wie Anm. 9) 57-84, hier 60,76f. und 83f.; Vou. RAnt, Fürstenuneile (wie Anm. 6) 53f. und 57; KA\tr,

Friedensstifter (wie Anm. 8) 146; ferner GORlctt, Ehre (%%ie Anm. 16) 3126:

29 BO (wie Anm. 5) 224; Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 11 1 I, S. 112, Z. 23-25: Ubi dam alten?

veniente alter se absentaret, iudicio principum alten, id est Ifeinrico Saroniac dhuci. Baioariae ducancs adiudicatur.

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Verfahren und Ausgleich im Streit um das Herzogtum Bayern 1152-1156 29

Goslar gefällten iudicium den Titel eines dicr Bavariae noch vorenthielt, in den Zeugenlisten erschien er wie zuvor nur als dzLv Saroniae. 30 Unverkennbar ist also, dass sich Barbarossa auch nach Goslar noch den \Veg einer gütlichen Einigung auf dem Verhandlungsweg offenhalten wollte. Die Goslarer Entscheidung signalisierte dem Löwen zwar Barbarossas Unterstützung seiner Forderung, dem Babenberger aber auch die Möglichkeit weiterer Verhandlungen. Um diesen Weg nicht abzuschneiden, war in Goslar eine Investitur des Welfen mit dem Herzogtum Bayern unterblieben, was eigentlich die logische Folge des ludiciu, n hätte sein müssen. Barbarossa zog diese Konsequenz aber offenbar deshalb nicht, weil eine solche Zuspitzung des Konflikts dem Babenberger nur noch den \Veg in die Fehde offengelassen hätte. Ein solcher Gewaltausbruch gerade während der Abwesenheit des Königs auf dem Romzug sollte aber offenbar vermieden werden. Gleichwohl kam es während Barbarossas Italienzug zu einer coniwatio, einer Schwvureinung einiger sächsischer Fürsten gegen Heinrich den Löwen, der mit dem Staufer nach Italien aufgebrochen war. Dass sich die Verschwörer ausgerechnet an der Grenze zu Böhmen trafen, begründet den Verdacht, dass auch der Babenberger und sein Schwager, Herzog Wladislaw von Böhmen, zu ihrem Kreis gehörten. 31 Die bewaffnete Eskalation des Konflikts drohte - also genau das, was Barbarossa, wie Otto von Freising mehr- fach betont, 32 unbedingt vermeiden wollte.

Es überrascht daher nicht, dass der Staufer sofort nach seiner Rückkehr aus dem Süden den Kontakt zu Heinrich II. Jasomirgott suchte. Im frühen Oktober 1155 hatte er eine Unterredung mit seinem Onkel33 - ausdrücklich notiert Otto von Freising, dass dies in confinfo Ratisponensium, in der Gegend von Regensburg geschah, nicht aber in der Stadt selbst, wo 34

30 Zwischen dem Hoftag von Goslar im Juni 1154 und Februar 1156 insgesamt 27 mal, vgl. die Belegstellen im Namenregister des zweiten Bandes der Urkunden Friedrichs 1. (wie Anm. 5) 405.

31 Dazu Henry SI\1o st u), Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Friedrich I., Bd. 1, Leipzig 1908,277,388

mit Anm. 359; Bernhard SQtMEIDLER (Hg. ), Helmold von Bosau, Cronica Slavorum (MGH SS rer. Gerrn. 32), Hannover 31937,180, S. 150, Z. 15-18.

32 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 11 7, S. 107, Z. 19-24: Errat vertu nudta serenissirni principis

anxietas. atm omnia prospere in ngno agerenatr qualiter contmversia, quae inter eins carnenr et sanguinenz, id

est Heinriamt patnatnz strum ei itident Heinriaan ar utculi stti filitun daces, de Norico ducatu agitabatur, sine

sanguinis eftsione tenninari posser, Il 11, S. 112, Z. 13-21 Itaque Fridericus, dum iaht fere per biennium ad decidendam litenr duonuzt principunz. sibi, tit dictum, est, ex propinquitate sanguinis lair afnitan, laborasset,

tandem alteritcs inslantia. qui in patenzart hercditatenz, a qua din propulstts ftterat, redire cupiebat, flexus,

inanirzcnse chant sibi erpeditionis Labore, in qua eundent iuvenent militem sociuntque viae habere debuit, finem

negotio imponere cogebatur, 11 47, S. 155, Z. 4-7: Pnponebat hoc princeps omnibus eventutnn suonon successi- bus. si tanz ntagnos sibique tanz afnes inzperii sui principes sine sanguinis eftsione in concordiazn revocare

posses; II 56, S. 161, Z. 3-5: Ira ad ciriratent, itcrta quod preoptaverat, inter patnntm et avtutculi sui filiunt

tenninata sine sanguinis e isione controversia, laetzcs ndiit ... 33 BO (wie Anm. 5) 364.

34 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15)1142, S. 150, Z. 19-24: Igitur consunzmato feliciter viae labour, princeps ad fa ziliaria nmeans domicilia alloquitur in confrnio Ratisponensittnt patnnun staun Heinricunz ducenz, tit ei de transac»one facicnda curt altem Heinrico. qui lain, zit dictum est, rlttcatunz Baioariae iudicio principum obtinuerat. persuadeirt.

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30 Knut Gärich

die Begegnung unter öffentlicher Aufmerksamkeit gestanden und dem Babenberger darüber hinaus die Möglichkeit verschafft hätte, seinen Anspruch auf Bayern durch Begegnung mit dem Kaiser im Hauptort des Herzogtums zu demonstrieren. Über das Treffen selbst ist nur bekannt, dass es ohne Einigung verlief. Die Angelegenheit war Nur die Beteiligten aber dring- lich genug, um sich wenige Tage später erneut zu treffen, dieses Mal interessanterweise an der böhmischen Grenze, also just in jener Gegend, in der sich während des Italienzugs Gegner Heinrichs des Löwen getroffen hatten. Außer Heinrich II. Jasomirgott erschienen dort mut- maßliche Mitverschwörer gegen den Löwen, von denen wir wenigstens Albrecht den Bären

und Herzog Wladislaw von Böhmen namentlich kennen. 35 Anwesend war auch Otto von Freising, und zwar, wie er selbst berichtet, als mediator, als Vermittler. Jedoch berichtet er über den Verlauf der Begegnung lediglich, dass die Beteiligten sich ohne Einigung und insalutati,

also ohne Gruß voneinander getrennt hätten. 36 Man fragt sich, weshalb dieses auf den ersten Blick nebensächliche Detail Otto von Freising wichtig genug war, um es zu erwähnen; die poli- tische Bedeutung des Sachverhalts - und damit auch Ottos Motiv, davon zu berichten - wird deutlich, wenn man sich die symbolische Bedeutung des Grußes vor Augen führt, die eben auch in der Anerkennung der beanspruchten Stellung lag. 7 Die Grußlosigkeit markiert unver- kennbar Barbarossas Entschlossenheit, den in Goslar beschrittenen Weg fortzusetzen und sei- nen Onkel definitiv nicht mehr als Herzog von Bayern anzuerkennen; umgekehrt waren der Babenberger und wohl auch seine Schwurgenossen zur bewaffneten Fehde bereit.

38 Mitte Oktober 1155 fand ein Hoftag in Regensburg statt. Otto von Freising berichtet,

Heinrich der Löwe habe dort von Barbarossa in öffentlicher Versammlung possessionem ei sedem, Besitz und Sitz seiner Väter entgegengenommen - recepit. Außerdem leisteten die bay-

erischen Großen dem Welfen Mannschaft und Treueid, und die Einwohner Regensburgs wur- den nicht nur durch Eide, sondern auch durch Bürgen an ihn gebunden. 39 Sieben Monate spä- ter, am 10. Mai 1156, wurde der Löwe in einer Urkunde Barbarossas erstmals als dicr Batiu"ariae et Saxoniae bezeichnet 40 Also verfügte der Welfe damals über die ungeschmälerte, vollgülti- ge Gewalt über Bayern - sie muss ihm in Regensburg verliehen worden sein, nur so lässt sich

35 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 1142, S. ISO, Z. 24-30: Cui dun: ille tunc non acquiescent, iterum diem alium, quo cam super eodem negotio per internuncios eomeniret, in Baioaria versus confinium Boemorunt constituit. Quo princeps veniens Labe_laum ducent Boemiae. Albertum ntarchionent Saroniae.

Herimmnuun palatimun con, iten, Rheni c, m, aliis viris magnis obvios habuii. 36 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 1142, S. 151, Z. 5-8: Al cant m, ltis n, odis ad transigendun: nos.

qui mediatonun ibi vice jungebamur, operan, dare s, injecto adlmc negotio. insalutati ab invicem se paruti stun.

37 Dazu oben Anm. 12.

38 BO (wie Anm. 5) 365. 39 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 1143, S. 151, Z. 9-12: Post haec ntediante Octobrr Imperator

Ratisponam, Norici ducatus metropolim. curiam celebruturus ingrcditur, habeas secun: Ileinricunt Ileinrici ducis

filium in possessionent eiusdem ducatus mittendimr; und ebd. Z. 29-34: Igitur sedente ibi in publico consistorio

imperatore inn sepe nominatur Neinritus dar possessionem scan, patnmtque suonau recipit sedem. Nan ei

proceres Baioariae hominio ei sacrantento sibi obligantur, ei tires non solum i:, n, mento, sed etian,, ne ullam

vacillandi potestatem haberent, vadibus obf, rmantur.

40 DF. I. Nr. 138, S. 232, Z. 23-24.

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Verfahren und Ausgleich im Streit um das Herzogtum Bayern 1152-1156 31

die Veränderung gegenüber der bisher üblichen Bezeichnung als dux Saxoniae erklären. Für einen solchen Rechtsakt in Regensburg spricht auch Ottos Verwendung des Begriffs recipere in seiner Formulierung recepit possessionem. An anderer Stelle bezeichnet er es ausdrücklich als Rechtsgewohnheit des Hofes, dass Provinzen vom Herrscher mit einer Fahne übergeben und entgegengenommen werden: proviuciae per vexillum tradantur vel recipiuntur41 Wenn der Welfe nach dem Geschehen von Regensburg aber von der kaiserlichen Kanzlei als dux Baiariae bezeichnet wurde, dann muss dort auch ein Investiturakt stattgefunden haben, und zwar den Gewohnheiten der Zeit entsprechend durch Fahnenübergabe. 2 Mit anderen Worten: jene Szene, die sich im September 1156 auf den Barbinger Wiesen vor Regensburg abspielen sollte und von der gleich noch zu sprechen ist - diese Szene dürfte nur mehr eine Wiederholung dessen gewesen sein, was in ähnlicher Form bereits im Oktober 1155 in Regensburg gesche- hen war. Diese Vermutung werde ich gleich näher begründen. Zunächst bleibt der weitere Gang der Verhandlungen zu verfolgen. Um den Frieden zu retten, nahm der Staufer nochmals Verhandlungen mit seinem Onkel auf. Am 5. Juni 1156 - also einige Wochen, nachdem die Kanzlei den Welfen schon offiziell als Herrn über beide Herzogtümer bezeichnet hatte - kam es wiederum in der Nähe von Regensburg zu einer Begegnung des Kaisers mit Heinrich II. Jasomirgott, wiederum fern aller Öffentlichkeit. 43 Diese Begegnung war wohl nur wegen der Verwandtschaft zwischen beiden Personen überhaupt möglich, denn die verwandtschaftliche Bindung schuf jenseits der mittlerweile problematisch gewordenen herrschaftlichen Bindung eine eigene Ebene der Kommunikation, jenseits der Rangordnung. Gespräche zwischen Verwandten waren immer möglich, den Willen dazu vorausgesetzt. Indem der Kaiser nun zum dritten Mal den ungehorsamen Herzog persönlich aufsuchte, setzte er ihn gleichzeitig massiv unter Druck: sollte sich der Babenberger erneut einem Ausgleich verweigern, wäre wohl auch Barbarossas Verhandlungsbereitschaft an ihr Ende gelangt. Das Druckmittel, das in Barbarossas erneutem Entgegenkommen lag, war jedoch erfolgreich, der Staufer drängte sei- nen Onkel zur Einwilligung in einen Kompromiss. 45 Bei dieser Begegnung im Juni wurde jenes consilium, jener gütliche Ausgleich gefunden, der dann im September 1156 auf den Barbinger Wiesen vor Regensburg veröffentlicht, man kann auch sagen: inszeniert wurde.

Tragendes Prinzip dieses Ausgleichs war, dem Babenberger möglichst jeden Gesichts- verlust zu ersparen. Das hieß konkret, dass auf dessen Rang und Würde demonstrativ Rücksicht genommen wurde, und zwar besonders in symbolisch-rituellen Handlungen,

41 Otto von Freising, Gesta Friderici (vie Anm. 15)11 5, S. 106, Z. 8-10: [... J est enim consuetudo curiae, ut regna pergladium. prorinciae per verillum a principe tradantur Pel recipiantur [.. J.

42 Anders APPELT, Privilegium ( tie Anm. 1) 37; zum Fahnlehen vgl. Julius BRUCKAUF, Vom Fahnlehn und von der Fahnenbelchnung im alten deutschen Reiche, Leipzig 1906,29-45; Karl Friedrich KRIEGER, Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Sp3tminelalter (ca. 1200-1437), Aalen 1979,36-42.

43 BO (i vie Anm. 8) 397.

44 Vgl. auch Kama', Friedensstifter (w,. ie Annt. S) 153. 45 Otto von Frcising, Gesta Friderici (vie Anm. 15) 1147, S. 154, Z. 30-155, Z. 4: Imperator ad Baioariant rediens,

dies pentecostes in quodan: Castro Orionis palatini comitis priratus erns. Proxima dehinc tercia feria non longe a cir"itate Ratispona pauuum suum Ifeinriatm ducem alloquens ad transactionem cunt altern itidem Heinrico faciendant tune deotum indinarit.

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32 Knut Gärich

in denen die Wahrung von Rang und Ehre unmittelbar sinnfällig wurde. Das geschah in

verschiedener Hinsicht. Erstens schuf die öffentliche Inszenierung des Ausgleichs die Fiktion

einer freiwilligen Handlung Heinrichs H. Jasomirgott. Er verzichtete auf das Herzogtum

Bayern, indem er sieben Fahnen in die Hände des Kaisers gab - die Überlieferung enthält

nicht den geringsten Hinweis darauf, dass damit irgendein Bezug auf die bisher gefällten iudicia verbunden gewesen wäre. Barbarossa gab die Fahnen sofort an Heinrich den Löwen

weiter, der seinerseits zwei davon, die symbolisch die bisherige Mark Österreich darstellten,

wieder an den Kaiser zurückgab. 46 Rücksicht wurde nun zweitens auf den Rang des

Babenbergers genommen: nachdem der Löwe die beiden Fahnen an den Kaiser zurückgege- ben hatte, verkündete Herzog Wladislaw ein iudicium der Fürsten, wonach die Mark Öster-

reich in ein Herzogtum umgewandelt wurde; daraufhin überreichte der Staufer die beiden

Fahnen Heinrich 11. Jasomirgott zum Zeichen seiner Belehnung mit dem neuen Herzogtum. 47

Der Babenberger erlitt also keine Rangminderung, der Titel eines Herzogs blieb ihm

erhalten. 8 Das ganze Procedere war natürlich nicht spontan, sondern folgte - man könnte

sagen: dem , Drehbuch', das während des letzten vertraulichen Treffens vereinbart worden war; Otto von Freising spricht von einem �lange

insgeheim gefaßt(en) und verborgen gehalten(en)" consiliu n. 49 Als Heinrich II. Jasomirgott auf den Barbinger Wiesen dem Kaiser in aller Öffent-

lichkeit gegenübertrat, konnte er sich deshalb auch schon sicher sein, dass er zwar Bayern, nicht aber seine Herzogswürde verlieren würde. Drittens lag auch in der Wahl des Ortes, an dem dieser

46 BO (wie Anm. 5) 415; DF. 1. Nr. 151, S. 259, Z. 12-18: (... J liten: ei controversiam, quc inter dilectissinun:

patrutun nostrum Heinricum ducen: Austrie ei karissimtmt nepoten: nostnun lleinricunt ducen: Sivronie diu

agitata fielt de ducatu Bawarie. hoc modo lerntinavimtrs, quod dur Austrie resignarit nobis ducatum Banurie,

quern stall,,: in beneficitun concessimtcs duci Saronie, dar autent Bartarie resignabit nobis norehian: Austrie cum

onnti inc suo ei cum omnibus beneficiis. que quondam n: arrhio Lirpoldus habebat a ducatu Banurie. Otto von

Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 1155, S. 160, Z. 24-28: Heinricus n: aior nanu ducattun Baioariac septet:

per vexilla imperatori resignabil. Quibus iuniori truditis. ille duobus cum verillis marchiau: Orientalen: cum

cotnitatibus ad eat: ex antiquo pertinentibus reddidit. Zum In"estiturritual vgl. Hagen KELLER, Die Investitur.

Ein Beitrag zum Problem der 'Staatssymbolik' im Hochmittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 27 (1993)

51-86; Stefan WEINFURTER, Investitur und Gnade. Überlegungen zur gratialen Herrschaftsordnung im Mittelalter,

in: Marion STEINICKE - DERS. (Hg. ), Investitur- und Krönungsrituale. lie schaftscinsctzungcn im kulturellen

Vergleich, Köln u. a. 2005,105-123, hier 120.

47 DF. 1. Nr. 151, S. 259, Z. 18-23: Ne autem in hoc facto aliquatentts inntinui viderelur honor ei gloria dilectissinti

patnti nostri, de consilio ei iudicio principum llädi lao illurtri duce Boentie sentenciant pronudgante ei omnibus

principibus approbantibus marchiant Austrie in ducatum comnutavintus ei Bunden: ducatu:: cum onmi lure

prefalo patno nostro Heinrico ei prenobilissime urori sue Theodore in benefcitm: concessinuus 1... 1. Otto von

Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) II 55, S. 160, Z. 28-31: Erinde de cadet: marrhia cunt predictis

comitatibus, quos tres dicunt, iudicio principum ducatum fecit cumque non sohun Bibi, sed ei urori cum duobus

vexillis tradidit, 1... 1.

48 Das war eine damals bereits mehrfach erprobte Technik des Ausgleichs, vgl. IIECIInERGER, Staufer (wie Anm. 4)

205f.; ENGELS, Restitution (wie Anm. 1) 165, jeweils mit weiteren Hin%vcisen.

49 Otto von Freising, Gesta Friderici (wie Anm. 15) 1155, S. 160, Z. 22-23: 1... 1 consiliun:, quod ian: din secn7o

reiennun celabatur, publicatun: est.

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Verfahren und Ausgleich im Streit um das Herzogtum Bayern 1152-1156 33

rechtssymbolische Akt stattfand, Rücksicht auf den Babenberger, denn die öffentliche Inszenierung des Ausgleichs geschah nicht in Regensburg selbst, sondern einige Kilometer vor der Stadt 50 Barbarossa mutete seinem Onkel also nicht zu, in der Hauptstadt seines früheren Herzogtums auf das Herzogtum selbst Verzieht leisten zu müssen, vielmehr konnte er nach dem Akt auf den Barbinger RSesen gewissermaßen auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Herzögen feierlich in die Stadt einziehen, wo dann das Privilegium minus ausgestellt wurde. 51 Viertens erfuhr der Babenberger eine besondere Ehrung, indem nicht etwa er den Kaiser aufsuchen musste, wie es der Rangordnung entsprochen hätte, sondern umgekehrt Barbarossa zusammen mit den übrigen Reichsersten in seinem Zeltlager erschien. Schließlich gehörte zu dieser Rücksichtnahme, dass die Fiktion der Freiwilligkeit auch in der Versclriftlichung des Ausgleichs im Privilegium minus aufrechterhalten wurde. Mit keinem Wort ist in dem Text von den früheren iudicia die Rede, Heinrichs Verzicht auf Bayern erscheint als freiwilliger Akt, die Rolle Barbarossas als die eines Schlichters, nicht einmal seine herrscherliche Gebotsgewalt wird besonders akzentuiert. Ohne die Nachrichten Ottos von Freising wüssten wir nichts über die langwierige Suche nach dem Ausgleich; die Konsensfassade, 5' die der Text des Privilegium minus errichtet, hätte jeden Einblick in das sorgfältig austarierte Wechselspiel von Druck und Entgegenkommen verwehrt, das die langen Verhandlungen prägte und konsequent einem Ziel verpflichtet war - Blutvergießen zu verhindern; dieses Ziel wurde erreicht, indem Barbarossa demonstrativ Rücksicht auf �Ehre und Ruhm" seines �geliebtesten

Onkels" zu nehmen verstand. Abschließend seien vier Beobachtungen festgehalten. Eine erste gilt dem Geschichtsschreiber

Otto von Freising. Seine Einschätzung als wahrheitsliebender Historiograph ist der Einsicht in seine perspektivische Darstellung gewichen; so schildert sein Bericht über die Königswahl Barbarossas ziemlich genau das Gegenteil von dem, was die Forschung inzwischen für wahr- scheinlich hält. 53 Auflalligenveise begleitet Ottos Formulierung �wie ich mich erinnere" - zit recolo - sowohl seine Ausführungen zur Königswahl wie auch zum Ausgleich von 1156.54 Dieser Befund begründet zu Recht Zweifel an der Zuverlässigkeit just jener Passagen, die sich auf den ersten Blick gerade als Schilderung eines verlässlichen Gewährsmannes ausgeben. Schon lange ist denn auch aufgefallen, dass Otto - obwohl ihm das Privilegium minus vorge- legen haben dürfte - wichtige darin verbriefte Rechte seines Bruders Heinrichs II. Jasomirgott nicht erwähnt, unter anderem die ihm zugesprochene volle Gerichtsgewalt im neuen Herzogtum Österreich. Bekannt ist auch, dass sich Heinrich nach 1156 in seinem neuen Herzogtum gelegene Besitzungen und Immunitätsrechte der Bistümer Freising und Passau -

50 Otto von Freising, Gesta Friderici (vie Anm. 15) 11 55, S. 160, Z. 19-22: Dehine principe patrno suo in campum occurcnte - n: anebat enim ille gene ad duo Teutonica miliaria sub papilionibus - cunctisqua proceribus virisque magnis accurrriuibus, 1... J.

51 BO (,. iic Anm. 5) 417; Arz'ELT, Pri%ilegium (%%ie Anm. 1) 43; K tr, Friedensstifter (wie Anm. 8) 146 verlegt den Belehnungsakt irrtümlich in die Stadt.

52 Der Begrifibei ALmoFF, Alacht (nie Annt. 9) 96 und 115.

53 Siehe oben, Anm. 3.

54 Otto von Frcising. Gesta Friderici (%%ie Ann. 15) 112, S. 103, Z. 13-14: Iluius consultationis summa, in illantque

personant tam unanimis assensus ratio hate, ui recolo, fielt [... J und 11 55, S. 160, Z. 23-24: Errat autem haec

summa. ui recolo. concordiac.

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34 Knut Görich

die von seinen Brüdern Otto und Konrad geleitet wurden - anzueignen versuchte, offenbar des- halb, weil er unter Berufung auf das Gerichtsrecht seine Herzogsgewalt durchzusetzen ver- suchte. 55 Genau dieser Streit mit seinem Bruder könnte für Otto Grund genug gewesen sein, sich just an das Detail der Gerichtshoheit im Privilegium minus nicht mehr erinnern` zu kön- nen, oder zu wollen. 56 Ottos zit recolo war also gerade keine Bekräftigung des Wahrheitsanspruchs, sondern eher eine Markierung für ein - tatsächlich oder vorgeblich - ein- geschränktes Erinnerungsvermögen. 57 Bezüglich der Verfahrensschritte gibt es indessen kei- nen vergleichbar plausiblen Anlass, die Zuverlässigkeit von Ottos Schilderung zu bezweifeln.

Zweitens: Mit Blick auf das Verfahren ist charakteristisch, dass es zwischen den Alternativen von iudicium und consilituu wechselte, also zwischen Urteil und gütlicher Einigung. Entgegen der Erwartung, die wir aus unserer modernen Lebenswelt mitbringen, mar- kierten Urteile nicht das Ende des Konflikts; sie waren eher Demonstrationen der königlichen Rechtsauffassung, sozusagen Beugemaßnahmen, die nach wie vor Spielraum für eine gütliche Einigung offenließen. Angesichts dieser Offenheit erscheint es wenig sinnvoll, einzelne Schritte des Verfahrens als �rechtmäßig", �ordnungsgemäß" oder ähnlich zu charakterisieren. Solche Begriffe suggerieren die Existenz eines nach abstrakten Rechtsnormen ganz vorherseh- bar ablaufenden Verfahrens. Einem solchen Automatismus war aber das politisch gewollte Ziel, nämlich Konsens herzustellen, zu jedem Zeitpunkt übergeordnet. Diese Eigentümlichkeit verschwimmt durch eine Charakterisierung des Vorgehens als �Prozess".

Drittens: Die Fahnenleihe auf den Barbinger Wiesen 1156 dürfte wiederholt haben, was schon im Oktober 1155 in Regensburg geschehen war, nämlich die Belehnung Heinrichs des Löwen mit Bayern - damals freilich noch ohne Beteiligung des Babenbergcrs. Diese Vermutung lässt sich nicht mit letzter Eindeutigkeit beweisen, Ottos Bericht liefert dafür nur Indizien. Eine solche Wieder- oder Neuinszenierung bereits getroffener Entscheidungen wäre allerdings kein Einzelfall - man denke an die Neuinszenierung der Begegnung zwischen Barbarossa und Papst Hadrian IV. nach ihrem ersten Scheitern bei Sutri, 58 die zweimalige Königswahl Philipps von Schwaben 1198 und 120559 oder die zweimalige Krönung Friedrichs II. zum deutschen König 1212 und 1215. Der Sinn solcher inszenierter Wiederholungen war, den Konsens der zuvor gespaltenen Fürstengemeinschaft aller \Velt vor Augen zu stellen; nicht zufällig war es Wladislaw von Böhmen, ein Verwandter und Verbündeter des Babenbergers, der das iudicitun über die Erhebung Österreichs zum Herzogtum verkündete: ein sichtbares Zeichen für die Einbindung jener Fürsten, die auf der Seite Heinrichs II. Jasomirgott standen, in den endlich gefundenen Ausgleich. Die schon 1155, damals freilich noch im Dissens getrof-

55 Dazu Cornelia KIRCI INER-FEYERABEND, Otto von Freising als Diözesan- und Reichsbischof, Frankfurt a. M. 1990,290. 56 Anders Hans-Werner GoETz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt

und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts, Köln ua. 1984,289: die Details des Privilegium minus seien für Otto

�nämlich relativ unbedeutend gegenüber der Tatsache, dass in Bayern jetzt endlich Frieden herrscht". 57 Ähnlich schon APPELT, Privilegium (wie Anm. 1) 40f.

58 Dazu Roman DEUTINGER, Sutri 1155: Mißverständnisse um ein Mißverständnis, in: DA 60 (2004) 97-133.

59 Dazu Jürgen PETERSOHN, �Echte" und �Falsche" Insignien im Deutschen Krönungsbrauch des Mittelalters?

Kritik eines Forschungsstereotyps (Sitzungsberichte der wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang

Goethe-Universität Frankfurt am Main 3013), Stuttgart 1993,71-119, hier 74-82.

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Verfahren und Ausgleich im Streit um das Herzogtum Bayern 1152-1156 35

fene Entscheidung über Veränderung in der Rangordnung wurde nochmals inszeniert, nun aber im Konsens mit den menibia imperii, deren Anspruch auf grundsätzliche Mitwirkung auf diese Weise Genugtuung erfuhr. Charakteristisch für die politische Praxis war, dass die symbolische Handlung erlaubte, das Gesicht aller am Kompromiss Beteiligten zu wahren; Unangenehmes wurde verschleiert, Ertrotztes als freiwillige Gewährung kaschiert, die Konsensfassade schuf die Fiktion der Freiwilligkeit. Das war unter den Bedingungen einer ranggeordneten Gesellschaft eine Hauptvoraussetzung für einen tragfähigen Ausgleich.

Viertens war es auf den Barbinger Niesen wichtiger, den Konsens der Großen zu inszenie- ren, als die Gebotsgewalt des Herrschers zu unterstreichen. Darin wird zweierlei greifbar. Zum einen das, was Bernd Schneidmüller mit dem Begriff �konsensuale Herrschaft" als allgemei- nes Charakteristikum mittelalterlicher Königsherrschaft bezeichnet: die Teilhabe der Fürsten gehörte zum �selbstverständlich praktizierten konsensualen Entscheidungsgefüge"60. Zum anderen wird ein gerade für Barbarossa kennzeichnender Zug sichtbar. Die Suche nach dem Konsens der Fürsten war ein Markenzeichen seiner Herrschaftsausübung, weshalb er in der Forschung auch als �Fürstenkönig" bezeichnet wird. 61 Tatsächlich hatte er, anders als seine Vorgänger und Nachfolger, nie mit einer ernsthaften Fürstenopposition zu kämpfen. Offensichtlich stimmte Barbarossa auch mit den Fürsten in der Vorstellung von der jeweiligen Aufgabe im Reich überein. Als Fürst, der eigentlich keine Aussicht auf den Königsthron gehabt hatte, 62 für dessen Rangerhöhung freilich die Unterstützung wichtiger Großer ausschlaggebend geworden ist, hatte er offenbar ein sensibleres Bewusstsein für die Notwendigkeit fürstlicher Mitwirkung als jene Herrscher, die als Thronfolger erzogen worden sind. Eine Hauptursache für Barbarossas Erfolg war gewiss seine Bereitschaft und Fähigkeit, auf Rang und Ansehen der Fürsten, auf ihren honor Rücksicht zu nehmen.

60 Bemd SCIINEID\Idt1FR, Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Paul-Joachim HEI\IG u. a. (Hg. ), Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit, Berlin 2000,53-57, hier 75.

61 So Horst Ftatrt%t, %xx, Deutsche Geschichte im Hohen Mittelalter, Göttingen °2003,154. Zur Sache die Ausführungen und Hinweise bei HECttuuRGER (%%ie Anm. 4) 254-257

62 Dazu oben, Anm. 3.