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Die Geschichte der Stadt Verstädterung und Urbanisierung Individualisierung und Pluralisierung im Rahmen des Seminars ‘Fremdheit in der Stadt’ 14. April 2008 Erika Schulze

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Die Geschichte der StadtVerstädterung und Urbanisierung

Individualisierung und Pluralisierung

im Rahmen des Seminars ‘Fremdheit in der Stadt’

14. April 2008Erika Schulze

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• Stadt im Wandel - das Beispiel Köln

Gliederung

• Industrialisierung und Städtewachstum

• Lebensbedingungen in der Stadt

• Verstädterung und Urbanisierung

• Gesellschaft im Umbruch

• Fremdheit in der Stadt

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Stadt im Wandel

Hahnentor 1880

Pantaleonstor 1880"In der Altstadt herrschten seit langem miserable

Wohnverhältnisse, die nur durch eineStadterweiterung grundsätzlich verbessert

werden konnten. Erst recht bot das alte Kölnnicht den notwendigen Platz für Industrie-ansiedlungen. Die Vororte und Vorstädte

hingegen blühten auf; hier wurden die neuenIndustrien angesiedelt und war eine verstärkte

Zuwanderung zu verzeichnen."

(Dietmar/ Jung 1996: 182)

Im Juni 1881begann der Abrissder altenStadtmauern

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Stadt im Wandel

"Innerhalb weniger Jahreentstanden die Ringe mit ihren

breiten Boulevards mitBaumreihen, ihren sternförmigen

Plätzen und Garten undBrunnenanlagen, Denkmälern,

Fahr- und Reitwegen sowieBürgersteigen, umgeben von

einer Kette von repräsentativenWohnhäusern, von denen einige

Palästen glichen."

(Dietmar/ Jung 1996: 184)

Hohenstaufenring, Richtung Habsburgerring 1886

Ubierring 1885Deutscher Ring 1899

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Stadt im Wandel

Die Erweiterung der StadtKöln vollzog sich in

mehreren Schritten.

Der ersten Erweiterungdurch den Abriss der altenStadtmauer und der damit

folgenden Verdoppelungder Gesamtfläche folgten

Eingemeindungen -zunächst linksrheinisch, ab1910 auch rechtsrheinisch.

(Dietmar/ Jung 1996: 185)

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Köln

1800 41.000 Menschen1850 95.000 Menschen1900 437.000 Menschen

Industrialisierung und Städtewachstum

Gasmotorenfabrik Deutz 1887

Berlin

1800 72.000 Menschen1900 2.424.000 Menschen

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Industrialisierung und Städtewachstum

' Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kommt es zu einem starken Bevölkerungswachstumaufgrund liberalisierter Heiratsvorschriften sowie medizinische Fortschritte

' Da die Nahrungsmittelproduktion dem gegenüber jedoch nicht ausreichend ist, folgen Verarmungsprozesse und Hungersnöte

' Vor diesem Hintergrund gibt es starke Auswanderungsprozesse bis Mitte des 19. Jahrhunderts

' Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts wandelt sich die Situation: landwirtschaftlicheProduktionssteigerung und Industrialisierung stoppen die Auswanderung; hingegen kommt es zu starker Binnenwanderung

' Trotz der Binnenwanderung bleibt jedoch die absolute Zahl der Landbevölkerungrelativ konstant, da zeitgleich ein starkes Bevölkerungswachstum zubeobachten ist: die Sterblichkeit sank, die Geburtenzahl stieg (dieGeburtenjahrgänge um 1905 gehören zu den geburtenstärksten jemals)

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Industrialisierung und Städtewachstum

"Die Dynamik der Verstädterung ergab sich aus demZusammentreffen enormer Wanderungsbewegungen mitden gesellschaftlichen Umwälzungen im Zuge derIndustrialisierung. Die Hochphase der Verstädterungzwischen 1870 und 1925 ging einher mit einerBinnenwanderung, die Köllmann als die ‘größteMassenbewegung der Deutschen Geschichte' (Köllmann 1959: 385) bezeichnet; eine neueVölkerwanderung. Zwischen 1860 und 1925 verließenetwa 22 bis 25 Mio. Ihre Ursprungsgemeinde. ‘Fast dieHälfte aller Deutschen lebte bereits 1907 nicht mehr in derGemeinde, in der sie geboren waren: jeder zweiteDeutsche hatte also in irgendeiner Form an derBinnenwanderung Anteil.' (ebd.: 386)”

(Häußermann 2004: 21)

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Lebensbedingungen in der Stadt

Eigelsteintorburg 1903Unter Krahnenbäumen/

Eigelstein um 1901

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Lebensbedingungen in der Stadt

Zeichungen von Käthe Kollwitz1867 - 1945

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Lebensbedingungen in der Stadt

"1871 wohnten nach dem Bericht einesStadtmissionars in einem Berliner Haus

250 Familien, auf einem Korridor 36Wohnparteien. Um die Mieten aufbringen

zu können, waren viele Familiengezwungen, Zimmer an Schlafburschen

weiterzuvermieten, was dieÜberbelegungen der Wohnungen erhöhte.

Nach Angaben des Vereins fürSozialpolitik, der sich um die Verbesserungder sozialen Verhältnisse bemühte, hatten

1880 von allen Haushaltungen in Berlin 7,1% Einmieter und 15,3 % Schlafleute,

denen der Aufenthalt also nur zurSchlafenszeit eingeräumt wurde. In einem

Fall drängten sich acht Schlafleute ineinem Raum, in anderen Fällen entfielen

auf einen Haushalt 34 Schlafburschen. 38% der Haushaltungen, die Schlafburschenbeherbergten, hatten nur einen Raum zur

Verfügung, in dem auch die Familie mitden Kindern wohnen musste. Noch 1900waren 43 % aller Haushaltungen in Berlin

einräumig, 28 % zweiräumig. ÄhnlicheTatbestände wurden um 1900 in Barmen,

Königsberg, Magdeburg, Posen, Görlitz,Halle und Breslau festgestellt."

(bpb Heft 164)

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Verstädterung und Urbanisierung

Zwei Begriffe kennzeichnen Veränderungsprozesse dieser Zeit:

' Verstädterung

' Urbanisierung

Verstädterung meint die Konzentration derBevölkerung in den Städten, was nichtgleichbedeutend ist mit einer Veränderung derSiedlungsstruktur

Urbanisierung hingegen bezeichnet denmit dem Wandel verbundeneVeränderung der Lebensformen

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Gesellschaft im Umbruch

Die Prozesse der Industrialisierung und Verstädterung waren verknüpft mit einemtiefgreifenden und nachhaltigen Wandel der Gesellschaft:

' War das bäuerliche Leben gekennzeichnet durch die weitgehende Einheit vonProduktion, Konsum und Familie, so treten diese Bereiche nun auseinander . Arbeit undLeben findet in getrennten Sphären statt.

' Die Familie unterliegt einem massiven Bedeutungswandel - war sie zuvorProduktions- und Wirtschaftsgemeinschaft wird sie nun eine sukzessiveReduktion auf einen Ort der Reproduktion, des Privaten.

' Funktionale Ausdifferenzierung der Gesellschaft sowie die Durchsetzung derGeldwirtschaft verändern den Inklusionsmodus. Waren die Individuen vorherals Ganzes (qua Religion oder Stand) inkludiert, sind sie nun in die jeweiligenformal-rationalen Teilsysteme inkludiert .

' Die enge Einbindung in den dörflichen Lebenszusammenhang mit der damitverbundenen sozialen Kontrolle löst sich auf. Der Handlungs- undFreiheitsspielraum für das Individuum vergrößert sich.

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Fremdheit in der Stadt

“Stadt ist der Ort wo Fremde wohnen. Auf dem Dorf gibt eskeine Fremden. In der Stadt ist man überrascht, ein

bekanntes Gesicht zu sehen, und je häufiger dies geschieht,desto eher beschleicht einen das Gefühl in der Provinz zu

leben, nicht eigentlich in der Stadt.”

(Siebel 1997: 33)

“Gerade das, was in der Stadtkritik stets kritisiert worden ist, ihre Dschungelhaftigkeit,Anonymität und Isolation, in der jeder dem anderen fremd ist, ist Voraussetzung für dieHoffnungen, die sich von jeher mit der Stadt verbunden haben: dass sie ein Ort ist, wo

man unbehelligt von Verwandten, Nachbarn und Polizei sein eigenes Leben lebenkann. Die urbane Stadt bietet noch für die ausgefallensten Verhaltensweisen einen Ort,

sie auszuleben und noch für das seltsamste Bedürfnis die gewünschte Befriedigung.Die Anonymität der großen Stadt ist die Vorbedingung dafür, dann nicht jede Regung

gleich zurechtgestutzt wird auf die Konvention. Dass einen keiner kennt, vermitteltzumindest die Hoffnung, sein Leben noch einmal von vorne beginnen zu können, ohnedass einen gleich lauter gute Bekannte auf die alte biographische Identität verpflichtenkönnen. Deswegen wohl verbindet sich mit dem Umzug in eine andere Stadt so häufig

die Hoffnung auf einen neuen Anfang: es gibt dort niemanden, der einen kennt.”

(Siebel 1997: 33)

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“Diese Halbstarken, die aus allen Kreisen der Gesellschaftkommen, bilden den Mob, sind eine furchtbaregrauenerregende Macht, zumal im großstädtischen Leben,ein Schlamm, der immer mehr nach unten sinkt, und wenndas soziale Leben in ruhigen Gleisen fortfließt, sich am Bodender Gesellschaft festsetzt.”

(Schultz 1912, S.33)

Eine solche Jugend muss ihren gefährlichenUmgebungen, dem Müßiggange, Betteln, Stehlen,

Lügen, Fluchen usw. entrissen, zur Frömmigkeit, Arbeitssamkeit, Genügsamkeit,

Sparsamkeit, Übung von christlichen und bürgerlichenTugenden angehalten, mit einem Wort inRettungshäusern untergebracht werden.”

(Roth 1983, S. 114, nach einem Text von 1851)

Fremdheit in der Stadt

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' Nels Anderson: The Hobo (1923) (über Wanderarbeiter, ihre Kultur, ihr Milieu, ihre Institutionen)

' Frederic M. Trasher: The Gang (1927)(über Straßenbanden Jugendlicher)

' Louis Wirth: The Ghetto (1929)(über das jüdische Viertel in Chicago)

' Paul G. Cressey: The Taxi-Dance Hall (1932)(über Tanzsäle, in denen man Tanzpartnerinnen mieten konnte)

Robert Ezra Park(1864-1944)

Ernest W.Burgess (1886-1966)

The ChicacoSchool ofSociology

Fremdheit in der Stadt

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' Dietmar, Carl /Jung, Werner (1996):Kleine illustrierte Geschichte der StadtKöln. ln J.P. Bachem Verlag.

' Bundeszentrale für politische Bildung:Informationen zur politischen Bildung (Heft 164)

' Häußermann, Hartmut/ Siebel, Walter (2004):Stadtsoziologie. Eine Einführung.Frankfurt/New York. Campus

Literatur