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Die Haftung von Planer und Bauaufsicht Wolfgang Hussian 11.10.2016 © Wolfgang Hussian 1

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Die Haftung von Planer und Bauaufsicht

Wolfgang Hussian

11.10.2016 © Wolfgang Hussian 1

Inhaltsverzeichnis1. Der Vertrag zwischen Bauherrn und Planer bzw. Bauaufsicht2. Gewährleistung3. Schadenersatz4. Haftungsfälle

4.1. Kostenermittlung4.2. Planung4.3. Ausschreibung4.4. Bauaufsicht4.5. Prüf- und Warnpflicht4.5. Koordination

5. Regress zwischen Bauunternehmen und Architekt / Bauaufsicht

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Es wird darauf hingewiesen, dass trotz sorgfältiger Bearbeitung alle Angaben ohneGewähr erfolgen und eine Haftung des Vortragenden ausgeschlossen ist.

Der Vertrag zwischen Architekt und Bauherrn

„Nach ständiger Rechtsprechung ist der Architektenvertrag alsWerkvertrag zu beurteilen, wenn vom Architekten nur Pläneherzustellen sind“ (OGH 27.3.2008, 2 Ob 90/07k).

Wird ein Architekt nicht nur mit der Planung, sondern auch mitder Bauleitung sowie der örtlichen Bauaufsicht beauftragt undüberwiegt die Aufgabe der Wahrung der Interessen desAuftraggebers, liegt ein Bevollmächtigungsvertrag gem. § 1002ABGB vor. (OGH 14.10.1997, 1 Ob 2409/96p; OGH 27.03.2008, 2Ob 90/07k).

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Der Vertrag zwischen Architekt und Bauherrn

Wenn der Architekt über die Herstellung der Baupläne hinausmit der Verrichtung von Vertretungshandlungen beauftragtwurde, kann ein gemischter Vertrag vorliegen, der auchElemente eines Bevollmächtigungsvertrages enthält.

Bei gemischten Verträgen ist für die Beurteilung jeder einzelnenLeistungspflicht die sachlich am meisten befriedigende Vorschriftheranzuziehen. Die bei gemischten Verträgen herrschendeKombinationstheorie ist auch auf (gemischte)Architektenverträge anzuwenden. (OGH 29.4.2009, 2 Ob203/08d)

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Allgemein: Gewährleistung

Mangel: die Leistung entspricht nicht dem Vertrag oder dengewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften.

Verschulden ist keine Voraussetzung!Eine Leistung ist mangelhaft, wenn sie nicht die bedungenenoder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften entspricht odernicht einer Probe oder einem Muster entspricht und sie derNatur des Geschäfts oder der getroffenen Verabredung gemäßverwendet werden kann.

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Allgemein: GewährleistungWelche konkreten Eigenschaften die versprochene Leistunghaben muss, ergibt sich aus dem Vertrag. Es wird vermutet, dassdie Leistung die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat.Für die Konkretisierung des Leistungsinhaltes im Einzelfall ist dieVerkehrsauffassung von Bedeutung. (OGH 2 Ob 125/10g)Wenn aber der AN die Wichtigkeit einer Eigenschaft des Werkesfür den AG kennt oder zumindest erkennen muss, ist er beiNichtaufklärung über das Fehlen dieser berechtigt erwartetenEigenschaft grundsätzlich gewährleistungspflichtig.(OGH 9 Ob50/10h; OGH 2 Ob 135/10g)

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Allgemein: Gewährleistung

Beweislast§ 924 ABGB „Der Übergeber leistet Gewähr für Mängel, die beider Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis desGegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechsMonaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung trittnicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangelsunvereinbar ist.“•Der AG hat den Mangel zu beweisen.•Der Mangel muss bei Übernahme vorliegen. Dokumentationdurch die Bauaufsicht!•Das wird in den ersten 6 Monaten angenommen.

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Allgemein: Gewährleistung

Rechtsfolgen des Mangels§ 932. (1) Der Übernehmer kann wegen eines Mangels die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern.Primärer Rechtsbehelf: Verbesserung (Austausch)Sekundäre Rechtsbehelfe: Preisminderung

Wandlung

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Allgemein: Gewährleistung

PreisminderungDer AG hat Anspruch auf Preisminderung, wenn dieVerbesserung• nicht möglich ist,• für den AG unzumutbar ist,• für den AN unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet,• der AN nicht in angemessener Frist verbessert,

• der AN den Verbesserungsanspruch ablehnt.

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Allgemein: Gewährleistung

Berechnung der Preisminderung• Relative Berechnungsmethode: Verhältnis Wert zu Preis soll

gewahrt werden.Die Preisminderung des Ziviltechnikerhonorars ist daheraufgrund des Wertverhältnisses zwischen mangelfreier undmangelhafter Leistung zu ermitteln: praktische Probleme!

• Die Preisminderung entspricht daher nicht dem Sanierungsaufwand.

• Preisminderung auf Null ist grundsätzlich möglich.

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Allgemein: Gewährleistung

Berechnung der PreisminderungPflaum/Rindler (Pflaum/Karlberger/Wiener/Opetnik/Rindler/Henseler, Handbuchdes Ziviltechnikerrechts, S 92): Der für die Preisminderung notwendigerWeise zu ermittelnde Wert der Leistung des Ziviltechnikers fürden AG bestimmt sich – und dies gilt für die ÖBA besonders –alleine danach ob das Bauwerk ordnungsgemäß entsteht.Andere Ansichten sind aber denkbar: bemisst sich der Wert derLeistung nicht auch nach der Intensität der Aufsicht? Ist eineintensive Aufsicht nicht mehr wert als eine wenige intensive?

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Allgemein: Gewährleistung

WandlungWandlung ist die rückwirkende Vertragsaufhebung. BeiUnmöglichkeit der Rückgabe der Leistungen, ist dasVertragsverhältnis bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln.Für den trotz mangelhafter Leistung verschafften Nutzen ist einangemessener Betrag zu leisten.Bei Planungsleistungen könnte die nachträgliche Aufhebung desVertrages unter Umständen zu einem Wegfall desWerknutzungsrechtes an der Planung führen.

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Allgemein: Gewährleistung

Gewährleistungsfrist• unbewegliche Sachen: 3 Jahre ab Übernahme• bewegliche Sachen: 2 Jahre ab ÜbernahmeFraglich ist der Zeitpunkt der Übernahme der Ziviltechnikerleistung:In der Regel wird die Übernahme nach vollständiger Erbringung allerLeistungen, z.B. nach Beendigung der örtlichen Bauaufsicht, sein.Teilabnahmen (z.B. nur die Planung) wird in nicht möglich sein, außer:• bei entsprechender Vereinbarung, oder• bei teilbare Leistungen (wenn die Parteien über den Teil auch einen

gesonderten Vertrag abgeschlossen hätten).

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Allgemein: Gewährleistung

GewährleistungsfristLaut OGH sieht in Planungsleistungen für Bauwerke beweglicheSachen und geht daher von einer Gewährleistungsfrist von 2Jahren aus (OGH 4.5.1976, 5 Ob 565/76).Anderes kann gelten, wenn eine bestimmte Eigenschaftzugesichert wird. In diesem Fall beginnt die Gewährleistungsfristerst zu laufen, wenn erkennbar ist, dass die Eigenschaft nichtvorliegt (RV 422 BlgNR 21. GP 20.)

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Allgemein: Gewährleistung

Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (2)Mängelrüge: Rüge des Mangelsymptoms. Die Rüge muss konkretsein und die Behebung ermöglichen. Die Rüge einer konkretenUrsache ist aber grundsätzlich nicht nötig. Problem:Schnittstellen!Offensichtliche Mängel: “Übernimmt der AG die Leistung trotzMängel, bedeutet dies keinen Verzicht auf seineGewährleistungsansprüche; dies gilt aber nicht für nicht gerügteoffensichtliche Mängel.“ (Punkt 10.6.2 der ÖNORM B 2110)Werden offensichtliche Mängel nicht in das Übernahmeprotokollaufgenommen, kann dies zur Haftung der Bauaufsicht führen.

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Allgemein: SchadenersatzVoraussetzungen•Schaden,•Verursachung,•Rechtswidrigkeit,•Verschulden.

Wichtigste Unterschiede zu Gewährleistung•Gewährleistung setzt kein Verschulden voraus.•Verjährungsfrist beträgt bei Schadenersatz 30 Jahre bzw. dreiJahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger.

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Allgemein: Schadenersatz

Verschulden•Leichte Fahrlässigkeit•Grobe Fahrlässigkeit•VorsatzBei vertraglichen Schadenersatzansprüchen hat der Schädiger zubeweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (§ 1298 ABGB), nach10 Jahren ab Übernahme trägt der AG die Beweislast (§ 933ABGB).Der Planer haftet für die Einhaltung des erhöhtenSorgfaltsmaßstabes gemäß § 1299 ABGB.

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Allgemein: Schadenersatz

Gehilfenhaftung•Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB) : gegenüber AG§ 1313a. Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftetihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie derPersonen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.

•Besorgungsgehilfe (§ 1315 ABGB): gegenüber Dritten

§ 1315. Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigenoder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seinerAngelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieserEigenschaft einem Dritten zufügt.

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Allgemein: Schadenersatz

Schadenersatz bei Mängeln (§933a ABGB)• bei Verschulden neben Gewährleistungsansprüchen,• Vorteil: längere Verjährungsfrist,• vorerst nur Anspruch auf Verbesserung,• Geldanspruch:

– Bedingungen wie bei Preisminderung, – aber andere Berechnung: Differenzwertmethode

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Kostenermittlung

„Der mit der Planungsleistung beauftragte Architekt muss beider Erbringung seiner Leistungen als Ausfluss seinerumfassenden vertraglichen Beratungspflicht auchwirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigen“ (OGH26.10.2010, 9 Ob 98/09s).

Rücksichtnahme auf die finanziellen Mittel des Bauherrn kostengünstige Planung laufende Kostenkontrolle und Information des Bauherrn über

die Kostenentwicklung

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Kostenermittlung

Schon im Rahmen der Vorplanung hat der Architekt diefinanziellen Rahmenbedingungen des AG in Erfahrung zu bringenund zu berücksichtigen (BGH 11.11.2004 – VII ZR 128/03, BauR2005, 400).

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KostenermittlungBei allen Planungsschritten ist das Gebot der Wirtschaftlichkeitder Planung und der Bauausführung zu beachten (Braun inMotzke/Preussner/Kehrberg/Kesselring, Haftung des Architekten9, 668).Es besteht aber grundsätzlich keine allgemeine Verpflichtung desArchitekten die kostengünstigste Lösung zu finden (Niestrate, DieArchitektenhaftung³, 20).Ein Architektenfehler liegt vor, wenn Planung und Ausschreibungnicht sachgerecht sind (Wiener, Die Haftung des Planers für die Einhaltung derBaukosten, bauaktuell 2010, 139).

Der Architekt muss die Planung den Steuervorschriften undFörderungsmöglichkeiten anpassen (Wiener, Die Haftung des Planers fürdie Einhaltung der Baukosten, bauaktuell 2010, 139).

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Kostenermittlung

Ob der Architekt eine Kostenermittlung schuldet, ist eine Frageder Vertragsinterpretation. Fehlt eine vereinbarteKostenermittlung, stellt das einen Mangel dar (OGH 23.2.2001, 4Ob 23/01p).

Die „Honorar Information Architektur (2010)“ sieht dieAufstellung eines Kostenrahmens durch den Architekten vor undgibt Toleranzen, abhängig vom Projektfortschritt an.

Diese Toleranzgrenzen schließen nicht die Haftung desArchitekten bei einer nicht sachgerechten bzw. nicht sorgfältigenBerechnung des Kostenrahmens aus. (Rindler inPflaum/Karlberger/Wiener/Opetnik/Rindler, Handbuch des Ziviltechnikerrechts, 105).

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KostenermittlungDer Baukostenrahmen ist von der Vereinbarung einer Baukosten-obergrenze oder einer Baukostengarantie zu unterscheiden:Der Baukostenrahmen gibt die zu erwartenden Kosten in einerbestimmten Bandbreite an. Dieser kann informativ oderverbindlich sein.Bei der Baukostenobergrenze wird eine Begrenzung nach obenausdrücklich vereinbart, für deren Überschreitung der Architektverschuldensabhängig haftet.Bei der Baukostengarantie wird eine Begrenzung nach obenausdrücklich vereinbart, bei deren Überschreitung der Architektverschuldensunabhängig die Kosten selbst trägt. Das ist imZweifel nicht anzunehmen.

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Kostenermittlung

Der Architekt haftet jedoch nicht für Überschreitungenwegen:• Zusatzwünschen des AG• Änderungswünschen des AGAber auch in diesem Fall treffen den Architekten Beratungs- undAufklärungspflichten. Für die schuldhafte Verletzung dieserVerpflichtung haftet der Architekt, außer die Kosten waren demAG ohnedies offenkundig.Auch sonst hat der Architekt auf mögliche Umständehinzuweisen, die zu einer beträchtlichen Überschreitung derermittelten Kosten führen können.

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Kostenermittlung

„In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine verbindlicheVereinbarung einer Baukostenobergrenze bzw. einesKostenrahmens möglich ist. In diesem Fall muss sich aus demGesamtzusammenhang eindeutig und unmissverständlichergeben, dass die Baukosten in einer bestimmten Höheverbindlich als vertraglich geschuldete Beschaffenheiteinzuhalten sind. Die Regelung muss sich klar und eindeutig aufdie Baukosten beziehen“ (OGH 26.1.2010, 9 Ob 98/09s).

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Kostenermittlung

Die Honorar Information Architekten 2010 sieht folgendeToleranzen vor:• Erste Einschätzung vor Projektentwicklung: +/- 40%• Abschluss einer Studie zur Projektentwicklung: +/- 30%• Abschluss des Vorentwurfes: +/- 25%• Abschluss der Entwurfsplanung: +/- 15%• Abschluss des Behördenverfahrens: +/- 10%• Abschluss der Ausführungs- und Detailplanung: +/- 5%

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Kostenermittlung

Für die Überschreitung der Baukostenobergrenze haftet derArchitekt nach Gewährleistungsrecht (OGH 26.1.2010, 9 Ob98/09s).

Verbesserung: Umplanung zur Einhaltung derBaukostenobergrenze (Schliemann in Schliemann (Hrsg.), Architekten- undIngenieurrecht, 157).

Wandlung: wenn die Umplanung nicht zur Einhaltung derBaukostenobergrenze führt. Bei Verschulden haftet derArchitekt für den Vertrauensschaden (Wiener, Die Haftung desPlaners für die Einhaltung der Baukosten, bauaktuell 2010, 142).

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Kostenermittlung

Die Überschreitung der Baukostenobergrenze kann aber auch zuSchadenersatzansprüchen führen. Der Architekt hat zubeweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (§ 1298 ABGB).

Der Schaden entspricht aber nicht der Höhe der Überschreitungder Kosten, sofern der Mehraufwand zu einer Wertsteigerungdes Objektes führt (OGH 18.7.2002, 3 Ob 53/02v). Der Schadenbesteht in den Kosten, die sich nicht in einem höheren Wertwiderspiegeln.

Beispiele für Vorteile: höherer Ertrags- bzw. Verkehrswert,bessere Nutzungsmöglichkeit, technisch oder gestalterischhöherwertige Ausführung.

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KostenermittlungHätte das Bauwerk nicht zu niedrigeren Kosten errichtet werdenkönnen, entfällt ebenfalls die Schadenersatzpflicht mangels Kausalität,sofern man annehmen kann, dass der Bauherr dennoch an derAusführung festgehalten hätte.

Für verschuldete, vermeidbare Kostenüberschreitungen haftet derArchitekt immer, auch wenn die Kosten sich noch innerhalb desBaukostenrahmens bewegen.

Die höheren Finanzierungskosten können auch bei entsprechenderWertsteigerung des Objektes ein Schaden sein.

Schadenersatzansprüche wegen Kostenüberschreitungen sind von derBerufshaftpflichtversicherung in der Regel nicht gedeckt.

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Kostenermittlung

Mangels Kausalität haftet der Architekt aber nicht, wenn ernachweisen kann, dass der AG auch bei ordnungsgemäßerKostenermittlung oder rechtzeitiger Information über dieKostensteigerungen keine Änderung der Ausführung gewünschthätte.

Bei notwendigen Maßnahmen hat der AG zu beweisen, dass erdiese nicht hätte ausführen lassen (z.B. Behördenauflagen).

Andererseits wird in der deutschen Literatur die Ansichtvertreten, dass auch bei Wertsteigerungen in Härtefällen vomVorteilsausgleich abzusehen ist.

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Planung

Die Planung hat den baubehördlichen Bestimmungen und denallgemein anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen(Pflaum/Schima, Der Architektenvertrag, 93).

Es ist zu unterscheiden:

• Stand der Wissenschaft: wissenschaftlich möglich, keine technischeAnwendung

• Stand der Technik: technisch möglich, aber in der Praxis nicht üblich• Allgemein anerkannte Regeln der Technik: wird von den meisten

Praktikern als richtig angesehen und angewendet.Achtung: auch ÖNORMen können von den allgemein anerkanntenRegeln der Technik abweichen.

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PlanungDer Architekt hat bei der Planung die baubehördlichenBestimmungen einzuhalten. Er muss den AG umfassend über dieRisiken der Genehmigungsfähigkeit aufklären (OLG Düsseldorf6.12.2000 – 21 U 162/99, BauR 2000, 1515)Untersagt die Behörde die Genehmigung zu Unrecht haftet derArchitekt nicht und der AG hätte ein Rechtsmittel zu ergreifen:der Architekt haftet für die Genehmigungsfähigkeit, trägt abernicht das Risiko der Genehmigung. Eine solche Risikotragungkönnte aber vereinbart werden (OGH 25.01.2005, 1 Ob259/04a).Der Architekt haftet uU auch für die Kosten von Auflagen, wenner auf diese Möglichkeit den AG nicht hingewiesen hat.

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PlanungDer Architekt haftet für die Planung gewährleistungs- undschadenersatzrechtlich.Strittig ist, ob der Architekt gewährleistungsrechtlich zurVerbesserung der Planung auch nach Errichtung des Bauwerkesverpflichtet ist oder ob die Verbesserung in diesem Fallunmöglich geworden ist. (Pflaum/Rindler inPflaum/Karlberger/Wiener/Opetnik/Rindler, Handbuch des Ziviltechnikerrechts, 80f).Die Rechtsprechung verneint das (OGH 27.8.2013, 9 Ob 31/13v).Führt die Verbesserung der Planung zu einem Zeitverlust, haftetder Architekt bei Verschulden für die damit verbundenen Kostenschadenersatzrechtlich. Die BerufshaftpflichtversicherungVerspätungsschäden nicht.

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Planung

Bei Annahme eines unbehebbarer Mangels der Planung bliebendem Bauherrn die sekundären GewährleistungsbehelfePreisminderung und Wandlung (OGH 23.07.2013, 10 Ob11/13k).

Allerdings bestehen nach einem Teil der Literatur keineGewährleistungsansprüche, falls die Bauaufsicht nicht imvereinbarten Umfang erfolgt (Pflaum/Rindler inPflaum/Karlberger/Wiener/Opetnik/Rindler/Henseler, Handbuch desZiviltechnikerrechts, 83). Führt die Unterlassung der Aufsicht zuMängeln am Bauwerk haftet die Bauaufsichtschadenersatzrechtlich.

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Planung„Nach ständiger Rechtsprechung des OGH hat für die Erstellungeines Werks aufgrund vorhandener Pläne der Besteller demUnternehmer taugliche Pläne zur Verfügung zu stellen“ .(OGH 22.04.2014, 7 Ob 18/14v)Die dem Unternehmer vom Besteller übergebenen Pläne sind„Stoff“ im Sinne des § 1168a ABGB (M. Bydlinski inKBB4 § 1168a Rz 6mwN).

CAD-Kompatibilität: Stellt der planende Architekt keineauthentisch Darstellung der von ihm ausgearbeiteten Pläne beimEmpfänger bereit, trifft ihn ein Verschulden, dass aber angesichtsdes Verschuldens des Lieferanten vernachlässigt werden kann(OGH 14.07.2011, 2 Ob 185/10k).

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Planung

Der Architekt wird bei der Planung als Erfüllungsgehilfe (§1313aABGB) des Bauherrn tätig.

Ein Verschulden eines Gehilfen ist dem geschädigtenWerkbesteller zurechenbar, wenn dadurch Pflichten oderObliegenheiten verletzt werden, die aufgrund (ausdrücklicheroder stillschweigender) Vereinbarung oder nach derVerkehrsübung den Werkbesteller treffen. Die Beiziehung einessachverständigen Gehilfen führt für sich alleine nicht zumEntstehen weiterer Pflichten (OGH 21.3.2013, 5 Ob 16/13h).

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Planung

Der Unternehmer kann daher bei Misslingen des Bauwerkeswegen mangelhafter Planung dem Bauherrn das Verschuldendes Architekten als Mitverschulden gemäß § 1304 ABGBeinwenden.

Der Bauherr kann sich gemäß § 1313 ABGB beim Planerregressieren. Der Zahlungsanspruch entsteht mit Zahlung. (3 Ob36/07d)

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Planung

Der Unternehmer hat aber keine Schadenersatzansprüchegegen den Architekten wegen mangelhafter Pläne oderAusschreibungsunterlagen, da nach dem Zweck des Vertrageszwischen Bauherrn und Architekt die Interessen desBauunternehmers nicht mitverfolgt werden (OGH 28.01.2010, 2Ob 128/09a).

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Ausschreibung

Der Architekt haftet für Schäden, die aufgrund derFehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit derAusschreibungsunterlagen dem AG entstehen. Fraglich kannsein, ob ein Schaden entstanden ist.Der Architekt hat eine repräsentative Anzahl von Angeboteneinzuholen. Hätte bei ordnungsgemäßer Ausschreibung einbesserer Preis erzielt werden können, haftet der Architekt fürdiesen Schaden (Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht6 Rz 485).

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Ausschreibung

Auch eine sorgfaltswidrige Auswahl der Unternehmer kann zueiner Haftung führen, wenn aufgrund der mangelndenwirtschaftlichen oder technischen Leistungsfähigkeit desUnternehmers dem AG ein Schaden entsteht.Der Architekt ist auch zu einer Prüfung der Angebote verpflichtet(z.B. in Hinblick auf nicht plausible Preiszusammensetzung).

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Prüf- und Warnpflicht

§ 1168a ABGB: „Geht das Werk vor seiner Übernahme durcheinen bloßen Zufall zugrunde, so kann der Unternehmer keinEntgelt verlangen. Der Verlust des Stoffes trifft denjenigen Teil,der ihn beigestellt hat. Misslingt aber das Werk infolgeoffenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffesoder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers, so ist derUnternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn er denBesteller nicht gewarnt hat.“

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Prüf- und WarnpflichtGegenstand der Prüf- und Warnpflicht• Ausführungsunterlagen (auch Gutachten)• Anweisungen des AG:

– Vorgaben über die Anzahl der Parkplätze (OGH 6.11.1981, 1 Ob 569/81)

• Vom AG beigestellte Materialien:– Liegenschaft: Überprüfung des Grundbuches (Rindler in Handbuch des

Ziviltechnikerrechts², 76);– CAD-Kompatibilitätsproblem: Erscheinungsbild eines Planes vermittelt

nur unklar die Situation (OGH 14.07.2011, 2 Ob 185/10k)

• Vorleistungen

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Prüf- und Warnpflicht

Die Warnpflicht ist bei neuen Baumethoden (-stoffen)besonders intensiv.Der Architekt hat insbesondere bei Verwendung von neuenMaterialien oder Baumethoden auf die damit verbundenenRisiken hinzuweisen (OGH 20.12.2006, 9 Ob 98/06m).Auch wenn der Architekt das Risiko nicht erkennen muss, hat erden AG darüber aufzuklären, dass er keine Erfahrungen mit demBaustoff bzw. Methode hat.Empfiehlt der Architekt ungeeignete Baumaterialien verletzt erseine Sorgfalts- und Aufklärungspflichten (OGH 17.12.2010, 6 Ob120/10f).

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Prüf- und Warnpflicht

Umfang der Prüf- und Warnpflicht (1)Der Auftragnehmer hat vor offenbar untauglichen Stoffen bzw.offenbar unrichtigen Anweisungen zu warnen (§ 1168a ABGB).Der AN hat vor den ihm mit zumutbarer Fachkenntnis beiAnwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennbaren Mängeln zuwarnen (Punkt 6.2.4.1 B 2110).

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Prüf- und Warnpflicht

Umfang der Prüf- und Warnpflicht (2)Nicht erkennbar sind Mängel, deren Feststellung• umfangreiche Untersuchungen• technisch schwierige Untersuchungen• kostenintensive Untersuchungen• Sonderfachleute erforderlich macht (Punkt 6.2.4.3 der B 2110).

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Prüf- und Warnpflicht

Form und Zeitpunkt der Warnung (1)• grundsätzlich kann der Vertreter des AG gewarnt werden (OGH29.04.2004, 2 Ob 80/04k), grundsätzlich sollte aber auch der AGzusätzlich gewarnt werden,• aus Beweisgründen schriftlich (Punkt 6.2.4.1),• unverzüglich (Punkt 6.2.4.1).Hat der AN Grund zur Annahme, dass dem AG nicht bekannt ist,dass Gründe vorliegen die zu einem Entfall der Prüfpflichtführen, hat er den AG hiervon unverzüglich und schriftlich zuverständigen (Punkt 6.2.4.3 B 2110).

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Prüf- und Warnpflicht

Form und Zeitpunkt der Warnung (2)Die Warnung muss konkret und verständlich sein. Dabei ist aufden Empfänger der Warnung abzustellen (sachverständig?).Die Warnung ist nur wirksam, wenn sie konkret die Folgen angibtund die Ursache vor der gewarnt wird, kausal für das spätereMisslingen ist.Die ÖNORM B 2110 verlangt Schriftlichkeit: Beweisfrage! Gültigsind auch mündliche Warnungen.Auch der sachverständige oder durch Sachverständigevertretene AG ist zu warnen (OGH 16.3.1999, 10 Ob 371/98a;OGH 06.10.2000, 1 Ob 144/00h).

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Prüf- und Warnpflicht

•Rechtsfolgen der ordnungsgemäßen WarnungDer AN haftet bei ordnungsgemäßer Warnung nicht für die Mangelhaftigkeit des Werkes. Der AG trägt das Risiko des Misslingens (Punkt 6.2.4.5 und 12.2.2).•Rechtsfolge der WarnpflichtverletzungDer AN haftet für das Misslingen des Werkes (Mangel) und wird schadenersatzpflichtig!• Werklohnverlust entsprechend dem Mitverschulden des AN.

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Prüf- und Warnpflicht

Mitverschulden des AuftraggebersDa die Rechtsfolgen vom Verschulden des AN abhängig sind,kommt beim sachverständigen AG bzw. sachverständigvertretenen AG ein Mitverschulden in Betracht.Mitverschulden führt zur Schadensteilung nach Quoten.Der AG haftet auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen(z.B. Architekt), kann sich aber an diesen regressieren.

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Prüf- und Warnpflicht

Aufgrund der Vereinbarung„3. Leistungsumfang…

3.1.4. Die Überprüfung der vom Fachplaner bereits erstelltenkompletten technischen Planung sowie die Überprüfungsämtlicher Berechnungs- und Planungsunterlagen …“

entschied der OGH, dass keine Obliegenheit des Bestellersbestehe, fachgerechte Pläne zu übergeben. Das fahrlässigeVerhalten des Planverfassers begründe daher keinMitverschulden des Bestellers (OGH 20.12.2011, 4 Ob 137/11t).

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Prüf- und Warnpflicht

OGH 20.12.2011, 4 Ob 137/11t: „Ist im Vertrag ausdrücklichvorgesehen, dass der Werkunternehmer die ihm übergebenenPläne zu prüfen hat, lehnt es der Werkbesteller damit – für dieWerkunternehmer erkennbar – ab, für die Richtigkeit dieserPläne einzustehen. Damit lässt sich aus dem Vertrag auch keineObliegenheit ableiten, fachgerechte Pläne zu übergeben.“

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Prüf- und Warnpflicht

Sowieso-KostenSind mit der mangelfreien (neuerlichen) Errichtung oderSanierung des Werkes Kosten verbunden, die auch entstandenwären, wenn der AN rechtzeitig gewarnt hätte, trägt dieser derAG (Sowieso-Kosten), etwa für die höherwertige Ausführung(OGH 29.10.1997, 6Ob233/97a).Die Sowieso-Kosten trägt der AG alleine.

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Bauaufsicht

„Örtliche Bauaufsicht (ÖBA) Örtliche Vertretung der Interessendes Bauherrn / der Bauherrin einschließlich der Ausübung desHausrechtes auf der Baustelle. Die örtliche Bauaufsicht umfasstnicht die Obliegenheiten der Bauführung“ (Honorar InformationArchitekten 2010).

Die örtliche Bauaufsicht soll die plan- und ordnungsgemäßeHerstellung des Werkes sicherstellen (OGH 14.10.1997, 1 Ob2409/96p).

11.10.2016 © Wolfgang Hussian 54

BauaufsichtZu den Aufgaben der Bauaufsicht gehört unter anderem dieÜberwachung der Herstellung des Werkes auf Übereinstimmung• mit dem Vertrag zwischen Bauherrn und Unternehmer;• mit den Plänen;• mit dem Terminplan;• mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik;• mit den behördlichen Vorschriften.Schwerwiegende Mängel können für den Anscheinsbeweisausreichen, dass die Bauaufsicht ihre Überwachungspflichtverletzt hat (BGH 27.11.2008, VII ZR 206/06).

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BauaufsichtMuss die Bauaufsicht auch die Pläne selbst prüfen?• „… trifft den Besteller … die Obliegenheit, dem

bauaufsichtsführenden Architekten einwandfreie Pläne zurVerfügung zu stellen …“

• „… der bauaufsichtsführende Architekt kann diese Aufgabenur auf der Grundlage mangelfreier Pläne sinnvollwahrnehmen …“

• „Daran ändert sich nichts dadurch, dass derbauaufsichtsführende Architekt verpflichtet ist, die ihmüberlassenen Pläne auf Fehler und Widersprüche zuüberprüfen“

(BGH 27.08.2008, VII ZR 206/06 mwN.)

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Bauaufsicht

Grundsätzlich darf die Bauaufsicht auf die fachgerechteAusführung durch den Unternehmer vertrauen (OGH14.10.1997, 1 Ob 2409/96p).

Die Intensität der Kontrolle kann nicht allgemein festgelegtwerden. Eine genereller Anwesenheitspflicht ist in der Regelnicht anzunehmen. Ohne besondere Umstände reicht einestichprobenartige Überwachung.

Bei wichtigen bzw. kritischen Baumaßnahmen, dieerfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist dieBauaufsicht zu höherer Aufmerksamkeit und intensivererÜberwachung verpflichtet (BGH 09.11.2000, VII ZR 362/99).

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Bauaufsicht

Folgende Arbeiten können bspw. als überwachungsintensivangesehen werden (Niestrate, Die Architektenhaftung³ Rz 119):• Schall- und Wärmeisolierungsarbeiten• Dachdeckerarbeiten• Verarbeitung neuer Baustoffe• Dränagearbeiten und Kellerabdichtungen• Isolierungen auf Balkonen

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Bauaufsicht

Weitere mögliche Haftungen der Bauaufsicht:• Verlust des Skontoabzuges wegen verspäteter

Rechnungsprüfung oder zu hoher Abstriche,• Nicht vertragsgemäße Abrechnung des nicht zuordenbaren

Bauschadens,• Nicht ordnungsgemäßes Nachführen des Bauzeitplanes und

damit verbundener Verlust pönalisierter Termine,• Rechtsgeschäftliche Vertretung des AG ohne Vollmacht, z.B.

Beauftragung von Zusatzangeboten.

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Bauaufsicht

Ein Verschulden der Bauaufsicht ist dem Besteller nicht alsMitverschulden zurechenbar:„Die Bauüberwachung erfolgt ausschließlich im Interesse desAuftraggebers und nicht in jenem der Werkunternehmer, sodassder bauausführende Werkunternehmer bei Verletzung einerdamit verbundenen Verpflichtung mangelsRechtswidrigkeitszusammenhangs keine seine Haftungminderndes Mitverschulden gelten machen kann“ (OGH14.10.1997. 1 Ob 2409/96p).

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KoordinationPunkt 6.2.5 ÖNORM B 2110: Zusammenwirken imBaustellenbereichDer AG ist verpflichtet, für das ordnungsgemäßeZusammenwirken seiner AN zu sorgen und insbesondere ihrenEinsatz zu koordinieren.Mehrere AN im Baustellenbereich haben eine gegenseitigeBehinderung zu vermeiden und ihre Tätigkeiten abzustimmen. Istdie Abstimmung unzureichend oder kommt ein Einvernehmenzwischen den AN nicht zustande, ist der AG rechtzeitig daraufhinzuweisen.Der AN hat für das ordnungsgemäße Zusammenwirken seinerLieferanten und Subunternehmer zu sorgen.

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Koordination

Von der Bauaufsicht ist die Koordinationspflicht desWerkbesteller zu unterscheiden. Diese Koordinationspflicht isteine Obliegenheit. Auch Fachplaner sind zu koordinieren.

Im Rahmen dieser Koordination hat der Besteller die einzelnaufeinander aufbauenden Leistungen derart abzustimmen, dassdie Vorleistung eine taugliche Grundlage für dieNachfolgeleistung darstellt (OGH 25.2.1999, 2 Ob 376/97a).

Der Besteller hat den Werkunternehmer über alle Umstände zuinformieren, aus denen Gefahren für das Gelingen des Werkesentstehen können (OGH 15.1.1998, 6 Ob 384/97g).

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Koordination

Der Besteller hat die einzelnen Leistungen der bei derWerkherstellung tätigen Unternehmer zeitlich und denErfordernissen des technischen Ineinandergreifens derWerkleistungen entsprechend zu koordinieren. DieseVerpflichtung entfällt, wenn der Besteller einenGeneralunternehmer beauftragt (OGH 15.1.1998, 6 Ob384/97g).

Die Anordnung des Architekten trotz starken Regens denDachstuhl abzutragen wurde dem Besteller als Mitverschuldenzugerechnet (OGH 9.10.1997, 2 Ob 221/97g). Der OGHhinterfragte nicht, ob diese Anordnung geschuldet war.

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Koordination

„Überantwortet der Besteller die Koordinationspflicht einemArchitekten, so hat er für dessen Verschulden nach § 1313aeinzustehen bzw. sich das Gehilfenverschulden alsMitverschulden im Sinne des § 1304 zurechnen zu lassen, weil erdem Werkunternehmer gegenüber zur Koordinierung verpflichtetist“ (OGH 25.2.1999, 2 Ob 376/97a).

Die Mitverantwortlichkeit des Besteller verlangt kein echtes, weilRechtswidrigkeit voraussetzendes, Verschulden, sondern esreicht schon eine bloße Obliegenheitsverletzung im Sinne einerSorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten (OGH 22.10.1991, 4 Ob561/91).

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KoordinationDer Besteller hat jene Anordnungen zu treffen, die zurreibungslosen Abwicklung des Vertrages erforderlich sind (OGH25.1.1984, 1 Ob 769/83).Schlussfolgerung:• Nicht jede „Anregung“ ist eine Anordnung, die zur Abwicklung

des Vertrages erforderlich ist.• Zu solchen „Anregungen“ ist der Besteller auch nicht im

Rahmen seiner Koordinationspflicht angehalten.• Der Architekt ist bei solchen „Anregungen“ nicht

Erfüllungsgehilfe des Bestellers gem. § 1313a ABGB.• Dann können solche „Anregungen“ kein Mitverschulden des

Bestellers gem. § 1304 ABGB begründen.

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Koordination

Der Bauherr muss sich nicht jedes mitwirkende Verschulden desvon ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnenlassen. Ein Mitverschulden kommt nur dann in Frage, wenn derGehilfe Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrundausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nachder Verkehrsübung den Bauherrn selbst treffen. (OGH 26.6.2014,8 Ob 75/13g)

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Regress

Verursacht die sorgfaltswidrige Ausführung desBauunternehmers dem Auftraggeber einen Schaden, der durchsorgfältige Bauüberwachung hatte vermieden werden können,liegt ein Fall addierter Kausalität vor. Keine Handlung alleine istkausal für den Schaden. Addierte Kausalität führt auch beileichter Fahrlässigkeit zu Solidarhaftung, wenn sich die Anteilenicht bestimmen lassen.

Leistet ein Unternehmer mangelhaft und verletzt die BauaufsichtKontrollpflichten , sind nach der Rechtsprechung die Anteilenicht bestimmbar. (OGH 28.2.1999, 6 Ob 197/98h)

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RegressEine Solidarschuld liegt nur vor, wenn der Geschädigte vonbeiden Schädigern dieselbe Leistung fordern kann (Kodek inKletecka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 888 Rz 2).

Es liegt daher kein Solidarschuldverhältnis vor, wenn derAuftraggeber vom Unternehmer Verbesserung zu fordern hat.Solidarschuld kann vorliegen bei Folgeschäden oderGeldansprüchen nach § 933a ABGB. (Hussian, Der Regress zwischenBauunternehmer und örtlicher Bauaufsicht, ZRB 2016, 11 ff.)

Besteht ein Verbesserungsanspruch gegen den Bauunternehmerhat der Auftraggeber aus Gründen der Schadensminderungzuerst diesen zu verfolgen, bevor er die Bauaufsicht in Anspruchnimmt. (Hussian, Der Regress zwischen Bauunternehmer und örtlicher Bauaufsicht,ZRB 2016, 11 ff.)

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Regress

Jeder Solidarschuldner haftet dem Gläubiger (= geschädigterAuftraggeber) für die ganze Schuld (= Schaden).

Voraussetzung für den Regress § 896 ABGB ist das einSolidarschuldner mehr an den Geschädigten gezahlt hat, als erim Innenverhältnis zwischen den Solidarschuldnern zu tragenhat.

Im Innenverhältnis ist zwischen Bauunternehmer undBauaufsicht im Wege des Regresses ein Ausgleich zu schaffen,der sich nach dem jeweiligen Verursachungs-, Rechtwidrigkeits-und Schuldanteil jedes einzelnen Mitschuldners richtet (OGH15.5.2012, 3 Ob 55/12b).

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Regress

In der Praxis ist bei Vereinbarungen über dieSchadensbegleichung zu beachten, dass die Vereinbarungzwischen dem Gläubiger (in der Regel der Bauherr) und einemeinzelnen Solidarschuldner, die Regressansprüche der anderenSolidarschuldner nicht beeinträchtigt (OGH 7.2.1983, 1 Ob772/82).

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Kontakt: Mag. Wolfgang [email protected]

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