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FREINBERGER STIMMEN 9 Als Folge zum Beitrag „Das Wirken der Jesuiten in Linz zur Zeit von Reformation und Gegenreformation“ der Freinberger Stimmen 2005 1 gilt es nun, die weiteren Wirkensstätten der Jesuiten im Ober- österreich des 17. u. 18. Jahrhunderts – verbunden mit den daraus resultierenden seelsorglichen und kulturellen Aufgaben – zu beleuchten. An dieser Stelle sind das Kolleg zu Steyr und die Residenz in Traun- kirchen zu nennen. In dieser Folge der Freinberger Stimmen soll die erstgenannte Niederlassung Gegenstand ausführliche- rer Betrachtung sein: das Kolleg in Steyr zählte zu den kleineren Niederlassungen der österreichischen Provinz des Jesui- tenordens und folgt in Art und Weise der Gründung einem bereits ausgebildeten Schema, das sich in den vorausgehenden Gründungen des Jesuitenordens in den habsburgischen Ländern 2 ausgebildet hat: Zuweisung von geeigneten provisorischen Räumlichkeiten und liturgischen Räumen an die ersten ankommenden Jesuiten auf kaiserlichen Befehl hin, sofortige Auf- nahme des Unterrichtsbetriebes unmittel- bar nach Eröffnung der Niederlassung, Einbindung der ortsansässigen Bevölke- rung in die katholische Liturgie bzw. Kre- ation von neuen Formen der Volksfröm- migkeit und des religiös motivierten Brauchtums, Organisation des religiösen Lebens mittels neu gegründeter Bruder- schaften und Marianischer Kongregatio- nen, Errichtung endgültiger Kollegs-, Die Jesuiten in Oberösterreich zur Zeit von Reformation und Gegenreformation – ihr Wirken in der „Eisenstadt“ Steyr (1632–1773) Mag. Wilhelm Remes Zwei Putti halten das IHS-Emblem; Detail des Tür- sturzes des Eingangsportals der ehemaligen Jesui- tenkirche St. Michael in Steyr; Das Signet der Gesellschaft Jesu „IHS“ symbolisiert den Namen Jesus; exakt ist es eine Abkürzung des griechi- schen Namen für Jesus (IH – SU – S). Jesuiten 06:Umbruch_001_090 29.10.2008 16:26 Uhr Seite 9

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Als Folge zum Beitrag „Das Wirken derJesuiten in Linz zur Zeit von Reformationund Gegenreformation“ der FreinbergerStimmen 20051 gilt es nun, die weiterenWirkensstätten der Jesuiten im Ober-österreich des 17. u. 18. Jahrhunderts –verbunden mit den daraus resultierendenseelsorglichen und kulturellen Aufgaben– zu beleuchten. An dieser Stelle sind dasKolleg zu Steyr und die Residenz in Traun-kirchen zu nennen. In dieser Folge derFreinberger Stimmen soll die erstgenannteNiederlassung Gegenstand ausführliche-rer Betrachtung sein: das Kolleg in Steyrzählte zu den kleineren Niederlassungender österreichischen Provinz des Jesui-tenordens und folgt in Art und Weise derGründung einem bereits ausgebildetenSchema, das sich in den vorausgehendenGründungen des Jesuitenordens in denhabsburgischen Ländern2 ausgebildet hat:

Zuweisung von geeigneten provisorischenRäumlichkeiten und liturgischen Räumenan die ersten ankommenden Jesuiten aufkaiserlichen Befehl hin, sofortige Auf-nahme des Unterrichtsbetriebes unmittel-bar nach Eröffnung der Niederlassung,Einbindung der ortsansässigen Bevölke-rung in die katholische Liturgie bzw. Kre-ation von neuen Formen der Volksfröm-migkeit und des religiös motiviertenBrauchtums, Organisation des religiösenLebens mittels neu gegründeter Bruder-schaften und Marianischer Kongregatio-nen, Errichtung endgültiger Kollegs-,

Die Jesuiten in Oberösterreichzur Zeit von Reformation und Gegenreformation – ihr Wirken in

der „Eisenstadt“ Steyr (1632–1773)

Mag. Wilhelm Remes

Zwei Putti halten das IHS-Emblem; Detail des Tür-sturzes des Eingangsportals der ehemaligen Jesui-tenkirche St. Michael in Steyr; Das Signet derGesellschaft Jesu „IHS“ symbolisiert den NamenJesus; exakt ist es eine Abkürzung des griechi-schen Namen für Jesus (IH – SU – S).

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Schul- und Kirchenbauten sowie die Ent-wicklung zu einem der kulturellen Mittel-punkte der betreffenden Stadt (Schul-theater und Prozessionen). Hinzuweisenist auf die relativ späte Gründung des Kol-legiums zu Steyr (1632), das zu diesemZeitpunkt eine mehrheitlich protestanti-sche Bevölkerung umfasste; während-dessen die Rekatholisierung zu diesemZeitpunkt in den benachbarten habsbur-gischen Ländern bereits vor dem erfolg -reichen Abschluss stand. Zu Beginn des Beitrages über die Errich-tung der Niederlassung der Jesuiten inSteyr sei ein kurzer skizzenhafter Rückblickauf die politische und religiöse Entwik-klung in Oberösterreich im allgemeinen3

bzw. in Steyr im speziellen erlaubt. Bereitsfünf Jahre nach Martin Luthers Anschlagder 95 Thesen in Wittenberg (1517)bekannte sich der der adelige ChristophJörger, Sohn des Hauptmannes ob derEnns, zum protestantischen Glauben. Esfolgten ihm seine Eltern, die maßgeblichenAdelsgeschlechter des Landes sowieschließlich der überwiegende Teil derUntertanen4. Das zentrale Prinzip desAugsburger Religionsfriedens – „cuiusregio, eius religio“ –, nach dem der jewei-lige Landesherr das Recht hat, die Reli-gion seiner Untertanen zu bestimmen,blieb in den katholischen Ländern vorerstohne nachhaltige Konsequenzen. Viel-mehr hatte „um 1590 der Protestantismusin Oberösterreich seinen Höhepunkterreicht“5. Zwar gab es ab 1592 in derPerson des katholischen Landeshaupt-manns Hans Jakob Löbl von Greinburgerste gegenreformatorische Maßnahmenwie Ausweisung von protestantischen Pre-digern und Lehrern sowie die ersteAnsiedlung von zwei Patres des Jesuiten-ordens in Linz (P. Georg Scherer SJ, P.Georg Zehender SJ) ab 1600; jedoch blie-ben die genannten Maßnahmen vorerstohne nachhaltige Wirkung. Die latente

finanzielle Abhängigkeit des habsburgi-schen Landesherrn gegenüber denzumeist protestantischen Ständen sowiedynastische Auseinandersetzungen inner-halb des habsburgischen Herrscherhau-ses gestatteten de facto freie Religions-ausübung im Lande ob der Enns. Nach-dem Erzherzog Matthias als Gegenlei-stung für die Unterstützung im„Bruderzwist“ des Hauses Habsburg denStänden des Landes ob der Enns in der„Kapitulationsresolution“ (1609) freieReligionsausübung zusicherte, kam es imLande ob der Enns zu einer letzten Hoch-blüte des ständisch-evangelischen Lebens,wie es sich beispielsweise in der Anstel-lung des Astronomen Johannes Kepler ander evangelischen Landschaftsschule inLinz manifestierte.Das am Zusammenfluss von Enns undSteyr gelegene und seit 1287 zur Stadterhobene Steyr erreichte um 1443 seinenwirtschaftlichen und kulturellen Höhe-punkt und avancierte in dieser Phase zurwichtigsten und reichsten Stadt nachWien im österreichischen Teil des Habs-burgerreiches. Diesen Umstand hatte dieStadt der Nähe zum steirischen Erzbergzu verdanken – verbunden mit der dar-aus resultierenden Verarbeitung und Ver-marktung des Eisens. „Die umfangreichenund teilweise sehr persönlichen Bezie-hungen der Steyrer Bürger und Kaufleutezu den großen Handelsstädten Deutsch-lands machten sie schon früh empfäng-lich für neue Ideen und Geistesströmun-gen.“6 Zudem verbargen sich häufig hin-ter dem Streben nach neuem religiösemBekenntnis schlichte profane Gründe,sprich das Streben nach politischer Unab-hängigkeit vom habsburgischen Landes-herrn. In Steyr werden bereits 1525 ersteAnzeichen der Verbreitung von verdäch-tigen Lehren gemeldet. So griff der Fran-ziskanermönch Calixtus „in seinen Pre-digten heftig die sogenannten Missbräu-

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che der katholischen Kirche an, die Jahr-tage, Totenbriefe, und viele Zeremonien,mahnte die Leute von den damalsgewöhnlichen Opfern ab und betrieb dieErrichtung einer Sammlung für dieArmen“7. Dr. Johann Faber, BeichtvaterErzherzog Ferdinands und nachmaligerBischof von Wien wurde nach Steyrgesandt, „um über den Zustand der Reli-gion, und die Reformation ein wachsa-mes Auge zu haben“8. 1543 verließen dieDominikaner infolge mangelnder Unter-stützung durch die mehrheitlich prote-stantische Bevölkerung die Stadt Steyr,1554 wurde offiziell der protestantischeGottesdienst in der Stadtpfarrkirche ein-geführt. Bereits vor 1558 gilt die Existenzeiner evangelischen Lateinschule alssicher.9 Die 1599 von LandeshauptmannLöbl verfügte Ausweisung evangelischerPrediger und Pfarrer sowie die damit ein-her gehende Schließung der Lateinschuleblieb letztlich ohne Konsequenz. DieBevölkerung hing insgeheim weiterhin derneuen Lehre an, 1608 war der Zustandvor 1599 wieder hergestellt; im Jahr 1617zählt Jakob Zetl lediglich 18, im Jahr 1621

gar nur 16 katholische Bürger10; diegenannten Zahlen rechtfertigen dieBezeichnung Steyrs als „Bollwerk desLuthertums“11. Einige der wenigen ver-lässlichen verbliebenen katholischen Restestellten die 1604-1624 bestehende katho-lische Lateinschule als auch die Bemü-hungen des Abtes Anton Spindler vomnahe gelegenen Stift Garsten dar, dem esgelang, 1616 die Schlüssel für die Bru-derhaus- und Spitalkirche zurückzuerhal-ten. Die Ansiedlung der Kapuziner im sel-bigen Jahr ist ebenfalls den Bemühungendes genannten Abtes zuzuschreiben12.

Blick auf die zweitürmige ehem. JesuitenkircheSt. Michael, errichtet in den Jahren 1635–1677sowie rechts davon der dreiflügelige Kollegstraktder Jesuiten, errichtet in den Jahren 1657–1667,er bietet heute dem Bundesrealgymnasium Platz.Der kleinere Turm links gehört zur ehem. Spitals-kirche (heute zum Pfarrhof umgebaut); in dieserKirche hielten die Jesuiten unmittelbar nach derAnkunft in Steyr (1632) ihre ersten Messen (biszur Einweihung der neuen Kirche St. Michael –1648). In den Jahren 1763–1771 erhielt der Giebel von St. Michael sein weithin sichtbaresAußenfresko, das die drei Erzengel Michael,Gabriel und Raphael zeigt (1977 rekonstruiert).

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1619 allerdings begann sich das Blatt all-mählich zu wenden; das Land ob der Ennsgeriet unter die streng katholisch ausge-richtete bayerische Pfandherrschaft unterAdam Freiherr von Herberstorff; nach derNiederlage der protestantischen Union-struppen auf dem Weißen Berg bei Prag(1620) waren die protestantisch gesinn-ten oberösterreichischen Stände politischentmachtet. Zwei kaiserliche „Reforma-tionspatente“ der Jahre 1624/25 ver-nichteten die Existenzgrundlage der pro-testantischen Konfession. In Steyr erschie-nen am 9. Oktober 1624 zwei kaiserlicheKommissäre, die die Schließung allerlutherischen Kirchen und die Ausweisungaller protestantischen Prediger und Leh-rer verfügten. Im Jänner 1625 wurde dieNeubesetzung der städtischen Ämter vonSteyr vorgenommen; hier mussten aberaus Mangel an Katholiken erneut Prote-stanten aufgenommen werden13. 1626wurden eingehende Hausdurchsuchun-gen angeordnet; die Steyrer Bürger erhiel-ten mit 8. April eine Frist gesetzt, sich ent-weder katholisch zu bekennen oder aus-zuwandern. „Am 8. April, als die zuge-standene Zeitfrist abgelaufen war, wurdendie Bürger vom Magistrate vorgerufen,um ihre Erklärungen dem Bürgermeisterschriftlich zu übergeben, ob sie katholischwerden wollen, oder nicht; den ersterenwurden die Soldaten ausquartiert [30-jäh-riger Krieg], den anderen aber in dasQuartier gelegt, 10, 20 Mann, ja in dieHäuser der Reicheren auch 100 Mann.“14

Die Reaktion der Verbitterung und desWiderstandes auf solche Maßnahmen imganzen Lande ist hinlänglich bekannt. Derab Mai 1626 von den Bauern getrageneAufstand unter Stefan Fadinger – der inSteyr außerordentlich starke Unterstüt-zung fand15 – wurde bald darauf nacherbitterten Schlachten niedergeschlagenund die Rädelsführer am 26. März 1627hingerichtet. Trotz des Einsatzes von roher

Gewalt und Zwangsmaßnahmen war esin den folgenden beiden Jahrhundertenfür Kirche und Landesfürst das Haupt-problem, „die 1625 nur äußerlich reka-tholisierte Bevölkerung allmählich auchinnerlich wieder für den alten Glaubenzurückzugewinnen“16. Die Gesellschaft Jesu [die Jesuiten] hattemit ihren vorangegangenen Gründungenin den habsburgischen Ländern bereitsden Beweis erbracht, dem genannten Pro-blem beikommen zu können, einerseits

Die dreigeschossige Fassade von St. Michaelbesitzt ein monumentales Portal mit der InschriftHIC DEUM ADORA (hier bete Gott an; links u.rechts die Zahlen 16 u. 77; sie ergeben das Jahrder Fertigstellung 1677). Darunter das eingangsbeschriebene IHS-Emblem. In der Zone darüberdie Statue der Gottesmutter mit dem Jesuskind,flankiert von den Statuen der Apostel Petrus undPaulus anstelle von zwei barocken verschollenenStatuen von 1737 (Hl. Aloisius v. Gonzaga SJ u.Hl. Stanislaus Kostka SJ).

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durch oben beschriebenes Gründungs-schema, anderseits durch eine Vorge-hensweise, die in „einer kompliziertenMischung aus Beschränkungen und Anrei-zen bestand“17. Eine erste Fühlungnahmedurch Jesuiten in Steyr hat es 1607 inForm des Besuches des hochbetagten P.Bartholomäus Vilerius SJ mitsamt mehre-ren Jesuitenpatres gegeben18, der alsErgebnis der Bemühungen durch den Abtvon Garsten und den Bischof von Passau– ein Jesuitenkolleg zu gründen – gese-

hen wird19. Jedoch ist erst 1630 das Jahrdes Anstoßes für eine neue Niederlassungder Jesuiten in Steyr: Am 9. Juni besuchteKaiser Ferdinand II. mitsamt großemGefolge auf dem Weg zum Reichstagnach Regensburg die Stadt Steyr. Am dar-auf folgenden Tag wohnte er den Fron-leichnamsfeierlichkeiten bei, bei denender kaiserliche Hofprediger und Jesuit P.Johann Weingartner20 eine Predigt hielt21.Kaum zwei Monate später – am 6. August– erging der kaiserliche Befehl „wegenaufnehmbung der Herrn Jesuiter alheroauf Steyr Kommen, und haben bey demSpitall volgente 11 Heusser einzuraum-ben begehrt,…, diese 11 Heusser habenSie von der Statt Zu Erbauung ihres Col-legio und Kirchen begehrt, welche ihnender Magistratt Verwilligt, Weillen auf Tha-lyss dissen Heussen gar vill Pupillen gel-ter anligent waren.“22 Die desaströseFinanzlage der Stadt Steyr – mehr als 200von 600 Häusern23 standen infolge Ver-armung und Emigration von protestanti-schen Bürgern leer und bedingten einenmassiven Steuerausfall – ermöglichte es

Die heute erhaltene Einrichtung der Kirche wurdezum größten Teil in der Zeit des Spätbarocks bzw.im beginnenden Klassizismus geschaffen und isterwartungsgemäß der dem Jesuitenorden typi-schen Ikonographie verhaftet. Das Hochaltarbildmalte 1769 der in Steyr ansässige Meister FranzXaver Gürtler. Es widmet sich ganz dem Kirchen-patron, dem Erzengel Michael, der hier als Siegerüber Luzifer und dessen Anhang hervorgeht. DasMotiv des Erzengels Michael ist bei den Jesuitenrecht häufig anzutreffen, so auch in München, wobereits im 16. Jhdt. die frühbarocke JesuitenkircheSt. Michael errichtet wurde. Im Chorschluss ist dasIHS-Emblem von bemerkenswerter Größe inner-halb eines Strahlenkranzes (Sonnenstrahlen) zuerkennen.

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vorerst nicht, die Häuser von den lasten-den Schulden freizukaufen und diese denJesuiten zuzuweisen. Einer nochmaligenkaiserlichen Aufforderung des Jahres 1631folgte die Entsendung von Schätzkom-missären; mittels konfiszierter Gelder wur-den die Häuser schließlich angekauft24.Kaiser Ferdinand II. wies eine Summe von8000 Gulden an; es konnte mit der Adap-tierung der Häuser begonnen werden. Alseigentlicher Fundator gilt jedoch der JesuitGraf Bernhard von Thonhausen, dessenMutter seinen zufallenden Erbteil demKolleg als Fundation anwies; sie „betrug50000 Gulden, die bei der Landschaft inGraz angelegt waren und jährlich 3000Gulden Zinsen trugen, von denen 14-15Personen unterhalten wurden“25. Am 14.Juli 1632 kam P. Marcus Noel SJ – vor-mals Feldseelsorger des Grafen Mansfeld,nachmals Beichtvater der polnischen Köni-gin – vom Jesuitenkolleg in Linz nachSteyr um besagte 11 Häuser gegenüberdem Bürgerspital zu übernehmen. Zudemwurde die „Spitalkirche mit der gottes-dienstlichen Ausstattung mit Zustimmungdes Abtes von Steyr-Garsten zur Benüt-zung zugewiesen“26. Der neuerlich auf-flammende Bauernaufstand unter JakobGreimbl nötigte die aus Graz anreisendenJesuiten für mehrere Wochen die Gast-freundschaft des Abtes von Admont inAnspruch zu nehmen. Zur Unterstützungdes P. Superiors [Noel SJ] werden dreiPatres, ein Magister und ein Laienbruderberufen und die Residenz am 3. Novem-ber eröffnet. „Nach dem feierlichen Hoch-amt, das der Abt von Steyr-Garsten hält,und der Predigt des P. Superior über dieGesellschaft Jesu und die Erziehung derJugend, wird den Gästen im Speisesaalein Mahl gegeben.“27 Der Magistrat derStadt Steyr hatte den Jesuiten ein weite-res Haus für ein Seminar übergeben mitder Bedingung einen Bürgersohn vonSteyr unentgeltlich in der Musik und den

Wissenschaften zu unterrichten und ihmden nötigen Unterhalt zu verschaffen.28

In den nächsten Jahren erfolgen dieBemühungen und Fortschritte seitens derJesuiten in geballter Abfolge um dem Sta-tus eines vollwertigen Kollegs gerecht zuwerden: Am Tag nach der Eröffnungsze-remonie wird am 4. November der Schul-betrieb eröffnet; anfangs erscheinen nurzwei Schüler, nach kurzer Zeit allerdingsbereits 40, 1649 bereits dreimal soviel(120), von denen 18 in geistliche Ordeneintreten29; drei Jahre nach Eröffnung desSchulbetriebes erreicht man bereits dieNormgröße des sechs-klassigen Schulsy-stems nach dem Prinzip der „Ratio stu-diorum“30. 1633 werden die ersten bei-den Schultheateraufführungen geboten,erstere am Faschingssonntag 1633 internvor geladenen Gästen, die zweite öffent-lich zum folgenden Schulende. Der Per-sonalstand der 1634 zum unabhängigenKolleg erhobenen Residenz31 erhöhte sichbinnen eines Jahrzehnts von 5 auf 15. ImJahr 1633 beklagen die Litterae Annuae(in der Folge abgekürzt mit LA bezeich-net) die Beengtheit der Spitalkirche infolgesteigenden Kirchenbesuchs32; 1634 wer-den erstmals die Schüler der örtlichen Tri-vialschulen zur Katechese in die Spitals-kirche gebracht33; in den ersten Jahrenwerden jährlich zwischen 200-300 Bekeh-rungen angegeben. Im Herbst des Jahres1634 ging man mit dem Abriss eines Teilsder 11 zugewiesenen Häuser34 an die vor-dringlichste Aufgabe heran, ein eigenesgroßes Gotteshaus zu errichten, dessenfeierliche Grundsteinlegung rund ein Jahrspäter im Herbst 1635 erfolgte. ImNovember 1635 gründete man zwecksHinführung der Zöglinge zu innerlichemreligiösem Leben die Marianische Kon-gregation der Studenten unter dem Titel„Regina Angelorum nata“. „Sie ist in derFolgezeit oft das tragende Element beider dramatischen Ausgestaltung von Pro-

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zessionen und anderer liturgischerAnlässe“.35 Erste Prozessionen – unterreger Teilnahme des Volkes – sind an denSaturnalia [22-24. Februar] des Jahres1637 verzeichnet: „An den dreitägigenProzessionen zur Verehrung der hl. Eucha-ristie nimmt eine große Zahl Büßenderteil“.36

Der uneinheitliche Fortgang der baulichenEntwicklung von Kirche, Kolleg und Schul-bau ging stets mit der nahezu ständigschwankenden wirtschaftlich-finanziellen

Situation der Jesuiten in Steyr einher, dieerst im 18. Jhdt. ein gewisses Maß an Sta-bilisierung erfährt. Im Falle des Kirchen-baus erweist sich der mit Graf Bernhardvon Thonhausen verwandte Graf Johan-nes Udalrich von Eggenberg mit einerSumme von 10000 Gulden als der größteWohltäter. Infolge der geringen Budge-tierung geht der Kirchenbau, dessenursprüngliche Pläne nicht mehr erhaltensind37, schleppend voran. Erst 1640 wer-den in den LA weitere Fortschritte gemel-det. 1641 konnte das Dach aufgesetztwerden; 1642 wäre das Gewölbe desChorraums an die Reihe gekommen,mangels vorhandener Finanzen geschiehtdies erst 1644. Drei Jahre später konnteder provisorische Messbetrieb aufge-nommen werden; zu Maria Immaculata(8.Dez.) 1648 erfolgte die feierliche Ein-weihung durch den Weihbischof von Pas-sau, der auch die Prälaten von Garsten,Gleink und Seitenstetten beiwohnten38.Der letztlich erst 1677 fertig gestellte Kir-chenbau folgt der Konzeption des Wand-pfeilertypus (einschiffiger Hallenraum,

Blick auf die 1770 errichtete Kanzel, im Relief dasbeliebte Fischfangmotiv darstellend (man denkean die Fischerkanzel in der ehem. Jesuitenkirchezu Traunkirchen); am Schalldeckel das Wappender in Steyr beheimateten fürstlichen Stifterfami-lie Lamberg, darüber bekrönt durch die Statue desguten Hirten. Zudem erlaubt uns das Bild einenBlick in die straff und recht schmal ausgeführtenSeitenkapellen, die allesamt zum Hochaltar hinausgerichtet sind (eine gemeinsames Merkmal innahezu allen damals errichteten Jesuitenkirchenim deutschsprachigen Raum). In den Gewölbensind wiederum zwei Monogramme angebracht –links MRA (Maria); rechts IHS.

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jeweils drei Seitenkapellen an beiden Sei-ten, klare und straffe Gliederung derKapellennischen und der darüber befind-lichen gleich hohen Emporen). Einem neuentwickelten Erklärungsmuster von Wil-helm Deuer gemäß steht der Bau in einerReihe mit den zuvor errichteten Jesuiten-kirchen – Klagenfurt (von den Jesuitenbereits 1604 fertig von den Protestantenübernommen und geringfügig adaptiert)Judenburg (1621-1658) sowie mit dennachfolgend errichteten Gotteshäusernin Görz und Leoben39. Parallel zur Errichtung des dem Hl. Michaelgeweihten Kirchenbaues wird das Strebennach stetiger Vergrößerung des bisherbeschränkten Platzangebotes im Bereichdes Schulbetriebes und des Wohnbereichsder Ordenspatres sowie nach wirtschaft-licher Selbständigkeit ersichtlich; 1639 wirdin den LA von zwei erworbenen Gärten[auf der Ennsleite] gesprochen40, „1651wurde Pfarrer Friedrich Koller aus Sierningzum Fundator des Seminars zum Hl.Schutzengel, indem er ein dem Kollegbenachbartes Gebäude auf seine Kostenrichten und mit der notwendigen Aus-stattung versehen ließ, sowie 3000 Gul-den stiftete, aus deren Zinsertrag drei Stu-denten ernährt werden konnten“41. Am12. Dezember 1653 konnten die Jesuiten„das Mayrgut am Taschlried“42 erwerben,gefolgt vom Erwerb des Schlüsselhofes imJahre 165543, damit verbunden waren dasRecht zum Bierbrauen, Ziegel- u. Kalk-brennen; „durch frommes Legat übertrugAnna Barbara von Carlshoffen die Herr-schaft Eggersdorf in Schlesien, die leicht20000 Gulden wert ist, dem hiesigen Kol-leg“44; 1659 schließlich errichtete man um600 Gulden eine eigene Mühle. Da dieJesuiten von den zugewiesenen 11 Häu-sern letztlich nur drei für ihre Zwecke nüt-zen können und diese sich als ungenü-gend erweisen, kommt es in den Jahren1657-1667 zur Errichtung eines dreiflü-

geligen Kollegsbaus an der Ostseite derJesuitenkirche. Der offensichtlich vor-übergehend zufrieden stellenden finan-ziellen Situation – 1659 erwarb man einbenachbartes Wirtshaus um 550 Guldenzwecks Vorbeugung etwaiger Lärmbelä-stigungen45 – folgte im nächsten Jahrzehnteine enorme Verschuldung, sodass 1672gar die Auflösung des Kollegs im Raumstand46. Der noch hinzukommenden Hun-gersnot und außerordentlichen Teue-rungswelle musste durch Hilfe von Drit-

Aufsatzbild des Petrus- und Paulusaltars in zwei-ten Seitenkapelle links: Der hl. Petrus Canisius(Kirchenlehrer, Verfasser des Katechismus im16.Jhdt., 1925 heilig gesprochen, seit 1964 Patronder Diözese Innsbruck) unterweist Kinder inGrundfragen der katholischen Religion. Er verteiltder ihm ungestüm zuströmenden Menge von Kindern Rosenkränze und Katechismusbildchen.

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ten abgeholfen werden: „Seit 1670 halfdie Hofkammer mehrmals mit einer Holz-lieferung aus; seit 1674 sahen sich die Prä-laten von Kremsmünster und St. Florianveranlasst, den bedrängten Patres, die inden Jahren der Missernten nicht einmaldas Geld zum Ankauf des notwendigenBrotgetreides aufbrachten, mit Getreide-lieferungen unter die Arme zu grei-fen…“47 Am 18. Mai 1676 verlor mandurch einen Brand Brauerei, Landgut undScheune mitsamt lebenden Vieh48; im sel-

ben Jahr trat ein weiterer Notstand ein:„Die beim ursprünglichen Bau unvollendetgebliebenen Türme und die gesamteVorderfront der Kirche verfallen immermehr und werden so zur Gefahr für dieEintretenden. Wirbelstürme und Regen-güsse, die schon seit Jahren ungehinderteinströmen können, verursachen weitereSchäden und bringen aus den schlechtbeworfenen Mauern unvermutet Steinezum Absturz. Um weiteren Bauschädenvorzubeugen, wird der Bauschadenschließlich dadurch ganz behoben, indemdie beiden Türme auf die vorgeseheneerforderliche Höhe hochgezogen werden.Dies wird hauptsächlich durch die Hilfeder Prälaten von Kremsmünster und vonSt. Florian möglich…“49 „Mit Hilfe zahl-reicher anderer Wohltäter konnte im fol-genden Jahr auch die seit langem völligverschmutzte Fassade mit neuem Putzund Anstrich, steinernen Figuren und derInschrift ‚16 HIC DEUM ADORA 77’ [Hierbete Gott an – mit dem Jahr der endgül-tigen Fertigstellung] versehen werden.“50

Im Jahre 1678 wird mittels der vom ehe-

Das Altarbild der Ignatiuskapelle (zweite Seiten-kapelle rechts, gemalt v. Franz Xaxer Gürtler,1770) zeigt die Vision zu La Storta: Christus mitdem Kreuz – darüber Gottvater – erscheint demhl. Ignatius bei La Storta, in der Nähe von Romgelegen. Ignatius v. Loyola befand sich 1540 aufdem Weg nach Rom, um seine Ordensgründungdurch Papst Paul III. bestätigen zu lassen. Christuswies auf sein Zeichen IHS und sprach die Worte:„Ego vobis Romae propitius ero“ – „Ich werdeeuch in Rom gnädig sein“.

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maligen Schüler des Steyrer Kollegs –Johannes Christoph von Abeln- und Lilien-berg – gestifteten Summe von 3000Rheintaler die letzte größere baulicheErweiterung vorgenommen: die Errich-tung eines eigenen Schulgebäudes – visa vis vom Kollegsgebäude, heute Michael-erplatz 1351 –, das im Spätherbst 1680seiner Bestimmung übergeben wird. ZweiJahre später (1682) ist die monetäre Situ-ation infolge zahlreicher Zuwendungenbereits dermaßen befriedigend, sodass die

Jesuiten „vom Magistrate um den gerin-gen Preis von 3000 fl. das Schloß auf deruntern Ennsleiten, Engelshof genannt,samt allen Zugehöre [kauften];…Dabeiwar ein schöner großer Garten, welchergewöhnlich an Feiertagen zum Unterhal-tungsplatze der studierenden Jugend,unter Aufsicht der Jesuiten, diente“52. Dasdarauf folgende Jahrhundert ist bis 1773teils von zahlreichen kleineren Verbesse-rungen – 1737 Errichtung eines neuen Kir-chenportals mit zwei neuen Statuen (Hl.

Auf der Altarmensa des Ignatiusaltares befindetsich das Bild des hl. Aloisius von Gonzaga, umge-ben von einem reich geschnitzten Rokokorahmen.Der hl. Aloisius, eine der Jugendpatrone aus demJesuitenorden wird hier mit seinen Attributen dargestellt: Kreuz (Glaube), umgedrehte Krone –hinter dem aufgestellten Buch (Verzicht auf dieväterlichen Güter der Gonzagas v. Mantua), Gei-ßelschnüre (Buße), Lilien (Reinheit u. Keuschheit).

Die Hl. Maria als Schutzmantelmadonna derGesellschaft Jesu (Aufsatzbild des Ignatiusaltars,Franz Xaver Gürtler, 1770). Es handelt sich hierum das beliebte Schutzmantelmotiv; recht außer-gewöhnlich ist die Ansicht deshalb, da wir hier dieseltene Gelegenheit wahrnehmen können, dieversammelte Schar der örtlichen Jesuitenkommu-nität zu sehen. Eine Nachschau in den Provinz-Katalog des betreffenden Jahres ergibt eine annä-hernde Übereinstimmung mit der Zahl der im Bilddargestellten Ordenspatres (Katalog: 12; Bild: 11).

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Aloysius, Hl. Stanislaus Kostka), 1739 Ver-dopplung der Erträge durch die Entlas-sung ungetreuer Verwalter, 1752 gründ-liche Reparatur des Kollegs, 1761 neuerzweiteiliger Stiegenaufgang zur Kirche –,teils von größeren Renovierungsvorhabenwie die weitgehende spätbarocke Neu-ausstattung der Kircheneinrichtunggekennzeichnet. Bezüglich 7. August 1766formuliert der Chronist der LA: „Der gänz-lich faule und zerfressene Hochaltar drohtzusammenzubrechen und dabei nicht nurden messelesenden Priester sondern aucheinen Teil des anwesenden Volkes untersich zu begraben. Daher lässt der P. Rek-tor das Ganze niederreißen. Dann wirdam 7. August mit aller Pracht der Grund-stein für einen Altar aus Stein gelegt, vondem ein Teil noch in diesem Jahr vollen-det wird.“53 Das Bild des Hochaltars – denSieg des Erzengels Michael über Luziferdarstellend – wurde wie die nachfolgen-den weiteren Altargemälde vom in Steyransässigen Künstler Franz Xaver Gürtlergeschaffen54. Zu guter letzt wird als weit-hin sichtbares Zeichen der Stadt Steyr ander Giebelfassade (außen) ein Fresko mitderselben Thematik wie jener des Hoch-altars angebracht, das die Rolle des Kir-chenpatrons Hl. Michael als Patron der„Ecclesia Christiana“ einmal mehr ver-deutlichen sollte55.Nach der Schilderung der baulichen undwirtschaftlichen Entwicklungslinien sollnun auf den Kollegsbetrieb in seinen zweiprimären Aufgabenfeldern Schule undSeelsorge für Steyr und Umgebung nähereingegangen werden: Rund 30 Jahre nachder Einführung der verbindlichen Stu-dienordnung (Ratio studiorum) für allevon Jesuiten geführten Gymnasien undUniversitäten hatte man diese bereits ent-sprechend perfektioniert und fand so inSteyr rasch Anwendung; nach drei Jah-ren Schulbetrieb war auch in Steyr bei denJesuiten das sechsklassige Schulsystem

ausgebildet: Parva (Rudimenta bzw. Vor-bereitungsklasse), Principia oder InfimaGrammatica, Grammatica oder MediaGrammatica, Syntaxis oder SupremaGrammatica, Poesis und Rhetorica. Aller-dings kam es wegen der geringeren Schü-lerzahlen (112 durchschnittlich im 17.Jhdt., 125 im 18. Jhdt.) zur Zusammen-legung von mindestens zwei Klassen zueiner56, sodass in diesem Falle fünf Leh-rer notwendig waren. Das Lehrpersonalwurde meist von ein bis zwei Professorenaus dem Orden sowie mehrheitlich vonden jungen Magistri gestellt. Letzterewaren Jesuitenscholastiker, die nach absol-viertem zweijährigen Noviziat, einjähri-gem Repetitions- und dreijährigem Philo-sophiestudium vier (später drei) Jahre anmehreren von Jesuiten geführten Gym-nasien Unterricht zu leisten hatten,zumeist im Alter von 21 bis 25 Jahren.Danach begannen sie das Theologiestu-dium; erst nach dessen Abschluss erfolgtedie Priesterweihe. Dieser Umstand – ver-bunden mit einem häufigen Lehrerwech-sel für die Schüler – trägt auch Kritik ein:„Es ist wohl auch klar, dass nicht jeder dieentsprechende Neigung oder Veranla-gung für den Unterricht und den Umgangmit jungen Menschen mitbrachte, sodasses manchen Magister57 gegeben habenmag, der den Unterricht pflichtgemäßaber ohne innere Anteilnahme hielt.“58

Dem gegenüber stand die strenge Beauf-sichtigung des Unterrichts und der Lehr-methode durch den Rektor bzw. durchden Präfekten, die die künftigen Lehrervorzubereiten und anzuleiten und regel-mäßige Konferenzen mit den Lehrern zuhalten hatten; alle 14 Tage hatte der Prä-fekt jeden Lehrer zu besuchen und dieordnungsgemäße Durchnahme des vor-geschriebenen Lehrstoffes zu überwa-chen. „Sehr dringe er darauf, dass dieneuen Lehrer die Lehrart und die sonsti-gen Gebräuche ihrer Vorgänger, soweit

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unser Schulsystem nichts dagegen hat,genau beibehalten, damit die Auswärti-gen weniger über den häufigen Lehrer-wechsel klagen.“59 Zum Lehrinhalt selbstformuliert Viktor Trautwein klar struktu-riert: „Die Vorgangsweise war so, dass inden untersten Klassen, Infima und Prin-cipia, gleichsam das ABC der lateinischenSprache betrieben wurde. Man lernte inLatein lesen, schreiben, deklinieren, kon-jugieren, einfacheren Satzbau. In den fol-genden Stufen, Grammatik und Syntax,sollte bereits ein hoher Grad an Sicherheitim Gebrauch des Lateinischen erreichtwerden, damit in den obersten Klassen,Poesis und Rhetorik, der Umgang mitlateinischer Prosa und Dichtung möglichwar und damit schließlich das eigentlicheZiel der sprachlichen Ausbildung, der voll-endete Ausdruck in sicherer Rede voreiner größeren Zuhörerschaft, erreichtwerden konnte.“60 Begleitet wurde die-ser Aufbau in all seinen drei Stufen durchden praxisorientierten Grundsatz: kurzeGrammatiken, häufige und vielgestaltigeÜbungen.61

Binnen weniger Jahre erwarb sich dasGymnasium in Steyr einen „so guten Ruf,daß manche Eltern ihre Söhne von ande-ren Gymnasien abberufen und sie derWissenschaft wegen nach Steyr schik-ken“62. Die transparenten Aufnahmekri-terien eines Jesuitengymnasiums damali-ger Zeit – wie Aufnahme auch von Kin-dern protestantischer Eltern, Aufnahmevon Schülern unabhängig vom Stand derEltern und folglich kostenloser Schulbe-such – waren dem Zuspruch seitens deransässigen Bevölkerung förderlich. „DieJesuiten erwarteten sich [im Falle pro-testantischer Kinder] davon nicht nur, dieKinder doch noch für die römisch-katho-lische Kirche zu gewinnen…, sondern siehofften auch, über die Kinder Einfluss aufdie Eltern zu gewinnen.“63 Wenige Jahrespäter lassen die folgenden Berichte auf

erste Teilerfolge schließen: „Die Studen-ten melden freiwillig lasterhafte und häre-tische Bücher, ebenso Spottlieder; anderehalten die Fasttage strengstens ein; zufrie-den mit Wasser und Brot verachten sieSpott und Drohungen ihrer Angehörigen.Andere wieder nehmen mit aller Kraft denRuf der SJ [Societas Jesu] in Schutz, sobaldsie hören, daß er von Unverschämtengeschädigt wird“64 sowie „Zwei Knabensollen an Fasttagen Fleischspeisen essen;aber selbst die Schläge der Eltern könnenes nicht erzwingen, da sie im Katechis-musunterricht gelernt haben, dies seigegen das Gebot der Kirche. Ein anderer,etwas älter als diese und von Adel, ist imWiderstand so mächtig, daß er durch seinBeispiel seine überaus lästigen Ratgeberlehrt, unerlaubte Fleischspeisen zu mei-den“65. Der Schulbetrieb, der stets vom3. November bis zum 29. September desFolgejahres lief, eine Fünftagewoche mitje 4-5 Unterrichtsstunden aufwies undjeweils Donnerstags einen Vakanztaghatte, war fallweise durch äußerlicheUmstände beeinträchtigt; sei es durch dieoftmals auftretenden Pestepidemien, seies durch kriegsbedingte Wirrnisse undEinquartierungen von Truppen fremderals auch eigener Herkunft. Ein Bericht ausden Jahren des Österreichischen Erbfol-gekrieges zeugt von der massiven Beein-trächtigung des Kollegsbetriebes: „64 Sol-daten, die im Landgut Schlüsselhof ein-quartiert und mit der Militärration nichtzufrieden sind, ernähren sich die ganzeZeit von einer Ration, die sie dem Öko-nom [des Schlüsselhofes] vorschreiben.Außer zwei Militärseelsorgern SJ beziehtder französische Hauptmann, ein Kalvi-ner, mit drei Dienern und einer Köchin,die stehend auf dem Pferd reiten kann,im Kolleg Quartier. Er beansprucht zweineben einander liegende Schlafräumeund, da er außerhalb des Kollegs nicht zuspeisen pflegt, tafelt er auf Kosten des

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armen Kollegs aufs prächtigste. Von Tagzu Tag ist auch die Zahl der Speisen fürdie Dienerschaft zu vermehren. Es wirderforderlich, innerhalb des Kollegs in lär-mender Arbeit einen Pferdestall zu errich-ten. Da die Vorstadtscheune des Kollegsvon 36 Reitern und ebenso vielen Pfer-den besetzt wird, muß auch für die dortbefindlichen Kühe, um sie vor einer ev.Plünderung zu entziehen, im Kolleg einKuhstall errichtet werden. Schwere Nach-teile aber erwachsen daraus, daß zwischender Kirche und einem Bürgerhaus einMehlspeicher zum Brotbacken für dasMilitär errichtet wird.“66

Einen integrierenden Bestandteil des Lehr-planes stellte das Theaterspiel durch dieSchüler dar, dessen öffentliche Vorfüh-rungen nicht nur als Nachweis für denLeistungsstand der Zöglinge der Schuledienten – es galt die Beherrschung derlateinischen Sprache als auch die erwor-

bene Schärfung der rhetorischen Fähig-keiten zu präsentieren –, sondern manwar auch bestrebt, bei dieser Gelegenheitauf die religiöse und sittliche Unterwei-sung der Erwachsenen Bedacht zu neh-men. Zudem entsprachen die Jesuitendem sich entfaltenden barocken Zeitgeist,„indem sie jede Gelegenheit wahrnah-men, der Schaulust und Sinnenfreude derEinwohner entgegenzukommen, umschließlich als Frucht solchen Tuns grö-ßere Erfolge in der Seelsorge zu erzielen,denn noch war die Lehre Luthers in derStadt, insbesondere aber in deren Umge-bung, sehr lebendig“67. In den LA wirdin diesem Sinne fallweise berichtet, dassdie Aufführungen auch den Häretikerngefallen haben, die als Zuschauer in ziem-lich großer Zahl anwesend waren68. Diesorgfältig getroffene Auswahl der Stücke,die außer moralisch-sittlichen Kriterienentsprechend meist auch auf den Anlass

1666/67 baute man an den Chor der Kirche die dreijochige Franz-Xaver-Kapelle an. Der Altar (1770)umschließt das erhaltene Hauptbild seines Vorläufers. Es zeigt den knienden Hl. Franz Xaver mit Lilienzweig in mystischer Verharrung vor der Erscheinung der Gottesmutter mit dem Jesukind(3. Viertel, 17. Jhdt.)

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der Aufführungen abgestimmt waren, lie-ßen das Kolleg zu einem kulturellenMittelpunkt der Stadt Steyr werden.Neben den beiden regelmäßigen Termi-nen des Jahres, dem Faschingssonntagund dem Schulschluss, dessen Datum –29. September – stets mit dem Fest desKirchenpatrons zusammenfiel, den Weihn-achtsspielen, die der Chronist wegen ihrerRoutine69 im häufigsten Fall nichterwähnt, gab es weitere Aufführungenzum Fest des Ordensgründers am 31. Juli,zu diversen Ordensjubiläen sowie insbe-sondere zum Besuch hochgestellter Per-sönlichkeiten des weltlichen oder geist-lichen Standes. So mussten die für die 31.Juli 1646 vorgesehenen Aufführungeninfolge des verspäteten Eintreffens derKaisergattin Eleonora um eine Woche (aufden 7. August) verschoben werden. „Fürden [8.-10. August 1680] Einzug der kai-serlichen Majestäten errichtet das Kollegeine Triumphpforte, die mit Emblemenzierlich ausgestattet ist und die neun Him-melschöre umfasst. Den obersten Teil desWerkes bekrönt der Erzengel Michael insiegreicher Haltung, wie er den Teufel hin-abstürzt, gleichsam ein Vorzeichen deskünftigen Sieges. Überdies wird ein Trom-petenchor von neun Jünglingen in Thea-terkostümen (comici ornatus) über denBau verteilt und erfreut die kaiserlichenMajestäten und den ganzen Hof beimEinzug und jeden Abend während desdreitägigen Aufenthalts.“70 „Einen wei-teren Anlass für schauspielerische Tätig-keit bot die [1686] erfolgte Ernennungdes Grafen Franz Josef Lamberg zum Lan-deshauptmann, der im Vorstadtgarten derJesuiten empfangen und von den Schü-lern der einzelnen Klassen zu seinemneuen Amte beglückwünscht wurde. Fer-ner wurde von einer Hirtenschar, die umeinen Hügel versammelt war, auf dessenKuppe ein Lämmlein weidete, eine Eklogeaufgesagt und getanzt“71, sodass sich

dem Grafen Lamberg eine Allegorie aufseinen Namen (Lamm – berg) darbot. Galtes in den Anfängen des Schultheaters inSteyr vor allem, der heranwachsendenJugend durch die Wahl des Bekehrungs-motivs den Wert des tugendhaftenLebens bzw. die Verabscheuungswürdig-keit des Lasters aufzuzeigen72, umsobeliebter wurde im fortschreitenden 17.Jhdt. die Auswahl vaterländischer bzw.ganz im Zeichen der poetischen Habs-burger-Panegyrik73 stehender Stoffe. 1648bot man den „Maximilianus Austriacus“in einer Freilichtaufführung auf dem Fel-sen hinter der Kirche, der im Laufe derPlanierungsarbeiten für Kirche und Gar-ten teilweise abgetragen worden war undso die ideale Kulisse für dieses Lehrstückvaterländischer Geschichte abgab74. DieThematik – die Errettung des KaisersMaximilian aus der Martinswand / Tiroldurch die hl. Eucharistie – bildete die gün-stige Gelegenheit Herrscherhaus undEucharistie zu verherrlichen. Noch wesent-lich opulenter und tiefsinniger gestaltetsich die Aufführung des Stückes„JEHOVA“ (Gott) aus dem Jahr 1686, dasdie allegorische Verknüpfung zweierHandlungsstränge darstellt: der Sieg derchristlichen Heerscharen unter dem Erzen-gel Michael über die gefallenen Engelbegleitet den (vorhergesagten) siegrei-chen Kampf der Habsburger gegen dieTürken, unterlegt wird dies noch durchdie Permutation der Buchstaben I E O V A(Gott) in A E I O V mit der neuen Ausle-gung „Austria Exclusit Iugo OrientisVngariam [U=V]“75. Als Lehrer der Rhe-torica des Jahres 1686 sowie als Regis-seur des eben genannten Stückes fun-gierte kein Geringerer als Johann BaptistAdolph SJ, der selbst als Magister in derAusbildung stand und durch seine zahl-reichen Schauspiele und Bühnenstücke„Abraham a Santa Clara auf der Schul-bühne“ genannt wurde und zugleich zu

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den bedeutendsten Vertretern des Jesu-itentheaters der österreichischen Provinzgezählt wird.76 Etwas seltener war ein pro-faner Anlass für die Auswahl eines Stückesverantwortlich, wie es aber 1725 dennochanlässlich der 100-Jahrfeier der Innerber-gischen Eisengewerkschaft geschah, wodas Stück „Vulcanus cum Cybele amo-rem ferreum secundis nuptiis instaurans/ Vulkanus, der in glücklicher Ehe mitKybele die eiserne Liebe erneuert“ zurAufführung gelangte. Hier wird das

Bestreben der Jesuiten deutlich, am gesell-schaftlichen und wirtschaftlichen Lebender Bevölkerung teilzunehmen undzugleich aber den erbaulichen Zweck desTheaterspielens nicht zu vergessen77. Ein weiteres Mittel der Seelsorge, daswiederum eng mit dem schulischen Lebenin Verbindung stand, jedoch eine derwesentlichen Methoden der Einbindungaußerschulischer Bevölkerungsteile Steyrsdarstellte, waren die immer häufiger wer-denden Prozessionen, die im wesentlichenvon den Mitgliedern der MarianischenKongregationen und Bruderschaftengetragen bzw. inszeniert wurden. DieSodalen der mittlerweile auf vier ange-wachsenen Vereinigungen – Studenten-kongregation, Bürgerkongregation, Todes-angstbruderschaft und Schutzengel-kongregation – hatten die Traggerüstemit den darauf befindlichen zum Teillebenden Figuren zu stellen; zum Teil inForm von Karfreitags- bzw. Katechisten-prozessionen, die immer opulentere Aus-maße annahmen, sodass 1715 der Chro-nist der LA über mehrere Seiten von der in

Zwei Email-Medaillons, auf einem Messkelch(18. Jhdt), Kirchenschatz St. Michael:Hl. Ignatius von Loyola mit aufgeschlagenemBuch „Ad Maiorem Dei Gloriam;Hl. Franz Xaver mit Lilienzweig, in „flammender“Verbindung mit dem Monogramm IHS.

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zahlreichen Bildern abgehaltenen Kar-freitagsprozession mit all ihren Büßern,Flagellanten und Kreuzträgern berichtet78.Josef Fröhler kommt zum Schluss, dass essich eigentlich in diesem Falle nicht mehrum eine Prozession handelt, sondern vielmehr um „ein in stummen Szenen auf-geführtes Passionsspiel“79. Der ebenfallsin mehreren Bildern und Szenen ablau-fenden Katechistenprozession, die stetsunter der Gestaltung durch die Schut-zengelkongregation von St. Michael zurStadtpfarrkirche geführt wurde, wohntenim Jahre 1757 beachtliche 6000 Perso-nen der öffentlichen Zurschaustellung deskatholischen Glaubens bei80. Die pastoralen Aufgaben beschränktensich jedoch nicht nur auf die Abwicklungder stets im Vordergrund der Berichter-stattung stehenden Einzelereignisse, viel-mehr gab es auch zahlreiche regelmäßigeund beständige Arbeitsfelder – beispiels-weise in der Obsorge von drei Bürgerspi-tälern bzw. Armenhäusern – , die denJesuiten anvertraut wurden: „Die drei vomStadtrat der Gesellschaft Jesu übertrage-nen Bürgerspitäler haben solchen Nutzenerfahren, daß diese die Jesuiten ihre Väternennen. In den beiden entlegeneren wirdjeden Monat an einem Sonntag Predigtgehalten und Messe gelesen, im dritten,dem ansehnlichsten der Stadt, wird täglicheine Messe gelesen und jeden Sonntageine Predigt gehalten. In allen wird nach-mittags zur festgesetzten Zeit Beichtgehört und die Kommunion ausgeteilt.Um sich den Armen im Bürgerspital, des-sen Kirche und Paramente bisher von denJesuiten benützt worden sind, dankbar zuzeigen, unterweisen die Priester SJ diesenachmittags an Wochentagen in der Chri-stenlehre, lehren sie etwas, das zur Bes-serung der Sitten und der Lebensgestal-tung beiträgt oder verrichten mit ihnenGebete für öffentlichen Anliegen.“81

Neben der regelmäßigen Rekrutierung

von Almosen organisierte man zu denfeierlichen Anlässen Gaben größeren Aus-maßes, so zum 100-jährigen Jubiläum derGesellschaft Jesu (1640), wo 1200 Broteund ebenso viele Groschen verteilt wur-den82. An dieser Stelle ist P. NikolausLamormaini SJ zu nennen, der mehr als30 Jahre in Steyr wirkte und „wegen sei-ner Liebe zu den Armen, die er in denHäusern aufsuchte und denen er sowohlgeistlichen Zuspruch als auch materielleHilfe bot“83 als „Vater der Armen“ in derErinnerung der Steyrer Bevölkerung erhal-ten blieb. Stets ist das Kolleg Anlaufstellefür Bedürftige, wie die LA des Jahres 1679berichten: „Von den Toren des Kollegswird niemand, der um Hilfe bittet, abge-wiesen, und nicht nur täglich an gewöhn-liche und notorische Bettler – an einzel-nen Tagen 150 an der Zahl – Brot verteilt,sondern auch Einheimischen wird Hilfegewährt, die manchmal mit freigebigerHand dem Vermögen des Kollegs ent-nommen wird, sofern es die Lage desNotleidenden erfordert.“84 Von diversenregelmäßig wiederkehrenden Katastro-phen wie die Pest oder Hochwasser wur-den auch die Jesuiten nicht verschont. Inden Jahren 1649-1652 verstarben fünfJesuiten an der Pest, darunter der amtie-rende Rektor des Kollegs, Eustachius Sta-hel SJ. Mittels Andachten zur „Verhütungder üblen Seiche“ als auch durch Abhal-tung von so genannten „Infektionsgot-tesdiensten“ versuchte man das Durch-dringen der Seuche zu verhindern.85

Besondere Erwähnung finden das Hoch-wasser des Jahres 1736 und jenes des Jah-res 1761, wo alle drei Brücken weggeris-sen wurden, sodass über sechs Wochenlang im von St. Michael abgeschnittenenEnnsdorf die Gottesdienste im Jesui-tenschlössl (Engelhof) durch auswärtigePatres aus Garsten abgehalten wurden.86

Erstaunlich oft findet man bei genauemStudium der LA Berichte über die Schlich-

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tung von Ehestreitigkeiten, wobei meistdem weiblichen Part die Rolle des Unru-hestifters zugeordnet wird. 1651beschließt ein Steyrer Bürger, „der vonseiner Xantippe furchtbar gequält wird,…,in der Enns seine Ruhe zu suchen. Er stürztsich kopfüber hinein, wird aber von einergrößeren, zweifelsohne himmlischen Kraftans Ufer geworfen. Er wird im Kolleg mitheiligen Gegenmitteln gestärkt und lernt,ein besseres Leben zu führen“87. 1659wird gar jenen das Gift entrissen, das siefür den Ehegatten vorbereitet hatten88.Die Abkehr der „einfältigeren Men-schen“89 von akatholischen Amuletten,die einen „Betrug des Teufels“ darstell-ten, konnte nur insofern erreicht werden,als man „abergläubische Amulette abge-nommen und durch Reliquienanhängerersetzt“90 hatte. Verschiedene Heilungversprechende Mittel wie das Ignatiusölbzw. Ignatiuswasser sowie das damalsverbreitete Aloysiusmehl halfen lediglich,den latent vorhandenen Aberglauben derBevölkerung in geordnete und kontrol-lierbare Bahnen zu lenken. Wesentlich dif-fiziler und auf Nachhaltigkeit ausgerich-tet erscheinen die Einflussnahmen derJesuiten auf Bereiche des städtischenLebens, die nicht unmittelbar unter demEinfluss der Ordensleute standen, so dieBestellung der Lehrer der Trivialschulen:„Über Auftrag des Stadtrates wird eineBefragung der Lehrer an den Trivialschu-len durchgeführt, von denen nur einebestimmte und nach Rechtschaffenheitder Lebensführung ausgewählte Zahlangestellt wird, damit nicht ein von vie-len und gewöhnlichen / Lehrern / inirgendwelchen Winkeln abgehaltenerUnterricht der Kleinen eine schlechtereAusbildung in den Glaubensartikeln undeine weniger rechtschaffene Unterwei-sung in den Sitten biete.“91 Zudem wur-den diese durch Eid verpflichtet, „dieihnen anvertraute Jugend an den vorge-

schriebenen Tagen freiwillig zu den Jesu-iten zur Beicht zu bringen und jedenSonntag sie zum Katechismusunterrichtzu führen“92. Weiters sorgte man sich umdie Aufrechterhaltung der allgemeinensittlichen Ordnung, zu der offensichtlichbürgerlich-städtische Organe zu Hilfegenommen werden mussten: „BeimLandvolk wird der samstägige Fleischge-nuß ausgerottet, wobei die Autorität desbürgerlichen Magistrates Unterstützunggewährt, indem er hie und da Wächteraufstellt, damit er die Übertreter erkenneund mit der verdienten Strafe belege. Mitderselben Vorsichtsmaßnahme sorgt erdafür, daß unmäßige Ausgelassenheit inden Schenken und die Profanierung hei-liger Tage durch morgendlichen Rauschstreng verboten werden.“93

Eine besondere intensive Form der Seel-sorge, vor allem in Gebieten mit ländlicherBevölkerung, stellte die im Jesuitenordenentwickelte und praktizierte Volksmissiondar. Sie bestand in der Regel aus einem8-10-tägigen Aufenthalt eines Missions-paters in einer ausgewählten Pfarre. Ins-gesamt konnte bei Abfolge von mehre-ren solchen Wochen die Missionsreiseeines Paters auch mehrere Monate andau-ern. Das Programm einer Woche war stetsvon einer dichten Abfolge von Predigt,Kommunion, Katechese, Beichte und Buß-andachten geprägt.94 Im 18. Jhdt., als dieVolksmission einen neuen Aufschwungnahm, kamen neue Programmelementein Form von feierlichen Prozessionen,nächtlichen Bußübungen sowie eineintensivere Form der Katechese hinzu. Inder österreichischen Provinz der Gesell-schaft Jesu war für diese Aufgabe einebestimmte Anzahl von Patres abgestellt;die Zahl steigerte sich von vier bis sechskontinuierlich auf 19 (1747).95 Die Kata-loge der österreichischen Provinz SJ wei-sen für den oberösterreichischen Raumfünf Patres (Missionari vagi bzw. missio-

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nari stationarii) aus; Steyr wird zusätzlichmit ein bis zwei Patres versehen.96 Im spe-ziellen Fall von Steyr tragen diese dieBezeichnung „Missionarius per Superio-rem & Inferiorem Austriam Diöcessis Pas-sauviensis.97 Nur fallweise geben die LAAufschluss über die von den Jesuitenmis-sionaren besuchten Orte – meist im Fallevon außergewöhnlichen und berichtens-werten Umständen. Im 17. Jhdt. wirdhäufig das nahe gelegene Sierninggenannt, dessen Pfarrer – Dr. Georg Frie-drich Koller – den Jesuiten sehr zugetanwar98. „In Sierning erzielt die Mission derJesuitenpatres wie auch bisher einenbeträchtlichen Nutzen für die Seelen,indem an höheren Festtagen teils durchPredigen, teils durch Beichthören für dasHeil der Untertanen gesorgt wird. Zu Neu-jahr nimmt ein einziger Pater SJ 216Beichten ab; und wenn die Nachbarschaftzu gewissen Zeiten vom Kommen einesJesuiten hört, strömt sie in solcher Zahlherbei, dass die Menschen nur vom Fried-hof aus der Messe und der Predigt bei-wohnen können.“99 Im Jahre 1647berichtet man: „In der Osterwoche nimmtein einziger Priester SJ in der Mission vonSierning 1120 Beichten ab.“100 Ziel derVolksmissionen waren auch die nahenangrenzenden Gebiete Niederösterreichswie das zwei geographische Meilen101

entferne St. Peter in der Au, das noch1649 unter protestantisch-lutherischerGrundherrschaft der Losensteiner stand:„Die Stadt genießt Glaubensfreiheit undbekennt sich zum größeren Teile zuLuther. Über die Weihnachtstage undeinige vorhergehende Festtage werdendie Jesuiten von Steyr berufen und mitallgemeiner Freude und sogar mit Beifallder Häretiker aufgenommen. Als ersterJesuit betritt der P. Rektor / Paulus Taf-ferner / die Kirche. Ihm werden währendder übrigen Festtage andere zu Hilfegeschickt. 141 Beichten werden abge-

nommen, darunter zwei Generalbeichten.Selbst die vornehme häretische Matrone[Katharina von Losenstein], die zu dieserZeit die Stadt regiert, gibt ihrem Enkel dieMöglichkeit, die erste hl. Beichte beieinem Jesuiten abzulegen, dessen Anblicksie sonst nicht ertragen kann. Diese Mis-sionsstelle bedarf größerer Obsorge. Dader ansonsten verhaßte Name der Gesell-schaft [Jesu] den Menschen dort ange-nehm ist und diese selbst durch diese Aus-hilfe ansprechbarer werden, kann manhoffen, die Bekehrung mit wenig Mühezu erreichen. Überdies will der erwähnteGraf dem Kolleg die Seelsorge nach demTode seiner betagten Schwiegermutter[Katharina von Losenstein] übertragen,zu deren Lebzeiten die Häresie geblühthat und nicht ohne Nachteil für die katho-lische Sache ihre Fühler auch in andereGegenden ausgestreckt hat.“102 Im Zugedes 18.Jhdt. wird erstmals 1724 wiederausführlich von den Volksmissionen inBehamberg und Sierning berichtet; hierwerden jedoch auch Widerstände gegendie Missionshandlungen der Jesuiten sicht-bar, zumeist verursacht von Vikaren derDiözese Passau oder von Stiftsgeistlichen,die um die Einflusssphäre ihrer vorge-setzten kirchlichen Institution in denbetreffenden Gebieten fürchten. In einemFall konnten die Jesuiten durch die Gunstdes Passauer Kanonikus Freiherr von Klesein neues Dekret erlangen, welches einvorhergehendes obsolet werden ließ, dasdie Missionen der Jesuiten untersagt hatte.Im zweiten Fall – im Einflussbereich desStiftes Lambach – wurde gar deprimie-rend festgestellt, „daß damit den Missio-nen der eigentliche Lebensnerv abge-schnitten und diese [die Patres] von ihrereigentlichen Aufgabe abgebracht wer-den“103. Deshalb musste „einige Tage still-gehalten werden, bis der Stadtpfarrer vonVöcklabruck, ein Florianer / chorherr/ vonhervorragender Gelehrsamkeit und Fröm-

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migkeit, die arbeitslosen Seelsorger mitZeichen besonderen Wohlwollens in seineErnte zulässt“104. Die folgenden Berichtegeben neuerlich einige Details über denAblauf bzw. über die betreffenden OrteAuskunft: „Die Mission Sierning, die denPatres soviel Mühe gekostet hat, machtnach den ausgestandenen Widerwärtig-keiten alles wiedergut. Bei den Buß-prozessionen, diegewöhnlich zweimalgehalten werden,trägt die außeror-dentliche Frömmig-keit einer adeligenDame aus einemGrafengeschlechtsehr viel durch ihrBeispiel bei: Sie trägtbei beiden Prozes-sionen freiwillig dasKreuz voran.“105

Der Bericht des Jah-res 1730 weist erst-mals ein weiteresBemühen zwecksErreichung größererNachhaltigkeit inHinsicht auf diegebotenen Inhaltebei der Missionnach: „Mit gleichemEifer betätigt er [derMissionar] sich dreiTage in Wolfing /Wolfern / und fünfTage in Lorch. Damit er übrigens auch inAbwesenheit von Nutzen sei und weiter-wirken könne, verteilt dieser Eiferer inganz Österreich / = Ober- und Nieder-österreich / und in der benachbartenSteiermark 13.000 Büchlein. Ein Teil davontrachtet die Verehrung des Apostels derInder zu verbreiten, andere fordern dazuauf, dem Allerhöchsten insbesondere in

den gefährlichen Tagen des Faschingsihren Glauben zu beweisen, andere wie-der lehren die goldene Kunst, sich ewigeSchätze durch ständige Verehrung desLeidens Christi zu erwerben, und wiederandere bieten die Zusammenfassung des-sen, was zu glauben und zu tun ist. Alldas kommt nicht nur denen zu gute, die

diese Büchlein lesen,sondern auch ihrenFamilien.“106

Im Zuge der ebenerwähnten Befürch-tungen manchesStiftsgeistlichen istjedoch anzumerken,dass die Kontaktezwischen dem Jesu-itenkolleg zu Steyrund der umgeben-den StiftslandschaftOberösterreichs sehrgedeihlich waren;vielmehr erfuhrendie Jesuiten in Steyrmehr an Unterstüt-zung als in somanch andererNiederlassung; diesbetraf vor allem dieVersorgung mitNaturalien sowiediverse finanzielleUnterstützungen fürKircheneinrichtungbzw. – gerät. Immerwieder finden sich in

den LA dankbare Worte: „Der Abt vonKremsmünster / Erenbert II. Schreyvogl /und der Propst von St. Florian / DavidFuhrmann / unterstützen das Kolleg soreichlich mit Getreide, daß sie soweit esdas Brot betrifft, Ernährer des Kollegsgenannt werden können.“107 1640 wirdder Propst von Spital am Phyrn – Nico-laus Aliprandinus de Thomasis – „mit

Der „Hl. Ignatius im Rosenstrauch“; heutigerStand ort im Innenhof an der Außenmauer der

Kirche St. Michael. Die etwas seltsamen „molli-gen“ Proportionen lassen auf einen früheren

luftigeren und erhabeneren Standort schließen.Er trägt einen Stab mit IHS-Emblem sowie ein

aufgeschlagenes Buch, das den Wahlspruch desJesuitenordens zeigt. „Ad Maiorem Dei Gloriam“

– „Zur größeren Ehre Gottes“.

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Recht als Vater und Mäzen sowohl desKollegs als auch der Schule bezeich-net“108. Regelmäßig werden die Oberender ober- sowie jener der nahe gelege-nen niederösterreichischen Stifte als Gästebzw. Teilnehmer der religiös-liturgischenHandlungen bzw. des Schultheatersgenannt. Außerdem wurden – so im Falledes Abtes von Kremsmünster mit der Aus-wahl des Stückes S. Agapitus (1699)109 –zahlreiche Aufführungen zu Ehren derStifte dargeboten. Die Stifte sowie auchdie Cölestinerinnen in Steyr nahmen hin-gegen regelmäßig die Dienste der Jesuitenin Anspruch, in dem diese in regelmäßi-gen Abständen die ignatianischen Exer-zitien erteilten. Detailliert werden insbe-sondere die Dienste bei den Cölestinerin-nen genannt, wo 25 Schwestern an Exer-zitien teilnahmen. „Bei diesen werdendreimal im Jahr an 24 Tagen Einkehrtagevon einem Priester SJ durchgeführt, wobeiAussprachen mit einzelnen gehalten undaußerordentliche Beichten eingerichtetwerden.“110

Die Aufhebung der Gesellschaft Jesu, ver-fügt durch ein Breve Papst Clemens XIV.am 21. Juli 1773, stellt den fatalen End-punkt einer Entwicklung dar, die ganz imZeichen der jansenistischen Strömungenaus den frankophilen Ländern stand undim Habsburgerreich von den nach demUtilitarismus-Prinzip ausgerichteten neuenReformideen der theresianisch-josephini-schen Epoche begleitet wurde111. Auchin Steyr wurden die Eingriffe und Kon-trollmaßnahmen seitens des Staates imSchulwesen immer vehementer. DieDominanz des Lateinunterrichts wurdezugunsten deutscher Übersetzungen, Aus-gabe von deutschsprachigen Lehrbüchernund der Einführung kurzer täglicher Grie-chisch-Übungen zurückgedrängt. Das the-atralische Element wurde zunehmendreglementiert, 1760 schließlich untersagtund bestand allerhöchstens im Rahmen

von Deklamationen bei öffentlichen Prü-fungen weiter. Der Schulbetrieb wurdeab 1759 alljährlich durch den Professorhistoriarum Gaspari visitiert, dessenBerichte die mangelnde Umsetzung derkaiserlichen Instruktionen beklagen.112

Die LA brechen im Jahre 1771 mit ihrenBerichten ab, sodass die Angaben überdie örtlichen Modalitäten der Aufhebungdes Jesuitenkollegs in Steyr unerhellt blei-ben; es ist anzunehmen, dass die behörd-liche Inventarisierung des vorhandenenBestandes und die anschließendeBeschlagnahme ähnlich wie in Linz mitSeptember des Jahres 1773 erfolgten. DasSchuljahr konnte noch beendet werden;danach hörte das Gymnasium zu Steyr zuBestehen auf und riss eine erheblicheLücke in die Bildungslandschaft der Stadt.Die Bemühungen der Bürger der StadtSteyr mit der Bitte an allerhöchste Stel-len, „womit das dasige Jesuiter Collegiummit denen erforderlichen geistlichenbesetzt… und versehen werdenmöchte“113, blieben ohne Erfolg. Abschlie-ßend sei in aller Kürze das weitere Schick -sal der von den Jesuiten genutztenGebäude skizziert: die Kirche St. Michaelwurde 1785 zur zweiten Pfarre Steyrserhoben und trägt u. a. den Namen „Vor-stadtpfarre St. Michael“. Die von denJesuiten mitbetreute Spitalkirche samt Bür-gerspital wurde im josephinischen Geisteprofaniert und zum Pfarrhof umgebaut.Das Kollegsgebäude trägt heute dieAdresse Michaelerplatz 6 und beherbergtseit 1862/63 die Unterrealschule, kurzdarauf um die Oberrealschule erweitertund bietet heute – mit diversen nicht stil-gemäßen Zubauten versehen – Platz fürein vollwertiges Bundesrealgymnasiummit knapp 800 Schülern. Im Gebäude desehemaligen Jesuitengymnasiums – heuteMichaelerplatz 13 – wurde im Jahre 1775eine k. k. Hauptschule eingerichtet. DasJesuitenschlössl, auch Engelhof genannt,

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gelangte 1778 zur Versteigerung; seit1894 befindet es sich im Besitz der Fami-lie Reder und trägt auch den NamenRederschlössl. Die Jesuiten (GesellschaftJesu) selbst kehrten nach ihrer Wieder-zulassung im Jahre 1814 durch Papst PiusVII. 1829 nach Österreich zurück; 1865bekamen sie in Steyr die Marienkirche(ehemalige Dominikanerkirche) zuge-wiesen, in deren angeschlossenen beeng-ten Räumlichkeiten sich bis 1910 das Zen-trum der Volksmission der österreichischenJesuitenprovinz befand. Bis zum heutigenZeitpunkt erfüllen die Jesuiten dort pas-torale Aufgaben, besonders hervorgeho-ben sei die Beichtseelsorge sowie die lang-jährige Führung von Marianischen Kon-gregationen.IHS – Emblem, ländlich-rustikal inspiriert,

Gewölbe der Sakristei von St. Michael, Steyr.

1 Vgl. Freinberger Stimmen, 75.Jg. (2005), S.6-26. 2 Beispielgebend sei eine Auswahl mit dem Gründungsjahr

angegeben: Wien 1551, Prag 1556, Tyrnau 1561, Inns-bruck 1561/62, Olmütz 1566, Hall i. Tirol 1569, Graz1573, Klausenburg, 1579, Laibach 1597, Linz 1600/08,Klagenfurt 1604, Agram 1606, Passau 1605/12, Leoben1613, Krems 1616, Judenburg 1621 etc.

3 Vgl. eingehender in den Freinberger Stimmen, 75.Jg.(2005), S.6-26.

4 Hans Sturmberger: Der oberösterreichische Bauernkriegvon 1626 im Rahmen der Landesgeschichte, in: Der ober-österreichische Bauernkrieg 1626. Ausstellungskatalog desLandes Oberösterreich (Linz 1976), S.1-14, hier S.3. Vgl.darüber grundsätzlich Karl Eder: Glaubensspaltung undLandstände in Österreich ob der Enns (Linz 1936).

5 Ebenda S.3f.6 Raimund Locicnik: Die Stadt Steyr, in: Rudolf Lehr: Lan-

deschronik Oberösterreich, S.42f.7 Franz Xaver Pritz: Beschreibung und Geschichte der Stadt

Steyr und ihrer nächsten Umgebung. Steyr 1837. Nach-druck Steyr 1965. S.195.

8 Ebenda, S.194.9 Josef Fröhler: Von der Klosterschule zum Gymnasium. Das

höhere Schulwesen in Steyr von 1500 bis 1773, in: Fest-schrift anlässlich der Renovierung der Marienkirche. 500Jahre Dominikaner und Jesuiten in Steyr, hg. v. ManfredBrandl. Steyr 1978. S.17-24, hier S.18f.

10 Jakob Zetl: Die Chronik der Stadt Steyr 1612-1635, revi-diert u. redigiert v. Ludwig Edlbacher, in: 36. Bericht überdas Museum Francisco-Carolinum nebst der 30. Lieferungder Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob derEnns, S.1-136, hier S.12 u. 26.

11 Locicnik (Anm. 6), S.12.12 Pritz (Anm.7), S.242f.13 Ebenda, S.254.14 Ebenda, S.256.15 Am 31.Mai/1.Juni 1626 hielt sich Stefan Fadinger in Steyr

auf; die Steyrer Bürger Stadtrichter Wolf Madlseder undDr. Lazarus Holzmüller wurden 1627 als Rädelsführer desAufstandes hingerichtet.

16 Alois Zauner: Tausend Jahre Oberösterreich, in: TausendJahre Oberösterreich. Das Werden eines Landes. Katalogzur Ausstellung des Landes Oberösterreich (Linz 1983).Beitragsteil S.1-21, hier S.12.

17 Robert J. Evans: Das Werden der Habsburgermonarchie1550-1700 (Wien ?1989), S.104.

18 Wolfgang Lindner: Die Annalen (1590–1622). Hg. v. Kon-rad Schiffmann im Archiv für die Geschichte der DiözeseLinz VI. u. VII. Jg., Linz 1910. S.159.

19 Josef Fröhler: Zur Geschichte der Schule und des Schul-dramas der Jesuiten in Steyr (1630–1773), in: OÖ. Hei-matblätter, Jg. 9. Heft 2/3, S. 131–146, hier S. 131.

20 Laut Ladislaus Lukacs S. J: Catalogi personarum et offi-ciorum Provinciae Austriae S. I. (=Monumenta HistoricaS. J. Vol. 125, Rom 1982), Bd. II. (1601–1640), S.785 warP. Weingartner S.J. 1627–1638 kaiserlicher Hofprediger.

21 Pritz (Anm.7) S. 278f.22 Zetl (Anm.10), S. 110f. Der Begriff Pupille steht als Rechts-

begriff für Mündelgeld bzw. für das zu verwaltende Ver-mögen für Waisen.

23 Pritz (Anm.7) S. 289f.24 Ebenda, S. 279f.25 Bernhard Duhr SJ: Geschichte der Jesuiten in den Ländern

deutscher Zunge. II.Bd/1 (Freiburg i. Br. 1913) S.332.Anm.5.

26 Regesten betreffend das Collegium S. J. in Steyr nach denLitterae Annuae Provinciae Austriae Societatis Jesu, bearb.v. Dr. Josef Fröhler, 2 Bde. (Linz 1981-84) I Nr.4 (in derFolge kurz z.B.: LA I Nr.4)

27 LA I Nr.6.28 Pritz (Anm.7), S.285. In der Folge steigt die Anzahl der

Stiftsplätze auf fünf.29 LA I Nr.152q.30 Die Ratio studiorum, in der Fassung von 1599, stellt die

einheitliche Studienordnung der Gesellschaft Jesu dar, diein allen Kollegien des Ordens anzuwenden war, vgl. dazuBernhard Duhr: Die Studienordnung der Gesellschaft Jesu(Freiburg i. Br. 1896).

31 Bisher vom Jesuitenkolleg zu Linz abhängig, erster Rec-tor war bis 1636 der bisheriger P. Sup. Marcus Noel SJ

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32 LA I Nr. 13b.33 LA I Nr. 19e.34 1632 hatten die Jesuiten zunächst nur drei Häuser bezo-

gen. Vgl. LA I Nr.13 h35 Josef Fröhler: Aus der Geschichte der Jesuiten in Steyr.

1632-1773. Maschinenschriftliche Niederschrift des Vor-trags, gehalten in Steyr 1977, S.7.

36 LA I Nr.32.37 Alexander Kronsteiner: Zur Baugeschichte der Kirche in

Steyr, in: Österreichische Ingenieur- und Architektenzeit-schrift, 143.Jg., Heft3/1998, S.132f.

38 Vgl. LA I Nr.55j, 74a, 80h, 91m, 119e, 136/37.39 Dieser „Wandpfeilertyp“ zeigt sich erstmals in der Kla-

genfurter Jesuitenkirche, die jedoch zuvor von den pro-testantischen Ständen errichtet worden war und erstdanach den Jesuiten übergeben wurde. Vgl. WilhelmRemes: Bericht über das Symposium – Die Jesuiten inInnerösterreich, in: Jesuiten intern, Nr.1 (Feb.2005), S.30-33 sowie Wilhelm Deuer: Die protestantische Dreifaltig-keitskirche in Klagenfurt und ihre Umwidmung in eineJesuitenkirche, in: France M. Dolinar u.a.(Hg.): Katholi-sche Reform und Gegenreformation in Innerösterreich1564-1628 (Klagenfurt u.a. 1994), S.637-654.

40 LA I Nr.50.41 Josef Fröhler: Die Rektoren, Seminarregenten und Lehrer

am Gymnasium der Jesuiten in Steyr, in: Josef Fröhler: Bei-träge zur Geschichte des Kollegiums S. J. in Steyr 1632-1773 = Veröffentlichungen des Kulturamtes der StadtSteyr, Heft 36 – Dez. 1985; S.71-119.

42 Volker Lutz: Steyr und die Jesuiten 1632-1773, in: Fest-schrift anlässlich der Renovierung der Marienkirche. 500Jahre Dominikaner und Jesuiten in Steyr, hg. v. ManfredBrandl. Steyr 1978. S.11-16, hier S.13.

43 Pritz (Anm.7), S.300 u. Josef Fröhler sprechen von 1655;Volker Lutz (Anm.42) nennt das genaue Datum 27.9.1651;die LA geben darüber keine Auskunft.

44 LA I Nr. 202i.45 LA I Nr. 195m.46 Bernhard Duhr SJ: Geschichte der Jesuiten in den Ländern

deutscher Zunge. III.Bd. (München-Regensburg 1921),S.201.

47 Fröhler (Anm.19), S.137.48 LA I Nr. 261.49 LA I Nr. 263.50 Fröhler (Anm. 35), S.12.51 Viktor Trautwein: Die Jesuiten am Michaelerplatz in Steyr,

in: 97. Jahresbericht des Bundesrealgymnasium Steyr1979/80. S.18-38, hier S.25.

52 Pritz (Anm. 7), S.306.53 LA II Nr. 534.54 Von der weiteren Ausstattung sind insbesondere der Igna-

tiusaltar und der Franz Xaver Altar hervorzuheben. Vgl.weiter ausführlich den Kirchenführer der Pfarre St. Michael(Steyr 1992).

55 Die Ikonographie des hl. Michael ist häufig im Nahbereichder Jesuiten anzutreffen. Hier ist auch die Bedeutung deshl. Michael als Beschützer des benachbarten Bayerns undseines katholischen Herrscherhauses zu erwähnen.

56 Zumeist betraf dies die unteren beiden Klassen parva u.infima; fallweise wurden auch die beiden nächsten Klassen– Grammatica u. Syntaxis – zusammengelegt. Vgl. genaubei Fröhler (Anm. 41), S.73 u. 89f.

57 Weiters ist hinzuzufügen, dass ein erheblicher Teil dieserMagistri selbst früher das Schulsystem der Jesuiten besuchthat; ein erheblicher Teil der Magistri erreichte später hohesAnsehen. Sie wirkten als Gelehrte und waren in den ver-schiedensten wissenschaftlichen Disziplinen führend tätig,wie Josef Fröhler in seiner Übersicht „Bedeutende Jesuiten,die in Steyr wirkten“, abgedruckt in: Beiträge zurGeschichte des Kollegiums S. J. in Steyr 1632-1773 = Ver-

öffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 36– Dez. 1985; S.5-69, anführt.

58 Ignaz Cornova: Die Jesuiten als Gymnasiallehrer (Prag1804), S.140f.

59 Bernhard Duhr: Die Studienordnung der Gesellschaft Jesu(Freiburg i. Br. 1896), S.222.

60 Vgl. Anm. 51, S.29.61 Duhr (Anm.59), S.79. lat. Praecepta pauca, plurima exer-

citatio.62 LA I Nr.55k.63 Gernot Heiß: Konfessionsbildung, Kirchenzucht und früh-

moderner Staat, in: Volksfrömmigkeit. Von der Antike biszum 18.Jahrhundert (Wien-Köln 1989), S.206f.

64 LA I Nr. 29 h.65 LA I Nr. 80 b.66 LA II Nr. 251 h (Jahr 1741).67 Josef Fröhler: Die Übertragung der Gebeine des hl. Glio-

laphus nach St. Michael in Steyr, in: Josef Fröhler: Beiträgezur Geschichte des Kollegiums S. J. in Steyr 1632-1773 =Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft36 – Dez. 1985; S.120-126.

68 LA I Nr. 90.69 Josef Fröhler: Das Schuldrama der Jesuiten in Steyr, in:

Oberösterreichische Heimatblätter, 12.Jg. Heft 3/4, Juli-Dez. 1958, S.81-96, hier S.82, Anm.9.

70 LA I Nr.293.71 Fröhler (Anm.19), S.138.72 So 1634 beim Stück „Revoctus a latrociniis in disciplinam

D. Joannis Apostoli“, bei dem der brave Jüngling zum Räu-berhauptmann avanciert, dann aber vom Apostel Johanneswieder auf den richtigen Weg zurückgeführt wird.

73 Fachbegriff für den höfisch – verherrlichenden bzw. dasjeweilige Herrscherhaus überhöhenden Stil des Barok-ktheaters, in diesem Falle der Dynastie der Habsburgergewidmet.

74 LA I Nr.131.75 Deutsch: „Österreich bewahrt Ungarn vor dem Joch des

Orients“, LA I Nr. 350g. 76 Vgl. Josef Fröhler: Bedeutende Jesuiten, die in Steyr wirk-

ten, in: Josef Fröhler: Beiträge zur Geschichte des Kolle-giums S. J. in Steyr 1632-1773 = Veröffentlichungen desKulturamtes der Stadt Steyr, Heft 36 – Dez. 1985; S.5-69sowie u. a. Kurt Adel: Das Jesuitendrama in Österreich(Wien 1957), S.25ff.

77 Vgl. Fröhler (Anm. 35), S. 18.78 LA II Nr. 102 sowie ausführliche Übersetzung bei Fröhler

(Anm.35), S.21ff.79 Ebenda, S.23.80 LA II Nr. 419.81 LA I Nr. 121b.82 LA I Nr. 61.83 Fröhler (Anm. 76), S.45.84 LA I Nr. 288n.85 Lutz (Anm.42), S.14.86 Pritz (Anm.7), S.345f.87 LA I Nr. 163d.88 LA I Nr. 195f.89 LA I Nr. 312b.90 LA I Nr. 74d.91 LA I Nr. 292.92 LA I Nr. 288k.93 Ebenda.94 Bernhard Duhr SJ: Geschichte der Jesuiten in den Ländern

deutscher Zunge. Bd. II/2. S.28ff.95 Ebenda, Bd. IV/2. S.190-259; hier S.237ff.96 Vgl. Catalogus Personarum Provinciae Austriae 1727-

1773. 97 z.B. LA II Nr. 377/898 Siehe oben, die Fundation für die Adaptierung eines Semi-

nargebäudes 1651.

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99 LA I Nr. 139r.100 LA I Nr. 117.101 Eine Wiener Geographische Meile (Postmeile) ~ 7,5 km102 LA I Nr. 151.103 LA II Nr. 146d.104 Ebenda.105 Ebenda.106 LA II Nr. 184d.107 LA I Nr. 256 i.108 LA I Nr. 66.109 Agapitus ist ein frühchristlicher Märtyrer, dessen Gebeine

bereits seit der Frühzeit des Stiftes Kremsmünster eben-dort aufbewahrt werden, vgl. weiter Fröhler (Anm. 69),S.85f.

110 LA I Nr. 288m.111 Vgl. hiezu ausführlicher im letzt jährigen Beitrag der Frein-

berger Stimmen 2005, S.6-26, hier S.21ff. 112 Trautwein (Anm. 51), S.31f.113 Ratsprotokolle der Stadt Steyr 1774, Blatt 179.

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