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Die Kelten – Fakten und Mythen „Die Kelten – Fakten und Mythen“ war der Vortrag überschrieben, den Doris Phillippi beim Kunst- und Kulturverein Kirchehrenbach im Gasthaus Sponsel hielt. Vor einem überschaubaren, aber äußerst aktiven Zuhörerkreis, der immer wieder fragend und kommentierend ins Geschehen eingriff, vermittelte die Diplom-Geographin, die sich als Spezialistin für Walberla-Führungen einen Name gemacht hat, Einblicke in eine ferne Welt, die ein wichtiges Präludium zur deutschen Geschichte darstellt. Die keltische Zivilisation, eine Hochkultur ohne Schrift, hat als erste nachhaltige Spuren in der Frühgeschichte Europas hinterlassen. Seit dem 7./6. vorchristlichen Jahrhundert sind keltische Völker als Teile der indogermanischen Sprachfamilie nachweisbar. Sie siedeln zwischen Ostfrankreich und Böhmen. In diesen Regionen bilden sich keltische Sprachen aus, deren Spuren nur noch in Orts- und Gewässernamen nachklingen. Hallstatt- und Latènezeit sind die beiden großen Phasen der keltischen Geschichte. In der Epoche der Hallstatt-Kultur gegen Ende des 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entwickelt sich eine in Prunk und Reichtum lebende Herrenschichten deren Spuren auch auf der Hochfläche des Walberla geblieben sind. Dort sind schon Siedlungen aus der Jungsteinzeit, Bronze- und Urnenfelderzeit nachweisbar. Jetzt, in der Frühen Eisenzeit, ist der Höhensattel des Berges, dicht bebaut und von einer mächtigen mauer umgeben, Schauplatz einer sich entfaltenden Hochkultur. Die Referentin entwarf das Bild einer differenzierten Gesellschaft: mächtige Herren, Berufssoldaten, Druiden, Kunsthandwerker und Sklaven. Die Steine reden und erzählen von Handelsverbindungen, die in den Mittelmeerraum reichen – und vom plötzlichen Abbruch der Stadt auf dem Berge, deren Bewohner am Beginn des 4. Jahrhundert v. Chr. den Ort verlassen. Im zweiten Teil des Abends stellte Herbert Gebert die Frage, wie die Heilige Walburga auf diesen verlassenen Ort, auf das Walberla kam. Die angelsächsische Nonne ist eine der rätselhaftesten Personen im frühen Mittelalter Europas. Sie hat nur kärgliche Lebensspuren hinterlassen. Die Wunderberichte in ihren Biographien lassen sich als stereotyp konstruierte Legenden entlarven zusammen mit ihren Brüdern Willibald, dem Gründer des Bistums Eichstätt, und dem Klosterabt Wunnibald stand sie im Missionsdienst von Winfried-Bonifatius, dem „Apostel der Deutschen“. Sie dürfte um 710 in Südengland geboren sein. Als Todesjahr kommt 779 oder 790 in Betracht. Ein Jahrhundert nach ihrem Tod beginnt man sie in Eichstätt als Heilige zu verehren. Die dazu notwendigen Wunder treten wie auf Bestellung ein. In immer neuen Wellen durchläuft ihr Kult die Räume und Zeiten der mittelalterlichen Christenheit und erfährt eine kaum noch erfassbare Verbreitung. So wird die fast unbekannte Nonne Walpurgis zu einer bedeutenden Figur der europäischen Religions- und Sozialgeschichte. Die Bischöfe von Eichstätt fördern den Kult ihrer Hausheiligen; der Benediktiner-Orden benutzt die angelsächsische Nonne zur Propaganda seines Ruhmes. Adelige und Könige stiften ihr Messen und Altäre. Wenn die Drachenboote der Normann in den Mündungen der Ströme erscheinen, wird sie als Nothelferin angerufen. Am Beginn des 14. Jahrhunderts, in der Epoche von Wirtschafts- und Hungerkrischen, im Zeitalter der Pest, gewinnt der Walpurgis-Kult eine neue Dynamik. Die Heidenheimer Äbtissin verwandelt sich im Zeichen von Seuchen und Unterernährung zur Nothelferin und Spitalheiligen, zur an vielen Orten angerufenen

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Die Kelten – Fakten und Mythen

„Die Kelten – Fakten und Mythen“ war der Vortrag überschrieben, den Doris Phillippi beim Kunst- und Kulturverein Kirchehrenbach im Gasthaus Sponsel hielt. Vor einem überschaubaren, aber äußerst aktiven Zuhörerkreis, der immer wieder fragend und kommentierend ins Geschehen eingriff, vermittelte die Diplom-Geographin, die sich als Spezialistin für Walberla-Führungen einen Name gemacht hat, Einblicke in eine ferne Welt, die ein wichtiges Präludium zur deutschen Geschichte darstellt. Die keltische Zivilisation, eine Hochkultur ohne Schrift, hat als erste nachhaltige Spuren in der Frühgeschichte Europas hinterlassen. Seit dem 7./6. vorchristlichen Jahrhundert sind keltische Völker als Teile der indogermanischen Sprachfamilie nachweisbar. Sie siedeln zwischen Ostfrankreich und Böhmen. In diesen Regionen bilden sich keltische Sprachen aus, deren Spuren nur noch in Orts- und Gewässernamen nachklingen. Hallstatt- und Latènezeit sind die beiden großen Phasen der keltischen Geschichte. In der Epoche der Hallstatt-Kultur gegen Ende des 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entwickelt sich eine in Prunk und Reichtum lebende Herrenschichten deren Spuren auch auf der Hochfläche des Walberla geblieben sind. Dort sind schon Siedlungen aus der Jungsteinzeit, Bronze- und Urnenfelderzeit nachweisbar. Jetzt, in der Frühen Eisenzeit, ist der Höhensattel des Berges, dicht bebaut und von einer mächtigen mauer umgeben, Schauplatz einer sich entfaltenden Hochkultur. Die Referentin entwarf das Bild einer differenzierten Gesellschaft: mächtige Herren, Berufssoldaten, Druiden, Kunsthandwerker und Sklaven. Die Steine reden und erzählen von Handelsverbindungen, die in den Mittelmeerraum reichen – und vom plötzlichen Abbruch der Stadt auf dem Berge, deren Bewohner am Beginn des 4. Jahrhundert v. Chr. den Ort verlassen. Im zweiten Teil des Abends stellte Herbert Gebert die Frage, wie die Heilige Walburga auf diesen verlassenen Ort, auf das Walberla kam. Die angelsächsische Nonne ist eine der rätselhaftesten Personen im frühen Mittelalter Europas. Sie hat nur kärgliche Lebensspuren hinterlassen. Die Wunderberichte in ihren Biographien lassen sich als stereotyp konstruierte Legenden entlarven zusammen mit ihren Brüdern Willibald, dem Gründer des Bistums Eichstätt, und dem Klosterabt Wunnibald stand sie im Missionsdienst von Winfried-Bonifatius, dem „Apostel der Deutschen“. Sie dürfte um 710 in Südengland geboren sein. Als Todesjahr kommt 779 oder 790 in Betracht. Ein Jahrhundert nach ihrem Tod beginnt man sie in Eichstätt als Heilige zu verehren. Die dazu notwendigen Wunder treten wie auf Bestellung ein. In immer neuen Wellen durchläuft ihr Kult die Räume und Zeiten der mittelalterlichen Christenheit und erfährt eine kaum noch erfassbare Verbreitung. So wird die fast unbekannte Nonne Walpurgis zu einer bedeutenden Figur der europäischen Religions- und Sozialgeschichte. Die Bischöfe von Eichstätt fördern den Kult ihrer Hausheiligen; der Benediktiner-Orden benutzt die angelsächsische Nonne zur Propaganda seines Ruhmes. Adelige und Könige stiften ihr Messen und Altäre. Wenn die Drachenboote der Normann in den Mündungen der Ströme erscheinen, wird sie als Nothelferin angerufen. Am Beginn des 14. Jahrhunderts, in der Epoche von Wirtschafts- und Hungerkrischen, im Zeitalter der Pest, gewinnt der Walpurgis-Kult eine neue Dynamik. Die Heidenheimer Äbtissin verwandelt sich im Zeichen von Seuchen und Unterernährung zur Nothelferin und Spitalheiligen, zur an vielen Orten angerufenen

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Volksheiligen. Ein Zeitalter der Angst reißt den Zugang zu alten Schichten der Volksseele auf. So deckt sich der Walpurgiskult nun an nicht wenigen Orten mit archaischen Motiven der Volksreligion, mit heiligen Bergen und heiligen Quellen. Der Referent vermutete, dass in dieser Epoche die Walpurgis-Verehrung auf dem Walberla begann; 1360 ist sie zum ersten Mal schriftlich nachgewiesen. Die in einer „Leader“-Broschüre des Landkreises enthaltene Aussage „Eine erste Kapelle gab es vermutlich bereits im 9. Jahrhundert, kurz nach der Gründung des Bistums Eichstätt.“ bewertet er als luftige Spekulation. Günter Anderl