Die Krankheit unter die Lupe nehmen. - lernserver.el.haw...
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Einführung
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Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Traktes mit einem
komplizierten Krankheitsbild und –verlauf.
Dieses Material soll einen ersten Überblick über die komplexe Erkrankung liefern. Was ist
Morbus Crohn eigentlich und wodurch entsteht diese Krankheit? Wer kann Morbus Crohn
bekommen und wie verbreitet ist dieses Krankheitsbild ? Diese Fragen sollen in den folgenden
Kapiteln geklärt werden.
Die Krankheit unter die Lupe nehmen.
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Am Ende dieses Materials sollen Sie:
einen groben Überblick darüber erhalten haben, was Morbus Crohn ist.
Morbus Crohn gegen Colitis ulcerosa abgrenzen können.
die möglichen Ursachen für Morbus Crohn nennen können.
Angaben zur Häufigkeit der Erkrankung machen können.
Lernziele
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Synonyme für Morbus Crohn werden folgende medizinische Bezeichnungen verwendet:
Crohn`sche Krankheit
Enteritis regionalis Crohn
Enteritis regionalis
Ileitis terminalis
Ileitis regionalis
im Englischen: Crohn`s disease [Pschyrembel, 2002].
Was ist Morbus Crohn?
Die Krankheit Morbus
Morbus (lat.) = Krankheit [Pschyrembel, 2002].
Crohn wurde nach ihrem Entdecker Burrill Bernard Crohn
Burrill Bernard Crohn (* 13. Juni 1884 in New York; † 29. Juli 1983 in Connecticut) Arzt und Erstbeschreiber des Morbus Crohn Enkel deutsch-jüdischer Einwanderer studierte Medizin an der Columbia University 1907 erhielt er im Alter von 23 Jahren den Titel des Doktors der Medizin seine erste Stelle als Assistenzarzt erhielt er am Mt. Sinai Hospital in New York City vier Jahre später ließ er sich als praktischer Arzt nieder, arbeitete aber parallel am Mt. Sinai Hospital wissenschaftlich weiter dort führten ihn seine Forschungen in das Gebiet der Gastroenterologie (Spezialgebiet der Inneren Medizin, das sich mit den Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und angrenzender Organe befasst) 1916 veröffentlichte er seine Studien, die ergaben, dass chirurgische Eingriffe bei Zwölffingerdarmgeschwüren keine Besserung ergaben 1925 beschrieb er als Erster einen Fall, bei dem eine Colitis ulcerosa zu einem Krebs entartete 1932 definierte er gemeinsam mit L. Ginzburg und G. Oppenheimer erstmals das Krankheitsbild Morbus Crohn in einer Publikation [Wikimedia Foundation Inc., 2008]. (1884-1983) benannt. Gemeinsam mit L. Ginzburg und G. Oppenheimer definierte B. B. Crohn 1932 erstmals das Krankheitsbild in einer Publikation [Hoffmann et al., 2004, S. 3].
Burrill Bernard Crohn [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.1, 2008]
Morbus Crohn (Abkürzung: MC) ist eine chronisch
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Chronisch (gr.) = lange dauernd, langwierig; langsam verlaufend (von Krankheiten); Gegensatz: akut [Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2007].
rezidivierende
Rezidiv (lat. recidere; zurückfallen): Rückfall; Wiederauftreten einer Krankheit nach Abheilung [Pschyrembel, 2002].
Erkrankung des Gastrointestinaltraktes.
Gastrointestinaltrakt = Magen-Darm-Trakt (Gaster (gr.) = Magen, intestinal (lat. intestinalis) = zum Darmkanal gehörend) [Pschyrembel, 2002].
Gemeinsam mit der Krankheit Colitis ulcerosa
Colitis ulcerosa Das Wort Colitis oder auch Kolitis setzt sich aus den Wortteilen Kol- (gr. κώλον), Wortteil mit der Bedeutung Darm, und –itis (gr.), Endung mit der Bezeichnung Entzündung, zusammen. Eine Kolitis ist also eine Entzündung des Dickdarms. Ulcus ist das lateinische Wort für Geschwür [Pschyrembel, 2002]. Dementsprechend ist Colitis ulcerosa eine chronische, meist in Schüben verlaufende Entzündung der Dickdarmschleimhaut. Die Schleimhaut des Dickdarms ist bei Colitis ulcerosa an der Oberfläche geschwürig entzündet. Diese geschwürigen Veränderungen werden als Ulcera bezeichnet. Typische Symptome für die Colitis ulcerosa sind blutige Stühle mit Schleimbeimengungen. Durchfälle treten meistens erst auf, wenn der gesamte Dickdarm entzündet ist [Biller, 2008, S. 22f].
(Abkürzung: CU) wird das Krankheitsbild des Morbus Crohn unter der Bezeichnung chronisch
entzündliche Darmerkrankungen (Abkürzung: CED) zusammengefasst [Siegenthaler, 2001, S.
837].
CED: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Charakteristisch für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist ein Wechsel von akuten
Entzündungsschüben des Verdauungstraktes mit beschwerdearmen bis –freien Phasen. Der
Krankheitsverlauf und die Schwere der Erkrankung können individuell sehr unterschiedlich sein.
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören zwar derselben Krankheitsgruppe an, unterscheiden
sich jedoch durch die Lokalisation und Ausdehnung der Entzündung
Eine Entzündung ist eine (Abwehr-) Reaktion des Organismus auf Reize mit dem Ziel, den Auslöser und seine Folgen zu beseitigen. Auslöser können zum Beispiel sein: Fremdkörper, Strahlung, Reibung, Säuren, Basen, oder Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten). Lokale Entzündungszeichen sind: Rubor (Rötung), Calor (Hitze), Tumor (Schwellung), Dolor (Schmerz) und Functio laesa (gestörte Funktion)
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Morbus Crohn: der gesamte Verdauungstrakt vom Mund bis zum After kann entzündet
sein
Colitis ulcerosa: die Entzündung betrifft ausschließlich den Dickdarm.
Morbus Crohn: der entzündliche Befall des Verdauungstraktes ist überwiegend
segmental (abschnittsweise), das heißt zwischen einzelnen Entzündungsflächen liegen
intakte, gesunde Schleimhautbereiche
Colitis ulcerosa: die Entzündung zeigt sich auf ein Gebiet begrenzt; der entzündlich
veränderte Darmteil zeigt einen kontinuierlichen Befall.
Morbus Crohn: die Entzündung ist nicht nur oberflächlich, sie kann auch in tiefere
Gewebeschichten vordringen
Colitis ulcerosa: die Schleimhaut ist an der Oberfläche geschwürig entzündet [Biller,
2008, S. 22].
[Pschyrembel, 2002].
sowie durch das entzündliche Erscheinungsbild. Um Morbus Crohn als Erkrankung richtig
definieren zu können, ist eine Abgrenzung gegen die Colitis ulcerosa unerlässlich.
Lokalisation der Entzündung:
Ausdehnung der Entzündung:
Erscheinungsbild der Entzündung:
Die folgenden Abbildungen sollen noch einmal den Unterschied in der Lokalisation, der
Ausdehnung und dem Erscheinungsbild der Entzündung zwischen den beiden Erkrankungen
verdeutlichen:
Die unterschiedliche Lokalisation der Entzündung bei MC und CU [Quelle: Kompetenznetz Darmerkrankungen, 2008]
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Erscheinungsbild der EntzünduSng [Quelle: Berufsverband Deutscher Internisten, 2007]
In 10 % der Fälle einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung ist das Beschwerdebild so
diffus, dass nur schwer zwischen einem Morbus Crohn und einer Colitis ulcerosa unterschieden
werden kann. In diesen Fällen spricht man von einer Colitis indeterminata. Häufig ist durch die
weitere Entwicklung der Erkrankung später eine eindeutige Diagnose „Morbus Crohn“ oder
„Colitis ulcerosa“ möglich [Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung].
In dem Exkurskapitel lernen Sie die wesentlichen anatomischen Fachbegriffe und
Funktionsweisen des Verdauungstraktes kennen, die für die Ernährungsberatung von Morbus
Crohn erforderlich sind.
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Aufbau und Funktion des Gastrointestinaltraktes
Ein erfolgreicher Erwerb von Kenntnissen über chronisch entzündliche Darmerkrankungen
basiert auf dem Verständnis des Aufbaus und der Funktion des gesamten Magen-Darm-Traktes.
Gerade bei Morbus Crohn ist dieses Wissen unerlässlich, da bekanntlich der gesamte
Gastrointestinaltrakt von den Lippen bis zum Schließmuskel befallen sein kann. Dies schließt die
Kenntnis der dazugehörigen Fachbegriffe ein. Ein Ernährungsberater ist stets Teil eines Teams,
welches sich mit der Behandlung des Morbus Crohn auseinander setzt. Eine gemeinsame
Ausdrucksweise ist für den gegenseitigen Informationsaustausch von Nöten. Auch ist das
Wissen über den Ort der Entzündung und die damit verbundenen physiologischen Folgen für die
individuelle Ernährungsberatung unerlässlich.
Dieser Exkurs hat nicht den Zweck einer ausführlichen Darstellung der Anatomie und
Physiologie des Verdauungstraktes, sondern soll einen Überblick über die wesentlichen und für
die Ernährungsberatung von Morbus Crohn notwendigen Fakten geben.
Die folgende Abbildung gibt einen ersten Überblick über die Verdauungsorgane und ihre Lage
im menschlichen Körper: Einfügen Abbildung:
Gastrointestinaltrakt [Quelle: Beck, 2008]
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Von innen nach außen lassen sich vier Wandschichten abgrenzen:
die Schleimhaut (Mucosa)
die Unterschleimhaut (Submucosa)
die Muskelschicht (Muscularis), mit inneren ringförmigen und äußeren längs
verlaufenden Muskelfasern
eine bindegewebige Hüllschicht (Adventitia), das so genannte Bauchfell, welches beim
Berühren von Nachbarorganen ein nahezu reibungsloses Gleiten ermöglicht
[Speckmann et al., 2006, S. 252].
Der Verdauungstrakt
Der schlauchartige gebaute Verdauungstrakt beginnt am Mund und endet am After. Seine
verschiedenen Abschnitte besitzen entsprechend der unterschiedlichen Funktionen einen
unterschiedlichen Wandaufbau. So genannte Anhangsdrüsen im Kopfbereich (Speicheldrüsen)
und in der Bauchhöhle (Leber, Bauchspeicheldrüse) sowie Zotten und Krypten unterstützen die
Verdauungs- und Absorptionsfunktionen. Genauso wie die Haut an der Körperoberfläche bildet
innen die Wand des Verdauungstraktes die Grenze des Organismus zur Umwelt. Die
Wandschichten aus Längs- und Ringmuskulatur sind in den verschiedenen Abschnitten des
Magen-Darm-Traktes identisch. Der Wandaufbau unterscheidet sich im Wesentlichen durch die
unterschiedlichen Schleimhautoberflächen [Speckmann et al., 2006, S. 243].
Aufbau der Wand des Gastrointestinaltraktes
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Speiseröhre (Ösophagus)
Die Speiseröhre stellt die Verbindung zwischen Rachen und Magen dar. Sie ist ein ca. 25 cm
langer und 1 cm weiter, von innen mit Schleimhaut überzogener Muskelschlauch (innere Ring-
und äußere Längsmuskelschicht). Die nachfolgende Abbildung zeigt noch einmal detailliert den
Wandaufbau der Speiseröhre:
Wandaufbau Speiseröhre [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]
Die inneren Wandschichten der Speiseröhre bilden Längsfalten, die eng aneinander liegen.
Wenn Nahrung in die Speiseröhre gelangt, weichen diese auseinander und der Speisebrei wird
durch peristaltische Muskelkontraktionen abwärts in Richtung Magen weitergeleitet. Die
Speiseröhre dient also ausschließlich dem Transport der Nahrung in den Magen. Zwischen
Ösophagus und Magen verhindert ein muskulärer Verschlussmechanismus des Atemmuskels
(Zwerchfell), dass Magensäure oder Nahrung beim Einatmen in die Speiseröhre zurücklaufen
können [Speckmann et al., 2006, S. 251f].
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Magen (Gaster, Ventriculus)
An die Speiseröhre schließt sich der Magen als eine sackartige Erweiterung des
Verdauungsschlauches an. Der Magen befindet sich mit dem Körper (Korpus) unterhalb des
linken und rechten Rippenbogens, zieht aber mit dem unteren Magenabschnitt (Antrum) nach
rechts. Der Umfang und die Form des Magens sind veränderlich und hängen von den
Füllungsverhältnissen ab. Im Stehen liegt sein tiefster Punkt etwas unterhalb des Nabels. Das
Magenvolumen beträgt etwa 1200 – 1600 ml. Der Magenausgang wird als Pförtner bezeichnet.
Er ist ein ringförmiger Schließmuskel. Der Pförtner arbeitet nach dem Prinzip, dass Flüssiges
und kleine Nahrungsbestandteile sofort durchgelassen, größere Partikel – auch manche
Tabletten – zwecks weiterer Verdauung zurückgehalten werden. Im Magen wird der Speisebrei
weiter eingespeichelt, vorverdaut und desinfiziert. Diese Verdauungsfunktionen sind wichtig,
aber nicht zwingend notwendig, da man bekanntlich auch ohne Magen leben kann [Speckmann
et al., 2006, S. 252ff; Faller et al., 2004, S.448f].
Auf den Vorgang der Vorverdauung wird an dieser Stelle nicht genauer eingegangen da die
Verdauungsvorgänge im Einzelnen bereits Thema im ernährungsphysiologischen Seminar
waren und auf Grund dessen als bekannt vorausgesetzt werden.
Die folgenden Abbildungen sollen den Aufbau des Magens mit seinen verschiedenen
Abschnitten noch einmal verdeutlichen:
Wandaufbau Magen [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]
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Der Magen [Quelle: Paracelsus Schulen GmbH]
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Der Dünndarm ist in drei Teile gegliedert:
Zwölffingerdarm (Duodenum)
Leerdarm (Jejunum)
Krummdarm (Ileum)
(inklusive terminales Ileum und Ileozäkalklappe).
Der Zwölffingerdarm, auch Duodenum genannt, beginnt am Pförtner. Er liegt im rechten Oberbauch und hat die Gestalt eines nach links offenen Hufeisens. In seinen absteigenden Teil mündet der Gallengang häufig zusammen mit dem Hauptausführungsgang der Bauchspeicheldrüse. Mit seiner Rückseite ist er an der hinteren Bauchwand befestigt. Die Bezeichnung „Zwölffingerdarm“ rührt daher, dass dieser Abschnitt des Dünndarms rund zwölf Fingerbreiten lang ist. Das entspricht etwa 25 – 30 cm. In Höhe des zweiten Lendenwirbels geht der Zwölffingerdarm mit einer Biegung
Dünndarm (Intestinum tenue)
Der Dünndarm ist der längste Teil des menschlichen Verdauungstraktes. Seine Länge beträgt
etwa 4 bis 5 Meter. Er beginnt jenseits des Pförtners (Pylorus) und liegt somit zwischen Magen
und Dickdarm.
Im Folgenden können Sie sich Details zu den einzelnen Dünndarmabschnitten auf der Abbildung
ansehen und zusätzliche Informationen dem Hörspiel entnehmen.
Lokalisation der Dünndarmabschnitte [Quelle: DCCV, 2006]
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in den Leerdarm über. Der Leerdarm wird auch als Jejunum bezeichnet. Ohne scharfe Abgrenzung geht der Leerdarm in den Krummdarm über. Dieser wird auch als Ileum bezeichnet. Beide sind ebenfalls über ein Aufhängeband an der hinteren Bauchhöhlenwand befestigt. Der Endteil des Dünndarms wird auch als terminales Ileum oder Ileum terminale bezeichnet. Dort mündet der Krummdarm mit der Ileozäkalklappe (auch Bauhinsche Klappe oder Dickdarmklappe genannt) in den Dickdarm. [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 255f; Faller et al., 2004, S.452, Pschyrembel, 2002]
Im Dünndarm wird die Nahrung in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt und in den Blutkreislauf
aufgenommen. Dazu ist seine Länge vorteilhaft. Durch ringförmig angelegte Schleimhautfalten
und Darmzotten (fingerartige Erhebungen der Schleimhaut) wird die innere Oberfläche
zusätzlich vergrößert. Die Gesamtoberfläche des Dünndarms beläuft sich insgesamt auf etwa 10
m2. Die Darmzotten sind für die Absorption der Nährstoffe in das Blut und die Lymphe
zuständig. Die Aufnahme der meisten Nährstoffe erfolgt bereits im Duodenum und Jejunum.
Tiefer gelegene Abschnitte sind aber ebenso zur Absorption fähig. Die Absorption von Vitamin
B12 und die Rückabsorption der Gallensäure allerdings sind an das terminale Ileum gebunden
und finden in höheren Darmabschnitten nicht statt [Speckmann et al., 2006, S. 255f; Kasper,
2004, S. 151f]. Auf der folgenden Abbildung ist der spezielle Wandaufbau des Dünndarms noch
einmal dargestellt:
Wandaufbau Dünndarm [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]
An dieser Stelle wird ebenfalls auf die ausführliche Beschreibung der Verdauungsvorgänge aus
oben genannten Gründen verzichtet.
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Der Dickdarm besteht aus:
Wurmfortsatz (Appendix, umgangssprachlich oft „Blinddarm“ genannt) ist eine
Fortsetzung des Blinddarms
Blinddarm (Caecum)
Enddarm, der wiederum besteht aus:
Grimmdarm (Colon), untergliedert in:
Colon ascendens (aufsteigender Teil)
Colon transversum (querverlaufender Teil)
Colon descendens (absteigender Teil)
Colon sigmoideum (von gr. Sigma) (S-förmig verlaufender Teil)
Mastdarm (Rektum), inklusive Analkanal und Darmausgang (After / Anus)
[Speckmann et al., 2006, S. 260ff].
Dem Dickdarm kommen im Wesentlichen drei Aufgaben zu:
1. Eindickung des verbliebenen Nahrungsbreis, indem Wasser und Mineralstoffe
absorbiert werden.
2. Energiegewinnung aus den im Dünndarm nicht verwertbaren Nahrungsbestandteilen,
wie Ballaststoffe, resistente Stärke, etc. (mit Hilfe der Dickdarmbakterien).
3. Ausscheidung der nicht verwertbaren Reste der Nahrung.
Dickdarm (Intestinum crassum)
Im rechten Unterbauch mündet der Dünndarm in den Dickdarm. Am Übergang vom Dünn- zum
Dickdarm befindet sich die Ileozäkalklappe (auch Bauhinsche Klappe genannt). Die
Ileozäkalklappe besteht aus zwei Schleimhautfalten, die normalerweise nur in Richtung
Dickdarm durchgängig sind. Die Klappe soll das Eindringen von Dickdarmbakterien in den
Dünndarm verhindern.
Aufbau des Dickdarms [Quelle: Abraham, 2003-2006]
Mit einer Länge von 1,5 – 1,8 m ist der Dickdarm wesentlich kürzer als der Dünndarm. Er besitzt
keine Zotten, sondern vergrößert seine Oberfläche durch Krypten (schlauchartige Einsenkungen
der Schleimhaut, in denen sich Bakterien ansiedeln können, siehe Abbildung unten).
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Der Enddarm nimmt also im Wesentlichen eine Reservoir-Funktion ein. Zusammen mit dem
Schließmuskel (Sphinkter) garantiert er eine willentlich steuerbare Stuhlentleerung (Kontinenz).
Wandaufbau Dickdarm [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]
Aus oben genannten Gründen wird auch an dieser Stelle auf die detaillierte Beschreibung der
Verdauungsvorgänge verzichtet.
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Das Immunsystem im Verdauungstrakt bei CED-Betroffenen reagiert überaktiv.
Das Immunsystem des Verdauungstraktes befindet sich in einem ständigen Zustand
der Abwehr gegenüber den Mikroorganismen und Antigenen im Darmlumen.
Diese Abwehr richtet sich auch gegen Keime der physiologischen Darmflora.
Die natürliche Barrierefunktion der Darmschleimhaut hingegen ist gestört. Die
intestinale Permeabilität ist erhöht und es kommt zu einer vermehrten Durchlässigkeit
für Flüssigkeiten, Antigene und Mikroorganismen.
Daraus resultieren die für die CED typischen Entzündungsreaktionen [Kasper, 2004, S.
160].
Des Weiteren hat die Überaktivierung des Immunsystems zur Folge, dass IgG-
Antikörper produziert werden die Leukozyten
Leukozyten = weiße Blutkörperchen [Pschyrembel, 2002].
anlocken, welche ihrerseits sekundäre Entzündungsstoffe absondern.
Diese Entzündungsstoffe provozieren eine Entzündung in der Darmschleimhaut und
zerstören in letzter Konsequenz die Schleimhaut [Raedler, A.1, 2008].
Ätiologie und Pathogenese
Ätiologie
Ätiologie: Ätiologie (gr. = Ursache): die einer Krankheit zugrunde liegende Ursache; Theorie über die Faktoren und Ursachenbündel die Krankheiten verursachen [Pschyrembel, 2002].
und Pathogenese
Pathogenese (gr.) = Entstehung und Entwicklung von Krankheiten [Pschyrembel, 2002].
Die Ursache für die Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist nicht
vollständig geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei CED um multifaktoriell
bedingte Erkrankungen handelt. So müssen verschiedene prädisponierende, begünstigende,
auslösende und krankheitsverstärkende, bzw. –aufrechterhaltende Faktoren zusammenwirken,
damit es zur Manifestation
Manifestation (lat. manifestare, offenbaren, sichtbar machen) = Äußerung, Erscheinung; Erkennbarwerden z.B. einerErkrankung oder einer Erbanlage [Pschyrembel, 2002].
einer CED kommen kann [Hoffmann et al., 2004, S. 12].
Fest steht jedoch, dass der Ablauf der Immunreaktion in der Darmschleimhaut bei Patienten mit
CED in charakteristischer Weise verändert ist. Und auch eine genetische Prädisposition
Prädisposition (lat.) = Zustand, der eine Krankheit begünstigt [Pschyrembel, 2002].
als zentraler Faktor in der Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen, wurde
durch den Nachweis einer Genmutation im Jahre 2001 bestätigt [Hoffmann et al., 2004, S. 23].
Immunsystem des Verdauungstraktes bei CED-Patienten:
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In dem folgenden Exkurskapitel sind die ausführlichen Abläufe des Immunsystems und der
Entzündungsreaktionen noch einmal zusammengefasst und können bei Interesse nachgelesen
werden.
Genetische Prädisposition:
Im Jahre 2001 wurde das erste Krankheitsgen für CED identifiziert. Der Nachweis der
Genmutation belegt, dass die Genetik bei der Entstehung von chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen eine Rolle spielt. Veränderungen an den Erbanlagen einiger Menschen
erhöhen die Bereitschaft an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung zu erkranken. Dies
erklärt eine familiäre Häufung der Erkrankung (bei ca. 10% der Patienten, 50-60%
Übereinstimmung bei eineiigen Zwillingen). Allerdings liegt hier nicht die einzige Erklärung für
das Auftreten von CED, denn es erkranken auch Menschen die keine Auffälligkeiten an ihren
Erbanlagen haben [Hoffmann et al., 2004, S. 22f].
Auch wenn die Ursachen für die Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
noch nicht vollständig geklärt sind, gibt es gesicherte Erkenntnisse über einige Faktoren die bei
der Entstehung von Bedeutung sein können. Die folgende Animation zeigt die möglichen
Ursachen:
Mögliche Ursachen für die Entstehung von CED
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Bisherige Studien haben ergeben, dass die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen das
Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von genetischen Faktoren, Umweltfaktoren,
Veränderungen der Darmflora und einer fehlerhaften Regulation des gastrointestinalen
Immunsystems sind.
Auch die Lebensgewohnheiten scheinen von Bedeutung zu sein.
So haben Raucher ein um das Zweifache erhöhtes Risiko an Morbus Crohn zu erkranken. Des
Weiteren wirkt sich Rauchen negativ auf den Verlauf von Morbus Crohn aus.
Zudem ist auffällig, dass CED häufiger in industrialisierten Gesellschaften mit einem westlichen
Lebensstil auftritt. In diesem Zusammenhang werden auch ein Rückgang von Infekten und
Parasitenbefall sowie späterer Erstkontakt mit pathogenen Darmkeimen und Verzehr von steriler
Nahrung diskutiert.
Ebenfalls bezeichnend ist der Anstieg der Neuerkrankungen in den Nachkriegsjahren. Jedoch
konnten für die viel diskutierten Faktoren der Ernährung (z.B. hoher Zuckerverzehr, geringe
Ballaststoffaufnahme, gehärtete Speisefette, Lebensmittelzusatzstoffe) und auch für den Einfluss von
psychischen Faktoren bis heute keine eindeutigen Hinweise geliefert werden.
[Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 14ff; Kasper, 2004, S. 160]
Erkrankungshäufigkeit Häufigkeit des Morbus Crohn
Die Häufigkeit des Morbus Crohn, spricht die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen und die Zahl
der Erkrankten insgesamt, kann aufgrund verschiedener Studien nur geschätzt werden. Dies
liegt zum einen daran, dass es zu einer Untererfassung bei wenig symptomatischen Fällen und
bei nicht richtig diagnostizierten Fällen kommen kann. Zum anderen kann die Aufdeckung von
bisher nicht diagnostizierten Fällen zu einer Erhöhung der Neuerkrankungen führen, obwohl
diese Patienten schon länger an Morbus Crohn erkrankt sind. Auch gibt es Defizite in der
statistischen Erfassung und Aufbereitung. Ein wesentliches Problem ist der Unterschied in den
Möglichkeiten für Studien zwischen den verschiedenen Ländern (z.B. zuverlässige Angaben zur
Bevölkerungszahl).
Jährlich erkranken in Deutschland etwa fünf von 100.000 Menschen neu an Morbus Crohn.
Meistens manifestiert sich die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter. Grundsätzlich ist aber
die Erstdiagnose in jedem Alter möglich. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40.
Lebensjahr. Insgesamt schätzt man die Zahl der Erkrankten in Deutschland auf 150.000 Crohn-
Patienten, wobei eine geringfügige Häufung von MC bei Frauen vorhanden ist. Wie bereits
erwähnt, tritt Morbus Crohn in westlichen Industrieländern signifikant häufiger auf. In Japan z.B.
erkranken jährlich nur 0,8 von 100.000 Menschen neu an MC, wobei dieser Wert der höchste
der südostasiatischen Länder ist [Hoffmann et al., 2004, S. 8ff].
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Diese Abwehrzellen sind:
die Leukozyten (weiße Blutkörperchen), bestehend aus:
Makrophagen (Fresszellen)
und Lymphozyten, die wiederum untergliedert sind in:
T-Zellen (organisieren die Abwehr)
und B-Zellen (produzieren die Antikörper) [Schmidt et al., 2007, S.536f].
Zytokine aktivieren:
weitere T-Zellen,
Fresszellen,
B-Zellen (produzieren die IgG- und IgA-Antikörper, das Immunsystem sorgt für
Zellteilung und damit für Vermehrung).
Entzündungsreaktionen und intestinales Immunsystem
Der folgende Exkurs soll helfen besser zu verstehen, was bei Morbus Crohn mit dem Körper
passiert. Warum kommt es zu einer Entzündungsreaktion, was ist der Auslöser und welche
Folgen hat diese Entzündung für den Organismus? Dafür wird ein grober Überblick über die
Abläufe des Immunsystems im Verdauungstrakt und der Entzündungsreaktionen gegeben. Dies
ist jedoch keine ausführliche Beschreibung der physiologischen Abläufe im menschlichen
Körper, sondern eine vereinfachte Darstellung zur Veranschaulichung der für Morbus Crohn
relevanten Sachverhalte.
Immunsystem des Gastrointestinaltraktes beim gesunden Menschen
Der Magen-Darm-Trakt ist der wichtigste Grenzbereich zwischen dem Organismus und der
Umwelt. Obwohl hier alle lebenswichtigen Stoffe in den Körper gelangen, muss gleichzeitig
verhindert werden, dass Bakterien, Pilze, Einzeller und Gifte in den Organismus gelangen. Dazu
wird von den Darmzellen eine feine Schleimschicht gebildet. Der eigentliche Schutz wird
allerdings durch Abwehrzellen vollzogen, die sich unterhalb der Magen-Darm-Zellen befinden.
Antikörper sind Eiweißmoleküle, die Fremdstoffe erkennen und binden können und
deshalb eine Schlüsselrolle in der Immunabwehr spielen.
Makrophagen sind kleine Einzeller, die Fremdstoffe in sich aufnehmen und binden.
Die Fremdstoffe liegen dann an ihrer Oberfläche.
Befinden sich nun Fremdstoffe an der Zelloberfläche der Makrophagen, so werden diese von T-
Zellen als fremd erkannt. Die T-Zellen beginnen eine Immunreaktion (Entzündungsreaktion) in
Gang zu setzen. Dazu produzieren sie Entzündungsstoffe (Zytokine = Botenstoffe).
Nach erfolgreicher Abwehr werden einige der sehr effektiven Antikörper produzierenden B-
Zellen ins Archiv gelegt und bei erneutem Kontakt mit dem Erreger wieder hervorgeholt. Das
Immunsystem verfügt also über ein immunologisches Gedächtnis.
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Beispiele:
Colitis (Entzündung im Colon = Teil des Dickdarms)
Gastritis (Entzündung im Gaster = Magen)
Ösophagitis (Entzündung des Ösophagus = Speiseröhre)
Dermatitis (Entzündung der Derma = Haut)
Zusätzlich besitzt das Immunsystem des Darms noch einen weiteren, verfeinerten
Abwehrmechanismus, der durch Immunglobulin A (=IgA)-Antikörper erfolgt. IgA wird als Antwort
auf Fremdstoffe im Darm gebildet und von den Darmzellen auf ihre Oberfläche transportiert. Hier
verhindern die IgA-Antikörper das Eindringen von Bakterien, Einzellern, Pilzen und Giftstoffen,
ohne das eine Entzündungsreaktion hervorgerufen wird. Die Schleimhaut wird geschützt. Den
IgA-Antikörpern ist es zu verdanken, dass zahlreiche Darmbakterien auf den Schleimhäuten
leben können, ohne dass es zu einer Entzündungsreaktion kommt [Raedler, A.2, 2008].
Immunsystem des Gastrointestinaltraktes bei Morbus Crohn
Der Ablauf der Immunreaktion in der Darmschleimhaut ist bei chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen wie Morbus Crohn in charakteristischer Weise verändert. Insgesamt läuft die
Immunreaktion auf einem zu hohen Niveau ab, d.h. das Immunsystem ist überaktiv. Aus noch
unbekannter Ursache werden bei Morbus Crohn körpereigene Abwehrzellen wie Makrophagen
und Lymphozyten aktiviert. Sie produzieren dann Zytokine die wiederum dafür sorgen, dass eine
Entzündung entsteht und aufrechterhalten wird. Insbesondere die Zytokine Tumornekrosefaktor
alpha (TNFα), Interleukin 1 und Interleukin 6 intensivieren die Entzündungsreaktion [Raedler,
A.1, 2008].
Abwehr des Immunsystems [Quelle: Becker et al., 2002-2007]
Entzündungsreaktion bei Morbus Crohn
Eine Entzündung wird medizinisch immer durch die aus dem griechischen übernommene
Wortendung -itis kenntlich gemacht. Der Wortanfang beschreibt wo die Entzündung auftritt.
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[Pschyrembel, 2002].
Bereits in der Antike hat die Medizin eine Entzündung als Antwort des Gewebes auf einen
schädlichen Reiz mit folgenden Symptomen gekennzeichnet:
Rubor (Rötung)
Calor (erhöhte Temperatur)
Tumor (Schwellung)
Dolor (Schmerz)
Functio laesa (gestörte Funktionsfähigkeit)
Symptome:
Ablauf:
Bei einer chronischen Entzündung im Magen-Darm-Trakt kann das IgA die Erreger nicht
abwehren. Dies hat zur Folge, dass die B-Zellen anfangen zusätzlich entzündungsprovozierende
IgG-Antikörper zu produzieren. Jedoch lockt das IgG noch andere Leukozyten an die ihrerseits
Zerstörungsstoffe freisetzen, so dass nicht nur die eindringenden Erreger, sondern auch die
Schleimhaut zerstört werden können. Ist die Darmoberfläche erst einmal angegriffen, können
Bakterien, Viren und andere Schadstoffe in die Darmwand oder in den gesamten Körper
eindringen. Bei einem intakten Immunsystem wird die Entzündung eingedämmt und der Darm
kann wieder heilen. Ein „gestörtes“ Immunsystem hingegen kann diese Aufgabe nicht mehr
erfüllen. Es beginnt ein Teufelskreis. Die Botenstoffe regen ihre eigene Nachproduktion an,
womit die Entzündung aufrechterhalten und intensiviert wird – die Entzündung wird chronisch
[Raedler, A.1, 2008].
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Pathophysiologie und Klinisches Bild
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Einführung
Für eine gute Ernährungsberatung sind einige Grundkenntnisse über die krankheitsbedingten
Lebensvorgänge und das Klinische Bild des Morbus Crohn notwendig. Zum einen erleichtern sie
das Gespräch mit dem Patienten und den Informationsaustausch mit den Ärzten. Zum anderen
lassen sich viele Symptome und Komplikationen der Erkrankung durch
ernährungstherapeutische Maßnahmen positiv beeinflussen. Auch für das Verständnis der
Krankheit im Gesamtbild ist dieses Wissen unentbehrlich.
Pathophysiologie und Klinisches Bild des Morbus Crohn
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Am Ende dieses Materials sollen Sie:
Grundkenntnisse über die verschiedenen Befallsmuster erworben haben.
die typischen Symptome des Morbus Crohn aufzählen können.
die möglichen Komplikationen bei Morbus Crohn beschreiben können.
einen Überblick über die Diagnose-Methoden erhalten haben.
Lernziele
__________________________________________________________________________ 25
Symptomatik und Befallsmuster
Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung die schubweise verläuft. Das
bedeutet, bei vielen Patienten gibt es neben Phasen mit hoher Krankheitsaktivität
(Entzündungsphase, Schub) Abschnitte relativer Gesundheit ( Remission
Remission (lat.) = (vorübergehendes) Nachlassen, Zurückgehen von Krankheitserscheinungen, bei Morbus Crohn z.B. Nachlassen der Entzündung. Bei Morbus Crohn kann eine deutliche Besserung der klinischen Befunde und des Allgemeinzustandes erzielt werden, eine Heilung der Krankheit ist nach heutigem Erkenntnisstand jedoch nicht möglich [Pschyrembel, 2002].
). Allerdings gibt es auch Patienten mit ständiger Aktivität der Entzündung, man spricht dann von
einem chronisch-aktiven Morbus Crohn
Von einem chronisch-aktiven Morbus Crohn wird gesprochen, wenn eine anhaltende bzw. andauernde oder wiederkehrende Symptomatik über sechs Monate vorliegt. Eine vorhergehende adäquate Therapie wird dabei vorausgesetzt [Hoffmann et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 31].
. Insgesamt können der Krankheitsverlauf und die Schwere der Erkrankung von Patient zu
Patient sehr unterschiedlich sein.
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Befallsmuster
Bei Morbus Crohn kann der gesamte Gastrointestinaltrakt vom Mund bis zum After befallen sein.
Am häufigsten sind jedoch das terminale Ileum
terminales Ileum = Endteil des Dünndarms, genauer: Endteil des Krummdarms (Ileum) [Pschyrembel, 2002].
und/oder das Colon
Colon = Grimmdarm; Hauptteil des Dickdarms [Pschyrembel, 2002].
betroffen. Die Entzündungen weisen meist einen diskontinuierlichen Befall auf, d.h. der
entzündliche Befall ist meist abschnittsweise (segmental). Die nachfolgende Tabelle zeigt wie
häufig welcher Abschnitt des Magen-Darm-Traktes bei Morbus Crohn-Patienten befallen ist.
Lokalisation des Morbus Crohn Häufigkeit
Ösophagus 0 – 1%
Magen 2 – 3%
Duodenum 2 – 3%
Proximaler Dünndarm 5 – 10%
Terminales Ileum 25 – 40%
Ileum und Colon 40 – 55%
Colon 15 – 35%
Nur Rektum 15 – 25%
Diskontinuierlicher Befall ca. 85%
Häufigkeit der Lokalisation des Morbus Crohn [Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 59]
Das Befallsmuster kann sich im Verlauf der Erkrankung deutlich verändern. Der entzündliche
Befall kann sich ausdehnen oder auch zurückziehen, so dass es zu einer Abnahme der
befallenen Abschnitte kommt. Bei den meisten Patienten bleibt das Befallsmuster jedoch
verhältnismäßig konstant (80% der Fälle über 10 Jahre). Wie in der Tabelle oben dargestellt, ist
der obere Verdauungstrakt deutlich seltener (5 – 8%) betroffen, weshalb meistens die
Entzündung im Darm im Fokus steht. Jedoch ist zu beachten, dass gerade der Befall des
Jejunums und des proximalen
Proximal (lat. proximus = sehr nahe) = in der Nähe; zum Körperzentrum hin gelegen oder verlaufend [Pschyrembel, 2002].
Ileums problematisch sein kann, da er über die meisten diagnostischen Verfahren nur schwer
festzustellen ist [Hoffmann et al., 2004, S. 59].
Die folgende Abbildung zeigt einen gesunden Darmabschnitt im Vergleich zu einer entzündeten
Darmstrecke:
__________________________________________________________________________ 27
Links: gesunder Darmabschnitt, Rechts: entzündeter Darmabschnitt [Quelle: Nationales Genomforschungsnetz, 2007]
Die nachstehenden Abbildungen sollen noch einmal die möglichen Unterschiede im
Erscheinungsbild befallener Darmabschnitte verdeutlichen:
Darm mit Morbus Crohn [Quelle: Universitätsklinikum Ulm, 2007]
Dickdarmbefall: Morbus Crohn [Quelle: Albertinen-Diakoniewerk, 2003] / Aphthe [Quelle: Stephanus-Apotheke]
Eine entzündliche Veränderung der Schleimhaut tritt z.B. im Mund in Form einer Aphthe in
Erscheinung. Es handelt sich hierbei um schmerzhafte, rundliche bis linsengroße gerötete Herde
(siehe Abbildung Aphthe ).
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Symptome
Gerade am Anfang der Manifestation eines Morbus Crohn kommt es häufig zu untypischen
Beschwerden mit unspezifischer Symptomatik, welche die Diagnose erschweren. Jedoch ist die
Aufklärung und Fortbildung im Bereich der CED in den letzten Jahren so weit vorangeschritten,
dass viele Ärzte für dieses Krankheitsbild sensibilisiert sind und mit Hilfe der entsprechenden
diagnostischen Mittel die Erkrankung relativ schnell festgestellt werden kann.
Häufige Symptome des Morbus Crohn sind Durchfall, Bauchschmerzen, Fieber und
Gewichtsverlust. Auch extraintestinale Manifestationen
Extraintestinale Manifestationen = Beschwerden und Symptome die durch Morbus Crohn ausgelöst werden, aber nicht den Verdauungstrakt betreffen. Extra- = Wortteil mit der Bedeutung außerhalb, außen Intestinal = zum Darmkanal gehörend Manifestation = Äußerung; Erkennbarwerden z.B. einer Erkrankung [Pschyrembel, 2002].
sind nicht selten. Allgemeine Krankheitssymptome wie Müdigkeit, Schwäche und Leistungs-
einschränkungen gehen häufig mit der Entzündung im Körper einher. Das Ausmaß der
Beschwerden ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Es hängt stark von der Schwere
der Darmentzündung, dem Befallsmuster und intestinalen Komplikationen ab [Hoffmann et al.,
2004, S.58].
Die nachstehende Tabelle zeigt verschiedene klinische Symptome bei unterschiedlichen
Befallsmustern:
Befall Häufigkeit in %
IleumIleum und
ColonColon
Diarrhö 75 81 80
Bauchschmerzen 72 68 72
Perianale Blutungen 8 15 18
Gewichtsverlust 26 35 35
Perianale Läsionen 9 28 28
Fisteln 7 9 4
Fieber 10 18 20
Extraintestinale Manifestationen 16 18 24
Klinische Symptome des MC bei unterschiedlichen Befallsmustern [Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 59]
Im Folgenden wird näher auf die einzelnen Symptome des Morbus Crohn eingegangen:
__________________________________________________________________________ 29
Ursachen für diese Dehnung können sein:
Nahrungsaufnahme
Luft im Bauch ( Meteorismus
Meteorismus = sog. Blähsucht; Luft- bzw. Gasansammlungen im Darm oder in der freien Bauchhöhle; geht mit einer gestörten bzw. verminderten motorischen Aktivität einheSr [Pschyrembel, 2002].
, Flatulenz
Flatulenz = (lat. flatus Wind, Blähung) Aufblähung des Magens, bzw. des Darms mit reichlich Abgang von Darmgasen, z.B. bei Malabsorption (z.B. Lactoseintoleranz) [Pschyrembel, 2002].
)
Flüssiger Stuhl
mögliche Komplikationen (z.B. eine V-erengung des Darms)
[Hoffmann et al., 2004, S.58].
Bauchschmerzen
Bauchschmerzen [Quelle: Grabow, 2004]
Drei Viertel der Patienten klagen im akuten Schub über Krämpfe und abdominelle Schmerzen
Abdominelle Schmerzen = Schmerzen im Bauchbereich (von abdominal = zum Bauch, Unterleib gehörig) [Pschyrembel, 2002].
. Die Bauchschmerzen treten bei Morbus Crohn typischerweise an der Stelle des entzündeten
Darmabschnitts auf. Ist z.B. das terminale Ileum befallen, so befinden sich die Schmerzen im
rechten Unterbauch. Die meist krampfartigen Schmerzen entstehen durch die Dehnung des
entzündeten Darmabschnitts.
Gerade die vermehrte Luftansammlung im Bauchraum, welche meist mit einem deutlich sichtbar
aufgeblähten Bauch einhergeht, wird von vielen Patienten als äußerst unangenehm und störend
beschrieben.
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Atmosphärische Luft kann durch folgende Umstände in den Magen gelangen:
Luftschlucken beim Essen und Trinken
Kauen von Kaugummi
Lutschen von Bonbons
Trinken mit dem Strohhalm
Pfeiferauchen.
„Ein Meteorismus liegt bei einem vermehrten Gasgehalt des Gastrointestinaltraktes
vor.
Als Flatulenz werden zu häufige und großvolumige Windabgänge
bezeichnet.“ [Siegenthaler, 2001, S. 836]
Abgesehen von der Ernährung, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll,
spielen bei der vermehrten Luft- bzw. Gasbildung im Verdauungstrakt noch weitere Faktoren
eine Rolle.
Wird die Luft anschließend nicht durch Aufstoßen oder Diffusion über die Schleimhäute
abgesondert, so wandert sie weiter durch den restlichen Magen-Darm-Trakt. Ungefähr 30 – 45
Minuten später wird sie dann auf bekannte Weise (als Flatus) vom Körper ausgestoßen
[Siegenthaler, 2001, S. 836].
Chronische Durchfälle
Durchfall [Quelle: Kornberger, 2004]
Mehr als 80% der Patienten leiden im akuten Entzündungsschub unter Durchfällen. Häufig sind
diese breiig, teils auch wässrig mit Schleimbeimengungen. Die vermehrten Stühle werden
besonders nach den Mahlzeiten, insgesamt aber über den ganzen Tag verteilt und sogar auch
nachts abgesetzt. Ist das Colon befallen kommt es nicht selten sogar zu blutigen Diarrhöen
__________________________________________________________________________ 31
Weitere Ursachen können sein:
die Gallensäure wird im terminalen Ileum nicht vollständig rückabsorbiert und gelangt
in den Dickdarm (Gallensäure-Verlust-Syndrom / chologene Diarrhö), wo sie dann
von Bakterien verstoffwechselt wird; die dadurch entstehenden Stoffwechselprodukte
wirken abführend (zusätzlich kann es auf Grund der vorzeitigen
Gallensäureausscheidung zu Steatorrhö
Steatorrhö = (auch Stearrhö) Fettstuhl; Erhöhung des Fettgehalts im Stuhl (auf Grund gestörter Verdauung bzw. Absorption von langkettigen Fettsäuren); Stuhlfettausscheidung über 7 g/d, meist gelblich-lehmartig gefärbter Stuhl [Pschyrembel, 2002].
kommen),
die unzureichende Verdauung von Kohlenhydraten (Malabsorption z.B. Lactose,
Fructose),
die eigentlich im Dickdarm angesiedelten Bakterien sind in den Dünndarm gewandert,
z.B. weil die Ileozäkalklappe entzündet ist, und verursachen auf Grund dessen
Diarrhöen (bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms) [Siegenthaler, 2001, S. 817f].
Diarrhö = Durchfall, mehr als 3 dünnflüssige Stühle pro Tag mit mehr als 200 g Gewicht pro Tag [Pschyrembel, 2002].
[Hoffmann et al., 2004, S.58].
Die Ursachen für die Durchfälle sind vielfältig. Grundsätzlich entstehen Durchfälle, wenn zu
wenig Flüssigkeit aus dem Darm in den Körper aufgenommen wird (weil die entzündete
Schleimhaut dazu nicht in der Lage ist oder die Transportgeschwindigkeit zu hoch ist). Auch der
Verlust von Wasser und Mineralstoffen durch die Entzündung kann zu Durchfällen führen.
Anhand der Stuhlfrequenz lassen sich Rückschlüsse über die Krankheitsaktivität des Morbus
Crohn ziehen:
Frequenz / Tag
1 – 4 geringe Krankheitsaktivität oder Remission
5 – 10 mittlere Krankheitsaktivität
11 – 80 schwere Krankheitsaktivität
[Raedler, A.3, 2008]
Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen
__________________________________________________________________________ 32
Gewichtsverlust [Quelle: American Lifestyle, 2008]
Bei Patienten mit Morbus Crohn kann ein Gewichtsverlust von 10 – 20% erfolgen. Meist ist die
Abnahme des Körpergewichtes eine Folge der Entzündung (Durchfälle, aufgenommene Energie
wird für die Entzündungsaktivität verbraucht = erhöhter Bedarf, vermehrter intestinaler
Eiweißverlust) und des allgemeinen Unwohlseins. Das Krankheitsgefühl und der Appetitmangel
in der Entzündungsphase können dafür ausschlaggebend sein. Auch kann die
Nahrungsaufnahme durch Angst vor erneuten Durchfällen und Bauchschmerzen sehr gering
ausfallen. Bei einem ausgedehnten Dünndarmbefall kommt es zusätzlich zu einer
Malabsorption
Malabsorption = (lat. schlechte Aufnahme) die Aufnahme der Nahrungsbestandteile durch die Darmwand in die Blut- und Lymphbahn ist vermindert.
Es gehen folgende Leitsymptome mit einer Malabsorption einher:
Gewichtsabnahme
Massenstühle
Muskelschwäche
Haut- und Schleimhautveränderungen
Anämie [Pschyrembel, 2002].
. Diese ist jedoch stets nur zu einem geringen Anteil für die Gewichtsverluste verantwortlich und
kommt nur in seltenen Fällen vor. Bei Kindern kann diese Mangelversorgung jedoch zu
erheblichen Verzögerungen der körperlichen Entwicklung (Wachstum, Gewicht) führen und ist
stets zu überwachen [Hoffmann et al., 2004, S.58; Kasper, 2004, S. 161].
Die nachstehende Tabelle zeigt die Häufigkeit von verschiedenen Mangelerscheinungen bei
Morbus Crohn:
Mangelversorgung Häufigkeit [%]
Gewichtsverlust 60 – 75
Hypalbuminämie 25 – 80
Negative N-Bilanz 65 – 70
Anämie 60 – 80
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Eisen 40
Vitamin B12 50
Folsäure 40 – 50
Vitamin D 25 – 75
Zink 20 – 40
Kalzium 13
Magnesium 15 – 30
Kalium 5 – 20
Häufigkeit von Mangelernährungen bei Morbus Crohn [Quelle: Kasper, 2004, S. 161]
Fieber
Fieber [Quelle: Werra Apotheke]
Im Schub, d.h. in der Entzündungsphase der Erkrankung treten häufig leicht fieberhafte
Erhöhungen der Körpertemperatur auf (subfebrile Temperaturen). Die Körpertemperatur ist dann
auf 37,1 – 38,0 °C erhöht. Hohes Fieber (sprich über 39 °C) ist eher ungewöhnlich und weist
häufig auf Komplikationen des Morbus Crohn hin. Das Fieber ist eine Folge des entzündlichen
Geschehens im Körper der Betroffenen [Hoffmann et al., 2004, S.58; Pschyrembel, 2002].
Extraintestinale Manifestationen
Im Verlauf der Erkrankung kann es bei Morbus Crohn zu zusätzlichen Beschwerden außerhalb
des Gastrointestinaltraktes kommen. Es handelt sich hierbei um entzündliche Veränderungen
außerhalb des Verdauungstraktes, bei denen ein Zusammenhang mit der chronisch
entzündlichen Darmerkrankung besteht oder vermutet werden muss. Davon abzugrenzen sind
extraintestinale KomplikationeSn (wie z.B. Gallensteine, Nierensteine) und nicht
krankheitsspezifische Komplikationen ( wie z.B. Osteoporose, Amyloidose
Amyloidose = Anreicherung und Ablagerung von abnorm veränderten Proteinen (Amyloid); infolge dessen ist der Stoffaustausch an einer oder mehreren Körperstellen gestört, die betroffenen Organe sind vergrößert, konsistenzvermehrt und hart; bei Befall von Organen kann es zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit und ggf. zum Funktionsverlust kommen, am peripheren Nervensystem kommt es zu Ausfällen
__________________________________________________________________________ 34
[Pschyrembel, 2002].
) auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird [Hoffmann et al., 2004, S.82].
Die folgende Animation mit dem dazugehörigen Audio-Text beschreibt die extraintestinalen
Manifestationen des Morbus Crohn:
__________________________________________________________________________ 35
Gelenkbeschwerden:
Insgesamt kommt es bei ca. 30% der Patienten zu einer entzündlichen Beteiligung des Skeletts, der
Gelenke und der Sehnen. Die Gelenkbeteiligung stellt somit die häufigste extraintestinale
Manifestation dar. Häufig kommt es infolge dessen zu Gelenkschmerzen, Gelenkentzündungen und
einer rheumatischen Entzündung der Wirbelsäule. Die Gelenkbeschwerden können vor, mit oder
nach der Diagnose auftreten. Auch können die Beschwerden an die Aktivität des Morbus Crohn
gekoppelt und von kürzerer Dauer sein oder aber lang anhaltend und unabhängig von der
Entzündungsaktivität auftreten. Am häufigsten ist eine Entzündung der Gelenke zwischen Kreuz und
Darmbein.
Veränderungen der Haut:
Typische Hautveränderungen bei Morbus Crohn sind das Erythema nodosum und das Pyoderma
gangraenosum.
Das Erythema nodosum tritt meist im Bereich des Unterschenkels auf und hat das Erscheinungsbild
schmerzhafter, roter, bis 5 cm großer, unscharf begrenzter Knoten.
Das Pyoderma gangraenosum ist eine entzündliche Reaktion von Hautgefäßen vorzugsweise der
unteren Extremitäten. Das Erscheinungsbild sind geschwürig zerfallende, schmerzhafte rote Flecken,
die sich im Verlauf von einer eitrigen Pustel zum sterilen Abszess bis hin zu flächigen tiefen
Geschwüren entwickeln können. Die beiden Hautveränderungen treten überwiegend im akuten
Schub auf. Die Häufigkeit der beiden Manifestationen schwankt in verschiedenen Patientenstudien
stark.
Entzündung der Augen:
Bei Patienten mit Morbus Crohn können entzündliche Veränderungen in allen Abschnitten des Auges
auftreten. 6 Häufige damit verbundene Symptome sind ein Druck- und Berührungsschmerz,
Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit, Rötung und eine Verringerung der Sehkraft. Im
Zusammenhang mit starken Augenschmerzen kann es oft zu Kopfschmerzen kommen. 7
Entzündung der Leber und Gallenwege:
Die klinisch bedeutungsvollste Erkrankung im Bereich der Leber und Gallenwege ist die primär
sklerosierende Cholangitis (kurz PSC). Hierbei handelt es sich um eine Entzündung der Gallengänge
mit Verschluss auf Grund krankhafter Bindegewebsvermehrung. Es besteht ein enger
Zusammenhang zwischen dem Auftreten von PSC und CED (50 – 75% der Patienten mit PSC sind
an CED erkrankt). Die PSC verläuft unabhängig von der Entzündungsaktivität des Morbus Crohn.
Entzündung der Bauchspeicheldrüse:
Eine Pankreatitis tritt bei Patienten mit Morbus Crohn gehäuft auf. Für die Entzündung der
Bauchspeicheldrüse kommen mehrere mit der Krankheit im Zusammenhang stehende Ursachen in
Frage. So kann z.B. ein Gallensteinleiden für die Pankreatitis verantwortlich sein. Eine
Bauchspeicheldrüsenentzündung tritt aber auch häufig als Nebenwirkung einiger Medikamente auf
die zur Therapie eingesetzt werden. [Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 82ff; Pschyrembel, 2002]
__________________________________________________________________________ 36
Komplikationen
Die chronische Entzündung der Darmschleimhaut kann zu einer Reihe – teilweise gefährlicher –
Komplikationen führen. Sobald es zu einer dramatischen Verschlechterung des Krankheitsbildes
kommt, ist an eine solche Komplikation zu denken. Ihr rechtzeitiges Erkennen kann zum Teil
lebenswichtig sein. In einigen Fällen sind ernährungstherapeutische Maßnahmen zu ergreifen.
Diese werden an der entsprechenden Stelle erwähnt.
Mögliche Komplikationen bei Morbus Crohn (im Bereich des Darms) sind:
Fisteln und Abszesse
Stenosen und Strikturen
Fissuren
Toxisches Megakolon
Perforationen
Colorektales Karzinom
[Hoffmann et al., 2004, S.63].
Zusätzlich zu den Komplikationen im Darm kann es zu extraintestinalen und nicht
krankheitsspezifischen Komplikationen kommen.
Zu den extraintestinalen Komplikationen zählen:
Gallensteine
Nierensteine.
Nicht krankheitsspezifische Komplikationen sind:
Osteoporose
Amyloidose
[Hoffmann et al., 2004, S.82].
Im Folgenden wird auf die verschiedenen Komplikationen genauer eingegangen.
Fisteln und Abszesse
Eine Fistel (lat. fistula = Röhre) ist ein unnatürlicher Verbindungsgang der von einem Hohlorgan
oder einem Hohlraum ausgeht. Dieser Verbindungsgang kann an der Körperoberfläche münden
oder im Körperinneren verlaufen und evtl. mehrere innere Organe verbinden.
Bei Morbus Crohn kann es zur Entstehung von Fisteln kommen, weil die Entzündung nicht nur
oberflächlich ist, sondern auch in tiefere Gewebeschichten vordringen kann. Die Entzündung
geht dann durch die Darmwand hindurch.
Fisteln treten häufig in der Umgebung des Analbereiches auf, aber auch entero-enteral
__________________________________________________________________________ 37
(zwischen Darm und Darm) d.h. als Verbindung zwischen entzündeten Darmschlingen.
Auch die Verbindung zwischen dem entzündeten Darm und anderen Organen ist nicht
selten, z.B.:
entero- kutane
Kutan- = Wortteil mit der Bedeutung Haut [Pschyrembel, 2002].
Fisteln (zwischen Darm und Bauchwand)
entero-vesikale Fisteln (zwischen Darm und Harnblase)
entero-vaginale Fisteln (zwischen Darm und Vagina).
Fisteln können Ausgangspunkte für Abszesse (Eitergeschwüre) werden. In Folge dessen
sammelt sich Eiter in dem Fistelgang an.
Die nachstehenden Abbildungen zeigen Fisteln im Analbereich und deren Verlauf durch den
Körper, bzw. Mündung an der Körperoberfläche:
Verlauf einer Fistel im Analbereich [Quelle: Held-Sporleder]
Mündung einer Fistel im Analbereich
Fisteln in der Umgebung des Analbereichs und Abszesse treten im Verlauf der Erkrankung bei
etwa 30 – 40% der Morbus Crohn Patienten auf. Fisteln werden meistens chirurgisch behandelt
[Hoffmann et al., 2004, S.63; Pschyrembel, 2002]. Trotzdem ist eine ernährungstherapeutische
Behandlung besonders wichtig. Fisteln können für hohe Verluste an Energie, Eiweiß, Flüssigkeit
und Elektrolyten verantwortlich sein. Die Mangelernährung ist meist durch Fistelausfluss und
Malabsorption bedingt. So sind Ernährungszustand und Allgemeinbefinden stark von der
__________________________________________________________________________ 38
Ausprägung der Fisteln abhängig [Heepe et al., 2002, S. 257]. Eine gute Ernährungstherapie vor
der Operation einer Fistel verbessert aber nicht nur den Allgemeinzustand der Patienten,
sondern verringert auch die Anzahl der Komplikationen nach einer solchen Operation [Biesalski
et al., 2004, S. 356].
Stenosen und Strikturen
Stenosen und Strikturen sind hochgradige Verengungen von Hohlorganen oder Gefäßen. Die
entzündlichen Verschwellungen der Schleimhaut bei Morbus Crohn zeigen eine Tendenz zu
einer narbigen Abheilung. Diese Narben führen zur Verengung. Auch die entzündlich verdickten
Darmwände selbst können für die Verengung verantwortlich sein. Stenosen treten häufig im
Bereich des terminalen Ileums auf. Sie können prinzipiell aber im gesamten Verdauungstrakt
vorkommen.
Beispiel Stenose [Quelle: Delis, 2005]
Oft müssen die Stenosen durch einen operativen Eingriff geweitet werden. Die richtige
Ernährung ist bei Stenosen besonders wichtig, da falsch ausgewählte Lebensmittel zu einem
Darmverschluss führen können [Hoffmann et al., 2004, S. 63f; Pschyrembel, 2002].
Fissuren
Als Fissuren (lat. fissum = Einschnitt, Spalt) werden Einrisse in der Haut oder Schleimhaut
bezeichnet. Bei Morbus Crohn besonders verbreitet sind die Analfissuren. Durch den
Entzündungszustand geht meist die Elastizität der Haut verloren, was zu den Fissuren führen
kann [Pschyrembel, 2002].
Toxisches Megakolon
Als toxisches Megakolon wird eine akute massive Erweiterung des Colons bezeichnet die mit
einer plötzlich beginnenden, schnell und heftig verlaufenden Colitis einhergeht. Das toxische
Megakolon ist eine lebensbedrohliche Komplikation.
__________________________________________________________________________ 39
Leitsymptome sind u.a.:
akut auftretende heftige Schmerzen mit einem aufgetriebenen Abdomen
Abdomen (lat.) = Bauch, Unterleib [Pschyrembel, 2002].
BauchfellentzündungS
Veränderung der Darmperistaltik
Herzrhythmusstörungen
Schock
Verschlechterung des Allgemeinzustandes
und hohes Fieber [Pschyrembel, 2002].
Das toxische Megakolon ist eine dringliche (< 72h) Indikation zur Operation [Hoffmann et al.,
2004, S. 74]. Auch hier sind diätetische Indikationen erforderlich. Es gilt: absolute orale
Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz. Begleitende Flüssigkeits- und Elektrolytdefizite müssen
durch parenterale
Parenterale Ernährung = Ernährung unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes z.B. über einen Venenkatheter [Kasper, 2004, S. 479; Pschyrembel, 2002].
Ernährung ausgeglichen werden [Heepe et al., 2002, S. 374].
Toxisches Megakolon [Quelle: Universitätsklinikum Aachen]
Perforationen
Eine Perforation (Durchbruch) der Wände der Verdauungsorgane ist bei Morbus Crohn selten.
Meist kommt es in schweren, akuten Schüben und in Kombination mit einem toxischen
Megakolon zu Durchbrüchen. Sie sind dann eine Folge der entzündlichen Gewebeschädigung.
Die Perforation stellt eine Indikation zur Notfalloperation dar. Die Mortalität liegt bei eingetretener
Perforation trotz Operation bei bis zu 20% [Hoffmann et al., 2004, S. 64, 74; Pschyrembel,
2002].
Als Beispiel für eine Perforation ist in der nachfolgenden Abbildung ein Magendurchbruch
__________________________________________________________________________ 40
dargestellt:
Magenperforation [Quelle: Herrmann, 2008]
Colorektales Karzinom
Das Risiko bei Colitis Crohn (Morbus Crohn mit Colon-Befall) im Krankheitsverlauf ein
colorektales
colo- von Colon (Teil des Dickdarms), rektal von Rektum (Mastdarm) [Pschyrembel, 2002].
Karzinom zu entwickeln liegt zwischen 0,5 und 1%, wobei das absolute statistische Risiko
deutlich erhöht ist. Die Wahrscheinlichkeit ein Karzinom zu entwickeln hängt von der Dauer und
Ausprägung der Colitis Crohn ab. Noch wesentlich seltener treten bei Morbus Crohn
Dünndarmkarzinome auf. Aber auch hier ist trotz des sehr seltenen Auftretens das Risiko
statistisch um den Faktor 200 im Vergleich mit dem Risiko der Allgemeinbevölkerung erhöht
[Hoffmann et al., 2004, S. 64f].
Gallensteine
__________________________________________________________________________ 41
S
Gallensteine [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.2, 2006]
Bei Morbus Crohn ist das Risiko Gallensteine zu entwickeln um das 3,6 fache erhöht. Besonders
häufig kommt es bei Patienten mit einem langstreckigen Befall oder nach einer Resektion
Resektion (lat. resecare: weg-, zurückschneiden) = Entfernung von (kranken) Organteilen [Pschyrembel, 2002].
des terminalen Ileums zu Gallensteinen. Ursache ist der gestörte enterohepatische Kreislauf der
Gallensäure durch z.B. Gallensäureverlustsyndrom oder einer gestörten Gallenblasenmotilität
[Hoffmann et al., 2004, S. 87]. Entsprechende ernährungstherapeutische Maßnahmen sind
empfehlenswert.
Nierensteine
Das Risiko Nierensteine zu entwickeln liegt bei Patienten mit Morbus Crohn bei 8 – 19%. Ein
langstreckiger entzündlicher Befall oder die Resektion eines größeren Teils des Ileums können
zum Gallensäureverlustsyndrom und somit zu Oxalatsteinen
Oxalatsteine = graue bis schwarze Harnsteine aus Calciumoxalat (häufigste Zusammensetzung der Nierensteine, 70%) [Pschyrembel, 2002].
führen. Auch eine Dehydration z.B. bei Kurzdarmsyndrom kann für Nierensteine verantwortlich
sein [Hoffmann et al., 2004, S. 87].
Das Risiko Nierensteine zu entwickeln sollte durch eine Korrektur der Ess- und
Trinkgewohnheiten reduziert werden [Heepe et al., 2002, S. 390].
Osteoporose
Osteoporose tritt bei Morbus Crohn-Patienten häufig auf. Ungefähr 21,8 % der Patienten weisen
verminderte Knochendichte-Frakturen auf, wobei 1/3 der Patienten hierbei jünger als 30 Jahre
sind. S
Risikofaktoren für Osteoporose bei Morbus Crohn sind:
__________________________________________________________________________ 42
medikamentöse Therapie mit systemischen Steroiden
systemisch = den ganzen Organismus betreffend (Ggs. lokal). Steroide = meist Cortison (Steroidhormon), welches als Medikament zur Behandlung von CED eingesetzt wird [Pschyrembel, 2002].
niedriger BMI
Rauchen
SLactoseintoleranz
Dünndarmresektionen [Hoffmann et al., 2004, S. 87].
Ernährungstherapeutisch sollte hier mit z.B. calciumreicher Kost und Zufuhr von
Vitamin D entgegengewirkt werden [Heepe et al., 2002, S. 411f].
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Zu diesen Methoden gehören:
Labordiagnostik
Endoskopie (Gastroskopie, Coloskopie)
Bildgebende Verfahren (Sonographie, Computertomographie, Kernspintomographie).
Diagnostik
Wie wird Morbus Crohn diagnostiziert? [Quelle: Medi-Learn.net GbR, 2007]
Das folgende Kapitel soll einen Ein- und Überblick darüber geben, welche diagnostischen
Verfahren bei der Krankheitsbestimmung und Beurteilung des Verlaufes des Morbus Crohn zur
Anwendung kommen. Ein Ernährungsberater muss sich mit den Ärzten verständigen und
austauschen können. Auch muss er sich zum Teil selbst anhand der Krankenakte über den
Zustand des Patienten informieren und sollte sich mit den oft selbst sehr gut informierten
Patienten auseinandersetzen können. Dafür ist es wichtig zumindest einen Überblick über die
verschiedenen Untersuchungsmethoden zu haben und zu wissen, warum diese eingesetzt
werden und was sie über den Zustand des Patienten aussagen können.
Neben dem Arzt-Patienten-Gespräch mit ausführlicher Anamnese und einer gründlichen
Untersuchung des gesamten Körpers gibt es noch einige weitere gängige
Untersuchungsmethoden die bei dem Verdacht auf Morbus Crohn oder auch im weiteren Verlauf
der Erkrankung (Verlaufsdiagnostik) angewendet werden.
Im Folgenden wird genauer auf die einzelnen Diagnosemethoden eingegangen.
__________________________________________________________________________ 44
Mit Hilfe der Laborparameter kann:
eine Diagnose Morbus Crohn gestellt werdenS
zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa differenziert werden;
die Krankheitsaktivität beurteilt werden;
Komplikationen und extraintestinale Manifestationen erkannt werden;
die medikamentöse Therapie überwacht werden (insbesondere auf Nebenwirkungen).
Die für die klinische Praxis wichtigsten Laborparameter im Blut sind:
Blutsenkung
(kurz BSG: Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit) Die BSG gibt an, mit welcher Geschwindigkeit die roten Blutkörperchen nach Zugabe eines Gerinnungshemmers in einer senkrechten Röhre nach unten sinken. Nach einer bzw. zwei Stunden erfolgt die Messung der Strecke, welche die Blutkörperchen in der Röhre zurückgelegt haben.
Labordiagnostik
Die Labordiagnostik wird sowohl zur Diagnosestellung als auch für die Verlaufsbeurteilung von
Morbus Crohn eingesetzt.
Laborwerte müssen jedoch stets im Gesamtkontext betrachtet werden. Allein auf Grund der
Laborparameter kann keine Entscheidung getroffen werden. Sie müssen immer im
Zusammenhang mit anderen Befunden interpretiert werden [Hoffmann et al., 2004, S. 97].
Laborwerte und ihre Interpretation [Quelle: Mödder, G.]
Blutuntersuchung:
Blutsenkung
__________________________________________________________________________ 45
Eine Beschleunigung der BSG kann ein Hinweis auf eine akute und chronische Entzündung sein [Schaenzler et al., 2004, S. 65].
(BSG)
C-reaktives Protein
(kurz CRP) Das CRP ist ein in der Leber gebildetes Eiweiß, dessen Produktion bei einer akuten Entzündung stark erhöht ist. Grund dafür ist die Funktionen dieses Protein. Es fungiert als lebensnotwendiger Abwehrstoff. Das Protein bindet sich an Krankheitserreger und an verbrauchte oder kranke körpereigenen Zellen und fördert deren Zerstörung bzw. Abbau. Das CRP steigt bei einer Entzündung innerhalb von wenigen Stunden an und fällt nach abklingen schnell wieder ab. Daher ist das CRP ein wesentlich empfindlicherer Parameter als die BSG.
(CRP)
Leukozyten
(weiße Blutkörperchen) Die Leukozyten haben die Aufgabe Krankheitserreger oder andere fremde Stoffe abzuwehren und überalterte oder kranke Körperzellen zu beseitigen. Sie sind Teil des Immunsystems.
Eine Erhöhung der Leukozytenanzahl im Blut kann auf eine entzündliche Erkrankung hinweisen [Schaenzler et al., 2004, S. 60f].
Referenz- / Normalwerte:
Männer: 1. Stunde: 3 – 7 mm
2. Stunde: 5 – 18 mm
Frauen: 1. Stunde: 4 – 11 mm
2. Stunde: 6 – 20 mm
C-reaktives Protein
Referenz- / Normalwerte:
Ältere Kinder und Erwachsene:
bis 8,2 mg/l
[Schaenzler et al., 2004, S. 77].
Leukozyten
Referenz- / Normalwerte:
Vollblut: 4000 – 10 000 / µl
__________________________________________________________________________ 46
Thrombozyten
(Blutplättchen) Die Thrombozyten sind kleine, scheibenförmige, kernlose Blutbestandteile. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung bzw. bei der Gewebereparatur nach einer Entzündung
Eine Erhöhung der Thrombozytenanzahl kann auf eine entzündliche Erkrankung hinweisen [Schaenzler et al., 2004, S. 63f].
Hämoglobin
(kurz HB) Das Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff und damit Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen. Es handelt sich hierbei um ein eisenhaltiges Protein, welches für den Transport des Sauerstoffs von der Lunge zu den Geweben verantwortlich ist.
Ist das Hämoglobin im Blut erniedrigt, so liegt eine Anämie vor [Schaenzler et
Thrombozyten
Referenz- / Normalwerte:
Frauen: 16 – 30 Jahre
220 000 – 406 000 / µl
31 – 45 Jahre
215 000 – 379 000 / µl
46 – 60 Jahre
201 000 – 379 000 / µl
> 60 Jahre 187 000 – 366 000 / µl
Männer: 16 – 30 Jahre
210 000 – 366 000 / µl
31 – 45 Jahre
193 000 – 365 000 / µl
46 – 60 Jahre
202 000 – 356 000 / µl
> 60 Jahre 177 000 – 361 000 / µl
Hämoglobin
Referenz- / Normalwerte:
Frauen: 12,3 – 15,3 g/dl
Männer: 14,0 – 17,5 g/dl
__________________________________________________________________________ 47
al., 2004, S. 98f].
Hämatokrit.
(kurz Hct / Hk / Hkt) s Der Hämatokritwert gibt an, welchen prozentualen Anteil die roten Bslutkörperchen in einem Liter Gesamtblut haben.
Ein niedriger Hämatokritwert kann auf verschiedene Formen der Anämie hinweisen [Schaenzler et al., 2004, S. 97].
Hämatokrit
Referenz- / Normalwerte:
Frauen: 34,7 – 44,7 Vol %
Männer: 36,0 – 48,2 Vol %
BSG, CRP, Leukozyten, Thrombozyten und Hämoglobin/Hämatokrit sind in der
Entzündungsphase des Morbus Crohn bei vielen Patienten - jedoch nicht in allen Fällen - erhöht
[Schreiber et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 21].
BSG, CRP und Leukozyten werden allgemein als Entzündungsparameter bezeichnet. Eine
Erhöhung der Entzündungszeichen im Blut weist auf eine entzündliche Aktivität hin und kann bei
der Diagnose oder auch zur Beurteilung der Krankheitsaktivität herangezogen werden.
Bei Morbus Crohn findet man neben einer Erhöhung der Entzündungszeichen im Blut häufig
auch eine entzündungsbedingte Anämie
(so genannte Blutarmut) Bei einer Anämie ist der Sauerstofftransport gestört. Die Sauerstofftransportkapazität des Blutes ist vermindert.
Symptome können sein:
Leistungsabfall
Müdigkeit
erschwerte Atmung (Ruhe- und Belastungsdyspnoe)
Herzrhythmusstörungen
erhöhter Puls
funktionelle, systolische Herzgeräusche
[Pschyrembel, 2002].
. Hämoglobin- und Hämatokritwert sind dann niedriger als normal.
Anämie
Zur Differenzierung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa werden verschiedene Antikörper im
Blut untersucht. Das Verfahren ist jedoch sehr kompliziert und geht über den Rahmen dieser
__________________________________________________________________________ 48
Lerneinheit hinaus.
Zur Erkennung von Komplikationen, extraintestinalen Manifestationen (auch
Mangelerscheinungen) und Überwachung der medikamentösen Therapie können
Laborparameter ebenfalls sehr hilfreich sein. Diese sind aber sehr speziell und übersteigen an
dieser Stelle ebenfalls die Lernziele dieser Einheit [Hoffmann et al., 2004, S. 97ff; Schaenzler et
al., 2004, S. 191, 203].
__________________________________________________________________________ 49
Vorzugsweise gesucht wird nach:
Yersinien
Campylobacter
Pathogenen Escherichia coli
Salmonellen
Shigellen
Clostridium-difficile-Toxin
Aeromonaden
Parasiten.
[Hoffmann et al., 2004, S. 97]
Stuhluntersuchung:
Die Untersuchung des Stuhls erfolgt hauptsächlich um andere Erkrankungen und Gründe für die
Durchfälle auszuschließen. So werden die Stuhlkulturen auf mikrobiologische Infektionen
untersucht.
Teilweise wird der Stuhl aber auch untersucht, um mögliche Blutausscheidungen abzuklären.
__________________________________________________________________________ 50
Ein H2-Atemtest
Das Grundprinzip der Wasserstoff-Atemtestdiagnostik ist, dass bei einer vorliegenden Unverträglichkeit die verschiedenen Zucker im Dünndarm - aus unterschiedlichen Gründen - nicht in den Körper aufgenommen werden können. Deshalb gelangen sie weiter in den Dickdarm, wo sie bakteriell abgebaut werden. Bei diesem Abbau des Zuckers durch Bakterien entsteht unter anderem Wasserstoff, der von der betreffenden Person abgeatmet wird. Der ausgeatmete Wasserstoff dient als Diagnosewert [Pschyrembel, 2002].
Grundprinzip der Durchführung eines Atemtests:
Patient erscheint nüchtern
Atemprobe (Ausgangswert) wird entnommen:
Patient holt tief Luft
Patient atmet die gesamte Atemluft durch ein Mundstück aus
die letzte ausgeatmete Luft wird mittels verdichten des
Mundstückes mit dem Zeigefinger in die Spritze „eingefangen“
Ermittlung des H2-Wertes der Atemprobe mit Hilfe des
Wasserstoffexhalationsgerätes (Nüchternwert liegt bei ca. 7ppm)
bei Lactose zusätzlich Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckers
Verabreichung der entsprechenden Zuckerlösung (25g Fructose +
300ml H2O; 50g Lactose + 300ml H2O; 10g Sorbit + 300ml H2O;
50-80g Glucose + 300ml H2O/ 25ml Lactulose + 300ml H2O)
alle 15 Minuten wird erneut eine Atemprobe entnommen (bei
Lactose alle 30 Minuten und zusätzliche Messung des Blutzuckers)
der Test läuft insgesamt 90 Minuten
im Anschluss: sofortige Auswertung des Atemtests anhand der
Exhalationswerte (und des Blutzuckers)
(pathologischer Befund: Anstieg der Wasserstoffwerte um mehr als
20ppm im Vergleich zum Ausgangswert (bei Lactose zusätzlich: der
Blutzucker ist um weniger als 20mg/dl angestiegen d.h. der Zucker
wurde nicht ins Blut aufgenommen))
[Müller, 2007, S. 72].
wird durchgeführt um zu überprüfen, ob bei einem Patient mit dem entzündlichen Befall eine Nahrungsmittelunverträglichkeit einhergeht. In einem solchen Fall führen bestimmte Lebensmittel neben der sowieso schon hohen Stuhlfrequenz zu zusätzlichen Durchfällen und Bauchschmerzen. Eine Nahrungsmittelunverträglichkeit kann aber auch ohne vorliegende Entzündung bestehen. Des Weiteren kann eine bakterielle Fehlbesiedlung
Atemtest:
H2-Atemtest
Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms
__________________________________________________________________________ 51
Normalerweise schützt die Ileozäkalklappe den Dünndarm vor dem Eindringen der im menschlichen Körper natürlicherweise vorkommenden Dickdarmbakterien. Ist aber der Schutzmechanismus zerstört, z.B. durch einen entzündlichen Befall der Ileozäkalklappe, Stenosen, Divertikel (Ausstülpungen von Wandteilen) oder Fisteln, kann es zu einer Ansiedlung bzw. Übersiedlung der Bakterien im Dünndarm kommen. Diese sorgen für Bauchschmerzen und Durchfälle [Siegenthaler, 2001, S. 823]. Der Nachweis einer bakteriellen Fehlbesiedlung erfolgt meist mit einem Lactulose-H2-Atemtest oder einem Glucose-H2-Atemtest. Lactulose ist ein vom menschlichen Körper nicht absorbierbarere Kunstzucker. Hinweis auf eine Fehlbesiedlung ist ein vorzeitiger Anstieg (innerhalb der ersten 45 Minuten) des Wasserstoffgehalts im Atem. Der Zucker wird vorzeitig von den Bakterien zersetzt. Bei Lactulose würde die Zersetzung erst im Dickdarm stattfinden. Die Glucose hingegen würde normalerweise im Dünndarm absorbiert [Hoffmann et al., 2004, S. 100; Pschyrembel, 2002]. Im Regelfall wird bei einer diagnostizierten bakteriellen Fehlbesiedlung Antibiotika verabreicht und der Atemtest 6 bis 8 Wochen nach Ende der Antibiotika-Gabe wiederholt [Rabast, 2004, S. 157]. Eine vorliegende bakterielle Fehlbesiedlung kann zu falsch-positiven Ergebnissen bei den Atemtests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen. Meist sind dann schon die ersten Werte pathologisch erhöht [Müller, 2007, S. 72].
des Dünndarms vorliegen, die möglicherweise weitere Durchfälle bedingt.
Getestet wird auf:
Lactoseintoleranz
Fructosemalabsorption
Sorbitmalabsorption
bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms
[Hoffmann et al., 2004, S. 100].
__________________________________________________________________________ 52
Endoskopie
Unter Endoskopie versteht man das Ausleuchten und die Inspektion von Körperhohlräumen und
Hohlorganen mit Hilfe eines Endoskops
Ein Endoskop ist ein röhren- oder schlauchförmiges Instrument zur Endoskopie, das mit einem optimalen System ausgestattet ist.
Es besteht aus:
Objektiv und Okular (Linsensystem)
Einer Beleuchtungseinrichtung
Einer Spül- und Absaugvorrichtung
Kanälen zum Einführen von speziellen Instrumenten (z.B. Biopsiezange,
Metallschlinge).
. Zusätzlich besteht die Möglichkeit für die Diagnostik eine Gewebeprobe (Biopsie) zu
entnehmen und kleinere operative Eingriffe vorzunehmen [Pschyrembel, 2002]. Die Endoskopie
des Verdauungstraktes gibt Aufschlüsse über die Differentialdiagnose
Differentialdiagnose (Abk. DD) = Gesamtheit aller Diagnosen, die als Erklärung für die Krankheitszeichen möglich sind [Pschyrembel, 2002].
, das Befallsmuster und den Schweregrad der entzündlichen Veränderungen. Bei regelmäßiger
Anwendung kann der Verlauf des Morbus Crohn beurteil werden. So können Aussagen zum
Therapieerfolg, neuen Entzündungen und Komplikationen gemacht werden. Zahlenmäßig am
häufigsten angewandt wird die Coloskopie (Endoskopie des Colons), seltener die Gastroskopie
(Endoskopie des Magens). Bei beiden Methoden können Teile des Dünndarms mit untersucht
werden. Noch seltener und nur in speziellen Fällen kommt es zur Kapselendoskopie
Endoskop
Ein Endoskop kann starr oder flexibel (besonders wichtig bei der Untersuchung des
Magen-Darm-Traktes) sein. Auch gibt es verschieden Längen und unterschiedliche
Durchmesser, die je nach Bedarf und Lokalisation der Endoskopie gewählt werden
[Pschyrembel, 2002].
Endoskop [Quelle: Budack]
__________________________________________________________________________ 53
Die Kapselendoskopie ist ein bildgebendes Verfahren zur Untersuchung des Dünndarms, der mit dem Endoskop teilweise nur schwer erreichbar ist. Es handelt sich hierbei um ein relativ neues Verfahren. Dabei wird eine 26 x 11 mm große Kapsel von dem Patienten geschluckt. Sie enthält Batterien, einen Sender, eine Lichtquelle und eine Chip-Kamera, die über einen Zeitraum von ca. 6 Stunden Bilder sendet. Die Kapsel wird anschließend auf natürlichem Weg über den Darm ausgeschieden. Während der Untersuchung muss der jeweilige Patient einen Gürtel bei sich tragen, in dem sich ein Aufnahmegerät befindet welches die Bilder speichert [Ruhr-Universität Bochum, 2001].
. Zu beachten ist, dass auch die Ergebnisse einer Endoskopie immer im Gesamtkontext mit
mehreren Methoden zur Diagnose eines Morbus Crohn stehen müssen. Typische
endoskopische Befunde allein können das Vorliegen eines MC nicht bestätigen. Eine
Gewebeprobe ist hier von großer Relevanz [Hoffmann et al., 2004, S. 102f].
Kapselendoskopie
Kapsel für Kapselendoskopie [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.3, 2006]
Im Folgenden können Sie sich Endoskopie-Videos einer ischämischen Colitis und einer
Divertikulitis
Divertikulitis = Entzündung der Wand eines Divertikels (sackförmige Ausstülpung von Wandteilen des Verdauungstraktes) [Pschyrembel, 2002].
ansehen. Sie sollen als Beispiele für das Erscheinungsbild von entzündlichen Veränderungen im
Darm und den Ablauf einer Endoskopie dienen.
__________________________________________________________________________ 54
Das Video zeigt das Colon von innen. Die Darmwände sind deutlich gerötet. Zum Teil liegt
Schleim auf den Wänden. An einigen Stellen sind deutlich gelbliche, eitrige Stellen zu sehen.
Endoskopie-Video - Ischaemcolitis
Endoskopie-Video - Divertikulitis
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Hierzu zählen klassischer Weise:
die Sonographie (Ultraschall)
die Computertomographie (kurz: CT; Röntgen)
und die Magnetresonanztomographie (kurz: MRT; Magnetresonanz).
Bildgebende Verfahren
In der Diagnostik des Morbus Crohn werden auch einige bildgebende Verfahren angewendet.
Die bildgebenden Verfahren geben Auskunft über die Ausbreitung der Erkrankung und mögliche
Komplikationen. Dabei ergänzen sie die Endoskopie und die Labordiagnostik.
__________________________________________________________________________ 56
Material 3 - Ernährungstherapie
__________________________________________________________________________ 57
Einführung
Der Krankheitsverlauf und die Schwere der Erkrankung können bei Morbus Crohn von Patient
zu Patient stark variieren. Deshalb sollte die Therapie stets dem individuellen
Krankheitsgeschehen und dem möglichen Auftreten von Komplikationen angepasst werden.
In der individuellen Therapie ist zwischen medikamentöser Therapie, chirurgischen Verfahren,
Ernährungstherapie und unterstützenden Maßnahmen (z.B. psychotherapeutische
Behandlungsmethoden) zu unterscheiden. Der Schwerpunkt dieser Lerneinheit liegt jedoch auf
den ernährungstherapeutischen Maßnahmen.
Eine ganzheitliche und allgemeingültige Ernährungsempfehlung für Patienten mit Morbus Crohn
gibt es allerdings nicht. Die Zusammenhänge von Ernährungsfaktoren, Ätiologie und
Pathogenese sind bis dato nicht eindeutig geklärt. Durch das fehlende Wissen über die
Ursachen der Entstehung und Entwicklung des Morbus Crohn und darüber hinaus über den
Einfluss der Ernährung auf die Erkrankung, können keine grundsätzlichen und eindeutigen
diätetischen Empfehlungen ausgesprochen werden. Jedoch gibt es ernährungstherapeutische
Maßnahmen, die individuell Anwendung finden. Sie sollen unter anderem helfen die Symptome
wie Durchfälle und Bauschmerzen zu lindern, Ängste vor der Nahrungsaufnahme zu beseitigen
und Energie- und Nährstoffverluste auszugleichen. Im Vordergrund aller Behandlungsmethoden
steht die Steigerung der Lebensqualität und Minderung des Leidensdrucks der Patienten.
„Man soll dem Leib etwas Gutes bieten,
damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“
Winston Churchill
In den folgenden Kapiteln wird auf die verschiedenen Anforderungen eingegangen, die an eine
individuelle Ernährungstherapie des Morbus Crohn gestellt werden.
Lebensqualität steigern und neue Lebensfreude gewinnen
__________________________________________________________________________ 58
Am Ende dieses Materials sollen Sie:
einen Überblick über das ernährungstherapeutische Vorgehen in einem akuten
Entzündungsschub erhalten haben.
gelernt haben, einen Morbus Crohn-Patienten in der Remissionsphase individuell
diätetisch beraten und unterstützen zu können.
für die möglichen Mangelzustände des Morbus Crohn sensibilisiert sein und befähigt
diese zu erkennen.
wissen, welche ernährungstherapeutischen Maßnahmen bei den mit Morbus Crohn
verbundenen Symptomen, Komplikationen und Mangelzuständen zu ergreifen sind.
Lernziele
__________________________________________________________________________ 59
Die Ernährungstherapie in der akuten Entzündungsphase hat folgende Behandlungsziele:
Beseitigung der Unter- bzw. Mangelernährung
Reduktion der Entzündungsaktivität
Einleitung der Remission
[Hoffmann et al., 2004, S. 194; Kasper, 2004, S. 163].
Bei Morbus Crohn gelten die ernährungsmedizinischen Grundsätze einer Stufentherapie:
1. Ernährungsberatung
2. zusätzliche Ernährung durch Trinknahrung
3. Sondennahrung
4. parenterale Ernährung
[Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Ernährung in der akuten Entzündungsphase
Bei Morbus Crohn wird von einer akuten Entzündungsphase bzw. einem akuten
Schub gesprochen, wenn die typischen klinischen Symptome und Beschwerden in
Verbindung mit den entsprechenden Laborwerten vorliegen. Als Hilfsmittel wird zur
Einschätzung der Krankheitsaktivität häufig ein so genannter „Aktivitätsindex“
eingesetzt. Für Morbus Crohn ist international der Crohn`s Disease Activity Index
(CDAI) gängig. Der CDAI befasst sich unter anderem mit der Anzahl der Stühle,
Bauchschmerzen, der Bewertung des Allgemeinbefindens und dem Auftreten anderer
Symptome. Aktivitätsindizes werden jedoch meist in Studien angewendet, in der
täglichen Praxis sind sie nicht erforderlich.
[Quelle: Schölmrich (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 27; Hoffmann et al., 2004, S. 59f; Schreiber
et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 23]
Die Ernährungstherapie stellt keinen Ersatz für eine medikamentöse Therapie dar und ist im
Regelfall nicht zur alleinigen Schubtherapie zu empfehlen [Schölmrich (Leitlinien der DGVS),
2003, S. 28]. Bei der Behandlung des Morbus Crohn steht die medikamentöse Therapie an
erster Stelle. In dem folgenden Exkurskapitel können Sie sich einen Überblick über die gängigen
Medikamente der Morbus Crohn Therapie und ihren Wirkungen verschaffen.
Eine künstliche Ernährung kann jedoch eine sinnvolle Ergänzung zu der medikamentösen
Therapie darstellen. Auch kann sie als alleinige Therapie im akuten Entzündungsschub
angewandt werden, wenn eine medikamentöse Behandlung mit Kortikoiden nicht durchführbar
ist [Lochs et al. (ESPEN-Leitlinien), 2006, S. 260].
Der Begriff „künstliche Ernährung“ fasst die enterale und parenterale Ernährung zusammen. Im
Folgenden werden diese beiden Begriffe definiert und ihre Anwendung in der Akuttherapie des
Morbus Crohn erläutert.
__________________________________________________________________________ 60
Enterale Ernährung
Als künstliche enterale Ernährung wird in der Regel eine industriell hergestellte bilanzierte Diät
(Formeldiät, Formuladiät) bezeichnet. Bilanzierte Formeldiäten sind Zubereitungen mit exakt
definierter Zusammensetzung. Im Sinne der Diätverordnung werden sie als „diätetische
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ bezeichnet. Sie werden in pulvriger oder
flüssiger, seltener in fester Form (z.B. verzehrsfertige Happen) hergestellt [Kasper, 2004, S.
482].
Die enterale Ernährung kann in Form von Trinknahrung oder auch als Sondennahrung
verabreicht werden. Sondennahrung wird bei Morbus Crohn über eine Nasogastrale Sonde
Die Nasogastrale Sonde ist ein stab- oder röhrenförmiges, elastisches Instrument aus Kunststoff, welches durch Nase, Rachen und Speiseröhre in den Magen eingeführt wird [Kasper, 2004, S. 482; Pschyrembel, 2002].
oder PEG-Sonde
PEG ist die Abkürzung für perkutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie. Hierbei wird durch die Bauchdecke hindurch eine Verbindung (meist ein elastischer Kunststoffschlauch) in den Magen oder das Duodenum gelegt [Kasper, 2004, S. 482; Pschyrembel, 2002].
Ernährung über Nasogastralsonde [SKM-Hospital, 2004]
__________________________________________________________________________ 61
PEG-Sonde [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.4, 2007]
zugeführt [Lochs et al. (ESPEN-Leitlinien), 2006, S. 260]. Man unterscheidet bei der enteralen
künstlichen Ernährung die nährstoff-definierte und die chemische-definierte Formeldiät.
Nährstoff-Definierte Formeldiät
(vollständig bilanzierte Diäten)
Bei der nährstoff-definierten Formeldiät handelt es sich um standardisierte Nährstoffgemische in
gebrauchsfertiger flüssiger Form oder in Pulverform. Die bilanzierten Nährstoffgemische sind
überwiegend aus hochmolekularen Proteinen und Kohlenhydraten (Polysaccharide)
zusammengesetzt (meist Maltodextrin oder Stärke, Milch-, Soja- oder Eiereiweiß und Fette
langkettiger Fettsäuren). Sie setzen eine nahezu ungestörte enterale Verdauung und Absorption
voraus. Die nährstoff-definierten Formeldiäten sind sowohl mit als auch ohne Ballaststoffe
erhältlich [Biesalski et al., 2004, S. 641; Heepe et al., 2002, S. 579; Kasper, 2004, S. 484].
Chemisch-Definierte Formeldiät
(Elementardiät, Peptiddiät, Astronautenkost)
Die chemisch-definierten Formeldiäten hingegen sind auch bei nur minimaler
Verdauungsleistung absorbierbar. Sie bestehen aus mono- oder niedermolekularen Nährstoffen
(Aminosäuren, Oligopeptide, Mono-, Di-, Oligosaccharide, Triacylglycerine, Vitamine, Elektrolyte,
Spurenelemente). Chemisch-definierte Formeldiäten werden im oberen Dünndarm resorbiert
und sind völlig ballaststofffrei. Sie können zu einer „Entlastung“ oder „Ruhigstellung“ der
Verdauungsorgane genutzt werden [Biesalski et al., 2004, S. 642; Heepe et al., 2002, S. 583;
Kasper, 2004, S. 486].
Insgesamt gibt es von den verschiedenen Pharmaherstellern (z.B. Fresenius, Novartis, Nestlé,
Abbott, Braun, Pfrimmer Nutricia) viele unterschiedliche Produkte, welche nach den individuellen
Anforderungen des Betroffenen ausgesucht werden können.
Die folgenden Abbildungen zeigen Beispiele für Produkte der Trink- und Sondennahrung:
__________________________________________________________________________ 62
Die enterale Ernährung bei Morbus Crohn findet Anwendung zur Behandlung von:
Mangelernährung
Wachstums- und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern und Jungendlichen
Verbesserung der Lebensqualität
Trinknahrung mit verschiedenen Indikationen [Quelle: Primmer Nutricia GmbH]
Beispiel Sondennahrung [Pfrimmer Nutricia GmbH, 2008]
Studien haben ergeben, dass es keinen signifikanten Unterschied in der Wirkung von
hochmolekularer und niedermolekularer Formeldiäten bei Morbus Crohn gibt. Generell wird
daher die hochmolekulare, nährstoff-definierte Formeldiät empfohlen [Lochs et al. (ESPEN-
Leitlinien), 2006, S. 260]. Sie ist wesentlich preisgünstiger, weist einen vergleichsweise relativ
guten Geschmack auf und muss nicht über eine Sonde verabreicht werden [Kasper, 2004, S.
164].
Enterale Ernährung bei Morbus Crohn
__________________________________________________________________________ 63
einem akuten Schub
entzündliche Stenosen
perioperative (vor und nach einer OP) Ernährung
Erhaltung der Remission.
.
Im akuten Schub und bei der Behandlung von entzündlichen Stenosen wird eine kombinierte
Therapie aus enteraler Ernährung und Medikamenten empfohlen
Ist eine medikamentöse Behandlung mit Kortikoiden nicht durchführbar (z.B. bei
Unverträglichkeit), so kann die enterale Ernährung auch als alleinige Therapie im akuten
Entzündungsschub angewandt werden.
Bei Kindern mit Morbus Crohn ist die enterale Ernährung die Therapiemethode erster Wahl. Die
enterale Ernährung ist hier der Kortikoidtherapie nahezu ebenbürtig [Lochs et al. (ESPEN-
Leitlinien), 2006, S. 260].
Mit einer ausschließlichen Ernährung durch Formeldiäten lässt sich zu 50 – 90% bei einer
Therapiedauer von 2 – 6 Wochen eine Remission erzielen. Bei Kindern ist oft eine längere
Therapiedauer erforderlich. Die Höhe der Energiezufuhr liegt meist zwischen 2000 und 3000
kcal/Tag. Sie richtet sich jedoch nach dem individuellen Bedarf und der Verträglichkeit [Kasper,
2004, S. 164].
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Patienten mit Dünndarmbefall deutlich besser auf die
Ernährungstherapie ansprechen als Patienten mit Crohn-Colitis, Fieber und extraintestinalen
Manifestationen [Biesalski, 2004, S. 356].
Auf welche pathophysiologischen Mechanismen das positive Ansprechen auf die künstliche
Ernährung zurückzuführen ist, ist unbekannt. Als therapeutischen Effekt der enteralen
künstlichen Ernährung wird ein hemmender Effekt auf die chronische Entzündung vermutet.
Folgende Faktoren werden diskutiert:
__________________________________________________________________________ 64
Mögliche Faktoren für das positive Ansprechen auf die künstliche Ernährung
Der verbesserte Ernährungszustand durch die künstliche Ernährung hat einen möglichen positiven
Effekt auf den Krankheitsverlauf.
Diskutiert wird auch der positive Einfluss auf die Darmflora. Durch eine künstliche Ernährung
vermehren sich die Darmbakterien wieder besser und die Intestinalflora wird gestärkt.
Auch wird die Antigenbelastung im Darm durch die künstliche Ernährung vermindert, was ebenfalls
ein Grund für die positiven Auswirkungen auf die Entzündungsaktivität sein kann.
Des Weiteren normalisiert die enterale bzw. parenterale Ernährung die gestörte Mucosapermeabilität,
was als weiterer Grund für den positiven Effekt der künstlichen Ernährung debattiert wird.
Auch wird gesagt, dass durch eine künstliche Ernährung der Darm „ruhig gestellt“ wird, wodurch er
besser abheilen kann.
Weitere positive Effekte sollen durch eine völlige bzw. weitgehend fehlende orale Fettzufuhr
hervorgerufen werden. Dies gilt aber nicht für nährstoff-definierte Formeldiäten.
Außerdem wird diskutiert ob die spezifischen Effekte bestimmter Inhaltsstoffe von Formeldiäten wie
z.B. Glutamin, Arginin, etc. für diese positiven Auswirkungen der künstlichen Ernährung
verantwortlich sein können. Jedoch konnte keine der eben genannten möglichen Erklärungen für den
positiven Effekt der künstlichen Ernährung wissenschaftlich bestätigt bzw. bewiesen werden. [Quelle:
Kasper, 2004, S. 164]
Parenterale Ernährung
Bei der parenteralen Ernährung (PE) handelt es sich um eine künstliche Ernährung unter
Umgehung des Verdauungstraktes. Alle für den Körper notwendigen Nährstoffe werden dann in
Flüssigkeit gelöst mit einem zentraler Venenkatheter
Der zentrale Venenkatheter (kurz: ZVK) ist ein Kunststoffschlauch, der meist nach Punktion einer Vene im Bereich der oberen Körperhälfte in das venöse Gefäßsystem eingeführt und in die obere Hohlvene herznah vorgeschoben wird [Pschyrembel, 2002].
Beispiel ZVK bei einem Patienten [Quelle: Döring, 2004]
__________________________________________________________________________ 65
über eine Infusion zugeführt. Die Infusionslösung kann aber auch über einen so genannten Port-
Katheter
Ein Port-Katheter ist ein dauerhafter, unter der Haut liegender Zugang zum Blutkreislauf. Er besteht aus einem kleinen Vorratsgefäß mit einer Siliconmembran und einem davon abgehenden Kunststoffschlauch (Venenkatheter). Ein Port muss unter hochsterilen Bedingungen mit einem chirurgischen Eingriff in den Körper eingebracht werden. Ein Port-System ist bei längerfristiger parenteraler Ernährung zu empfehlen. Der Port-Katheter hat den Vorteil einer geringeren Gefahr von Infektionen [Biesalski, 2004, S. 650f].
Beispiel Port-Katheter [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.5, 2006]
verabreicht werden. Die Nährstoffe gelangen auf direktem Weg in die Blutbahn [Kasper, 2004, S.
493]. Die verabreichten Lösungen müssen nach besonderen Kriterien hergestellt und
zusammengesetzt sein, damit sie vom Körper ohne Nebenwirkungen akzeptiert werden.
Zum Einsatz der parenteralen Ernährung kommt es jedoch nur, wenn sich eine enterale
Ernährung nicht verwirklichen lässt (z.B. wenn der Verdauungstrakt nicht funktionsfähig ist). Die
Nährstoffzufuhr über den Magen-Darm-Trakt ist von besonderer Bedeutung für die
Aufrechterhaltung der Barrierefunktion der Darmmucosa, die vor dem Eindringen von Bakterien,
Viren und anderen pathogenen Substanzen in den Körper schützt. Auf Grund dessen sollte
immer versucht werden, die parenterale Ernährung mit einer reduzierten enteralen Ernährung zu
kombinieren [Kasper, 2004, S. 488f].
Bei Morbus Crohn hat die totale parenterale Ernährung die gleiche Wirkung wie die enterale
Ernährung. Beide führen mit einem gleichen Prozentsatz zu einer Remission. Jedoch ist die
enterale Ernährung auf Grund der oben genannten Gründe und des geringern
Überwachungsaufwandes, der niedrigeren Komplikationsrate und der geringeren Kosten
vorzuziehen [Biesalski, 2004, S. 356f].
Zusammenfassung
Die folgende Animation soll noch einmal einen Überblick über die künstliche Ernährung liefern
und das durchgearbeitete Kapitel in groben Zügen zusammenfassen:
__________________________________________________________________________ 66
Überblick über die künstliche Ernährung (Zusammenfassung) [Quelle: Kasper, 2004, S. 479
Der Begriff „künstliche Ernährung“ umfasst sowohl die enterale als auch die parenterale Ernährung.
Die enterale künstliche Ernährung wird auch als bilanzierte Diät oder Formeldiät bezeichnet. Es wird
in die nährstoff-definierte Formeldiät und in die chemisch-definierte Formeldiät unterschieden.
Die nährstoff-definierte Formeldiät besteht aus einem hochmolekularen Nährstoffgemisch und setzt
eine nahezu ungestörte enterale Verdauung und Resorption voraus.
Die chemisch-definierte Formeldiät hingegen besteht aus mono- oder niedermolekularen Nährstoffen
und ist auch bei nur minimaler Verdauungsleistung resorbierbar.
In ihrer Wirkung auf die Entzündungsaktivität des Morbus Crohn konnten bei beiden Formeldiäten
keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.
Bei der parenteralen Ernährung handelt es sich um eine künstliche Ernährung unter Umgehung des
Verdauungstraktes. Die Nährstoffe werden per Infusionslösung direkt in die Blutbahn verabreicht und
dem Stoffwechsel zugeführt.
Sowohl die enterale als auch die parenterale Ernährung haben den gleichen positiven Effekt auf die
Krankheitsaktivität des Morbus Crohn. Die parenterale Ernährung sollte aber nur dann zum Einsatz
kommen, wenn sich eine enterale künstliche Ernährung nicht verwirklichen lässt.
Nach einer künstlichen Ernährung ist in einigen Fällen ein Kostaufbau nötig. Ein Kostaufbau ist
„ein diättherapeutisches Verfahren, bei dem eine stufenweise quantitative und qualitative
Erweiterung der Nährstoffzufuhr und Lebensmittelauswahl erfolgt“ [Kluthe et al., 2008, S. 2129].
Die verschiedenen Formen des Kostaufbaus sind jedoch empirisch und wissenschaftlich nicht
__________________________________________________________________________ 67
belegt. Der Kostaufbau bei Morbus Crohn kann in dem folgenden Exkurs-Kapitel nachgelesen
werden.
__________________________________________________________________________ 68
Bei Morbus Crohn sind diese speziellen Fälle:
eine längere Phase (> 7 Tage) einer künstlichen Ernährung
und wenn der Zustand des Patienten eine Ernährung in fester Form
nicht sofort zulässt
[Müller, 2007, S. 264f].
Kostaufbau bei Patienten mit Morbus Crohn
Wie eingangs bereits erwähnt sind die verschiedenen Formen des Kostaufbaus empirisch und
wissenschaftlich nicht belegt. Jedoch wird in der Praxis in einigen speziellen Fällen ein
Kostaufbau durchgeführt.
Grundgedanke des Kostaufbaus ist eine eventuell verringerte Belastbarkeit des Magen-Darm-
Traktes nach einer künstlichen Ernährung. So soll der Verdauungstrakt nach einer Phase der
Nahrungskarenz langsam wieder an eine orale Nahrungszufuhr adaptiert werden.
Die orale Nährstoffzufuhr und die Lebensmittelauswahl erfolgt beim Kostaufbau stufenweise. Es
wird mit leicht verdaulichen Kohlenhydratträgern begonnen. Anschließend werden Proteinträger
und Fett mit einbezogen, die in ihrer Menge stufenweise gesteigert werden.
Die auf Grund des Morbus Crohn notwendigen individuellen diätetischen Maßnahmen wie z.B.
Ersatz von LCT-Fetten durch MCT-Fette, lactosearme Kostauswahl etc., müssen zusätzlich
verordnet werden [Kluthe et al., 2008, S. 2129].
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Stufen des Kostaufbaus
mit Lebensmittelvorschlägen bei Morbus Crohn. Da der Kostaufbau bis Stufe 4 in Bezug auf die
Energiezufuhr nicht bedarfsdeckend sein kann, wird zusätzlich eine künstliche Ernährung
empfohlen.
Kostaufbau
1. Stufe: überwiegendeZufuhrvonKohlenhydraten
Tee, stilles Wasser
Zwieback
Hafer-, Reis-, Hirseflockenschleim (mit Wasser gekocht)
(Trauben)Zucker / Honig / Salz
evtl. parenterale / enterale Ernährung
2. Stufe: passierte Kartoffel-/ Karottensuppe
leicht entfettete Gemüsebrühe (ohne Gemüse)
Weißbrot, Toast
evtl. parenterale / enterale Ernährung
3. Stufe: weich gedünstetes Gemüse (siehe LVK)
Nudeln, Reis, Kartoffelschnee
Gekochter Fisch (z.B. Seelachs, Scholle, Kabeljau)
__________________________________________________________________________ 69
Von 8 kleinen Mahlzeiten am Tag ausgehend langsame Reduzierung auf 4 - 5
Mahlzeiten bei zunehmender Portionsgröße.
Schonende Zubereitung z.B. dünsten, dämpfen, braten in wenig Fett.
Keine scharfen Gewürze.
Kein Alkohol.
Bei Bedarf zusätzliche diätetische Maßnahmen, wie Einsatz von MCT-Fetten,
glutenfreie und lactosearme Lebensmittelauswahl
[Koula-Jenik et al., 2006, S. 398].
(passiertes), fettarmes, gekochtes Fleisch (z.B. Pute, Huhn)
Obstkompott (auch „Babykost“ aus Gläsern)
Banane
evtl. parenterale / enterale Ernährung
4. Stufe: Fettzulage in kleinen Portionen wie Käse, Milch (fettarm),Ei, Fleisch und
Fisch
Milder Naturjoghurt, Magerquark
Rührei
Magerer Wurst- und Käseaufschnitt
Leichtes Knäckebrot
Feinausgemahlenes (Vollkorn-)Brot/Toast
evtl. parenterale / enterale Ernährung
5. Stufe: Leichte Vollkost (LVK)
Kostaufbau bei Patienten mit Morbus Crohn [Quelle: Koula-Jenik et al., 2006, S. 398 ; Müller, 2007, S. 267 ; Biller, 2001,
S. 50; Kluthe et al., 2008, S. 2131]
Weitere Maßnahmen :
Durch den Kostaufbau sollen Dünn- und Dickdarm wieder an eine „normale“ Kost adaptiert
werden. Die Dauer des Kostaufbaus ist individuell verschieden und hängt zum Teil auch von
möglichen Komplikationen der Erkrankung ab. Als Richtwert gilt jedoch: jede Stufe wird über
einen Zeitraum von 3 Tagen durchgeführt. Nach einer parenteralen Ernährung wird mit Stufe 1
begonnen. In Anschluss an eine enterale Ernährung wird verkürzt bei Stufe 3 angesetzt [Müller,
2007, S. 267].
__________________________________________________________________________ 70
(Kortikosteroide, umgangssprachlich als Cortison bezeichnet)
haben eine entzündungshemmende (antiphlogistische) Wirkung
Systemische Glukokortikoide
(= den ganzen Organismus betreffend)
Prednisolon, Prednison, Methylprednisolon
(bevorzugt orale Verabreichung, schnelle und vollständige enterale Resorption)
Topische Glukokortikoide (= örtlich, lokal wirkend) Budesonid (als Kapseln oder
Klysmen (= Einläufe))
Betamethason, Hydrocortison
(bei Crohn-Colitis als Rektalinstillation bzw. -schaum)
(haben ebenfalls eine entzündungshemmende Wirkung)
Mesalazin ( 5-Aminosalicylsäure)
(meist orale Verabreichung, aber auch als Klysmen und Zäpfchen)
Medikamentöse Therapie
Dieser Exkurs soll einen Überblick über die gängigen Medikamente der Morbus Crohn-Therapie
und ihre Wirkweisen geben. Ziel ist es, ein Grundwissen über die medikamentöse Therapie zu
erlangen, das die Kommunikation mit Ärzten und Patienten erleichtert. Dieser Exkurs soll jedoch
keine ausführliche Darstellung von Pharmakologie und Medizin des Morbus Crohn werden. Auch
wird auf die Aufzählung der Medikamente zur Behandlung von Begleiterkrankungen und
Symptomen verzichtet.
Ziel einer optimalen medikamentösen Therapie ist stets eine Remission einzuleiten
(Remissionsinduktion) und diese anschließend zu erhalten (Remissionserhaltung). Die
Entzündungsaktivität soll also verringert und Rückfälle vermieden werden. Die medikamentöse
Therapie kann sowohl zur Behandlung von aktiven Schüben, als auch zur Vorbeugung von
erneuten Schüben eingesetzt werden. Morbus Crohn kann nach dem momentanen
Erkenntnisstand durch keine medikamentöse Maßnahme geheilt werden. Jedoch können
Medikamente den Betroffenen helfen, über lange Zeiten hinweg frei von spürbaren Zeichen der
Erkrankung zu sein [Hoffmann et al., 2004, S. 136].
Die Wahl des Medikamentes ist von dem Ausmaß der Beschwerden, der Lokalisation der
Entzündung und möglichen Komplikationen abhängig [Schölmerich (Leitlinien DGVS), 2003, S.
27].
Die Medikamente werden unterschiedlich angewendet. Sie kommen in Tablettenform, intravenös
als Infusion, als Darmeinläufe (Klistiere, Klysmen), Zäpfchen oder Schaum lokal zur Anwendung
[Hoffmann et al., 2004, S. 159].
Die folgende Auflistung soll einen Überblick über die gängigen Medikamente geben:
Glukokortikoide:
Aminosalicylate
Immunsuppressiva
__________________________________________________________________________ 71
(unterdrücken, bzw. hemmen das Immunsystem)
Azathioprin (orale Verabreichung)
Infliximab (intravenös als Infusion, meist bei Komplikationen)
[Hoffmann et al., 2004, S. 139ff; Schölmerich (Leitlinien DGVS), 2003, S. 28f].
Alle weiteren propagierten Medikamente oder in der Literatur vorgeschlagenen
Therapieverfahren wie z.B. Biologica, Wurmeier, Weihrauch oder Cannabis sind bis lang ohne
Beleg [Schölmerich (Leitlinien DGVS), 2003, S. 29].
Weiterhin ist zu beachten, dass es zu einer Steroidabhängigkeit und einem Steroidrefraktärem
refraktär = unempfänglich, unbeeinflussbar
Verlauf kommen kann:
Von einem Steroidabhängigen Verlauf wird gesprochen, wenn zu einer stabilen
Remissionserhaltung Steroide gegeben werden müssen und zwei Versuche die Gabe zu
reduzieren innerhalb von sechs Monaten gescheitert sind.
Von einem Steroidrefraktärem Verlauf wird gesprochen, wenn nach der Therapie einer akuten
Entzündungsphase und fortgesetzter Steroidgabe die klinische Aktivität des Morbus Crohn durch
eine kontinuierlich hohe Steroidgabe über sechs Wochen nicht zu durchbrechen ist [Hoffmann et
al. (Leitlinien DGVS), 2003, S. 31].
Alle oben aufgeführten Medikamente können eine Reihe von Nebenwirkungen nach sich ziehen.
So sind einige Pharmazeutika für Mangelernährungszustände und Begleiterkrankungen bei
Morbus Crohn verantwortlich. Prednisolon z.B. begünstigt den Mangel an Zink und die
Behandlung mit Steroiden geht mit einer verminderten Knochendichte einher [Kasper, 2004, S.
162].
In der Schwangerschaft sind Infliximab und Azathioprin kontraindiziert. Als unbedenklich werden
hingegen Aminosalicylate und Kortikosteroide eingestuft. Allerdings können höhere Dosen
Kortikosteroide zu einigen Problemen in der Schwangerschaft führen wie z.B.
Schwangerschaftsdiabetes, arterielle Hypertonie und ein vermindertes Wachstum des Fötus
[Hoffmann et al., 2004, S. 168]. Eine etablierte Therapie mit Azathioprin sollte jedoch bei
auftretender Schwangerschaft nicht abgebrochen werden [Fleig (Leitlinien der DGVS), 2003, S.
40].
Eine Schwangerschaft sollte möglichst in eine inaktive Phase des Morbus Crohn gelegt werden.
Ist die Erkrankung in einem aktiven Zustand, so ist die Fertilität eingeschränkt und es kommt
häufiger zu schweren Entzündungsschüben und Komplikationen während der Schwangerschaft.
In Studien zeigten Patientinnen mit Morbus Crohn eine Tendenz zu Frühgeburten. Auch das
Geburtsgewicht der Kinder ist insgesamt niedriger als bei der Normalbevölkerung. Ansonsten
wird eine Schwangerschaft durch eine inaktive Erkrankung nicht signifikant beeinflusst
[Hoffmann et al., 2004, S. 65].
__________________________________________________________________________ 72
Ernährung in der Remissionsphase
Von der Remissionsphase oder Ruhephase des Morbus Crohn wird gesprochen,
wenn die klinischen Zeichen und Symptome einer akuten Entzündung
(Bauchschmerzen, Diarrhö, Fistelsekretion, andere intestinale und extraintestinale
Symptome) verschwunden sind. Der Übergang zwischen der akuten
Entzündungsphase und der Remissionsphase des Morbus Crohn ist unscharf und
zeitlich nicht exakt zu definieren. Es werden aber einige Wochen dafür veranschlagt.
[Quelle: Fleig (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 36]
Eine generelle Diät oder Ernährungstherapie zur Erhaltung der Remission gibt es nicht. Für den
positiven Einfluss von diätetischen Maßnahmen zur Remissionserhaltung liegen derzeit keine
ausreichenden bzw. nur widersprüchliche Daten vor. So haben Kostformen, die z.B. Brot
vermeiden, reich an Omega-3-Fettsäuren sind oder bestimmte Lebensmittel ausschließen keine
signifikanten Auswirkungen auf die Erhaltung der Remission [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003,
S. 66].
Empfohlen wird jedoch eine ausgewogene und ausreichende Kost, die sich an den Vorgaben
der leichten Vollkost der DGE orientiert. Auf den Ausgleich von Mangelernährungen und das
Beheben von Begleiterscheinungen muss weiterhin geachtet werden. Auch muss bei einigen
Betroffenen an eine Nahrungsmittelintoleranz gedacht und diese bei der Lebensmittelauswahl
berücksichtigt werden. Bei ca. 15% der Patienten mit Morbus Crohn liegt eine
Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht nur im akuten Schub, sondern auch in der
Remissionsphase vor [Biesalski, 2004, S. 357; Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 66].
Leichte Vollkost
Beispiel für eine Leichte Vollkost [Quelle: BestCon Food GmbH, 2008]
Die Ernährung nach der leichten Vollkost (auch als gastroenterologische Basisdiät oder
__________________________________________________________________________ 73
allgemeine Schonkost bezeichnet) hat keinerlei therapeutischen Einfluss auf die Remission.
Durch diese spezielle Kostform kann weder eine Erhaltung noch eine Verlängerung der
Remissionsphase erreicht werden. Durch die leichte Vollkost sollen unspezifische Intoleranzen
im Bereich des Verdauungstraktes vermieden werden. Typische Beschwerden, die mit dem
Morbus Crohn einhergehen wie z.B. Bauchschmerzen, Blähungen, Neigung zu Durchfällen
können auch in der Remissionsphase ohne akute Entzündung auftreten. Sie sind meist die
Folge eines insgesamt empfindlichen Magen-Darm-Traktes. Die Orientierung an der leichten
Vollkost soll den Betroffenen helfen herauszufinden, welche Lebensmittel oder
Zubereitungsarten ihre individuellen Beschwerden verursachen [Kasper, 2004, S. 557].
„Die leichte Vollkost unterscheidet sich von der Vollkost durch Nichtverwenden von
Lebensmitteln oder Speisen, die erfahrungsgemäß häufig, z.B. bei mehr als 5% der
Patienten, Unverträglichkeiten auslösen.“
[Quelle: Kasper, 2004, S. 131]
Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeiten für das Auftreten von verschiedenen Intoleranzen
nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel und Speisen:
Intoleranzen % Intoleranzen %
1. Hülsenfrüchte
2. Gurkensalat
3. frittierte Speisen
4. Weißkohl
5. Co2-haltige Getränke
6. Grünkohl
7. fette Speisen
8. Paprikagemüse
9. Sauerkraut
10. Rotkraut
11. süße und fette
Backwaren
12. Zwiebeln
13. Wirsing
14. Pommes frites
30,1
28,6
22,4
20,2
20,1
18,1
17,2
16,8
15,8
15,8
15,8
15,8
15,6
15,3
14,7
27. rohes Stein- u. Kernobst
28. Nüsse
29. Sahne
30. paniert Gebratenes
31. Pilze
32. Rotwein
33. Lauch
34. Spirituosen
35. Birnen
36. Vollkornbrot
37. Buttermilch
38. Orangensaft
39. Vollmilch
40. Kartoffelklöße
41. Bier
7,3
7,1
6,8
6,8
6,1
6,1
5,9
5,8
5,6
4,8
4,5
4,5
4,4
4,4
4,4
__________________________________________________________________________ 74
Generell werden folgende Lebensmittel und Zubereitungsarten weniger gut vertragen:
stark oder mit Speck angebratene, geröstete und frittierte Lebensmittel
fette und geräucherte Fleisch-, Wurst- und Fischwaren
hart gekochte Eier und fette Eierspeisen, Mayonnaisen
vollfette Milchprodukte (z.B. Sahneprodukte, vollfetter Käse, etc.)
fette Brühen, Suppen, Soßen
große Mengen Streich- und Kochfett
frisches Brot und frische oder sehr fette Backwaren, sehr grobe Vollkornbrote
fette und frittierte Kartoffelzubereitungen
schwer verdauliche oder blähende Gemüse (Grün-, Rot-, Weiß-, Rosenkohl, Wirsing,
Sauerkraut, Lauch, Zwiebeln, Pilze, Paprika, Oliven, Gurken- und Rettichsalat,
getrocknete Hülsenfrüchte), sehr fettreiche Zubereitungen
unreifes Obst, Steinobst, Nüsse, Mandeln, Pistazien, Avocados
fette Süßigkeiten
15. hartgekochte Eier
16. frisches Brot
17. Bohnenkaffee
18. Kohlsalat
19. Mayonnaise
20. Kartoffelsalat
21. Geräuchertes
22. Eisbein
23. zu stark gewürzte
Speisen
24. zu heiße / zu kalte
Speisen
25. Süßigkeiten
26. Weißwein
13,6
12,5
12,1
11,8
11,4
10,7
9,0
7,7
7,6
7,6
7,6
42. schwarzer Tee
43. Apfelsinen
44. Honig
45. Speiseeis
46. Schimmelkäse
47. Trockenfrüchte
48. Marmelade
49. Tomaten
50. Schnittkäse
51. Camembert
52. Butter
3,5
3,4
3,1
2,4
2,2
2,2
2,2
1,9
1,6
1,3
1,2
Häufigkeit von Lebensmittelintoleranzen bei unausgelesenen Krankenhauspatienten (n = 1918) in verschiedenen
Regionen der Bundesrepublik Deutschland (nach einer Erhebung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Ernährung und
Diätetik) [Quelle: Kasper, 2004, S. 132]
__________________________________________________________________________ 75
Alkohol in jeder Form, kohlensäurehaltige Mineralwässer oder Limonaden,
eisgekühlte und koffeinhaltige Getränke
große Mengen an scharfen Gewürzen, Zwiebel- oder Knoblauchpulver
stark gesalzene, stark saure und stark erhitzte Speisen
[Kluthe et al., 2004, S. 246f ; Heepe et al., 2002, S. 572].
Auch ist es wichtig die Nahrungsaufnahme auf mehrere kleine Mahlzeiten zu verteilen (evtl. > 5),
langsam zu essen, gut zu kauen und zu heiße sowie zu kalte Speisen und Getränke zu
vermeiden [Kluthe et al., 2008, S. 1975].
Die nachstehende Tabelle fasst die oben genannten Informationen noch einmal zusammen und
gibt einen Überblick darüber, was bei den verschiedenen Lebensmittelgruppen zu beachten ist:
Lebensmittel verträglich weniger gut verträglich
Fleisch mageres Kalb, Rind, Schwein,
Lamm, Wild, Geflügel ohne Haut
fettes, stark gewürztes,
geräuchertes, scharf
angebratenes Fleisch, fette
Geflügelhaut, Speck,
Dosenfleisch
Wurstwaren alle mageren Arten, z.B. Geflügel-,
Bratenaufschnitt, Aspikwurst,
zarter Schinken
alle fetten, stark gewürzten
Arten, stark geräucherter
Schinken, roher Schinken,
Cervalatwurst
Fisch Frische oder tiefgekühlte Süß- und
Salzwasserfische: Seelachs,
Schellfisch, Scholle, Kabeljau,
Forelle (evtl. auch mild
geräuchert), schwarzer Heilbutt,
Steinbutt, Rotbarsch; nicht paniert,
naturell eingelegte Fischwaren
alle fetten Arten, z.B. Aal,
Karpfen, Hering, Makrele,
Räucherfisch, Sardinen, ferner
Fischsalate mit Mayonnaise,
Fischkonserven, Fisch in
Marinaden, geräucherte Fische
Milch,
Milchprodukte
fettarme Milch und fettarme
Milchprodukte (fettarm = 1,5%
Fett); Joghurt, Kefir, Sauermilch;
milde, magere Käsesorten (bis 30-
45% Fett i.Tr.) wie Frischkäse,
Lilledamer, Gouda, Leerdamer,
Emmentaler (bis max. 45% Fett)
größere Mengen geschlagener,
gesüßter Sahne; stark
gewürzte, fettreiche Käsesorten
wie Schmelzkäse,
Käsezubereitungen,
Scheibletten, abgelagerter
Camembert, Gorgonzola,
Roquefort, z.T. Buttermilch
Eier weich gekocht, weiche, fettarme
Eierspeisen (z.B. Rührei)
Hartgekochte Eier, Spiegeleier,
Soleier
Fette, Öle Butter, Pflanzenöle; (Diät) alle Schlachtfette
__________________________________________________________________________ 76
Margarine mit pflanzlichen,
ungehärteten Fetten; Kleine
Mengen an Koch- und Streichfett
(Schweineschmalz,
Gänseschmalz, Rinderfett,
Hammelfett), Speck,
Mayonnaise, gehärtete
Margarine, gebräunte Butter
Brot fein- bis mittelgrobgemahlene
Sorten (Type 1050), feine
Vollkornbrote, Knäckebrot,
altbackenes Brot
frisches, warmes Brot; grobe
Vollkornbrote (Ganzkorn)
Backwaren möglichst selbstgebackene,
fettarme Arten wie Biskuit, einfache
Rühr- und Hefekuchen,
Obstkuchen, Baiser, Kuchen aus
Quark-Öl-Teig ohne Creme,
einfache Kekse
Creme- und Sahnetorten,
frischer Hefeteig, Blätterteig,
Brandteig, Fettgebackenes,
Sahne- und Cremetorten
Nährmittel In fettarmer Zubereitung: Nudeln,
Grieß, Reis, Mehle, Haferflocken,
alle Getreideprodukte
Wenn fettreich zubereitet:
Lasagne, Aufläufe, Quiche,
Tarte
Kartoffeln Salz-, Folien-, Pell-,
Herzoginnenkartoffeln,
Kartoffelpüree, Kartoffelklöße aus
gekochten Kartoffeln, Kartoffelsalat
ohne Zwiebeln und Mayonnaise
Pommes Frites, Bratkartoffeln,
Kartoffelgratin (fette
Zubereitung), Kartoffelpuffer,
Kroketten, Kartoffelsalat mit
Mayonnaise oder Speck
Obst Kompott, gekocht, evtl. ohne
Schale; reifes Obst; Äpfel, Birnen,
Erdbeeren, abgezogene Pfirsiche,
Melonen, Himbeeren, Aprikosen
Kirschen, Johannesbeeren,
Pflaumen, Weintrauben,
Zitrusfrüchte; unreifes Obst,
Dosenobst; Avocados
Gemüse u. Salate Auberginen, Blumenkohl, Broccoli,
Champignons, junge, grüne
Erbsen, Fenchel (gedämpft), Gurke
(gedämpft), Karotten, junger
Kohlrabi, Schwarzwurzeln, Sellerie,
Spargel, Spinat, Staudensellerie,
Tomaten, Zucchini; Kopfsalat,
Chicoree, Lollo Rosso, Endivie,
Kohlsorten evtl. wenn stark
zerkleinert
grobe Kohlsorten, z.B. Weiß-,
Rot-, Grünkohl, Wirsing,
Sauerkraut, Hülsenfrüchte
(getr. Linsen, Erbsen, Bohnen);
Zwiebeln, Rettich, Radieschen,
Steinpilze, Pfifferlinge, rohe
Gurken, Paprika, Oliven, rote
Beete, Lauch, Tomaten
Gewürze,
Würzmittel
Muskat, Koriander, Kümmel,
Nelken, Wacholderbeeren,
Kurkuma, Petersilie, Dill, Salbei,
Basilikum, Estragon, Oregano,
Thymian, Anis in Maßen;
Zwiebeln, Knoblauch,
Meerrettich, scharfer Paprika,
Senf, Schnittlauch, scharfer
Pfeffer, Chili
__________________________________________________________________________ 77
Downloadversion der Informationen
Gemüsebrühe, Sojasaucen
(Tamari, Shoyu), Gomasio
(Sesam+Salz)
Nüsse in Maßen, Verträglichkeit testen
Süßwaren in Maßen, Verträglichkeit testen sehr süße Speisen,
Schokolade, Pralinen
Getränke Kräutertees, Früchtetees
ausprobieren; ungesüßte Obst-
(Vorsicht Zitrusfrüchte) und
Gemüsesäfte, kohlensäurearmes
Mineralwasser
Limonaden,
kohlensäurereiches
Mineralwasser, übermäßiger
Kaffe- und Teegenuss sowie
Alkohol
Hinweise auf verträgliche und weniger gut verträgliche Lebensmittel und Speisen [Quelle: Biller, 2001, S. 52; Kluthe et al.,
2008, S. 1975ff]
Auf individuelle Nahrungsmittelintoleranzen (Lactose, Fructose, Sorbit) achten!
Die Morbus Crohn-P >atienten sollen in der Remissionsphase eine individuelle
Ernährungsberatung bekommen. Mit Hilfe der obigen Tabellen / Auflistung und unter Wahrung
einer ausgewogenen und ausreichenden Kost ( Volkost
Nach dem Rationalisierungsschema 2004 der verschiedenen deutschen Verbände und Gesellschaften (u.a. Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM), Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Verband der Diplom-Oecotrophologen (VDOE)) wird die Vollkost wie folgt definiert:
Eine Vollkost ist eine Kost, die
1. den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt,
2. in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt,
3. Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie
berücksichtigt,
4. in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst
ist, soweit Punkt 1. – 3. nicht tangiert werden.
Die Vollkost sollte sich an den Empfehlungen der DGE orientieren:
maximal 2- bis 3- mal pro Woche Fleisch- oder Wurstmahlzeiten
1- bis 2- mal pro Woche eine Seefischmahlzeit (Omega-3-Fettzufuhr)
ansonsten vegetarische Kost bevorzugen
5 Portionen Obst und Gemüse am Tag.
Energiemenge und Nährstoffverteilung:
__________________________________________________________________________ 78
Energie: 2000 kcal
Eiweiß: 15 Energie-%
Fett: 30 Energie-%
Kohlenhydrate: 55 Energie-%
[Kluthe et al., 2004, S. 245f].
) sollen jene Lebensmittel und Speisen aus dem Kostplan gestrichen werden, die nach den
persönlichen Erfahrungen der Patienten Beschwerden verursachen. Eine generelle
„Verbotsliste“ gibt es nicht! Die Tabellen bzw. die Auflistung sollen lediglich zur groben
Orientierung dienen und helfen die individuellen Unverträglichkeiten zu ermitteln [Kasper, 2004,
S. 557].
__________________________________________________________________________ 79
Malnutrition und Defizite an Vitaminen und Spurenelementen
__________________________________________________________________________ 80
Malnutrition = Sammelbegriff für eine Fehl- oder Mangelernährung [Pschyrembel, 2002].
Malnutrition
Sowohl stationäre als auch ambulante Patienten mit Morbus Crohn weisen häufig Zeichen einer
allgemeinen Mangelernährung auf. Die Mangelzustände sind meist abhängig von der
Lokalisation der Entzündung und der Krankheitsaktivität. So treten Mangelerscheinung z.B. bei
einem ausgedehnten Dünndarmbefall vermehrt auf, weil die Nährstoffe nicht richtig resorbiert
werden können.
Die nachstehende Tabelle zeigt noch einmal die Häufigkeit von verschiedenen
Mangelerscheinungen bei Morbus Crohn:
Mangelversorgung Häufigkeit [%]
Gewichtsverlust 60 – 75
Hypalbuminämie 25 – 80
Negative N-Bilanz 65 – 70
Anämie 60 – 80
Eisen 40
Vitamin B12 50
Folsäure 40 – 50
Vitamin D 25 – 75
Zink 20 – 40
Calcium 13
Magnesium 15 – 30
Kalium 5 – 20
Häufigkeit von Mangelernährungen bei Morbus Crohn [Quelle: Kasper, 2004, S. 161]
Die Entstehung einer Malnutrition ist multifaktoriell bedingt. Die folgende Animation soll einige
mögliche Ursachen für die Nährstoffdefizite aufzeigen.
__________________________________________________________________________ 81
Mögliche Ursachen für eine Malnutrition
__________________________________________________________________________ 82
Für eine Mangelernährung können verschiedene Faktoren verantwortlich sein. Bei Morbus Crohn-
Patienten ist eine ungenügende Nahrungszufuhr ein wesentlicher Faktor, der zu einer
Mangelernährung beitragen kann.
Die ungenügende Nahrungszufuhr kann unterschiedliche Gründe haben. Nicht selten ist eine
Appetitmangel ursächlich, der meist durch das allgemeine Unwohlsein und das Krankheitsgefühl
hervorgerufen wird.
Auch kann es zum Erbrechen der Nahrung kommen.
Des Weiteren kann die Nahrungsaufnahme durch Angst vor erneuten Durchfällen und
Bauchschmerzen sehr gering ausfallen, da die abdominellen Beschwerden nach den Mahlzeiten
vermehrt auftreten.
Ein weiterer Grund für die Malnutrition kann eine gestörte Nährstoffabsorption sein.
Durch vorliegende Nahrungsmittelintoleranzen kann es zu Durchfällen kommen, die eine
beschleunigte Darmpassage mit sich ziehen. So können die Nährstoffe nicht ausreichend in den
Körper aufgenommen werden.
Auch durch eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms kann es zu einer Malabsorption
kommen. Die Bakterien zersetzen die Nährstoffe im Dünndarm bevor diese resorbiert werden können
und verursachen Durchfälle.
Ein ausgedehnter Befall des Dünndarms kann ebenfalls zu einer Malabsorption führen. Die stark
entzündeten Schleimhäute sind dann nicht mehr in der Lage die Nährstoffe richtig zu resorbieren.
Ein anderer Grund für die Malnutrition können die krankheitsbedingten erhöhten Verluste von
Nährstoffen sein.
So kann es z.B. zum Gallensäureverlustsyndrom und somit zu einer vermehrten Ausscheidung von
Fettsäuren über den Stuhl kommen.
Auch das Eiweißverlustsyndrom tritt bei Morbus Crohn-Patienten gehäuft auf.
Weiterhin ist zu beachten, dass es zu einer Interaktion zwischen Medikamenten und
Nahrungsmittelinhaltsstoffen kommen kann, die teilweise zu Mangelzuständen führen. [Quelle:
Biesalski, 2004, S. 355; Kasper, 2004, S. 161]
Im Folgenden wird auf einige wichtige Mangelzustände bzw. Ursachen und die damit
verbundenen ernährungstherapeutischen Maßnahmen genauer eingegangen.
Gewichtsverlust und allgemeine Malnutrition
__________________________________________________________________________ 83
Gewichtsverlust [Quelle: American Lifestyle, 2008]
Der Grundumsatz von Morbus Crohn-Patienten ist in der akuten Entzündungsphase erhöht. Der
Grundumsatz ist also abhängig von der Entzündungsaktivität der Erkrankung. Da in einem
akuten Schub die körperliche Aktivität jedoch meist stark eingeschränkt bzw. vermindert ist, wird
vermutlich der erhöhte Energiebedarf kompensiert. So unterscheidet sich letztendlich der
Gesamtenergiebedarf nicht mehr von dem eines Gesunden.
Auf der anderen Seite korreliert die Fettoxidation deutlich mit der Krankheitsaktivität.
Kalorimetrische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Stoffwechsellage unbehandelter
Patienten, die sich in einem akuten Schub befinden, einem „Hungerstoffwechsel“ gleicht. Dies
wird als eine Folge der Mangelernährung gesehen [Hoffmann et al., 2004, S. 193; Stein
(Leitlinien der DGVS), 2003, S. 63].
Gewichtsverlust und Malnutrition sind nicht nur in der akuten Krankheitsphase von Bedeutung.
Darüber hinaus müssen in der Remissionsphase die „leeren Energiereserven“ wieder aufgefüllt
und Defizite ausgeglichen werden. Der Organismus soll auf einen erneuten Entzündungsschub
vorbereitet werden.
Ernährungstherapeutische Maßnahmen:
Grundsätzlich wird bei einer vorliegenden Malnutrition eine Supplementierung
Supplementation bedeutet „im medizinischen bzw. Ernährungszusammenhang die erhöhte (ergänzende) externe Verabreichung von Substanzen, für die im Organismus aufgrund einer besonderen physiologischen oder Versorgungssituation ein erhöhter Bedarf besteht (z.B. Nährstoffe). Vgl: Substitution“ [Maid-Kohnert et al., 2002].
Substitution bedeutet „im medizinischen bzw. Ernährungszusammenhang der Ersatz von im Körper nicht ausreichend synthetisierten / resorbierten bzw. übererhöht ausgeschiedenen Substanzen (Flüssigkeit, Enzyme) durch externe Verabreichung“ [Maid-Kohnert et al., 2002].
mit einer nährstoff-definierten Formeldiät empfohlen. Es sollten ca. 500 ml pro Tag zugeführt
werden. Eine zusätzliche orale Zufuhr von Nährstoffen über enterale Präparate soll den
Ernährungszustand verbessern und wird insbesondere bei Kindern empfohlen, um einer
Wachstums- und Entwicklungsverzögerung entgegenzuwirken. Eine Verbesserung des
Ernährungszustandes wirkt sich positiv auf das Allgemeinbefinden und die Lebensqualität der
Patienten aus und stärkt den Körper im Kampf gegen die Entzündungen. Auch sollte durch eine
Supplementierung / Supplementation:
Substitution:
__________________________________________________________________________ 84
Angepasst an die diätetischen Maßnahmen des Morbus Crohn können zur Steigerung des
Appetites folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Vor dem Essen einen Spaziergang an der frischen Luft machen.
Häufige kleine Mahlzeiten mit attraktiven Zwischenimbissen, unter
Umständen auch spät abends und evtl. in der Nacht.
Kleine Portionen mit möglichst hoher Energie- und Nährstoffdichte anbieten.
Die dem Patienten angenehmste Speisekonsistenz (fest, breiig, flüssig) herausfinden.
Speisen besonders sorgfältig abschmecken und unter bestmöglicher
Nutzung aller verfügbaren Würztechniken schmackhaft machen.
Individuelle Wünsche weitestgehend berücksichtigen, nicht zusagende
Nahrungsmittel und Gerichte vermeiden.
Abwechslung im Speiseplan und in der Zubereitungsweise der
Mahlzeiten schaffen. Den Betroffenen eine Auswahlmöglichkeit bieten.
Die verschiedenen Lebensmittel wenn möglich in unterschiedlichen
Geschmacksrichtungen, Farben, und Texturen anbieten um die Sinne anzuregen.
Ansprechendes und appetitliches Anrichten des Essens, schön gedeckter
individuelle und ausführliche Ernährungsberatung einer einseitigen Ernährung entgegengewirkt
werden. Die Patienten sollen an eine ausgewogene und vollwertige Kost im Sinne der leichten
Vollkost herangeführt werden [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 63f]. Darüber hinaus, soll
durch eine gute ernährungstherapeutische Aufklärung und die Ermittlung der persönlichen
unspezifischen Lebensmittelintoleranzen die Angst vor der Nahrungsaufnahme minimiert bzw.
genommen werden. Zusätzlich sollte durch diätetische Maßnahmen den spezifischen Ursachen
für den Gewichtsverlust entgegengewirkt werden.
Empfehlungen bei Appetitmangel
Appetitmangel [Quelle: Jaeck, 2008]
__________________________________________________________________________ 85
Tisch, aufmerksames Servieren.
Auch Gesellschaft während des Essens kann sich positiv auf den Appetit auswirken.
Einen Schwerpunkt auf das erste Frühstück legen, da dieses häufig am besten von
allen Mahlzeiten angenommen wird.
Ansonsten jedoch keine starren Essenszeiten mit dem Zwang zur
Nahrungsaufnahme. Den Kranken essen lassen, wann immer er mag!
Bei Durst energiereiche Getränke wählen, wie z.B. ein Milchmischgetränk (Vorsicht bei
Lactoseintoleranz) oder eine schmackhafte Formula-Trinknahrung
[Heepe et al., 2002, S. 170; Koula-Jenik, 2006, S. 369f].
Hypalbuminämie, negative Stickstoffbilanz und Eiweißverlustsyndrom
Eiweißmangel [Neue Rheinische Zeitung, 2008]
Hypalbuminämie:
Bei einer Hypalbuminämie ist das Albumin
Albumin ist der Haupteiweißbestandteil des Blutplasmas (52 – 62% des Gesamteiweißes). Albumin wird in der Leber aus Aminosäuren gebildet. Es ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks, der die Flüssigkeitsverteilung im Körper regelt. Albumin kommt also in Körperflüssigkeiten (z.B. Lymphe), als Laktalbumin in der Muttermilch und auch im Muskelgewebe vor. Des Weiteren kommt Albumin als Transportprotein für wasserunlösliche Stoffe wie z.B. die freien Fettsäuren, Hormone, Bilirubin und Medikamente im Blut zum Einsatz [Pschyrembel, 2002; Schaenzler et al., 2004, S. 42].
im Blut erniedrigt. Grundsätzliche Ursachen dafür können sein: eine vermehrte Ausscheidung,
ein beschleunigter Abbau oder eine verminderte Synthese [Pschyrembel, 2002]. Der
Albuminspiegel im Blut ist häufig bei akuten und chronischen Entzündungen erniedrigt. Ein
__________________________________________________________________________ 86
niedriger Albumin-Wert weist auf einen Eiweißmangel hin [Schaenzler et al., 2004, S. 42/94].
Negative Stickstoffbilanz:
Die Stickstoffbilanz im menschlichen Organismus wird über die Differenz von Stickstoffaufnahme
(Proteine) und Stickstoffausscheidung (v.a. Harnstoff) definiert. Eine negative Stickstoffbilanz
bezeichnet einen Nettoverlust (z.B. beim Fasten) des Körpers an Stickstoff [Pschyrembel, 2002].
Es wird also zu wenig Eiweiß zugeführt oder vom Körper aufgenommen.
Eiweißverlustsyndrom:
Das Eiweißverlustsyndrom (auch exsudative Enteropathie) ist durch einen angeborenen oder
erworbenen massiven Proteinverlust gekennzeichnet. Beim gesunden Menschen treten täglich
(physiologisch begründet) Plasmaproteine durch die Darmschleimhaut in Darmlumen aus.
Dieser natürliche enterale Eiweißverlust wird normalerweise schnell durch täglich neu
synthetisierte Plasmaproteine ausgeglichen. Der Verlust liegt weit unterhalb der täglich neu
produzierten Menge. Pathologische Wandveränderungen des Magen-Darm-Traktes können
jedoch dafür sorgen, dass der natürliche enterale Eiweißverlust so weit gesteigert wird, dass die
Neusynthese diesen Verlust nicht mehr ausgleichen kann. Bei Morbus Crohn ist also das
Eiweißverlustsyndrom auf dieentzündlich, ulcerös veränderten Schleimhäute zurückzuführen.
Symptome sind u.a. Ödem
Ein Ödem ist eine nicht gerötete Schwellung, die durch die Ansammlung von wässriger Flüssigkeit (aus dem Serum) in den Gewebespalten (z.B. der Haut) und Schleimhäute bedingt ist [Pschyrembel, 2002].
bildung und Hypalbuminämie [Kasper, 2004, S. 174; Pschyrembel, 2002].
Beispiel Ödem [Capio Klinik am Park, 2008]
Ernährungstherapeutische Maßnahmen:
Um den oft erheblichen Eiweißverlust und generell den Eiweißmangel bei Morbus Crohn-
Patienten auszugleichen wird ein hoher Verzehr von biologisch hochwertigem Eiweiß
empfohlen. Durch die Verwendung von biologisch hochwertigem Eiweiß kann die Gesamtzufuhr
an Eiweiß in Grenzen gehalten und eine unnötige Belastung der Niere mit
Eiweißabbauprodukten vermieden werden. Eine Gesamteiweißzufuhr von 1,5 g pro kg
Körpergewicht pro Tag sollte nicht überschritten werden. Sie stößt meist auf eine natürliche
Ablehnung des Körpers [Kluthe et al., 2008, S. 2062].
__________________________________________________________________________ 87
Die nachstehende Tabelle zeigt die Biologische Wertigkeit verschiedener ausgewählter
Lebensmittel und Lebensmittelkombinationen.
Lebensmittel Biologische
Wertigkeit
Vollei und Kartoffel (35% / 65%)
Vollei und Milch (71% / 29%)
Vollei und Weizen (68% / 32%)
Bohnen und Mais (52% / 48%)
Vollei
Kartoffel
Kuhmilch
Rindfleisch
Edamer Käse
Schweizer Käse
Soja
Reis
Roggenmehl
Grünalgen
Mais
Bohnen
Weizenmehl
137
122
118
101
100
90 – 100
84 – 88
83 – 92
85
84
84
83
76 – 83
81
72 – 76
73
59
Biologische Wertigkeit von Proteinen und Proteingemischen beim Menschen [Quelle: Kasper, 2004, S. 354]
Ist die Aufnahme der erforderlichen Menge an Eiweiß zu einem Ausgleich des Defizits mit einer
eiweißreichen Kost allein nicht möglich, empfiehlt es sich industriell hergestellte
Eiweißkonzentrate (z.B. Protein 88®, BW = 88) einzusetzen [Heepe et al., 2002, S. 21; Kasper,
2004, S. 565].
Gallensäureverlustsyndrom und Steatorrhö
Bei Morbus Crohn kann es auf Grund eines entzündeten Ileums zum
Gallensäureverlustsyndrom (auch chologene Diarrhö) kommen. Folge sind meist wässrige
Durchfälle und Steatorrhö.
__________________________________________________________________________ 88
Als Gründe für das erhöhte Vorkommen von Oxalsäure werden diskutiert:
Glycin (tritt mit Gallensalzen vermehrt ins Colon über) wird bakteriell in Glyoxalat
umgewandelt; dieses wird nach der Absorption in der Leber zu Oxalsäure
umgewandelt.
Die gestörte Fettabsorption hat zur Folge, dass sich Kalziumionen mit Fettsäuren zu
unlöslichen Kalkseifen verbinden [Kasper, 2004, S. 174].
Ernährungstherapeutische Maßnahmen bei Gallensäureverlustsyndrom mit Steatorrhö
(dekompensiertes Gallensäureverlustsyndrom):
Fettarme Kost (angepasst an die individuelle Toleranz) → Reduktion des
Gesamtfettgehalts der Kost auf 35 – 50 g/Tag (= 15 – 25 % der Energiezufuhr; mäßig
fettarme Kost) oder < 25 g/Tag (= 10 – 15 % der Energiezufuhr; streng fettarme Kost).
Die LCT-Fette sollten durch MCT-Fette
MCT-Fette (medium chain triglycerides; mittelkettige Triglyceride) haben gegenüber LCT-Fetten den Vorteil, dass sie nicht durch Gallensäuren und Enzyme aufgespalten werden müssen um über die Darmschleimhaut in die Blutbahn aufgenommen zu werden. Ihre Verdauung ist leicht und schnell. Jedoch haben MCT-Fette einen geringeren Energiegehalt als LCT-Fette (1 g LCT = 38,9 kJ (9,0 kcal); 1 g MCT = 34,7 kJ (8,3 kcal)).
Ist das terminale Ileum entzündet und somit die Wand des Dünndarmabschnittes pathologisch
verändert, kann es zu einer Störung im enterohepatischen Kreislauf der Gallensäure kommen.
Die Gallensäure wird dann nicht wie sonst im terminalen Ileum rückabsorbiert, sondern gelangt
weiter ins Colon und wird anschließend über den Stuhl ausgeschieden. Die Folge ist letztendlich
eine verminderte Ausnutzung des Nahrungsfettes und der fettlöslichen Vitamine. Auch die
Gefahr der Oxalsäuresteinbildung ist erhöht.
MCT-Fette
LCT-Fettverdauung [Quelle: basis GmbH, 2005]
__________________________________________________________________________ 89
Der Ersatz von LCT durch MCT sollte langsam und schrittweise erfolgen. Anderenfalls kann es bei ungewohntem Verzehr von größeren Mengen an MCT-Fetten zu folgenden Nebenwirkungen kommen: abdominelle Schmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Kopfschmerzen. Empfohlen wird mit einer Tagesmenge von 10 – 20 g/Tag zu beginnen und diese dann langsam zu steigern. Tagesmengen von 100 – 150 g MCT werden im Normalfall gut vertragen, insofern sie gleichmäßig über den Tag verteilt verzehrt werden. MCT-Fette sind kontraindiziert bei Gefahr einer Ketoacidose. Zu beachten ist jedoch, dass MCT-Fette nicht lange und hoch (> 100°C) erhitzt werden dürfen. Braten, Schmoren, Frittieren etc. mit MCT-Fett ist also nicht möglich. Empfohlen wird daher die MCT-Fette erst nach dem Erhitzen zu den Speisen zu geben. Auch längeres Stehen lassen oder Wiederaufwärmen von MCT-haltigen Speisen sollte vermieden werden, da ein bitterer Nachgeschmack entsteht. Alleiniger Hersteller von MCT-Produkten in Deutschland ist die basis GmbH. Basis GmbH: www.basisgmbh.com [Heepe et al., 2002, S. 49/574; Kasper, 2004, S. 13/561].
ersetzt werden. Auf eine bedarfsgerechte Versorgung mit essentiellen Fettsäuren muss
geachtet werden!
Calciumreiche Kost
Vermehrter Einsatz calciumreicher Lebensmittel (insbesondere Milch
und fettarmer Käse).
Magermilchpulver für gebundene Suppen, Soßen, Kartoffelpüree,
Cremespeisen etc. verwenden.
Verzehr von calciumangereicherten Fruchtsäften.
Calciumreiche Mineralwässer bevorzugen (> 400 mg Ca/l, möglichst mit
< 500 mg Na und > 100 mg Mg pro Liter)
[Heepe et al., 2002, S. 545].
MCT-Fettverdauung [Quelle: basis GmbH, 2005]
Calciumreiche Kost
__________________________________________________________________________ 90
(> 1500 mg Calcium pro Tag, evtl. medikamentöse Supplementierung).
Oxalatarme Kost
Die Oxalatzufuhr sollte auf unter 50 mg/Tag (sprich < 10 mg pro Mahlzeit) herabgesetzt werden. Dafür sollten oxalatreiche Lebensmittel vermieden werden. Jedoch schwankt der Oxalatgehalt der einzelnen pflanzlichen Lebensmittel - in Abhängigkeit vom Anbaugebiet, Klima, Jahreszeit, Alter der Pflanze etc. – stark [Heepe et al., 2002, S. 584]. Die folgende Tabelle zeigt zur Orientierung eine größenordnungsmäßig abgeschätzte Verteilung:
(Vorbeugung gegen Oxalatsteine).
Auf eine hohe Flüssigkeitszufuhr achten.
Eine eher ballaststoffarme Ernährung anstreben.
Häufige, kleine Mahlzeiten (5 – 6 pro Tag).
Oxalatarme Kost
Oxalsäuregehalt ausgewählter Lebensmittel (mg / 100 g)
Tee, schwarz
Rhabarber
Spinat
Kakaopulver
Rote Bete
Schokolade (Kakaoanteil 40%)
Milch-Schokolade (Kakaoanteil 30%)
Bohnen, grün
Nuss-Nougat-Creme (Kakaoanteil 2,8 – 5,6%)
Brot, Vollkorn
Stachelbeeren
Himbeeren
Erdbeeren
Brombeeren
Pflaumen
Johannisbeeren, rot
910
460
442
396
181
88
56
44
36
21
19
16
16
12
12
10
Oxalsäuregehalt ausgewählter Lebensmittel [Elmadfa, 2004/2005, S. 101]
__________________________________________________________________________ 91
Alkoholkarenz.
Fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) sollten gegebenenfalls substituiert werden, eventuell
auch Vitamin B12 und Eisen
[Heepe et al., 2002, S. 204, 470f].
Hohe Flüssigkeitszufuhr.
Fettlimitierte (25% der Energiezufuhr) leichte Vollkost.
Ballaststoffe reduzieren.
Je nach Schweregrad der Durchfälle ist eine antidiarrhoische Kost empfehlenswert
[Heepe et al., 2002, S. 204].
Ernährungstherapeutische Maßnahmen bei Gallensäureverlustsyndrom ohne Steatorrhö
(kompensiertes Gallensäureverlustsyndrom):
Defizite an Vitaminen und Spurenelementen
Defizite an Vitaminen und Spurenelementen [Quelle: Weingut Frisch, 2008]
Verläuft ein Morbus Crohn ohne Komplikationen, so ist eine generelle Substitution von
Vitaminen und Spurenelementen nicht sinnvoll [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Jedoch ist es in der Ernährungsberatung grundsätzlich von Bedeutung zu wissen, welche
typischen Defizite an Vitaminen und Spurenelementen bei Morbus Crohn gehäuft auftreten.
Diese sollten bei der Beratung immer mit bedacht werden. Eine ausgewogene Ernährung kann
Mangelzuständen vorbeugen. Da es nur bei Verdacht auf Mangelzustände empfohlen wird eine
Labordiagnostik der Vitamin- und Spurenelementversorgung durchzuführen, ist es besonders
wichtig auf typische Symptome der Mangelerscheinungen zu achten, z.B. Hautveränderungen
bei Zink und Eisenmangel [Schreiber et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 22]. Bei bestehender
Mangelversorgung kann es – auf Grund der gehäuften individuellen Intoleranzen - schwierig
werden die Defizite mit Hilfe von besonders reichhaltiger Kost auszugleichen.
Eisen:
Bei einem über das Blutbild nachgewiesenen Eisenmangel
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Typische Symptome bei Eisenmangel:
Müdigkeit, Blässe
Kopfschmerzen
Appetitlosigkeit
Diarrhö, Obstipation und Flatulenz
trockene und spröde Haut
brüchige Haare und Nägel
Nasenschleimhautatrophie
Mundwinklerhagaden (spaltförmiger Einriss der Haut)
Zungenbrennen
Schluckbeschwerden
[Pschyrembel, 2002].
(Anämie) sollte an erster Stelle oral Eisen substituiert werden. Empfohlen wird mit ca. 100 mg/d
für 4 Wochen zu beginnen. Werden die Eisentabletten nicht vertragen oder steigt der Hb-Wert
nur unzureichend an (weniger als 2 g/dl), sollte mit einer intravenösen Eisenzufuhr fortgefahren
werden [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Vitamin D:
Infolge einer langfristigen Steroidtherapie (> 6 Monate) kommt es häufig zu einer
Mangelversorgung mit Vitamin D. Auf Grund dessen wird empfohlen bei einer langfristigen
Behandlung mit Steroiden Vitamin D (1000 IE/Tag) zu substituieren [Stein (Leitlinien der DGVS),
2003, S. 64].
Calcium:
Calcium
Die ausreichende Versorgung des Organismus mit Calcium ist besonders wichtig. Als „Spätfolge“ des Morbus Crohn kommt es häufig zur Osteoporose. Um dies zu verhindern wird bei Morbus Crohn eine calciumreiche Kost empfohlen [Heepe et al., 2002, S. 410f].
wird unter dem Einfluss von Vitamin D in den Organismus aufgenommen. Ein Mangel an Vitamin
D hat zur Folge, dass nicht genügend Calcium absorbiert werden kann. Bei einer langfristigen
Steroidtherapie wird empfohlen zusätzlich Calcium (1000 mg/Tag) zu substituieren. [Stein (Leitli
nien der DGVS), 2003, S. 64].
Vitamin B12:
Ein manifester Mangel an Vitamin B12
Folgen des Vitamin B12 -Mangels:
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Die Absorption von Vitamin B12 erfolgt ausschließlich im terminalen Ileum. So kommt
es bei einem ausgedehnten Dünndarmbefall häufig zu einer Mangelversorgung. Ein Mangel an Vitamin B12 führt zu einer Verminderung der Zellteilung im Knochenmark und in folge dessen zu einer perniziösen Anämie (Blutarmut) [Kasper, 2004, S. 41].
wird anfänglich mit einer intramuskulären Injektion von 1000 µg täglich behandelt. Nach 5 Tagen
werden monatlich 1000 µg verabreicht [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Zink:
Bei nachgewiesenem Zinkmangel
Minderwuchs
Störung des Geschmacks- und Geruchssinnes
Gestörte Wundheilung
Haarausfall
Hautveränderungen (Akrodermatitis enteropathica)
Konjunktivitis (Augenbindehautentzündung)
Glossitis (Zungenentzündung)
Psychische Störungen
[Kasper, 2004, S. 65/426].
sollten 200 bis 400 mg Zink in Form von Sulfat oder Glukonat oral substituiert werden [Stein
(Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Typische Symptome bei Zinkmangel:
Hautveränderungen bei Zinkmangel (Akrodermatitis enteropathica) [Quelle: Dermatology Online Journal, 2007]
Für alle weitern Vitamine und Spurenelemente gelten die allgemeinen Empfehlungen für die
Substitution [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Folsäure:
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Überblick Kostanreicherung bei Morbus Crohn
Ergänzende Trinknahrungen
hochkalorische Trinknahrungen
verschiedene Zusammensetzungen, je nach Indikation
mit oder ohne Aroma, in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen
Bei Folsäuremangel erfolgt eine meist orale medikamentöse Substitution von 3x5 mg/Tag. Bei
vorliegender Absorptionsstörung werden parenteral 2 – 3mal pro Woche 10 – 20 mg Folsäure
verabreicht. Zusätzlich sollte - wenn trotz des Morbus Crohn möglich - auf eine folsäurereiche
Kost geachtet werden. Folsäuremangel geht oft mit einem Mangel an Vitamin B12 einher [Heepe
et al., 2002, S. 258f].
Magnesium:
Ein Magnesiummangel im Blut sollte zunächst versucht werden durch eine Erhöhung des
Magnesiumgehaltes der Kost auszugleichen. Ist die Nahrungsaufnahme unzureichend oder ist
der Mangel sehr hoch, so sollte Magnesium zusätzlich medikamentös substituiert werden (4,5 –
9 mg = 0,185 – 0,375 mmol pro kg Körpergewicht/Tag oder mehr). In sehr schweren Fällen
muss auf eine parenterale Zufuhr über eine kontinuierliche Infusion zurückgegriffen werden
[Heepe et al., 2002, S. 319].
Kalium:
Bei einem Kaliummangel wird ähnlich verfahren wie bei Magnesiummangel. Zunächst sollte
versucht werden das Defizit durch eine kaliumreiche Kost auszugleichen (6 – 8 g Kalium/Tag).
Der nächste Schritt wäre eine medikamentöse Substitution von ca. 1,6 – 4,7 g Kalium/Tag. Ist es
jedoch nicht möglich auf oralem Wege ausreichend Kalium aufzunehmen, muss auf eine
parenterale Kaliumzufuhr zurückgegriffen werden [Heepe et al., 2002, S. 318].
Einen Überblick über die Kostanreicherung bei Morbus Crohn können Sie sich bei Interesse hier
ansehen.
Überblick Kostanreicherung bei Morbus Crohn
Beispiele geeigneter Produkte:
Biosorb Energy® (Pfrimmer Nutricia)
Fresubin® energy Drink (Fresenius)
Isosource® ENERGY (Nestlé Clinical Nutrition)
Nutricomp® Energy (B Braun)
Ensure® Plus Drink (Abbott)
Hinweis: Trinknahrungen sind bei Morbus Crohn verschreibungsfähig!
Kalorienanreicherung z.B.
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Vitamin- und Nährstoffpräparate
nur bei nachgewiesenem Mangel
nach ärztlicher Anordnung
nach Rücksprache mit dem Arzt
mit Maltodextrin 19®
ist ein Glucose-Saccharid-Gemisch, das aus Maisstärke gewonnen
wird
als Pulver zum untermischen
ist in Apotheken erhältlich
Eiweißanreicherung z.B.
Protein 88® (BW = 88)
Eiweiß-Konzentrat Braun® (BW = 83)
In Pulverform zum untermischen
In Apotheken erhältlich
[Heepe et al., 2002, S. 21]
Hinweis: Eiweißkonzentrate sollten nicht langfristig (d.h. Monate) verabreicht werden,
da sie die Calciumausscheidung über den Urin erhöhen [Kasper, 2004, S. 58]!
Wichtige Vitamine und Mineralstoffe bei MC:
Eisen, Zink, Calcium, Magnesium, Kalium, Vitamin D, Vitamin B12 , Folsäure
Internetlinks:
Es soll für die Lernenden möglich sein den Überblick über die Kostanreicherung bei Morbus Crohn auszudrucken.
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Ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Linderung der Symptome und bei Komplikationen
Um die Lebensqualität der Patienten zu steigern und ihr Allgemeinbefinden zu verbessern,
können einige diätetische Maßnahmen zur Linderung der Symptome des Morbus Crohn ergriffen
werden. Auch gibt es einige mögliche Komplikationen bei denen ein spezielles
Ernährungsverhalten indiziert ist. Diese Maßnahmen sollen zuzüglich zu der Ernährungstherapie
im akuten Entzündungsschub und in der Remissionsphase angewandt werden. Auf die
ernährungstherapeutischen Maßnahmen bei extraintestinalen und nichtkrankheitsspezifischen
Komplikationen – wie Gallensteine, Nierensteine und Osteoporose – wird an dieser Stelle nicht
näher eingegangen, da sie Thema anderer Lerneinheiten sind. Im Folgenden wird auf die
verschiedenen diätetischen Indikationen näher eingegangen.
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Des Weiteren sollte beachtet werden:
Zu opulente und voluminöse Mahlzeiten sind zu vermeiden. Sie führen häufig zu einer
Zunahme der Beschwerden. Besser ist es kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen.
Auch sollte langsam gegessen und die Nahrung sorgfältig gekaut werden.
Luftschlucken beim Essen und Trinken, z.B. durch Kauen mit offenem
Mund oder Trinken mit gleichzeitigem Einatmen, sollte vermieden werden.
Eventuell kann es helfen zeitversetzt zum Essen zu trinken.
Trinken mit dem Strohhalm, Lutschen von Bonbons und Kauen von Kaugummis
fördern das Eindringen von Luft in den Bauchraum und sollten deshalb unterlassen
werden.
Entblähende Kräutertees wie z.B. Anis, Fenchel, Kümmel können helfen die
Beschwerden zu lindern.
Zwar sind vielfach Ballaststoffträger für die Blähungen verantwortlich, dennoch ist aus
physiologischen Gründen auf eine ausreichende Ballaststoffzufuhr zu achten. Wenig
Diätetische Maßnahmen bei Meteorismus, Flatulenz
Meteorismus, Flatulenz [Quelle: medführer GmbH, 2008]
Morbus Crohn-Patienten leiden vielfach unter abdominellen Schmerzen, die zu einem großen
Teil durch Luft im Bauchraum hervorgerufen werden. Diese Bauchschmerzen auf Grund von
Blähungen können durch einige ernährungstherapeutische Maßnahmen gelindert werden.
Zunächst sollten die individuell als blähend empfundenen Nahrungsmittel, Gerichte und
Zubereitungsarten herausgefunden und aus dem Ernährungsplan gestrichen werden. Zu
empfehlen ist dazu das Führen eines Ernährungsprotokolls.
Häufige Auslöser von Blähungen sind:
Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen), fett geschmorter Kohl (wie Rosenkohl,
Grünkohl, Sauerkraut), Zwiebeln, Schwarzwurzeln und Steckrüben, Knollensellerie,
Rettich, rohe Pflaumen und Trockenobst, grobes Schwarzbrot, frisches Hefegebäck,
Getreiderohbreie, Apfelsaft, Kohlensäurehaltige Getränke (Bier!), Sorbit und andere
Zuckeraustauschstoffe, sowie Lactose und Lactulose.
[Quelle: Heepe et al., 2002, S. 376f]
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blähend wirkende Ballaststoffträger sind: altbackenes Vollkornbrot, Grahambrot,
Vollkornknäckebrot, gekochte Vollkornhaferflocken, schwedische Kruska,
Leinensamenschrot und Flohsamenmehl
[Heepe et al., 2002, S. 376f].
__________________________________________________________________________ 99
Alternative Möglichkeiten sind:
gesalzene Brühe mit Nudeln oder Reis
gezuckerter Tee
verdünnte und zuckerhaltige Limonaden oder Colagetränke und gesalzenes
Brot/Gebäck
[Heepe et al., 2002, S. 238f].
Zusätzlich werden alle Arten der Schleimdiät (z.B. Haferschleim, Reisschleim, Gerstenschleim)
und Pectinkost empfohlen, um das Wasser im Körper zu binden:
pürierte Banane, sehr fein geriebener Apfel (mit Schale, ohne Kerne und Gehäuse)
Karottenbrei (3 Std. kochen, pürieren und durch ein Sieb streichen) oder
Säuglingsnahrung (Karottenmus)
Johannisbrotmehlsuppe
Heidelbeersaft
Fertigpräparate:
Bessau-Reisschleim®
Humana-Reisschleim®
[Heepe et al., 2002, S. 589/600].
Diätetische Maßnahmen bei chronischer Diarrhö
Chronische Diarrhö [Quelle: M + W Media GmbH, 2008]
Bei Durchfall und insbesondere bei chronischer Diarrhö ist es wichtig die daraus
hervorgehenden Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Dies kann z.B. mit Hilfe
einer Glucose-Elektrolyt-Lösung geschehen, die es als Fertigpräparat in Apotheken zu kaufen
gibt. Geeignete Präparate im deutschen Handel sind u.a.: Elotrans®, Saltadol®, Milupa GES
60®, Oralpädon®. Das Ausmaß der Dehydratation bestimmt die benötigte Tagesmenge. Beim
Erwachsenen werden in der Regel 2 – 3 Liter empfohlen, wobei andere Getränke zusätzlich in
beliebiger Menge zugeführt werden können.
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Diätetische Maßnahmen bei Fisteln
Es gibt keine Studien die belegen, dass eine enterale oder parenterale Ernährung eine
anhaltende Verbesserung des Fistelleidens mit sich ziehen. Der positive Effekt der künstlichen
Ernährung auf ein Fistelleiden wird auf die Reduktion der gastrointestinalen Sekretion und
Verringerung der Stuhlfrequenz und des Stuhlvolumens zurückgeführt. Jedoch liegt die
Rezidivrate bei nahezu 100%, sobald die künstliche Ernährung abgesetzt wird und ein erneuter
Entzündungsschub eintritt.
Auch für die totale parenterale Ernährung gibt es keine einheitlichen Aussagen oder
Langzeitverläufe. Die Wahrscheinlichkeit für einen permanenten Fistelverschluss wird bei ca.
40% gesehen [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 65].
Trotzdem ist eine ernährungstherapeutische Behandlung besonders wichtig, da Fisteln für hohe
Verluste an Energie, Eiweiß, Flüssigkeit und Elektrolyten verantwortlich sein können. Die
Mangelernährung ist meist durch Fistelausfluss und Malabsorption bedingt. So sind
Ernährungszustand und Allgemeinbefinden stark von der Ausprägung der Fisteln abhängig
[Heepe et al., 2002, S. 257]. Eine gute Ernährungstherapie vor der Operation einer Fistel
verbessert aber nicht nur den Allgemeinzustand der Patienten, sondern verringert auch die
Anzahl der Komplikationen nach einer solchen Operation [Biesalski et al., 2004, S. 356].
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Zusätzlich zu beachten ist:
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
Es sollten häufig kleine Mahlzeiten verzehrt werden, damit eine kontinuierliche Zufuhr
gewährleistet ist.
Grobe Ballaststoffträger sollten nicht oder nur in kleinen Mengen aufgenommen
werden.
Alle Speisen müssen gut und ausreichend gekaut werde.
Eine normal zusammengesetzte Kost kann in pürierter Form aufgenommen werden.
Diätetische Maßnahmen bei Stenosen
Die diätetischen Empfehlungen bei Darmstenosen richten sich nach dem Grad der
Verwachsungen und der entzündlichen Aktivität des Morbus Crohn. Bei Verengungen bzw.
Verwachsungen im Darm ist generell auf eine leichtverdauliche ballaststoffarme Kost zu achten,
da bei falscher Ernährung die Gefahr eines Darmverschlusses (Ileus) besteht. Falsch
ausgewählte Lebensmittel können also die Gefahr eines Darmverschlusses erhöhen [Heepe et
al., 2002, S. 221].
Folgende Lebensmittel sind problematisch und zu meiden:
Faserreiche Zitrusfrüchte (z.B. Orangen, Pampelmusen), Ananas, Feigen,
Kerngehäuse von Äpfeln und Birnen, Trockenobst (z.B. Datteln), Nüsse (auch
Cocosnuss), unzerkleinerte Leinsamen, Kleie, Pilze, zähes Fleisch, Rettich und rohe
Steckrüben, Sauerkraut und Rosenkohl, Schnittbohnen und dicke Bohnen,
Kartoffelschalen, Kürbis, Sonnenblumenkerne, trockene Weizenkleie etc..
[Quelle: Heepe et al., 2002, S. 326]
Grundsätzlich sollten also faserreiche, kernreiche Lebensmittel mit harten Schalen gemieden
werden [Koula-Jenik et al., 2006, S. 494].
In schwierigen Fällen und bei hochgradigen Stenosen wird eine künstliche Ernährung empfohlen
[Heepe et al., 2002, S. 221/326].
__________________________________________________________________________ 102
Diätetische Maßnahmen beim toxischen Megakolon
Das toxische Megakolon ist eine lebensbedrohliche Komplikation und eine dringliche (< 72h)
Indikation zur Operation [Hoffmann et al., 2004, S. 74]. Aber auch hier sind diätetische
Indikationen erforderlich. Es gilt: absolute orale Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz. Begleitende
Flüssigkeits- und Elektrolytdefizite müssen schnell durch parenterale Ernährung ausgeglichen
werden. Später sollte ein oraler Kostaufbau erfolgen [Heepe et al., 2002, S. 374].
__________________________________________________________________________ 103
Alimentär
Alimentär = durch Nahrung hervorgerufen [Pschyrembel, 2002].
Alimentärer Minderwuchs bei Kindern und Jugendlichen
Alimentärer Minderwuchs bei Kindern und Jugendlichen [Quelle: Fava, 2007]
Auf Grund von Mangelernährung kann es bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn zu
einer Wachstums- und Entwicklungsverzögerung sowie Störungen des Knochenstoffwechsels
kommen. Deshalb ist bei betroffenen Kindern besonders auf eine ausreichende Zufuhr an
Energie und Nährstoffen zu achten. Eine altersstufengemäße und bedarfsgerechte Ernährung
sollte sichergestellt werden [Heepe et al., 2002, S. 380].
Eine zusätzliche orale Zufuhr von Nährstoffen über enterale Präparate kann bei Kindern und
Jungendlichen einer Wachstums- und Entwicklungsverzögerung entgegenwirken [Stein
(Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].
Um einer Wachstums- und Entwicklungsretardierung infolge einer mangelhaften Nährstoffzufuhr
vorzubeugen, sollten Körpergröße und Körpergewicht anhand von Wachstums- und BMI-
Perzentilkurven überwacht werden.
Körpergewicht
BMI-Werte im Bereich der 10. Perzentilkurve weisen auf Untergewicht hin. Das 50. Perzentil
dient als Mittel- bzw. Normalwert. BMI-Werte um die 90. Perzentilkurve herum sind auffällig und
weisen auf Übergewicht und Adipositas hin [Koula-Jenik, 2006, S. 267].
__________________________________________________________________________ 104
Perzentile für den BMI von Mädchen im Alter von 0 bis 18 Jahren [Quelle: Sommer, 2006]
Perzentile für den BMI von Jungen im Alter von 0 bis 18 Jahren [Quelle: Sommer, 2006]
Körpergröße
__________________________________________________________________________ 105
Wachstumskurve und kg für Mädchen [Quelle: Koula-Jenik, 2006, S. 269]
Wachstumskurve und kg für Jungen [Quelle: Koula-Jenik, 2006, S. 268]
__________________________________________________________________________ 106
Ernährungstherapie bei spezifischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Nahrungsmittelunverträglichkeiten [Quelle: FruLaHist, 2008]
Infolge der entzündeten Darmschleimhaut kommt es bei Morbus Crohn häufig zu einer
unzureichenden Verdauung von Kohlenhydraten. Ist der Dünndarm entzündet ist eine
Lactoseintoleranz und eine Malabsorption von Fructose und/oder Sorbit nicht selten. Auf Grund
dessen werden an dieser Stelle die diätetischen Empfehlungen bei Lactoseintoleranz, Fructose-
und Sorbitmalabsorption noch einmal erläutert.
Alle diätetischen Indikationen müssen den krankheitsbezogenen Ernährungsempfehlungen
angepasst werden!
__________________________________________________________________________ 107
Folgende Lebensmittel sind häufig problematisch:
Milch (aller Fettstufen), Trockenmilch (Trockenmilchpulver)
Lactoseintoleranz
Lactoseintoleranz [Quelle: Burian, 2008]
Ursache für eine Lactoseintoleranz ist immer eine verminderte oder fehlende Lactaseaktivität.
Besteht bei den Betroffenen vor dem Ausbruch des Morbus Crohn und in den Ruhephasen
keine Lactoseintoleranz, so ist der Lactasemangel als eine Folge der Entzündung des
Dünndarms anzusehen. Man spricht dann von einem sekundären Lactasemangel.
Bei einem Mangel an Lactase
Lactase = Enzym der Dünndarmschleimhaut, welches dafür verantwortlich ist das Disaccharid Lactose in die Monosaccharide Galactose und Glucose zu spalten, damit diese resorbiert werden können [Kasper, 2004, S. 565].
kann der Milchzucker in der Nahrung nicht wie gewöhnlich aufgespalten und absorbiert werden.
Die Lactose gelangt dann weiter ins Colon, wo sie von den physiologischen Bakterien der
Darmflora zersetzt wird. Bei dem bakteriellen Abbau entstehen unter anderem Milch- und
Essigsäure sowie CO2 und H2. Die so entstandenen Gase und Abbauprodukte führen zu den
für Unverträglichkeiten üblichen Symptomen. Die entstandenen Gase sorgen für Bauchkrämpfe
und Blähungen. Die Spaltprodukte rufen – durch die Erhöhung des osmotischen Drucks und den
damit einhergehenden Wassereinstrom ins Darminnere – Diarrhöen hervor [Behr-Völtzer et al.,
2008, S. 125].
Ernährungsempfehlungen:
Bei Lactoseintoleranz wird – je nach Ausprägung – eine lactosearme (8-10 g Lactose) bis
lactosefreie Kost (max. 1 g) empfohlen. Die individuelle Toleranz spielt also eine wesentliche
Rolle und sollte ausgetestet werden (Ernährungsprotokoll!) [Heepe et al., 2002, S. 350]. Zu
beachten ist dabei, dass geringe Lactosemengen, insbesondere wenn sie mit anderen
Lebensmitteln zusammen verzehrt werden, meist keine Symptome hervorrufen [Behr-Völtzer et
al., 2008, S. 125].
__________________________________________________________________________ 108
alle aus Milch und Milchpulver hergestellten Produkte: Mixgetränke,
Kakao, Pudding, Süßspeisen, Molke, Molkenpulver, Eiweißkonzentrate
Kondensmilch (aller Fettstufen), Sahne, Kaffeeweißer, Kaffeesahne
Gesäuerte Milchprodukte (mit und ohne Frucht) wie z.B. Buttermilch,
Dickmilch, Kefir, Joghurt, Sauerrahm, Creme fraiche (Naturjoghurt wird allerdings
meist gut vertragen, da die zur Herstellung benutzten Bakterien helfen den Milchzucker
zu zersetzen)
Kochkäse, Speisequark, Hüttenkäse, Schmelzkäse und Käsezubereitungen (Hart-,
Schnitt-, Weich- und Sauermilchkäse sind annähernd lactosefrei und werden
meist gut vertragen!)
Milchspeiseeis, Milchschokolade, Sahne- und Karamellbonbons, Nougat, Nuss-
Nougat-Creme, Pralinen, diverse Riegel
Fertigprodukte denen Milchzucker zugesetzt wurde z.B. Instant-Erzeugnisse wie
Kartoffelpüree, Instant-Suppen, -Soßen, -Cremes, Konserven, tiefgefrorene Fleisch-
und Gemüsezubereitungen
Brühwürste, Leberwurst, Wurstkonserven und insbesondere fettreduzierte Wurstwaren
können Milchzucker enthalten
Auch einigen Knäckebrotsorten, Milchbrötchen, Kräckern, Keksen, Kuchen, Brot- und
Kuchenbackmischungen und Müslimischungen kann Lactose zugesetzt sein
Butter und Margarine enthalten nur geringe Mengen an Lactose
Vorsicht auch bei einigen Medikamenten, Süßstoff- und Kleietabletten
[Behr-Völtzer, 2008, S.128 ff].
Auch bei einer enteralen Ernährung muss auf die Lactosefreiheit der Produkte
geachtet werden!
Neben dem Meiden von lactosehaltigen Lebensmitteln gibt es für die Betroffenen auch noch die
Möglichkeit der Lactasepräparate. Die Enzympräparate enthalten Lactase, die aus Pilzen und
Hefen gewonnen wird. Die Präparate müssen zu den lactosehaltigen Speisen eingenommen
werden. Lactasepräparate sind rezeptfrei in Apotheken und Reformhäusern erhältlich (z.B.
Lactrase®) [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 126].
Des Weiteren gibt es lactosefreie Milch und Milchprodukte, die in vielen Supermärkten
angeboten werden [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 126]. So bietet die Produktlinie Minus-L von
Milch über Pudding und Sahne fast alle Milchprodukte in lactosefreier Form an. Auch Soja- oder
Kokosmilch und ihre Produkte sind zu empfehlen.
Bei einer streng lactosefreier Diät – sprich dem Verzicht auf jegliche Milchprodukte – kann die
Deckung des Calciumbedarfes schwierig werden. Empfohlen wird calciumreiche Mineralwässer
(> 200 mg Calcium/l), calciumangereicherte Sojadrinks und Fruchtsaftgetränke sowie
calciumreiche Lebensmittel in den Kostplan aufzunehmen. In einigen Fällen ist eine Substitution
nötig [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 126/127].
Calciumreiche Lebensmittel:
__________________________________________________________________________ 109
Sesam, Haselnüsse, Mandeln, Grünkohl, Spinat, Fenchel, Brokkoli, Mangold,
Porree/Lauch, weiße Bohnen, Petersilie, Kresse und Schnittlauch.
[Quelle: Behr-Völtzer et al., 2008, S. 127]
__________________________________________________________________________ 110
Fructose- und Sorbitmalabsorption
Fructose- und Sorbitmalabsorption [Quelle: aid infodienst, 2005]
Fructosemalabsorption
Ursache einer Fructosemalabsorption ist grundsätzlich vermutlich eine Störung des
glucoseabhängigen Transporters (GLUT-5). Dieser Transporter ist für die Fructoseabsorption
verantwortlich. Auch hier gilt: besteht bei den Betroffenen vor dem Ausbruch des Morbus Crohn
und in den Ruhephasen keine Fructosemalabsorption, so ist die gestörte Fructoseresorption als
eine Folge der Entzündung des Dünndarms anzusehen. Die Fructosemalabsorption ist in
diesem Fall nur erworben und vorübergehend. Genauso wie bei der Lactoseintoleranz gelangt
die nicht absorbierte Fructose in tiefere Darmabschnitte, wo sie bakteriell abgebaut wird und
anschließend für die daraus resultierenden Symptome – wie Blähungen, Bauchkrämpfe,
Aufstoßen, osmotische Diarrhö und Übelkeit – sorgt.
Nicht zu verwechseln ist die Fructosemalabsorption mit der hereditäre Fructoseintoleranz
Bei der hereditären Fructoseintoleranz handelt es sich um einen angeborenen Enzymdefekt. Die Aktivität des Enzyms Aldolase B ist stark reduziert. Dieses Enzym ist eigentlich verantwortlich für die Katalyse des zweiten Schritts in der Fructoseassimilation. Als Folge dieser Störung kommt es zu einer Anreicherung von Fructose-1-Phosphat in Darmwand, Leber und Niere [Kasper, 2004, S. 335].
, die auf einem angeborenen Enzymdefekt beruht [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 132].
Bei fast allen Patienten mit einer Fructosemalabsorption liegt auch eine gleichzeitige Störung der
Sorbitabsorption vor [Kasper, 2004, S. 175].
Sorbitmalabsorption
Bei einer Sorbitmalabsorption ist die Aufnahme von Sorbit ins Darmlumen stark reduziert. Die
grundsätzlichen und genauen Ursachen für die verringerte Absorption sind unbekannt. Bei
Morbus Crohn ist die Störung der Sorbitaufnahme auf die entzündlich veränderte Darmwand
zurückzuführen. Folgen und Symptome sind die gleichen wie bei der Fructosemalabsorption und
Lactoseintoleranz.
Ernährungsempfehlungen:
Bei der Fructosemalabsorption ist ein völliger Verzicht auf Fruchtzucker nicht nötig. Auch hier
werden individuell verschiedene Mengen an Fructose toleriert.
__________________________________________________________________________ 111
Auszunutzen ist, dass Glucose und Galactose die Fructoseabsorption fördern. So wird
Haushaltszucker (Saccharose = Glucose + Fructose) häufig gut vertragen. Auch bei einigen
Obstsorten, die sowohl Fructose als auch Glucose enthalten, wird so die Fructoseresorption und
damit die Verträglichkeit begünstigt. Die Zugabe von Milch und Milchprodukten zum Obst kann
ebenfalls die Fructoseresorption verbessern.
Sorbit (E 420) hingegen blockiert den Transporter [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 132/133;
Kasper, 2004, S. 175].
Es wird empfohlen anfangs die individuelle Toleranzgrenze für Fructose und Sorbit zu ermitteln.
Hierzu sollte sich zunächst für sieben Tage fructose- und sorbitfrei ernährt werden. Auch auf
andere Zuckeralkohole (Mannit (E 421), Xylit (E 967), Isomalt (E 953), Maltit (E 965), Lactit (E
966)) und Produkte mit Inulin bzw. Fructooligosacchariden sollte verzichtet werden. Auf
Saccharose sollte in der Versuchsphase ebenfalls verzichtet werden [Behr-Völtzer et al., 2008,
S. 133 ff].
Zu meidende Lebensmittel sind: Honig, Marmelade, Kompott, Süßigkeiten, Pudding,
süße Backwaren, Speiseeis, Schokolade, Limonade, Dessertwein, Likör, Obst,
Trockenobst, Gemüsesorten mit einem besonders hohen Fructosegehalt z.B. Möhren,
Weiß- und Rotkohl, Rote Bete, Rüben und Zwiebeln.
[Quelle: Behr-Völtzer et al., 2008, S. 133]
Im Anschluss an eine Besserung der Symptome sollten zunächst die süßen Lebensmittel wieder
in den Speiseplan aufgenommen werden, die keine Zusätze von Zuckeraustauschstoffen
enthalten. Auch Obstsorten mit einem geringen Gehalt an Fructose und Sorbit – wie Erdbeeren,
Himbeeren, Papaya, rote Johannisbeeren und Zitronen – sowie deren Säfte sollten auf ihre
Verträglichkeit getestet werden. Die Säfte dieser Obstsorten sollten anfänglich mit Wasser
verdünnt werden. Der Fructosegehalt dieser Obstsorten liegt unter 2,2 g pro 100 g Lebensmittel,
sie enthalten keine oder sehr wenig Zuckeralkohol und der Gehalt an Saccharose liegt unter 1 g
pro 100 g Lebensmittel.
Da Gemüse im gegarten Zustand für Menschen mit Verdauungsstörungen häufig verträglicher
ist wird empfohlen, jede Sorte zunächst gedämpft bzw. gedünstet auszutesten.
Nach und nach soll so die persönliche und individuelle Toleranz ermittelt und die Kost erweitert
werden [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 133].
Die nachstehenden Tabellen zeigen den Fructose- bzw. Sorbitgehalt einiger ausgewählter
Lebensmittel.
Lebensmittel Fructose (g/100g)
Haushaltszucker ca. 50
Blütenhonig 40
Rosinen 31,6
Pflaumen (getrocknet) 9,4
Banane 8,6
__________________________________________________________________________ 112
Traubensaft 8,3
Weintrauben 7,5
Birnen 6,7
Apfelsaft 6,4
Äpfel 6,0
Fructosegehalt verschiedener Obstsorten und –säfte [Quelle: Heepe et al., 2002, S. 32f; Kasper, 2004, S. 175]
Lebensmittel Sorbit (g/100g)
Vogelbeere 8,5
Trockenpflaume 6,6
Trockenpfirsich 5,3
Trockenaprikose 4,6
Trockenapfel 2,5
Birne 2,2
Pflaume 1,4
Pfirsich 0,9
Aprikose 0,8
Apfel 0,5
Natürlicher Sorbitgehalt verschiedener Obstsorten [Quelle: Heepe et al., 2002, S. 469]
Bei Sorbit sollte zusätzlich drauf geachtet werden, dass es häufig mit „zuckerfrei“ oder
„zahnschonend“ deklarierten Produkten zugesetzt ist. Dies ist häufig bei zuckerzusatzfreien
Fruchtsäften/Getränken, Bonbons und Kaugummis der Fall. Auch als Feuchthaltemittel in
einigen Lebens- und Genussmitteln wie z.B. Marzipan oder Schaumküssen kann Sorbit
enthalten sein. In Zahnpasten und anderen Mundkosmetika ist ebenfalls häufig Sorbit zugesetzt
[Biller, 2001, S. 74].
Es gilt: Zutatenlisten stets überprüfen!
Abschließend können Sie sich hier bei Interesse ein Fazit für die ganzheitliche
Ernährungstherapie bei Morbus Crohn
Fazit für die Ernährungsberatung bei Morbus Crohn
__________________________________________________________________________ 113
Um eine individuelle Beratung durchführen zu können ist das Wissen über einige
Fakten der Betroffenen unerlässlich. Wichtige Parameter die im Vorwege abgeklärt
werden sollten sind:
Stuhlfrequenz
Stuhlkonsistenz (flüssig, breiig, fest)
Meteorismus / Flatulenz
Schmerzen (Häufigkeit, Lokalisation)
Aktuelles Körpergewicht / BMI
Gewichtsverhalten der letzten Monate
Alkohol- und Nikotinabusus
Körperliche Aktivität
Allergien und Unverträglichkeiten
Weitere Erkrankungen
Laborparameter
Medikamente
Allgemeinbefinden
Lebenssituation (Beruf, Familie, etc.)
ErnähSrungsgewohnheiten
Welche Lebensmittel bereiten aus eigener Erfahrung Probleme?
Einnahme von Nahrungsergänzungen
[modifiziert nach: Hoffmann et al., 2004, S. 60; Koula-Jenik, 2006, S. 260f].
Für die Erkrankung Morbus Crohn gibt es keine ganzheitlichen und allgemeingültigen
Ernährungsempfehlungen. Je nach Krankheitsgeschehen und –verlauf gibt es
unterschiedliche, individuelle diätetische Maßnahmen die den Patienten zu einem
besseren Allgemeinbefinden und einer höheren Lebensqualität verhelfen können.
Diese Maßnahmen beziehen sich im Regelfall nicht auf die Verbesserung der
Erkrankung an sich, sondern auf die Linderung von Beschwerden, Komplikationen und
Begleiterscheinungen.
angucken. S
__________________________________________________________________________ 114
Leben mit Morbus Crohn
__________________________________________________________________________ 115
Am Ende dieses Materials sollen Sie:
eine gewisse Empathie für Morbus Crohn-Betroffenen entwickelt haben.
wichtige Anlaufstellen und Adressen für Morbus Crohn-Patienten aufzählen können.
Einführung
Das Leben ist Schönheit, bewundere sie.
Das Leben ist ein Traum, mach daraus Wirklichkeit.
Das Leben ist eine Pflicht, erfülle sie.
Das Leben ist ein Spiel, spiele es.
Das Leben ist kostbar, gehe sorgfältig damit um.
Das Leben ist Reichtum, bewahre ihn.
Das Leben ist Liebe, erfreue dich an ihr.
Das Leben ist eine Hymne, singe sie.
Das Leben ist eine Herausforderung, stelle dich ihr.
Das Leben ist ein Abenteuer, wage es.
Das Leben ist Glück, verdiene es.
Das Leben ist das Leben, verteidige es.
Mutter Theresa
[Quelle: BergNews.com, 2008]
Bei vielen Morbus Crohn-Patienten ist der Leidensdruck durch die chronische Erkrankung sehr
hoch. Häufig fühlen sich die Betroffenen durch die Krankheit eingeschränkt und empfinden ihre
Lebensqualität als reduziert.
Da die gesundheitsbezogene Lebensqualität auch einen Einfluss auf das Ernährungsverhalten
und den Ernährungszustand hat, ist es notwendig diesen Faktor bei der Beratung zu
berücksichtigen [Müller, 2007, S. 15].
Das folgende Material soll einen Überblick über die Lebensqualität bei Morbus Crohn geben und
Maßnahmen aufzeigen, die den Betroffenen helfen können mit der Erkrankung fertig zu werden
und das Leben wieder genießen zu können.
Lernziele
__________________________________________________________________________ 116
Lebensqualität
Morbus Crohn ist eine chronisch rezidivierende Erkrankung die nach dem heutigen
wissenschaftlichen Stand nicht geheilt werden kann. Die Diagnose „chronisch entzündliche
Darmerkrankung“ stellt somit für die meisten Betroffenen einen prägenden Einschnitt in ihr
bisheriges Leben dar.
Morbus Crohn als lebensverändernder Einschnitt [Quelle: Körperbehindertenförderung, 2008]
Die Erkrankung selber kann eine große psychische Belastung für die Betroffenen darstellen. Die
Ungewissheit über den Verlauf der Erkrankung, eventuelle Krankenhausaufenthalte,
Schwierigkeiten im Berufsleben und im sozialen Umfeld und eine Umstellung der bisherigen
Lebensgewohnheiten sorgen für Emotionen wie Angst, Unsicherheit, Wut und Resignation. Auch
Ängste vor Krankheitsschüben, Untersuchungen, Medikamenten und Operationen können die
Betroffenen belasten. Hinzu kommen soziale Nöte z.B. durch fehlende Toiletten im öffentlichen
Raum, Sorgen um den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsfähigkeit und die Scham vor
dem Partner oder der Partnerin [Biller, 2008; Deutsche Morbus Crohn / Colitis Vereinigung,
2006].
Dieser kleine Ausschnitt von möglichen psychischen Belastungen zeigt, wie wichtig eine
begleitende psychologische Betreuung sein kann. Auch die Tatsache, dass der
Krankheitsverlauf durch psychische und soziale Einflüsse individuell wesentlich beeinflusst wird
zeigt, wie hilfreich eine psychologische Unterstützung sein kann [Moser (Leitlinien der DGVS),
2003, S. 50]. Nur wenn die Patienten ihre eigene Krankheit erkennen, akzeptieren und damit
umzugehen lernen, kann ihre persönliche Lebensqualität und Lebensfreude wieder gesteigert
und der Leidensdruck minimiert werden.
Einen Kranken, der sich für gesund hält, kann man nicht heilen.
Henri Frédéric Amiel
[Quelle: Skupy, 2004, S. 513]
Die durch die Erkrankung hervorgerufenen Beschwerden und Auswirkungen werden individuell
sehr unterschiedlich wahrgenommen. Auf der einen Seite liegt dies natürlich an den
unterschiedlich Schweregraden und Verläufen des Morbus Crohn, zum anderen ist die
subjektive Wahrnehmung von Mensch zu Mensch verschieden. So gibt es Patienten mit einer
langstreckigen und stark ausgeprägten Darmentzündung, die nur geringe Bauchschmerzen und
eine geringe Diarrhö aufweisen. Im Gegensatz dazu gibt es auch Betroffene mit einer deutlich
geringeren (messbaren) Entzündung, die starke Schmerzen und eine hohe Stuhlfrequenz
angeben [Hoffmann et al., 2004, S. 58].
__________________________________________________________________________ 117
In den Exkurskapiteln können Sie sich nun bei Interesse unterschiedliche Erfahrungsberichte
von Morbus Crohn-Patienten mit verschiedenen Verläufen anhören.
__________________________________________________________________________ 118
Begriffserläuterungen für besseres Verständnis:
Colostomie
Colostomie = operatives Anlegen eines künstlichen Darmausgangs im Bereich des Abdomen zur Stuhlentleerung in einen Auffangbeutel [Pschyrembel, 2002].
Ileostomie
Ileostomie = operatives Anlegen eines künstlichen Darmausgangs im Bereich des Ileums zur Stuhlentleerung in einen Auffangbeutel [Pschyrembel, 2002].
„Im Sommer 1983 wurde bei mir Morbus Crohn diagnostiziert. Zum Glück wurde diese Feststellung recht früh gemacht (d.h. 3 Monate nach Beschwerdebeginn und einer Gewichtsabnahme von 10 kg durch Durchfälle). Dadurch musste ich nicht, wie viele andere Betroffene, eine lange Zeit des angeblichen "Simulanten-Daseins“ durchleiden. Mit der Erkrankung wurde mein ganzes Leben stark beeinträchtigt. Zunächst wurde ich mit allen Medikamenten therapiert, die zu dieser Zeit in Frage kamen. Es folgten Colostomie-, Fistel-, Abszess-, Ileostomie- und Dünndarmentfernungsoperationen. In den "Pausen", in denen es mir wieder besser ging, entwickelte ich ein ungeheures Potential an Energie, die danach rief, eingesetzt zu werden. Also machte ich eine Lehre als Spielzeugverkäuferin, eine Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau und holte meine Fachhochschulreife nach. Meine große Leidenschaft galt dem Singen in verschiedenen Bands. Hierbei entdeckte ich meine größte Kraftquelle. Aufgrund meiner letzten Operation stellte sich ein schwerer Mineralstoffmangel ein. Daraufhin war ich 2 ½ Jahre auf eine parenterale Ernährung über einen Port-Katheter angewiesen und musste mich jede Nacht für 12 – 14 Stunden an die
Erfahrungsbericht Barbara
Der hier wiedergegebene Erfahrungsbericht von Barbara soll keinen typischen Verlauf von
Morbus Crohn wiedergeben, sondern ist eine individuelle Krankheitsgeschichte mit persönlichen
Erfahrungen und subjektiven Gefühlen. Auch werden hier keine wissenschaftlich fundierten
Meinungen oder Sachverhalte dargelegt.
Der Erfahrungsbericht wurde über die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung
veröffentlicht.
Barbara (fiktive Abbildung!) [Quelle: Sell, 2008]
__________________________________________________________________________ 119
Infusion anschließen. Kontinuierlich nahm ich an Körpergewicht zu, und ich erreichte bei einer Größe von 1,74 m mein Normalgewicht von 64 kg. In dieser Zeit musste der Port jedoch zweimal entfernt werden: einmal aufgrund eines Abszesses und ein anderes Mal aufgrund einer Portinfektion. Nach der parenteralen Ernährung wurde ich auf eine enterale Ernährung über eine Nasendünndarm-Sonde umgestellt. Hierfür bekam ich eine speziell für mein Nasenloch angefertigte Nasenolive, so dass nur ein blauer Knopf in meiner Nase sichtbar war. Über diese Sonde pumpte ich täglich für 16 Monate Magnesium, Calcium, Kalium und spezielle Sondenkost in meinen Darm. Die Durchführung der Ernährung funktionierte bei mir insgesamt gut und war mit geringen Risiken verbunden. Einige Ärzte waren überzeugt, dass ich für immer auf die künstliche Ernährung angewiesen sein werde - aber ich bin auch auf Menschen getroffen, die mit mir darauf vertraut haben, dass ich es anders schaffen kann! Jetzt habe ich seit Juni 2000 keine Sonde mehr. Juchhu!!! Ich löse Elektrolyte in Tee auf, trinke hochkalorische Energie-Drinks und halte mein Gewicht von 54 kg. Ich danke Gott und bin glücklich darüber, dass es funktioniert. Ich glaube, dass es sich lohnt, zuversichtlich zu sein und daran festzuhalten, dass es immer eine befriedigende Lösung geben kann, auch wenn es manchmal nicht so scheint.“ [Quelle: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung; 2008]
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Eine Krankheit wie ein Vulkan - man weiß nie wann, wie und ob sie wieder ausbricht Alles fing im Juni 2002 an „Mein Großvater war gerade gestorben, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis hatte und dessen plötzlicher Tod mir deshalb auch sehr nahe ging. Ich hatte zu der Zeit ca. 3 Wochen lang Durchfall dem ich aber keine große Bedeutung schenkte. Doch als es nicht besser wurde, bin ich doch mal zum Arzt gegangen der mir dann Perenterol verschrieb. Daraufhin wurde es erst mal besser. Dann bekam ich Halsschmerzen. Auch hierbei dachte ich mir nichts Schlimmes - mit Meditonsin wird's schon besser werden. Nach vier Tagen waren die Schmerzen so unerträglich, dass ich nichts mehr essen konnte, also beschloss ich zum HNO zu gehen. Der stellte Aphten im gesamten Gaumen fest, die er mit Amoxicillin (Antibiotikum) behandelte. Einen Tag später bekam ich wieder Durchfall und Fieber (bis 38,9°C) und ging zum Hausarzt. Dieser verschrieb mir irgendein Grippemittel, weil er meinte, ich würde simulieren um nicht in die Arbeit zu müssen. Daraufhin ging ich ins Krankenhaus (ambulante Behandlung). Auch hier wurden meine Beschwerden nicht ernst genommen. Ich bekam gegen die Halsschmerzen etwas zum Gurgeln, das dann sogar half. Aber dieser Schmerz wurde durch extremes Stechen in der Speiseröhre und Übelkeit ersetzt, sobald ich versuchte zu essen oder zu trinken. Also ließ ich es bleiben und versuchte mein Glück beim Internisten, wo ich zum ersten Mal ernst genommen wurde. Er machte eine Magen-Darmspiegelung und noch ehe die Ergebnisse feststanden, beschloss ich ins Krankenhaus zu gehen, weil ich die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte.
Erfahrungsbericht Kathrin
Der hier wiedergegebene Erfahrungsbericht von Kathrin soll keinen typischen Verlauf von
Morbus Crohn wiedergeben, sondern ist eine individuelle Krankheitsgeschichte mit persönlichen
Erfahrungen und subjektiven Gefühlen. Auch werden hier keine wissenschaftlich fundierten
Meinungen oder Sachverhalte dargelegt.
Der Erfahrungsbericht wurde über die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung
veröffentlicht.
Kathrin (fiktive Abbildung!) [Quelle: Budweg, 2008]
__________________________________________________________________________ 121
Dort angekommen wurde ich erst mal durchgecheckt und musste weitere drei Tage fasten, bis feststand, was mir fehlte. Die Magen-Darmspiegelung wurde wiederholt, da die Ergebnisse vom Internisten noch nicht eingetroffen waren. Nach insgesamt 1 Monat stellte sich dann heraus, dass ich, genau wie mein Vater, Morbus Crohn habe. Ich wurde mit Cortison behandelt, das wöchentlich reduziert wurde, angefangen bei 150 mg / Tag. Auf das Cortison habe ich sehr gut angesprochen und konnte nach 17 Tagen entlassen werden. Als ich bei 10 mg angekommen war (ca. 6 Monate später), wurden meine Blutwerte wieder schlechter, aber eine körperliche Verschlechterung merkte ich nicht. Deshalb setzte ich, ohne das Wissen meines Arztes, die Medikamente komplett ab. Die Folgen sind wahrscheinlich jedem klar. Und somit startete der 2. Schub, der bei weitem schlimmer war als der erste. Meine Blutsenkung war bei 80/90 (ca. 5/10 ist normal), was für eine schwere Entzündung spricht. Nach und nach traten auch die alten bekannten Anzeichen wie Durchfall, Fieber, Übelkeit, Schmerzen im gesamten Bauchbereich ... wieder auf. Ich nahm pro Tag ca. 1 kg ab, da ich ja wieder nichts essen konnte. Auch wenn ich seit dem letzten Krankenhausbesuch Krankenhäuser verabscheue, ging ich auf ein bisschen Betteln meiner Mutter mehr oder weniger freiwillig hin und die ganze Tortur ging wieder mal von vorne los. Die Ärzte entschlossen sich dann für eine Langzeittherapie mit Azathioprin. Ich wurde zwar nach 5 Tagen schon entlassen ("mehr können wir hier für Sie nicht tun, Sie wissen ja was Ihnen fehlt“), aber "geheilt" war ich noch nicht. Die nächsten 2 Wochen verbrachte ich mit Schmerzmitteln und vielen anderen Medikamenten, wobei die Schmerzmittel nur höchstens 5 Stunden anhielten. Da ich kaum etwas essen konnte, war mein Körper so geschwächt, dass ich z. B. beim Duschen jedes Mal 2 Pausen einlegen musste, weil ich nicht mehr stehen konnte. Langsam trat dann eine Besserung ein und ich konnte 4 Wochen nach meinem Krankenhausaufenthalt wieder in die Arbeit gehen. Mittlerweile ist 1 Jahr vergangen. Ich habe mir geschworen, nie wieder den dummen Fehler zu machen, die Tabletten abzusetzen, weil es mir ja scheinbar gut geht ("das Cortison hat den Schmerz unterdrückt und ich habe deshalb von der Entzündung nichts mitbekommen", so mein Arzt). Einmal im Monat gehe ich zur Blutbildkontrolle. Seit ca. 6 Monaten sind alle Werte im grünen Bereich. Es kann zwar immer wieder ein neuer Schub auftreten, aber wenn man sich mit der Krankheit auseinandersetzt, gewisse "Regeln" beachtet und immer regelmäßig seine Medikamente nimmt, kann man ein einigermaßen normales Leben führen. Mit meiner neuen Therapie mit Azathioprin soll nach ca. 5 Jahren die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Schub auftritt, deutlich reduziert werden. Und wenn doch, sollen die Schübe bei weitem nicht mehr so schlimm sein.“ [Quelle: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung; 2004]
__________________________________________________________________________ 122
Begriffserläuterungen für besseres Verständnis:
Stoma
Stoma = operativ hergestellte Öffnung eines Hohlorgans nach außen; hier: künstlicher Darmausgang [Pschyrembel, 2002].
Konglomerattumor
Konglomerattumor = Verklebung oder Verwachsung von Organen und Organteilen; sehen bei Untersuchung aus wie eine größere Tumorbildung [Pschyrembel, 2002].
Tramal
Tramal = Medikament mit dem Wirkstoff Tramadol; mittelstarkes Opioid, mit schwächerer Wirkung als Morphin [Pschyrembel, 2002].
Hallo Leute, ich bin jetzt 39 Jahre alt und weiß seit 1987, dass meine persönliche Plage Morbus Crohn heißt. In all den Jahren ist mein Gewicht von 46 bis 97 kg geschwankt. Nach anfangs heftigen Schüben mit drastischen Gewichtsverlusten und starken Schmerzen kündigte sich die schlimmste Krise 1991 durch einen leichten Bauchschmerz in der Nähe des Blinddarms an. Darmdurchbruch, Bauchfellentzündung. Ich habe für drei Monate ein Stoma tragen müssen. Danach hatte ich zwei Jahre Ruhe bis sich eine neue Gemeinheit einstellte: Fisteln. Die Ärzte meiner Umgebung waren ratlos und bezeichneten mich als inoperablen Fall. Mein Hausarzt half mir mit Rat und Tramal über die schlimmsten Phasen hinweg. Und die dauerten drei Jahre. Bis er durch Zufall von einem Krankenhaus erfuhr, das gerade bei Fisteln wahre Wunder bewirken sollte. Nach meiner Eingangsuntersuchung fragte ich den Arzt,
Erfahrungsbericht Manfred
Der hier wiedergegebene Erfahrungsbericht von Manfred soll keinen typischen Verlauf von
Morbus Crohn wiedergeben, sondern ist eine individuelle Krankheitsgeschichte mit persönlichen
Erfahrungen und subjektiven Gefühlen. Auch werden hier keine wissenschaftlich fundierten
Meinungen oder Sachverhalte dargelegt.
Der Erfahrungsbericht wurde über die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung
veröffentlicht.
Manfred (fiktive Abbildung!) [Quelle: Sell, 2008]
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ob er eine Chance sehen würde mir operativ zu helfen. Seine Antwort klingt mir noch heute in den Ohren: "Wir haben hier jeden Tag fünf solcher Operationen. Das ist für uns nichts Besonderes." Nach drei Jahren solch einen Satz zu hören ... ist für MC-Geplagte das normalste der Welt. Unfähige, uninteressierte oder überehrgeizige Ärzte kennt jeder von uns im Dutzend. Aber weiter in der Krankengeschichte. Eine Woche nach der OP war ich zu Hause und drei Wochen später war der Alptraum der ständig entzündeten und schmerzenden Fisteln Vergangenheit. Das Tramal nahm ich weiter, weil ich inzwischen gut angefixt war. Es ist ein Wunder, das ich bei den Dosierungen, die ich inzwischen nahm, auch noch Auto gefahren bin und ähnliches. Ein Jahr später fingen heftige krampfartige Schmerzen im rechten Oberbauch an. Es war eine Kur geplant, Weihnachten stand vor der Tür und der Notarzt, der mich am 23. Dezember begutachtete, meinte zu meiner Frau, dass er so einen Simulanten noch nicht erlebt hätte. Vier Wochen später stellte man eine Engstelle in meinem Darm fest und wollte mir keine feste Nahrung mehr geben. Letztendlich war es ein Konglomerat-Tumor, der Darm war auf einer Länge von einem Meter völlig verwachsen und musste entfernt werden. Und seitdem? Ich habe mehrere Fisteln, die mich aber nicht besonders stören, da sie die meiste Zeit stabil sind und kaum Schmerzen verursachen. Die Narben auf und in meinem Bauch sind sehr wetterfühlig. Mein Gebiss ist ein Alptraum, aber jede zahnmedizinische Behandlung führt unweigerlich zu Problemen mit den Fisteln und dem Darm. Vom Tramal habe ich mich selbst gelöst und nehme jetzt bei starken Schmerzen Novalgin. Und das macht höchstens psychisch abhängig. Merke ich, dass ich zu oft und ohne konkreten Anlass etwas nehme, stell ich die Tropfen einfach weg und warte ein paar Tage oder Wochen. Zurzeit habe ich den ersten heftigen Schub seit sechs Jahren und bekämpfe ihn mit Budesonid, Salofalk und Novalgin. Da ich dank meiner drei Jahre lang unbehandelten Fisteln inkontinent bin, kann ich zu meinem Leidwesen während dieses Schubs nicht arbeiten. Kleinere Schübe in den letzten Jahren habe ich dank Loperamid weitestgehend ignoriert. Ich bin als Schwerbehinderter halb (50%) anerkannt. Außer den fünf Tagen Mehrurlaub und einer lächerlich geringen Steuerbefreiung bringt mir das nichts. Doch: ich messe mich nicht mit Normalsterblichen. Was andere können, muss mir noch lange nicht gelingen. Das hört sich alles nach einer ganz normalen Karriere eines MC-Kranken an, nicht wahr? Aber wie klingt das? Sechs Monate nach der Rückverlegung meines Stomas bin ich als Decksmann auf einem Binnenschiff durch Deutschland gefahren. Acht Monate nach der Entfernung meines Konglomerat-Tumors habe ich einen neuen Job in einer großen Firma bekommen und bin innerhalb kürzester Zeit befördert und mit etlichen Sonderaufgaben betraut worden. Als die Krankheit entdeckt wurde, machte ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Der Crohn stahl mir ein Jahr und ich beendete die Ausbildung ohne Abschluss um zu studieren. Und als meine erste Ehe in die Brüche ging, ich
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mein Heim und mein Kind verließ und einen Behindertenausweis über 100% in der Tasche hatte fragte ich die Behörden, wie sie mir helfen könnten. Sie empfahlen mir damals die Verrentung. Ich schickte ihnen den Ausweis per Post zurück und heuerte auf dem Schiff an. Ich kenne fast alle Medikamente durch Selbstversuch, habe Therapien in jeglicher Form und Gestalt mitgemacht und in den Krankenhäusern und Kurkliniken den Crohn in all seinen Ausprägungen gesehen. Von Karlchen aus Hamburg, deren Infusionsständer dicker war als sie selbst und die durch TNF gerettet wurde bis zu dem Mann, der genauso alt wie ich ist und seit 15 Jahren als Rentner nichts anderes tut als ein wenig Gartenarbeit und lange Spaziergänge. In dieser Zeit habe ich meine Frau gefunden, mit ihr zwei Kinder großgezogen und ein gemütliches Heim aufgebaut. Ich habe die verschiedensten Hobbies gepflegt und sogar einen Wanderurlaub im schottischen Hochland gemacht. Und wenn die Hölle zufriert, ich mach es wieder! 1987 war ich dankbar über die Hefte und Broschüren des DCCV und ich besuchte sogar einen Kongress in der MHH in Hannover. Gerade genesen von einer sehr schmerzhaften Spiegelung hörte ich dort einen Arzt sagen: "Wer eine Spiegelung am entzündeten Darm ohne Schmerzmittel macht, ist kein Heiler, sondern ein Folterer." 600 Zuhörer in einem Saal, der für 400 gedacht ist, gaben dem Mann die berühmten Standing Ovations. Und ich habe geheult über meine eigene Dummheit. Ich bin nicht Mitglied einer Selbsthilfegruppe und solange ich keine akuten Beschwerden habe, nehme ich auch keine Medikamente. Ich habe keine Angst vor Cortison, im Gegenteil. Es ist das einzige Mittel, das wirklich und sofort Linderung bringt. Heilung wird es für mich wohl nicht mehr geben. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Krankheit genauso wie ich, mit den Jahren ruhiger und milder wird. Vor vier Jahren habe ich etwas wichtiges begriffen, dass ich so von keinem anderen Betroffenen gehört habe und auch sonst nirgendwo im Zusammenhang mit meiner Krankheit gelesen habe: Vergesst eure Mitmenschen nicht. Der Erkrankte wird zu einem Egoisten und Egozentriker, der Leidende sieht nur noch sein Leid. Die Familie, der Partner, alles verblasst angesichts der Schmerzen und Durchfälle. Gewichtsverlust oder lebensgefährliche Komplikationen geben dem Kranken die ständige Gewissheit, im Recht zu sein, wenn es um alltägliche Kleinigkeiten geht. Niemand außer dem Kranken kann beurteilen, ob er in der Lage ist, etwas zu tun oder einfach keine Lust hat. Was diese Krankheit uns antut, ist erschreckend, eklig und demütigend. Aber eben nicht tödlich. Und so verbreiten wir den Schrecken und die Demütigungen locker an unsere Umwelt. Wir potenzieren das Leid, weil wir andere mitleiden lassen. Seid ehrlich, ihr Leidensgenossen: Wer von Euch hat nach durchstandenem Schub seinen Lebenspartner in den Arm genommen und gesagt: "Danke für Deine Hilfe! Und jetzt leg Du Dich ins Bett und
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ich kümmere mich mal eine Woche nur um Dich!" Jeder, der das hier liest, sollte jetzt darüber nachdenken, wie er seine Umwelt beeinflusst und ob er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Und sich dann teuflisch anstrengen, um die Situation für seine Mitmenschen erträglicher zu machen. [Quelle: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung; 2004]
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Angebote bzw. Arbeit der DCCV:
persönliche Beratung
Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen
Vermittlung von Kontakten zu Selbsthilfegruppen, Ärzten, Pflegepersonal,
Krankenhäusern und Kurkliniken
Arbeitskreis Sozialrecht: hilft bei Fragen oder Problemen mit Krankenkassen, Sozial-
und Versorgungsämtern, Rentenversicherungsträgern oder Arbeitgebern
Rechtsschutz vor deutschen Sozialgerichten für Mitglieder die Kind-/Elterninitiative
befasst sich mit besonderen Problemen betroffener Kinder
Arbeitskreis Ernährung
Arbeitskreise für Pouch, Stoma und PSC
Unterstützung örtlicher Selbsthilfegruppen
Organisation von Fortbildungsveranstaltungen
gezielte Öffentlichkeitsarbeit, u.a.
[Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung e.V., 2008].
Selbsthilfegruppen und Vereine
Neben der psychologischen Betreuung können auch Selbsthilfegruppen und –verbände eine
wichtige Stütze für Morbus Crohn-Patienten sein.
In Deutschland ist der bekannteste und größte Selbsthilfeverband die Deutsche Morbus Crohn /
Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e.V..
Bundesgeschäftsstelle der DCCV e.V.
DCCV e.V.
Paracelsusstraße 15
51375 Leverkusen
Tel.: 0214 87608 0
Fax: 0214 87608 88
Logo des DCCV [Quelle: Schneider, 2008]
Die DCCV selbst sieht ihre wichtigste Aufgabe darin „den Betroffenen bei der Bewältigung ihrer
oft schwierigen Lebenssituation zu helfen“.
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In der Beratungsstelle bietet die CED-Hilfe:
Persönliche Beratung zu allen mit der Krankheit verbundenen Problemen in der
Beratungsstelle
Persönliche Beratung auch im Asklepios-Westklinikum, Hamburg-Rissen
Ernährungsberatung
Stomaberatung
Psychologische Beratung für Einzelpersonen, Paare und Familien
Telefonische Beratung
Patientenbesuche im Krankenhaus (auf Anforderung)
Versand von Informationsmaterial und Antwort auf briefliche Anfragen (gegen
Portoerstattung)
Offener Abend zum Erfahrungsaustausch unter Betroffenen
Offene Themenabende mit Fachleuten
Neben der DCCV ist in Hamburg die CED-Hilfe eine wichtige Institution.
CED-Hilfe e.V. Hamburg
Fuhlsbüttler Straße 401
22309 Hamburg
Tel.: (040) 63 23 74 0
Fax: (040) 63 70 89 94
Beratungsteam CED-Hilfe Hamburg [Quelle: CED-Hilfe e.V., 2008]
Die CED-Hilfe ist keine Selbsthilfegruppe im eigentlichen Sinne. Vielmehr soll Hilfe zur
Selbsthilfe gegeben werden. Der Leitgedanke des Vereins ist „die Krankheit in die eigenen
Hände nehmen“. So gibt die CED-Hilfe Rat und Unterstützung bei der Bewältigung der
Erkrankung, bietet eine kostenlose, persönliche Beratung an und stellt einen Treffpunkt für
Betroffene zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch dar. Die Mitarbeiter der CED-Hilfe arbeiten
zum größten Teil alle ehrenamtlich und sind selbst schon lange an Morbus Crohn oder Colitis
ulcerosa erkrankt.
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Arzt-Patienten-Seminare
Treffen zum Erfahrungsaustausch für Eltern von betroffenen Kindern und Jugendlichen
Treffen zum Erfahrungsaustausch für betroffene Jugendliche
Nachmittage zur Entspannung und Körperwahrnehmung
[CED-Hilfe e.V., 2008].
Weitere wichtige Adressen zum Thema Morbus Crohn:
Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V.
Geschäftsstelle
Olivaer Platz 7
10707 Berlin
Tel.: (030) 31 98 31 5000
Fax: (030) 31 93 31 5009
Kompetenznetz chronisch entzündliche Darmerkrankungen e.V.
c/o Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Campus Kiel
Klinik für Allgemeine Innere Medizin
Schittenhelmstraße 12
24105 Kiel
Tel.: (0431) 597 – 3937
Fax: (0431) 597 – 1434
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