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Einführung __________________________________________________________________________ 1 Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Traktes mit einem komplizierten Krankheitsbild und –verlauf. Dieses Material soll einen ersten Überblick über die komplexe Erkrankung liefern. Was ist Morbus Crohn eigentlich und wodurch entsteht diese Krankheit? Wer kann Morbus Crohn bekommen und wie verbreitet ist dieses Krankheitsbild ? Diese Fragen sollen in den folgenden Kapiteln geklärt werden. Die Krankheit unter die Lupe nehmen. __________________________________________________________________________ 2

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Einführung

__________________________________________________________________________ 1

Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Traktes mit einem

komplizierten Krankheitsbild und –verlauf.

Dieses Material soll einen ersten Überblick über die komplexe Erkrankung liefern. Was ist

Morbus Crohn eigentlich und wodurch entsteht diese Krankheit? Wer kann Morbus Crohn

bekommen und wie verbreitet ist dieses Krankheitsbild ? Diese Fragen sollen in den folgenden

Kapiteln geklärt werden.

Die Krankheit unter die Lupe nehmen.

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Am Ende dieses Materials sollen Sie:

einen groben Überblick darüber erhalten haben, was Morbus Crohn ist.

Morbus Crohn gegen Colitis ulcerosa abgrenzen können.

die möglichen Ursachen für Morbus Crohn nennen können.

Angaben zur Häufigkeit der Erkrankung machen können.

Lernziele

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Synonyme für Morbus Crohn werden folgende medizinische Bezeichnungen verwendet:

Crohn`sche Krankheit

Enteritis regionalis Crohn

Enteritis regionalis

Ileitis terminalis

Ileitis regionalis

im Englischen: Crohn`s disease [Pschyrembel, 2002].

Was ist Morbus Crohn?

Die Krankheit Morbus

Morbus (lat.) = Krankheit [Pschyrembel, 2002].

Crohn wurde nach ihrem Entdecker Burrill Bernard Crohn

Burrill Bernard Crohn (* 13. Juni 1884 in New York; † 29. Juli 1983 in Connecticut) Arzt und Erstbeschreiber des Morbus Crohn Enkel deutsch-jüdischer Einwanderer studierte Medizin an der Columbia University 1907 erhielt er im Alter von 23 Jahren den Titel des Doktors der Medizin seine erste Stelle als Assistenzarzt erhielt er am Mt. Sinai Hospital in New York City vier Jahre später ließ er sich als praktischer Arzt nieder, arbeitete aber parallel am Mt. Sinai Hospital wissenschaftlich weiter dort führten ihn seine Forschungen in das Gebiet der Gastroenterologie (Spezialgebiet der Inneren Medizin, das sich mit den Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und angrenzender Organe befasst) 1916 veröffentlichte er seine Studien, die ergaben, dass chirurgische Eingriffe bei Zwölffingerdarmgeschwüren keine Besserung ergaben 1925 beschrieb er als Erster einen Fall, bei dem eine Colitis ulcerosa zu einem Krebs entartete 1932 definierte er gemeinsam mit L. Ginzburg und G. Oppenheimer erstmals das Krankheitsbild Morbus Crohn in einer Publikation [Wikimedia Foundation Inc., 2008]. (1884-1983) benannt. Gemeinsam mit L. Ginzburg und G. Oppenheimer definierte B. B. Crohn 1932 erstmals das Krankheitsbild in einer Publikation [Hoffmann et al., 2004, S. 3].

Burrill Bernard Crohn [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.1, 2008]

Morbus Crohn (Abkürzung: MC) ist eine chronisch

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Chronisch (gr.) = lange dauernd, langwierig; langsam verlaufend (von Krankheiten); Gegensatz: akut [Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2007].

rezidivierende

Rezidiv (lat. recidere; zurückfallen): Rückfall; Wiederauftreten einer Krankheit nach Abheilung [Pschyrembel, 2002].

Erkrankung des Gastrointestinaltraktes.

Gastrointestinaltrakt = Magen-Darm-Trakt (Gaster (gr.) = Magen, intestinal (lat. intestinalis) = zum Darmkanal gehörend) [Pschyrembel, 2002].

Gemeinsam mit der Krankheit Colitis ulcerosa

Colitis ulcerosa Das Wort Colitis oder auch Kolitis setzt sich aus den Wortteilen Kol- (gr. κώλον), Wortteil mit der Bedeutung Darm, und –itis (gr.), Endung mit der Bezeichnung Entzündung, zusammen. Eine Kolitis ist also eine Entzündung des Dickdarms. Ulcus ist das lateinische Wort für Geschwür [Pschyrembel, 2002]. Dementsprechend ist Colitis ulcerosa eine chronische, meist in Schüben verlaufende Entzündung der Dickdarmschleimhaut. Die Schleimhaut des Dickdarms ist bei Colitis ulcerosa an der Oberfläche geschwürig entzündet. Diese geschwürigen Veränderungen werden als Ulcera bezeichnet. Typische Symptome für die Colitis ulcerosa sind blutige Stühle mit Schleimbeimengungen. Durchfälle treten meistens erst auf, wenn der gesamte Dickdarm entzündet ist [Biller, 2008, S. 22f].

(Abkürzung: CU) wird das Krankheitsbild des Morbus Crohn unter der Bezeichnung chronisch

entzündliche Darmerkrankungen (Abkürzung: CED) zusammengefasst [Siegenthaler, 2001, S.

837].

CED: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Charakteristisch für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist ein Wechsel von akuten

Entzündungsschüben des Verdauungstraktes mit beschwerdearmen bis –freien Phasen. Der

Krankheitsverlauf und die Schwere der Erkrankung können individuell sehr unterschiedlich sein.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören zwar derselben Krankheitsgruppe an, unterscheiden

sich jedoch durch die Lokalisation und Ausdehnung der Entzündung

Eine Entzündung ist eine (Abwehr-) Reaktion des Organismus auf Reize mit dem Ziel, den Auslöser und seine Folgen zu beseitigen. Auslöser können zum Beispiel sein: Fremdkörper, Strahlung, Reibung, Säuren, Basen, oder Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten). Lokale Entzündungszeichen sind: Rubor (Rötung), Calor (Hitze), Tumor (Schwellung), Dolor (Schmerz) und Functio laesa (gestörte Funktion)

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Morbus Crohn: der gesamte Verdauungstrakt vom Mund bis zum After kann entzündet

sein

Colitis ulcerosa: die Entzündung betrifft ausschließlich den Dickdarm.

Morbus Crohn: der entzündliche Befall des Verdauungstraktes ist überwiegend

segmental (abschnittsweise), das heißt zwischen einzelnen Entzündungsflächen liegen

intakte, gesunde Schleimhautbereiche

Colitis ulcerosa: die Entzündung zeigt sich auf ein Gebiet begrenzt; der entzündlich

veränderte Darmteil zeigt einen kontinuierlichen Befall.

Morbus Crohn: die Entzündung ist nicht nur oberflächlich, sie kann auch in tiefere

Gewebeschichten vordringen

Colitis ulcerosa: die Schleimhaut ist an der Oberfläche geschwürig entzündet [Biller,

2008, S. 22].

[Pschyrembel, 2002].

sowie durch das entzündliche Erscheinungsbild. Um Morbus Crohn als Erkrankung richtig

definieren zu können, ist eine Abgrenzung gegen die Colitis ulcerosa unerlässlich.

Lokalisation der Entzündung:

Ausdehnung der Entzündung:

Erscheinungsbild der Entzündung:

Die folgenden Abbildungen sollen noch einmal den Unterschied in der Lokalisation, der

Ausdehnung und dem Erscheinungsbild der Entzündung zwischen den beiden Erkrankungen

verdeutlichen:

Die unterschiedliche Lokalisation der Entzündung bei MC und CU [Quelle: Kompetenznetz Darmerkrankungen, 2008]

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Erscheinungsbild der EntzünduSng [Quelle: Berufsverband Deutscher Internisten, 2007]

In 10 % der Fälle einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung ist das Beschwerdebild so

diffus, dass nur schwer zwischen einem Morbus Crohn und einer Colitis ulcerosa unterschieden

werden kann. In diesen Fällen spricht man von einer Colitis indeterminata. Häufig ist durch die

weitere Entwicklung der Erkrankung später eine eindeutige Diagnose „Morbus Crohn“ oder

„Colitis ulcerosa“ möglich [Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung].

In dem Exkurskapitel lernen Sie die wesentlichen anatomischen Fachbegriffe und

Funktionsweisen des Verdauungstraktes kennen, die für die Ernährungsberatung von Morbus

Crohn erforderlich sind.

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Aufbau und Funktion des Gastrointestinaltraktes

Ein erfolgreicher Erwerb von Kenntnissen über chronisch entzündliche Darmerkrankungen

basiert auf dem Verständnis des Aufbaus und der Funktion des gesamten Magen-Darm-Traktes.

Gerade bei Morbus Crohn ist dieses Wissen unerlässlich, da bekanntlich der gesamte

Gastrointestinaltrakt von den Lippen bis zum Schließmuskel befallen sein kann. Dies schließt die

Kenntnis der dazugehörigen Fachbegriffe ein. Ein Ernährungsberater ist stets Teil eines Teams,

welches sich mit der Behandlung des Morbus Crohn auseinander setzt. Eine gemeinsame

Ausdrucksweise ist für den gegenseitigen Informationsaustausch von Nöten. Auch ist das

Wissen über den Ort der Entzündung und die damit verbundenen physiologischen Folgen für die

individuelle Ernährungsberatung unerlässlich.

Dieser Exkurs hat nicht den Zweck einer ausführlichen Darstellung der Anatomie und

Physiologie des Verdauungstraktes, sondern soll einen Überblick über die wesentlichen und für

die Ernährungsberatung von Morbus Crohn notwendigen Fakten geben.

Die folgende Abbildung gibt einen ersten Überblick über die Verdauungsorgane und ihre Lage

im menschlichen Körper: Einfügen Abbildung:

Gastrointestinaltrakt [Quelle: Beck, 2008]

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Von innen nach außen lassen sich vier Wandschichten abgrenzen:

die Schleimhaut (Mucosa)

die Unterschleimhaut (Submucosa)

die Muskelschicht (Muscularis), mit inneren ringförmigen und äußeren längs

verlaufenden Muskelfasern

eine bindegewebige Hüllschicht (Adventitia), das so genannte Bauchfell, welches beim

Berühren von Nachbarorganen ein nahezu reibungsloses Gleiten ermöglicht

[Speckmann et al., 2006, S. 252].

Der Verdauungstrakt

Der schlauchartige gebaute Verdauungstrakt beginnt am Mund und endet am After. Seine

verschiedenen Abschnitte besitzen entsprechend der unterschiedlichen Funktionen einen

unterschiedlichen Wandaufbau. So genannte Anhangsdrüsen im Kopfbereich (Speicheldrüsen)

und in der Bauchhöhle (Leber, Bauchspeicheldrüse) sowie Zotten und Krypten unterstützen die

Verdauungs- und Absorptionsfunktionen. Genauso wie die Haut an der Körperoberfläche bildet

innen die Wand des Verdauungstraktes die Grenze des Organismus zur Umwelt. Die

Wandschichten aus Längs- und Ringmuskulatur sind in den verschiedenen Abschnitten des

Magen-Darm-Traktes identisch. Der Wandaufbau unterscheidet sich im Wesentlichen durch die

unterschiedlichen Schleimhautoberflächen [Speckmann et al., 2006, S. 243].

Aufbau der Wand des Gastrointestinaltraktes

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Speiseröhre (Ösophagus)

Die Speiseröhre stellt die Verbindung zwischen Rachen und Magen dar. Sie ist ein ca. 25 cm

langer und 1 cm weiter, von innen mit Schleimhaut überzogener Muskelschlauch (innere Ring-

und äußere Längsmuskelschicht). Die nachfolgende Abbildung zeigt noch einmal detailliert den

Wandaufbau der Speiseröhre:

Wandaufbau Speiseröhre [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]

Die inneren Wandschichten der Speiseröhre bilden Längsfalten, die eng aneinander liegen.

Wenn Nahrung in die Speiseröhre gelangt, weichen diese auseinander und der Speisebrei wird

durch peristaltische Muskelkontraktionen abwärts in Richtung Magen weitergeleitet. Die

Speiseröhre dient also ausschließlich dem Transport der Nahrung in den Magen. Zwischen

Ösophagus und Magen verhindert ein muskulärer Verschlussmechanismus des Atemmuskels

(Zwerchfell), dass Magensäure oder Nahrung beim Einatmen in die Speiseröhre zurücklaufen

können [Speckmann et al., 2006, S. 251f].

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Magen (Gaster, Ventriculus)

An die Speiseröhre schließt sich der Magen als eine sackartige Erweiterung des

Verdauungsschlauches an. Der Magen befindet sich mit dem Körper (Korpus) unterhalb des

linken und rechten Rippenbogens, zieht aber mit dem unteren Magenabschnitt (Antrum) nach

rechts. Der Umfang und die Form des Magens sind veränderlich und hängen von den

Füllungsverhältnissen ab. Im Stehen liegt sein tiefster Punkt etwas unterhalb des Nabels. Das

Magenvolumen beträgt etwa 1200 – 1600 ml. Der Magenausgang wird als Pförtner bezeichnet.

Er ist ein ringförmiger Schließmuskel. Der Pförtner arbeitet nach dem Prinzip, dass Flüssiges

und kleine Nahrungsbestandteile sofort durchgelassen, größere Partikel – auch manche

Tabletten – zwecks weiterer Verdauung zurückgehalten werden. Im Magen wird der Speisebrei

weiter eingespeichelt, vorverdaut und desinfiziert. Diese Verdauungsfunktionen sind wichtig,

aber nicht zwingend notwendig, da man bekanntlich auch ohne Magen leben kann [Speckmann

et al., 2006, S. 252ff; Faller et al., 2004, S.448f].

Auf den Vorgang der Vorverdauung wird an dieser Stelle nicht genauer eingegangen da die

Verdauungsvorgänge im Einzelnen bereits Thema im ernährungsphysiologischen Seminar

waren und auf Grund dessen als bekannt vorausgesetzt werden.

Die folgenden Abbildungen sollen den Aufbau des Magens mit seinen verschiedenen

Abschnitten noch einmal verdeutlichen:

Wandaufbau Magen [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]

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Der Magen [Quelle: Paracelsus Schulen GmbH]

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Der Dünndarm ist in drei Teile gegliedert:

Zwölffingerdarm (Duodenum)

Leerdarm (Jejunum)

Krummdarm (Ileum)

(inklusive terminales Ileum und Ileozäkalklappe).

Der Zwölffingerdarm, auch Duodenum genannt, beginnt am Pförtner. Er liegt im rechten Oberbauch und hat die Gestalt eines nach links offenen Hufeisens. In seinen absteigenden Teil mündet der Gallengang häufig zusammen mit dem Hauptausführungsgang der Bauchspeicheldrüse. Mit seiner Rückseite ist er an der hinteren Bauchwand befestigt. Die Bezeichnung „Zwölffingerdarm“ rührt daher, dass dieser Abschnitt des Dünndarms rund zwölf Fingerbreiten lang ist. Das entspricht etwa 25 – 30 cm. In Höhe des zweiten Lendenwirbels geht der Zwölffingerdarm mit einer Biegung

Dünndarm (Intestinum tenue)

Der Dünndarm ist der längste Teil des menschlichen Verdauungstraktes. Seine Länge beträgt

etwa 4 bis 5 Meter. Er beginnt jenseits des Pförtners (Pylorus) und liegt somit zwischen Magen

und Dickdarm.

Im Folgenden können Sie sich Details zu den einzelnen Dünndarmabschnitten auf der Abbildung

ansehen und zusätzliche Informationen dem Hörspiel entnehmen.

Lokalisation der Dünndarmabschnitte [Quelle: DCCV, 2006]

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in den Leerdarm über. Der Leerdarm wird auch als Jejunum bezeichnet. Ohne scharfe Abgrenzung geht der Leerdarm in den Krummdarm über. Dieser wird auch als Ileum bezeichnet. Beide sind ebenfalls über ein Aufhängeband an der hinteren Bauchhöhlenwand befestigt. Der Endteil des Dünndarms wird auch als terminales Ileum oder Ileum terminale bezeichnet. Dort mündet der Krummdarm mit der Ileozäkalklappe (auch Bauhinsche Klappe oder Dickdarmklappe genannt) in den Dickdarm. [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 255f; Faller et al., 2004, S.452, Pschyrembel, 2002]

Im Dünndarm wird die Nahrung in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt und in den Blutkreislauf

aufgenommen. Dazu ist seine Länge vorteilhaft. Durch ringförmig angelegte Schleimhautfalten

und Darmzotten (fingerartige Erhebungen der Schleimhaut) wird die innere Oberfläche

zusätzlich vergrößert. Die Gesamtoberfläche des Dünndarms beläuft sich insgesamt auf etwa 10

m2. Die Darmzotten sind für die Absorption der Nährstoffe in das Blut und die Lymphe

zuständig. Die Aufnahme der meisten Nährstoffe erfolgt bereits im Duodenum und Jejunum.

Tiefer gelegene Abschnitte sind aber ebenso zur Absorption fähig. Die Absorption von Vitamin

B12 und die Rückabsorption der Gallensäure allerdings sind an das terminale Ileum gebunden

und finden in höheren Darmabschnitten nicht statt [Speckmann et al., 2006, S. 255f; Kasper,

2004, S. 151f]. Auf der folgenden Abbildung ist der spezielle Wandaufbau des Dünndarms noch

einmal dargestellt:

Wandaufbau Dünndarm [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]

An dieser Stelle wird ebenfalls auf die ausführliche Beschreibung der Verdauungsvorgänge aus

oben genannten Gründen verzichtet.

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Der Dickdarm besteht aus:

Wurmfortsatz (Appendix, umgangssprachlich oft „Blinddarm“ genannt) ist eine

Fortsetzung des Blinddarms

Blinddarm (Caecum)

Enddarm, der wiederum besteht aus:

Grimmdarm (Colon), untergliedert in:

Colon ascendens (aufsteigender Teil)

Colon transversum (querverlaufender Teil)

Colon descendens (absteigender Teil)

Colon sigmoideum (von gr. Sigma) (S-förmig verlaufender Teil)

Mastdarm (Rektum), inklusive Analkanal und Darmausgang (After / Anus)

[Speckmann et al., 2006, S. 260ff].

Dem Dickdarm kommen im Wesentlichen drei Aufgaben zu:

1. Eindickung des verbliebenen Nahrungsbreis, indem Wasser und Mineralstoffe

absorbiert werden.

2. Energiegewinnung aus den im Dünndarm nicht verwertbaren Nahrungsbestandteilen,

wie Ballaststoffe, resistente Stärke, etc. (mit Hilfe der Dickdarmbakterien).

3. Ausscheidung der nicht verwertbaren Reste der Nahrung.

Dickdarm (Intestinum crassum)

Im rechten Unterbauch mündet der Dünndarm in den Dickdarm. Am Übergang vom Dünn- zum

Dickdarm befindet sich die Ileozäkalklappe (auch Bauhinsche Klappe genannt). Die

Ileozäkalklappe besteht aus zwei Schleimhautfalten, die normalerweise nur in Richtung

Dickdarm durchgängig sind. Die Klappe soll das Eindringen von Dickdarmbakterien in den

Dünndarm verhindern.

Aufbau des Dickdarms [Quelle: Abraham, 2003-2006]

Mit einer Länge von 1,5 – 1,8 m ist der Dickdarm wesentlich kürzer als der Dünndarm. Er besitzt

keine Zotten, sondern vergrößert seine Oberfläche durch Krypten (schlauchartige Einsenkungen

der Schleimhaut, in denen sich Bakterien ansiedeln können, siehe Abbildung unten).

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Der Enddarm nimmt also im Wesentlichen eine Reservoir-Funktion ein. Zusammen mit dem

Schließmuskel (Sphinkter) garantiert er eine willentlich steuerbare Stuhlentleerung (Kontinenz).

Wandaufbau Dickdarm [Quelle: Speckmann et al., 2006, S. 261]

Aus oben genannten Gründen wird auch an dieser Stelle auf die detaillierte Beschreibung der

Verdauungsvorgänge verzichtet.

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Das Immunsystem im Verdauungstrakt bei CED-Betroffenen reagiert überaktiv.

Das Immunsystem des Verdauungstraktes befindet sich in einem ständigen Zustand

der Abwehr gegenüber den Mikroorganismen und Antigenen im Darmlumen.

Diese Abwehr richtet sich auch gegen Keime der physiologischen Darmflora.

Die natürliche Barrierefunktion der Darmschleimhaut hingegen ist gestört. Die

intestinale Permeabilität ist erhöht und es kommt zu einer vermehrten Durchlässigkeit

für Flüssigkeiten, Antigene und Mikroorganismen.

Daraus resultieren die für die CED typischen Entzündungsreaktionen [Kasper, 2004, S.

160].

Des Weiteren hat die Überaktivierung des Immunsystems zur Folge, dass IgG-

Antikörper produziert werden die Leukozyten

Leukozyten = weiße Blutkörperchen [Pschyrembel, 2002].

anlocken, welche ihrerseits sekundäre Entzündungsstoffe absondern.

Diese Entzündungsstoffe provozieren eine Entzündung in der Darmschleimhaut und

zerstören in letzter Konsequenz die Schleimhaut [Raedler, A.1, 2008].

Ätiologie und Pathogenese

Ätiologie

Ätiologie: Ätiologie (gr. = Ursache): die einer Krankheit zugrunde liegende Ursache; Theorie über die Faktoren und Ursachenbündel die Krankheiten verursachen [Pschyrembel, 2002].

und Pathogenese

Pathogenese (gr.) = Entstehung und Entwicklung von Krankheiten [Pschyrembel, 2002].

Die Ursache für die Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist nicht

vollständig geklärt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei CED um multifaktoriell

bedingte Erkrankungen handelt. So müssen verschiedene prädisponierende, begünstigende,

auslösende und krankheitsverstärkende, bzw. –aufrechterhaltende Faktoren zusammenwirken,

damit es zur Manifestation

Manifestation (lat. manifestare, offenbaren, sichtbar machen) = Äußerung, Erscheinung; Erkennbarwerden z.B. einerErkrankung oder einer Erbanlage [Pschyrembel, 2002].

einer CED kommen kann [Hoffmann et al., 2004, S. 12].

Fest steht jedoch, dass der Ablauf der Immunreaktion in der Darmschleimhaut bei Patienten mit

CED in charakteristischer Weise verändert ist. Und auch eine genetische Prädisposition

Prädisposition (lat.) = Zustand, der eine Krankheit begünstigt [Pschyrembel, 2002].

als zentraler Faktor in der Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen, wurde

durch den Nachweis einer Genmutation im Jahre 2001 bestätigt [Hoffmann et al., 2004, S. 23].

Immunsystem des Verdauungstraktes bei CED-Patienten:

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In dem folgenden Exkurskapitel sind die ausführlichen Abläufe des Immunsystems und der

Entzündungsreaktionen noch einmal zusammengefasst und können bei Interesse nachgelesen

werden.

Genetische Prädisposition:

Im Jahre 2001 wurde das erste Krankheitsgen für CED identifiziert. Der Nachweis der

Genmutation belegt, dass die Genetik bei der Entstehung von chronisch entzündlichen

Darmerkrankungen eine Rolle spielt. Veränderungen an den Erbanlagen einiger Menschen

erhöhen die Bereitschaft an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung zu erkranken. Dies

erklärt eine familiäre Häufung der Erkrankung (bei ca. 10% der Patienten, 50-60%

Übereinstimmung bei eineiigen Zwillingen). Allerdings liegt hier nicht die einzige Erklärung für

das Auftreten von CED, denn es erkranken auch Menschen die keine Auffälligkeiten an ihren

Erbanlagen haben [Hoffmann et al., 2004, S. 22f].

Auch wenn die Ursachen für die Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

noch nicht vollständig geklärt sind, gibt es gesicherte Erkenntnisse über einige Faktoren die bei

der Entstehung von Bedeutung sein können. Die folgende Animation zeigt die möglichen

Ursachen:

Mögliche Ursachen für die Entstehung von CED

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Bisherige Studien haben ergeben, dass die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen das

Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von genetischen Faktoren, Umweltfaktoren,

Veränderungen der Darmflora und einer fehlerhaften Regulation des gastrointestinalen

Immunsystems sind.

Auch die Lebensgewohnheiten scheinen von Bedeutung zu sein.

So haben Raucher ein um das Zweifache erhöhtes Risiko an Morbus Crohn zu erkranken. Des

Weiteren wirkt sich Rauchen negativ auf den Verlauf von Morbus Crohn aus.

Zudem ist auffällig, dass CED häufiger in industrialisierten Gesellschaften mit einem westlichen

Lebensstil auftritt. In diesem Zusammenhang werden auch ein Rückgang von Infekten und

Parasitenbefall sowie späterer Erstkontakt mit pathogenen Darmkeimen und Verzehr von steriler

Nahrung diskutiert.

Ebenfalls bezeichnend ist der Anstieg der Neuerkrankungen in den Nachkriegsjahren. Jedoch

konnten für die viel diskutierten Faktoren der Ernährung (z.B. hoher Zuckerverzehr, geringe

Ballaststoffaufnahme, gehärtete Speisefette, Lebensmittelzusatzstoffe) und auch für den Einfluss von

psychischen Faktoren bis heute keine eindeutigen Hinweise geliefert werden.

[Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 14ff; Kasper, 2004, S. 160]

Erkrankungshäufigkeit Häufigkeit des Morbus Crohn

Die Häufigkeit des Morbus Crohn, spricht die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen und die Zahl

der Erkrankten insgesamt, kann aufgrund verschiedener Studien nur geschätzt werden. Dies

liegt zum einen daran, dass es zu einer Untererfassung bei wenig symptomatischen Fällen und

bei nicht richtig diagnostizierten Fällen kommen kann. Zum anderen kann die Aufdeckung von

bisher nicht diagnostizierten Fällen zu einer Erhöhung der Neuerkrankungen führen, obwohl

diese Patienten schon länger an Morbus Crohn erkrankt sind. Auch gibt es Defizite in der

statistischen Erfassung und Aufbereitung. Ein wesentliches Problem ist der Unterschied in den

Möglichkeiten für Studien zwischen den verschiedenen Ländern (z.B. zuverlässige Angaben zur

Bevölkerungszahl).

Jährlich erkranken in Deutschland etwa fünf von 100.000 Menschen neu an Morbus Crohn.

Meistens manifestiert sich die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter. Grundsätzlich ist aber

die Erstdiagnose in jedem Alter möglich. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40.

Lebensjahr. Insgesamt schätzt man die Zahl der Erkrankten in Deutschland auf 150.000 Crohn-

Patienten, wobei eine geringfügige Häufung von MC bei Frauen vorhanden ist. Wie bereits

erwähnt, tritt Morbus Crohn in westlichen Industrieländern signifikant häufiger auf. In Japan z.B.

erkranken jährlich nur 0,8 von 100.000 Menschen neu an MC, wobei dieser Wert der höchste

der südostasiatischen Länder ist [Hoffmann et al., 2004, S. 8ff].

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Diese Abwehrzellen sind:

die Leukozyten (weiße Blutkörperchen), bestehend aus:

Makrophagen (Fresszellen)

und Lymphozyten, die wiederum untergliedert sind in:

T-Zellen (organisieren die Abwehr)

und B-Zellen (produzieren die Antikörper) [Schmidt et al., 2007, S.536f].

Zytokine aktivieren:

weitere T-Zellen,

Fresszellen,

B-Zellen (produzieren die IgG- und IgA-Antikörper, das Immunsystem sorgt für

Zellteilung und damit für Vermehrung).

Entzündungsreaktionen und intestinales Immunsystem

Der folgende Exkurs soll helfen besser zu verstehen, was bei Morbus Crohn mit dem Körper

passiert. Warum kommt es zu einer Entzündungsreaktion, was ist der Auslöser und welche

Folgen hat diese Entzündung für den Organismus? Dafür wird ein grober Überblick über die

Abläufe des Immunsystems im Verdauungstrakt und der Entzündungsreaktionen gegeben. Dies

ist jedoch keine ausführliche Beschreibung der physiologischen Abläufe im menschlichen

Körper, sondern eine vereinfachte Darstellung zur Veranschaulichung der für Morbus Crohn

relevanten Sachverhalte.

Immunsystem des Gastrointestinaltraktes beim gesunden Menschen

Der Magen-Darm-Trakt ist der wichtigste Grenzbereich zwischen dem Organismus und der

Umwelt. Obwohl hier alle lebenswichtigen Stoffe in den Körper gelangen, muss gleichzeitig

verhindert werden, dass Bakterien, Pilze, Einzeller und Gifte in den Organismus gelangen. Dazu

wird von den Darmzellen eine feine Schleimschicht gebildet. Der eigentliche Schutz wird

allerdings durch Abwehrzellen vollzogen, die sich unterhalb der Magen-Darm-Zellen befinden.

Antikörper sind Eiweißmoleküle, die Fremdstoffe erkennen und binden können und

deshalb eine Schlüsselrolle in der Immunabwehr spielen.

Makrophagen sind kleine Einzeller, die Fremdstoffe in sich aufnehmen und binden.

Die Fremdstoffe liegen dann an ihrer Oberfläche.

Befinden sich nun Fremdstoffe an der Zelloberfläche der Makrophagen, so werden diese von T-

Zellen als fremd erkannt. Die T-Zellen beginnen eine Immunreaktion (Entzündungsreaktion) in

Gang zu setzen. Dazu produzieren sie Entzündungsstoffe (Zytokine = Botenstoffe).

Nach erfolgreicher Abwehr werden einige der sehr effektiven Antikörper produzierenden B-

Zellen ins Archiv gelegt und bei erneutem Kontakt mit dem Erreger wieder hervorgeholt. Das

Immunsystem verfügt also über ein immunologisches Gedächtnis.

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Beispiele:

Colitis (Entzündung im Colon = Teil des Dickdarms)

Gastritis (Entzündung im Gaster = Magen)

Ösophagitis (Entzündung des Ösophagus = Speiseröhre)

Dermatitis (Entzündung der Derma = Haut)

Zusätzlich besitzt das Immunsystem des Darms noch einen weiteren, verfeinerten

Abwehrmechanismus, der durch Immunglobulin A (=IgA)-Antikörper erfolgt. IgA wird als Antwort

auf Fremdstoffe im Darm gebildet und von den Darmzellen auf ihre Oberfläche transportiert. Hier

verhindern die IgA-Antikörper das Eindringen von Bakterien, Einzellern, Pilzen und Giftstoffen,

ohne das eine Entzündungsreaktion hervorgerufen wird. Die Schleimhaut wird geschützt. Den

IgA-Antikörpern ist es zu verdanken, dass zahlreiche Darmbakterien auf den Schleimhäuten

leben können, ohne dass es zu einer Entzündungsreaktion kommt [Raedler, A.2, 2008].

Immunsystem des Gastrointestinaltraktes bei Morbus Crohn

Der Ablauf der Immunreaktion in der Darmschleimhaut ist bei chronisch entzündlichen

Darmerkrankungen wie Morbus Crohn in charakteristischer Weise verändert. Insgesamt läuft die

Immunreaktion auf einem zu hohen Niveau ab, d.h. das Immunsystem ist überaktiv. Aus noch

unbekannter Ursache werden bei Morbus Crohn körpereigene Abwehrzellen wie Makrophagen

und Lymphozyten aktiviert. Sie produzieren dann Zytokine die wiederum dafür sorgen, dass eine

Entzündung entsteht und aufrechterhalten wird. Insbesondere die Zytokine Tumornekrosefaktor

alpha (TNFα), Interleukin 1 und Interleukin 6 intensivieren die Entzündungsreaktion [Raedler,

A.1, 2008].

Abwehr des Immunsystems [Quelle: Becker et al., 2002-2007]

Entzündungsreaktion bei Morbus Crohn

Eine Entzündung wird medizinisch immer durch die aus dem griechischen übernommene

Wortendung -itis kenntlich gemacht. Der Wortanfang beschreibt wo die Entzündung auftritt.

__________________________________________________________________________ 21

[Pschyrembel, 2002].

Bereits in der Antike hat die Medizin eine Entzündung als Antwort des Gewebes auf einen

schädlichen Reiz mit folgenden Symptomen gekennzeichnet:

Rubor (Rötung)

Calor (erhöhte Temperatur)

Tumor (Schwellung)

Dolor (Schmerz)

Functio laesa (gestörte Funktionsfähigkeit)

Symptome:

Ablauf:

Bei einer chronischen Entzündung im Magen-Darm-Trakt kann das IgA die Erreger nicht

abwehren. Dies hat zur Folge, dass die B-Zellen anfangen zusätzlich entzündungsprovozierende

IgG-Antikörper zu produzieren. Jedoch lockt das IgG noch andere Leukozyten an die ihrerseits

Zerstörungsstoffe freisetzen, so dass nicht nur die eindringenden Erreger, sondern auch die

Schleimhaut zerstört werden können. Ist die Darmoberfläche erst einmal angegriffen, können

Bakterien, Viren und andere Schadstoffe in die Darmwand oder in den gesamten Körper

eindringen. Bei einem intakten Immunsystem wird die Entzündung eingedämmt und der Darm

kann wieder heilen. Ein „gestörtes“ Immunsystem hingegen kann diese Aufgabe nicht mehr

erfüllen. Es beginnt ein Teufelskreis. Die Botenstoffe regen ihre eigene Nachproduktion an,

womit die Entzündung aufrechterhalten und intensiviert wird – die Entzündung wird chronisch

[Raedler, A.1, 2008].

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Pathophysiologie und Klinisches Bild

__________________________________________________________________________ 23

Einführung

Für eine gute Ernährungsberatung sind einige Grundkenntnisse über die krankheitsbedingten

Lebensvorgänge und das Klinische Bild des Morbus Crohn notwendig. Zum einen erleichtern sie

das Gespräch mit dem Patienten und den Informationsaustausch mit den Ärzten. Zum anderen

lassen sich viele Symptome und Komplikationen der Erkrankung durch

ernährungstherapeutische Maßnahmen positiv beeinflussen. Auch für das Verständnis der

Krankheit im Gesamtbild ist dieses Wissen unentbehrlich.

Pathophysiologie und Klinisches Bild des Morbus Crohn

__________________________________________________________________________ 24

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Am Ende dieses Materials sollen Sie:

Grundkenntnisse über die verschiedenen Befallsmuster erworben haben.

die typischen Symptome des Morbus Crohn aufzählen können.

die möglichen Komplikationen bei Morbus Crohn beschreiben können.

einen Überblick über die Diagnose-Methoden erhalten haben.

Lernziele

__________________________________________________________________________ 25

Symptomatik und Befallsmuster

Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung die schubweise verläuft. Das

bedeutet, bei vielen Patienten gibt es neben Phasen mit hoher Krankheitsaktivität

(Entzündungsphase, Schub) Abschnitte relativer Gesundheit ( Remission

Remission (lat.) = (vorübergehendes) Nachlassen, Zurückgehen von Krankheitserscheinungen, bei Morbus Crohn z.B. Nachlassen der Entzündung. Bei Morbus Crohn kann eine deutliche Besserung der klinischen Befunde und des Allgemeinzustandes erzielt werden, eine Heilung der Krankheit ist nach heutigem Erkenntnisstand jedoch nicht möglich [Pschyrembel, 2002].

). Allerdings gibt es auch Patienten mit ständiger Aktivität der Entzündung, man spricht dann von

einem chronisch-aktiven Morbus Crohn

Von einem chronisch-aktiven Morbus Crohn wird gesprochen, wenn eine anhaltende bzw. andauernde oder wiederkehrende Symptomatik über sechs Monate vorliegt. Eine vorhergehende adäquate Therapie wird dabei vorausgesetzt [Hoffmann et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 31].

. Insgesamt können der Krankheitsverlauf und die Schwere der Erkrankung von Patient zu

Patient sehr unterschiedlich sein.

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Befallsmuster

Bei Morbus Crohn kann der gesamte Gastrointestinaltrakt vom Mund bis zum After befallen sein.

Am häufigsten sind jedoch das terminale Ileum

terminales Ileum = Endteil des Dünndarms, genauer: Endteil des Krummdarms (Ileum) [Pschyrembel, 2002].

und/oder das Colon

Colon = Grimmdarm; Hauptteil des Dickdarms [Pschyrembel, 2002].

betroffen. Die Entzündungen weisen meist einen diskontinuierlichen Befall auf, d.h. der

entzündliche Befall ist meist abschnittsweise (segmental). Die nachfolgende Tabelle zeigt wie

häufig welcher Abschnitt des Magen-Darm-Traktes bei Morbus Crohn-Patienten befallen ist.

Lokalisation des Morbus Crohn Häufigkeit

Ösophagus 0 – 1%

Magen 2 – 3%

Duodenum 2 – 3%

Proximaler Dünndarm 5 – 10%

Terminales Ileum 25 – 40%

Ileum und Colon 40 – 55%

Colon 15 – 35%

Nur Rektum 15 – 25%

Diskontinuierlicher Befall ca. 85%

Häufigkeit der Lokalisation des Morbus Crohn [Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 59]

Das Befallsmuster kann sich im Verlauf der Erkrankung deutlich verändern. Der entzündliche

Befall kann sich ausdehnen oder auch zurückziehen, so dass es zu einer Abnahme der

befallenen Abschnitte kommt. Bei den meisten Patienten bleibt das Befallsmuster jedoch

verhältnismäßig konstant (80% der Fälle über 10 Jahre). Wie in der Tabelle oben dargestellt, ist

der obere Verdauungstrakt deutlich seltener (5 – 8%) betroffen, weshalb meistens die

Entzündung im Darm im Fokus steht. Jedoch ist zu beachten, dass gerade der Befall des

Jejunums und des proximalen

Proximal (lat. proximus = sehr nahe) = in der Nähe; zum Körperzentrum hin gelegen oder verlaufend [Pschyrembel, 2002].

Ileums problematisch sein kann, da er über die meisten diagnostischen Verfahren nur schwer

festzustellen ist [Hoffmann et al., 2004, S. 59].

Die folgende Abbildung zeigt einen gesunden Darmabschnitt im Vergleich zu einer entzündeten

Darmstrecke:

__________________________________________________________________________ 27

Links: gesunder Darmabschnitt, Rechts: entzündeter Darmabschnitt [Quelle: Nationales Genomforschungsnetz, 2007]

Die nachstehenden Abbildungen sollen noch einmal die möglichen Unterschiede im

Erscheinungsbild befallener Darmabschnitte verdeutlichen:

Darm mit Morbus Crohn [Quelle: Universitätsklinikum Ulm, 2007]

Dickdarmbefall: Morbus Crohn [Quelle: Albertinen-Diakoniewerk, 2003] / Aphthe [Quelle: Stephanus-Apotheke]

Eine entzündliche Veränderung der Schleimhaut tritt z.B. im Mund in Form einer Aphthe in

Erscheinung. Es handelt sich hierbei um schmerzhafte, rundliche bis linsengroße gerötete Herde

(siehe Abbildung Aphthe ).

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Symptome

Gerade am Anfang der Manifestation eines Morbus Crohn kommt es häufig zu untypischen

Beschwerden mit unspezifischer Symptomatik, welche die Diagnose erschweren. Jedoch ist die

Aufklärung und Fortbildung im Bereich der CED in den letzten Jahren so weit vorangeschritten,

dass viele Ärzte für dieses Krankheitsbild sensibilisiert sind und mit Hilfe der entsprechenden

diagnostischen Mittel die Erkrankung relativ schnell festgestellt werden kann.

Häufige Symptome des Morbus Crohn sind Durchfall, Bauchschmerzen, Fieber und

Gewichtsverlust. Auch extraintestinale Manifestationen

Extraintestinale Manifestationen = Beschwerden und Symptome die durch Morbus Crohn ausgelöst werden, aber nicht den Verdauungstrakt betreffen. Extra- = Wortteil mit der Bedeutung außerhalb, außen Intestinal = zum Darmkanal gehörend Manifestation = Äußerung; Erkennbarwerden z.B. einer Erkrankung [Pschyrembel, 2002].

sind nicht selten. Allgemeine Krankheitssymptome wie Müdigkeit, Schwäche und Leistungs-

einschränkungen gehen häufig mit der Entzündung im Körper einher. Das Ausmaß der

Beschwerden ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Es hängt stark von der Schwere

der Darmentzündung, dem Befallsmuster und intestinalen Komplikationen ab [Hoffmann et al.,

2004, S.58].

Die nachstehende Tabelle zeigt verschiedene klinische Symptome bei unterschiedlichen

Befallsmustern:

Befall Häufigkeit in %

IleumIleum und

ColonColon

Diarrhö 75 81 80

Bauchschmerzen 72 68 72

Perianale Blutungen 8 15 18

Gewichtsverlust 26 35 35

Perianale Läsionen 9 28 28

Fisteln 7 9 4

Fieber 10 18 20

Extraintestinale Manifestationen 16 18 24

Klinische Symptome des MC bei unterschiedlichen Befallsmustern [Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 59]

Im Folgenden wird näher auf die einzelnen Symptome des Morbus Crohn eingegangen:

__________________________________________________________________________ 29

Ursachen für diese Dehnung können sein:

Nahrungsaufnahme

Luft im Bauch ( Meteorismus

Meteorismus = sog. Blähsucht; Luft- bzw. Gasansammlungen im Darm oder in der freien Bauchhöhle; geht mit einer gestörten bzw. verminderten motorischen Aktivität einheSr [Pschyrembel, 2002].

, Flatulenz

Flatulenz = (lat. flatus Wind, Blähung) Aufblähung des Magens, bzw. des Darms mit reichlich Abgang von Darmgasen, z.B. bei Malabsorption (z.B. Lactoseintoleranz) [Pschyrembel, 2002].

)

Flüssiger Stuhl

mögliche Komplikationen (z.B. eine V-erengung des Darms)

[Hoffmann et al., 2004, S.58].

Bauchschmerzen

Bauchschmerzen [Quelle: Grabow, 2004]

Drei Viertel der Patienten klagen im akuten Schub über Krämpfe und abdominelle Schmerzen

Abdominelle Schmerzen = Schmerzen im Bauchbereich (von abdominal = zum Bauch, Unterleib gehörig) [Pschyrembel, 2002].

. Die Bauchschmerzen treten bei Morbus Crohn typischerweise an der Stelle des entzündeten

Darmabschnitts auf. Ist z.B. das terminale Ileum befallen, so befinden sich die Schmerzen im

rechten Unterbauch. Die meist krampfartigen Schmerzen entstehen durch die Dehnung des

entzündeten Darmabschnitts.

Gerade die vermehrte Luftansammlung im Bauchraum, welche meist mit einem deutlich sichtbar

aufgeblähten Bauch einhergeht, wird von vielen Patienten als äußerst unangenehm und störend

beschrieben.

__________________________________________________________________________ 30

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Atmosphärische Luft kann durch folgende Umstände in den Magen gelangen:

Luftschlucken beim Essen und Trinken

Kauen von Kaugummi

Lutschen von Bonbons

Trinken mit dem Strohhalm

Pfeiferauchen.

„Ein Meteorismus liegt bei einem vermehrten Gasgehalt des Gastrointestinaltraktes

vor.

Als Flatulenz werden zu häufige und großvolumige Windabgänge

bezeichnet.“ [Siegenthaler, 2001, S. 836]

Abgesehen von der Ernährung, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll,

spielen bei der vermehrten Luft- bzw. Gasbildung im Verdauungstrakt noch weitere Faktoren

eine Rolle.

Wird die Luft anschließend nicht durch Aufstoßen oder Diffusion über die Schleimhäute

abgesondert, so wandert sie weiter durch den restlichen Magen-Darm-Trakt. Ungefähr 30 – 45

Minuten später wird sie dann auf bekannte Weise (als Flatus) vom Körper ausgestoßen

[Siegenthaler, 2001, S. 836].

Chronische Durchfälle

Durchfall [Quelle: Kornberger, 2004]

Mehr als 80% der Patienten leiden im akuten Entzündungsschub unter Durchfällen. Häufig sind

diese breiig, teils auch wässrig mit Schleimbeimengungen. Die vermehrten Stühle werden

besonders nach den Mahlzeiten, insgesamt aber über den ganzen Tag verteilt und sogar auch

nachts abgesetzt. Ist das Colon befallen kommt es nicht selten sogar zu blutigen Diarrhöen

__________________________________________________________________________ 31

Weitere Ursachen können sein:

die Gallensäure wird im terminalen Ileum nicht vollständig rückabsorbiert und gelangt

in den Dickdarm (Gallensäure-Verlust-Syndrom / chologene Diarrhö), wo sie dann

von Bakterien verstoffwechselt wird; die dadurch entstehenden Stoffwechselprodukte

wirken abführend (zusätzlich kann es auf Grund der vorzeitigen

Gallensäureausscheidung zu Steatorrhö

Steatorrhö = (auch Stearrhö) Fettstuhl; Erhöhung des Fettgehalts im Stuhl (auf Grund gestörter Verdauung bzw. Absorption von langkettigen Fettsäuren); Stuhlfettausscheidung über 7 g/d, meist gelblich-lehmartig gefärbter Stuhl [Pschyrembel, 2002].

kommen),

die unzureichende Verdauung von Kohlenhydraten (Malabsorption z.B. Lactose,

Fructose),

die eigentlich im Dickdarm angesiedelten Bakterien sind in den Dünndarm gewandert,

z.B. weil die Ileozäkalklappe entzündet ist, und verursachen auf Grund dessen

Diarrhöen (bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms) [Siegenthaler, 2001, S. 817f].

Diarrhö = Durchfall, mehr als 3 dünnflüssige Stühle pro Tag mit mehr als 200 g Gewicht pro Tag [Pschyrembel, 2002].

[Hoffmann et al., 2004, S.58].

Die Ursachen für die Durchfälle sind vielfältig. Grundsätzlich entstehen Durchfälle, wenn zu

wenig Flüssigkeit aus dem Darm in den Körper aufgenommen wird (weil die entzündete

Schleimhaut dazu nicht in der Lage ist oder die Transportgeschwindigkeit zu hoch ist). Auch der

Verlust von Wasser und Mineralstoffen durch die Entzündung kann zu Durchfällen führen.

Anhand der Stuhlfrequenz lassen sich Rückschlüsse über die Krankheitsaktivität des Morbus

Crohn ziehen:

Frequenz / Tag

1 – 4 geringe Krankheitsaktivität oder Remission

5 – 10 mittlere Krankheitsaktivität

11 – 80 schwere Krankheitsaktivität

[Raedler, A.3, 2008]

Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen

__________________________________________________________________________ 32

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Gewichtsverlust [Quelle: American Lifestyle, 2008]

Bei Patienten mit Morbus Crohn kann ein Gewichtsverlust von 10 – 20% erfolgen. Meist ist die

Abnahme des Körpergewichtes eine Folge der Entzündung (Durchfälle, aufgenommene Energie

wird für die Entzündungsaktivität verbraucht = erhöhter Bedarf, vermehrter intestinaler

Eiweißverlust) und des allgemeinen Unwohlseins. Das Krankheitsgefühl und der Appetitmangel

in der Entzündungsphase können dafür ausschlaggebend sein. Auch kann die

Nahrungsaufnahme durch Angst vor erneuten Durchfällen und Bauchschmerzen sehr gering

ausfallen. Bei einem ausgedehnten Dünndarmbefall kommt es zusätzlich zu einer

Malabsorption

Malabsorption = (lat. schlechte Aufnahme) die Aufnahme der Nahrungsbestandteile durch die Darmwand in die Blut- und Lymphbahn ist vermindert.

Es gehen folgende Leitsymptome mit einer Malabsorption einher:

Gewichtsabnahme

Massenstühle

Muskelschwäche

Haut- und Schleimhautveränderungen

Anämie [Pschyrembel, 2002].

. Diese ist jedoch stets nur zu einem geringen Anteil für die Gewichtsverluste verantwortlich und

kommt nur in seltenen Fällen vor. Bei Kindern kann diese Mangelversorgung jedoch zu

erheblichen Verzögerungen der körperlichen Entwicklung (Wachstum, Gewicht) führen und ist

stets zu überwachen [Hoffmann et al., 2004, S.58; Kasper, 2004, S. 161].

Die nachstehende Tabelle zeigt die Häufigkeit von verschiedenen Mangelerscheinungen bei

Morbus Crohn:

Mangelversorgung Häufigkeit [%]

Gewichtsverlust 60 – 75

Hypalbuminämie 25 – 80

Negative N-Bilanz 65 – 70

Anämie 60 – 80

__________________________________________________________________________ 33

Eisen 40

Vitamin B12 50

Folsäure 40 – 50

Vitamin D 25 – 75

Zink 20 – 40

Kalzium 13

Magnesium 15 – 30

Kalium 5 – 20

Häufigkeit von Mangelernährungen bei Morbus Crohn [Quelle: Kasper, 2004, S. 161]

Fieber

Fieber [Quelle: Werra Apotheke]

Im Schub, d.h. in der Entzündungsphase der Erkrankung treten häufig leicht fieberhafte

Erhöhungen der Körpertemperatur auf (subfebrile Temperaturen). Die Körpertemperatur ist dann

auf 37,1 – 38,0 °C erhöht. Hohes Fieber (sprich über 39 °C) ist eher ungewöhnlich und weist

häufig auf Komplikationen des Morbus Crohn hin. Das Fieber ist eine Folge des entzündlichen

Geschehens im Körper der Betroffenen [Hoffmann et al., 2004, S.58; Pschyrembel, 2002].

Extraintestinale Manifestationen

Im Verlauf der Erkrankung kann es bei Morbus Crohn zu zusätzlichen Beschwerden außerhalb

des Gastrointestinaltraktes kommen. Es handelt sich hierbei um entzündliche Veränderungen

außerhalb des Verdauungstraktes, bei denen ein Zusammenhang mit der chronisch

entzündlichen Darmerkrankung besteht oder vermutet werden muss. Davon abzugrenzen sind

extraintestinale KomplikationeSn (wie z.B. Gallensteine, Nierensteine) und nicht

krankheitsspezifische Komplikationen ( wie z.B. Osteoporose, Amyloidose

Amyloidose = Anreicherung und Ablagerung von abnorm veränderten Proteinen (Amyloid); infolge dessen ist der Stoffaustausch an einer oder mehreren Körperstellen gestört, die betroffenen Organe sind vergrößert, konsistenzvermehrt und hart; bei Befall von Organen kann es zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit und ggf. zum Funktionsverlust kommen, am peripheren Nervensystem kommt es zu Ausfällen

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[Pschyrembel, 2002].

) auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird [Hoffmann et al., 2004, S.82].

Die folgende Animation mit dem dazugehörigen Audio-Text beschreibt die extraintestinalen

Manifestationen des Morbus Crohn:

__________________________________________________________________________ 35

Gelenkbeschwerden:

Insgesamt kommt es bei ca. 30% der Patienten zu einer entzündlichen Beteiligung des Skeletts, der

Gelenke und der Sehnen. Die Gelenkbeteiligung stellt somit die häufigste extraintestinale

Manifestation dar. Häufig kommt es infolge dessen zu Gelenkschmerzen, Gelenkentzündungen und

einer rheumatischen Entzündung der Wirbelsäule. Die Gelenkbeschwerden können vor, mit oder

nach der Diagnose auftreten. Auch können die Beschwerden an die Aktivität des Morbus Crohn

gekoppelt und von kürzerer Dauer sein oder aber lang anhaltend und unabhängig von der

Entzündungsaktivität auftreten. Am häufigsten ist eine Entzündung der Gelenke zwischen Kreuz und

Darmbein.

Veränderungen der Haut:

Typische Hautveränderungen bei Morbus Crohn sind das Erythema nodosum und das Pyoderma

gangraenosum.

Das Erythema nodosum tritt meist im Bereich des Unterschenkels auf und hat das Erscheinungsbild

schmerzhafter, roter, bis 5 cm großer, unscharf begrenzter Knoten.

Das Pyoderma gangraenosum ist eine entzündliche Reaktion von Hautgefäßen vorzugsweise der

unteren Extremitäten. Das Erscheinungsbild sind geschwürig zerfallende, schmerzhafte rote Flecken,

die sich im Verlauf von einer eitrigen Pustel zum sterilen Abszess bis hin zu flächigen tiefen

Geschwüren entwickeln können. Die beiden Hautveränderungen treten überwiegend im akuten

Schub auf. Die Häufigkeit der beiden Manifestationen schwankt in verschiedenen Patientenstudien

stark.

Entzündung der Augen:

Bei Patienten mit Morbus Crohn können entzündliche Veränderungen in allen Abschnitten des Auges

auftreten. 6 Häufige damit verbundene Symptome sind ein Druck- und Berührungsschmerz,

Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit, Rötung und eine Verringerung der Sehkraft. Im

Zusammenhang mit starken Augenschmerzen kann es oft zu Kopfschmerzen kommen. 7

Entzündung der Leber und Gallenwege:

Die klinisch bedeutungsvollste Erkrankung im Bereich der Leber und Gallenwege ist die primär

sklerosierende Cholangitis (kurz PSC). Hierbei handelt es sich um eine Entzündung der Gallengänge

mit Verschluss auf Grund krankhafter Bindegewebsvermehrung. Es besteht ein enger

Zusammenhang zwischen dem Auftreten von PSC und CED (50 – 75% der Patienten mit PSC sind

an CED erkrankt). Die PSC verläuft unabhängig von der Entzündungsaktivität des Morbus Crohn.

Entzündung der Bauchspeicheldrüse:

Eine Pankreatitis tritt bei Patienten mit Morbus Crohn gehäuft auf. Für die Entzündung der

Bauchspeicheldrüse kommen mehrere mit der Krankheit im Zusammenhang stehende Ursachen in

Frage. So kann z.B. ein Gallensteinleiden für die Pankreatitis verantwortlich sein. Eine

Bauchspeicheldrüsenentzündung tritt aber auch häufig als Nebenwirkung einiger Medikamente auf

die zur Therapie eingesetzt werden. [Quelle: Hoffmann et al., 2004, S. 82ff; Pschyrembel, 2002]

__________________________________________________________________________ 36

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Komplikationen

Die chronische Entzündung der Darmschleimhaut kann zu einer Reihe – teilweise gefährlicher –

Komplikationen führen. Sobald es zu einer dramatischen Verschlechterung des Krankheitsbildes

kommt, ist an eine solche Komplikation zu denken. Ihr rechtzeitiges Erkennen kann zum Teil

lebenswichtig sein. In einigen Fällen sind ernährungstherapeutische Maßnahmen zu ergreifen.

Diese werden an der entsprechenden Stelle erwähnt.

Mögliche Komplikationen bei Morbus Crohn (im Bereich des Darms) sind:

Fisteln und Abszesse

Stenosen und Strikturen

Fissuren

Toxisches Megakolon

Perforationen

Colorektales Karzinom

[Hoffmann et al., 2004, S.63].

Zusätzlich zu den Komplikationen im Darm kann es zu extraintestinalen und nicht

krankheitsspezifischen Komplikationen kommen.

Zu den extraintestinalen Komplikationen zählen:

Gallensteine

Nierensteine.

Nicht krankheitsspezifische Komplikationen sind:

Osteoporose

Amyloidose

[Hoffmann et al., 2004, S.82].

Im Folgenden wird auf die verschiedenen Komplikationen genauer eingegangen.

Fisteln und Abszesse

Eine Fistel (lat. fistula = Röhre) ist ein unnatürlicher Verbindungsgang der von einem Hohlorgan

oder einem Hohlraum ausgeht. Dieser Verbindungsgang kann an der Körperoberfläche münden

oder im Körperinneren verlaufen und evtl. mehrere innere Organe verbinden.

Bei Morbus Crohn kann es zur Entstehung von Fisteln kommen, weil die Entzündung nicht nur

oberflächlich ist, sondern auch in tiefere Gewebeschichten vordringen kann. Die Entzündung

geht dann durch die Darmwand hindurch.

Fisteln treten häufig in der Umgebung des Analbereiches auf, aber auch entero-enteral

__________________________________________________________________________ 37

(zwischen Darm und Darm) d.h. als Verbindung zwischen entzündeten Darmschlingen.

Auch die Verbindung zwischen dem entzündeten Darm und anderen Organen ist nicht

selten, z.B.:

entero- kutane

Kutan- = Wortteil mit der Bedeutung Haut [Pschyrembel, 2002].

Fisteln (zwischen Darm und Bauchwand)

entero-vesikale Fisteln (zwischen Darm und Harnblase)

entero-vaginale Fisteln (zwischen Darm und Vagina).

Fisteln können Ausgangspunkte für Abszesse (Eitergeschwüre) werden. In Folge dessen

sammelt sich Eiter in dem Fistelgang an.

Die nachstehenden Abbildungen zeigen Fisteln im Analbereich und deren Verlauf durch den

Körper, bzw. Mündung an der Körperoberfläche:

Verlauf einer Fistel im Analbereich [Quelle: Held-Sporleder]

Mündung einer Fistel im Analbereich

Fisteln in der Umgebung des Analbereichs und Abszesse treten im Verlauf der Erkrankung bei

etwa 30 – 40% der Morbus Crohn Patienten auf. Fisteln werden meistens chirurgisch behandelt

[Hoffmann et al., 2004, S.63; Pschyrembel, 2002]. Trotzdem ist eine ernährungstherapeutische

Behandlung besonders wichtig. Fisteln können für hohe Verluste an Energie, Eiweiß, Flüssigkeit

und Elektrolyten verantwortlich sein. Die Mangelernährung ist meist durch Fistelausfluss und

Malabsorption bedingt. So sind Ernährungszustand und Allgemeinbefinden stark von der

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Ausprägung der Fisteln abhängig [Heepe et al., 2002, S. 257]. Eine gute Ernährungstherapie vor

der Operation einer Fistel verbessert aber nicht nur den Allgemeinzustand der Patienten,

sondern verringert auch die Anzahl der Komplikationen nach einer solchen Operation [Biesalski

et al., 2004, S. 356].

Stenosen und Strikturen

Stenosen und Strikturen sind hochgradige Verengungen von Hohlorganen oder Gefäßen. Die

entzündlichen Verschwellungen der Schleimhaut bei Morbus Crohn zeigen eine Tendenz zu

einer narbigen Abheilung. Diese Narben führen zur Verengung. Auch die entzündlich verdickten

Darmwände selbst können für die Verengung verantwortlich sein. Stenosen treten häufig im

Bereich des terminalen Ileums auf. Sie können prinzipiell aber im gesamten Verdauungstrakt

vorkommen.

Beispiel Stenose [Quelle: Delis, 2005]

Oft müssen die Stenosen durch einen operativen Eingriff geweitet werden. Die richtige

Ernährung ist bei Stenosen besonders wichtig, da falsch ausgewählte Lebensmittel zu einem

Darmverschluss führen können [Hoffmann et al., 2004, S. 63f; Pschyrembel, 2002].

Fissuren

Als Fissuren (lat. fissum = Einschnitt, Spalt) werden Einrisse in der Haut oder Schleimhaut

bezeichnet. Bei Morbus Crohn besonders verbreitet sind die Analfissuren. Durch den

Entzündungszustand geht meist die Elastizität der Haut verloren, was zu den Fissuren führen

kann [Pschyrembel, 2002].

Toxisches Megakolon

Als toxisches Megakolon wird eine akute massive Erweiterung des Colons bezeichnet die mit

einer plötzlich beginnenden, schnell und heftig verlaufenden Colitis einhergeht. Das toxische

Megakolon ist eine lebensbedrohliche Komplikation.

__________________________________________________________________________ 39

Leitsymptome sind u.a.:

akut auftretende heftige Schmerzen mit einem aufgetriebenen Abdomen

Abdomen (lat.) = Bauch, Unterleib [Pschyrembel, 2002].

BauchfellentzündungS

Veränderung der Darmperistaltik

Herzrhythmusstörungen

Schock

Verschlechterung des Allgemeinzustandes

und hohes Fieber [Pschyrembel, 2002].

Das toxische Megakolon ist eine dringliche (< 72h) Indikation zur Operation [Hoffmann et al.,

2004, S. 74]. Auch hier sind diätetische Indikationen erforderlich. Es gilt: absolute orale

Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz. Begleitende Flüssigkeits- und Elektrolytdefizite müssen

durch parenterale

Parenterale Ernährung = Ernährung unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes z.B. über einen Venenkatheter [Kasper, 2004, S. 479; Pschyrembel, 2002].

Ernährung ausgeglichen werden [Heepe et al., 2002, S. 374].

Toxisches Megakolon [Quelle: Universitätsklinikum Aachen]

Perforationen

Eine Perforation (Durchbruch) der Wände der Verdauungsorgane ist bei Morbus Crohn selten.

Meist kommt es in schweren, akuten Schüben und in Kombination mit einem toxischen

Megakolon zu Durchbrüchen. Sie sind dann eine Folge der entzündlichen Gewebeschädigung.

Die Perforation stellt eine Indikation zur Notfalloperation dar. Die Mortalität liegt bei eingetretener

Perforation trotz Operation bei bis zu 20% [Hoffmann et al., 2004, S. 64, 74; Pschyrembel,

2002].

Als Beispiel für eine Perforation ist in der nachfolgenden Abbildung ein Magendurchbruch

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dargestellt:

Magenperforation [Quelle: Herrmann, 2008]

Colorektales Karzinom

Das Risiko bei Colitis Crohn (Morbus Crohn mit Colon-Befall) im Krankheitsverlauf ein

colorektales

colo- von Colon (Teil des Dickdarms), rektal von Rektum (Mastdarm) [Pschyrembel, 2002].

Karzinom zu entwickeln liegt zwischen 0,5 und 1%, wobei das absolute statistische Risiko

deutlich erhöht ist. Die Wahrscheinlichkeit ein Karzinom zu entwickeln hängt von der Dauer und

Ausprägung der Colitis Crohn ab. Noch wesentlich seltener treten bei Morbus Crohn

Dünndarmkarzinome auf. Aber auch hier ist trotz des sehr seltenen Auftretens das Risiko

statistisch um den Faktor 200 im Vergleich mit dem Risiko der Allgemeinbevölkerung erhöht

[Hoffmann et al., 2004, S. 64f].

Gallensteine

__________________________________________________________________________ 41

S

Gallensteine [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.2, 2006]

Bei Morbus Crohn ist das Risiko Gallensteine zu entwickeln um das 3,6 fache erhöht. Besonders

häufig kommt es bei Patienten mit einem langstreckigen Befall oder nach einer Resektion

Resektion (lat. resecare: weg-, zurückschneiden) = Entfernung von (kranken) Organteilen [Pschyrembel, 2002].

des terminalen Ileums zu Gallensteinen. Ursache ist der gestörte enterohepatische Kreislauf der

Gallensäure durch z.B. Gallensäureverlustsyndrom oder einer gestörten Gallenblasenmotilität

[Hoffmann et al., 2004, S. 87]. Entsprechende ernährungstherapeutische Maßnahmen sind

empfehlenswert.

Nierensteine

Das Risiko Nierensteine zu entwickeln liegt bei Patienten mit Morbus Crohn bei 8 – 19%. Ein

langstreckiger entzündlicher Befall oder die Resektion eines größeren Teils des Ileums können

zum Gallensäureverlustsyndrom und somit zu Oxalatsteinen

Oxalatsteine = graue bis schwarze Harnsteine aus Calciumoxalat (häufigste Zusammensetzung der Nierensteine, 70%) [Pschyrembel, 2002].

führen. Auch eine Dehydration z.B. bei Kurzdarmsyndrom kann für Nierensteine verantwortlich

sein [Hoffmann et al., 2004, S. 87].

Das Risiko Nierensteine zu entwickeln sollte durch eine Korrektur der Ess- und

Trinkgewohnheiten reduziert werden [Heepe et al., 2002, S. 390].

Osteoporose

Osteoporose tritt bei Morbus Crohn-Patienten häufig auf. Ungefähr 21,8 % der Patienten weisen

verminderte Knochendichte-Frakturen auf, wobei 1/3 der Patienten hierbei jünger als 30 Jahre

sind. S

Risikofaktoren für Osteoporose bei Morbus Crohn sind:

__________________________________________________________________________ 42

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medikamentöse Therapie mit systemischen Steroiden

systemisch = den ganzen Organismus betreffend (Ggs. lokal). Steroide = meist Cortison (Steroidhormon), welches als Medikament zur Behandlung von CED eingesetzt wird [Pschyrembel, 2002].

niedriger BMI

Rauchen

SLactoseintoleranz

Dünndarmresektionen [Hoffmann et al., 2004, S. 87].

Ernährungstherapeutisch sollte hier mit z.B. calciumreicher Kost und Zufuhr von

Vitamin D entgegengewirkt werden [Heepe et al., 2002, S. 411f].

__________________________________________________________________________ 43

Zu diesen Methoden gehören:

Labordiagnostik

Endoskopie (Gastroskopie, Coloskopie)

Bildgebende Verfahren (Sonographie, Computertomographie, Kernspintomographie).

Diagnostik

Wie wird Morbus Crohn diagnostiziert? [Quelle: Medi-Learn.net GbR, 2007]

Das folgende Kapitel soll einen Ein- und Überblick darüber geben, welche diagnostischen

Verfahren bei der Krankheitsbestimmung und Beurteilung des Verlaufes des Morbus Crohn zur

Anwendung kommen. Ein Ernährungsberater muss sich mit den Ärzten verständigen und

austauschen können. Auch muss er sich zum Teil selbst anhand der Krankenakte über den

Zustand des Patienten informieren und sollte sich mit den oft selbst sehr gut informierten

Patienten auseinandersetzen können. Dafür ist es wichtig zumindest einen Überblick über die

verschiedenen Untersuchungsmethoden zu haben und zu wissen, warum diese eingesetzt

werden und was sie über den Zustand des Patienten aussagen können.

Neben dem Arzt-Patienten-Gespräch mit ausführlicher Anamnese und einer gründlichen

Untersuchung des gesamten Körpers gibt es noch einige weitere gängige

Untersuchungsmethoden die bei dem Verdacht auf Morbus Crohn oder auch im weiteren Verlauf

der Erkrankung (Verlaufsdiagnostik) angewendet werden.

Im Folgenden wird genauer auf die einzelnen Diagnosemethoden eingegangen.

__________________________________________________________________________ 44

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Mit Hilfe der Laborparameter kann:

eine Diagnose Morbus Crohn gestellt werdenS

zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa differenziert werden;

die Krankheitsaktivität beurteilt werden;

Komplikationen und extraintestinale Manifestationen erkannt werden;

die medikamentöse Therapie überwacht werden (insbesondere auf Nebenwirkungen).

Die für die klinische Praxis wichtigsten Laborparameter im Blut sind:

Blutsenkung

(kurz BSG: Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit) Die BSG gibt an, mit welcher Geschwindigkeit die roten Blutkörperchen nach Zugabe eines Gerinnungshemmers in einer senkrechten Röhre nach unten sinken. Nach einer bzw. zwei Stunden erfolgt die Messung der Strecke, welche die Blutkörperchen in der Röhre zurückgelegt haben.

Labordiagnostik

Die Labordiagnostik wird sowohl zur Diagnosestellung als auch für die Verlaufsbeurteilung von

Morbus Crohn eingesetzt.

Laborwerte müssen jedoch stets im Gesamtkontext betrachtet werden. Allein auf Grund der

Laborparameter kann keine Entscheidung getroffen werden. Sie müssen immer im

Zusammenhang mit anderen Befunden interpretiert werden [Hoffmann et al., 2004, S. 97].

Laborwerte und ihre Interpretation [Quelle: Mödder, G.]

Blutuntersuchung:

Blutsenkung

__________________________________________________________________________ 45

Eine Beschleunigung der BSG kann ein Hinweis auf eine akute und chronische Entzündung sein [Schaenzler et al., 2004, S. 65].

(BSG)

C-reaktives Protein

(kurz CRP) Das CRP ist ein in der Leber gebildetes Eiweiß, dessen Produktion bei einer akuten Entzündung stark erhöht ist. Grund dafür ist die Funktionen dieses Protein. Es fungiert als lebensnotwendiger Abwehrstoff. Das Protein bindet sich an Krankheitserreger und an verbrauchte oder kranke körpereigenen Zellen und fördert deren Zerstörung bzw. Abbau. Das CRP steigt bei einer Entzündung innerhalb von wenigen Stunden an und fällt nach abklingen schnell wieder ab. Daher ist das CRP ein wesentlich empfindlicherer Parameter als die BSG.

(CRP)

Leukozyten

(weiße Blutkörperchen) Die Leukozyten haben die Aufgabe Krankheitserreger oder andere fremde Stoffe abzuwehren und überalterte oder kranke Körperzellen zu beseitigen. Sie sind Teil des Immunsystems.

Eine Erhöhung der Leukozytenanzahl im Blut kann auf eine entzündliche Erkrankung hinweisen [Schaenzler et al., 2004, S. 60f].

Referenz- / Normalwerte:

Männer: 1. Stunde: 3 – 7 mm

2. Stunde: 5 – 18 mm

Frauen: 1. Stunde: 4 – 11 mm

2. Stunde: 6 – 20 mm

C-reaktives Protein

Referenz- / Normalwerte:

Ältere Kinder und Erwachsene:

bis 8,2 mg/l

[Schaenzler et al., 2004, S. 77].

Leukozyten

Referenz- / Normalwerte:

Vollblut: 4000 – 10 000 / µl

__________________________________________________________________________ 46

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Thrombozyten

(Blutplättchen) Die Thrombozyten sind kleine, scheibenförmige, kernlose Blutbestandteile. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung bzw. bei der Gewebereparatur nach einer Entzündung

Eine Erhöhung der Thrombozytenanzahl kann auf eine entzündliche Erkrankung hinweisen [Schaenzler et al., 2004, S. 63f].

Hämoglobin

(kurz HB) Das Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff und damit Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen. Es handelt sich hierbei um ein eisenhaltiges Protein, welches für den Transport des Sauerstoffs von der Lunge zu den Geweben verantwortlich ist.

Ist das Hämoglobin im Blut erniedrigt, so liegt eine Anämie vor [Schaenzler et

Thrombozyten

Referenz- / Normalwerte:

Frauen: 16 – 30 Jahre

220 000 – 406 000 / µl

31 – 45 Jahre

215 000 – 379 000 / µl

46 – 60 Jahre

201 000 – 379 000 / µl

> 60 Jahre 187 000 – 366 000 / µl

Männer: 16 – 30 Jahre

210 000 – 366 000 / µl

31 – 45 Jahre

193 000 – 365 000 / µl

46 – 60 Jahre

202 000 – 356 000 / µl

> 60 Jahre 177 000 – 361 000 / µl

Hämoglobin

Referenz- / Normalwerte:

Frauen: 12,3 – 15,3 g/dl

Männer: 14,0 – 17,5 g/dl

__________________________________________________________________________ 47

al., 2004, S. 98f].

Hämatokrit.

(kurz Hct / Hk / Hkt) s Der Hämatokritwert gibt an, welchen prozentualen Anteil die roten Bslutkörperchen in einem Liter Gesamtblut haben.

Ein niedriger Hämatokritwert kann auf verschiedene Formen der Anämie hinweisen [Schaenzler et al., 2004, S. 97].

Hämatokrit

Referenz- / Normalwerte:

Frauen: 34,7 – 44,7 Vol %

Männer: 36,0 – 48,2 Vol %

BSG, CRP, Leukozyten, Thrombozyten und Hämoglobin/Hämatokrit sind in der

Entzündungsphase des Morbus Crohn bei vielen Patienten - jedoch nicht in allen Fällen - erhöht

[Schreiber et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 21].

BSG, CRP und Leukozyten werden allgemein als Entzündungsparameter bezeichnet. Eine

Erhöhung der Entzündungszeichen im Blut weist auf eine entzündliche Aktivität hin und kann bei

der Diagnose oder auch zur Beurteilung der Krankheitsaktivität herangezogen werden.

Bei Morbus Crohn findet man neben einer Erhöhung der Entzündungszeichen im Blut häufig

auch eine entzündungsbedingte Anämie

(so genannte Blutarmut) Bei einer Anämie ist der Sauerstofftransport gestört. Die Sauerstofftransportkapazität des Blutes ist vermindert.

Symptome können sein:

Leistungsabfall

Müdigkeit

erschwerte Atmung (Ruhe- und Belastungsdyspnoe)

Herzrhythmusstörungen

erhöhter Puls

funktionelle, systolische Herzgeräusche

[Pschyrembel, 2002].

. Hämoglobin- und Hämatokritwert sind dann niedriger als normal.

Anämie

Zur Differenzierung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa werden verschiedene Antikörper im

Blut untersucht. Das Verfahren ist jedoch sehr kompliziert und geht über den Rahmen dieser

__________________________________________________________________________ 48

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Lerneinheit hinaus.

Zur Erkennung von Komplikationen, extraintestinalen Manifestationen (auch

Mangelerscheinungen) und Überwachung der medikamentösen Therapie können

Laborparameter ebenfalls sehr hilfreich sein. Diese sind aber sehr speziell und übersteigen an

dieser Stelle ebenfalls die Lernziele dieser Einheit [Hoffmann et al., 2004, S. 97ff; Schaenzler et

al., 2004, S. 191, 203].

__________________________________________________________________________ 49

Vorzugsweise gesucht wird nach:

Yersinien

Campylobacter

Pathogenen Escherichia coli

Salmonellen

Shigellen

Clostridium-difficile-Toxin

Aeromonaden

Parasiten.

[Hoffmann et al., 2004, S. 97]

Stuhluntersuchung:

Die Untersuchung des Stuhls erfolgt hauptsächlich um andere Erkrankungen und Gründe für die

Durchfälle auszuschließen. So werden die Stuhlkulturen auf mikrobiologische Infektionen

untersucht.

Teilweise wird der Stuhl aber auch untersucht, um mögliche Blutausscheidungen abzuklären.

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Ein H2-Atemtest

Das Grundprinzip der Wasserstoff-Atemtestdiagnostik ist, dass bei einer vorliegenden Unverträglichkeit die verschiedenen Zucker im Dünndarm - aus unterschiedlichen Gründen - nicht in den Körper aufgenommen werden können. Deshalb gelangen sie weiter in den Dickdarm, wo sie bakteriell abgebaut werden. Bei diesem Abbau des Zuckers durch Bakterien entsteht unter anderem Wasserstoff, der von der betreffenden Person abgeatmet wird. Der ausgeatmete Wasserstoff dient als Diagnosewert [Pschyrembel, 2002].

Grundprinzip der Durchführung eines Atemtests:

Patient erscheint nüchtern

Atemprobe (Ausgangswert) wird entnommen:

Patient holt tief Luft

Patient atmet die gesamte Atemluft durch ein Mundstück aus

die letzte ausgeatmete Luft wird mittels verdichten des

Mundstückes mit dem Zeigefinger in die Spritze „eingefangen“

Ermittlung des H2-Wertes der Atemprobe mit Hilfe des

Wasserstoffexhalationsgerätes (Nüchternwert liegt bei ca. 7ppm)

bei Lactose zusätzlich Bestimmung des Nüchtern-Blutzuckers

Verabreichung der entsprechenden Zuckerlösung (25g Fructose +

300ml H2O; 50g Lactose + 300ml H2O; 10g Sorbit + 300ml H2O;

50-80g Glucose + 300ml H2O/ 25ml Lactulose + 300ml H2O)

alle 15 Minuten wird erneut eine Atemprobe entnommen (bei

Lactose alle 30 Minuten und zusätzliche Messung des Blutzuckers)

der Test läuft insgesamt 90 Minuten

im Anschluss: sofortige Auswertung des Atemtests anhand der

Exhalationswerte (und des Blutzuckers)

(pathologischer Befund: Anstieg der Wasserstoffwerte um mehr als

20ppm im Vergleich zum Ausgangswert (bei Lactose zusätzlich: der

Blutzucker ist um weniger als 20mg/dl angestiegen d.h. der Zucker

wurde nicht ins Blut aufgenommen))

[Müller, 2007, S. 72].

wird durchgeführt um zu überprüfen, ob bei einem Patient mit dem entzündlichen Befall eine Nahrungsmittelunverträglichkeit einhergeht. In einem solchen Fall führen bestimmte Lebensmittel neben der sowieso schon hohen Stuhlfrequenz zu zusätzlichen Durchfällen und Bauchschmerzen. Eine Nahrungsmittelunverträglichkeit kann aber auch ohne vorliegende Entzündung bestehen. Des Weiteren kann eine bakterielle Fehlbesiedlung

Atemtest:

H2-Atemtest

Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms

__________________________________________________________________________ 51

Normalerweise schützt die Ileozäkalklappe den Dünndarm vor dem Eindringen der im menschlichen Körper natürlicherweise vorkommenden Dickdarmbakterien. Ist aber der Schutzmechanismus zerstört, z.B. durch einen entzündlichen Befall der Ileozäkalklappe, Stenosen, Divertikel (Ausstülpungen von Wandteilen) oder Fisteln, kann es zu einer Ansiedlung bzw. Übersiedlung der Bakterien im Dünndarm kommen. Diese sorgen für Bauchschmerzen und Durchfälle [Siegenthaler, 2001, S. 823]. Der Nachweis einer bakteriellen Fehlbesiedlung erfolgt meist mit einem Lactulose-H2-Atemtest oder einem Glucose-H2-Atemtest. Lactulose ist ein vom menschlichen Körper nicht absorbierbarere Kunstzucker. Hinweis auf eine Fehlbesiedlung ist ein vorzeitiger Anstieg (innerhalb der ersten 45 Minuten) des Wasserstoffgehalts im Atem. Der Zucker wird vorzeitig von den Bakterien zersetzt. Bei Lactulose würde die Zersetzung erst im Dickdarm stattfinden. Die Glucose hingegen würde normalerweise im Dünndarm absorbiert [Hoffmann et al., 2004, S. 100; Pschyrembel, 2002]. Im Regelfall wird bei einer diagnostizierten bakteriellen Fehlbesiedlung Antibiotika verabreicht und der Atemtest 6 bis 8 Wochen nach Ende der Antibiotika-Gabe wiederholt [Rabast, 2004, S. 157]. Eine vorliegende bakterielle Fehlbesiedlung kann zu falsch-positiven Ergebnissen bei den Atemtests auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen. Meist sind dann schon die ersten Werte pathologisch erhöht [Müller, 2007, S. 72].

des Dünndarms vorliegen, die möglicherweise weitere Durchfälle bedingt.

Getestet wird auf:

Lactoseintoleranz

Fructosemalabsorption

Sorbitmalabsorption

bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms

[Hoffmann et al., 2004, S. 100].

__________________________________________________________________________ 52

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Endoskopie

Unter Endoskopie versteht man das Ausleuchten und die Inspektion von Körperhohlräumen und

Hohlorganen mit Hilfe eines Endoskops

Ein Endoskop ist ein röhren- oder schlauchförmiges Instrument zur Endoskopie, das mit einem optimalen System ausgestattet ist.

Es besteht aus:

Objektiv und Okular (Linsensystem)

Einer Beleuchtungseinrichtung

Einer Spül- und Absaugvorrichtung

Kanälen zum Einführen von speziellen Instrumenten (z.B. Biopsiezange,

Metallschlinge).

. Zusätzlich besteht die Möglichkeit für die Diagnostik eine Gewebeprobe (Biopsie) zu

entnehmen und kleinere operative Eingriffe vorzunehmen [Pschyrembel, 2002]. Die Endoskopie

des Verdauungstraktes gibt Aufschlüsse über die Differentialdiagnose

Differentialdiagnose (Abk. DD) = Gesamtheit aller Diagnosen, die als Erklärung für die Krankheitszeichen möglich sind [Pschyrembel, 2002].

, das Befallsmuster und den Schweregrad der entzündlichen Veränderungen. Bei regelmäßiger

Anwendung kann der Verlauf des Morbus Crohn beurteil werden. So können Aussagen zum

Therapieerfolg, neuen Entzündungen und Komplikationen gemacht werden. Zahlenmäßig am

häufigsten angewandt wird die Coloskopie (Endoskopie des Colons), seltener die Gastroskopie

(Endoskopie des Magens). Bei beiden Methoden können Teile des Dünndarms mit untersucht

werden. Noch seltener und nur in speziellen Fällen kommt es zur Kapselendoskopie

Endoskop

Ein Endoskop kann starr oder flexibel (besonders wichtig bei der Untersuchung des

Magen-Darm-Traktes) sein. Auch gibt es verschieden Längen und unterschiedliche

Durchmesser, die je nach Bedarf und Lokalisation der Endoskopie gewählt werden

[Pschyrembel, 2002].

Endoskop [Quelle: Budack]

__________________________________________________________________________ 53

Die Kapselendoskopie ist ein bildgebendes Verfahren zur Untersuchung des Dünndarms, der mit dem Endoskop teilweise nur schwer erreichbar ist. Es handelt sich hierbei um ein relativ neues Verfahren. Dabei wird eine 26 x 11 mm große Kapsel von dem Patienten geschluckt. Sie enthält Batterien, einen Sender, eine Lichtquelle und eine Chip-Kamera, die über einen Zeitraum von ca. 6 Stunden Bilder sendet. Die Kapsel wird anschließend auf natürlichem Weg über den Darm ausgeschieden. Während der Untersuchung muss der jeweilige Patient einen Gürtel bei sich tragen, in dem sich ein Aufnahmegerät befindet welches die Bilder speichert [Ruhr-Universität Bochum, 2001].

. Zu beachten ist, dass auch die Ergebnisse einer Endoskopie immer im Gesamtkontext mit

mehreren Methoden zur Diagnose eines Morbus Crohn stehen müssen. Typische

endoskopische Befunde allein können das Vorliegen eines MC nicht bestätigen. Eine

Gewebeprobe ist hier von großer Relevanz [Hoffmann et al., 2004, S. 102f].

Kapselendoskopie

Kapsel für Kapselendoskopie [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.3, 2006]

Im Folgenden können Sie sich Endoskopie-Videos einer ischämischen Colitis und einer

Divertikulitis

Divertikulitis = Entzündung der Wand eines Divertikels (sackförmige Ausstülpung von Wandteilen des Verdauungstraktes) [Pschyrembel, 2002].

ansehen. Sie sollen als Beispiele für das Erscheinungsbild von entzündlichen Veränderungen im

Darm und den Ablauf einer Endoskopie dienen.

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Das Video zeigt das Colon von innen. Die Darmwände sind deutlich gerötet. Zum Teil liegt

Schleim auf den Wänden. An einigen Stellen sind deutlich gelbliche, eitrige Stellen zu sehen.

Endoskopie-Video - Ischaemcolitis

Endoskopie-Video - Divertikulitis

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Hierzu zählen klassischer Weise:

die Sonographie (Ultraschall)

die Computertomographie (kurz: CT; Röntgen)

und die Magnetresonanztomographie (kurz: MRT; Magnetresonanz).

Bildgebende Verfahren

In der Diagnostik des Morbus Crohn werden auch einige bildgebende Verfahren angewendet.

Die bildgebenden Verfahren geben Auskunft über die Ausbreitung der Erkrankung und mögliche

Komplikationen. Dabei ergänzen sie die Endoskopie und die Labordiagnostik.

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Material 3 - Ernährungstherapie

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Einführung

Der Krankheitsverlauf und die Schwere der Erkrankung können bei Morbus Crohn von Patient

zu Patient stark variieren. Deshalb sollte die Therapie stets dem individuellen

Krankheitsgeschehen und dem möglichen Auftreten von Komplikationen angepasst werden.

In der individuellen Therapie ist zwischen medikamentöser Therapie, chirurgischen Verfahren,

Ernährungstherapie und unterstützenden Maßnahmen (z.B. psychotherapeutische

Behandlungsmethoden) zu unterscheiden. Der Schwerpunkt dieser Lerneinheit liegt jedoch auf

den ernährungstherapeutischen Maßnahmen.

Eine ganzheitliche und allgemeingültige Ernährungsempfehlung für Patienten mit Morbus Crohn

gibt es allerdings nicht. Die Zusammenhänge von Ernährungsfaktoren, Ätiologie und

Pathogenese sind bis dato nicht eindeutig geklärt. Durch das fehlende Wissen über die

Ursachen der Entstehung und Entwicklung des Morbus Crohn und darüber hinaus über den

Einfluss der Ernährung auf die Erkrankung, können keine grundsätzlichen und eindeutigen

diätetischen Empfehlungen ausgesprochen werden. Jedoch gibt es ernährungstherapeutische

Maßnahmen, die individuell Anwendung finden. Sie sollen unter anderem helfen die Symptome

wie Durchfälle und Bauschmerzen zu lindern, Ängste vor der Nahrungsaufnahme zu beseitigen

und Energie- und Nährstoffverluste auszugleichen. Im Vordergrund aller Behandlungsmethoden

steht die Steigerung der Lebensqualität und Minderung des Leidensdrucks der Patienten.

„Man soll dem Leib etwas Gutes bieten,

damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.“

Winston Churchill

In den folgenden Kapiteln wird auf die verschiedenen Anforderungen eingegangen, die an eine

individuelle Ernährungstherapie des Morbus Crohn gestellt werden.

Lebensqualität steigern und neue Lebensfreude gewinnen

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Am Ende dieses Materials sollen Sie:

einen Überblick über das ernährungstherapeutische Vorgehen in einem akuten

Entzündungsschub erhalten haben.

gelernt haben, einen Morbus Crohn-Patienten in der Remissionsphase individuell

diätetisch beraten und unterstützen zu können.

für die möglichen Mangelzustände des Morbus Crohn sensibilisiert sein und befähigt

diese zu erkennen.

wissen, welche ernährungstherapeutischen Maßnahmen bei den mit Morbus Crohn

verbundenen Symptomen, Komplikationen und Mangelzuständen zu ergreifen sind.

Lernziele

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Die Ernährungstherapie in der akuten Entzündungsphase hat folgende Behandlungsziele:

Beseitigung der Unter- bzw. Mangelernährung

Reduktion der Entzündungsaktivität

Einleitung der Remission

[Hoffmann et al., 2004, S. 194; Kasper, 2004, S. 163].

Bei Morbus Crohn gelten die ernährungsmedizinischen Grundsätze einer Stufentherapie:

1. Ernährungsberatung

2. zusätzliche Ernährung durch Trinknahrung

3. Sondennahrung

4. parenterale Ernährung

[Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Ernährung in der akuten Entzündungsphase

Bei Morbus Crohn wird von einer akuten Entzündungsphase bzw. einem akuten

Schub gesprochen, wenn die typischen klinischen Symptome und Beschwerden in

Verbindung mit den entsprechenden Laborwerten vorliegen. Als Hilfsmittel wird zur

Einschätzung der Krankheitsaktivität häufig ein so genannter „Aktivitätsindex“

eingesetzt. Für Morbus Crohn ist international der Crohn`s Disease Activity Index

(CDAI) gängig. Der CDAI befasst sich unter anderem mit der Anzahl der Stühle,

Bauchschmerzen, der Bewertung des Allgemeinbefindens und dem Auftreten anderer

Symptome. Aktivitätsindizes werden jedoch meist in Studien angewendet, in der

täglichen Praxis sind sie nicht erforderlich.

[Quelle: Schölmrich (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 27; Hoffmann et al., 2004, S. 59f; Schreiber

et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 23]

Die Ernährungstherapie stellt keinen Ersatz für eine medikamentöse Therapie dar und ist im

Regelfall nicht zur alleinigen Schubtherapie zu empfehlen [Schölmrich (Leitlinien der DGVS),

2003, S. 28]. Bei der Behandlung des Morbus Crohn steht die medikamentöse Therapie an

erster Stelle. In dem folgenden Exkurskapitel können Sie sich einen Überblick über die gängigen

Medikamente der Morbus Crohn Therapie und ihren Wirkungen verschaffen.

Eine künstliche Ernährung kann jedoch eine sinnvolle Ergänzung zu der medikamentösen

Therapie darstellen. Auch kann sie als alleinige Therapie im akuten Entzündungsschub

angewandt werden, wenn eine medikamentöse Behandlung mit Kortikoiden nicht durchführbar

ist [Lochs et al. (ESPEN-Leitlinien), 2006, S. 260].

Der Begriff „künstliche Ernährung“ fasst die enterale und parenterale Ernährung zusammen. Im

Folgenden werden diese beiden Begriffe definiert und ihre Anwendung in der Akuttherapie des

Morbus Crohn erläutert.

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Enterale Ernährung

Als künstliche enterale Ernährung wird in der Regel eine industriell hergestellte bilanzierte Diät

(Formeldiät, Formuladiät) bezeichnet. Bilanzierte Formeldiäten sind Zubereitungen mit exakt

definierter Zusammensetzung. Im Sinne der Diätverordnung werden sie als „diätetische

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ bezeichnet. Sie werden in pulvriger oder

flüssiger, seltener in fester Form (z.B. verzehrsfertige Happen) hergestellt [Kasper, 2004, S.

482].

Die enterale Ernährung kann in Form von Trinknahrung oder auch als Sondennahrung

verabreicht werden. Sondennahrung wird bei Morbus Crohn über eine Nasogastrale Sonde

Die Nasogastrale Sonde ist ein stab- oder röhrenförmiges, elastisches Instrument aus Kunststoff, welches durch Nase, Rachen und Speiseröhre in den Magen eingeführt wird [Kasper, 2004, S. 482; Pschyrembel, 2002].

oder PEG-Sonde

PEG ist die Abkürzung für perkutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie. Hierbei wird durch die Bauchdecke hindurch eine Verbindung (meist ein elastischer Kunststoffschlauch) in den Magen oder das Duodenum gelegt [Kasper, 2004, S. 482; Pschyrembel, 2002].

Ernährung über Nasogastralsonde [SKM-Hospital, 2004]

__________________________________________________________________________ 61

PEG-Sonde [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.4, 2007]

zugeführt [Lochs et al. (ESPEN-Leitlinien), 2006, S. 260]. Man unterscheidet bei der enteralen

künstlichen Ernährung die nährstoff-definierte und die chemische-definierte Formeldiät.

Nährstoff-Definierte Formeldiät

(vollständig bilanzierte Diäten)

Bei der nährstoff-definierten Formeldiät handelt es sich um standardisierte Nährstoffgemische in

gebrauchsfertiger flüssiger Form oder in Pulverform. Die bilanzierten Nährstoffgemische sind

überwiegend aus hochmolekularen Proteinen und Kohlenhydraten (Polysaccharide)

zusammengesetzt (meist Maltodextrin oder Stärke, Milch-, Soja- oder Eiereiweiß und Fette

langkettiger Fettsäuren). Sie setzen eine nahezu ungestörte enterale Verdauung und Absorption

voraus. Die nährstoff-definierten Formeldiäten sind sowohl mit als auch ohne Ballaststoffe

erhältlich [Biesalski et al., 2004, S. 641; Heepe et al., 2002, S. 579; Kasper, 2004, S. 484].

Chemisch-Definierte Formeldiät

(Elementardiät, Peptiddiät, Astronautenkost)

Die chemisch-definierten Formeldiäten hingegen sind auch bei nur minimaler

Verdauungsleistung absorbierbar. Sie bestehen aus mono- oder niedermolekularen Nährstoffen

(Aminosäuren, Oligopeptide, Mono-, Di-, Oligosaccharide, Triacylglycerine, Vitamine, Elektrolyte,

Spurenelemente). Chemisch-definierte Formeldiäten werden im oberen Dünndarm resorbiert

und sind völlig ballaststofffrei. Sie können zu einer „Entlastung“ oder „Ruhigstellung“ der

Verdauungsorgane genutzt werden [Biesalski et al., 2004, S. 642; Heepe et al., 2002, S. 583;

Kasper, 2004, S. 486].

Insgesamt gibt es von den verschiedenen Pharmaherstellern (z.B. Fresenius, Novartis, Nestlé,

Abbott, Braun, Pfrimmer Nutricia) viele unterschiedliche Produkte, welche nach den individuellen

Anforderungen des Betroffenen ausgesucht werden können.

Die folgenden Abbildungen zeigen Beispiele für Produkte der Trink- und Sondennahrung:

__________________________________________________________________________ 62

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Die enterale Ernährung bei Morbus Crohn findet Anwendung zur Behandlung von:

Mangelernährung

Wachstums- und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern und Jungendlichen

Verbesserung der Lebensqualität

Trinknahrung mit verschiedenen Indikationen [Quelle: Primmer Nutricia GmbH]

Beispiel Sondennahrung [Pfrimmer Nutricia GmbH, 2008]

Studien haben ergeben, dass es keinen signifikanten Unterschied in der Wirkung von

hochmolekularer und niedermolekularer Formeldiäten bei Morbus Crohn gibt. Generell wird

daher die hochmolekulare, nährstoff-definierte Formeldiät empfohlen [Lochs et al. (ESPEN-

Leitlinien), 2006, S. 260]. Sie ist wesentlich preisgünstiger, weist einen vergleichsweise relativ

guten Geschmack auf und muss nicht über eine Sonde verabreicht werden [Kasper, 2004, S.

164].

Enterale Ernährung bei Morbus Crohn

__________________________________________________________________________ 63

einem akuten Schub

entzündliche Stenosen

perioperative (vor und nach einer OP) Ernährung

Erhaltung der Remission.

.

Im akuten Schub und bei der Behandlung von entzündlichen Stenosen wird eine kombinierte

Therapie aus enteraler Ernährung und Medikamenten empfohlen

Ist eine medikamentöse Behandlung mit Kortikoiden nicht durchführbar (z.B. bei

Unverträglichkeit), so kann die enterale Ernährung auch als alleinige Therapie im akuten

Entzündungsschub angewandt werden.

Bei Kindern mit Morbus Crohn ist die enterale Ernährung die Therapiemethode erster Wahl. Die

enterale Ernährung ist hier der Kortikoidtherapie nahezu ebenbürtig [Lochs et al. (ESPEN-

Leitlinien), 2006, S. 260].

Mit einer ausschließlichen Ernährung durch Formeldiäten lässt sich zu 50 – 90% bei einer

Therapiedauer von 2 – 6 Wochen eine Remission erzielen. Bei Kindern ist oft eine längere

Therapiedauer erforderlich. Die Höhe der Energiezufuhr liegt meist zwischen 2000 und 3000

kcal/Tag. Sie richtet sich jedoch nach dem individuellen Bedarf und der Verträglichkeit [Kasper,

2004, S. 164].

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Patienten mit Dünndarmbefall deutlich besser auf die

Ernährungstherapie ansprechen als Patienten mit Crohn-Colitis, Fieber und extraintestinalen

Manifestationen [Biesalski, 2004, S. 356].

Auf welche pathophysiologischen Mechanismen das positive Ansprechen auf die künstliche

Ernährung zurückzuführen ist, ist unbekannt. Als therapeutischen Effekt der enteralen

künstlichen Ernährung wird ein hemmender Effekt auf die chronische Entzündung vermutet.

Folgende Faktoren werden diskutiert:

__________________________________________________________________________ 64

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Mögliche Faktoren für das positive Ansprechen auf die künstliche Ernährung

Der verbesserte Ernährungszustand durch die künstliche Ernährung hat einen möglichen positiven

Effekt auf den Krankheitsverlauf.

Diskutiert wird auch der positive Einfluss auf die Darmflora. Durch eine künstliche Ernährung

vermehren sich die Darmbakterien wieder besser und die Intestinalflora wird gestärkt.

Auch wird die Antigenbelastung im Darm durch die künstliche Ernährung vermindert, was ebenfalls

ein Grund für die positiven Auswirkungen auf die Entzündungsaktivität sein kann.

Des Weiteren normalisiert die enterale bzw. parenterale Ernährung die gestörte Mucosapermeabilität,

was als weiterer Grund für den positiven Effekt der künstlichen Ernährung debattiert wird.

Auch wird gesagt, dass durch eine künstliche Ernährung der Darm „ruhig gestellt“ wird, wodurch er

besser abheilen kann.

Weitere positive Effekte sollen durch eine völlige bzw. weitgehend fehlende orale Fettzufuhr

hervorgerufen werden. Dies gilt aber nicht für nährstoff-definierte Formeldiäten.

Außerdem wird diskutiert ob die spezifischen Effekte bestimmter Inhaltsstoffe von Formeldiäten wie

z.B. Glutamin, Arginin, etc. für diese positiven Auswirkungen der künstlichen Ernährung

verantwortlich sein können. Jedoch konnte keine der eben genannten möglichen Erklärungen für den

positiven Effekt der künstlichen Ernährung wissenschaftlich bestätigt bzw. bewiesen werden. [Quelle:

Kasper, 2004, S. 164]

Parenterale Ernährung

Bei der parenteralen Ernährung (PE) handelt es sich um eine künstliche Ernährung unter

Umgehung des Verdauungstraktes. Alle für den Körper notwendigen Nährstoffe werden dann in

Flüssigkeit gelöst mit einem zentraler Venenkatheter

Der zentrale Venenkatheter (kurz: ZVK) ist ein Kunststoffschlauch, der meist nach Punktion einer Vene im Bereich der oberen Körperhälfte in das venöse Gefäßsystem eingeführt und in die obere Hohlvene herznah vorgeschoben wird [Pschyrembel, 2002].

Beispiel ZVK bei einem Patienten [Quelle: Döring, 2004]

__________________________________________________________________________ 65

über eine Infusion zugeführt. Die Infusionslösung kann aber auch über einen so genannten Port-

Katheter

Ein Port-Katheter ist ein dauerhafter, unter der Haut liegender Zugang zum Blutkreislauf. Er besteht aus einem kleinen Vorratsgefäß mit einer Siliconmembran und einem davon abgehenden Kunststoffschlauch (Venenkatheter). Ein Port muss unter hochsterilen Bedingungen mit einem chirurgischen Eingriff in den Körper eingebracht werden. Ein Port-System ist bei längerfristiger parenteraler Ernährung zu empfehlen. Der Port-Katheter hat den Vorteil einer geringeren Gefahr von Infektionen [Biesalski, 2004, S. 650f].

Beispiel Port-Katheter [Quelle: Wikimedia Foundation Inc.5, 2006]

verabreicht werden. Die Nährstoffe gelangen auf direktem Weg in die Blutbahn [Kasper, 2004, S.

493]. Die verabreichten Lösungen müssen nach besonderen Kriterien hergestellt und

zusammengesetzt sein, damit sie vom Körper ohne Nebenwirkungen akzeptiert werden.

Zum Einsatz der parenteralen Ernährung kommt es jedoch nur, wenn sich eine enterale

Ernährung nicht verwirklichen lässt (z.B. wenn der Verdauungstrakt nicht funktionsfähig ist). Die

Nährstoffzufuhr über den Magen-Darm-Trakt ist von besonderer Bedeutung für die

Aufrechterhaltung der Barrierefunktion der Darmmucosa, die vor dem Eindringen von Bakterien,

Viren und anderen pathogenen Substanzen in den Körper schützt. Auf Grund dessen sollte

immer versucht werden, die parenterale Ernährung mit einer reduzierten enteralen Ernährung zu

kombinieren [Kasper, 2004, S. 488f].

Bei Morbus Crohn hat die totale parenterale Ernährung die gleiche Wirkung wie die enterale

Ernährung. Beide führen mit einem gleichen Prozentsatz zu einer Remission. Jedoch ist die

enterale Ernährung auf Grund der oben genannten Gründe und des geringern

Überwachungsaufwandes, der niedrigeren Komplikationsrate und der geringeren Kosten

vorzuziehen [Biesalski, 2004, S. 356f].

Zusammenfassung

Die folgende Animation soll noch einmal einen Überblick über die künstliche Ernährung liefern

und das durchgearbeitete Kapitel in groben Zügen zusammenfassen:

__________________________________________________________________________ 66

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Überblick über die künstliche Ernährung (Zusammenfassung) [Quelle: Kasper, 2004, S. 479

Der Begriff „künstliche Ernährung“ umfasst sowohl die enterale als auch die parenterale Ernährung.

Die enterale künstliche Ernährung wird auch als bilanzierte Diät oder Formeldiät bezeichnet. Es wird

in die nährstoff-definierte Formeldiät und in die chemisch-definierte Formeldiät unterschieden.

Die nährstoff-definierte Formeldiät besteht aus einem hochmolekularen Nährstoffgemisch und setzt

eine nahezu ungestörte enterale Verdauung und Resorption voraus.

Die chemisch-definierte Formeldiät hingegen besteht aus mono- oder niedermolekularen Nährstoffen

und ist auch bei nur minimaler Verdauungsleistung resorbierbar.

In ihrer Wirkung auf die Entzündungsaktivität des Morbus Crohn konnten bei beiden Formeldiäten

keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.

Bei der parenteralen Ernährung handelt es sich um eine künstliche Ernährung unter Umgehung des

Verdauungstraktes. Die Nährstoffe werden per Infusionslösung direkt in die Blutbahn verabreicht und

dem Stoffwechsel zugeführt.

Sowohl die enterale als auch die parenterale Ernährung haben den gleichen positiven Effekt auf die

Krankheitsaktivität des Morbus Crohn. Die parenterale Ernährung sollte aber nur dann zum Einsatz

kommen, wenn sich eine enterale künstliche Ernährung nicht verwirklichen lässt.

Nach einer künstlichen Ernährung ist in einigen Fällen ein Kostaufbau nötig. Ein Kostaufbau ist

„ein diättherapeutisches Verfahren, bei dem eine stufenweise quantitative und qualitative

Erweiterung der Nährstoffzufuhr und Lebensmittelauswahl erfolgt“ [Kluthe et al., 2008, S. 2129].

Die verschiedenen Formen des Kostaufbaus sind jedoch empirisch und wissenschaftlich nicht

__________________________________________________________________________ 67

belegt. Der Kostaufbau bei Morbus Crohn kann in dem folgenden Exkurs-Kapitel nachgelesen

werden.

__________________________________________________________________________ 68

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Bei Morbus Crohn sind diese speziellen Fälle:

eine längere Phase (> 7 Tage) einer künstlichen Ernährung

und wenn der Zustand des Patienten eine Ernährung in fester Form

nicht sofort zulässt

[Müller, 2007, S. 264f].

Kostaufbau bei Patienten mit Morbus Crohn

Wie eingangs bereits erwähnt sind die verschiedenen Formen des Kostaufbaus empirisch und

wissenschaftlich nicht belegt. Jedoch wird in der Praxis in einigen speziellen Fällen ein

Kostaufbau durchgeführt.

Grundgedanke des Kostaufbaus ist eine eventuell verringerte Belastbarkeit des Magen-Darm-

Traktes nach einer künstlichen Ernährung. So soll der Verdauungstrakt nach einer Phase der

Nahrungskarenz langsam wieder an eine orale Nahrungszufuhr adaptiert werden.

Die orale Nährstoffzufuhr und die Lebensmittelauswahl erfolgt beim Kostaufbau stufenweise. Es

wird mit leicht verdaulichen Kohlenhydratträgern begonnen. Anschließend werden Proteinträger

und Fett mit einbezogen, die in ihrer Menge stufenweise gesteigert werden.

Die auf Grund des Morbus Crohn notwendigen individuellen diätetischen Maßnahmen wie z.B.

Ersatz von LCT-Fetten durch MCT-Fette, lactosearme Kostauswahl etc., müssen zusätzlich

verordnet werden [Kluthe et al., 2008, S. 2129].

Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Stufen des Kostaufbaus

mit Lebensmittelvorschlägen bei Morbus Crohn. Da der Kostaufbau bis Stufe 4 in Bezug auf die

Energiezufuhr nicht bedarfsdeckend sein kann, wird zusätzlich eine künstliche Ernährung

empfohlen.

Kostaufbau

1. Stufe: überwiegendeZufuhrvonKohlenhydraten

Tee, stilles Wasser

Zwieback

Hafer-, Reis-, Hirseflockenschleim (mit Wasser gekocht)

(Trauben)Zucker / Honig / Salz

evtl. parenterale / enterale Ernährung

2. Stufe: passierte Kartoffel-/ Karottensuppe

leicht entfettete Gemüsebrühe (ohne Gemüse)

Weißbrot, Toast

evtl. parenterale / enterale Ernährung

3. Stufe: weich gedünstetes Gemüse (siehe LVK)

Nudeln, Reis, Kartoffelschnee

Gekochter Fisch (z.B. Seelachs, Scholle, Kabeljau)

__________________________________________________________________________ 69

Von 8 kleinen Mahlzeiten am Tag ausgehend langsame Reduzierung auf 4 - 5

Mahlzeiten bei zunehmender Portionsgröße.

Schonende Zubereitung z.B. dünsten, dämpfen, braten in wenig Fett.

Keine scharfen Gewürze.

Kein Alkohol.

Bei Bedarf zusätzliche diätetische Maßnahmen, wie Einsatz von MCT-Fetten,

glutenfreie und lactosearme Lebensmittelauswahl

[Koula-Jenik et al., 2006, S. 398].

(passiertes), fettarmes, gekochtes Fleisch (z.B. Pute, Huhn)

Obstkompott (auch „Babykost“ aus Gläsern)

Banane

evtl. parenterale / enterale Ernährung

4. Stufe: Fettzulage in kleinen Portionen wie Käse, Milch (fettarm),Ei, Fleisch und

Fisch

Milder Naturjoghurt, Magerquark

Rührei

Magerer Wurst- und Käseaufschnitt

Leichtes Knäckebrot

Feinausgemahlenes (Vollkorn-)Brot/Toast

evtl. parenterale / enterale Ernährung

5. Stufe: Leichte Vollkost (LVK)

Kostaufbau bei Patienten mit Morbus Crohn [Quelle: Koula-Jenik et al., 2006, S. 398 ; Müller, 2007, S. 267 ; Biller, 2001,

S. 50; Kluthe et al., 2008, S. 2131]

Weitere Maßnahmen :

Durch den Kostaufbau sollen Dünn- und Dickdarm wieder an eine „normale“ Kost adaptiert

werden. Die Dauer des Kostaufbaus ist individuell verschieden und hängt zum Teil auch von

möglichen Komplikationen der Erkrankung ab. Als Richtwert gilt jedoch: jede Stufe wird über

einen Zeitraum von 3 Tagen durchgeführt. Nach einer parenteralen Ernährung wird mit Stufe 1

begonnen. In Anschluss an eine enterale Ernährung wird verkürzt bei Stufe 3 angesetzt [Müller,

2007, S. 267].

__________________________________________________________________________ 70

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(Kortikosteroide, umgangssprachlich als Cortison bezeichnet)

haben eine entzündungshemmende (antiphlogistische) Wirkung

Systemische Glukokortikoide

(= den ganzen Organismus betreffend)

Prednisolon, Prednison, Methylprednisolon

(bevorzugt orale Verabreichung, schnelle und vollständige enterale Resorption)

Topische Glukokortikoide (= örtlich, lokal wirkend) Budesonid (als Kapseln oder

Klysmen (= Einläufe))

Betamethason, Hydrocortison

(bei Crohn-Colitis als Rektalinstillation bzw. -schaum)

(haben ebenfalls eine entzündungshemmende Wirkung)

Mesalazin ( 5-Aminosalicylsäure)

(meist orale Verabreichung, aber auch als Klysmen und Zäpfchen)

Medikamentöse Therapie

Dieser Exkurs soll einen Überblick über die gängigen Medikamente der Morbus Crohn-Therapie

und ihre Wirkweisen geben. Ziel ist es, ein Grundwissen über die medikamentöse Therapie zu

erlangen, das die Kommunikation mit Ärzten und Patienten erleichtert. Dieser Exkurs soll jedoch

keine ausführliche Darstellung von Pharmakologie und Medizin des Morbus Crohn werden. Auch

wird auf die Aufzählung der Medikamente zur Behandlung von Begleiterkrankungen und

Symptomen verzichtet.

Ziel einer optimalen medikamentösen Therapie ist stets eine Remission einzuleiten

(Remissionsinduktion) und diese anschließend zu erhalten (Remissionserhaltung). Die

Entzündungsaktivität soll also verringert und Rückfälle vermieden werden. Die medikamentöse

Therapie kann sowohl zur Behandlung von aktiven Schüben, als auch zur Vorbeugung von

erneuten Schüben eingesetzt werden. Morbus Crohn kann nach dem momentanen

Erkenntnisstand durch keine medikamentöse Maßnahme geheilt werden. Jedoch können

Medikamente den Betroffenen helfen, über lange Zeiten hinweg frei von spürbaren Zeichen der

Erkrankung zu sein [Hoffmann et al., 2004, S. 136].

Die Wahl des Medikamentes ist von dem Ausmaß der Beschwerden, der Lokalisation der

Entzündung und möglichen Komplikationen abhängig [Schölmerich (Leitlinien DGVS), 2003, S.

27].

Die Medikamente werden unterschiedlich angewendet. Sie kommen in Tablettenform, intravenös

als Infusion, als Darmeinläufe (Klistiere, Klysmen), Zäpfchen oder Schaum lokal zur Anwendung

[Hoffmann et al., 2004, S. 159].

Die folgende Auflistung soll einen Überblick über die gängigen Medikamente geben:

Glukokortikoide:

Aminosalicylate

Immunsuppressiva

__________________________________________________________________________ 71

(unterdrücken, bzw. hemmen das Immunsystem)

Azathioprin (orale Verabreichung)

Infliximab (intravenös als Infusion, meist bei Komplikationen)

[Hoffmann et al., 2004, S. 139ff; Schölmerich (Leitlinien DGVS), 2003, S. 28f].

Alle weiteren propagierten Medikamente oder in der Literatur vorgeschlagenen

Therapieverfahren wie z.B. Biologica, Wurmeier, Weihrauch oder Cannabis sind bis lang ohne

Beleg [Schölmerich (Leitlinien DGVS), 2003, S. 29].

Weiterhin ist zu beachten, dass es zu einer Steroidabhängigkeit und einem Steroidrefraktärem

refraktär = unempfänglich, unbeeinflussbar

Verlauf kommen kann:

Von einem Steroidabhängigen Verlauf wird gesprochen, wenn zu einer stabilen

Remissionserhaltung Steroide gegeben werden müssen und zwei Versuche die Gabe zu

reduzieren innerhalb von sechs Monaten gescheitert sind.

Von einem Steroidrefraktärem Verlauf wird gesprochen, wenn nach der Therapie einer akuten

Entzündungsphase und fortgesetzter Steroidgabe die klinische Aktivität des Morbus Crohn durch

eine kontinuierlich hohe Steroidgabe über sechs Wochen nicht zu durchbrechen ist [Hoffmann et

al. (Leitlinien DGVS), 2003, S. 31].

Alle oben aufgeführten Medikamente können eine Reihe von Nebenwirkungen nach sich ziehen.

So sind einige Pharmazeutika für Mangelernährungszustände und Begleiterkrankungen bei

Morbus Crohn verantwortlich. Prednisolon z.B. begünstigt den Mangel an Zink und die

Behandlung mit Steroiden geht mit einer verminderten Knochendichte einher [Kasper, 2004, S.

162].

In der Schwangerschaft sind Infliximab und Azathioprin kontraindiziert. Als unbedenklich werden

hingegen Aminosalicylate und Kortikosteroide eingestuft. Allerdings können höhere Dosen

Kortikosteroide zu einigen Problemen in der Schwangerschaft führen wie z.B.

Schwangerschaftsdiabetes, arterielle Hypertonie und ein vermindertes Wachstum des Fötus

[Hoffmann et al., 2004, S. 168]. Eine etablierte Therapie mit Azathioprin sollte jedoch bei

auftretender Schwangerschaft nicht abgebrochen werden [Fleig (Leitlinien der DGVS), 2003, S.

40].

Eine Schwangerschaft sollte möglichst in eine inaktive Phase des Morbus Crohn gelegt werden.

Ist die Erkrankung in einem aktiven Zustand, so ist die Fertilität eingeschränkt und es kommt

häufiger zu schweren Entzündungsschüben und Komplikationen während der Schwangerschaft.

In Studien zeigten Patientinnen mit Morbus Crohn eine Tendenz zu Frühgeburten. Auch das

Geburtsgewicht der Kinder ist insgesamt niedriger als bei der Normalbevölkerung. Ansonsten

wird eine Schwangerschaft durch eine inaktive Erkrankung nicht signifikant beeinflusst

[Hoffmann et al., 2004, S. 65].

__________________________________________________________________________ 72

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Ernährung in der Remissionsphase

Von der Remissionsphase oder Ruhephase des Morbus Crohn wird gesprochen,

wenn die klinischen Zeichen und Symptome einer akuten Entzündung

(Bauchschmerzen, Diarrhö, Fistelsekretion, andere intestinale und extraintestinale

Symptome) verschwunden sind. Der Übergang zwischen der akuten

Entzündungsphase und der Remissionsphase des Morbus Crohn ist unscharf und

zeitlich nicht exakt zu definieren. Es werden aber einige Wochen dafür veranschlagt.

[Quelle: Fleig (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 36]

Eine generelle Diät oder Ernährungstherapie zur Erhaltung der Remission gibt es nicht. Für den

positiven Einfluss von diätetischen Maßnahmen zur Remissionserhaltung liegen derzeit keine

ausreichenden bzw. nur widersprüchliche Daten vor. So haben Kostformen, die z.B. Brot

vermeiden, reich an Omega-3-Fettsäuren sind oder bestimmte Lebensmittel ausschließen keine

signifikanten Auswirkungen auf die Erhaltung der Remission [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003,

S. 66].

Empfohlen wird jedoch eine ausgewogene und ausreichende Kost, die sich an den Vorgaben

der leichten Vollkost der DGE orientiert. Auf den Ausgleich von Mangelernährungen und das

Beheben von Begleiterscheinungen muss weiterhin geachtet werden. Auch muss bei einigen

Betroffenen an eine Nahrungsmittelintoleranz gedacht und diese bei der Lebensmittelauswahl

berücksichtigt werden. Bei ca. 15% der Patienten mit Morbus Crohn liegt eine

Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht nur im akuten Schub, sondern auch in der

Remissionsphase vor [Biesalski, 2004, S. 357; Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 66].

Leichte Vollkost

Beispiel für eine Leichte Vollkost [Quelle: BestCon Food GmbH, 2008]

Die Ernährung nach der leichten Vollkost (auch als gastroenterologische Basisdiät oder

__________________________________________________________________________ 73

allgemeine Schonkost bezeichnet) hat keinerlei therapeutischen Einfluss auf die Remission.

Durch diese spezielle Kostform kann weder eine Erhaltung noch eine Verlängerung der

Remissionsphase erreicht werden. Durch die leichte Vollkost sollen unspezifische Intoleranzen

im Bereich des Verdauungstraktes vermieden werden. Typische Beschwerden, die mit dem

Morbus Crohn einhergehen wie z.B. Bauchschmerzen, Blähungen, Neigung zu Durchfällen

können auch in der Remissionsphase ohne akute Entzündung auftreten. Sie sind meist die

Folge eines insgesamt empfindlichen Magen-Darm-Traktes. Die Orientierung an der leichten

Vollkost soll den Betroffenen helfen herauszufinden, welche Lebensmittel oder

Zubereitungsarten ihre individuellen Beschwerden verursachen [Kasper, 2004, S. 557].

„Die leichte Vollkost unterscheidet sich von der Vollkost durch Nichtverwenden von

Lebensmitteln oder Speisen, die erfahrungsgemäß häufig, z.B. bei mehr als 5% der

Patienten, Unverträglichkeiten auslösen.“

[Quelle: Kasper, 2004, S. 131]

Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeiten für das Auftreten von verschiedenen Intoleranzen

nach dem Verzehr bestimmter Lebensmittel und Speisen:

Intoleranzen % Intoleranzen %

1. Hülsenfrüchte

2. Gurkensalat

3. frittierte Speisen

4. Weißkohl

5. Co2-haltige Getränke

6. Grünkohl

7. fette Speisen

8. Paprikagemüse

9. Sauerkraut

10. Rotkraut

11. süße und fette

Backwaren

12. Zwiebeln

13. Wirsing

14. Pommes frites

30,1

28,6

22,4

20,2

20,1

18,1

17,2

16,8

15,8

15,8

15,8

15,8

15,6

15,3

14,7

27. rohes Stein- u. Kernobst

28. Nüsse

29. Sahne

30. paniert Gebratenes

31. Pilze

32. Rotwein

33. Lauch

34. Spirituosen

35. Birnen

36. Vollkornbrot

37. Buttermilch

38. Orangensaft

39. Vollmilch

40. Kartoffelklöße

41. Bier

7,3

7,1

6,8

6,8

6,1

6,1

5,9

5,8

5,6

4,8

4,5

4,5

4,4

4,4

4,4

__________________________________________________________________________ 74

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Generell werden folgende Lebensmittel und Zubereitungsarten weniger gut vertragen:

stark oder mit Speck angebratene, geröstete und frittierte Lebensmittel

fette und geräucherte Fleisch-, Wurst- und Fischwaren

hart gekochte Eier und fette Eierspeisen, Mayonnaisen

vollfette Milchprodukte (z.B. Sahneprodukte, vollfetter Käse, etc.)

fette Brühen, Suppen, Soßen

große Mengen Streich- und Kochfett

frisches Brot und frische oder sehr fette Backwaren, sehr grobe Vollkornbrote

fette und frittierte Kartoffelzubereitungen

schwer verdauliche oder blähende Gemüse (Grün-, Rot-, Weiß-, Rosenkohl, Wirsing,

Sauerkraut, Lauch, Zwiebeln, Pilze, Paprika, Oliven, Gurken- und Rettichsalat,

getrocknete Hülsenfrüchte), sehr fettreiche Zubereitungen

unreifes Obst, Steinobst, Nüsse, Mandeln, Pistazien, Avocados

fette Süßigkeiten

15. hartgekochte Eier

16. frisches Brot

17. Bohnenkaffee

18. Kohlsalat

19. Mayonnaise

20. Kartoffelsalat

21. Geräuchertes

22. Eisbein

23. zu stark gewürzte

Speisen

24. zu heiße / zu kalte

Speisen

25. Süßigkeiten

26. Weißwein

13,6

12,5

12,1

11,8

11,4

10,7

9,0

7,7

7,6

7,6

7,6

42. schwarzer Tee

43. Apfelsinen

44. Honig

45. Speiseeis

46. Schimmelkäse

47. Trockenfrüchte

48. Marmelade

49. Tomaten

50. Schnittkäse

51. Camembert

52. Butter

3,5

3,4

3,1

2,4

2,2

2,2

2,2

1,9

1,6

1,3

1,2

Häufigkeit von Lebensmittelintoleranzen bei unausgelesenen Krankenhauspatienten (n = 1918) in verschiedenen

Regionen der Bundesrepublik Deutschland (nach einer Erhebung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Ernährung und

Diätetik) [Quelle: Kasper, 2004, S. 132]

__________________________________________________________________________ 75

Alkohol in jeder Form, kohlensäurehaltige Mineralwässer oder Limonaden,

eisgekühlte und koffeinhaltige Getränke

große Mengen an scharfen Gewürzen, Zwiebel- oder Knoblauchpulver

stark gesalzene, stark saure und stark erhitzte Speisen

[Kluthe et al., 2004, S. 246f ; Heepe et al., 2002, S. 572].

Auch ist es wichtig die Nahrungsaufnahme auf mehrere kleine Mahlzeiten zu verteilen (evtl. > 5),

langsam zu essen, gut zu kauen und zu heiße sowie zu kalte Speisen und Getränke zu

vermeiden [Kluthe et al., 2008, S. 1975].

Die nachstehende Tabelle fasst die oben genannten Informationen noch einmal zusammen und

gibt einen Überblick darüber, was bei den verschiedenen Lebensmittelgruppen zu beachten ist:

Lebensmittel verträglich weniger gut verträglich

Fleisch mageres Kalb, Rind, Schwein,

Lamm, Wild, Geflügel ohne Haut

fettes, stark gewürztes,

geräuchertes, scharf

angebratenes Fleisch, fette

Geflügelhaut, Speck,

Dosenfleisch

Wurstwaren alle mageren Arten, z.B. Geflügel-,

Bratenaufschnitt, Aspikwurst,

zarter Schinken

alle fetten, stark gewürzten

Arten, stark geräucherter

Schinken, roher Schinken,

Cervalatwurst

Fisch Frische oder tiefgekühlte Süß- und

Salzwasserfische: Seelachs,

Schellfisch, Scholle, Kabeljau,

Forelle (evtl. auch mild

geräuchert), schwarzer Heilbutt,

Steinbutt, Rotbarsch; nicht paniert,

naturell eingelegte Fischwaren

alle fetten Arten, z.B. Aal,

Karpfen, Hering, Makrele,

Räucherfisch, Sardinen, ferner

Fischsalate mit Mayonnaise,

Fischkonserven, Fisch in

Marinaden, geräucherte Fische

Milch,

Milchprodukte

fettarme Milch und fettarme

Milchprodukte (fettarm = 1,5%

Fett); Joghurt, Kefir, Sauermilch;

milde, magere Käsesorten (bis 30-

45% Fett i.Tr.) wie Frischkäse,

Lilledamer, Gouda, Leerdamer,

Emmentaler (bis max. 45% Fett)

größere Mengen geschlagener,

gesüßter Sahne; stark

gewürzte, fettreiche Käsesorten

wie Schmelzkäse,

Käsezubereitungen,

Scheibletten, abgelagerter

Camembert, Gorgonzola,

Roquefort, z.T. Buttermilch

Eier weich gekocht, weiche, fettarme

Eierspeisen (z.B. Rührei)

Hartgekochte Eier, Spiegeleier,

Soleier

Fette, Öle Butter, Pflanzenöle; (Diät) alle Schlachtfette

__________________________________________________________________________ 76

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Margarine mit pflanzlichen,

ungehärteten Fetten; Kleine

Mengen an Koch- und Streichfett

(Schweineschmalz,

Gänseschmalz, Rinderfett,

Hammelfett), Speck,

Mayonnaise, gehärtete

Margarine, gebräunte Butter

Brot fein- bis mittelgrobgemahlene

Sorten (Type 1050), feine

Vollkornbrote, Knäckebrot,

altbackenes Brot

frisches, warmes Brot; grobe

Vollkornbrote (Ganzkorn)

Backwaren möglichst selbstgebackene,

fettarme Arten wie Biskuit, einfache

Rühr- und Hefekuchen,

Obstkuchen, Baiser, Kuchen aus

Quark-Öl-Teig ohne Creme,

einfache Kekse

Creme- und Sahnetorten,

frischer Hefeteig, Blätterteig,

Brandteig, Fettgebackenes,

Sahne- und Cremetorten

Nährmittel In fettarmer Zubereitung: Nudeln,

Grieß, Reis, Mehle, Haferflocken,

alle Getreideprodukte

Wenn fettreich zubereitet:

Lasagne, Aufläufe, Quiche,

Tarte

Kartoffeln Salz-, Folien-, Pell-,

Herzoginnenkartoffeln,

Kartoffelpüree, Kartoffelklöße aus

gekochten Kartoffeln, Kartoffelsalat

ohne Zwiebeln und Mayonnaise

Pommes Frites, Bratkartoffeln,

Kartoffelgratin (fette

Zubereitung), Kartoffelpuffer,

Kroketten, Kartoffelsalat mit

Mayonnaise oder Speck

Obst Kompott, gekocht, evtl. ohne

Schale; reifes Obst; Äpfel, Birnen,

Erdbeeren, abgezogene Pfirsiche,

Melonen, Himbeeren, Aprikosen

Kirschen, Johannesbeeren,

Pflaumen, Weintrauben,

Zitrusfrüchte; unreifes Obst,

Dosenobst; Avocados

Gemüse u. Salate Auberginen, Blumenkohl, Broccoli,

Champignons, junge, grüne

Erbsen, Fenchel (gedämpft), Gurke

(gedämpft), Karotten, junger

Kohlrabi, Schwarzwurzeln, Sellerie,

Spargel, Spinat, Staudensellerie,

Tomaten, Zucchini; Kopfsalat,

Chicoree, Lollo Rosso, Endivie,

Kohlsorten evtl. wenn stark

zerkleinert

grobe Kohlsorten, z.B. Weiß-,

Rot-, Grünkohl, Wirsing,

Sauerkraut, Hülsenfrüchte

(getr. Linsen, Erbsen, Bohnen);

Zwiebeln, Rettich, Radieschen,

Steinpilze, Pfifferlinge, rohe

Gurken, Paprika, Oliven, rote

Beete, Lauch, Tomaten

Gewürze,

Würzmittel

Muskat, Koriander, Kümmel,

Nelken, Wacholderbeeren,

Kurkuma, Petersilie, Dill, Salbei,

Basilikum, Estragon, Oregano,

Thymian, Anis in Maßen;

Zwiebeln, Knoblauch,

Meerrettich, scharfer Paprika,

Senf, Schnittlauch, scharfer

Pfeffer, Chili

__________________________________________________________________________ 77

Downloadversion der Informationen

Gemüsebrühe, Sojasaucen

(Tamari, Shoyu), Gomasio

(Sesam+Salz)

Nüsse in Maßen, Verträglichkeit testen

Süßwaren in Maßen, Verträglichkeit testen sehr süße Speisen,

Schokolade, Pralinen

Getränke Kräutertees, Früchtetees

ausprobieren; ungesüßte Obst-

(Vorsicht Zitrusfrüchte) und

Gemüsesäfte, kohlensäurearmes

Mineralwasser

Limonaden,

kohlensäurereiches

Mineralwasser, übermäßiger

Kaffe- und Teegenuss sowie

Alkohol

Hinweise auf verträgliche und weniger gut verträgliche Lebensmittel und Speisen [Quelle: Biller, 2001, S. 52; Kluthe et al.,

2008, S. 1975ff]

Auf individuelle Nahrungsmittelintoleranzen (Lactose, Fructose, Sorbit) achten!

Die Morbus Crohn-P >atienten sollen in der Remissionsphase eine individuelle

Ernährungsberatung bekommen. Mit Hilfe der obigen Tabellen / Auflistung und unter Wahrung

einer ausgewogenen und ausreichenden Kost ( Volkost

Nach dem Rationalisierungsschema 2004 der verschiedenen deutschen Verbände und Gesellschaften (u.a. Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM), Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Verband der Diplom-Oecotrophologen (VDOE)) wird die Vollkost wie folgt definiert:

Eine Vollkost ist eine Kost, die

1. den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt,

2. in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt,

3. Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und auch zur Therapie

berücksichtigt,

4. in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst

ist, soweit Punkt 1. – 3. nicht tangiert werden.

Die Vollkost sollte sich an den Empfehlungen der DGE orientieren:

maximal 2- bis 3- mal pro Woche Fleisch- oder Wurstmahlzeiten

1- bis 2- mal pro Woche eine Seefischmahlzeit (Omega-3-Fettzufuhr)

ansonsten vegetarische Kost bevorzugen

5 Portionen Obst und Gemüse am Tag.

Energiemenge und Nährstoffverteilung:

__________________________________________________________________________ 78

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Energie: 2000 kcal

Eiweiß: 15 Energie-%

Fett: 30 Energie-%

Kohlenhydrate: 55 Energie-%

[Kluthe et al., 2004, S. 245f].

) sollen jene Lebensmittel und Speisen aus dem Kostplan gestrichen werden, die nach den

persönlichen Erfahrungen der Patienten Beschwerden verursachen. Eine generelle

„Verbotsliste“ gibt es nicht! Die Tabellen bzw. die Auflistung sollen lediglich zur groben

Orientierung dienen und helfen die individuellen Unverträglichkeiten zu ermitteln [Kasper, 2004,

S. 557].

__________________________________________________________________________ 79

Malnutrition und Defizite an Vitaminen und Spurenelementen

__________________________________________________________________________ 80

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Malnutrition = Sammelbegriff für eine Fehl- oder Mangelernährung [Pschyrembel, 2002].

Malnutrition

Sowohl stationäre als auch ambulante Patienten mit Morbus Crohn weisen häufig Zeichen einer

allgemeinen Mangelernährung auf. Die Mangelzustände sind meist abhängig von der

Lokalisation der Entzündung und der Krankheitsaktivität. So treten Mangelerscheinung z.B. bei

einem ausgedehnten Dünndarmbefall vermehrt auf, weil die Nährstoffe nicht richtig resorbiert

werden können.

Die nachstehende Tabelle zeigt noch einmal die Häufigkeit von verschiedenen

Mangelerscheinungen bei Morbus Crohn:

Mangelversorgung Häufigkeit [%]

Gewichtsverlust 60 – 75

Hypalbuminämie 25 – 80

Negative N-Bilanz 65 – 70

Anämie 60 – 80

Eisen 40

Vitamin B12 50

Folsäure 40 – 50

Vitamin D 25 – 75

Zink 20 – 40

Calcium 13

Magnesium 15 – 30

Kalium 5 – 20

Häufigkeit von Mangelernährungen bei Morbus Crohn [Quelle: Kasper, 2004, S. 161]

Die Entstehung einer Malnutrition ist multifaktoriell bedingt. Die folgende Animation soll einige

mögliche Ursachen für die Nährstoffdefizite aufzeigen.

__________________________________________________________________________ 81

Mögliche Ursachen für eine Malnutrition

__________________________________________________________________________ 82

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Für eine Mangelernährung können verschiedene Faktoren verantwortlich sein. Bei Morbus Crohn-

Patienten ist eine ungenügende Nahrungszufuhr ein wesentlicher Faktor, der zu einer

Mangelernährung beitragen kann.

Die ungenügende Nahrungszufuhr kann unterschiedliche Gründe haben. Nicht selten ist eine

Appetitmangel ursächlich, der meist durch das allgemeine Unwohlsein und das Krankheitsgefühl

hervorgerufen wird.

Auch kann es zum Erbrechen der Nahrung kommen.

Des Weiteren kann die Nahrungsaufnahme durch Angst vor erneuten Durchfällen und

Bauchschmerzen sehr gering ausfallen, da die abdominellen Beschwerden nach den Mahlzeiten

vermehrt auftreten.

Ein weiterer Grund für die Malnutrition kann eine gestörte Nährstoffabsorption sein.

Durch vorliegende Nahrungsmittelintoleranzen kann es zu Durchfällen kommen, die eine

beschleunigte Darmpassage mit sich ziehen. So können die Nährstoffe nicht ausreichend in den

Körper aufgenommen werden.

Auch durch eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms kann es zu einer Malabsorption

kommen. Die Bakterien zersetzen die Nährstoffe im Dünndarm bevor diese resorbiert werden können

und verursachen Durchfälle.

Ein ausgedehnter Befall des Dünndarms kann ebenfalls zu einer Malabsorption führen. Die stark

entzündeten Schleimhäute sind dann nicht mehr in der Lage die Nährstoffe richtig zu resorbieren.

Ein anderer Grund für die Malnutrition können die krankheitsbedingten erhöhten Verluste von

Nährstoffen sein.

So kann es z.B. zum Gallensäureverlustsyndrom und somit zu einer vermehrten Ausscheidung von

Fettsäuren über den Stuhl kommen.

Auch das Eiweißverlustsyndrom tritt bei Morbus Crohn-Patienten gehäuft auf.

Weiterhin ist zu beachten, dass es zu einer Interaktion zwischen Medikamenten und

Nahrungsmittelinhaltsstoffen kommen kann, die teilweise zu Mangelzuständen führen. [Quelle:

Biesalski, 2004, S. 355; Kasper, 2004, S. 161]

Im Folgenden wird auf einige wichtige Mangelzustände bzw. Ursachen und die damit

verbundenen ernährungstherapeutischen Maßnahmen genauer eingegangen.

Gewichtsverlust und allgemeine Malnutrition

__________________________________________________________________________ 83

Gewichtsverlust [Quelle: American Lifestyle, 2008]

Der Grundumsatz von Morbus Crohn-Patienten ist in der akuten Entzündungsphase erhöht. Der

Grundumsatz ist also abhängig von der Entzündungsaktivität der Erkrankung. Da in einem

akuten Schub die körperliche Aktivität jedoch meist stark eingeschränkt bzw. vermindert ist, wird

vermutlich der erhöhte Energiebedarf kompensiert. So unterscheidet sich letztendlich der

Gesamtenergiebedarf nicht mehr von dem eines Gesunden.

Auf der anderen Seite korreliert die Fettoxidation deutlich mit der Krankheitsaktivität.

Kalorimetrische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Stoffwechsellage unbehandelter

Patienten, die sich in einem akuten Schub befinden, einem „Hungerstoffwechsel“ gleicht. Dies

wird als eine Folge der Mangelernährung gesehen [Hoffmann et al., 2004, S. 193; Stein

(Leitlinien der DGVS), 2003, S. 63].

Gewichtsverlust und Malnutrition sind nicht nur in der akuten Krankheitsphase von Bedeutung.

Darüber hinaus müssen in der Remissionsphase die „leeren Energiereserven“ wieder aufgefüllt

und Defizite ausgeglichen werden. Der Organismus soll auf einen erneuten Entzündungsschub

vorbereitet werden.

Ernährungstherapeutische Maßnahmen:

Grundsätzlich wird bei einer vorliegenden Malnutrition eine Supplementierung

Supplementation bedeutet „im medizinischen bzw. Ernährungszusammenhang die erhöhte (ergänzende) externe Verabreichung von Substanzen, für die im Organismus aufgrund einer besonderen physiologischen oder Versorgungssituation ein erhöhter Bedarf besteht (z.B. Nährstoffe). Vgl: Substitution“ [Maid-Kohnert et al., 2002].

Substitution bedeutet „im medizinischen bzw. Ernährungszusammenhang der Ersatz von im Körper nicht ausreichend synthetisierten / resorbierten bzw. übererhöht ausgeschiedenen Substanzen (Flüssigkeit, Enzyme) durch externe Verabreichung“ [Maid-Kohnert et al., 2002].

mit einer nährstoff-definierten Formeldiät empfohlen. Es sollten ca. 500 ml pro Tag zugeführt

werden. Eine zusätzliche orale Zufuhr von Nährstoffen über enterale Präparate soll den

Ernährungszustand verbessern und wird insbesondere bei Kindern empfohlen, um einer

Wachstums- und Entwicklungsverzögerung entgegenzuwirken. Eine Verbesserung des

Ernährungszustandes wirkt sich positiv auf das Allgemeinbefinden und die Lebensqualität der

Patienten aus und stärkt den Körper im Kampf gegen die Entzündungen. Auch sollte durch eine

Supplementierung / Supplementation:

Substitution:

__________________________________________________________________________ 84

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Angepasst an die diätetischen Maßnahmen des Morbus Crohn können zur Steigerung des

Appetites folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Vor dem Essen einen Spaziergang an der frischen Luft machen.

Häufige kleine Mahlzeiten mit attraktiven Zwischenimbissen, unter

Umständen auch spät abends und evtl. in der Nacht.

Kleine Portionen mit möglichst hoher Energie- und Nährstoffdichte anbieten.

Die dem Patienten angenehmste Speisekonsistenz (fest, breiig, flüssig) herausfinden.

Speisen besonders sorgfältig abschmecken und unter bestmöglicher

Nutzung aller verfügbaren Würztechniken schmackhaft machen.

Individuelle Wünsche weitestgehend berücksichtigen, nicht zusagende

Nahrungsmittel und Gerichte vermeiden.

Abwechslung im Speiseplan und in der Zubereitungsweise der

Mahlzeiten schaffen. Den Betroffenen eine Auswahlmöglichkeit bieten.

Die verschiedenen Lebensmittel wenn möglich in unterschiedlichen

Geschmacksrichtungen, Farben, und Texturen anbieten um die Sinne anzuregen.

Ansprechendes und appetitliches Anrichten des Essens, schön gedeckter

individuelle und ausführliche Ernährungsberatung einer einseitigen Ernährung entgegengewirkt

werden. Die Patienten sollen an eine ausgewogene und vollwertige Kost im Sinne der leichten

Vollkost herangeführt werden [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 63f]. Darüber hinaus, soll

durch eine gute ernährungstherapeutische Aufklärung und die Ermittlung der persönlichen

unspezifischen Lebensmittelintoleranzen die Angst vor der Nahrungsaufnahme minimiert bzw.

genommen werden. Zusätzlich sollte durch diätetische Maßnahmen den spezifischen Ursachen

für den Gewichtsverlust entgegengewirkt werden.

Empfehlungen bei Appetitmangel

Appetitmangel [Quelle: Jaeck, 2008]

__________________________________________________________________________ 85

Tisch, aufmerksames Servieren.

Auch Gesellschaft während des Essens kann sich positiv auf den Appetit auswirken.

Einen Schwerpunkt auf das erste Frühstück legen, da dieses häufig am besten von

allen Mahlzeiten angenommen wird.

Ansonsten jedoch keine starren Essenszeiten mit dem Zwang zur

Nahrungsaufnahme. Den Kranken essen lassen, wann immer er mag!

Bei Durst energiereiche Getränke wählen, wie z.B. ein Milchmischgetränk (Vorsicht bei

Lactoseintoleranz) oder eine schmackhafte Formula-Trinknahrung

[Heepe et al., 2002, S. 170; Koula-Jenik, 2006, S. 369f].

Hypalbuminämie, negative Stickstoffbilanz und Eiweißverlustsyndrom

Eiweißmangel [Neue Rheinische Zeitung, 2008]

Hypalbuminämie:

Bei einer Hypalbuminämie ist das Albumin

Albumin ist der Haupteiweißbestandteil des Blutplasmas (52 – 62% des Gesamteiweißes). Albumin wird in der Leber aus Aminosäuren gebildet. Es ist verantwortlich für die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks, der die Flüssigkeitsverteilung im Körper regelt. Albumin kommt also in Körperflüssigkeiten (z.B. Lymphe), als Laktalbumin in der Muttermilch und auch im Muskelgewebe vor. Des Weiteren kommt Albumin als Transportprotein für wasserunlösliche Stoffe wie z.B. die freien Fettsäuren, Hormone, Bilirubin und Medikamente im Blut zum Einsatz [Pschyrembel, 2002; Schaenzler et al., 2004, S. 42].

im Blut erniedrigt. Grundsätzliche Ursachen dafür können sein: eine vermehrte Ausscheidung,

ein beschleunigter Abbau oder eine verminderte Synthese [Pschyrembel, 2002]. Der

Albuminspiegel im Blut ist häufig bei akuten und chronischen Entzündungen erniedrigt. Ein

__________________________________________________________________________ 86

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niedriger Albumin-Wert weist auf einen Eiweißmangel hin [Schaenzler et al., 2004, S. 42/94].

Negative Stickstoffbilanz:

Die Stickstoffbilanz im menschlichen Organismus wird über die Differenz von Stickstoffaufnahme

(Proteine) und Stickstoffausscheidung (v.a. Harnstoff) definiert. Eine negative Stickstoffbilanz

bezeichnet einen Nettoverlust (z.B. beim Fasten) des Körpers an Stickstoff [Pschyrembel, 2002].

Es wird also zu wenig Eiweiß zugeführt oder vom Körper aufgenommen.

Eiweißverlustsyndrom:

Das Eiweißverlustsyndrom (auch exsudative Enteropathie) ist durch einen angeborenen oder

erworbenen massiven Proteinverlust gekennzeichnet. Beim gesunden Menschen treten täglich

(physiologisch begründet) Plasmaproteine durch die Darmschleimhaut in Darmlumen aus.

Dieser natürliche enterale Eiweißverlust wird normalerweise schnell durch täglich neu

synthetisierte Plasmaproteine ausgeglichen. Der Verlust liegt weit unterhalb der täglich neu

produzierten Menge. Pathologische Wandveränderungen des Magen-Darm-Traktes können

jedoch dafür sorgen, dass der natürliche enterale Eiweißverlust so weit gesteigert wird, dass die

Neusynthese diesen Verlust nicht mehr ausgleichen kann. Bei Morbus Crohn ist also das

Eiweißverlustsyndrom auf dieentzündlich, ulcerös veränderten Schleimhäute zurückzuführen.

Symptome sind u.a. Ödem

Ein Ödem ist eine nicht gerötete Schwellung, die durch die Ansammlung von wässriger Flüssigkeit (aus dem Serum) in den Gewebespalten (z.B. der Haut) und Schleimhäute bedingt ist [Pschyrembel, 2002].

bildung und Hypalbuminämie [Kasper, 2004, S. 174; Pschyrembel, 2002].

Beispiel Ödem [Capio Klinik am Park, 2008]

Ernährungstherapeutische Maßnahmen:

Um den oft erheblichen Eiweißverlust und generell den Eiweißmangel bei Morbus Crohn-

Patienten auszugleichen wird ein hoher Verzehr von biologisch hochwertigem Eiweiß

empfohlen. Durch die Verwendung von biologisch hochwertigem Eiweiß kann die Gesamtzufuhr

an Eiweiß in Grenzen gehalten und eine unnötige Belastung der Niere mit

Eiweißabbauprodukten vermieden werden. Eine Gesamteiweißzufuhr von 1,5 g pro kg

Körpergewicht pro Tag sollte nicht überschritten werden. Sie stößt meist auf eine natürliche

Ablehnung des Körpers [Kluthe et al., 2008, S. 2062].

__________________________________________________________________________ 87

Die nachstehende Tabelle zeigt die Biologische Wertigkeit verschiedener ausgewählter

Lebensmittel und Lebensmittelkombinationen.

Lebensmittel Biologische

Wertigkeit

Vollei und Kartoffel (35% / 65%)

Vollei und Milch (71% / 29%)

Vollei und Weizen (68% / 32%)

Bohnen und Mais (52% / 48%)

Vollei

Kartoffel

Kuhmilch

Rindfleisch

Edamer Käse

Schweizer Käse

Soja

Reis

Roggenmehl

Grünalgen

Mais

Bohnen

Weizenmehl

137

122

118

101

100

90 – 100

84 – 88

83 – 92

85

84

84

83

76 – 83

81

72 – 76

73

59

Biologische Wertigkeit von Proteinen und Proteingemischen beim Menschen [Quelle: Kasper, 2004, S. 354]

Ist die Aufnahme der erforderlichen Menge an Eiweiß zu einem Ausgleich des Defizits mit einer

eiweißreichen Kost allein nicht möglich, empfiehlt es sich industriell hergestellte

Eiweißkonzentrate (z.B. Protein 88®, BW = 88) einzusetzen [Heepe et al., 2002, S. 21; Kasper,

2004, S. 565].

Gallensäureverlustsyndrom und Steatorrhö

Bei Morbus Crohn kann es auf Grund eines entzündeten Ileums zum

Gallensäureverlustsyndrom (auch chologene Diarrhö) kommen. Folge sind meist wässrige

Durchfälle und Steatorrhö.

__________________________________________________________________________ 88

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Als Gründe für das erhöhte Vorkommen von Oxalsäure werden diskutiert:

Glycin (tritt mit Gallensalzen vermehrt ins Colon über) wird bakteriell in Glyoxalat

umgewandelt; dieses wird nach der Absorption in der Leber zu Oxalsäure

umgewandelt.

Die gestörte Fettabsorption hat zur Folge, dass sich Kalziumionen mit Fettsäuren zu

unlöslichen Kalkseifen verbinden [Kasper, 2004, S. 174].

Ernährungstherapeutische Maßnahmen bei Gallensäureverlustsyndrom mit Steatorrhö

(dekompensiertes Gallensäureverlustsyndrom):

Fettarme Kost (angepasst an die individuelle Toleranz) → Reduktion des

Gesamtfettgehalts der Kost auf 35 – 50 g/Tag (= 15 – 25 % der Energiezufuhr; mäßig

fettarme Kost) oder < 25 g/Tag (= 10 – 15 % der Energiezufuhr; streng fettarme Kost).

Die LCT-Fette sollten durch MCT-Fette

MCT-Fette (medium chain triglycerides; mittelkettige Triglyceride) haben gegenüber LCT-Fetten den Vorteil, dass sie nicht durch Gallensäuren und Enzyme aufgespalten werden müssen um über die Darmschleimhaut in die Blutbahn aufgenommen zu werden. Ihre Verdauung ist leicht und schnell. Jedoch haben MCT-Fette einen geringeren Energiegehalt als LCT-Fette (1 g LCT = 38,9 kJ (9,0 kcal); 1 g MCT = 34,7 kJ (8,3 kcal)).

Ist das terminale Ileum entzündet und somit die Wand des Dünndarmabschnittes pathologisch

verändert, kann es zu einer Störung im enterohepatischen Kreislauf der Gallensäure kommen.

Die Gallensäure wird dann nicht wie sonst im terminalen Ileum rückabsorbiert, sondern gelangt

weiter ins Colon und wird anschließend über den Stuhl ausgeschieden. Die Folge ist letztendlich

eine verminderte Ausnutzung des Nahrungsfettes und der fettlöslichen Vitamine. Auch die

Gefahr der Oxalsäuresteinbildung ist erhöht.

MCT-Fette

LCT-Fettverdauung [Quelle: basis GmbH, 2005]

__________________________________________________________________________ 89

Der Ersatz von LCT durch MCT sollte langsam und schrittweise erfolgen. Anderenfalls kann es bei ungewohntem Verzehr von größeren Mengen an MCT-Fetten zu folgenden Nebenwirkungen kommen: abdominelle Schmerzen, Erbrechen, Übelkeit und Kopfschmerzen. Empfohlen wird mit einer Tagesmenge von 10 – 20 g/Tag zu beginnen und diese dann langsam zu steigern. Tagesmengen von 100 – 150 g MCT werden im Normalfall gut vertragen, insofern sie gleichmäßig über den Tag verteilt verzehrt werden. MCT-Fette sind kontraindiziert bei Gefahr einer Ketoacidose. Zu beachten ist jedoch, dass MCT-Fette nicht lange und hoch (> 100°C) erhitzt werden dürfen. Braten, Schmoren, Frittieren etc. mit MCT-Fett ist also nicht möglich. Empfohlen wird daher die MCT-Fette erst nach dem Erhitzen zu den Speisen zu geben. Auch längeres Stehen lassen oder Wiederaufwärmen von MCT-haltigen Speisen sollte vermieden werden, da ein bitterer Nachgeschmack entsteht. Alleiniger Hersteller von MCT-Produkten in Deutschland ist die basis GmbH. Basis GmbH: www.basisgmbh.com [Heepe et al., 2002, S. 49/574; Kasper, 2004, S. 13/561].

ersetzt werden. Auf eine bedarfsgerechte Versorgung mit essentiellen Fettsäuren muss

geachtet werden!

Calciumreiche Kost

Vermehrter Einsatz calciumreicher Lebensmittel (insbesondere Milch

und fettarmer Käse).

Magermilchpulver für gebundene Suppen, Soßen, Kartoffelpüree,

Cremespeisen etc. verwenden.

Verzehr von calciumangereicherten Fruchtsäften.

Calciumreiche Mineralwässer bevorzugen (> 400 mg Ca/l, möglichst mit

< 500 mg Na und > 100 mg Mg pro Liter)

[Heepe et al., 2002, S. 545].

MCT-Fettverdauung [Quelle: basis GmbH, 2005]

Calciumreiche Kost

__________________________________________________________________________ 90

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(> 1500 mg Calcium pro Tag, evtl. medikamentöse Supplementierung).

Oxalatarme Kost

Die Oxalatzufuhr sollte auf unter 50 mg/Tag (sprich < 10 mg pro Mahlzeit) herabgesetzt werden. Dafür sollten oxalatreiche Lebensmittel vermieden werden. Jedoch schwankt der Oxalatgehalt der einzelnen pflanzlichen Lebensmittel - in Abhängigkeit vom Anbaugebiet, Klima, Jahreszeit, Alter der Pflanze etc. – stark [Heepe et al., 2002, S. 584]. Die folgende Tabelle zeigt zur Orientierung eine größenordnungsmäßig abgeschätzte Verteilung:

(Vorbeugung gegen Oxalatsteine).

Auf eine hohe Flüssigkeitszufuhr achten.

Eine eher ballaststoffarme Ernährung anstreben.

Häufige, kleine Mahlzeiten (5 – 6 pro Tag).

Oxalatarme Kost

Oxalsäuregehalt ausgewählter Lebensmittel (mg / 100 g)

Tee, schwarz

Rhabarber

Spinat

Kakaopulver

Rote Bete

Schokolade (Kakaoanteil 40%)

Milch-Schokolade (Kakaoanteil 30%)

Bohnen, grün

Nuss-Nougat-Creme (Kakaoanteil 2,8 – 5,6%)

Brot, Vollkorn

Stachelbeeren

Himbeeren

Erdbeeren

Brombeeren

Pflaumen

Johannisbeeren, rot

910

460

442

396

181

88

56

44

36

21

19

16

16

12

12

10

Oxalsäuregehalt ausgewählter Lebensmittel [Elmadfa, 2004/2005, S. 101]

__________________________________________________________________________ 91

Alkoholkarenz.

Fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) sollten gegebenenfalls substituiert werden, eventuell

auch Vitamin B12 und Eisen

[Heepe et al., 2002, S. 204, 470f].

Hohe Flüssigkeitszufuhr.

Fettlimitierte (25% der Energiezufuhr) leichte Vollkost.

Ballaststoffe reduzieren.

Je nach Schweregrad der Durchfälle ist eine antidiarrhoische Kost empfehlenswert

[Heepe et al., 2002, S. 204].

Ernährungstherapeutische Maßnahmen bei Gallensäureverlustsyndrom ohne Steatorrhö

(kompensiertes Gallensäureverlustsyndrom):

Defizite an Vitaminen und Spurenelementen

Defizite an Vitaminen und Spurenelementen [Quelle: Weingut Frisch, 2008]

Verläuft ein Morbus Crohn ohne Komplikationen, so ist eine generelle Substitution von

Vitaminen und Spurenelementen nicht sinnvoll [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Jedoch ist es in der Ernährungsberatung grundsätzlich von Bedeutung zu wissen, welche

typischen Defizite an Vitaminen und Spurenelementen bei Morbus Crohn gehäuft auftreten.

Diese sollten bei der Beratung immer mit bedacht werden. Eine ausgewogene Ernährung kann

Mangelzuständen vorbeugen. Da es nur bei Verdacht auf Mangelzustände empfohlen wird eine

Labordiagnostik der Vitamin- und Spurenelementversorgung durchzuführen, ist es besonders

wichtig auf typische Symptome der Mangelerscheinungen zu achten, z.B. Hautveränderungen

bei Zink und Eisenmangel [Schreiber et al. (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 22]. Bei bestehender

Mangelversorgung kann es – auf Grund der gehäuften individuellen Intoleranzen - schwierig

werden die Defizite mit Hilfe von besonders reichhaltiger Kost auszugleichen.

Eisen:

Bei einem über das Blutbild nachgewiesenen Eisenmangel

__________________________________________________________________________ 92

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Typische Symptome bei Eisenmangel:

Müdigkeit, Blässe

Kopfschmerzen

Appetitlosigkeit

Diarrhö, Obstipation und Flatulenz

trockene und spröde Haut

brüchige Haare und Nägel

Nasenschleimhautatrophie

Mundwinklerhagaden (spaltförmiger Einriss der Haut)

Zungenbrennen

Schluckbeschwerden

[Pschyrembel, 2002].

(Anämie) sollte an erster Stelle oral Eisen substituiert werden. Empfohlen wird mit ca. 100 mg/d

für 4 Wochen zu beginnen. Werden die Eisentabletten nicht vertragen oder steigt der Hb-Wert

nur unzureichend an (weniger als 2 g/dl), sollte mit einer intravenösen Eisenzufuhr fortgefahren

werden [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Vitamin D:

Infolge einer langfristigen Steroidtherapie (> 6 Monate) kommt es häufig zu einer

Mangelversorgung mit Vitamin D. Auf Grund dessen wird empfohlen bei einer langfristigen

Behandlung mit Steroiden Vitamin D (1000 IE/Tag) zu substituieren [Stein (Leitlinien der DGVS),

2003, S. 64].

Calcium:

Calcium

Die ausreichende Versorgung des Organismus mit Calcium ist besonders wichtig. Als „Spätfolge“ des Morbus Crohn kommt es häufig zur Osteoporose. Um dies zu verhindern wird bei Morbus Crohn eine calciumreiche Kost empfohlen [Heepe et al., 2002, S. 410f].

wird unter dem Einfluss von Vitamin D in den Organismus aufgenommen. Ein Mangel an Vitamin

D hat zur Folge, dass nicht genügend Calcium absorbiert werden kann. Bei einer langfristigen

Steroidtherapie wird empfohlen zusätzlich Calcium (1000 mg/Tag) zu substituieren. [Stein (Leitli

nien der DGVS), 2003, S. 64].

Vitamin B12:

Ein manifester Mangel an Vitamin B12

Folgen des Vitamin B12 -Mangels:

__________________________________________________________________________ 93

Die Absorption von Vitamin B12 erfolgt ausschließlich im terminalen Ileum. So kommt

es bei einem ausgedehnten Dünndarmbefall häufig zu einer Mangelversorgung. Ein Mangel an Vitamin B12 führt zu einer Verminderung der Zellteilung im Knochenmark und in folge dessen zu einer perniziösen Anämie (Blutarmut) [Kasper, 2004, S. 41].

wird anfänglich mit einer intramuskulären Injektion von 1000 µg täglich behandelt. Nach 5 Tagen

werden monatlich 1000 µg verabreicht [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Zink:

Bei nachgewiesenem Zinkmangel

Minderwuchs

Störung des Geschmacks- und Geruchssinnes

Gestörte Wundheilung

Haarausfall

Hautveränderungen (Akrodermatitis enteropathica)

Konjunktivitis (Augenbindehautentzündung)

Glossitis (Zungenentzündung)

Psychische Störungen

[Kasper, 2004, S. 65/426].

sollten 200 bis 400 mg Zink in Form von Sulfat oder Glukonat oral substituiert werden [Stein

(Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Typische Symptome bei Zinkmangel:

Hautveränderungen bei Zinkmangel (Akrodermatitis enteropathica) [Quelle: Dermatology Online Journal, 2007]

Für alle weitern Vitamine und Spurenelemente gelten die allgemeinen Empfehlungen für die

Substitution [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Folsäure:

__________________________________________________________________________ 94

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Überblick Kostanreicherung bei Morbus Crohn

Ergänzende Trinknahrungen

hochkalorische Trinknahrungen

verschiedene Zusammensetzungen, je nach Indikation

mit oder ohne Aroma, in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen

Bei Folsäuremangel erfolgt eine meist orale medikamentöse Substitution von 3x5 mg/Tag. Bei

vorliegender Absorptionsstörung werden parenteral 2 – 3mal pro Woche 10 – 20 mg Folsäure

verabreicht. Zusätzlich sollte - wenn trotz des Morbus Crohn möglich - auf eine folsäurereiche

Kost geachtet werden. Folsäuremangel geht oft mit einem Mangel an Vitamin B12 einher [Heepe

et al., 2002, S. 258f].

Magnesium:

Ein Magnesiummangel im Blut sollte zunächst versucht werden durch eine Erhöhung des

Magnesiumgehaltes der Kost auszugleichen. Ist die Nahrungsaufnahme unzureichend oder ist

der Mangel sehr hoch, so sollte Magnesium zusätzlich medikamentös substituiert werden (4,5 –

9 mg = 0,185 – 0,375 mmol pro kg Körpergewicht/Tag oder mehr). In sehr schweren Fällen

muss auf eine parenterale Zufuhr über eine kontinuierliche Infusion zurückgegriffen werden

[Heepe et al., 2002, S. 319].

Kalium:

Bei einem Kaliummangel wird ähnlich verfahren wie bei Magnesiummangel. Zunächst sollte

versucht werden das Defizit durch eine kaliumreiche Kost auszugleichen (6 – 8 g Kalium/Tag).

Der nächste Schritt wäre eine medikamentöse Substitution von ca. 1,6 – 4,7 g Kalium/Tag. Ist es

jedoch nicht möglich auf oralem Wege ausreichend Kalium aufzunehmen, muss auf eine

parenterale Kaliumzufuhr zurückgegriffen werden [Heepe et al., 2002, S. 318].

Einen Überblick über die Kostanreicherung bei Morbus Crohn können Sie sich bei Interesse hier

ansehen.

Überblick Kostanreicherung bei Morbus Crohn

Beispiele geeigneter Produkte:

Biosorb Energy® (Pfrimmer Nutricia)

Fresubin® energy Drink (Fresenius)

Isosource® ENERGY (Nestlé Clinical Nutrition)

Nutricomp® Energy (B Braun)

Ensure® Plus Drink (Abbott)

Hinweis: Trinknahrungen sind bei Morbus Crohn verschreibungsfähig!

Kalorienanreicherung z.B.

__________________________________________________________________________ 95

Vitamin- und Nährstoffpräparate

nur bei nachgewiesenem Mangel

nach ärztlicher Anordnung

nach Rücksprache mit dem Arzt

mit Maltodextrin 19®

ist ein Glucose-Saccharid-Gemisch, das aus Maisstärke gewonnen

wird

als Pulver zum untermischen

ist in Apotheken erhältlich

Eiweißanreicherung z.B.

Protein 88® (BW = 88)

Eiweiß-Konzentrat Braun® (BW = 83)

In Pulverform zum untermischen

In Apotheken erhältlich

[Heepe et al., 2002, S. 21]

Hinweis: Eiweißkonzentrate sollten nicht langfristig (d.h. Monate) verabreicht werden,

da sie die Calciumausscheidung über den Urin erhöhen [Kasper, 2004, S. 58]!

Wichtige Vitamine und Mineralstoffe bei MC:

Eisen, Zink, Calcium, Magnesium, Kalium, Vitamin D, Vitamin B12 , Folsäure

Internetlinks:

Es soll für die Lernenden möglich sein den Überblick über die Kostanreicherung bei Morbus Crohn auszudrucken.

__________________________________________________________________________ 96

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Ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Linderung der Symptome und bei Komplikationen

Um die Lebensqualität der Patienten zu steigern und ihr Allgemeinbefinden zu verbessern,

können einige diätetische Maßnahmen zur Linderung der Symptome des Morbus Crohn ergriffen

werden. Auch gibt es einige mögliche Komplikationen bei denen ein spezielles

Ernährungsverhalten indiziert ist. Diese Maßnahmen sollen zuzüglich zu der Ernährungstherapie

im akuten Entzündungsschub und in der Remissionsphase angewandt werden. Auf die

ernährungstherapeutischen Maßnahmen bei extraintestinalen und nichtkrankheitsspezifischen

Komplikationen – wie Gallensteine, Nierensteine und Osteoporose – wird an dieser Stelle nicht

näher eingegangen, da sie Thema anderer Lerneinheiten sind. Im Folgenden wird auf die

verschiedenen diätetischen Indikationen näher eingegangen.

__________________________________________________________________________ 97

Des Weiteren sollte beachtet werden:

Zu opulente und voluminöse Mahlzeiten sind zu vermeiden. Sie führen häufig zu einer

Zunahme der Beschwerden. Besser ist es kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen.

Auch sollte langsam gegessen und die Nahrung sorgfältig gekaut werden.

Luftschlucken beim Essen und Trinken, z.B. durch Kauen mit offenem

Mund oder Trinken mit gleichzeitigem Einatmen, sollte vermieden werden.

Eventuell kann es helfen zeitversetzt zum Essen zu trinken.

Trinken mit dem Strohhalm, Lutschen von Bonbons und Kauen von Kaugummis

fördern das Eindringen von Luft in den Bauchraum und sollten deshalb unterlassen

werden.

Entblähende Kräutertees wie z.B. Anis, Fenchel, Kümmel können helfen die

Beschwerden zu lindern.

Zwar sind vielfach Ballaststoffträger für die Blähungen verantwortlich, dennoch ist aus

physiologischen Gründen auf eine ausreichende Ballaststoffzufuhr zu achten. Wenig

Diätetische Maßnahmen bei Meteorismus, Flatulenz

Meteorismus, Flatulenz [Quelle: medführer GmbH, 2008]

Morbus Crohn-Patienten leiden vielfach unter abdominellen Schmerzen, die zu einem großen

Teil durch Luft im Bauchraum hervorgerufen werden. Diese Bauchschmerzen auf Grund von

Blähungen können durch einige ernährungstherapeutische Maßnahmen gelindert werden.

Zunächst sollten die individuell als blähend empfundenen Nahrungsmittel, Gerichte und

Zubereitungsarten herausgefunden und aus dem Ernährungsplan gestrichen werden. Zu

empfehlen ist dazu das Führen eines Ernährungsprotokolls.

Häufige Auslöser von Blähungen sind:

Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen), fett geschmorter Kohl (wie Rosenkohl,

Grünkohl, Sauerkraut), Zwiebeln, Schwarzwurzeln und Steckrüben, Knollensellerie,

Rettich, rohe Pflaumen und Trockenobst, grobes Schwarzbrot, frisches Hefegebäck,

Getreiderohbreie, Apfelsaft, Kohlensäurehaltige Getränke (Bier!), Sorbit und andere

Zuckeraustauschstoffe, sowie Lactose und Lactulose.

[Quelle: Heepe et al., 2002, S. 376f]

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blähend wirkende Ballaststoffträger sind: altbackenes Vollkornbrot, Grahambrot,

Vollkornknäckebrot, gekochte Vollkornhaferflocken, schwedische Kruska,

Leinensamenschrot und Flohsamenmehl

[Heepe et al., 2002, S. 376f].

__________________________________________________________________________ 99

Alternative Möglichkeiten sind:

gesalzene Brühe mit Nudeln oder Reis

gezuckerter Tee

verdünnte und zuckerhaltige Limonaden oder Colagetränke und gesalzenes

Brot/Gebäck

[Heepe et al., 2002, S. 238f].

Zusätzlich werden alle Arten der Schleimdiät (z.B. Haferschleim, Reisschleim, Gerstenschleim)

und Pectinkost empfohlen, um das Wasser im Körper zu binden:

pürierte Banane, sehr fein geriebener Apfel (mit Schale, ohne Kerne und Gehäuse)

Karottenbrei (3 Std. kochen, pürieren und durch ein Sieb streichen) oder

Säuglingsnahrung (Karottenmus)

Johannisbrotmehlsuppe

Heidelbeersaft

Fertigpräparate:

Bessau-Reisschleim®

Humana-Reisschleim®

[Heepe et al., 2002, S. 589/600].

Diätetische Maßnahmen bei chronischer Diarrhö

Chronische Diarrhö [Quelle: M + W Media GmbH, 2008]

Bei Durchfall und insbesondere bei chronischer Diarrhö ist es wichtig die daraus

hervorgehenden Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Dies kann z.B. mit Hilfe

einer Glucose-Elektrolyt-Lösung geschehen, die es als Fertigpräparat in Apotheken zu kaufen

gibt. Geeignete Präparate im deutschen Handel sind u.a.: Elotrans®, Saltadol®, Milupa GES

60®, Oralpädon®. Das Ausmaß der Dehydratation bestimmt die benötigte Tagesmenge. Beim

Erwachsenen werden in der Regel 2 – 3 Liter empfohlen, wobei andere Getränke zusätzlich in

beliebiger Menge zugeführt werden können.

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Diätetische Maßnahmen bei Fisteln

Es gibt keine Studien die belegen, dass eine enterale oder parenterale Ernährung eine

anhaltende Verbesserung des Fistelleidens mit sich ziehen. Der positive Effekt der künstlichen

Ernährung auf ein Fistelleiden wird auf die Reduktion der gastrointestinalen Sekretion und

Verringerung der Stuhlfrequenz und des Stuhlvolumens zurückgeführt. Jedoch liegt die

Rezidivrate bei nahezu 100%, sobald die künstliche Ernährung abgesetzt wird und ein erneuter

Entzündungsschub eintritt.

Auch für die totale parenterale Ernährung gibt es keine einheitlichen Aussagen oder

Langzeitverläufe. Die Wahrscheinlichkeit für einen permanenten Fistelverschluss wird bei ca.

40% gesehen [Stein (Leitlinien der DGVS), 2003, S. 65].

Trotzdem ist eine ernährungstherapeutische Behandlung besonders wichtig, da Fisteln für hohe

Verluste an Energie, Eiweiß, Flüssigkeit und Elektrolyten verantwortlich sein können. Die

Mangelernährung ist meist durch Fistelausfluss und Malabsorption bedingt. So sind

Ernährungszustand und Allgemeinbefinden stark von der Ausprägung der Fisteln abhängig

[Heepe et al., 2002, S. 257]. Eine gute Ernährungstherapie vor der Operation einer Fistel

verbessert aber nicht nur den Allgemeinzustand der Patienten, sondern verringert auch die

Anzahl der Komplikationen nach einer solchen Operation [Biesalski et al., 2004, S. 356].

__________________________________________________________________________ 101

Zusätzlich zu beachten ist:

Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.

Es sollten häufig kleine Mahlzeiten verzehrt werden, damit eine kontinuierliche Zufuhr

gewährleistet ist.

Grobe Ballaststoffträger sollten nicht oder nur in kleinen Mengen aufgenommen

werden.

Alle Speisen müssen gut und ausreichend gekaut werde.

Eine normal zusammengesetzte Kost kann in pürierter Form aufgenommen werden.

Diätetische Maßnahmen bei Stenosen

Die diätetischen Empfehlungen bei Darmstenosen richten sich nach dem Grad der

Verwachsungen und der entzündlichen Aktivität des Morbus Crohn. Bei Verengungen bzw.

Verwachsungen im Darm ist generell auf eine leichtverdauliche ballaststoffarme Kost zu achten,

da bei falscher Ernährung die Gefahr eines Darmverschlusses (Ileus) besteht. Falsch

ausgewählte Lebensmittel können also die Gefahr eines Darmverschlusses erhöhen [Heepe et

al., 2002, S. 221].

Folgende Lebensmittel sind problematisch und zu meiden:

Faserreiche Zitrusfrüchte (z.B. Orangen, Pampelmusen), Ananas, Feigen,

Kerngehäuse von Äpfeln und Birnen, Trockenobst (z.B. Datteln), Nüsse (auch

Cocosnuss), unzerkleinerte Leinsamen, Kleie, Pilze, zähes Fleisch, Rettich und rohe

Steckrüben, Sauerkraut und Rosenkohl, Schnittbohnen und dicke Bohnen,

Kartoffelschalen, Kürbis, Sonnenblumenkerne, trockene Weizenkleie etc..

[Quelle: Heepe et al., 2002, S. 326]

Grundsätzlich sollten also faserreiche, kernreiche Lebensmittel mit harten Schalen gemieden

werden [Koula-Jenik et al., 2006, S. 494].

In schwierigen Fällen und bei hochgradigen Stenosen wird eine künstliche Ernährung empfohlen

[Heepe et al., 2002, S. 221/326].

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Diätetische Maßnahmen beim toxischen Megakolon

Das toxische Megakolon ist eine lebensbedrohliche Komplikation und eine dringliche (< 72h)

Indikation zur Operation [Hoffmann et al., 2004, S. 74]. Aber auch hier sind diätetische

Indikationen erforderlich. Es gilt: absolute orale Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz. Begleitende

Flüssigkeits- und Elektrolytdefizite müssen schnell durch parenterale Ernährung ausgeglichen

werden. Später sollte ein oraler Kostaufbau erfolgen [Heepe et al., 2002, S. 374].

__________________________________________________________________________ 103

Alimentär

Alimentär = durch Nahrung hervorgerufen [Pschyrembel, 2002].

Alimentärer Minderwuchs bei Kindern und Jugendlichen

Alimentärer Minderwuchs bei Kindern und Jugendlichen [Quelle: Fava, 2007]

Auf Grund von Mangelernährung kann es bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn zu

einer Wachstums- und Entwicklungsverzögerung sowie Störungen des Knochenstoffwechsels

kommen. Deshalb ist bei betroffenen Kindern besonders auf eine ausreichende Zufuhr an

Energie und Nährstoffen zu achten. Eine altersstufengemäße und bedarfsgerechte Ernährung

sollte sichergestellt werden [Heepe et al., 2002, S. 380].

Eine zusätzliche orale Zufuhr von Nährstoffen über enterale Präparate kann bei Kindern und

Jungendlichen einer Wachstums- und Entwicklungsverzögerung entgegenwirken [Stein

(Leitlinien der DGVS), 2003, S. 64].

Um einer Wachstums- und Entwicklungsretardierung infolge einer mangelhaften Nährstoffzufuhr

vorzubeugen, sollten Körpergröße und Körpergewicht anhand von Wachstums- und BMI-

Perzentilkurven überwacht werden.

Körpergewicht

BMI-Werte im Bereich der 10. Perzentilkurve weisen auf Untergewicht hin. Das 50. Perzentil

dient als Mittel- bzw. Normalwert. BMI-Werte um die 90. Perzentilkurve herum sind auffällig und

weisen auf Übergewicht und Adipositas hin [Koula-Jenik, 2006, S. 267].

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Perzentile für den BMI von Mädchen im Alter von 0 bis 18 Jahren [Quelle: Sommer, 2006]

Perzentile für den BMI von Jungen im Alter von 0 bis 18 Jahren [Quelle: Sommer, 2006]

Körpergröße

__________________________________________________________________________ 105

Wachstumskurve und kg für Mädchen [Quelle: Koula-Jenik, 2006, S. 269]

Wachstumskurve und kg für Jungen [Quelle: Koula-Jenik, 2006, S. 268]

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Ernährungstherapie bei spezifischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Nahrungsmittelunverträglichkeiten [Quelle: FruLaHist, 2008]

Infolge der entzündeten Darmschleimhaut kommt es bei Morbus Crohn häufig zu einer

unzureichenden Verdauung von Kohlenhydraten. Ist der Dünndarm entzündet ist eine

Lactoseintoleranz und eine Malabsorption von Fructose und/oder Sorbit nicht selten. Auf Grund

dessen werden an dieser Stelle die diätetischen Empfehlungen bei Lactoseintoleranz, Fructose-

und Sorbitmalabsorption noch einmal erläutert.

Alle diätetischen Indikationen müssen den krankheitsbezogenen Ernährungsempfehlungen

angepasst werden!

__________________________________________________________________________ 107

Folgende Lebensmittel sind häufig problematisch:

Milch (aller Fettstufen), Trockenmilch (Trockenmilchpulver)

Lactoseintoleranz

Lactoseintoleranz [Quelle: Burian, 2008]

Ursache für eine Lactoseintoleranz ist immer eine verminderte oder fehlende Lactaseaktivität.

Besteht bei den Betroffenen vor dem Ausbruch des Morbus Crohn und in den Ruhephasen

keine Lactoseintoleranz, so ist der Lactasemangel als eine Folge der Entzündung des

Dünndarms anzusehen. Man spricht dann von einem sekundären Lactasemangel.

Bei einem Mangel an Lactase

Lactase = Enzym der Dünndarmschleimhaut, welches dafür verantwortlich ist das Disaccharid Lactose in die Monosaccharide Galactose und Glucose zu spalten, damit diese resorbiert werden können [Kasper, 2004, S. 565].

kann der Milchzucker in der Nahrung nicht wie gewöhnlich aufgespalten und absorbiert werden.

Die Lactose gelangt dann weiter ins Colon, wo sie von den physiologischen Bakterien der

Darmflora zersetzt wird. Bei dem bakteriellen Abbau entstehen unter anderem Milch- und

Essigsäure sowie CO2 und H2. Die so entstandenen Gase und Abbauprodukte führen zu den

für Unverträglichkeiten üblichen Symptomen. Die entstandenen Gase sorgen für Bauchkrämpfe

und Blähungen. Die Spaltprodukte rufen – durch die Erhöhung des osmotischen Drucks und den

damit einhergehenden Wassereinstrom ins Darminnere – Diarrhöen hervor [Behr-Völtzer et al.,

2008, S. 125].

Ernährungsempfehlungen:

Bei Lactoseintoleranz wird – je nach Ausprägung – eine lactosearme (8-10 g Lactose) bis

lactosefreie Kost (max. 1 g) empfohlen. Die individuelle Toleranz spielt also eine wesentliche

Rolle und sollte ausgetestet werden (Ernährungsprotokoll!) [Heepe et al., 2002, S. 350]. Zu

beachten ist dabei, dass geringe Lactosemengen, insbesondere wenn sie mit anderen

Lebensmitteln zusammen verzehrt werden, meist keine Symptome hervorrufen [Behr-Völtzer et

al., 2008, S. 125].

__________________________________________________________________________ 108

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alle aus Milch und Milchpulver hergestellten Produkte: Mixgetränke,

Kakao, Pudding, Süßspeisen, Molke, Molkenpulver, Eiweißkonzentrate

Kondensmilch (aller Fettstufen), Sahne, Kaffeeweißer, Kaffeesahne

Gesäuerte Milchprodukte (mit und ohne Frucht) wie z.B. Buttermilch,

Dickmilch, Kefir, Joghurt, Sauerrahm, Creme fraiche (Naturjoghurt wird allerdings

meist gut vertragen, da die zur Herstellung benutzten Bakterien helfen den Milchzucker

zu zersetzen)

Kochkäse, Speisequark, Hüttenkäse, Schmelzkäse und Käsezubereitungen (Hart-,

Schnitt-, Weich- und Sauermilchkäse sind annähernd lactosefrei und werden

meist gut vertragen!)

Milchspeiseeis, Milchschokolade, Sahne- und Karamellbonbons, Nougat, Nuss-

Nougat-Creme, Pralinen, diverse Riegel

Fertigprodukte denen Milchzucker zugesetzt wurde z.B. Instant-Erzeugnisse wie

Kartoffelpüree, Instant-Suppen, -Soßen, -Cremes, Konserven, tiefgefrorene Fleisch-

und Gemüsezubereitungen

Brühwürste, Leberwurst, Wurstkonserven und insbesondere fettreduzierte Wurstwaren

können Milchzucker enthalten

Auch einigen Knäckebrotsorten, Milchbrötchen, Kräckern, Keksen, Kuchen, Brot- und

Kuchenbackmischungen und Müslimischungen kann Lactose zugesetzt sein

Butter und Margarine enthalten nur geringe Mengen an Lactose

Vorsicht auch bei einigen Medikamenten, Süßstoff- und Kleietabletten

[Behr-Völtzer, 2008, S.128 ff].

Auch bei einer enteralen Ernährung muss auf die Lactosefreiheit der Produkte

geachtet werden!

Neben dem Meiden von lactosehaltigen Lebensmitteln gibt es für die Betroffenen auch noch die

Möglichkeit der Lactasepräparate. Die Enzympräparate enthalten Lactase, die aus Pilzen und

Hefen gewonnen wird. Die Präparate müssen zu den lactosehaltigen Speisen eingenommen

werden. Lactasepräparate sind rezeptfrei in Apotheken und Reformhäusern erhältlich (z.B.

Lactrase®) [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 126].

Des Weiteren gibt es lactosefreie Milch und Milchprodukte, die in vielen Supermärkten

angeboten werden [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 126]. So bietet die Produktlinie Minus-L von

Milch über Pudding und Sahne fast alle Milchprodukte in lactosefreier Form an. Auch Soja- oder

Kokosmilch und ihre Produkte sind zu empfehlen.

Bei einer streng lactosefreier Diät – sprich dem Verzicht auf jegliche Milchprodukte – kann die

Deckung des Calciumbedarfes schwierig werden. Empfohlen wird calciumreiche Mineralwässer

(> 200 mg Calcium/l), calciumangereicherte Sojadrinks und Fruchtsaftgetränke sowie

calciumreiche Lebensmittel in den Kostplan aufzunehmen. In einigen Fällen ist eine Substitution

nötig [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 126/127].

Calciumreiche Lebensmittel:

__________________________________________________________________________ 109

Sesam, Haselnüsse, Mandeln, Grünkohl, Spinat, Fenchel, Brokkoli, Mangold,

Porree/Lauch, weiße Bohnen, Petersilie, Kresse und Schnittlauch.

[Quelle: Behr-Völtzer et al., 2008, S. 127]

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Fructose- und Sorbitmalabsorption

Fructose- und Sorbitmalabsorption [Quelle: aid infodienst, 2005]

Fructosemalabsorption

Ursache einer Fructosemalabsorption ist grundsätzlich vermutlich eine Störung des

glucoseabhängigen Transporters (GLUT-5). Dieser Transporter ist für die Fructoseabsorption

verantwortlich. Auch hier gilt: besteht bei den Betroffenen vor dem Ausbruch des Morbus Crohn

und in den Ruhephasen keine Fructosemalabsorption, so ist die gestörte Fructoseresorption als

eine Folge der Entzündung des Dünndarms anzusehen. Die Fructosemalabsorption ist in

diesem Fall nur erworben und vorübergehend. Genauso wie bei der Lactoseintoleranz gelangt

die nicht absorbierte Fructose in tiefere Darmabschnitte, wo sie bakteriell abgebaut wird und

anschließend für die daraus resultierenden Symptome – wie Blähungen, Bauchkrämpfe,

Aufstoßen, osmotische Diarrhö und Übelkeit – sorgt.

Nicht zu verwechseln ist die Fructosemalabsorption mit der hereditäre Fructoseintoleranz

Bei der hereditären Fructoseintoleranz handelt es sich um einen angeborenen Enzymdefekt. Die Aktivität des Enzyms Aldolase B ist stark reduziert. Dieses Enzym ist eigentlich verantwortlich für die Katalyse des zweiten Schritts in der Fructoseassimilation. Als Folge dieser Störung kommt es zu einer Anreicherung von Fructose-1-Phosphat in Darmwand, Leber und Niere [Kasper, 2004, S. 335].

, die auf einem angeborenen Enzymdefekt beruht [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 132].

Bei fast allen Patienten mit einer Fructosemalabsorption liegt auch eine gleichzeitige Störung der

Sorbitabsorption vor [Kasper, 2004, S. 175].

Sorbitmalabsorption

Bei einer Sorbitmalabsorption ist die Aufnahme von Sorbit ins Darmlumen stark reduziert. Die

grundsätzlichen und genauen Ursachen für die verringerte Absorption sind unbekannt. Bei

Morbus Crohn ist die Störung der Sorbitaufnahme auf die entzündlich veränderte Darmwand

zurückzuführen. Folgen und Symptome sind die gleichen wie bei der Fructosemalabsorption und

Lactoseintoleranz.

Ernährungsempfehlungen:

Bei der Fructosemalabsorption ist ein völliger Verzicht auf Fruchtzucker nicht nötig. Auch hier

werden individuell verschiedene Mengen an Fructose toleriert.

__________________________________________________________________________ 111

Auszunutzen ist, dass Glucose und Galactose die Fructoseabsorption fördern. So wird

Haushaltszucker (Saccharose = Glucose + Fructose) häufig gut vertragen. Auch bei einigen

Obstsorten, die sowohl Fructose als auch Glucose enthalten, wird so die Fructoseresorption und

damit die Verträglichkeit begünstigt. Die Zugabe von Milch und Milchprodukten zum Obst kann

ebenfalls die Fructoseresorption verbessern.

Sorbit (E 420) hingegen blockiert den Transporter [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 132/133;

Kasper, 2004, S. 175].

Es wird empfohlen anfangs die individuelle Toleranzgrenze für Fructose und Sorbit zu ermitteln.

Hierzu sollte sich zunächst für sieben Tage fructose- und sorbitfrei ernährt werden. Auch auf

andere Zuckeralkohole (Mannit (E 421), Xylit (E 967), Isomalt (E 953), Maltit (E 965), Lactit (E

966)) und Produkte mit Inulin bzw. Fructooligosacchariden sollte verzichtet werden. Auf

Saccharose sollte in der Versuchsphase ebenfalls verzichtet werden [Behr-Völtzer et al., 2008,

S. 133 ff].

Zu meidende Lebensmittel sind: Honig, Marmelade, Kompott, Süßigkeiten, Pudding,

süße Backwaren, Speiseeis, Schokolade, Limonade, Dessertwein, Likör, Obst,

Trockenobst, Gemüsesorten mit einem besonders hohen Fructosegehalt z.B. Möhren,

Weiß- und Rotkohl, Rote Bete, Rüben und Zwiebeln.

[Quelle: Behr-Völtzer et al., 2008, S. 133]

Im Anschluss an eine Besserung der Symptome sollten zunächst die süßen Lebensmittel wieder

in den Speiseplan aufgenommen werden, die keine Zusätze von Zuckeraustauschstoffen

enthalten. Auch Obstsorten mit einem geringen Gehalt an Fructose und Sorbit – wie Erdbeeren,

Himbeeren, Papaya, rote Johannisbeeren und Zitronen – sowie deren Säfte sollten auf ihre

Verträglichkeit getestet werden. Die Säfte dieser Obstsorten sollten anfänglich mit Wasser

verdünnt werden. Der Fructosegehalt dieser Obstsorten liegt unter 2,2 g pro 100 g Lebensmittel,

sie enthalten keine oder sehr wenig Zuckeralkohol und der Gehalt an Saccharose liegt unter 1 g

pro 100 g Lebensmittel.

Da Gemüse im gegarten Zustand für Menschen mit Verdauungsstörungen häufig verträglicher

ist wird empfohlen, jede Sorte zunächst gedämpft bzw. gedünstet auszutesten.

Nach und nach soll so die persönliche und individuelle Toleranz ermittelt und die Kost erweitert

werden [Behr-Völtzer et al., 2008, S. 133].

Die nachstehenden Tabellen zeigen den Fructose- bzw. Sorbitgehalt einiger ausgewählter

Lebensmittel.

Lebensmittel Fructose (g/100g)

Haushaltszucker ca. 50

Blütenhonig 40

Rosinen 31,6

Pflaumen (getrocknet) 9,4

Banane 8,6

__________________________________________________________________________ 112

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Traubensaft 8,3

Weintrauben 7,5

Birnen 6,7

Apfelsaft 6,4

Äpfel 6,0

Fructosegehalt verschiedener Obstsorten und –säfte [Quelle: Heepe et al., 2002, S. 32f; Kasper, 2004, S. 175]

Lebensmittel Sorbit (g/100g)

Vogelbeere 8,5

Trockenpflaume 6,6

Trockenpfirsich 5,3

Trockenaprikose 4,6

Trockenapfel 2,5

Birne 2,2

Pflaume 1,4

Pfirsich 0,9

Aprikose 0,8

Apfel 0,5

Natürlicher Sorbitgehalt verschiedener Obstsorten [Quelle: Heepe et al., 2002, S. 469]

Bei Sorbit sollte zusätzlich drauf geachtet werden, dass es häufig mit „zuckerfrei“ oder

„zahnschonend“ deklarierten Produkten zugesetzt ist. Dies ist häufig bei zuckerzusatzfreien

Fruchtsäften/Getränken, Bonbons und Kaugummis der Fall. Auch als Feuchthaltemittel in

einigen Lebens- und Genussmitteln wie z.B. Marzipan oder Schaumküssen kann Sorbit

enthalten sein. In Zahnpasten und anderen Mundkosmetika ist ebenfalls häufig Sorbit zugesetzt

[Biller, 2001, S. 74].

Es gilt: Zutatenlisten stets überprüfen!

Abschließend können Sie sich hier bei Interesse ein Fazit für die ganzheitliche

Ernährungstherapie bei Morbus Crohn

Fazit für die Ernährungsberatung bei Morbus Crohn

__________________________________________________________________________ 113

Um eine individuelle Beratung durchführen zu können ist das Wissen über einige

Fakten der Betroffenen unerlässlich. Wichtige Parameter die im Vorwege abgeklärt

werden sollten sind:

Stuhlfrequenz

Stuhlkonsistenz (flüssig, breiig, fest)

Meteorismus / Flatulenz

Schmerzen (Häufigkeit, Lokalisation)

Aktuelles Körpergewicht / BMI

Gewichtsverhalten der letzten Monate

Alkohol- und Nikotinabusus

Körperliche Aktivität

Allergien und Unverträglichkeiten

Weitere Erkrankungen

Laborparameter

Medikamente

Allgemeinbefinden

Lebenssituation (Beruf, Familie, etc.)

ErnähSrungsgewohnheiten

Welche Lebensmittel bereiten aus eigener Erfahrung Probleme?

Einnahme von Nahrungsergänzungen

[modifiziert nach: Hoffmann et al., 2004, S. 60; Koula-Jenik, 2006, S. 260f].

Für die Erkrankung Morbus Crohn gibt es keine ganzheitlichen und allgemeingültigen

Ernährungsempfehlungen. Je nach Krankheitsgeschehen und –verlauf gibt es

unterschiedliche, individuelle diätetische Maßnahmen die den Patienten zu einem

besseren Allgemeinbefinden und einer höheren Lebensqualität verhelfen können.

Diese Maßnahmen beziehen sich im Regelfall nicht auf die Verbesserung der

Erkrankung an sich, sondern auf die Linderung von Beschwerden, Komplikationen und

Begleiterscheinungen.

angucken. S

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Leben mit Morbus Crohn

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Am Ende dieses Materials sollen Sie:

eine gewisse Empathie für Morbus Crohn-Betroffenen entwickelt haben.

wichtige Anlaufstellen und Adressen für Morbus Crohn-Patienten aufzählen können.

Einführung

Das Leben ist Schönheit, bewundere sie.

Das Leben ist ein Traum, mach daraus Wirklichkeit.

Das Leben ist eine Pflicht, erfülle sie.

Das Leben ist ein Spiel, spiele es.

Das Leben ist kostbar, gehe sorgfältig damit um.

Das Leben ist Reichtum, bewahre ihn.

Das Leben ist Liebe, erfreue dich an ihr.

Das Leben ist eine Hymne, singe sie.

Das Leben ist eine Herausforderung, stelle dich ihr.

Das Leben ist ein Abenteuer, wage es.

Das Leben ist Glück, verdiene es.

Das Leben ist das Leben, verteidige es.

Mutter Theresa

[Quelle: BergNews.com, 2008]

Bei vielen Morbus Crohn-Patienten ist der Leidensdruck durch die chronische Erkrankung sehr

hoch. Häufig fühlen sich die Betroffenen durch die Krankheit eingeschränkt und empfinden ihre

Lebensqualität als reduziert.

Da die gesundheitsbezogene Lebensqualität auch einen Einfluss auf das Ernährungsverhalten

und den Ernährungszustand hat, ist es notwendig diesen Faktor bei der Beratung zu

berücksichtigen [Müller, 2007, S. 15].

Das folgende Material soll einen Überblick über die Lebensqualität bei Morbus Crohn geben und

Maßnahmen aufzeigen, die den Betroffenen helfen können mit der Erkrankung fertig zu werden

und das Leben wieder genießen zu können.

Lernziele

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Lebensqualität

Morbus Crohn ist eine chronisch rezidivierende Erkrankung die nach dem heutigen

wissenschaftlichen Stand nicht geheilt werden kann. Die Diagnose „chronisch entzündliche

Darmerkrankung“ stellt somit für die meisten Betroffenen einen prägenden Einschnitt in ihr

bisheriges Leben dar.

Morbus Crohn als lebensverändernder Einschnitt [Quelle: Körperbehindertenförderung, 2008]

Die Erkrankung selber kann eine große psychische Belastung für die Betroffenen darstellen. Die

Ungewissheit über den Verlauf der Erkrankung, eventuelle Krankenhausaufenthalte,

Schwierigkeiten im Berufsleben und im sozialen Umfeld und eine Umstellung der bisherigen

Lebensgewohnheiten sorgen für Emotionen wie Angst, Unsicherheit, Wut und Resignation. Auch

Ängste vor Krankheitsschüben, Untersuchungen, Medikamenten und Operationen können die

Betroffenen belasten. Hinzu kommen soziale Nöte z.B. durch fehlende Toiletten im öffentlichen

Raum, Sorgen um den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsfähigkeit und die Scham vor

dem Partner oder der Partnerin [Biller, 2008; Deutsche Morbus Crohn / Colitis Vereinigung,

2006].

Dieser kleine Ausschnitt von möglichen psychischen Belastungen zeigt, wie wichtig eine

begleitende psychologische Betreuung sein kann. Auch die Tatsache, dass der

Krankheitsverlauf durch psychische und soziale Einflüsse individuell wesentlich beeinflusst wird

zeigt, wie hilfreich eine psychologische Unterstützung sein kann [Moser (Leitlinien der DGVS),

2003, S. 50]. Nur wenn die Patienten ihre eigene Krankheit erkennen, akzeptieren und damit

umzugehen lernen, kann ihre persönliche Lebensqualität und Lebensfreude wieder gesteigert

und der Leidensdruck minimiert werden.

Einen Kranken, der sich für gesund hält, kann man nicht heilen.

Henri Frédéric Amiel

[Quelle: Skupy, 2004, S. 513]

Die durch die Erkrankung hervorgerufenen Beschwerden und Auswirkungen werden individuell

sehr unterschiedlich wahrgenommen. Auf der einen Seite liegt dies natürlich an den

unterschiedlich Schweregraden und Verläufen des Morbus Crohn, zum anderen ist die

subjektive Wahrnehmung von Mensch zu Mensch verschieden. So gibt es Patienten mit einer

langstreckigen und stark ausgeprägten Darmentzündung, die nur geringe Bauchschmerzen und

eine geringe Diarrhö aufweisen. Im Gegensatz dazu gibt es auch Betroffene mit einer deutlich

geringeren (messbaren) Entzündung, die starke Schmerzen und eine hohe Stuhlfrequenz

angeben [Hoffmann et al., 2004, S. 58].

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In den Exkurskapiteln können Sie sich nun bei Interesse unterschiedliche Erfahrungsberichte

von Morbus Crohn-Patienten mit verschiedenen Verläufen anhören.

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Begriffserläuterungen für besseres Verständnis:

Colostomie

Colostomie = operatives Anlegen eines künstlichen Darmausgangs im Bereich des Abdomen zur Stuhlentleerung in einen Auffangbeutel [Pschyrembel, 2002].

Ileostomie

Ileostomie = operatives Anlegen eines künstlichen Darmausgangs im Bereich des Ileums zur Stuhlentleerung in einen Auffangbeutel [Pschyrembel, 2002].

„Im Sommer 1983 wurde bei mir Morbus Crohn diagnostiziert. Zum Glück wurde diese Feststellung recht früh gemacht (d.h. 3 Monate nach Beschwerdebeginn und einer Gewichtsabnahme von 10 kg durch Durchfälle). Dadurch musste ich nicht, wie viele andere Betroffene, eine lange Zeit des angeblichen "Simulanten-Daseins“ durchleiden. Mit der Erkrankung wurde mein ganzes Leben stark beeinträchtigt. Zunächst wurde ich mit allen Medikamenten therapiert, die zu dieser Zeit in Frage kamen. Es folgten Colostomie-, Fistel-, Abszess-, Ileostomie- und Dünndarmentfernungsoperationen. In den "Pausen", in denen es mir wieder besser ging, entwickelte ich ein ungeheures Potential an Energie, die danach rief, eingesetzt zu werden. Also machte ich eine Lehre als Spielzeugverkäuferin, eine Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau und holte meine Fachhochschulreife nach. Meine große Leidenschaft galt dem Singen in verschiedenen Bands. Hierbei entdeckte ich meine größte Kraftquelle. Aufgrund meiner letzten Operation stellte sich ein schwerer Mineralstoffmangel ein. Daraufhin war ich 2 ½ Jahre auf eine parenterale Ernährung über einen Port-Katheter angewiesen und musste mich jede Nacht für 12 – 14 Stunden an die

Erfahrungsbericht Barbara

Der hier wiedergegebene Erfahrungsbericht von Barbara soll keinen typischen Verlauf von

Morbus Crohn wiedergeben, sondern ist eine individuelle Krankheitsgeschichte mit persönlichen

Erfahrungen und subjektiven Gefühlen. Auch werden hier keine wissenschaftlich fundierten

Meinungen oder Sachverhalte dargelegt.

Der Erfahrungsbericht wurde über die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung

veröffentlicht.

Barbara (fiktive Abbildung!) [Quelle: Sell, 2008]

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Infusion anschließen. Kontinuierlich nahm ich an Körpergewicht zu, und ich erreichte bei einer Größe von 1,74 m mein Normalgewicht von 64 kg. In dieser Zeit musste der Port jedoch zweimal entfernt werden: einmal aufgrund eines Abszesses und ein anderes Mal aufgrund einer Portinfektion. Nach der parenteralen Ernährung wurde ich auf eine enterale Ernährung über eine Nasendünndarm-Sonde umgestellt. Hierfür bekam ich eine speziell für mein Nasenloch angefertigte Nasenolive, so dass nur ein blauer Knopf in meiner Nase sichtbar war. Über diese Sonde pumpte ich täglich für 16 Monate Magnesium, Calcium, Kalium und spezielle Sondenkost in meinen Darm. Die Durchführung der Ernährung funktionierte bei mir insgesamt gut und war mit geringen Risiken verbunden. Einige Ärzte waren überzeugt, dass ich für immer auf die künstliche Ernährung angewiesen sein werde - aber ich bin auch auf Menschen getroffen, die mit mir darauf vertraut haben, dass ich es anders schaffen kann! Jetzt habe ich seit Juni 2000 keine Sonde mehr. Juchhu!!! Ich löse Elektrolyte in Tee auf, trinke hochkalorische Energie-Drinks und halte mein Gewicht von 54 kg. Ich danke Gott und bin glücklich darüber, dass es funktioniert. Ich glaube, dass es sich lohnt, zuversichtlich zu sein und daran festzuhalten, dass es immer eine befriedigende Lösung geben kann, auch wenn es manchmal nicht so scheint.“ [Quelle: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung; 2008]

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Eine Krankheit wie ein Vulkan - man weiß nie wann, wie und ob sie wieder ausbricht Alles fing im Juni 2002 an „Mein Großvater war gerade gestorben, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis hatte und dessen plötzlicher Tod mir deshalb auch sehr nahe ging. Ich hatte zu der Zeit ca. 3 Wochen lang Durchfall dem ich aber keine große Bedeutung schenkte. Doch als es nicht besser wurde, bin ich doch mal zum Arzt gegangen der mir dann Perenterol verschrieb. Daraufhin wurde es erst mal besser. Dann bekam ich Halsschmerzen. Auch hierbei dachte ich mir nichts Schlimmes - mit Meditonsin wird's schon besser werden. Nach vier Tagen waren die Schmerzen so unerträglich, dass ich nichts mehr essen konnte, also beschloss ich zum HNO zu gehen. Der stellte Aphten im gesamten Gaumen fest, die er mit Amoxicillin (Antibiotikum) behandelte. Einen Tag später bekam ich wieder Durchfall und Fieber (bis 38,9°C) und ging zum Hausarzt. Dieser verschrieb mir irgendein Grippemittel, weil er meinte, ich würde simulieren um nicht in die Arbeit zu müssen. Daraufhin ging ich ins Krankenhaus (ambulante Behandlung). Auch hier wurden meine Beschwerden nicht ernst genommen. Ich bekam gegen die Halsschmerzen etwas zum Gurgeln, das dann sogar half. Aber dieser Schmerz wurde durch extremes Stechen in der Speiseröhre und Übelkeit ersetzt, sobald ich versuchte zu essen oder zu trinken. Also ließ ich es bleiben und versuchte mein Glück beim Internisten, wo ich zum ersten Mal ernst genommen wurde. Er machte eine Magen-Darmspiegelung und noch ehe die Ergebnisse feststanden, beschloss ich ins Krankenhaus zu gehen, weil ich die Schmerzen nicht mehr ertragen konnte.

Erfahrungsbericht Kathrin

Der hier wiedergegebene Erfahrungsbericht von Kathrin soll keinen typischen Verlauf von

Morbus Crohn wiedergeben, sondern ist eine individuelle Krankheitsgeschichte mit persönlichen

Erfahrungen und subjektiven Gefühlen. Auch werden hier keine wissenschaftlich fundierten

Meinungen oder Sachverhalte dargelegt.

Der Erfahrungsbericht wurde über die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung

veröffentlicht.

Kathrin (fiktive Abbildung!) [Quelle: Budweg, 2008]

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Dort angekommen wurde ich erst mal durchgecheckt und musste weitere drei Tage fasten, bis feststand, was mir fehlte. Die Magen-Darmspiegelung wurde wiederholt, da die Ergebnisse vom Internisten noch nicht eingetroffen waren. Nach insgesamt 1 Monat stellte sich dann heraus, dass ich, genau wie mein Vater, Morbus Crohn habe. Ich wurde mit Cortison behandelt, das wöchentlich reduziert wurde, angefangen bei 150 mg / Tag. Auf das Cortison habe ich sehr gut angesprochen und konnte nach 17 Tagen entlassen werden. Als ich bei 10 mg angekommen war (ca. 6 Monate später), wurden meine Blutwerte wieder schlechter, aber eine körperliche Verschlechterung merkte ich nicht. Deshalb setzte ich, ohne das Wissen meines Arztes, die Medikamente komplett ab. Die Folgen sind wahrscheinlich jedem klar. Und somit startete der 2. Schub, der bei weitem schlimmer war als der erste. Meine Blutsenkung war bei 80/90 (ca. 5/10 ist normal), was für eine schwere Entzündung spricht. Nach und nach traten auch die alten bekannten Anzeichen wie Durchfall, Fieber, Übelkeit, Schmerzen im gesamten Bauchbereich ... wieder auf. Ich nahm pro Tag ca. 1 kg ab, da ich ja wieder nichts essen konnte. Auch wenn ich seit dem letzten Krankenhausbesuch Krankenhäuser verabscheue, ging ich auf ein bisschen Betteln meiner Mutter mehr oder weniger freiwillig hin und die ganze Tortur ging wieder mal von vorne los. Die Ärzte entschlossen sich dann für eine Langzeittherapie mit Azathioprin. Ich wurde zwar nach 5 Tagen schon entlassen ("mehr können wir hier für Sie nicht tun, Sie wissen ja was Ihnen fehlt“), aber "geheilt" war ich noch nicht. Die nächsten 2 Wochen verbrachte ich mit Schmerzmitteln und vielen anderen Medikamenten, wobei die Schmerzmittel nur höchstens 5 Stunden anhielten. Da ich kaum etwas essen konnte, war mein Körper so geschwächt, dass ich z. B. beim Duschen jedes Mal 2 Pausen einlegen musste, weil ich nicht mehr stehen konnte. Langsam trat dann eine Besserung ein und ich konnte 4 Wochen nach meinem Krankenhausaufenthalt wieder in die Arbeit gehen. Mittlerweile ist 1 Jahr vergangen. Ich habe mir geschworen, nie wieder den dummen Fehler zu machen, die Tabletten abzusetzen, weil es mir ja scheinbar gut geht ("das Cortison hat den Schmerz unterdrückt und ich habe deshalb von der Entzündung nichts mitbekommen", so mein Arzt). Einmal im Monat gehe ich zur Blutbildkontrolle. Seit ca. 6 Monaten sind alle Werte im grünen Bereich. Es kann zwar immer wieder ein neuer Schub auftreten, aber wenn man sich mit der Krankheit auseinandersetzt, gewisse "Regeln" beachtet und immer regelmäßig seine Medikamente nimmt, kann man ein einigermaßen normales Leben führen. Mit meiner neuen Therapie mit Azathioprin soll nach ca. 5 Jahren die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Schub auftritt, deutlich reduziert werden. Und wenn doch, sollen die Schübe bei weitem nicht mehr so schlimm sein.“ [Quelle: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung; 2004]

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Begriffserläuterungen für besseres Verständnis:

Stoma

Stoma = operativ hergestellte Öffnung eines Hohlorgans nach außen; hier: künstlicher Darmausgang [Pschyrembel, 2002].

Konglomerattumor

Konglomerattumor = Verklebung oder Verwachsung von Organen und Organteilen; sehen bei Untersuchung aus wie eine größere Tumorbildung [Pschyrembel, 2002].

Tramal

Tramal = Medikament mit dem Wirkstoff Tramadol; mittelstarkes Opioid, mit schwächerer Wirkung als Morphin [Pschyrembel, 2002].

Hallo Leute, ich bin jetzt 39 Jahre alt und weiß seit 1987, dass meine persönliche Plage Morbus Crohn heißt. In all den Jahren ist mein Gewicht von 46 bis 97 kg geschwankt. Nach anfangs heftigen Schüben mit drastischen Gewichtsverlusten und starken Schmerzen kündigte sich die schlimmste Krise 1991 durch einen leichten Bauchschmerz in der Nähe des Blinddarms an. Darmdurchbruch, Bauchfellentzündung. Ich habe für drei Monate ein Stoma tragen müssen. Danach hatte ich zwei Jahre Ruhe bis sich eine neue Gemeinheit einstellte: Fisteln. Die Ärzte meiner Umgebung waren ratlos und bezeichneten mich als inoperablen Fall. Mein Hausarzt half mir mit Rat und Tramal über die schlimmsten Phasen hinweg. Und die dauerten drei Jahre. Bis er durch Zufall von einem Krankenhaus erfuhr, das gerade bei Fisteln wahre Wunder bewirken sollte. Nach meiner Eingangsuntersuchung fragte ich den Arzt,

Erfahrungsbericht Manfred

Der hier wiedergegebene Erfahrungsbericht von Manfred soll keinen typischen Verlauf von

Morbus Crohn wiedergeben, sondern ist eine individuelle Krankheitsgeschichte mit persönlichen

Erfahrungen und subjektiven Gefühlen. Auch werden hier keine wissenschaftlich fundierten

Meinungen oder Sachverhalte dargelegt.

Der Erfahrungsbericht wurde über die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung

veröffentlicht.

Manfred (fiktive Abbildung!) [Quelle: Sell, 2008]

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ob er eine Chance sehen würde mir operativ zu helfen. Seine Antwort klingt mir noch heute in den Ohren: "Wir haben hier jeden Tag fünf solcher Operationen. Das ist für uns nichts Besonderes." Nach drei Jahren solch einen Satz zu hören ... ist für MC-Geplagte das normalste der Welt. Unfähige, uninteressierte oder überehrgeizige Ärzte kennt jeder von uns im Dutzend. Aber weiter in der Krankengeschichte. Eine Woche nach der OP war ich zu Hause und drei Wochen später war der Alptraum der ständig entzündeten und schmerzenden Fisteln Vergangenheit. Das Tramal nahm ich weiter, weil ich inzwischen gut angefixt war. Es ist ein Wunder, das ich bei den Dosierungen, die ich inzwischen nahm, auch noch Auto gefahren bin und ähnliches. Ein Jahr später fingen heftige krampfartige Schmerzen im rechten Oberbauch an. Es war eine Kur geplant, Weihnachten stand vor der Tür und der Notarzt, der mich am 23. Dezember begutachtete, meinte zu meiner Frau, dass er so einen Simulanten noch nicht erlebt hätte. Vier Wochen später stellte man eine Engstelle in meinem Darm fest und wollte mir keine feste Nahrung mehr geben. Letztendlich war es ein Konglomerat-Tumor, der Darm war auf einer Länge von einem Meter völlig verwachsen und musste entfernt werden. Und seitdem? Ich habe mehrere Fisteln, die mich aber nicht besonders stören, da sie die meiste Zeit stabil sind und kaum Schmerzen verursachen. Die Narben auf und in meinem Bauch sind sehr wetterfühlig. Mein Gebiss ist ein Alptraum, aber jede zahnmedizinische Behandlung führt unweigerlich zu Problemen mit den Fisteln und dem Darm. Vom Tramal habe ich mich selbst gelöst und nehme jetzt bei starken Schmerzen Novalgin. Und das macht höchstens psychisch abhängig. Merke ich, dass ich zu oft und ohne konkreten Anlass etwas nehme, stell ich die Tropfen einfach weg und warte ein paar Tage oder Wochen. Zurzeit habe ich den ersten heftigen Schub seit sechs Jahren und bekämpfe ihn mit Budesonid, Salofalk und Novalgin. Da ich dank meiner drei Jahre lang unbehandelten Fisteln inkontinent bin, kann ich zu meinem Leidwesen während dieses Schubs nicht arbeiten. Kleinere Schübe in den letzten Jahren habe ich dank Loperamid weitestgehend ignoriert. Ich bin als Schwerbehinderter halb (50%) anerkannt. Außer den fünf Tagen Mehrurlaub und einer lächerlich geringen Steuerbefreiung bringt mir das nichts. Doch: ich messe mich nicht mit Normalsterblichen. Was andere können, muss mir noch lange nicht gelingen. Das hört sich alles nach einer ganz normalen Karriere eines MC-Kranken an, nicht wahr? Aber wie klingt das? Sechs Monate nach der Rückverlegung meines Stomas bin ich als Decksmann auf einem Binnenschiff durch Deutschland gefahren. Acht Monate nach der Entfernung meines Konglomerat-Tumors habe ich einen neuen Job in einer großen Firma bekommen und bin innerhalb kürzester Zeit befördert und mit etlichen Sonderaufgaben betraut worden. Als die Krankheit entdeckt wurde, machte ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Der Crohn stahl mir ein Jahr und ich beendete die Ausbildung ohne Abschluss um zu studieren. Und als meine erste Ehe in die Brüche ging, ich

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mein Heim und mein Kind verließ und einen Behindertenausweis über 100% in der Tasche hatte fragte ich die Behörden, wie sie mir helfen könnten. Sie empfahlen mir damals die Verrentung. Ich schickte ihnen den Ausweis per Post zurück und heuerte auf dem Schiff an. Ich kenne fast alle Medikamente durch Selbstversuch, habe Therapien in jeglicher Form und Gestalt mitgemacht und in den Krankenhäusern und Kurkliniken den Crohn in all seinen Ausprägungen gesehen. Von Karlchen aus Hamburg, deren Infusionsständer dicker war als sie selbst und die durch TNF gerettet wurde bis zu dem Mann, der genauso alt wie ich ist und seit 15 Jahren als Rentner nichts anderes tut als ein wenig Gartenarbeit und lange Spaziergänge. In dieser Zeit habe ich meine Frau gefunden, mit ihr zwei Kinder großgezogen und ein gemütliches Heim aufgebaut. Ich habe die verschiedensten Hobbies gepflegt und sogar einen Wanderurlaub im schottischen Hochland gemacht. Und wenn die Hölle zufriert, ich mach es wieder! 1987 war ich dankbar über die Hefte und Broschüren des DCCV und ich besuchte sogar einen Kongress in der MHH in Hannover. Gerade genesen von einer sehr schmerzhaften Spiegelung hörte ich dort einen Arzt sagen: "Wer eine Spiegelung am entzündeten Darm ohne Schmerzmittel macht, ist kein Heiler, sondern ein Folterer." 600 Zuhörer in einem Saal, der für 400 gedacht ist, gaben dem Mann die berühmten Standing Ovations. Und ich habe geheult über meine eigene Dummheit. Ich bin nicht Mitglied einer Selbsthilfegruppe und solange ich keine akuten Beschwerden habe, nehme ich auch keine Medikamente. Ich habe keine Angst vor Cortison, im Gegenteil. Es ist das einzige Mittel, das wirklich und sofort Linderung bringt. Heilung wird es für mich wohl nicht mehr geben. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Krankheit genauso wie ich, mit den Jahren ruhiger und milder wird. Vor vier Jahren habe ich etwas wichtiges begriffen, dass ich so von keinem anderen Betroffenen gehört habe und auch sonst nirgendwo im Zusammenhang mit meiner Krankheit gelesen habe: Vergesst eure Mitmenschen nicht. Der Erkrankte wird zu einem Egoisten und Egozentriker, der Leidende sieht nur noch sein Leid. Die Familie, der Partner, alles verblasst angesichts der Schmerzen und Durchfälle. Gewichtsverlust oder lebensgefährliche Komplikationen geben dem Kranken die ständige Gewissheit, im Recht zu sein, wenn es um alltägliche Kleinigkeiten geht. Niemand außer dem Kranken kann beurteilen, ob er in der Lage ist, etwas zu tun oder einfach keine Lust hat. Was diese Krankheit uns antut, ist erschreckend, eklig und demütigend. Aber eben nicht tödlich. Und so verbreiten wir den Schrecken und die Demütigungen locker an unsere Umwelt. Wir potenzieren das Leid, weil wir andere mitleiden lassen. Seid ehrlich, ihr Leidensgenossen: Wer von Euch hat nach durchstandenem Schub seinen Lebenspartner in den Arm genommen und gesagt: "Danke für Deine Hilfe! Und jetzt leg Du Dich ins Bett und

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ich kümmere mich mal eine Woche nur um Dich!" Jeder, der das hier liest, sollte jetzt darüber nachdenken, wie er seine Umwelt beeinflusst und ob er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Und sich dann teuflisch anstrengen, um die Situation für seine Mitmenschen erträglicher zu machen. [Quelle: Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung; 2004]

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Angebote bzw. Arbeit der DCCV:

persönliche Beratung

Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen

Vermittlung von Kontakten zu Selbsthilfegruppen, Ärzten, Pflegepersonal,

Krankenhäusern und Kurkliniken

Arbeitskreis Sozialrecht: hilft bei Fragen oder Problemen mit Krankenkassen, Sozial-

und Versorgungsämtern, Rentenversicherungsträgern oder Arbeitgebern

Rechtsschutz vor deutschen Sozialgerichten für Mitglieder die Kind-/Elterninitiative

befasst sich mit besonderen Problemen betroffener Kinder

Arbeitskreis Ernährung

Arbeitskreise für Pouch, Stoma und PSC

Unterstützung örtlicher Selbsthilfegruppen

Organisation von Fortbildungsveranstaltungen

gezielte Öffentlichkeitsarbeit, u.a.

[Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung e.V., 2008].

Selbsthilfegruppen und Vereine

Neben der psychologischen Betreuung können auch Selbsthilfegruppen und –verbände eine

wichtige Stütze für Morbus Crohn-Patienten sein.

In Deutschland ist der bekannteste und größte Selbsthilfeverband die Deutsche Morbus Crohn /

Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e.V..

Bundesgeschäftsstelle der DCCV e.V.

DCCV e.V.

Paracelsusstraße 15

51375 Leverkusen

Tel.: 0214 87608 0

Fax: 0214 87608 88

Logo des DCCV [Quelle: Schneider, 2008]

Die DCCV selbst sieht ihre wichtigste Aufgabe darin „den Betroffenen bei der Bewältigung ihrer

oft schwierigen Lebenssituation zu helfen“.

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In der Beratungsstelle bietet die CED-Hilfe:

Persönliche Beratung zu allen mit der Krankheit verbundenen Problemen in der

Beratungsstelle

Persönliche Beratung auch im Asklepios-Westklinikum, Hamburg-Rissen

Ernährungsberatung

Stomaberatung

Psychologische Beratung für Einzelpersonen, Paare und Familien

Telefonische Beratung

Patientenbesuche im Krankenhaus (auf Anforderung)

Versand von Informationsmaterial und Antwort auf briefliche Anfragen (gegen

Portoerstattung)

Offener Abend zum Erfahrungsaustausch unter Betroffenen

Offene Themenabende mit Fachleuten

Neben der DCCV ist in Hamburg die CED-Hilfe eine wichtige Institution.

CED-Hilfe e.V. Hamburg

Fuhlsbüttler Straße 401

22309 Hamburg

Tel.: (040) 63 23 74 0

Fax: (040) 63 70 89 94

Beratungsteam CED-Hilfe Hamburg [Quelle: CED-Hilfe e.V., 2008]

Die CED-Hilfe ist keine Selbsthilfegruppe im eigentlichen Sinne. Vielmehr soll Hilfe zur

Selbsthilfe gegeben werden. Der Leitgedanke des Vereins ist „die Krankheit in die eigenen

Hände nehmen“. So gibt die CED-Hilfe Rat und Unterstützung bei der Bewältigung der

Erkrankung, bietet eine kostenlose, persönliche Beratung an und stellt einen Treffpunkt für

Betroffene zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch dar. Die Mitarbeiter der CED-Hilfe arbeiten

zum größten Teil alle ehrenamtlich und sind selbst schon lange an Morbus Crohn oder Colitis

ulcerosa erkrankt.

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Arzt-Patienten-Seminare

Treffen zum Erfahrungsaustausch für Eltern von betroffenen Kindern und Jugendlichen

Treffen zum Erfahrungsaustausch für betroffene Jugendliche

Nachmittage zur Entspannung und Körperwahrnehmung

[CED-Hilfe e.V., 2008].

Weitere wichtige Adressen zum Thema Morbus Crohn:

Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V.

Geschäftsstelle

Olivaer Platz 7

10707 Berlin

Tel.: (030) 31 98 31 5000

Fax: (030) 31 93 31 5009

Kompetenznetz chronisch entzündliche Darmerkrankungen e.V.

c/o Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Campus Kiel

Klinik für Allgemeine Innere Medizin

Schittenhelmstraße 12

24105 Kiel

Tel.: (0431) 597 – 3937

Fax: (0431) 597 – 1434

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