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Die Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) Komplett-Version Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Informationen für Aufsichtsräte und Betriebsräte Auf einen Blick … Wir erläutern die Bestandteile und die zentralen Begriffe der Internationalen Rechnungslegungsvorschrift IFRS (International Financial Reporting Standards) bzw. ihrer Vorgängernorm IAS (International Accounting Standards). Wir stellen dar, welche Unternehmen nach diesen Vorschriften Rechenschaft über ihre wirtschaftliche Lage ablegen müssen. Wir zeigen, welche Auswirkungen die Umstellung von den Vorschriften der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften auf die internationalen Normen auf das Bild des Jahresabschlusses hat. Wir erläutern die Bilanzierungsvorschriften für wichtige Positionen, wie z. B. immaterielles Vermögen, Sachanlagen, Leasing, Vorräte, Fertigungsaufträge, Wertpapiere und Rückstellungen. Wir bewerten die Aussagekraft von Jahresabschlüssen nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften. Abschließend gibt es Literaturtipps zum Weiterlesen und Vertiefen. www.boeckler.de – Mai 2011 Copyright © Hans-Böckler-Stiftung

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Die Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) Komplett-Version Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Informationen für Aufsichtsräte und Betriebsräte

Auf einen Blick … Wir erläutern die Bestandteile und die zentralen Begriffe der Internationalen

Rechnungslegungsvorschrift IFRS (International Financial Reporting Standards) bzw. ihrer Vorgängernorm IAS (International Accounting Standards).

Wir stellen dar, welche Unternehmen nach diesen Vorschriften Rechenschaft über ihre wirtschaftliche Lage ablegen müssen.

Wir zeigen, welche Auswirkungen die Umstellung von den Vorschriften der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften auf die internationalen Normen auf das Bild des Jahresabschlusses hat.

Wir erläutern die Bilanzierungsvorschriften für wichtige Positionen, wie z. B. immaterielles Vermögen, Sachanlagen, Leasing, Vorräte, Fertigungsaufträge, Wertpapiere und Rückstellungen.

Wir bewerten die Aussagekraft von Jahresabschlüssen nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften.

Abschließend gibt es Literaturtipps zum Weiterlesen und Vertiefen.

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Inhaltsverzeichnis 1. International Financial Reporting Standards: Überblick 4 1.1. Anwendbarkeit der IFRS 4 1.2. Was sind IFRS? 5 1.3. Aussagekraft von IFRS-Abschlüssen 6 1.4. Auswirkungen der Umstellung auf IFRS 6 1.5. Definition Vermögenswerte, Schulden und Eigenkapital nach IFRS 8

2. Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte 9 2.1. Bilanzansatz von immateriellen Vermögenswerten unter IFRS 9 2.2. Bilanzierung von Entwicklungskosten unter IFRS 11 2.3. Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte 12

3. Sachanlagen 12 3.1. Erstmaliger Ansatz von Sachanlagen 12 3.2. Komponentenansatz 13 3.3. Folgebewertung der Sachanlagen 13 3.4. Abschreibung und Wertminderung 14

4. Leasing 15 4.1. Bilanzierung von geleastem Vermögen nach HGB 15 4.2. Bilanzierung von geleastem Vermögen nach IFRS 16 4.2.1. Finanzierungsleasing nach IAS 17 16 4.2.2. Mietleasing nach IAS 17 17 4.3. Sale-and-lease-back-Geschäfte 17

5. Vorräte 18 5.1. Charakter des Vorratsvermögens 18 5.2. Vollkostenansatz bei der Vorratsbilanzierung unter IFRS zwingend 19 5.3. Bilanzierung von qualifying assets 20 5.4. Verbrauchsfolgeverfahren 20 5.5. Wertminderung von Vorräten 20

6. Fertigungsaufträge 22 6.1. Bilanzierung von Fertigungsaufträgen nach HGB 22 6.2. Unter IFRS verpflichtend: Bilanzierung nach dem Grad der Fertigstellung 22 6.3. Beispiel: Percentage of completion-Methode in der Weinkellerei 23

7. Wertpapiere 25 7.1. Bilanzierung der Wertpapiere nach HGB-Regeln 25 7.2. Bilanzierung von Wertpapieren unter IFRS 25 7.2.1. Wertpapiere der Kategorie Held-for-trading 26 7.2.2. Wertpapiere der Kategorie Held-to-maturity 26 7.2.3. Wertpapiere der Kategorie Available-for-sale 26 7.3. Bilanzierung von Derivaten unter IFRS 28 7.4. Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting) 28

8. Rückstellungen 29 8.1. Charakteristik von Rückstellungen unter IFRS 30 8.2. Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen 30 8.3. Bildung von Restrukturierungsrückstellungen 31

9. Kapitalflussrechnung 32 9.1. Zweck einer Kapitalflussrechnung 32 9.2. Struktur der Kapitalflussrechnung 33 9.3. Beispiel einer Kapitalflussrechnung 34

10. Literatur 35

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Tabellenverzeichnis Tab. 1: Beispiel Deutsche Lufthansa AG (Konzern): Veränderung im Eigenkapitalausweis aufgrund der

Umstellung auf IAS ....................................................................................................................... 8 Tab. 2: Beispiel für die Behandlung von Fertigungsaufträgen nach HGB und IFRS .............................. 24 Tab. 3: Beispiel Kapitalflussrechnung der Deutsche Lufthansa AG ....................................................... 35

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Typisierung der Leasingverhältnisse nach IFRS ........................................................................ 16 Abb. 2: Ansatz von Herstellungskosten nach HGB und IFRS im Vergleich ............................................ 19 Abb. 3: Bewertung von Wertpapieren nach IFRS ................................................................................... 27 Abb. 4: Graphische Veranschaulichung der Inhalte einer Kapitalflussrechnung .................................... 33

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1. International Financial Reporting Standards: Überblick Die nachfolgenden Ausführungen basieren insbesondere auf Müller, IFRS, S. 13 bis 107.

Der Konzernabschluss von Kapitalgesellschaften beschäftigt Arbeitnehmervertreter regelmäßig mindestens einmal jährlich. Seit 2005 ist für börsennotierte Unternehmen europaweit die Anwendung der International Financial Reporting Standards (IFRS) vorgeschrieben. Spätestens ab 2007 mussten auch solche Unternehmen die IFRS zu Grunde legen, die nur Schuldpapiere an der Börse handeln lassen bzw. an der US-Börse notiert waren und US-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) anwendeten. Andere Kapitalgesellschaften dürfen den Konzernabschluss nach IFRS aufstellen. Das HGB bleibt Basis des Jahresabschlusses der einzelnen Gesellschaft.

1.1. Anwendbarkeit der IFRS

Seit 1998 war es deutschen Konzernen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, anstelle eines Konzernabschlusses nach dem deutschen Handelsrecht einen nach internationalen Normen aufzustellen. Darunter waren die damals noch so genannten International Accounting Standards (IAS) oder die amerikanischen US-GAAP zu ver-stehen. Hintergrund dieser Neuerung war das Bestreben, es den deutschen Unter-nehmen zu erlauben, mit einer bei ausländischen Investoren anerkannten Basis der Rechnungslegung leichter an ausländisches Kapital zu gelangen.

Die neue, um die Jahrtausendwende formulierte Rechnungslegungsstrategie der Eu-ropäischen Union setzt nunmehr europaweit auf den Einsatz der IFRS. Die breite Anwendung von IFRS innerhalb der EU stützt das Ziel einer weltweiten Harmoni-sierung der Rechnungslegung. Zunächst galten die IFRS ab 2005 innerhalb der EU für alle börsennotierten Mutterunternehmen. Diese müssen den Konzernab-schluss nach den IFRS aufstellen. Spätestens ab 2007 waren auch die anderen kapi-talmarktorientierten Unternehmen hierzu verpflichtet. Das sind die Unternehmen, die lediglich Schuldpapiere an der Börse handeln lassen. Auch Unternehmen, die bis-lang einen US-GAAP-Abschluss erstellten, weil sie aufgrund ihrer Notierung an einer US-Börse von den dortigen Behörden dazu gezwungen wurden, waren - nach einer Übergangsfrist - ab 2007 ebenfalls verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach den IFRS aufzustellen. Für den Jahresabschluss eines deutschen Unternehmens bleibt es bei der Rechnungslegung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB). Aufgrund der erheblichen Auswirkungen einer IFRS-Umstellung auf den Gewinnausweis ist es in Deutschland nicht gestattet, diese Standards für den Jahresabschluss zu nutzen. Immerhin richtet sich nach dem Gewinnausweis im Jahresabschluss die Bemessung

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der Ausschüttung an die Anteilseigner. Außerdem ist der Jahresabschluss Basis der steuerlichen Gewinnermittlung. Der Konzernabschluss dient dagegen nur Informati-onszwecken.

Das im Jahr 2009 verabschiedete Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) hat das HGB um Wahlrechte gemindert und sich in mehreren Punkten (wie des Wahl-rechts zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sowie der Einengung des Ansatzes von Aufwandsrückstellungen) an die IFRS angelehnt.

1.2. Was sind IFRS?

Das innerhalb der EU anerkannte IFRS-Regelwerk besteht aus einer Vielzahl von Standards - einige der alten IAS sind jedoch aufgrund von Neuregelungen nicht mehr gültig - sowie „neuen“ Standards unter der Bezeichnung IFRS 1 bis 8. Zitiert werden die Standards üblicherweise wie folgt: IAS 1.23 oder IFRS 3.39. Dies bezeichnet den jeweiligen Standard (im Beispiel IAS 1 und IFRS 3) und den jeweils gemeinten Ab-schnitt im Standard. Das grundlegende Rahmenkonzept (Framework) wird wie folgt zitiert: F.12. F steht für das Rahmenkonzept, die Ziffer auch hier für den zitierten Ab-schnitt.

Die historisch entwickelte Nummerierung der Standards ist inhaltlich ohne Bedeu-tung.

Gemäß IAS 1.7 bestehen die IFRS aus den

- IFRS, - IAS und den - Interpretationen des International Financial Reporting Interpretations Committee

(IFRIC) und des Standing Interpretations Committee (SIC).

Anders als die handelsrechtlichen Vorschriften haben die IFRS keinen unmittelbaren gesetzlichen Charakter. Sie werden vom IASB (International Accounting Standards Board) erlassen, einem privaten, internationalen Zusammenschluss von Berufsver-bänden, die mit der Rechnungslegung befasst sind. Das IASB ist Nachfolger des In-ternational Accounting Standards Committee (IASC), das 1973 gegründet wurde. Das IASB verfolgt das Ziel, eine weltweite Harmonisierung der Rechnungslegung zu erreichen. In der Consultative Group des IASC war auch der Internationale Bund Freier Gewerkschaften vertreten. Nach der Restrukturierung und Umbenennung des IASC ist diese gewerkschaftliche Vertretungsmöglichkeit entfallen.

Der Adressatenkreis für Abschlüsse wird in den IFRS relativ weit definiert. Neben derzeitigen und potenziellen Investoren, Kreditgebern und Lieferanten werden aus-drücklich Kunden, Regierungen, die Öffentlichkeit sowie die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen erwähnt. Sie alle sollen Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erhalten, die ihnen bei „wirtschaftlichen Entscheidungen nützlich“

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(F.12) sind. Demzufolge ist ein wesentliches Kriterium bei der Zusammenstellung der Informationen die Entscheidungsrelevanz.

1.3. Aussagekraft von IFRS-Abschlüssen

Der Abschluss soll ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermit-teln. Obwohl dies der Formulierung im deutschen Handelsrecht entspricht, ist im Er-gebnis doch ein erheblicher Unterschied zu vermerken: Im HGB überwiegt das Vor-sichtsprinzip, das heißt, der ausschüttbare Gewinn wird eher geringer ausfallen, wäh-rend nach IFRS eine wahre und faire Darstellung zu erfolgen hat. Der Grundsatz der Vorsicht hat sich dem Grundsatz einer periodengerechten Gewinnermittlung unter-zuordnen.

Gemäß F.36 gilt: „Damit die im Abschluss enthaltenen Informationen verlässlich sind, müssen sie neutral, also frei von verzerrenden Einflüssen sein. Abschlüsse sind nicht neutral, wenn sie durch Auswahl oder Darstellung der Informationen eine Entschei-dung oder Beurteilung beeinflussen, um so ein vorher festgelegtes Resultat oder Er-gebnis zu erzielen.“ Inwieweit sich dieser Anspruch tatsächlich verwirklichen lässt, ist aber sehr zweifelhaft, weil der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Abschlus-serstellung unzweifelhaft interessengeleitet ist. Zwar ist der Spielraum für Bilanzpoli-tik aufgrund der geringeren Zahl expliziter Wahlrechte und engerer Kriterien auf den Gebieten Abschreibungen und Rückstellungsbildung auf den ersten Blick unter IFRS eingeschränkt, aber auf den zweiten Blick eröffnen sich scheunentorgroße Möglich-keiten durch Vorschriften auf dem Gebiet der Firmenwertbilanzierung und der Be-handlung von Entwicklungskosten.

Der oben dargestellten Zielsetzung der IFRS-Abschlüsse entspricht der Grundsatz, den wirtschaftlichen Gehalt der zugrunde liegenden Geschäfte höher zu gewichten als die rechtliche Gestalt („substance over form“). Dieser Grundsatz wirkt sich z. B. bei Leasingverhältnissen aus, die unter IFRS häufig anders behandelt werden, als im Abschluss nach deutschem Recht, da dort die rechtliche Form höheres Gewicht hat als unter IFRS.

Insgesamt betrachtet sind die IFRS-Regeln detaillierter und enger als das deutsche Handelsrecht.

Außerdem gehen die Offenlegungsregeln sehr viel weiter als im HGB. Dies betrifft vor allem die Anhangsangaben.

1.4. Auswirkungen der Umstellung auf IFRS

Die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Konzerns kann sich nach der Um-stellung auf IFRS deutlich anders darstellen als zuvor. Verantwortlich dafür sind zahlreiche Abweichungen in Ansatz- und Bewertungsregeln zwischen IFRS und HGB. So dürfen im Bereich des HGB selbst geschaffene immaterielle Ver-

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mögensgegenstände des Anlagevermögens (zum Beispiel Patente, Rechte oder Software) im Rahmen eines Wahlrechts bilanziert werden, während nach IFRS eine Aktivierungspflicht besteht, sofern die selbst geschaffenen immateriellen Vermö-genswerte zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen erwarten lassen und die Kosten ihrer Herstellung zuverlässig bestimmt werden können (IAS 38.51).

Das Leasing von Anlagegegenständen ist heute weit verbreitet. Da es aber im deutschen Handelsrecht keine Vorschriften zur bilanziellen Behandlung geleaster Gegenstände gibt, richtet sich die Bilanzierung nach den „Leasingerlassen“ der deut-schen Finanzverwaltung. Die Zuordnung der Leasinggüter zum Leasinggeber oder -nehmer erfolgt dabei entsprechend der Gestaltung des Leasingvertrags. Aufgrund steuerlicher Vorteile werden die Verträge meist so gefasst, dass es nur selten zur Aktivierung des Gegenstands beim Leasingnehmer kommt. Da nach IFRS steuerlich motivierte Gestaltungen keine Rolle spielen dürfen, kommt es auf den wirtschaftli-chen Gehalt der Leasingtransaktion und damit auf die tatsächliche Verteilung von Chancen und Risiken aus diesem Geschäft an. Die Prüfkriterien sind zudem enger gefasst als nach den Leasingerlassen. Daher muss oft unter IFRS ein so genanntes Finanzierungsleasing bejaht werden, während unter HGB dasselbe Geschäft als „Mietleasing“ klassifiziert würde. Die Erfassung als Finanzierungsleasing führt zwangsläufig zu einer Aktivierung beim Leasingnehmer (IAS 17). Daher ist beim Übergang auf IFRS-Bilanzierung häufig ein Anwachsen entsprechender Positionen im Anlagevermögen zu beobachten. Im Gegenzug sind die dem Leasingvertrag zu-gehörigen Verpflichtungen zu passivieren. Unter anderem aufgrund dieser Regelung wuchs die Position Flugzeuge in der Bilanz der Lufthansa AG durch den Übergang auf IAS im Jahr 1997 um 1.573 Mio. DM oder ca. 16% an.

Ein weiterer bedeutender Unterschied zwischen HGB und IFRS betrifft die Behand-lung langfristig angelegter Fertigungsaufträge zum Beispiel in der Bauwirtschaft oder im Großanlagenbau. Während nach HGB im Normalfall während der Bauzeit nur Aufwendungen anfallen und Umsatzerlöse (und damit auch Gewinne) erst nach Fertigstellung realisiert werden, sind nach IFRS Teilgewinne zwingend bereits wäh-rend der Bauphase entsprechend dem Baufortschritt zu ermitteln (Percentage-of-completion-Methode gemäß IAS 11).

Nach IFRS werden Rückstellungen ebenso wie Verbindlichkeiten als Schulden (liabi-lities) gegenüber Dritten betrachtet, d. h. es bestehen Verpflichtungen gegenüber diesen. Pensionsrückstellungen sind unter IFRS verpflichtend nach dem Anwart-schaftsbarwertverfahren zu ermitteln (IAS 19.64 ff.). Das Verfahren geht davon aus, dass in jedem Dienstjahr ein zusätzlicher Teil des endgültigen Leistungsanspruchs erdient wird (IAS 19.65 enthält hierzu ein Beispiel). Diese Methode unterscheidet sich erheblich vom deutschen steuerlichen Teilwertverfahren, das bis zur Anwen-dung des BilMoG vorrangig in handelsrechtlichen Jahresabschlüssen genutzt wurde. Große Effekte entstanden durch die dynamische Betrachtung der Verpflichtungen (Einbeziehung von Annahmen über die künftige Gehalts- und Rentenentwicklung)

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und die Orientierung des Abzinsungssatzes am langfristigen Kapitalmarktzins (unter HGB wurde vor BilMoG üblicherweise ein fester Zinssatz von 6% gemäß § 6a EStG gewählt). Im Ergebnis lagen die zu bilanzierenden Werte der Pensionsverpflichtung unter IFRS in den Geschäftsjahren vor 2010 deutlich höher als unter HGB. Die ge-schilderten Effekte lassen sich deutlich identifizieren, wenn man die Eigenkapital-überleitung des Lufthansa-Konzerns betrachtet. Die Lufthansa hat die Rechnungsle-gung bereits 1998 umgestellt. Alle Umstellungseffekte waren dabei ergebnisneutral im Eigenkapital abzubilden. Das Eigenkapital nach HGB von 5.339 Mio. DM vermin-derte sich durch Umstellung auf IAS auf 4.496 Mio. DM. Besonders stark wirkten sich die abweichenden Verfahren zur Bilanzierung von Leasinggeschäften und von Pen-sionsverpflichtungen aus. Beide führten zu einer Minderung des Eigenkapitalauswei-ses. Dagegen sorgten die engeren Vorschriften für die Bildung sonstiger Rückstel-lungen für eine Erhöhung des Eigenkapitals um 202 Mio. DM.

Konzernjahresabschluss der Deutschen Lufthansa AG 1998 Das Ausmaß der Umstellung auf IAS illustrieren die Veränderungen im Eigenkapitalaus-weis.

Angaben in Mio. DM

Eigenkapital nach HGB zum 31.12.1996 (ohne Anteile im Fremdbesitz)

5.339

Konsolidierungskreisänderungen 134 Bewertung at equity 12 Finanzierungsleasing von Flugzeugen und Gebäuden -722 Pensionsrückstellungen -1.089 Sonstige Rückstellungen 202 Sonstige Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede 52 Latente Steuern 568 Eigenkapital nach IAS zum 1.1.1997 4.496

Quelle: Geschäftsbericht Deutsche Lufthansa AG 1998

Tab. 1: Beispiel Deutsche Lufthansa AG (Konzern): Veränderung im Eigenkapitalausweis aufgrund der Umstellung auf IAS

1.5. Definition Vermögenswerte, Schulden und Eigenkapital nach IFRS

Die Bilanz nach IFRS kennt nur drei übergeordnete Posten (IAS 1.9):

− Vermögenswerte, − Schulden und − Eigenkapital.

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Vermögenswerte (assets) sind nach IFRS nur dann zu bilanzieren, wenn ihr Vor-handensein den Zufluss künftigen Nutzens erwarten lässt. Während die für den Jahresabschluss nach dem deutschen Handelsgesetzbuch geltenden Regeln als Ansatzkriterien nur die selbstständige Bewertbarkeit und einzelne Veräußerbarkeit kennen, ist es daher für den Ansatz in einem IFRS-Abschluss erforderlich, den wahr-scheinlichen Zufluss künftigen Nutzens aus dem Vermögenswert nachweisen zu können.

Das HGB öffnet sich seit BilMoG dieser Sichtweise, z. B. durch das Wahlrecht zum Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände (Entwicklungskos-ten).

Eine Schuld ist eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, die aus Ereig-nissen der Vergangenheit entsteht und deren Erfüllung für das Unternehmen erwar-tungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist (F.49 b).

Eigenkapital ist Saldo aus Vermögenswerten und Schulden (F.49 c).

2. Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte Immaterielle Vermögenswerte sind in IAS 38.8 als identifizierbare, nicht monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz definiert. Dazu gehören z. B. Computer-software, Patente, Urheberrechte, Filmmaterial, Kundenlisten, Hypothekenbedie-nungsrechte, Importquoten, Franchiseverträge, Kunden- oder Lieferantenbeziehun-gen, Kundenloyalität, Marktanteile und Absatzrechte (IAS 38.9).

2.1. Bilanzansatz von immateriellen Vermögenswerten unter IFRS

Die Wahrscheinlichkeit der Gewinnerzielung in der Zukunft spielt daher auch für den Bilanzansatz von immateriellen Vermögenswerten (beispielsweise Markenrechte, Patente oder Software) eine wichtige Rolle. Während nach HGB bis zum Inkrafttreten des BilMoG nur erworbene immaterielle Vermögensgegenstände aktiviert werden durften (nach BilMoG: Wahlrecht zur Aktivierung von Entwicklungskosten), werden nach IFRS selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte prinzipiell nach den-selben Kriterien bilanziert wie die erworbenen.

Beispiel

Nehmen wir an, ein Unternehmen habe patentierte Verfahren entwickelt, wobei Entwicklungskosten für die Patente von 0,5 Mio. € angefallen sind. Weiterhin hat das Unternehmen Markenrechte im Wert von 2,0 Mio. € erworben, für die Entwicklung eines weiteren Markennamens 0,5 Mio. € aufge-wendet und Software zu Aufwendungen von 1,0 Mio. € selbst erstellt. Nehmen wir an, alle diese Vermögensgegenstände bzw. -werte seien einzeln bewert- und veräußerbar. Sofern das Unterneh-men nicht das mit dem BilMoG 2009 neu geschaffene Wahlrecht zur Aktivierung von Entwicklungs-

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kosten wahrnimmt (§ 248 Abs. 2 HGB), werden nur die gekauften Markenrechte berücksichtigt. Die Kosten für die Entwicklung der Software und der Patente werden hingegen nicht aktiviert, sondern unmittelbar als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung angesetzt.

Unter IFRS ist der Aufwand für den selbst geschaffenen Markennamen nicht zu aktivieren, sondern direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung zu verbuchen. Alle anderen Positionen sind dagegen zwin-gend zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Bilanz aufzunehmen, sofern die weiteren Kriterien für den Bilanzansatz gemäß IAS 38.57 erfüllt sind. Das bedeutet: Für diese Vermögenswerte besteht eine Aktivierungspflicht.

Zum gleichen Ergebnis wie nach IFRS würde man nach deutschem Handelsrecht gelangen, wenn man das Wahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB nutzt.

HGB IFRS Markenrechte 2,0 Mio. € 2,0 Mio. € Patente 0,0 Mio. € 0,5 Mio. € Software 0,0 Mio. € 1,0 Mio. € Summe 2,0 Mio. € 3,5 Mio. €

Im Vergleich zur HGB-Bilanz, wie sie bis 2009 zwingend aufzustellen war, entsteht damit im Beispiel nach IFRS eine Differenz von 1,5 Mio. €, also ein erheblicher Vermögenszuwachs. Das gilt auch unter HGB in der Fassung des BilMoG, wenn das Unternehmen das Aktivierungswahlrecht für Entwick-lungskosten nicht ausübt. Es ergibt sich nach IFRS ein Gewinnzuwachs, weil die Aufwendungen für die Erstellung der immateriellen Vermögenswerte nicht unmittelbar das Ergebnis belasten, sondern über die angenommene Nutzungsdauer verteilt werden. Im Gegenzug werden die Ergebnisse der Folgeperioden um die jeweils anfallenden Abschreibungen gemindert.

Nach IFRS ist es für die Bildung eines immateriellen Vermögenswerts erforderlich, dass der Vermögenswert eindeutig identifizierbar ist und dass sein Wert zuverläs-sig ermittelt werden kann. Weitere Voraussetzungen sind: Er steht aufgrund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens, und es ist von ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass dem Unterneh-men aus ihm ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt (IAS 38.21).

Umgekehrt heißt das: Ein Vermögenswert ist nach IFRS nicht zu aktivieren, wenn es nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass aus ihm in der Zukunft ein wirtschaftlicher Nutzen zu ziehen ist. Gehen wir davon aus, dass im oben dargestellten Beispiel die genannten Kriterien erfüllt sind, so vergrößert sich bei einer IFRS-Bilanz im Vergleich zur HGB-Bilanz der Posten der immateriellen Vermögenswerte (intangible assets) erheblich.

Nach IAS 38.63 bestehen lediglich Bilanzierungsverbote für selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und ähnliche Posten so-wie für einen selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert (IAS 38.48). Sol-che Posten dürfen nicht in Ansatz gebracht werden, weil es für sie aufgrund ihrer Einzigartigkeit keinen aktiven Markt gibt (IAS 38.78). Für unser Beispiel heißt dies, dass unter IFRS der Aufwand für den selbst geschaffenen Markennamen nicht akti-viert wird, sondern direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung zu verbuchen ist. Alle

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anderen Positionen sind dagegen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Bilanz aufzunehmen (IAS 38.24). Das heißt: Für diese Vermögenswerte gibt es eine Aktivierungspflicht.

2.2. Bilanzierung von Entwicklungskosten unter IFRS

IAS 38 schreibt für die Forschungs- und Entwicklungskosten eine getrennte Behand-lung vor: Forschungskosten dürfen nicht aktiviert werden, sondern müssen stets in der Periode als Aufwand verbucht werden, in der sie anfallen (IAS 38.54). Dies folgt der Überlegung, dass nicht nachweisbar ist, inwiefern ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen erzeugt wird. Forschungsaktivitäten sind beispielsweise auf Erlangung neuer Kenntnisse, die Suche nach möglichen Anwendungen für Forschungsergebnisse oder neuen Materialien, Produkten oder Verfahren ausgerichtet.

Sobald aber die Werthaltigkeit anhand verschiedener Kriterien nachgewiesen werden kann, handelt es sich um Entwicklungskosten, die zu einem zu aktivierenden Ver-mögenswert führen. Der Prozess zur Entwicklung neuer Produkte ist daher nach IFRS, soweit dies möglich ist, in zwei Phasen zu unterteilen: eine Forschungsphase und eine Entwicklungsphase. Kosten der Forschungsphase sind periodengerecht als Aufwand zu erfassen. Dagegen sind die Kosten für die Entwicklungsphase als imma-terieller Vermögenswert zu verbuchen, der zwingend in der Bilanz anzusetzen (IAS 38.57) und abzuschreiben ist.

Um Entwicklungskosten zu aktivieren, muss das Unternehmen sämtliche folgende Kriterien erfüllen (IAS 38.57):

− technische Realisierbarkeit der Fertigstellung,

− Absicht zur Fertigstellung und zum Verkauf bzw. zur Nutzung,

− Fähigkeit, den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen,

− Existenz eines Marktes oder eines internen Nutzens,

− Verfügbarkeit technischer und finanzieller Ressourcen für den Abschluss der Entwicklung,

− Fähigkeit zur verlässlichen Bewertung der der Entwicklung zurechenbaren Aus-gaben.

Die IFRS-Regelung hat eine erhebliche Bedeutung insbesondere (aber nicht nur) in der Automobilindustrie, bei Softwareproduzenten und bei Flugzeugherstellern. In der pharmazeutischen Industrie kommt es dagegen regelmäßig nicht zum Ansatz von Entwicklungskosten, weil das Kriterium eines nachweisbaren Marktes für das Pro-dukt erst mit der Zulassung des Medikaments durch die zuständigen Behörden vor-liegt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Entwicklung aber bereits abgeschlossen.

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2.3. Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte

Die Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte erfolgt entweder nach der An-schaffungskostenmethode oder nach der Neubewertungsmethode. Wählt das Unter-nehmen die Anschaffungskostenmethode, so ist ein immaterieller Vermögenswert mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, abzüglich kumulierter Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen (IAS 38.74).

Die Neubewertungsmethode erlaubt dagegen den Ansatz eines Neubewertungsbe-trags, der dem beizulegenden Zeitwert am Tage der Neubewertung abzüglich der nachfolgenden Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen entspricht. Für die Anwendung dieser Methode auf immaterielle Vermögenswerte ist es erforderlich, dass für diese Vermögenswerte ein aktiver Markt existiert (IAS 38.75 und IAS 38.81). In der Praxis erlangt diese Methode kaum Bedeutung, da für immaterielle Vermö-genswerte meist kein aktiver Markt vorhanden ist.

Das Unternehmen hat festzustellen, ob von einer begrenzten oder einer unbegrenz-ten Nutzungsdauer auszugehen ist. Weiterhin ist die Laufzeit einer begrenzten Nut-zungsdauer zu ermitteln. Eine unbegrenzte Nutzungsdauer liegt dann vor, wenn es aufgrund einer Analyse aller relevanten Faktoren keine vorhersehbare Begrenzung der Periode gibt, in der der Vermögenswert voraussichtlich Netto-Cashflows für das Unternehmen erzeugen wird (IAS 38.88).

Die Abschreibungsmethode muss den wirtschaftlichen Nutzungsverlauf widerspie-geln. Sofern der Nutzungsverlauf nicht verlässlich bestimmbar ist, ist die lineare Ab-schreibungsmethode anzuwenden (IAS 38.97).

3. Sachanlagen Zu den Sachanlagen zählen materielle Vermögenswerte, die dazu bestimmt sind, dem Unternehmen für seine geschäftlichen Zwecke erwartungsgemäß länger als ein Geschäftsjahr zu dienen. Dazu gehören z. B. Grundstücke, Gebäude, Maschinen und Anlagen oder die Betriebsausstattung. Sachanlagen sind als Vermögenswerte in der Bilanz auszuweisen, sofern ihre Anschaffungs- oder Herstellungskosten verläss-lich ermittelt werden können und mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass dem Unternehmen durch sie ein künftiger Nutzen zufließen wird (IAS 16.7).

3.1. Erstmaliger Ansatz von Sachanlagen

Eine Sachanlage ist bei ihrem erstmaligen Bilanzansatz mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Zu den Anschaffungskosten zählen neben dem Kaufpreis eventuelle Einfuhrzölle und Erwerbsteuern, die nicht erstattungsfähig sind, sowie Transportkosten und alle weiteren direkt zurechenbaren Kosten, die im Zu-

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sammenhang mit der Anschaffung und der betriebsbereiten Herrichtung des Vermö-genswertes (etwa Kosten der Standortvorbereitung, Montagekosten oder Honorare für Architekten und Ingenieure) stehen. Rabatte und Skonti müssen vom Kaufpreis abgezogen werden.

Bei vom Unternehmen in Eigenregie erstellten Gegenständen des Sachanlagever-mögens (z. B. selbst errichtete Anlagen und Maschinen) umfassen die anzusetzen-den Herstellungskosten die direkten Kosten der Herstellung des Gegenstands (Fer-tigungslöhne und Materialeinzelkosten) sowie fixe und variable Produktionsgemein-kosten. Finanzierungskosten sind gemäß den Vorschriften des IAS 23 bei einem qualifizierten Vermögenswert zu aktivieren, wenn ein beträchtlicher Zeitraum für die Herstellung erforderlich ist. Nach den IFRS ist diese Vollkostenbetrachtung zwingend anzuwenden.

3.2. Komponentenansatz

Gemäß dem Komponentenansatz ist eine Aufteilung des Vermögenswerts in seine wesentlichen Bestandteile vorgeschrieben, wenn die Nutzungsdauern der Kom-ponenten unterschiedlich sind (IAS 16.12 bis 14, IAS 16.43). Das gilt beispielswei-se für einen Hochofen, der nach einer bestimmten Gebrauchszeit auszufüttern ist, oder für Flugzeugteile wie Sitze und Bordküchen, die über die Lebensdauer des Flugzeugs mehrfach ausgetauscht werden.

Jede Komponente, die einen signifikanten Teil der Anschaffungs- oder Herstellungs-kosten eines Vermögenswerts ausmacht, ist gesondert abzuschreiben (IAS 16.43).

Wird eine Komponente ersetzt, ist für den Restbuchwert der Komponente ein Ab-gang darzustellen. Der Einbau der neuen Komponente ist entsprechend als Zugang zu aktivieren (IAS 16.13).

Nicht nach dieser Methode zu bilanzieren sind die kleineren Wartungs- und Repara-turarbeiten an einem Vermögenswert (IAS 16.12).

3.3. Folgebewertung der Sachanlagen

In den dem Erstansatz folgenden Jahren ist die Sachanlage entweder nach dem so genannten Anschaffungskostenmodell oder nach dem Neubewertungsmodell zu be-werten. Es existiert hier also ein Wahlrecht zwischen zwei unterschiedlichen Verfah-ren, das pro Gruppe von Sachanlagen auszuüben ist (IAS 16.29).

Nach dem Anschaffungskostenmodell ist die Sachanlage zu ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der kumulierten Abschreibungen und der kumu-lierten Wertminderungsaufwendungen anzusetzen (IAS 16.30).

Die Neubewertungsmethode erlaubt dagegen den Ansatz eines Neubewertungsbe-trags, der dem beizulegenden Zeitwert am Tage der Neubewertung (in der Regel ist

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dies der Marktwert) abzüglich der nachfolgenden Abschreibungen und Wertminde-rungsaufwendungen entspricht (IAS 16.31). Die Neubewertung findet nicht nur für einen einzelnen Gegenstand statt, sondern immer für die gesamte Gruppe der Sach-anlagen, zu der der Gegenstand gehört (IAS 16.36).

Da der Neubewertungsbetrag auch über den Anschaffungskosten liegen kann, ist bei der Analyse des Abschlusses eines Unternehmens, das sich für diese Methode ent-schieden hat, entsprechend kritisch vorzugehen. Hat die Neubewertung eine Wert-steigerung zur Folge, ist diese im sonstigen Ergebnis und im Eigenkapital in einer Position „Neubewertungsrücklage“ zu erfassen.

3.4. Abschreibung und Wertminderung

Nach IFRS ist keine besondere Abschreibungsmethode vorgeschrieben. Erwähnt werden in IAS 16.62 die lineare, die degressive und die leistungsabhängige Ab-schreibungsmethode. Die gewählte Methode hat aber dem Verbrauch des wirtschaft-lichen Nutzens des Vermögenswerts durch das Unternehmen zu entsprechen (IAS 16.60). In der Praxis der nach IFRS bilanzierenden Unternehmen herrscht die lineare Methode vor. Die in Deutschland vor BilMoG oftmals verwendete, steuerlich motivier-te degressive Methode kommt dagegen selten vor, weil ein degressiver Nutzenver-lauf häufig nicht nachweisbar ist. Seit BilMoG wird auch im Jahresabschluss nach HGB meist nur die lineare Abschreibung angewendet.

Die einmal gewählte Abschreibungsmethode ist beizubehalten. Lediglich bei Ände-rungen des Nutzenverlaufs sind methodische Änderungen zulässig.

Die planmäßige Abschreibung erfolgt über die Dauer der voraussichtlichen wirt-schaftlichen Nutzung der Sachanlage. Die Nutzungsdauer bestimmt sich nach der geschätzten Nutzungszeit der Sachanlage oder nach der voraussichtlich mit der Sachanlage im Unternehmen zu erzielenden Produktionsmenge.

Die Abschreibungsmethode und die Nutzungsdauer sind wenigstens zum Ende eines jeden Geschäftsjahrs zu überprüfen (IAS 16.51 und IAS 16.61). Werden Abwei-chungen der aktuellen Erwartungen zur Nutzungsdauer gegenüber früheren Schät-zungen festgestellt, sind die Abschreibungsbeträge anzupassen.

Das Unternehmen hat an jedem Bilanzstichtag einzuschätzen, ob es Anhaltspunkte für eine Wertminderung eines Vermögenswerts gibt (IAS 36.9 und IAS 36.12). Liegt ein solcher Anhaltspunkt vor, hat es den erzielbaren Betrag des Vermögenswerts zu schätzen. Wenn der erzielbare Betrag eines Sachanlagegegenstands beispielsweise aufgrund einer Beschädigung unter den Buchwert gesunken ist, wird eine außer-planmäßige Abschreibung auf den niedrigeren erzielbaren Betrag vorgenommen. Der entsprechende Wertminderungsaufwand wird erfolgswirksam (also gewinn-mindernd) in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.

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Entfällt zu einem späteren Zeitpunkt die Ursache der außerplanmäßigen Abschrei-bung, so hat zwingend eine Zuschreibung zum Buchwert bis auf den erzielbaren Be-trag (Wertaufholung) zu erfolgen (IAS 36.114). Allerdings gilt hierbei eine Wertober-grenze: Der durch die Wertaufholung erhöhte Buchwert darf nicht den Buchwert übersteigen, der vorläge, wenn in den früheren Jahren keine Wertminderung festge-stellt worden wäre (IAS 36.117).

4. Leasing Das Leasen von Gegenständen des Anlagevermögens hat heutzutage eine erhebli-che Bedeutung: Vom Kraftfahrzeug über Maschinen und Fabrikanlagen bis hin zu Gebäuden reicht die Palette von Objekten, die Unternehmen in dieser Weise finan-zieren.

Die Motivation, einen Gegenstand nicht herkömmlich zu kaufen, sondern per Lea-singvertrag für sich nutzbar zu machen, liegt zunächst in der Chance, gegenüber dem Kauf Liquidität zu sichern. Der Abfluss von Zahlungsmitteln kann wie bei der Miete über den Zeitraum der Nutzung des Gegenstands verteilt werden. Dafür ist das Unternehmen dann auch bereit, einen gegenüber der sofortigen Zahlung beim Kauf erhöhten Gesamtbetrag der kumulierten Leasingraten zu entrichten.

4.1. Bilanzierung von geleastem Vermögen nach HGB

Die Attraktivität des Leasings beruht nicht zuletzt auf der Möglichkeit, im handels-rechtlichen Jahresabschluss eine Aktivierung des Vermögensgegenstands zu ver-meiden und die Leasingraten in der Periode direkt als Aufwand zu erfassen. Vo-raussetzung hierfür ist eine Gestaltung des Leasingvertrags in einer Form, die die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums am Objekt zum Leasinggeber ermöglicht. Da im deutschen HGB keine Vorschriften zum Leasing existieren, richtet sich die Bi-lanzierungspraxis geleaster Gegenstände nach den so genannten steuerlichen Lea-singerlassen der deutschen Finanzbehörden. Damit wird das Leasing im Ergebnis in der Steuerbilanz und der Handelsbilanz gleich gehandhabt. Ob das Objekt dem wirt-schaftlichen Eigentum des Leasinggebers oder des Leasingnehmers zugerechnet wird, richtet sich dabei nach den Vertragsbedingungen, die der Leasingnehmer und der Leasinggeber ausgehandelt haben. Üblicherweise sind die Verträge so gestaltet, dass der Leasinggegenstand beim Leasinggeber bilanziert wird. Damit erscheinen Vermögensgegenstände, mit denen das Unternehmen arbeitet und die eigentlich dem Sachanlagevermögen zuzuordnen wären, nicht in der Bilanz des Unternehmens bzw. Konzerns.

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4.2. Bilanzierung von geleastem Vermögen nach IFRS

Im Bereich des Konzernabschlusses nach den IFRS kommt es häufig zu einer ande-ren Zuordnung des Leasingobjekts, da hier auf die tatsächliche Verteilung von Ri-siken und Chancen aus den Rechten am Leasinggegenstand geachtet wird. Der vertraglichen Gestalt kommt daher weniger Gewicht zu als dem wirtschaftlichen Gehalt (IAS 17.10) – dies ist eine Folge des allgemeinen Grundsatzes „substance over form“ bzw. der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ (IAS F.35).

Nach IAS 17 ist die bilanzielle Behandlung des Leasingobjekts davon abhängig, ob es sich um ein Finanzierungsleasing handelt oder um ein Mietleasing.

Abb. 1: Typisierung der Leasingverhältnisse nach IFRS

4.2.1. Finanzierungsleasing nach IAS 17

Handelt es sich um ein Finanzierungsleasing (finance lease), so hat der Leasing-nehmer das Leasingverhältnis als Vermögenswert und Schuld in gleicher Höhe in seiner Bilanz anzusetzen und in jeder Berichtsperiode Abschreibungen vorzuneh-men. Die Bewertung des Leasingobjekts erfolgt mit dem beizulegenden Zeitwert (fair value) oder mit dem Barwert der noch zu leistenden Leasingzahlungen, wenn dieser niedriger als der beizulegende Zeitwert ist (IAS 17.20).

Der Leasinggeber hat im Gegenzug den Vermögenswert aus einem Finanzierungs-leasing in seiner Bilanz als Forderung darzustellen. Der Wert der anzusetzenden Forderung bemisst sich nach der Höhe des Nettoinvestitionswerts (IAS 17.36).

Charakteristisch für ein Finanzierungsleasing ist die Übertragung aller Chancen und Risiken aus dem Eigentum am Objekt auf den Leasingnehmer. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn am Ende der Laufzeit des Leasingverhältnisses dem Leasing-nehmer das Eigentum am Gegenstand übertragen wird oder wenn die Laufzeit des Leasingverhältnisses den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Objekts umfasst. Auch eine spezielle Beschaffenheit des Leasinggegenstands,

Wer ist wirtschaftlicher Eigentümer?

Wer trägt im Wesentlichen die mit dem Eigentum verbundenen Risiken und Chancen?

Leasingnehmer

Finanzierungsleasing

Leasinggeber

Mietleasing

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so dass er nur vom Leasingnehmer genutzt werden kann, spricht für die Klassifizie-rung als Finanzierungsleasing. Unter IAS 17.10 und 17.11 sind weitere Beispiele und Anhaltspunkte für Finanzierungsleasing zu finden.

4.2.2. Mietleasing nach IAS 17

Beim Mietleasing (operating lease) ist der Vermögenswert dagegen dem Leasingge-ber zuzuordnen. Als Mietleasing gilt das Leasingverhältnis immer dann, wenn kein Finanzierungsleasing festgestellt werden kann.

Der Leasingnehmer hat beim Mietleasing die Leasingzahlungen als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (IAS 17.33). Zusätzlich sind ergän-zende Angaben zu den Summen der künftigen Leasingzahlungen zu machen. Au-ßerdem hat er eine Beschreibung der wesentlichen Leasingvereinbarungen (etwa zu Verlängerungs- und Kaufoptionen oder Preisanpassungsklauseln) vorzulegen (IAS 17.35).

In diesem Fall hat der Leasinggeber den Leasinggegenstand als Vermögenswert in seiner Bilanz darzustellen und die Leasingerträge sowie Kosten einschließlich der Abschreibungen als Aufwand in seiner Gewinn- und Verlustrechnung auszuweisen (IAS 17.49 f.). Zusätzlich muss der Leasinggeber Angaben über die Summen der künftigen Mindestleasingzahlungen und der erfolgswirksam berücksichtigten beding-ten Mietzahlungen machen und eine allgemeine Beschreibung der wesentlichen Leasingvereinbarungen vorlegen (IAS 17.56).

4.3. Sale-and-lease-back-Geschäfte

Ein wichtiger Unterschied zwischen HGB und IFRS betrifft Sale-and-lease-back-Geschäfte. Darunter versteht man die Veräußerung eines Vermögensgegenstands/ -werts mit der Absicht, diesen unmittelbar vom Erwerber „zurückzuleasen“. Damit lassen sich liquide Mittel generieren, die dann für Investitionen genutzt werden kön-nen. Im Bereich des deutschen Handelsrechts gelten Buchgewinne aus solchen Ge-schäften sofort als realisiert.

Nach dem Grundprinzip des periodengerechten Erfolgsausweises sind nach IFRS Sale-and-lease-back-Geschäfte nicht als separate Verkaufsvorfälle und Miet- und Leasingverhältnisse zu betrachten, sondern der Gewinn aus dem Verkauf und die anschließend erhöhten Kosten der Miete werden als wirtschaftliche Einheit gesehen. Der beim Verkauf entstandene Gewinn ist nach IAS 17.59 daher in der Regel als Passivposten abzugrenzen (Einstellung in einen Rechnungsabgrenzungsposten) und über die Laufzeit des anschließenden Mietvertrags ertragswirksam zu vereinnahmen. In diesen Fällen handelt es sich beim Leasinggeschäft um ein Finanzierungslea-sing.

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Sollte im Rahmen des Sale-and-lease-back-Geschäfts ein Mietleasingverhältnis ent-stehen und die Transaktion wurde eindeutig zum beizulegenden Zeitwert abgewi-ckelt, so ist jeglicher Gewinn oder Verlust nach IFRS sofort zu erfassen (IAS 17.61).

Die Kriterien der Zuordnung zum Mietleasing oder zum Finanzierungsleasing wer-den oft als willkürlich und unbefriedigend empfunden. Daher ist derzeit ein Vorschlag des IFRS-Standardsetters IASB in der Diskussion, einen neuen Ansatz der Leasing-bilanzierung zu verfolgen. Danach soll künftig die Unterscheidung von Finanzie-rungsleasing und Mietleasing aufgegeben werden und ein einheitliches Verfahren für alle Leasinggeschäfte gelten. Nach derzeitigem Arbeitsplan des IASB soll im 4. Quartal 2011 der endgültige Standard vorgelegt werden (Quelle: www.ifrs.org).

5. Vorräte Vor allem in Handelsunternehmen und in der industriellen Fertigung spielen Lager-vorräte eine erhebliche Rolle. Diese zum Umlaufvermögen gehörenden Vermögens-werte können aber in unterschiedlicher Höhe in der Bilanz berücksichtigt werden.

5.1. Charakter des Vorratsvermögens

Zu den Vorräten zählen sowohl Waren, die zum Weiterverkauf erworben wurden, als auch vom Unternehmen hergestellte Fertigerzeugnisse, unfertige Erzeugnisse sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (IAS 2.6).

Unfertige Erzeugnisse aus Fertigungsaufträgen sind ausdrücklich nicht nach den Bestimmungen über das Vorratsvermögen des IAS 2 zu behandeln, da für diese Vermögenswerte ein eigener IAS gilt (vgl. Punkt 7).

Der erstmalige Ansatz von Vorräten erfolgt unter IFRS wie unter HGB mit den An-schaffungs- oder Herstellungskosten.

Für die Bilanzierung von Vorräten schrieb das deutsche HGB bis 2009 lediglich vor (wie auch für die Bilanzierung selbst erstellter Sachanlagen), die Einzelkosten ver-pflichtend in die Herstellungskosten der Vorräte einzubeziehen. Der Ansatz von Ge-meinkosten konnte vorgenommen werden. Mit dem BilMoG hat sich die HGB-Bilanzierung auf die der IFRS-Regeln zubewegt. Nunmehr sind auch in der HGB-Bilanz „angemessene Teile“ der Gemeinkosten bei der Bewertung verpflichtend zu berücksichtigen. In der Praxis ändert sich dadurch nicht viel, weil nur relativ wenige Unternehmen auf den Ansatz von Gemeinkosten nach HGB verzichtet haben.

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Ansatz von Herstellungskosten nach HGB und IFRS im Vergleich

(W = Wahlrecht, P = Pflicht, V = Verbot) HGB (alt) HGB (neu) IFRS § 255 § 255 IAS 2 Einzelkosten Fertigungsmaterial P P P Fertigungslöhne P P P Sondereinzelkosten der Fertigung P P P Gemeinkosten Materialgemeinkosten W P P Fertigungsgemeinkosten W P P Abschreibungen auf Fertigungsanlagen W P P Anteilige Entwicklungs-, Konstruktions- und Versuchskosten W W P Sondergemeinkosten der Fertigung W W P Fertigungsbezogene Verwaltungskosten W W P Allgemeine Verwaltungskosten W W V Fremdkapitalzinsen Herstellungsbezogen W W V Herstellungsbezogen (qualifying asset) W W P Nicht herstellungsbezogen V V V Vertriebskosten V V V

Abb. 2: Ansatz von Herstellungskosten nach HGB und IFRS im Vergleich

In der Bilanz nicht angesetzte Kostenbestandteile gehen unmittelbar als Aufwand in die Gewinn- und Verlustrechnung ein und mindern daher den Erfolg in der betrachte-ten Periode.

5.2. Vollkostenansatz bei der Vorratsbilanzierung unter IFRS zwingend

Wie die Abbildung zeigt, verlangen die IFRS verpflichtend die Berücksichtigung der fixen und variablen Produktionsgemeinkosten, soweit sie nicht allgemeine Verwaltungskosten oder Vertriebskosten sind (IAS 2.12 bis 16).

Voraussetzung für den Ansatz von Kosten nach IAS 2.10 ist, dass sie angefallen sind, „um die Vorräte an ihren derzeitigen Ort und in ihren derzeitigen Zustand zu versetzen“. Daher besteht beispielsweise ein Ansatzverbot für Fremdkapitalzinsen, soweit sie nicht auf Fremdkapital zu zahlen sind, das direkt der Fertigung der Vorräte zuzurechnen ist.

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5.3. Bilanzierung von qualifying assets

Fremdkapitalkosten, die direkt dem Vorratsgegenstand zuzurechnen sind, sind da-gegen zwingend nach IAS 23.8 zu aktivieren, wenn es sich bei dem Gegenstand um einen so genannten qualifizierten Vermögenswert (qualifying asset) handelt. Das ist der Fall, wenn ein beträchtlicher Zeitraum erforderlich ist, um den Gegenstand in ei-nen verkaufsfähigen Zustand zu versetzen. Dies können beispielsweise Produkti-onsanlagen in einem neu zu erstellenden Stahlwerk, einer chemischen Fabrik oder Raffinerie sein wie Waren, die bis zur Verkaufsfähigkeit einem länger dauernden Rei-fungsprozess unterliegen (vgl. das folgende Beispiel).

Beispiel: Qualifizierter Vermögenswert

Zum Konzern gehört eine große Weinkellerei, die neben den klassisch ausgebauten Weiß- und Rot-weinen auch einen mittlerweile sehr beliebten Spätburgunder im Barrique-Ausbau anbietet. Das hoch-klassige Traubenmaterial wird gepresst und auf der Maische vergoren. Anschließend wird der junge Wein für 18 Monate in ein neues Eichenholzfass (Barrique) mit einem Fassungsvermögen von 225 l gelegt, damit er reifen kann und Aromen aus dem Holz in den Wein übergehen können. Das Trau-benmaterial (48.000 kg) wurde von örtlichen Winzern angekauft. Dafür mussten 72.000 € gezahlt wer-den. Für die 120 Fässer waren 60.000 € zu entrichten. Speziell für diese Produktion wurde bei der örtlichen Sparkasse ein Kredit in Höhe von 132.000 € zu 8% Zinsen aufgenommen. Die Fremdkapital-kosten von 10.560 € pro Jahr sind nach IAS 23.8 ff. zwingend zu aktivieren, also dem Bilanzposten Vorräte zuzuführen, weil die direkte Zurechenbarkeit gegeben ist und der Vermögenswert zweifellos reifen muss, bis er verkaufsfertig ist.

5.4. Verbrauchsfolgeverfahren

Grundsätzlich sind die Gegenstände des Vorratsvermögens einzeln zu bewerten (IAS 2.23). Dazu ist allerdings eine Identifizierbarkeit des einzelnen Gegenstands erforderlich. Bei vielen untereinander austauschbaren Vorratsgegenständen ist eine Einzelbewertung nicht möglich oder nicht wirtschaftlich (Schrauben, Treibstoffe, Schmiermittel u. ä.). Bei schwankenden Marktpreisen für diese Vorräte ist es daher von Bedeutung, welche Reihenfolge des Verbrauchs angenommen wird. Während im Handelsrecht ein nach §§ 240, 256 HGB zulässiges Verbrauchsfolgeverfahren ge-wählt werden kann, schreibt IAS 2.25 das First-in-first-out-Verfahren (FIFO) oder die Durchschnittsmethode vor. Das nach § 256 HGB im Bereich der HGB-Bilanzierung anwendbare Last-in-first-out-Verfahren (LIFO) ist nach IAS 2.25 dage-gen unzulässig. Für Vorräte von ähnlicher Beschaffenheit oder Verwendung ist im-mer das gleiche Verfahren anzuwenden (IAS 2.25).

5.5. Wertminderung von Vorräten

Auch nach den IFRS gilt für das Vorratsvermögen das strenge Niederstwertprinzip, also die Verpflichtung, bei Wertminderungen außerplanmäßige Abschreibungen auf die angesetzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Solche Ab-schreibungen sind nach IAS 2.9 dann vorzunehmen, wenn der erwartete Netto-

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veräußerungswert unter die Anschaffungs- oder Herstellungskosten fällt (etwa durch Beschädigung, Veraltung oder Rückgang der Verkaufspreise). Fällt der Grund der außerplanmäßigen Abschreibung weg, so ist diese nach IAS 2.34 zwingend rück-gängig zu machen. Diese so genannte Wertaufholung (bzw. Zuschreibung) bewirkt, dass der neue Buchwert dem niedrigeren Wert aus den Anschaffungs- und Herstel-lungskosten und dem nun berichtigten Nettoveräußerungswert entspricht.

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6. Fertigungsaufträge

Unfertige Erzeugnisse aus der Auftragsfertigung sind ausdrücklich von der Anwen-dung des IAS 2 zum Vorratsvermögen ausgenommen. Für die Bilanzierung von Fer-tigungsaufträgen existiert vielmehr ein eigener IAS 11.

6.1. Bilanzierung von Fertigungsaufträgen nach HGB

Insbesondere in der Bauwirtschaft, der Softwareentwicklung und im Anlagenbau gibt es Fertigungsaufträge, die am Bilanzstichtag noch nicht fertig gestellt sind. Bi-lanziert das Unternehmen nach dem deutschen HGB, so fallen während der Erstel-lungsphase hohe Aufwendungen an, die aktiviert werden und sich als Bestandsver-änderungen in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen. In der Bilanz er-scheint der Auftrag unter dem Posten „unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen“ zu seinen Herstellungskosten. Daher sind entsprechend niedrige Ergebnisse in den Geschäftsjahren vor Fertigstellung festzustellen. Umsätze und Gewinnanteile wer-den erst nach Abschluss des Projekts ausgewiesen. Die Bilanzierung erfolgt in diesem Fall nach der so genannten completed contract method (CCM).

Lediglich bei nach Vertrag zulässigen oder vereinbarten endgültigen Teilabrechnun-gen ist eine vorzeitige Gewinnrealisierung auch nach HGB zulässig. Der Vertragsge-genstand muss rechtlich und wirtschaftlich übergegangen sein, und in den Folgepe-rioden dürfen keine Verluste drohen.

6.2. Unter IFRS verpflichtend: Bilanzierung nach dem Grad der Fertigstellung

Bei einer Bilanzierung nach IFRS findet unter bestimmten Voraussetzungen bereits während der Abwicklung langfristiger Fertigungsaufträge eine prozentuale Umsatz- und Gewinnrealisierung nach dem Grad der Fertigstellung statt. Die percentage of completion method“ (POC) wird anstelle der CCM angewendet, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind (IAS 11.23, bei Festpreisaufträgen):

− die gesamten Auftragserlöse können verlässlich bewertet werden;

− es ist wahrscheinlich, dass der wirtschaftliche Nutzen aus dem Vertrag dem Unternehmen zufließt;

− sowohl die bis zur Fertigstellung des Auftrags noch anfallenden Kosten als auch der Grad der erreichten Fertigstellung können am Bilanzstichtag verlässlich be-wertet werden; und

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− die Auftragskosten können eindeutig bestimmt und verlässlich bewertet werden, so dass die bislang entstandenen Auftragskosten mit früheren Schätzungen verglichen werden können.

Im Falle eines Kostenzuschlagsvertrags (Fertigungsauftrag, bei dem der Auftrag-nehmer abrechenbare oder anderweitig festgelegte Kosten zuzüglich eines verein-barten Prozentsatzes dieser Kosten oder ein festes Entgelt vergütet bekommt) kann das Ergebnis eines Fertigungsauftrags verlässlich geschätzt werden, wenn alle fol-genden Kriterien erfüllt sind (IAS 11.24):

− es ist wahrscheinlich, dass der wirtschaftliche Nutzen aus dem Vertrag dem Unternehmen zufließt; und

− die dem Vertrag zurechenbaren Auftragskosten können eindeutig bestimmt und verlässlich bewertet werden, unabhängig davon, ob sie gesondert abrechenbar sind.

Da der Grad der Fertigstellung den Maßstab für das Ausmaß der Umsatz- und Ge-winnrealisierung liefert, kommt ihm eine Schlüsselstellung zu. Er kann mittels ver-schiedener Verfahren bestimmt werden. Je nach Auftragsart umfassen diese Metho-den (IAS 11.30):

− das Verhältnis der bis zum Stichtag angefallenen Auftragskosten zu den am Stichtag geschätzten gesamten Auftragskosten (Cost-to-cost-Verfahren);

− eine Begutachtung der erbrachten Leistung; oder

− die Vollendung eines physischen Teils des Auftragswerks.

Das dargestellte Beispiel einer Langfristfertigung in der Weinkellerei basiert auf dem Cost-to-cost-Verfahren.

6.3. Beispiel: Percentage of completion-Methode in der Weinkellerei

Die zum Konzern gehörende große Weinkellerei bietet fremden Winzern an, den sehr aufwendigen Ausbau ihrer Weine im neuen Eichenholzfass (Barrique) vorzu-nehmen. Die Winzer liefern ihr hochklassiges Traubenmaterial (Spätburgunder) an und erhalten 18 Monate später den auf Flaschen gezogenen fertigen Wein zurück. Die Kellerei übernimmt das Pressen, die Maischevergärung und die Weiterverarbei-tung über die Reifung im Barrique mit einem jeweiligen Fassungsvermögen von 225 Litern bis hin zur Abfüllung. Der gesamte Produktionsprozess bis zur Auslieferung dauert vom Oktober 2008 bis zum Mai 2010.

Pro 0,75-Liter-Flasche wird ein Preis von 3,00 € vereinbart. Der Auftrag umfasst ins-gesamt 3.000 Flaschen Rotwein im Barrique-Ausbau, also einen vertraglich verein-barten Gesamterlös von 9.000,00 €. Die geplanten Kosten betragen 7.210,00 €. Da-mit wird ein Gewinn von 1.790,00 € erwartet.

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Mit dem Cost-to-cost-Verfahren werden Fertigstellungsgrade von 26% für 2008, 71% für 2009 und 100% im Jahr 2010 ermittelt. Daher werden für 2008 je 26% des ge-planten Ertrags, des geplanten Aufwands und des geplanten Gewinns verbucht. 2009 werden 45% der entsprechenden Positionen gebucht und 2010 weitere 29%.

in € 2008 2009 2010

Kosten der laufenden Periode 1.875 3.244 2.091

Bereits angefallene Kosten (kumuliert) 1.875 5.119 7.210

Geplante Restkosten 5.335 2.091 0

Grad der Fertigstellung 26% 71% 100%

Die Gewinn- und Verlustrechnungen werden durch die Anwendung der CCM- bzw. POC-Methode wie folgt beeinflusst:

HGB 2008 2009 2010 Gesamt Umsatz 0 0 9.000 9.000

Bestandsveränderung 1.560 2.700 -4.260 0

Herstellungskosten 1.560 2.700 1.740 6.000

Sonst. Aufwendungen 315 544 351 1.210

Ergebnis -315 -544 2.649 1.790

IFRS 2006 2007 2008 Gesamt Fertigstellungsgrad 26% 71% 100%

Umsatz 2.340 4.050 2.610 9.000

Auftragskosten 1.560 2.700 1.740 6.000

Sonst. Aufwendungen 315 544 351 1.210

Ergebnis 465 806 519 1.790

Tab. 2: Beispiel für die Behandlung von Fertigungsaufträgen nach HGB und IFRS

Bei der Analyse eines IFRS-Jahresabschlusses sind die Auswirkungen einer Anwen-dung der POC-Methode zu beachten, da verschiedene Kennzahlen hierdurch verän-dert werden. So erfolgt die Umsatzrealisierung früher als im HGB-Abschluss, der Auftragsbestand erscheint kleiner, Vorräte werden Forderungen und es werden un-realisierte Gewinne – teilweise in erheblicher Größe – ausgewiesen.

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7. Wertpapiere

Der Erwerb von Wertpapieren erfolgt meist in der Absicht, sich an anderen Unter-nehmen zu beteiligen oder eine bestimmte Verzinsung zu erhalten. Ein dritter Zweck kann das Ziel sein, mit diesen Papieren zu handeln und somit einen Kursgewinn zu realisieren. Die Zuordnung der Wertpapiere zu den in Frage kommenden Bilanzposi-tionen ist von ebenso großer Bedeutung wie die Bewertung der Papiere.

7.1. Bilanzierung der Wertpapiere nach HGB-Regeln

Nach dem HGB werden Wertpapiere dem Anlagevermögen zugeordnet, wenn sie dazu bestimmt sind, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Dies gilt ebenso für Anteile an anderen Unternehmen wie auch zum Beispiel für festverzinsliche Wertpa-piere wie öffentliche Anleihen oder Pfandbriefe mit längerer Laufzeit. Alle anderen Wertpapiere sind dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Unabhängig von dieser Zuord-nung sind Wertpapiere grundsätzlich zu ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Al-lerdings ist bei Wertminderungen unterschiedlich zu verfahren: Bei Wertpapieren des Anlagevermögens sind außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, wenn eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung eintritt. Es besteht ein Wahlrecht, außer-planmäßige Abschreibungen auch bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminde-rung vorzunehmen. Wertpapiere des Umlaufvermögens unterliegen dagegen dem strengen Niederstwertprinzip. Danach fallen außerplanmäßige Abschreibungen so-wohl bei voraussichtlich dauerhafter als auch vorübergehender Wertminderung zwin-gend an.

7.2. Bilanzierung von Wertpapieren unter IFRS

Die Bilanzierung von Wertpapieren nach IFRS wird in mehreren Standards behan-delt, die sich insgesamt mit den so genannten Finanzinstrumenten befassen. Zu-nächst ist dies IAS 32, der Regeln für die Darstellung der Finanzinstrumente bietet und grundlegende Definitionen enthält. IAS 39 schreibt die Verfahrensweisen für An-satz und Bewertung von Finanzinstrumenten vor. IFRS 7 beinhaltet die umfassenden Angaben, die das Unternehmen zu den Finanzinstrumenten zu machen hat. IAS 39 soll in absehbarer Zeit durch den neuen IFRS 9 ersetzt werden, der jedoch noch durch die EU anerkannt werden muss, bevor er europaweit angewendet wird.

Ein Finanzinstrument ist anzusetzen, sobald das Unternehmen Vertragspartei im Rahmen der vertraglichen Regelungen dieses Finanzinstruments wird (IAS 39.14).

Nach den IFRS richtet sich die erstmalige Bewertung bei der Einbuchung eines finanziellen Vermögenswerts grundsätzlich nach seinem beizulegenden Zeitwert (IAS 39.43).

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Die Folgebewertung zu späteren Bilanzstichtagen ist von der Zuordnung der Wert-papiere zu einer der folgenden Kategorien abhängig (IAS 39.45 f.):

7.2.1. Wertpapiere der Kategorie Held-for-trading

Hierbei handelt es sich um eine Unterkategorie der financial assets at fair value through profit or loss. Das sind finanzielle Vermögenswerte, die zum beizulegenden Zeitwert (fair value) zu bewerten sind, und deren Bewertungsdifferenzen zum erst-maligen Ansatz bzw. zum vormaligen Bilanzstichtag erfolgswirksam (nämlich in der Gewinn- oder Verlustrechnung) zu erfassen sind. Hat das Unternehmen ein Wertpa-pier mit der Absicht erstanden, einen Gewinn aus kurzfristigen Schwankungen des Preises für das Wertpapier zu erzielen, so ist es der Kategorie Held-for-trading zuzu-rechnen (vgl. IAS 39.9). Zu den Handelspapieren zählen auch Derivate, sofern sie nicht zu Sicherungsgeschäften dienen. Die Folgebewertung orientiert sich am jewei-ligen beizulegenden Zeitwert: Der Realisierung von Kursgewinnen (also Spekulati-onszwecken) dienende Wertpapiere sind grundsätzlich zum fair value zu bewerten (IAS 39.46). Im Gegensatz zum HGB, das für Wertpapiere von Industrie- oder Han-delsunternehmen keine Folgebewertung über den Anschaffungskosten zulässt, be-steht bei der Bewertung gemäß IFRS die Möglichkeit, zu höheren Wertansätzen als den Anschaffungskosten zu kommen und unrealisierte Gewinne (die Papiere sind noch nicht verkauft) auszuweisen. Positive wie negative Wertdifferenzen zum An-schaffungspreis der Handelspapiere sind nach IAS 39.55 erfolgswirksam zu behan-deln.

7.2.2. Wertpapiere der Kategorie Held-to-maturity

Unter diese Kategorie fallen Wertpapiere wie Anleihen oder Pfandbriefe mit einer festen Laufzeit, die das Unternehmen bis zu ihrer Endfälligkeit halten will und kann (IAS 39.9). Da hier ein garantierter Rücknahmepreis vorliegt, macht eine Abwertung bei vorübergehender Wertminderung (beispielsweise Kursrückgang) keinen Sinn. Ebenso sind eventuelle Wertsteigerungen innerhalb der Laufzeit für die Bilanzierung ohne Bedeutung, da ja die Papiere bis zum Ende der Laufzeit gehalten und dann zum Nennwert zurückgezahlt werden sollen. Diese Papiere werden daher mit den fortgeführten Anschaffungskosten bewertet (IAS 39.46). Liegt dagegen eine dauer-hafte Wertminderung vor (z. B. weil der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr in voller Höhe nachkommen kann), ist erfolgswirksam auf den Barwert der erwarteten künftigen Cashflows unter Verwendung des ursprünglichen Effektivzinssatzes abzu-schreiben (IAS 39.63). Der Verlustbetrag ist ergebniswirksam zu erfassen.

7.2.3. Wertpapiere der Kategorie Available-for-sale

Alle Wertpapiere, die nicht den ersten beiden Kategorien zugehörig sind, zählen zu den veräußerungsfähigen Wertpapieren. Dies sind zum Beispiel Aktien, die nicht

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der Spekulation dienen, oder Rentenpapiere, die nicht bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen. Diese Papiere sind immer zu ihrem Zeitwert zu bilanzieren.

Available-for-sale-Wertpapiere werden zu jedem Bewertungszeitpunkt zum beizule-genden Zeitwert bewertet. Die Marktbewertung erfolgt nach IAS 39.55 (b) grundsätz-lich erfolgsneutral in einer separaten Position im Eigenkapital (im „sonstigen Ergeb-nis“).

Im Verkaufszeitpunkt sind die Wertänderungen allerdings in die Gewinn- und Verlust-rechnung umzubuchen, da dann eine Realisierung der Gewinne bzw. Verluste statt-findet.

Ebenfalls eine erfolgswirksame Erfassung in der Gewinn- und Verlustrechnung - be-reits vor Verkauf der Papiere - ist im Falle einer Wertminderung (impairment) vorzu-nehmen (IAS 39.67).

Kategorie und Art der Bewertung

Held-for-trading Held-to-maturity Available- for- sale

Folgebewertung (IAS 39.46)

Bewertung mit dem beizulegenden Zeit-wert

Bewertung zu fortge-führten Anschaffungs-kosten unter Anwen-dung der Effektivzins-methode

Bewertung mit dem beizulegenden Zeit-wert

Berücksichtigung von Gewinnen oder Verlus-ten, die aus der Bewer-tung zum Zeitwert resul-tieren

Ergebniswirksame Ver-rechnung unrealisierter Gewinne und Verluste (IAS 39.55)

- Ergebnisneutrale Er-fassung unrealisierter Gewinne und Verluste im sonstigen Ergebnis (IAS 39.55)

Berücksichtigung von Wertminderung und Uneinbringlichkeit (IAS 39.63 ff.)

- Ergebniswirksame Ver-buchung der Differenz von Buchwert und Bar-wert künftiger Cash-flows (IAS 39.63)

Wertminderung führt zur Ausbuchung der bisher ergebnisneutral verrechneten Verluste und zur ergebniswirk-samen Erfassung (IAS 39.67)

Müller, Matthias: IFRS - International Financial Reporting Standards. 2. Auflage Frankfurt am Main, Bund Verlag, 2010, S. 92.

Abb. 3: Bewertung von Wertpapieren nach IFRS

Für den Leser des Jahresabschlusses ist es wichtig, zu beachten, dass im Bereich des HGB aufgrund der Unzulässigkeit einer Aufwertung über die Anschaffungskos-ten stille Reserven geschaffen werden können. IFRS-Bilanzen sollen dagegen nach dem Prinzip des true and fair view ein realistisches Bild bieten. Damit kommt es aber auch zum Ausweis unrealisierter (Buch-)Gewinne aus der Zeitwertbewer-tung der Wertpapiere. Zu begrüßen ist die unter IFRS-Bedingungen (etwa durch de-taillierte Angaben im Anhang) deutlich größere Transparenz über den Wertpapier-besitz des Unternehmens. Kritisch ist aber neben dem Ausweis unrealisierter Gewin-ne auch das Durchschlagen von Marktbewegungen auf die bilanzierten Finanzin-strumente zu sehen. Diese Form der Bilanzierung kann prozyklisch wirken und kri-senverschärfend.

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7.3. Bilanzierung von Derivaten unter IFRS

Derivate sind Verträge, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ihr Wert in Ab-hängigkeit von einer Basis (z. B. Zinssatz, Rohstoffpreis oder Wechselkurs) ändert, allenfalls geringe Anschaffungskosten dafür anfallen und sie erst in der Zukunft be-glichen werden. Unter diese Definition fallen z. B. Optionen auf Anleihen, Aktien und Fremdwährungen sowie Termingeschäfte auf Währungen und Zinssätze (Forwards, Futures, Währungsswaps und Zinsswaps).

Derivate werden in einem Unternehmen üblicherweise nicht zu Spekulationszwecken angeschafft und gehalten, sondern zur Absicherung von geschäftsüblichen Transak-tionen. Dazu zählen beispielsweise die Anschaffung von Rohstoffen und der Verkauf von Waren. Sind die Rohstoffpreise veränderlich oder unterliegen sie oder die Ver-kaufspreise der Waren Währungsschwankungen, so kann dies erhebliche Risiken für das Unternehmen bergen. Zur Absicherung künftiger Geschäfte gegen Schwankung von Preisen oder Kursen eignet sich der Erwerb passender Derivate, die gewisser-maßen ein Gegengeschäft darstellen.

Derivate gehören zu den Finanzinstrumenten des Handelsbestands (held for tra-ding), sofern nicht die besonderen Bedingungen für die Bilanzierung von Siche-rungsbeziehungen (vgl. Punkt 8.4) herangezogen werden können. Derivative Ver-mögenswerte sind daher nach den Regeln für financial assets at fair value through profit or loss, derivative Schulden nach den Regeln für financial liabilities at fair value through profit or loss zu bilanzieren.

Damit hat die Erstbewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value) zu erfolgen. Die mit dem Erwerb verbundenen Transaktionskosten sind erfolgswirksam zu verbu-chen. Viele Derivate haben einen Anfangswert von null, so dass zunächst keine bi-lanziellen Wirkungen vorliegen. Optionen sind im Ausmaß der Optionsprämie zu er-fassen.

Auch für die Folgebewertung ist der beizulegende Zeitwert zu ermitteln. Die Verän-derung des beizulegenden Zeitwerts im Vergleich zum vorhergehenden Bewertungs-zeitpunkt ist erfolgswirksam zu erfassen (Veränderung des Periodenergebnisses). Das Handelsergebnis ist gesondert darzustellen.

7.4. Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting)

Wie oben ausgeführt wurde, dienen Derivate üblicherweise Sicherungszwecken. Ist dies der Fall, so kann sich das Standardverfahren zur Bewertung der Derivate als hinderlich erweisen. So sind Wertänderungen des Derivats erfolgswirksam zu erfas-sen, während für das zugehörige Grundgeschäft, das abgesichert werden soll, die erfolgsneutrale Bilanzierung oder die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskos-ten vorgeschrieben ist. Handelt es sich bei dem Grundgeschäft um ein Available-for-sale-Wertpapier, so wären dessen Wertänderungen erfolgsneutral zu verbuchen, die

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des absichernden Derivats dagegen erfolgswirksam. In solchen Fällen fiele die Be-wertung des zu sichernden Grundgeschäfts und des Sicherungsinstruments ausei-nander. Als Lösung präsentieren die IFRS die Möglichkeit, im Falle nachweisbarer und effektiver Sicherungsbeziehungen die Bilanzierung von Grundgeschäft und Si-cherungsinstrument aufeinander abzustimmen (hedge accounting gemäß IAS 39.71 ff.). Für die unterschiedlichen Formen der Sicherungsgeschäfte gibt es jeweils ange-passte, relativ komplexe Regeln für das hedge accounting. Absichern lässt sich das Risiko des Fair Value eines bilanzierten oder schwebenden Geschäfts (fair value hedge), das Risiko einer Schwankung künftiger Zahlungsströme eines bilanzierten oder erwarteten Geschäfts (cashflow hedge) und das Wechselkursrisiko einer Netto-investition in ein ausländisches Unternehmen.

Im Ergebnis kommt es zu der Abstimmung von Grundgeschäft und Sicherungs-instrument durch die dann zulässige erfolgswirksame Bewertung des Grundge-schäfts zum fair value oder durch die zunächst nicht erfolgswirksame Bewertung des Sicherungsgeschäfts. In beiden Fällen bedeutet dies ein Abweichen von den sonst üblichen Bewertungsregeln. Daher bestehen relativ strenge Anforderungen an den Nachweis einer bestehenden und effektiven Sicherungsbeziehung.

8. Rückstellungen Rückstellungen werden gebildet für Verpflichtungen, über deren Höhe oder Fälligkeit Ungewissheit besteht (IAS 37.10). Nach IFRS gelten wesentlich strengere Bedin-gungen für den Ansatz von Rückstellungen als bei Jahresabschlüssen nach Han-delsgesetzbuch (HGB).

Die deutsche HGB-Bilanz unterscheidet zwischen Rückstellungen einerseits und Verbindlichkeiten andererseits. Beide Positionen sind getrennt auszuweisen und auf-zugliedern (§ 266 HGB). Für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sind Rückstellungen zu bilden. Außerdem ist es erfor-derlich Rückstellungen zu bilden, für unterlassene Instandhaltung, die in den ersten drei Monaten des Folgejahrs nachgeholt wird, für Abraumbeseitigung, die im Folge-jahr nachgeholt wird, und für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung. Bis 2009 war es nach dem HGB zulässig, weitere Rückstellungen zu bilden, ohne dass Verpflichtungen gegen Dritte vorlagen (so genannte Aufwandsrückstellungen). Diese Gestaltungsmöglichkeit wurde mit dem BilMoG abgeschafft. Nunmehr sind aus-schließlich die oben erwähnten Pflichtrückstellungen zu bilden. Es existieren jedoch Übergangsvorschriften. An dieser Stelle hat sich die HGB-Rechnungslegung richtig-erweise auf die IFRS zubewegt. Die vielfältigen Möglichkeiten der Bilanzgestaltung durch die Bildung bzw. Auflösung von Rückstellungen ohne zwingenden Grund war ein Dauerärgernis auf dem Gebiet der HGB-Bilanzierung.

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Verbindlichkeiten sind zu ihrem Erfüllungsbetrag und Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages an-zusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB).

8.1. Charakteristik von Rückstellungen unter IFRS

Auch nach IFRS sind Rückstellungen getrennt von Verbindlichkeiten auszuweisen. Rückstellungen dürfen nach IFRS aber nur angesetzt werden, wenn sie tatsächlich den Charakter einer Schuld haben, nämlich Verpflichtungen gegenüber Dritten be-treffen. Aus der Sicht der internationalen Rechnungslegungsnormen kann es keine Schuld des Unternehmens gegen sich selbst geben. Die unter dem HGB zu bilden-den Rückstellungen für unterlassene Instandhaltung dürfen daher nach IFRS nicht angesetzt werden.

Schulden sind das Ergebnis vergangener Geschäftsvorfälle oder anderer Ereignisse in der Vergangenheit. Rückstellungen (provisions) als Sonderfall der Schuld sind dann zwingend anzusetzen, wenn das Unternehmen aus vergangenen Ereignissen eine gegenwärtige rechtliche oder faktische Verpflichtung hat, der Abfluss von Ressourcen wahrscheinlich ist und eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung möglich ist (IAS 37.14). Wenn es unklar ist, ob eine gegenwärtige Ver-pflichtung besteht, ist die Wahrscheinlichkeit auf Basis aller verfügbaren substanziel-len Anhaltspunkte dafür einzuschätzen. Auch der Abfluss von Ressourcen mit wirt-schaftlichem Nutzen muss im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verpflichtung wahrscheinlich sein (IAS 37.23). Spricht mehr dafür als dagegen (more likely than not), so ist das Wahrscheinlichkeitskriterium erfüllt.

Die Bewertung einer Rückstellung erfolgt mit dem wahrscheinlichsten Wert, der „bestmöglichen Schätzung“ (IAS 37.36), bei der Risiken und Unsicherheiten zu be-rücksichtigen sind (IAS 37.42). Sofern wesentliche Zinseffekte zu erwarten sind, ist die Rückstellung in Höhe des Barwerts der erwarteten Ausgaben zu bilden (IAS 37.45). Der Satz, mit dem die erwartete Ausgabe abgezinst wird, hat den Zinseffekt und die für die Schuld spezifischen Risiken widerzuspiegeln.

8.2. Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen

Hat sich ein Unternehmen gegenüber Arbeitnehmern (auch gegenüber Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans) unmittelbar zu Altersversorgungsleistungen verpflich-tet, müssen grundsätzlich sowohl unter dem HGB als auch unter IFRS für die zu er-wartenden Zahlungsbelastungen Rückstellungen gebildet werden. Beim Übergang auf die IFRS-Bilanzierung kommt es jedoch üblicherweise zu Abweichungen gegen-über der HGB-Bilanz, weil die Vorschriften der IFRS enger sind.

Bilanziert das Unternehmen nach HGB, besteht die Passivierungspflicht für alle un-mittelbaren Zusagen, die ab dem 1. Januar 1987 gemacht wurden. Für ältere unmit-

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telbare Zusagen besteht ein Passivierungswahlrecht. Unter anderem entfällt diese bilanzpolitische Manövriermasse der Altzusagen unter IFRS, da hier kein entspre-chendes Wahlrecht gegeben ist.

Die bisher erhebliche Differenz zwischen den Pensionsrückstellungen nach IFRS und denen nach dem HGB beruhte vor allem auf fehlenden handelsrechtlichen Vor-schriften zur Kalkulation der Verpflichtungshöhe und zum Abzinsungssatz. Verein-fachend wurde in der HGB-Welt oft der steuerrechtlich vorgeschriebene Abzinsungs-satz von 6% gewählt, während der IFRS-Zinssatz variabel ist und von der Kapital-marktentwicklung abhängt. Das BilMoG hat diese Differenz weitgehend eingeebnet. Nunmehr sind auch in einer HGB-Bilanz Annahmen über künftige Gehalts- und Ren-tensteigerungen zu berücksichtigen und es gibt einen verpflichtend zu berücksichti-genden, am Kapitalmarkt orientierten Abzinsungssatz. Allerdings gibt es hier neue methodische Unterschiede zwischen IFRS und HGB, die Differenzen in der Bewer-tung der zu bildenden Rückstellungen erzeugen. So ist nach dem HGB der Abzin-sungssatz nunmehr nach dem von der Deutschen Bundesbank zu diesem Zweck veröffentlichten und monatlich aktualisierten Zinssatz zu wählen. Unter IFRS hat das Unternehmen den Zinssatz nach den Renditen erstrangiger, festverzinslicher Indust-rieanleihen zu ermitteln. Die methodische Differenz ist offensichtlich. Wie stark sich das betragsmäßig niederschlagen wird, muss die Zukunft zeigen.

Nach IAS 19 ist zur Bemessung der Pensionsrückstellung zwingend das so genannte Anwartschaftsbarwertverfahren (projected unit credit method) heranzuziehen. Nach dieser Methode errechnet sich die Höhe der Pensionsverpflichtungen aus der zum Bilanzstichtag erdienten Anwartschaft nach einem versicherungsmathemati-schen Verfahren, wobei u. a. auch erwartete künftige Gehaltssteigerungen und die erwartete Rentenentwicklung (Dynamisierung) einfließen. Weiterhin ist die Fluktuati-on der Beschäftigten zu berücksichtigen.

Die Verpflichtung ist abgezinst, also zu ihrem Barwert zu bilanzieren. Zusätzliche Dynamik bringt die Verpflichtung, zu jedem Bilanzstichtag den kapital-marktorientierten Zinssatz neu zu bestimmen.

Für den Leser des Jahresabschlusses ergibt sich aus der Vielzahl der zusammen-wirkenden Abweichungen beim Wechsel von HGB zu IFRS ein in jedem Einzelfall schwer einzuschätzender Effekt. Einerseits kann sich der Rückstellungsbetrag er-höhen, weil mehr Berechtigte berücksichtigt werden müssen als bisher (Altzusagen etc.). Andererseits bewirkt das Anwartschaftsbarwertverfahren gegenüber dem Gleichverteilungsverfahren meist eine geringere Rückstellungshöhe.

8.3. Bildung von Restrukturierungsrückstellungen

Für Arbeitnehmer von besonderer Bedeutung sind neben den Pensionsrückstellun-gen die Rückstellungen für Restrukturierungsmaßnahmen (z. B. Umorganisationen,

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Stilllegungen, Verkauf von Geschäftszweigen). Hierbei handelt es sich um Rückstel-lungen für Verpflichtungen gegenüber Dritten.

Für den Ansatz solcher Rückstellungen gelten unter IFRS strengere Bedingungen als unter HGB. So muss ein detaillierter Restrukturierungsplan aufgestellt worden sein, der Angaben zu betroffenen Geschäftsbereichen und Standorten, Einsatz-ort, Funktion und ungefähre Anzahl der abzufindenden Arbeitnehmer, die ent-stehenden Ausgaben und den Umsetzungszeitpunkt enthält (IAS 37.72). Sofern bereits ein Sozialplan abgeschlossen wurde oder ein Rahmensozialplan existiert, dürfte die Erfüllung der Kriterien gegeben sein. Andernfalls ist die Bildung einer Rest-rukturierungsrückstellung unter IFRS kritisch zu sehen. Außerdem muss „bei den Betroffenen eine gerechtfertigte Erwartung geweckt“ worden sein, dass die Maß-nahme durchgeführt wird.

Die für eine Restrukturierung anzusetzenden Rückstellungen dürfen nur Ausgaben umfassen, die zwangsweise im Zuge der Restrukturierung entstehen und nicht mit den laufenden Aktivitäten des Unternehmens im Zusammenhang stehen (IAS 37.80). Aufwendungen für Umschulung, Versetzung weiterbeschäftigter Mitarbeiter, Marketing oder für Investitionen in neue Systeme und Vertriebsnetze dürfen nicht angesetzt werden (IAS 37.81).

9. Kapitalflussrechnung Aufgrund des Einflusses rein buchtechnischer Vorgänge (Abschreibungen und Rück-stellungsbildung) ist die Aussagekraft der Gewinn- und Verlustrechnung hinsichtlich der tatsächlichen Liquiditätslage des Unternehmens stark eingeschränkt. Die ge-wünschte Information kann eine Kapitalflussrechnung liefern. Außerdem stellt sie Transparenz über Herkunft und Verwendung der Finanzmittel her.

9.1. Zweck einer Kapitalflussrechnung

In der deutschen Rechnungslegung wird für Konzernabschlüsse börsennotierter Mut-terunternehmen seit 1998 eine Kapitalflussrechnung gefordert.

Daneben sind nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB kapitalmarktorientierte Kapitalgesell-schaften, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung zu erweitern. Dieser Anwendungsfall liegt jedoch in Deutschland äußerst selten vor.

Nach IFRS bilanzierende Unternehmen sind verpflichtet, immer eine Kapitalfluss-rechnung nach IAS 7 zu erstellen. Ihr Zweck ist es, Informationen über Änderungen der Finanzstruktur zu liefern. Damit wird es möglich, die Fähigkeit des Unternehmens zu beurteilen, Finanzmittel zu erwirtschaften. „Eine Kapitalflussrechnung gibt darüber

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Auskunft, welche Finanzmittel dem Unternehmen im Geschäftsjahr zugeflossen sind und welche Finanzmittel das Unternehmen im selben Zeitraum verausgabt hat.“ (Prangenberg; Müller, Konzernabschluss international, S. 136) Im Ergebnis stellt die Kapitalflussrechnung eine zahlenmäßige Überleitung zu den Veränderungen der in der Bilanz ausgewiesenen liquiden Mittel am Jahresende dar.

Sie ist so darzustellen, dass Zahlungsmittelflüsse (Cashflows) nach betrieblichen Tätigkeiten, Investitionstätigkeiten und Finanzierungstätigkeiten gegliedert wer-den (IAS 7.10).

120 Finanz- mittel-

Anfangs- bestand

+ 400

Finanz- mittel- über- schuss aus

Betriebs- tätigkeit

./. 180 Finanz- mittel- bedarf

aus Investi - tions -

tätigkeit ./. 170 Finanz- mittel- bedarf

aus Finan - zierungs -

vorgängen

= 170

Finanz- mittel- End -

bestand „Cashf lows aus ...“

Quelle: Prangenberg, Arno; Müller, Matthias: Konzernabschluss international. Grundlagen und Einführung in die Bilanzierung nach IAS/IFRS und HGB. 2. Auflage Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag, 2006, S. 137.

Abb. 4: Graphische Veranschaulichung der Inhalte einer Kapitalflussrechnung

9.2. Struktur der Kapitalflussrechnung

Die Darstellung der Cashflows aus betrieblicher Tätigkeit kann in direkter oder indirekter Form erfolgen (IAS 7.18). Die direkte Form weist unmittelbar die Bruttoein-zahlungen und Bruttoauszahlungen in Hauptklassen (z. B. Einzahlungen von Kun-den, Auszahlungen an Lieferanten und Arbeitnehmer) aus. Der Saldo von Ein- und Auszahlungen ergibt den Zahlungsmittelüberschuss.

Die indirekte Form setzt dagegen am Periodenergebnis (Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag) an und korrigiert diesen um nicht zahlungswirksame Geschäftsvor-fälle (z. B. Abschreibungen und Rückstellungen) sowie um Posten, die dem Investiti-ons- und Finanzierungsbereich zuzuordnen sind. Da die direkte Darstellung eine bessere Informationsbasis liefert, sollte sie vorgezogen werden (IAS 7.19). In der Praxis findet jedoch fast nur die indirekte Methode Anwendung.

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Cashflows aus Investitionstätigkeit (IAS 7.16) umfassen Vorgänge wie z. B. Aus-zahlungen für die Beschaffung von Sachanlagen, immateriellen Vermögenswerten, den Erwerb eines Tochterunternehmens sowie Einzahlungen aus dem Verkauf von Sachanlagen oder der Veräußerung eines Tochterunternehmens.

Cashflows aus Finanzierungstätigkeit (IAS 7.17) fallen beispielsweise an für Ein-zahlungen aus der Ausgabe von Kapitalanteilen, Dividendenzahlungen, Kreditauf-nahmen und Kredittilgungen.

Dem Adressaten des Konzernabschlusses wird es durch dieses Rechenwerk ermög-licht, sich ein Urteil über die Quellen der Zahlungsmittelüberschüsse aus betriebli-cher Tätigkeit zu bilden und Informationen über die Wirkungen von Investitionen bzw. Desinvestitionen und Finanzierungen zu gewinnen. Außerdem gewinnt der Leser Transparenz über die Finanzquellen sowie über Kapitalaufnahmen und Kre-dittilgungen.

9.3. Beispiel einer Kapitalflussrechnung

Das Beispiel der Kapitalflussrechnung der Deutsche Lufthansa AG (Quelle: Ge-schäftsbericht 2009) zeigt die Darstellung des betrieblichen (= operativen) Cashflows nach der indirekten Methode. Wichtig ist der Vergleich mit den Vorjahreszahlen, um sich ein Urteil über verändertes Investitions- und Finanzierungsverhalten des Unter-nehmens bilden zu können. Konzern-Kapitalflussrechnung für das Geschäftsjahr 2009 in Mio. € 2009 2008 Zahlungsmittel und Zahlungsmittel-Äquivalente 01.01. 1.444 2.079 Ergebnis vor Ertragsteuern -229 730 Abschreibungen auf Anlagevermögen (saldiert mit Zuschreibungen) 1.634 1.413 Abschreibungen auf Umlaufteile 74 25 Ergebnis aus dem Abgang von Anlagevermögen -27 -25 Beteiligungsergebnis -58 -20 Zinsergebnis 325 172 Erstattete/Gezahlte Ertragsteuern 48 -123 Veränderung des Working Capitals 224 301 Operativer Cashflow 1.991 2.473 Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte -2.174 -1.785 Investitionen in Finanzanlagen -29 -80 Zugänge an reparaturfähigen Flugzeugersatzteilen -165 -102 Einnahmen aus Verkäufen von nicht konsolidierten Anteilen 94 8 Einnahmen aus Verkäufen von konsolidierten Anteilen - 30 Ausgaben aus Käufen von nicht konsolidierten Anteilen -98 -274 Ausgaben aus Käufen von konsolidierten Anteilen -104 -15 Einnahmen aus dem Abgang von immateriellen Vermögenswerten, Sach- und sonstigen Fi-nanzanlagen

448 96

Zinseinnahmen 214 190 Erhaltene Dividenden 74 71 Nettozu-/-abflüsse aus der Investitionstätigkeit -1.740 -1.861 Erwerb von Wertpapieren/Geldanlagen in Fonds -3.107 -1.412 Veräußerung von Wertpapieren/Geldanlagen in Fonds 1.284 769 Nettozu-/-abflüsse aus der Investitionstätigkeit und Geldanlagen -3.563 -2.504 Kapitalerhöhung 6 - Aufnahme langfristiger Finanzschulden 2.633 363 Rückführung langfristiger Finanzschulden -755 -279 Übrige Finanzschulden 1 33

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Gewinnausschüttung -333 -580 Zinsausgaben -281 -226 Nettozu-/-abflüsse aus der Finanzierungstätigkeit 1.271 -689 Nettoab-/-zunahme von Zahlungsmitteln und Zahlungsmittel-Äquivalenten -301 -720 Veränderung Zahlungsmittel aus Wechselkursänderungen -7 85 Zahlungsmittel und Zahlungsmittel-Äquivalente 31.12. 1.136 1.444 Wertpapiere 3.303 1.834 Flüssige Mittel gesamt 4.439 3.278 Nettozu-/-abnahme der flüssigen Mittel gesamt 1.161 -329

Tab. 3: Beispiel Kapitalflussrechnung der Deutsche Lufthansa AG

10. Literatur

Ballwieser, Wolfgang: IFRS-Rechnungslegung. 2. Auflage München, Verlag Franz Vahlen, 2009.

Ballwieser, Wolfgang; Beine, Frank; Hayn, Sven; … (Hrsg.): Handbuch International Financial Reporting Standards 2011. 7. Auflage Weinheim, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2011.

IASB-Homepage: www.ifrs.org

International Financial Reporting Standards (IFRS) 2010. 4. Auflage Weinheim, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2010.

KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Hrsg.): IFRS visuell – Die IFRS in struk-turierten Übersichten. 4. Auflage Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag, 2010.

Müller, Matthias: IFRS - International Financial Reporting Standards. 2. Auflage Frankfurt am Main, Bund Verlag, 2010.

Pellens, Bernhard; Fülbier, Rolf Uwe; Gassen, Joachim; Sellhorn, Thorsten: Interna-tionale Rechnungslegung, 8. Auflage Stuttgart, Schäffer Poeschel Verlag, 2011.

Prangenberg, Arno; Müller, Matthias: Konzernabschluss international. Grundla-gen und Einführung in die Bilanzierung nach IAS/IFRS und HGB. 2. Auflage Stutt-gart, Schäffer-Poeschel Verlag, 2006.