DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHÄNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Günther Wachsmuth

download DIE  REINKARNATION  DES  MENSCHEN  ALS  PHÄNOMEN  DER  METAMORPHOSE - Dr. Günther Wachsmuth

of 344

Transcript of DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHÄNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Günther Wachsmuth

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    1/343

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    2/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    1

    Dr. Guenther Wachsmuth

    DIE REINKARNATION DES

    MENSCHEN

    als Phnomen der Metamorphose

    Bereits erschienen:

    I. Band: Die therischen Bildekrfte in Kosmos, Erde und Mensch

    II. Band. Die therische Welt in Wissenschaft, Kunst und Religion

    1935

    Herausgegeben von der

    Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum

    Dornach (Schweiz)

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    3/343

    Dieses E-BOOK ist nur

    zum nichtkommerziellen Gebrauch bestimmt!

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    4/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    2

    Rudolf Steiner:

    Mensch, Du bist das zusammengezogene Bild der Welt,

    Welt, Du bist das in Weiten ergossene Wesen des Menschen.

    Vorwort

    Der Mensch hat den Wunsch und die Aufgabe, nicht nur die Natur um sichund in sich zu erkennen, sondern er will auch eine wissenschaftlich exakteAntwort auf die Frage haben, wie die Gesetze des menschlichenLebenslaufes und Schicksals in die Totalitt der Naturbetrachtungeingegliedert und aus ihr zu verstehen sind. Er will nicht nur die uereDynamik der Dinge mathematisch-mechanisch erfassen knnen, sondernsein reales Erlebnis der inneren Dynamik des Geistigen im Physischenvollbewut in sein gesamtes Weltbild hineinstellen knnen. Er verlangt auchgeistig-seelische Beobachtungs-Resultate auf naturwissenschaftlicherGrundlage. Neuland der Erkenntnis wird immer zuerst durch einzelnePioniere betreten. Diese mssen den Weg finden und aufzeigen, auf demdie, Anderen nachfolgen, das Erforschte in das Weltbild des Menscheneingliedern und dadurch ihren Erkenntnisbereich erweitern knnen.Methodik und Beobachtungs-Resultat wurden von Dr. Rudolf Steiner inseinen Werken niedergelegt. Die Forschungs-Methode ist in seinengrundlegenden geisteswissenschaftlichen Bchern eindeutig angegeben. Siemu im Folgenden als bekannt vorausgesetzt werden. DieBeobachtungs-Resultate sind teils in Bchern und Vortrags-Zyklenangegeben, teils in den unzhligen Einzelvortrgen Rudolf Steiners durchviele spezielle, spter erforschte Angaben ergnzt.

    Der Verfasser hat den Versuch gemacht, sich einen mglichstweitgehenden, wenn auch natrlich noch sehr unvollkommenen berblickzu verschaffen ber die ungeheure Vielheit der Angaben Rudolf Steiners,die sich besonders auf die Phnomene der Reinkarnation beziehen. Es ergabsich dies dadurch, da Rudolf Steiner dem Verfasser die Aufgabe stellte, diedurch die Arbeiten ber die Bildekrfte in bezug auf die uere und innereDynamik von Kosmos, Erde und Mensch gewonnenen

    Erkenntnismglichkeiten auf weitere Gebiete auszudehnen, zu denennatrlich vor allem auch die geistig-seelischen und leiblichen

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    5/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    3

    Metamorphosen des Menschenwesens gehren. Die ganze nachfolgendeBetrachtung der Reinkarnations-Phnomene ist daher in erster Liniehinorientiert auf die Gesetzmigkeiten, die in der Metamorphose der

    Bildekrfte-Organisation walten.Rudolf Steiner unterscheidet in einem seiner Vortrge ber diePhnomene der Reinkarnation einen mehr seelischen und einen mehrkosmographischen Aspekt dieser Vorgnge. Er weist darauf hin, da er inseinen ersten geisteswissenschaftlichen Bchern den seelischen Aspektder Reinkarnation systematisch dargestellt habe, whrend er denkosmographischen Aspekt dann Schritt fr Schritt in seiner

    jahrzehntelangen Vortragsttigkeit ausgebaut und durch unzhlige neue

    Forschungs-Resultate immer wieder ergnzt hat. Im Folgenden ist nun derVersuch gemacht, die in den vielen Tausenden von Vortrgen, welcheRudolf Steiner in seinem unermdlichen, opfervollen Leben gehalten hat,oft auch in anderen Zusammenhngen enthaltenen Hinweise auf einzelneReinkarnations-Phnomene zum Studium dieser fundamentalen Rhythmikdes menschlichen Lebens zusammenzutragen. Da der Verfasser denAuftrag hatte, insbesondere vom Gesichtspunkt der inneren Dynamik, derBildekrfte in Kosmos, Erde und Mensch an den Ausbau dieses

    Weltbildes heranzugehen, so ist im Folgenden vor allem derkosmographische Aspekt dieser Phnomene besonders behandelt worden,obwohl natrlich bei der Einheit von Leib, Seele und Geist des Menschenauch die brigen Aspekte entsprechend bercksichtigt wurden. Schlielichsind auch einige Angaben Rudolf Steiners, die sich aus persnlichenGesprchen ber diese Probleme ergaben, in die Betrachtung eingefgtworden.

    Aus der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners ergibt sich die Belebung und

    Vergeistigung einer im vergangenen Jahrhundert sehr ins materialistischeDenken entarteten Anthropologie, die sich durch Erforschung derBildekrfte nun zu einer dynamischen Anthropologie ausbauen lt.Rudolf Steiner sagt: Das Leben geht nicht mathematisch und mechanischvor sich, sondern dynamisch. Er suchte die Anthropologie so zu vertiefen,da der menschliche Organismus in seiner Differenziertheit erscheint. Dieexakte Beobachtung der inneren Dynamik der Bildekrfte gibt wiederum dieBrcke zur Eingliederung der geistig-seelischen Funktionen des

    Menschenwesens in die Naturforschung, d. h. zu einer Anthroposophie.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    6/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    4

    (2) Die Beschftigung mit diesen Fragen erfordert nicht nur eineAnwendung des von Goethe und den Goetheanisten als elementarewissenschaftliche Grundlage gegebenen Metamorphosen-Prinzips in der

    Naturforschung, sondern vor allem auch eine Bewutseins-Metamorphose bei jedem Menschen, der sich denkerisch mit diesen Phnomenen befat.Rudolf Steiner betonte immer wieder: Die Erkenntniskrfte fr dasMechanische sind durch sich selbst wach; diejenigen fr die hherenWirklichkeitsformen mssen geweckt werden. Die Methodik einer exaktenBewutseins-Metamorphose zur Erkenntnis des Geistigen in der Naturwurde von ihm systematisch in seinen philosophischen Werken dargestellt.

    Whrend sonst in unserer Zeit zwischen den Theorien ber das

    geistig-seelische Wesen des Menschen und denen der Naturwissenschaftmeist ein unberbrckbarer Abgrund sich auftut, ist es Rudolf Steinergelangen, zu zeigen, wie eine reine Phnomenologie der geistig-seelischenTatsachen und eine hypothesenfreie exakte Phnomenologie derNaturforschung sich gegenseitig besttigen und zu einem einheitlichenWeltbild ergnzen.

    Der im Folgenden gemachte Versuch eines berblicks ber denkosmographischen Aspekt der inneren Dynamik des Menschen, seiner

    Lebens- und Schicksalsrhythmen im Weltganzen, macht wie gesagtselbstverstndlich keinen Anspruch auf Vollstndigkeit, es soll keinKompendium sein, sondern der Versuch einer Studienhilfe fr diejenigen,welche sich eingehender mit diesen Problemen befassen wollen. Jede Gefahrdes Schematisierens mu der Leser aus der Kraft seines eigenen innerenSinns fr die Wirklichkeit heraus berwinden. Es gengt nicht, von derReinkarnation zu wissen, man mu sie leben. Aber die Erkenntnis dergeisteswissenschaftlichen Tatsachen ist die elementare Grundlage dafr, da

    wir nicht Sklaven unbegreiflicher geistiger Gesetzmigkeiten undRhythmen sind, sondern sie bewut in unserem Lebensduktus auffinden unddort eingliedern.

    Unsere Zeit braucht dies mehr denn je, um im Chaos der individuellenund sozialen Probleme wiederum zu einem exakten und umfassendenWeltbild und zu objektiver Lebensgestaltung zu kommen.

    Ein sehr bekannter Physiker unserer Zeit, Sir James Jeans von derUniversitt Cambridge charakterisiert die heutige wissenschaftlicheSituation wie folgt: Vor dreiig Jahren dachten wir, oder nahmen wir an,da wir auf eine letzte Wirklichkeit mechanischer Art lossteuerten... Heute

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    7/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    5

    ist man sich ziemlich einig darber, und auf der physikalischen Seite derWissenschaft fast ganz einig, da der Wissensstrom auf einenicht-mechanische Wirklichkeit zufliet; das Weltall sieht allmhlich mehr

    wie ein groer Gedanke als wie eine groe Maschine aus. (3) Der Geisterscheint im Reich der Materie nicht mehr als ein zuflliger Eindringling;wir beginnen zu ahnen, da wir ihn eher als den Schpfer und Beherrscherdes Reiches der Materie begren sollten natrlich nicht unserenindividuellen Geist, sondern den Geist, in dem die Atome, aus denen unserindividueller Geist entstanden ist, als Gedanken existieren. Das, neueWissen zwingt uns, unsere flchtigen ersten Eindrcke, da wir in einWeltall gestolpert waren, das sich entweder um Leben nicht kmmerte oder

    dem Leben direkt feindlich war, zu revidieren. Der alte Dualismus von Geistund Materie, der fr die angenommene Feindseligkeit hauptschlichverantwortlich war, scheint zu verschwinden, nicht dadurch, da die Materieirgendwie schattenhafter oder unkrperlicher wird als bisher, oder da derGeist zu einer Funktion der Ttigkeit der Materie wird, sondern dadurch,da krperliche Materie zu einer Schpfung und Offenbarung des Geisteswird. Es gibt aber auch heute noch einen groen Kreis vonWissenschaftlern, die nicht so tapfer und ehrlich, wie dieser Physiker, den

    jetzigen Wendepunkt wissenschaftlicher Erkenntnis auszusprechen wagen,sondern ngstlich am berholten und als unzulnglich erwiesenen Weltbilddes 19. Jahrhunderts festhalten mchten. Anthroposophie fhrt diewissenschaftliche Forschung zu der Erkenntnis, von der Sir James Jeans alsForderung spricht, da der Geist der Schpfer und Beherrscher des Reichesder Materie ist, sie zeigt aber auch, welche Aufgabe dem individuellenGeist des Menschen in der Geistigkeit des Weltalls zukommt.

    Wer nun zum Beispiel auf zahlreichen Vortragsreisen in den

    verschiedensten Lndern und Kontinenten mit vielen Menschen unserer Zeitin Berhrung gekommen ist, wei, da es in den weitesten Kreisen derMenschen, die sich wissenschaftlich oder aus aktiver Lebenserfahrung mitdiesen Fragen befassen, in allen Generationen Unzhlige gibt, denen dieTatsache der Reinkarnation des Menschen zur inneren Gewiheit wurde,aber eben noch der erkenntnismigen Klrung und Besttigung einesintensiven inneren Erlebnisses bedarf. (4) Das Folgende bezweckt also auchnicht, denjenigen zu dienen, die in diesen Fragen nur eine seelische

    Erbauung oder Gefhlsbefriedigung suchen, sondern denjenigen, die sichmit derartigen Problemen in Form sachlichen Erkenntnis-Suchens befassen

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    8/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    6

    wollen. Fr solche Menschen, die sich nicht durch gefhlsgebundeneDoktrinen und auch nicht durch materialistische und hchst einseitigeTheorien den Weg zur Erkenntnis realer Erlebnis-Inhalte verbauen lassen,

    sondern gerade das real innerlich Erlebte verstehen und in ein exaktestotales Weltbild eingliedern wollen, ist die folgende Darstellung alsArbeitsmaterial gedacht. Selbstverstndlich soll dies in keiner Weise dasStudium der Werke Rudolf Steiners etwa ersetzen knnen, sondern imGegenteil nur dazu anregen und auf die unerschpfliche Flle der bereitsvorhandenen Forschungsresultate Rudolf Steiners hinweisen. Der Verfasserhat sich ernstlich bemht, zwei Abarten der Benutzung von durch RudolfSteiner gegebenen Forschungsresultaten zu vermeiden. Letztere werden

    heute oft zwar inhaltlich wiedergegeben, aber derart, da die Quelle sehrundeutlich in die Erscheinung tritt, oder aber so, da aus der Behandlung desStoffes nicht klar hervorgeht, inwieweit und wo es sich um AnschauungenRudolf Steiners oder solche des Interpreten handelt. Es mu aber gerade indiesen Fragen mit grtmglicher Klarheit ersichtlich sein, welcheFormulierung Rudolf Steiner selbst den wesentlichen Inhalten bestimmterForschungs-Ergebnisse gegeben hat. Der Verfasser hat deshalb imFolgenden, mit gtiger Erlaubnis von Frau Marie Steiner, die wesentlichen

    Punkte der Darstellung durch Zitate der Wortlaute Rudolf Steinersangegeben. Der Gesichtspunkt der Behandlung der betreffenden Fragen vomAspekte der Metamorphose der Bildekrfte-Organisation wurde demVerfasser, wie gesagt, von Rudolf Steiner gegeben, die Inhalte derForschungsergebnisse sind jedoch unter diesem Aspekt durchweg demWerke Rudolf Steiners zu verdanken. Ist in dem folgenden Buch etwasfalsch oder mangelhaft gesagt, so ist 'dies Schuld des Verfassers, nicht derAnthroposophie selbst. Aber da Rudolf Steiner seine Schler selbst zu

    solchen Arbeiten aufforderte und anregte, darf dieser Versuch vielleichtdoch gewagt werden. Der Verfasser ist auch gern bereit, denen, welche dasStudium der umfangreichen Unterlagen vornehmen wollen, durch nhereHinweise und Quellenangaben nach Mglichkeit behilflich zu sein.

    Hier sei vor allem Frau Marie Steiner in herzlicher Verehrung gedankt,da sie in unermdlicher Arbeit das gewaltige Lebenswerk Rudolf SteinersJahr fr Jahr durch Herausgabe und Einleitung in immer umfassenderemMae zugnglich gemacht hat. Auch Herrn Albert Steffen, der gemeinsam

    mit Frau Marie Steiner, uns immer wieder auf die Reinerhaltung und das

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    9/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    7

    Wesentliche in Rudolf Steiners Werk hingewiesen hat, sei hier inherzlicher Verehrung gedankt.

    Fr einzelne wertvolle Hinweise bin ich besonders Herrn Dr. HermannPoppelbaum, fr archivarische Hilfe Frau Dr. F. Fuchs und Dr. H.Beyer-Liebig, fr die zeichnerische Anfertigung der Abbildungen HerrnDr. Carl Bessenich herzlich dankbar. (5)

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    10/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    8

    a) Zur Geschichte der Reinkarnations-Idee.

    Es besteht heute seltsamerweise noch vielfach die Vorstellung, als ob dieReinkarnations-Idee nur zum Gedanken- und Lehrgut frherer Zeiten undvor allem des Orients gehrt htte, dagegen in der Geschichte desabendlndischen Denkens keine Bedeutung habe. Diese Vorstellung beruhtnur auf einer Unkenntnis der Tatsachen. Es ist deshalb uerst wertvoll, daCurt Englert-Faye in der Zeitschrift Die Menschenschule (DieMenschenschule, Jahrgang 5, Heft 10) und in seinem Buche: EwigeIndividualitt (Verlag Zbinden & Hgin, Basel, 1934.) durch eine Fllegenauer Textangaben gezeigt hat, welchen starken Gehalt die Reinkarnationgerade im Denken und Leben vieler bedeutendster Persnlichkeiten derneueren Zeit gehabt hat. Es zeigt sich da, da viele geistig fhrendenMenschen unserer Epoche von der berzeugungskraft dieser Idee, ja oftvon der Gewiheit der Wiedergeburt des Menschen durchdrungen waren.Hier sei auch auf die ausgezeichnete Schrift von Lic. E. Bock WiederholteErdenleben (Die Wiederverkrperungs-Idee in der deutschenGeistesgeschichte) (Stuttgart, 1932) verwiesen, wo ebenfalls mit einergroen Anzahl von Zitaten aus den Werken berhmter Zeitgenossen dieseTatsache belegt wird. Die Lektre solcher Werke ist deshalb uerstaufschlureich. Gerade bedeutende Denker der nahen Vergangenheit undder Jetztzeit haben also auch in der westlichen Welt die Idee derwiederholten Erdenleben vielfach vertreten.

    Da sie trotzdem noch nicht zum Allgemeingut des menschlichenDenkens unserer Zeit gehrt, ist aus folgenden Gesichtspunkten erklrlich:

    Viele Vertreter einer starren Dogmatik glaubten aus Unkenntnis des

    gesamten Umfanges des christlichen Gedankengutes diese Idee als nichtdem Dogma entsprechend ablehnen zu mssen.

    Die wissenschaftliche Welt glaubte ihrerseits, jede Beschftigung mitdiesen Tatsachen als auerhalb ihres Arbeitsbereiches liegendvernachlssigen zu knnen, weil man , wie der Physiker Sir James Jeanssagt, bisher meinte, da der Geist nur eine Funktion der Ttigkeit derMaterie sei, eine berlebte Vorstellung des 19. Jahrhunderts, die aberverhinderte, die exakte Forschung ber den Bereich des nur

    Sinnlich-Sichtbaren auszudehnen, aus dem man alles erklren zu knnenvermeinte.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    11/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    9

    (6) Diese Entwickelung des menschlichen Denkens whrend einerbestimmten Epoche wurde wiederum untersttzt durch einentwicklungsgeschichtliches Phnomen, da nmlich der Mensch die

    Eroberung der physisch-sinnlichen Welt nur so intensiv und konzentriertdurchfhren konnte, indem er sich einseitig auf die Beobachtung desSinnlich-Physischen spezialisierte und fr die Dauer einer bestimmtenGeschichts-Epoche, eben des letzten Jahrhunderts, von der Betrachtung desGeistigen in der Natur isolierte.

    Vorsichtige Vertreter der Glaubenslehren haben hie und da zwar daraufhingewiesen, da die Lehre von der Wiedergeburt, der Metempsychose,dem menschlichen Denken zumindest nicht widerspreche. So sagt Kardinal

    Mercier in seinem Werk Psychologie: Unter der BezeichnungWiedermenschwerdung (Reinkarnation), Metempsychose oderSeelenwanderung, kann man sehr verschiedene Dinge verstehen: entwedereine Reihe von Wiederholungen des Daseins unter der zweifachenBedingung, da die Seele das Bewutsein ihrer Persnlichkeit bewahrt, undda es ein Endglied in der Reihe der Wanderungen gebe; oder eine Reihevon Wiederholungen des Daseins ohne Endglied, jedoch mit demVorbehalt, da die Seele das Bewutsein ihrer Persnlichkeit bewahre; oder

    endlich eine unbegrenzte Reihe von Daseinswiederholungen mit demVerlust des Bewutseins von der persnlichen Identitt .... Was die ersteAnnahme betrifft, so sehen wir nicht, da die Vernunft, sich selbstberlassen, sie unmglich oder mit Sicherheit als falsch erklrte....

    Unter den Persnlichkeiten, die sich, ausgerstet mit denGesichtspunkten der protestantischen Theologie mit diesen Fragen inpositiver Weise auseinandergesetzt haben, sei auf das Buch von Dr. Fr.Rittelmeyer Wiederverkrperung (Stuttgart 1931) verwiesen. Der

    Verfasser des Folgenden hat, sowohl in Europa wie in Amerika, alsogerade in der westlichen Welt, bedeutende Theologen kennengelernt,welche die Eingliederung der Reinkarnations-Idee in das christlicheWeltbild nicht nur fr mglich, sondern fr notwendig ansehen.

    Vorsichtige Vertreter der Wissenschaft des vergangenen Jahrhundertshaben sich damit begngt, gegenber dem Auftreten solcher Ideen beibedeutenden Denkern sich einer Urteilsbildung zu entziehen durch dieBehauptung, da dies nicht zu ihrem Arbeitsbereich gehre. Erst das

    Versagen dieser einseitigen und engbegrenzten Betrachtungsweise bei derErforschung der Lebenserscheinungen hat hier manche willkrlichen

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    12/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    10

    Grenzpfhle gelockert. So gibt es auch heute schon eine Reihe vonwissenschaftlichen Persnlichkeiten, welche sich mit dieser Fragebefassen, bzw. sie bejahen.

    Die Allgemeinheit hlt sich aber gern an dasjenige, was von der Mehrheitder Dogmatiker oder der Mehrheit der Wissenschaft jeweils als approbierteErkenntnis geboten wird. (7)

    Warum ist es aber nun die Aufgabe des 20. Jahrhunderts, in diesenFragen einen Gesichtspunkt einzunehmen, der ber die Erkenntnisgrenzendes 19. Jahrhunderts weit hinausreicht?

    Fr unsere heutige Erkenntnis kann jedenfalls weder diejenige Form, inwelcher die Reinkarnations-Idee in vergangenen Epochen im Orient

    vertreten wurde, noch auch deren Ausschlieung durch dieErkenntnisgrenzen des vergangenen Jahrhunderts im Okzident mageblichsein. Aber eine geschichtliche Betrachtung beider Phnomene kann unsermglichen, nach beiden Seiten objektive Distanz und eine neueErkenntnisbasis fr unsere zuknftigen Aufgaben zu finden.

    Orient und Okzident muten in der Vergangenheit an diese Problemeschon aus ihrer ganzen inneren Geistes-Struktur in vllig verschiedenerWeise herantreten.

    Rudolf Steiner hat einmal die Entwickelung des geschichtlichen Denkensselbst durch folgende Etappen charakterisiert:

    Der Mensch erlebte seine Vergangenheit

    bei den frhen Vlkern als Himmels-Geschichte,

    in spteren Epochen als mythische Geschichte,

    in den letzten Jahrhunderten als Erd-Geschichte.

    Der Mensch der frhesten Kulturepochen im Orient empfand sich als einaus geistigen Welten, aus Himmelsbereichen, auf die Erde herabgestrztes,verbanntes Geschpf. Die Dominante seines Denkens war deshalb dieSelbst-Erlsung, die Negierung der irdischen Welt, die er als ein Bereich derVerbannung, der Strafe betrachtete. Ihm fehlte ein Entwickelungsgedanke,der das Leben auf Erden als sinngem, ja als Steigerung der menschlichenEntwickelungsmglichkeiten erfassen kann. Der Mensch jener Zeit ist dem

    Geistigen zwar noch nher, deshalb ist ihm das Bewutsein von derTatsache der Wiedergeburt noch ein selbstverstndlicher Teil seines

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    13/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    11

    Wesens, aber er vermag nicht mehr, oder noch nicht, den Sinn diesesGeschehens zu fassen. Deshalb ist seine geistige Ttigkeit ganz auf dieSelbst-Erlsung, auf die Beendung der vermeintlichen Strafe der

    Wiedergeburt, auf die dauernde Rckkehr in die geistigen Welten gerichtet.Er will nicht die Erfahrungen der Erdenleben als Steigerung seinerindividuellen Entwickelung in geistige Bereiche zurcktragen, sondernunbelastet davon in den Scho der Geistigkeit wieder eintauchen. DasFehlen des Entwickelungsgedankens hngt in jenen Zeiten zusammen mitdem damals noch nicht ausgebildeten Bewutsein vorn Wesen desmenschlichen Ich, der Individualitt.

    (8) Dies hat zwei Abirrungen im Verstehen der

    Reinkarnations-Phnomene zur Folge: Die falsche Vorstellung von derewigen Wiederkehr des Gleichen, und die ebenso falsche Vorstellung vonder Mglichkeit des tieferen Sturzes ins Tierreich, als einer Strafe fr denAusgestoenen, der den Weg der Selbst-Erlsung verloren hat.

    Erst wenn der Entwickelungsgedanke und der Wille zur Ausbildungund Steigerung des menschlichen Ich auf Erden sich mit dem Wissen vonder Wiederverkrperung vereinigt, erfat der Mensch deren Sinn. Beidesfehlte noch in jenen Zeiten. Nur das Ich, die Individualitt, geht aber

    durch die wiederholte Verkrperung in der menschlichenLeibes-Organisation hindurch. Das Tier hat keine Individualitt, kein Ich,keine stndige Selbsterziehung, keine selbstgefhrte Entwickelung. Die Ideevon der ewigen Wiederkehr des Gleichen, von der Wiedergeburt auch imTierreich, verbindet sich also nur deshalb irrtmlicherweise in derVorstellungswelt des frhen Menschen mit dem realen Erlebnis derWiedergeburt, weil ihm Ich-Bewutsein und Entwickelungslehre nochfremd sind. Unsere Zeit hat jedoch in dieser Richtung die notwendigen

    Erkenntnisschritte vollziehen knnen. Deshalb knnen wir heute mit demReinkarnations-Gedanken einen tieferen Sinn verbinden.

    Der bergang von der Himmelsgeschichte, aus der Anschauung vomSturz des gestraften Menschen in die Erdenwelt und seiner Loslsung vondieser, zum mythischen Denken in Orient und Okzident, baut schonteilweise auf der Anschauung von der Bedeutung der Individualitt auf. Dermythische Fhrer und Held hat nicht nur die Aufgabe der Selbst-Erlsung,sondern auch diejenige, die andere Menschheit durch ihre Erdenaufgaben

    planvoll hindurch zu fhren und mit der geistigen Welt wiederum inEinklang zu bringen. Die Gottmenschen und Helden der Mythologie, auch

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    14/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    12

    die Priester-Knige Indiens, Persiens, gyptens, Griechenlands und dieFhrer-Gestalten der Mythen Europas, des Okzidents, verknpfen den Sinnder oberen und unteren Welt. Baldur, der frher noch in die geistige Welt

    hineinschaute, aber durch Verlust seiner Hellsichtigkeit gleichsam erblindetewird in das Bereich der Hel, der unteren Welt, gestrzt; aber die gleicheMythologie spricht von den Helden- und Fhrergestalten, welche denErdenbereich erobern, und doch dem Menschen dereinst den Weg zurck indie gttlichen Welten zu weisen vermgen.

    (9) So dachte der Orient einst noch statisch im Sinne von oben undunten, gleichsam ungeschichtlich, er fhlte sich als passives Objekt einer imWesentlichen unabnderlichen Weltordnung, nicht wie die sptere Zeit

    dynamisch, geschichtlich, im Hinblick auf eine Gtterdmmerung undaktive Menschheitsentwickelung, deren tieferer Sinn gerade im Durchgangdurch Epochen des Verlustes der geistigen Wahrnehmung, derHellsichtigkeit, und der Isolierung vom Kosmos zwecks Eroberung derErdenwelt liegt. Der Orient beachtete das zwangslufige Verhltnis vonUrsache und Wirkung, Schuld und Schicksal, Sturz und Strafe, er verstehtZyklen, Kreise ewiger Wiederkehr, nicht die Spirale geistigerSelbstentwickelung durch Luterung und Bemeisterung auch der irdischen

    Welt. Dem Orient fehlte noch unser Zeit-Begriff, in dem alles verbundenund doch in seiner Art einmalig ist, weil die Wiederholung schonMetamorphose und Steigerung mit sich bringt. Deshalb sind die beidenGedanken, auf die Goethe so fundamentalen Wert in der Naturforschunglegte, Metamorphose und Steigerung, von so elementarer Bedeutung frein Verstehen des inneren Sinnes der Wiederverkrperung. Goethe warberzeugt von der Realitt der Wiedergeburt (siehe oben angegebeneLiteratur und nachfolgend S. 58), aber er gab auch die ersten

    Gedankenfundamente, um die Ideen von Reinkarnation und Schicksalnaturwissenschaftlich zu unterbauen. Rudolf Steiner wies immer wiederumhin gerade auf diese Gedanken Goethes, weil es mit solcher Naturforschungnunmehr mglich war, viele wesentliche Gesichtspunkte imErkenntnisgebude der Anthroposophie darauf zu beziehen und in das demDenken des westlichen Menschen geme Verstehen derReinkarnations-Phnome einzufgen.

    Die Erkenntnis von der Bedeutung des Ich, der Individualitt, des sich

    selbst fhrenden und entwickelnden Menschenwesens, ist eng verknpft mitder Entstehung des Christentums. Es ist unsinnig und widerspricht den

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    15/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    13

    Tatsachen, wenn behauptet wird, die Reinkarnations-Idee widerspreche demWesen des Christentums. Vielmehr erhlt sie erst durch dasChristus-Ereignis ihren tieferen Sinn, den entscheidenden Wendepunkt im

    Weg der Entwickelung, im Bewutsein vom Ich-bin.Rudolf Steiner hat fters darauf hingewiesen, da Christus selbst vonseinem Zeitgenossen Johannes sagt, er sei Elias, also der gleichenIndividualitt ein Dasein in verschiedenen Jahrhunderten zuweist Dies sindgewi keine Erkenntnisse im Sinn heutiger Naturforschung, diese sindanderwrts, wie wir sehen werden, gleichfalls zu erbringen, aber es zeigtdoch, da der Gedanke der Wiedergeburt des Menschen dem Christentumgewi nicht widersprach. (10) Und in den Epochen des frhen

    Christus-nahen Christentums zu den Zeiten des Verfassers der Schriftendes Dionysius Areopagita finden wir auch noch jene Weisheit, welche dieSphrenlehre der vorchristlichen Zeit mit der Hierare hienlehre desChristentums identifizieren kann (s. therische Welt, Kap. XIV); erstspter wurde, wie Rudolf Steiner zeigte, jene noch in Athen ganz lebendigeLehre, welche die therische Astronomie mit dem Christentum vereinigenwollte, vergessen und bei Seite geschoben.

    Denn es folgt jene Epoche, whrend welcher der Mensch das Wissenvom geistigen Kosmos verlieren mu, um sich isoliert auf die Eroberung derrein physischen Welt zu konzentrieren. Doch immer halten einige groeGeister die Kontinuitt der Idee aufrecht im Mittelalter in den Werken derMystik und einzelner Forscher; in den finstersten Jahrhunderten dann inMitteleuropa Menschen wie Goethe, Novalis, Lessing, Herder, Zschokke, R.Wagner, C. F. Meyer u.a.; im stlichen Europa, z. B. in Polen, Mnner wieMickiewicz, Slowacky, Krasinsky u. a.; im Westen hilft der Gedanke

    mancher fhrenden Persnlichkeit, innere Erlebnisse zu verstehen, so wennEmerson zum Beispiel beim Studium eines Werkes von Montaigne sagt: Eswar mir, als ob ich das Buch in irgendeinem frheren Leben selbstgeschrieben htte. Und wenn, um auch eine charakteristischePersnlichkeit des modernen praktischen Lebens zu zitieren, Henry Fordsagt: Was einige fr eine besondere Gabe oder ein Talent zu haltenscheinen, das ist nach meiner Ansicht die Frucht langer, in vielen Lebenerworbener Erfahrung. Dazu mu ich aber vorausschicken, da ich glaube,

    da wir wiedergeboren werden. Sie, und ich, wir alle werden viele Malewiedergeboren, leben viele Leben, und speichern reiche Erfahrung auf ...

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    16/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    14

    Die scheinbar intuitive Gabe ist in Wirklichkeit schwer erworbeneErfahrung. ... Ich bin, wie Sie wissen, von dem Gedanken derWiedergeburt berzeugt ... Die Zeit war nicht mehr mein Meister. Ich war

    nicht mehr der Sklave meiner Uhr. Die Entdeckung der Reinkarnationverschaffte mir Frieden. Auf die vielen starken Stimmen, die im Sinnedes Wiedergeburtsgedankens sprechen und die bei C. Englert und E. Bockwiedergegeben sind, sei hier nochmals zum Tatsachen-Studiumhingewiesen.

    Immer tiefer klafften innerer Erlebnisinhalt und naturwissenschaftlicheAnschauung des 19. Jahrhunderts auseinander, bis gerade auf dem Umwegber die scheinbar physischste Wissenschaft, die Physik, der Naturforscher

    unserer Zeit zur alten und doch neuen Erkenntnis kommt, da der Geist alsSchpfer und Beherrscher des Reiches der Materie anzusehen sei.

    (11) Es ist weltgeschichtlich ganz zeitgem, wenn Rudolf Steinergerade um die Jahrhundertwende seine ersten Vortrge ber dieGrundlagen seiner Geisteswissenschaft hielt, die er zum Erkenntnisweg undWeltbild der Anthroposophie ausbaute, wo nun dasReinkarnationsphnomen nicht nur zum Glaubens- oder Erlebnisinhalt,sondern auch zum Erkenntnisinhalt wird, der den Abgrund zwischen

    Menschenwesen und Naturforschung berbrckt.Es ist deshalb sinngem, einer geschichtlichen Betrachtung der

    Reinkarnationsidee einen kurzen Werdegang dieser Erkenntnis bei RudolfSteiner hier einzufgen.

    Er hat uns in seinem Buch Mein Lebensgang einen Einblick in dasWerden seiner geistigen Erkenntnisse tun lassen. Schon in seiner Kindheithatte Rudolf Steiner ein besonderes Interesse fr philosophische undnaturwissenschaftliche Fragen. In der Beschftigung z. B. mit der Geometrieerlebt er die reine Geistigkeit des menschlichen Denkens. Aber schon vorseinem achten Lebensjahr unterschied er auf Grund realer hellsichtigerErlebnisse zwischen Dingen und Wesenheiten der sichtbaren und der fr dasphysische Auge unsichtbaren Welt, die er doch wahrnehmen konnte. Er sagthierzu: Denn die Wirklichkeit der geistigen Welt war mir so gewi wie dieder sinnlichen u. a. O.: Eine Welt der geistigen Wesen gab es fr mich.Da das Ich, das selbst Geist ist, in einer Welt von Geistern lebt, war frmich unmittelbare Anschauung. Was nun Rudolf Steiner von allen anderen,mit so auergewhnlichen Gaben ausgestatteten Persnlichkeitenunterscheidet, das ist, da er von vornherein dahin strebte, das geistig

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    17/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    15

    Wahrgenommene streng kritisch zu prfen und auf Begriffe zu bringen, diedem gewhnlichen Bewutsein einleuchten knnen. Hierbei wird dasStudium von Fichtes Wissenschaftslehre von groem Wert. Wenn 'das Ich

    ttig ist und diese Ttigkeit selbst anschaut, so hat man ein Geistiges in allerUnmittelbarkeit im Bewutsein, so sagte ich mir. Das menschlicheIch-Bewutsein und dessen Ttigkeit ist also immer der besteAusgangspunkt fr ein Verstndnis jeder geistigen Wesenhaftigkeit. RudolfSteiner hat, dies mu besonders betont werden, im Gegensatz zu anderenmit geistigen Wahrnehmungswerkzeugen ausgestatteten Menschen, Zeitseines Lebens immer jede Methode der Herabdmpfung des menschlichenBewutseins, jede Art von Mediumismus, Spiritismus etc. auf das strengste

    abgelehnt. (12) Er verlangte von sich und anderen als ersten Schritt immereine systematische Strkung und Schulung des Bewutseins, derwissenschaftlichen Beobachtungsgabe, der exakten Formulierung jederneuen Erkenntnis. Diese unerbittliche methodische Strenge machte es frihn in jener Zeit besonders schwierig, weil einerseits die Wissenschaft des19. Jahrhunderts noch nicht gewillt war, ihren Erkenntnisbereichsystematisch auf solche Phnomene auszudehnen, andererseits fr jeneKreise, welche in diesen Dingen nur schwelgerische Mystik trieben, die

    exakte wissenschaftliche Handhabung durch Rudolf Steiner zu unbequemwar. In seinen Studien an der technischen Hochschule und denerkenntnistheoretischen Arbeiten, die in seiner Doktor-Dissertation an derUniversitt Rostock zum Ausdruck kamen, erwarb ,er sich eine umfassendeKenntnis der Naturwissenschaften unserer Zeit. Neben dieser Arbeit anTechnik und Universitt ging nun bei ihm in auergewhnlicher Weise einstndiges Erleben bersinnlicher Vorgnge. So berichtet er schon aus derZeit der Jahres 1879: Ich hielt mich damals fr verpflichtet, durch die

    Philosophie die Wahrheit zu suchen. Ich sollte Mathematik undNaturwissenschaft studieren. Ich war berzeugt davon, da ich dazu keinVerhltnis finden werde, wenn ich deren Ergebnisse nicht auf einen sicherenphilosophischen Boden stellen knnte. Aber ich schaute doch eine geistigeWelt als Wirklichkeit. Mit aller Anschaulichkeit offenbarte sich mir an

    jedem Menschen seine geistige Individualitt. Diese hatte in der physischenLeiblichkeit und in dem Tun in der physischen Welt nur ihre Offenbarung.Sie vereinte sich mit dem, was als physischer Keim von den Eltern

    herrhrte. Den gestorbenen Menschen verfolgte ich weiter auf seinem Wegein die geistige Welt hinein. Immer suchte er unter den Zeitgenossen um

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    18/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    16

    ein Verstndnis fr diese Phnomene. So berichtet er u. a. von interessantenGesprchen mit dem Cisterzienser Ordenspriester Prof. W. Neumann, wobeier auch auf die wiederholten Erdenleben des Menschen zu sprechen kam,

    aber auch bei diesem sonst so regsamen Denker zunchst nur auf ein Gefhlder Unbehaglichkeit stie, sich an diese Probleme berhaupt heranzuwagen.Unbeirrt geht Rudolf Steiner seinen Weg der Vereinigungwissenschaftlicher Forschung und geistiger Wahrnehmung weiter, die ereinmal so formulierte: Eine geistige Schauung stellte sich mir vor die Seelehin, die nicht auf einem dunklen mystischen Gefhl beruhte. Sie verliefvielmehr in einer geistigen Bettigung, die an Durchsichtigkeit demmathematischen Denken sich voll vergleichen lie. Ich nherte mich der

    Seelenverfassung, in der ich glauben konnte, ich drfe die Anschauung vonder Geisteswelt, die ich in mir trug, auch vor dem Forum desnaturwissenschaftlichen Denkens fr gerechtfertigt halten.

    In jener Studienzeit bis zu seinem 28. Lebensjahr wird die Realitt derReinkarnation durch kontinuierliche, exakte Beobachtung ihm zu absoluterGewiheit. (13) Wir mchten die lebendige Schilderung diesesErkenntnisweges hier aus seinem Werk Mein Lebensgang hervorheben):

    Ich hatte gerungen mit dem Rtsel der wiederholten Erdenleben desMenschen. Manche Anschauung in dieser Richtung war mir aufgegangen,wenn ich Menschen nahegetreten war, die in dem Habitus ihres Lebens, indem Geprge ihrer Persnlichkeit unschwer die Spuren einesWesensinhaltes offenbaren, den man nicht in dem suchen darf, was siedurch die Geburt ererbt und seit dieser erfahren haben.... Eine solcheAnschauung gewinnt man nicht, wenn man ber die zunchst sichaufdrngenden uerungen einer Persnlichkeit sinnt; man fhlt sie erregt

    durch die solche uerungen scheinbar begleitenden, in Wirklichkeit abersie unbegrenzt vertiefenden, in die Intuition eintretenden Zge derIndividualitt. Man gewinnt sie auch nicht, wenn man sie sucht, whrendman mit der Persnlichkeit zusammen ist, sondern erst dann, wenn derstarke Eindruck nachwirkt und wie eine belebte Erinnerung wird, in der dasim ueren Leben Wesentliche sich auslscht und das sonstUnwesentliche beginnt, eine deutliche Sprache zu reden, Wer Menschenbeobachtet, um ihre vorangegangenen Erdenleben zu entrtseln, der

    kommt ganz gewi nicht zum Ziele. Solche Beobachtung mu man wie eineBeleidigung empfinden, die man dem Beobachteten zufgt, dann erst kann

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    19/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    17

    man hoffen, da wie durch eine von der geistigen Auenwelt kommendeSchicksalsfgung sich das Langvergangene des Menschen in demGegenwrtigen enthllt. Gerade in der hier dargestellten Zeit meines

    Lebens errang ich mir die bestimmten Anschauungen ber die wiederholtenErdenleben des Menschen. Vorher lagen sie mir zwar nicht ferne; aber sierundeten sich nicht aus den unbestimmten Zgen heraus zu scharfenEindrcken. Theorien aber ber solche Dinge wie wiederholte Erdenlebenbildete ich nicht in eigenen Gedanken aus; ich nahm sie zwar in dasVerstndnis aus der Literatur oder anderen Mitteilungen auf als etwasEinleuchtendes; aber ich theoretisierte selbst nicht darber. Und nur, weilich mir wirklicher Anschauung auf diesem Gebiete bewut war, konnte ich

    das erwhnte Gesprch mit Prof. Neumann fhren. Es ist ganz gewi nichtzu tadeln, wenn sich Menschen von den wiederholten Erdenleben undandern nur auf bersinnlichem Wege zu erlangenden Einsichten berzeugen;denn eine vollgeltende berzeugung auf diesem Gebiete ist auch demunbefangenen gesunden Menschenverstande mglich, auch dann, wenn derMensch es nicht zur Anschauung gebracht hat. Nur war der Weg desTheoretisierens auf diesem Gebiete nicht mein Weg.

    (14) Bei seinen Literatur-Studien kam er auch mit Schriften der

    theosophischen Bewegung in Berhrung, zum Beispiel SinnettsEsoterischem Buddhismus, die aber nur abstoend auf ihn wirkten. RudolfSteiner wollte ja etwas ganz anderes, er wollte reale geistige Anschauungmit naturwissenschaftlicher Denkens- und Forschensweise verbinden.Hierbei fand er nun wesentlichste Untersttzung durch sein eingehendesStudium der Organik, wie sie in Goethes Schriften lebte. Rudolf Steinerwurde ja durch Vermittlung von Prof. Schrer an das WeimarerGoethe-Archiv zur Herausgabe von Goethes Naturwissenschaftlichen

    Schriften berufen. Was Goethe im einzelnen ber dieses oder jenes Gebietder Naturerkenntnis gedacht und erarbeitet hatte, schien mir von geringererBedeutung neben der zentralen Entdeckung, die ich ihm zuschreibenmute. Diese sah ich darin, wie man ber das Organische denken msse, umihm erkennend beizukommen. ... Mir war whrend meines WeimarerAufenthaltes die Frage immer entschiedener aufgetaucht: wie soll man aufden Erkenntnisgrundlagen, die Goethe gelegt hat, weiterbauen, um vonseiner Anschauungsart aus denkend zu derjenigen hinberzuleiten, die

    geistige Erfahrung, wie sie sich mir ergeben hatte, in sich aufnehmenkann?.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    20/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    18

    Die Sphre des menschlichen Denkens, das klare Erfassen der Realitt derIdeen, bezeichnete Rudolf Steiner als wichtigstes Werkzeug fr dieErfahrung geistiger Weltinhalte: Das Gewahrwerden der Idee in der

    Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen. Das Denken hatden Ideen gegenber dieselbe Bedeutung wie das Auge dem Lichte, das Ohrdem Ton gegenber. Es ist Organ der Auffassung.

    Die philosophische Fundierung seines Weltbildes gab er in seinem WerkDie Philosophie der Freiheit, der er das Motto gab: SeelischeBeobachtungs-Resultate nach naturwissenschaftlicher Methode.

    Durch naturwissenschaftliche Studien wurde in den kommenden Jahrenstndig die genaue Kenntnis der physischen Forschungsergebnisse

    unserer Zeit, gleichzeitig durch systematische geistige Schulung dieErforschung der geistigen Welt und der Reinkarnations-Phnomene vertieft.

    Erlebt man zum Beispiel das Ich, des Menschen, als dessen ureigensteinnere Wesenheit, so wei man im anschauenden Erleben, da dieses Ichvor dem Leben im physischen Leibe war und nach demselben sein wird.Was man so im ,Ich erlebt, offenbart dieses unmittelbar, wie die Rose ihreRte im unmittelbaren Wahrnehmen offenbart. (15) In einer solchen ausinnerer geistiger Lebensnotwendigkeit gebten Meditation entwickelt sich

    immer mehr das Bewutsein von einem inneren geistigen Menschen, derin vlliger Loslsung von dem physischen Organismus im Geistigen leben,wahrnehmen und sich bewegen kann. Dieser in sich selbstndige geistigeMensch trat in meine Erfahrung unter dem Einflu der Meditation. DasErleben des Geistigen erfuhr dadurch eine wesentliche Vertiefung.

    Um die Jahrhundertwende setzte dann Rudolf Steiners Vortragsttigkeitein, welche seine neuen Erkenntnisse innerhalb 25 Jahren einem so weitenKreise fr diese Forschungen interessierter Menschen zugnglich machte.Bei der Aufforderung seitens der Theosophischen Gesellschaft, auch inihren Kreisen Vortrge zu halten, stellte Rudolf Steiner von vornherein dieBedingung, da er auch dort seinen eigenen unabhngigen Weg im Sinneeiner Anthroposophie gehen knne. Als die Theosophische Gesellschaftdann in allerlei mystische Verschrobenheiten verfiel, die von seiner exaktenwissenschaftlichen Auffassung weit entfernt lagen und vor allem auch mitseiner Auffassung von der zentralen Bedeutung des Christentums, desChristus-Ereignisses, in schroffem Widerspruch standen, lste er sichdefinitiv von jenen Kreisen los, begrndete die AnthroposophischeGesellschaft und spter das Goetheanum, als freie Hochschule fr

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    21/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    19

    Geisteswissenschaft in Dornach. In diesem Rahmen baute er dann seineForschungsergebnisse, vor allem auch ber die Reinkarnations-Phnomene,durch unzhlige Schriften und Vortrge zu einem einheitlichen Weltbilde

    aus.Welcher schwierigen, neuartigen Aufgabe sich Rudolf Steiner bei derAnwendung wissenschaftlicher Forschungsmethoden auf geistigePhnomene gegenbergestellt sah, spricht er im Folgenden aus: Schwierigwird fr den, der wissenschaftlich bleiben will, die Darstellung derwiederholten Erdenleben und des sich durch diese hindurch gestaltendenSchicksals. Will man da nicht blo aus der Geistschau sprechen, so muman auf Ideen eingehen, die sich zwar aus einer feinen Beobachtung der

    Sinneswelt ergeben, die aber von den Menschen nicht gefat werden... Ichstand mit vollem Bewutsein diesen Schwierigkeiten gegenber. Ichkmpfte mit ihnen, Und wer sich die Mhe nehmen wollte, nachzusehen,wie ich in aufeinanderfolgenden Auflagen meiner Theosophie das Kapitelber die wiederholten Erdenleben immer wieder umgearbeitet habe, geradeum dessen Wahrheiten an die Ideen heranzufhren, die von derBeobachtung in der Sinneswelt genommen sind, der wird finden, wie ichbemht war, der anerkannten Wissenschaftsmethode gerecht zu werden.

    (16) In dem oben genannten Werke, dessen Lektre beim Studium dieserFragen unerllich ist, hat Rudolf Steiner, wie er spter einmal sagte, vorallem den seelischen Aspekt der Reinkarnationsphnomenezusammengefat, in seiner spteren Vortragsttigkeit dann immer mehr undmehr auch den kosmographischen Aspekt, d. h. deren Verhltnis zu denkosmischen Tatsachen, aus unermdlicher Beobachtung in unzhligeneinzelnen Forschungsergebnissen hinzugefgt. Er sagt hierzu: ... Es ist einVorurteil, wenn man glaubt, da derjenige, der in die geistige Welt

    hineinsieht, nun gleich ber alles Auskunft geben knne. Und gerade so, wiehier in der physischen Welt nach und nach die Dinge erforscht werden, vonEpoche zu Epoche, so ist das auch fr das geistige Leben so, da die Dingenach und nach erforscht werden. Aber gerade die absoluteZusammenstimmung der einzelnen geistigen Tatsachen, wenn man sie sonach und nach erforscht, wie sie sich immer wieder und wiederum vonneuem herausstellen, die kann auch demjenigen, der noch nicht in diegeistige Welt hineinsieht, ein Beweis der Berechtigung desjenigen sein, was

    in ehrlichem Forschen errungen wird aus der geistigen Welt. U. a. O.: Dader konsequente Denker heute, wenn er nicht mit allem brechen will, was

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    22/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    20

    die Gedankenformen der letzten Jahrhunderte gebracht haben, zuletzt bei derAnerkennung von Karma und Reinkarnation anlangen mu, das ist etwas,was durchaus in den Tiefen des heutigen Geisteslebens wurzelt.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    23/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    21

    b) ber einige Hemmungen und Einwnde

    Gegen die Anerkennung der Reinkarnations-Tatsache wird oft geltend

    gemacht, da ein groer Teil der Menschheit heutzutage davon nichts imBewutsein habe, sich nicht an vorgeburtliche Zustnde oder ein Dasein infrheren Erdenleben erinnern knne, da sie also in Bewutsein undGedchtnis nicht auffindbar seien und deshalb wohl nicht existierten.Dieser Einwand, so naheliegend er scheinen mag, ist doch weder logischnoch wissenschaftlich exakt. Hier bedrfen Begriff und Umfang vonBewutsein und Gedchtnis- erst genauerer Przision. Gibt es nichtunendlich viele Prozesse in uns, deren wir uns berhaupt nicht bewut sind,

    deren wir uns nicht erinnern, und die doch zu den realsten und wichtigstenLebensfunktionen gehren? (17) Ja, gerade die wichtigsten vitalen Prozesseim komplizierten Organismus des Menschen sind erst in den letztenJahrzehnten erforscht und in den Erkenntnisbereich des Menschenheraufgehoben worden und waren doch schon vorher ebenso real, aktiv undwirksam, ob bewut oder unbewut. Auch die Rolle des Gedchtnisseshat sich in der wissenschaftlichen Forschung der letzten Zeit radikalgendert. Whrend das Gedchtnis in frheren Zeiten mehr der seelischen,

    psychologischen Sphre zugeordnet schien, ist es pltzlich in den letztenJahrzehnten zu einer der elementarsten vitalen Funktionen des Menschengemacht worden, ja gerade die moderne Biologie unterscheidet zwischenbewutem und unbewutem Gedchtnis. Auf diese Wandlung der Begriffeber die Bedeutung des Gedchtnisses weisen schon eine groe Zahlwichtiger Publikationen der letzten Epoche hin: so das Werk von Prof.Hering: ber das Gedchtnis als eine allgemeine Funktion der organischenMaterie (Wien 1870), von Prof. Rignano: Das Gedchtnis als Grundlage

    des Lebendigen (Wien, Leipzig 1931), von E. Bleuler in denNaturwissenschaften, (10. 2. 1933): Die Mneme als Grundlage desLebens und der Psyche u. a. m. Bleuler betont z. B. da Zufall undAuslese absolut unfhig sind, die Entwickelung der Arten zu erklren;letzteres glaube ich bewiesen zu haben, und viele andere geben es zu; nurfehlt ihnen eine brauchbare andere Erklrung. Diese kann der Mneinismusgeben. ... Andere Anschauungen haben versagt. Die Mneme ist eineEigenschaft alles Lebendigen. Ohne Mneme kann es keine Zweckmigkeit

    geben. ... Ohne Mneme ist eine zweckmige Artentwickelung unmglich.Und doch mu er zugeben: Man betrachtet die Instinkte als Ausflu eines

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    24/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    22

    Art-Gedchtnisses, alles allerdings, ohne sich den Hergang derbertragung auf die folgende Generation genauer vorzustellen. In diesermodernen Forschungsrichtung der Biologie werden gerade die wichtigsten

    Lebensfunktionen und Entwickelungsprozesse als Gedchtnis-Funktionenerklrt, obwohl diese grtenteils berhaupt nicht ins Bewutsein derbetreffenden Lebewesen gelangen. Man geht ja sogar so weit, die Tatsache,da die folgende Generation stets die Merkmale, die Gestalt, dieEntwickelungs-Gesetze, die Instinkte etc. der vorhergehenden bernimmtund wiederholt, als den Ausflu eines Art-Gedchtnisses zu erklren. Unddoch wird niemand annehmen, da zum Beispiel ein Pferde-Embryo sichbewut der Entwickelungsgesetze, Gestalt etc. der Pferde-Gattung im

    embryonalen Zustand erinnern kann. Frher schrieb man diese Funktionenhypothetischen materiellen Faktoren zu, und als sich diese Erklrung alsunhaltbar erwies, jetzt alles einem unterbewuten Gedchtnis-Akt. (18)Beides ist bertrieben und einseitig. Es wird ja auch zugegeben, da mansich den Hergang der bertragung auf die folgende Generation nichtvorstellen knne. Auf die exakte Erklrung, welche Rudolf Steiner diesenPhnomenen auf Grund der Bildekrfte-Lehre zu geben vermag, kommenwir im folgenden Kapitel zurck. Hier sei nur darauf hingewiesen, da es

    nicht einmal den modernen wissenschaftlichen Vorstellungen entspricht,wenn wir als Gedchtnisvorgnge nur das gelten lassen wollten, was imBewutsein des Menschen erscheint, somit nur das als real anerkennenwrden, was wir bewut zu erinnern vermgen. Es ist also zunchsthypothetisch durchaus mglich, da vorgeburtliche Zustnde und frhereErdenleben unsere Lebensfunktionen entscheidend bestimmen, selbst wennbeim Durchschnittsmenschen davon nichts in Bewutsein und Gedchtnisheraufgehoben wird. Hier mu die Methodik des von Rudolf Steiner exakt

    gegebenen Schulungsweges einsetzen, wodurch Bewutseins- undErinnerungskraft erst so gestrkt werden, da sie ihren Erfahrungsbereichauch auf tiefere, bisher meist unterbewute Gebiete des Menschenerweitern. In bezug auf diese Methodik sei hier auf die grundlegendenWerke Rudolf Steiners verwiesen. Als ihr Resultat ergeben sich jeneBeobachtungsergebnisse, die in den folgenden Kapiteln wiedergegeben sind.

    ber die Abdmpfung des Bewutseins durch die menschlicheLeibesorganisation im Leben zwischen Geburt und Tod und ber die

    Mglichkeit, durch Bewutseinsstrkung und geistige Schulung diesedurch das Leibliche bewirkte Abdmpfung des Geistes rckgngig zu

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    25/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    23

    machen, sagt Rudolf Steiner: Das sind bungen die ebenso strengvorgeschrieben sind in den entsprechenden Schulen, wie in denLaboratorien das Mikroskopieren usw. U. a. 0. in seinem Werk Die

    Rtsel der Philosophie: Dieses andere Bewutsein kann aber nur entdecktwerden durch die innere Seelenarbeit, die sich leibfrei macht. Diese lernterkennen, da die Seele Bewutsein auch ohne die leibliche Vermittlunghaben kann. Durch diese Arbeit findet die Seele in bersinnlicherAnschauung den Zustand, in dem sie sich befindet, wenn sie den Leibabgelegt hat. Und sie findet, da whrend sie den Leib trgt, dieser selbst esist, der jenes andere Bewutsein verdunkelt. Mit der Einverleibung in denphysischen Krper wirkt dieser so stark auf die Seele, da sie das

    charakterisierte andere Bewutsein im gewhnlichen Leben nicht zurEntfaltung bringen kann. Das zeigt sich, wenn die angedeutetenSeelenbungen mit Erfolg gemacht werden. Die Seele mu dann bewutdie Krfte unterdrcken, die, vom Leibe ausgehend, das leibfreieBewutsein auslschen. Dieses Auslschen kann nach der Auflsung desLeibes nicht mehr stattfinden. (19) Es ist also das geschilderte andereBewutsein dasjenige, das sich hindurch erhlt durch dieaufeinanderfolgenden Leben der Seele und durch die rein geistigen Leben

    zwischen Tod und Geburt. Und es wird von diesem Gesichtspunkte ausnicht von einer nebelhaften Seelensubstanz gesprochen, sondern mit einerden naturwissenschaftlichen Ideen hnlichen Vorstellung gezeigt, wie dieSeele deshalb fortbesteht, weil in einem Leben sich keimhaft das nchstevorbereitet, gleich dem Pflanzenkeim in der Pflanze. Es wird in demgegenwrtigen Leben der Grund des knftigen gefunden. Es wird dasWahrhafte gezeigt, das sich fortsetzt, wenn der Tod den Leib auflst. Manbefindet sich mit der hier gemeinten Geisteswissenschaft nirgends im

    Widerspruch mit der neueren naturwissenschaftlichen Vorstellungsart.(20)

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    26/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    24

    Kapitel II.

    Metamorphose und Steigerung.

    a) Die Metamorphose der Bewutseins- und vitalen Krfte.

    Das Phnomen von Geburt und Tod zeigt. fr die heutige Erkenntnis einescheinbare Diskontinuitt nach beiden Seiten, und zwar die desBewutseins, und des vitalen Prozesses. Der menschliche Egoismusinteressiert sich vor allem dafr, ob es nicht doch eine Kontinuitt nach dem

    Tode gibt, whrend ihn die Frage der vorgeburtlichen Existenz weitweniger beschftigt, er berlt deren Entscheidung Dogmatik undWissenschaft. Rudolf Steiner hat fters betont, wie stark diese egoistischeNote des menschlichen Denkens, die sich meist mehr interessiert fr dasWohin, fr das was vor uns liegt, weniger fr das Woher, was ja doch hinteruns liegt, die objektive, klare berschau ber die Symphonie dieserErscheinungen getrbt und beeinflut hat.

    Aber wir finden diese scheinbare Diskontinuitt ja gar nicht nur beiGeburt und Tod, am Anfang und Ende, sondern auch whrend *desErdenlebens. Unser Bewutsein erleidet stndige Unterbrechungen, imSchlafe, und die Rhythmik der vitalen Prozesse schwingt synchron, wennauch mit anderen Wirkungen, mit diesen Unterbrechungen mit. Dochwhrend das Bewutsein so oft auch im Erdenleben durch Einschlafen undErwachen scheinbar erlscht und wiedergeboren wird, bleibt etwas dochoffenbar kontinuierlich: unser Wesen, unsere Individualitt, unsere Gestalt,die Totalitt. Sie entwickelt sich zwar, doch durch Unterbrechung desBewutseins reit der Faden nicht ab, der Bewutseinsinhalt von heuteknpft trotz Diskontinuitt am gestrigen an.

    Auch unsre leiblich-materielle Basis, unser Krper, ist in seiner Substanzkeineswegs der gleiche von der Geburt bis zum Tode. (21) Wir schneidennicht nur unsere Ngel und Haare, wir erneuern nicht nur stndig unsereHaut, sondern im Laufe etwa eines Jahrsiebents wechseln wir alleSubstanzen unseres Leibes gegen andere, neue, aus. Der Luftorganismus in

    uns wechselt mit jedem Atemzug, das Blut und andere flssige Stoffe (wirsind zu 90% Flssigkeit) wechseln in krzester Zeit, alle leibliche Substanz

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    27/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    25

    in wenigen Jahren. Nichts tragen wir rein substanziell von einemLebensjahrzehnt ins andere hinber. Was bleibt, ist das Wesen, die Form,die Gestalt, der Baumeister und sein Plan, nicht die Bausteine; das Bildende,

    nicht das Gebildete.Diese Tatsache und ihre Konsequenzen, ignoriert vom Groteil derWissenschaft des 19. Jahrhunderts, wei heute jeder fortschrittliche Biologe,

    jeder Physiker, wenn auch die Allgemeinheit noch erstaunlich oft inveralteten Begriffen denkt. Die moderne biologische Schule aber spricht vonGanzheits-Lehre, von Totalitt. Sie hat es aufgegeben, das Ganze aus denBausteinen allein erklren zu wollen, wie es ein stolzes und eifrigesJahrhundert tat, das hinter uns liegt. Und der Physiker Sir James Jeans sagt

    sogar in bezug auf die Erkenntnis der ueren Natur in seinem Werke: Dieneuen Grundlagen der Naturerkenntnis: Es hat sich herausgestellt, da dieAuenwelt von den vertrauten Begriffen des tglichen Lebens entfernter ist,als die Physik des 19. Jahrhunderts sich trumen lie, und wir erfahren jetzt,da wir bei jeder Bemhung, die Wirklichkeit zu portrtieren, sofort aufBegriffe stoen, fr die wir weder Bilder, noch Vorstellungen, noch Wortehaben. ... Die Physik zieht aus, um eine Welt aus Strahlung und Materiezu erforschen, und merkt, da sie keines von beiden beschreiben oder

    abbilden kann, nicht einmal zu ihrem eigenen Gebrauch. U.a.O. da derWissensstrom auf eine nichtmechanische Wirklichkeit zufliet, ... dakrperliche Materie zu einer Schpfung und Offenbarung des Geistes wird.

    Aber wodurch beeinflut der Geist als Bildner das Krperliche als dasGebildete? Hier fehlte bisher die Brcke, der Vermittler, denn man beginntzwar nun, die Gesetze der in der ueren Technik zurecht erprobtenMechanik nicht mehr auf die Lebenserscheinungen anzuwenden, weil diesaussichtslos ist, aber das Denken verwendet doch noch die alte Begriffswelt,

    es sucht immer noch die gleiche Krftewelt im Toten, Leblosen,Mineralischen, in der Technik und den Phnomenen des Lebens. Was frdie Mechanik einer Uhr, einer Nhmaschine etc. durchaus gltig ist, erklrtaber eben nicht die innere Dynamik eines lebendigen Organismus. RudolfSteiner antwortet: Die Erkenntniskrfte fr das Mechanische sind durchsich selbst wach; diejenigen fr die hheren Wirklichkeitsformen mssengeweckt werden. (22) Die Erforschung einer neuen Krftewelt, derDynamik des Lebens, erfordert die Anwendung neuer Erkenntniskrfte mit

    gleicher Exaktheit, aber mit der Vorurteilslosigkeit und dem Mut, fr eineandersartige Seinssphre auch eine Metamorphose von Denken und

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    28/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    26

    Forschen zu whlen. Hier liegt ein Entweder-Oder, das nicht zu vermeidenist. Nachdem Rudolf Steiner Methodik und Forschungs-Richtung klargelegthat, zeigte er den Vermittler auf, mit dem das Geistig-bersinnliche das

    Physisch-Sinnliche in seiner Dynamik, Rhythmik und Metamorphosegestaltet: die Bildekrfte. Die Phnomene der Reinkarnation, um die es sichhier im Besonderen handelt, sind Phnomene der Metamorphose desKrperlichen durch das Geistige, sie sind deshalb, wie im Folgenden gezeigtwerden wird, ein Spezialgebiet des Wirkens der Bildekrfte, und zwar imMenschen. Fr ein Studium der allgemeinen Bildekrftelehre sei auf diediesbezglichen Werke Rudolf Steiners und die beiden Ausarbeitungen desVerfassers verwiesen. (Die therischen Bildekrfte in Kosmos, Erde und

    Mensch, und Die therische Welt in Wissenschaft, Kunst und Religion,Philos.-anthrop. Verlag, Dornach.) Im Folgenden handelt es sich, wiegesagt, um deren spezielle Wirksamkeit in den Lebenserscheinungen desMenschen.

    Rudolf Steiner betrachtet den menschlichen Organismus nicht nur inseinen sinnlichwahrnehmbaren physischen Komponenten, die ja nur ein wenn auch sehr wichtiges Teilgebiet desselben darstellen, sondern ererforschte auch die innere Dynamik und deren Ursachen. Er zeigte auf

    Grund dieser Forschung, da der Organismus primr ein Kraftsystemist,in das sich die physischen Substanzen erst einlagern. Er sagt: Dahermssen wir in diesen Kraftsystemen, welche die physische Materie an denverschiedenen Stellen des Organismus sich einlagern, einen bersinnlichenOrganismus sehen, der in sich differenziert ist und in den verschiedenstenWeisen die physische Materie sich eingliedert. ... Durch diese Einlagerungder physischen Materie in das bersinnliche Kraftsystem wird das Organerst zu einem physischen.

    Dieses Kraftsystem, das wie gesagt mit Krften arbeitet, die von denin der bisherigen Physik beschriebenen wesentlich verschieden sind, mitKrften, die eben vor allein im lebendigen Organismus auftreten, nennt erden Bildekrfteleib. In seiner Terminologie nennt er es auch oft dentherischen oder therleib, wobei von vornherein nicht an denhypothetischen ther der Physik gedacht ist, sondern ein mit eigenenGesetzen ausgestattetes Bildekrfte-System der lebenden Organismenbezeichnet ist (s. therische Bildekrfte). (23) Weiterhin betont er, um

    alle Miverstndnisse zu vermeiden, ausdrcklich: So aufsteigen zu dertherisch-lebendigen Wesenheit des Menschen, wie es hier geschildert wird,

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    29/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    27

    ist etwas wesentlich anderes, als das unwissenschaftliche Behaupten einerLebenskraft, das noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts blich war, umdie lebendigen Krper zu erklren. Hier handelt es sich um das wirkliche

    Anschauen um das geistige Wahrnehmen eines Wesenhaften, das imMenschen wie in allem Lebendigen ebenso vorhanden ist wie der physischeLeib. Und um dieses Anschauen zu bewirken, wird nicht etwa inunbestimmter Art mit dem gewhnlichen Denken weitergedacht; es wirdauch nicht durch die Einbildungskraft eine andere Welt ersonnen; es wirdvielmehr das menschliche Erkennen in ganz exakter Art erweitert, und dieseErweiterung ergibt auch die Erfahrung ber eine erweiterte Welt.

    Whrend Sir James Jeans, von den Gegebenheiten der heutigen Physik

    ausgehend, zwar das Postulat aufstellt, da es uns gelingen msse, zuerforschen, wie das Geistige zum Schpfer und Beherrscher des Reichesder Materie wird, zeigt Rudolf Steiner nun konkret die innereVerbundenheit des Gedankenlebens des Menschen mit den Bildekrften undOrgan-Prozessen des menschlichen Organismus. Es ist eine derfundamentalsten Entdeckungen Rudolf Steiners, da wir die gleichenBildekrfte fr Bewutseins- und vitale Prozesse verwenden, nur inverschiedener Funktion und Metamorphose. Er sagt: Der Mensch denkt in

    denselben Krften mit denen er wchst und lebt.Diese Bildekrfte bernehmen im Laufe des Erdenlebens die

    verschiedensten Funktionen: Diese im therleibe wirksamen Krftebettigen sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens am deutlichstenwhrend der Embryonalzeit als Gestaltungs- und Wachstumskrfte. ImVerlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Krfte von derBettigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkrfte, eben jeneKrfte, die fr das gewhnliche Bewutsein die schattenhafte Gedankenwelt

    hervorbringen. Es ist von der allergrten Bedeutung, zu wissen, da diegewhnlichen Denkkrfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs-und Wachstumskrfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichenOrganismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheintdann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft. Und diese Denkkraftist nur ein Tei1 der im therischen webenden menschlichen Gestaltungs-und Wachstumskraft. (24) Der andere Tei1 bleibt seiner im menschlichenLebensbeginne innegehabten Aufgabe getreu. Nur weil der Mensch, wenn

    seine Gestaltung und sein Wachstum vorgerckt, d. h. bis zu einemgewissen Grade abgeschlossen sind, sich noch weiter entwickelt, kann das

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    30/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    28

    therisch-Geistige, das im Organismus webt und lebt, im weiteren Lebenals Denkkraft auftreten. So offenbart sich der geistigen Anschauung diebildsame (plastische) Kraft als ein therisch-Geistiges von der einen Seite,

    das von der anderen Seite als der Seelen-Inhalt des Denkens auftritt.Es ist hier notwendig, das Wirken dieser Bildekrfte in ihrenverschiedenen Funktionen und Metamorphosen ausfhrlich zu behandeln,weil dies dann fr ein Verstndnis auch der Reinkarnations-Phnomene vonfundamentaler Wichtigkeit ist.

    Diese Bildekrfte, welche sich einerseits in den Funktionen desWachstums, der vitalen Prozesse berhaupt bettigen, dienen andererseits

    nicht nur als Basis des Gedankenlebens, sondern sind auch in dieGedchtnisvorgnge verwoben. Die Bildekrfte des Menschen sind ja keineEigenschpfung des menschlichen Organismus, sie sind auch imauermenschlichen Kosmos schpferisch, plastisch ttig, sie bernehmennur im Mikrokosmos des menschlichen Organismus gewisse besondereAufgaben, wodurch sich eben die speziellen Funktionen des Menschenergeben. Rudolf Steiner sagt: In. der Erinnerungsfhigkeit des Menschenlebt das persnliche Abbild einer kosmischen Kraft. Diese kosmische Kraft

    ist aber auch gegenwrtig noch ttig. Sie wirkt als Wachstumskraft, alsbelebender Impuls im Hintergrunde des Menschenlebens. Da wirkt sie mitihrem greren Anteile. Sie sondert nur einen kleinen Teil von sich ab, derals Ttigkeit in die Bewutseinsseele eintritt. Da wirkt er alsErinnerungskraft.

    Hierbei zeigt sich nun konkret, wie geistige Impulse und KrfteKosmos, Erde und Mensch gestalten, beim Menschen aber zur Basis werdenfr eine individuelle Entwickelung im irdischen Lebenslauf. Denn ganzverschiedenartig ist die Verwendung dieser Bildekrfte am Anfang, imembryonalen Zustande, anders in der Jugend des Menschen und im spterenLebenslauf. Aus Rudolf Steiners Forschung ergibt sich hierbei dasFolgende: Wir knnen fragen: Wo sind denn die Krfte des therischenLeibes des Menschen in der ersten Lebensepoche? Sie sind whrend dieserZeit gebunden an den physischen Leib, sind in seiner Ernhrung und inseinem Wachstum beschftigt. Das Kind ist in dieser ersten Epoche andersals spter. Die gesamten Krfte des therischen Leibes sind da an denphysischen Leib gebunden; sie werden mit dem Ablauf der ersten Epochezum Teil frei, wie die Wrme in den Substanzen frei wird, die vorher

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    31/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    29

    gebunden war. (25) Was aber tritt damit ein? Nur ein Teil des therischenLeibes wirkt nach dem Zahnwechsel im Wachstum und in denErnhrungskrften; der andere Teil wird frei und wird nun der Trger des

    sich ausbildenden intensiveren Gedchtnisses, des Seelenhaften. Wir ms-sen sprechen lernen von der gebundenen Seele fr die Zeit der erstensieben Lebensjahre, und von der freigewordenen Seele fr die Zeit nachdem siebten Jahre. Denn so ist es; was wir als Seelenkrfte in den zweitensieben Lebensjahren anwenden das ist in den ersten sieben Lebensjahrengebunden an den physischen Leib, unwahrnehmbar. Daher tritt es nichtphysisch hervor. Wie die Seele in den ersten sieben Lebensjahren wirkt, dasmu man dem Leib abschauen. Und erst vom Zahnwechsel an kann man in

    das Seelische hinein. Das ist eine Betrachtungsweise, die unmittelbar vonder Physik sogar in die Psychologie hineinfhrt.

    Es wurde bereits der manchmal vorgebrachte Einwand besprochen, daunser heutiges Gedchtnis ja nicht in frhere Erdenleben zurckreicht, unddarauf hingewiesen, da es ja auch sonst viele Gedchtnisvorgnge gibt, dienicht ins Bewutsein des Menschen herauftauchen. Es mu nun aberdarber hinausgehend betont werden, da wir ja nicht einmal im Erdenlebenzwischen Geburt und Tod mit unseren Gedchtniskrften bewut bis zur

    Geburt zurckreichen, da unsere Rckerinnerung sogar die erstenLebensjahre nicht mit umfat. Wir erinnern uns spter vielleicht inAusnahmefllen einzelner weniger Vorgnge in den ersten 3 bis 4 Jahren,aber die vielen Erlebnisse der ersten Lebensjahre nach der Geburt sind frunser Erinnerungsvermgen im allgemeinen in tiefes Dunkel gehllt. Wirverwenden eben gerade in diesen ersten Entwickelungsjahren fast unseregesamten Bildekrfte vor allem fr die, vitalen Prozesse, Wachstum,Organgestaltung und Aufbau unseres Krpers, und metamorphosieren erst

    spter einen Teil dieser Krfte in solche, die den Gedchtnisprozessendienen, oder sondern spter wiederum einen anderen Teil ab, der dann alsBasis unserer immer umfangreicher werdenden Bewutseinsvorgnge dient.

    Rudolf Steiner sagt hierzu: * Gedchtniskraft, die imGeistig-Seelischen wirkt, ist nichts anderes als umgewandelte,metamorphosierte Wachstumskraft, und Wachsen,Ernhrungskrfte-Entwickeln ist auf einem anderen Niveau ganz dasselbe,wie Gedchtnisbilden, Erinnerungen bilden auf einem hheren Niveau. Es

    ist diese1be Kraft, nur in verschiedener Metamorphose. Schematischvorgestellt, kann man sagen: In den ersten Lebensjahren des Kindes sind

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    32/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    30

    beide Krfte noch durcheinander gemischt, sind noch nicht geschieden; dannsondert sich spter das Gedchtnis als eine besondere Fhigkeit aus demUngeschiedenen heraus, und die Wachstums- und Ernhrungsfhigkeit

    ebenfalls. (26) Weil das Kind in den ersten Jahren seine Gedchtniskrftenoch dazu braucht, um seinen Magen zu versorgen und die Milch zuverdauen etc., kann man sich an nichts erinnern; wenn es dann spter seineGedchtniskraft nicht mehr dazu braucht, dem Magen zu dienen, wenn derMagen weniger Ansprche macht und nur wenig Krfte zurckbehlt, dannwird ein Teil der Wachstumskrfte seelisches Gedchtnis,Erinnerungskraft. Und ber die Folgen falscher Erziehung durch nichtgengende Bercksichtigung dieser inneren Dynamik des Kindes, sagt

    Rudolf Steiner: Hat man nun in der Schule vielleicht dadurch, da dieanderen Kinder robuster sind, also eine richtigere Verteilung vonGedchtniskraft und Wachstumskraft in sich tragen, vielleicht weniger aufein Kind gerechnet, das nicht so viel Fonds in dieser Beziehung hat, dannkann es sehr leicht sein, da man die Erinnerungskraft bei ihm ber1astet;dann ist die emanzipierte Erinnerungskraft bei diesem Kinde zu starkengagiert. Dann wird der Wachstumskraft, die gleichartig mit ihr ist, zu vielentzogen. Das Kind wird bla, und ich mu mir in meiner Seele sagen: Ich

    habe dich mit dem Gedchtnis zu stark angestrengt; dadurch bist du blageworden. Man kann dann sehr leicht bemerken: wenn man dieses Kind inbezug auf die Gedchtniskraft und das Erinnerungsvermgen entlasten wird,dann wird es von selbst wieder Farbe bekommen. Aber man mu verstehen,wie das Blawerden zusammenhngt mit dem, was man selbst erst getanhat, indem man das Kind mit Erinnerungen berlastet hat. Hierin zeigt sichbereits das intime Ineinanderverwobensein von Bewutseins- bzw.Gedchtnisvorgngen mit den Bildekrften und organischen

    Lebensprozessen des Menschen.Bewutseinsprozesse bedeuten immer einen Verbrauch vonBildekrften, die dadurch den vitalen Prozessen entzogen werden. Dieseelementare Erkenntnis der inneren Dynamik des Menschen kann nicht zuder Schlufolgerung fhren, da wir deshalb etwa generell die Bewutseins-Prozesse den vitalen Vorgngen zuliebe einschrnken mten, denn dasWesen des Menschen beruht ja vor allem im spteren Leben gerade auf derSteigerung der Bewutseinsfunktionen, im Gegensatz zur Pflanze, die ganz

    den vitalen Prozessen hingegeben ist. Aber es macht uns aufmerksam aufeines der Urphnomene der geistigen Entwickelung, da nmlich geistige

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    33/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    31

    Ttigkeit einen, wenn auch oft geringen Abbau bei den leiblichen Prozessenvoraussetzt. (27) Deshalb schaltet ja die Natur des Menschen jeneDiskontinuitt des Bewutseins im Rhythmus von Wachen und Schlafen

    ein. Steigerung der geistigen Entwickelung setzt also genaue Kenntnis derBildekrfte-Organisation des Menschen und deren Bemeisterung durchErkraftung und geregelten Ausgleich voraus. Es ist ein Naturgesetz, dasprieendes Leben, wenn es berwiegt, geistige Wachheit beeintrchtigt.Rudolf Steiner sagt hierzu: Der Geist entfaltet sich innerhalb derMenschenwesenheit nicht auf der Grundlage aufbauender Stoffttigkeit,sondern auf derjenigen abbauender. Wo im Menschen Geist wirken soll, damu der Stoff sich von seiner Ttigkeit zurckziehen. Schon die

    Entstehung des Denkens innerhalb des therischen Leibes beruht nicht aufeiner Fortsetzung des therischen Wesens, sondern auf einem Abbaudesselben. Das bewute Denken geschieht nicht in Vorgngen desGestaltens und Wachstums, sondern in solchen der Endgestaltung und desWelkens, Absterbens, die fortdauernd dem therischen Gescheheneingegliedert sind.

    Daher weist der Mensch in seinem Lebenslauf in krperlicher Hinsichteine aufbauende und eine abbauende Entwickelungskurve auf (nheres s.

    Kap. V). Die Bildekrfte bernehmen vor allem in der zweiten Lebenshlfteeine andere Funktion, whrend sie in den ersten Lebensepochen vor allemdem Wachstum, dem Aufbau des Leiblichen dienen: (Im Folgenden sindZitate Rudolf Steiners durch * gekennzeichnet.) * Der Mensch erfhrt biszu einem gewissen Jahr ungefhr eine aufsteigende Entwickelung. Dannhrt sein Wachstum auf, bleibt stille eine Zeitlang, dann geht es zurck. Mit diesem gesamten Lebenslauf des Menschen hngt es zusammen, da derMensch im Beginn seines Lebens am meisten auf naturgeme,

    elementarische Art in seinem ganzen Leiblichen zusammenhngt mit demGeistigen. Der Mensch ist man knnte sagen gerade umgekehrtkonstituiert beim Lebensbeginn, als er konstitutiert ist, wenn er in derLebensmitte im Hhepunkt der aufsteigenden Entwickelung angelangt ist. Inder ersten Zeit seines Lebens wchst der Mensch, gedeiht, nimmt zu; dannfngt er an, in eine absteigende Entwickelung einzutreten. Das hngt damitzusammen, da dann die physischen Krfte des Menschen in sich selbernicht mehr Wachstumskrfte sind, sondern da sich diesen

    Wachstumskrften auch Verfallskrfte zumischen.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    34/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    32

    Es mu weiterhin betont werden, da solange der Mensch zwischenGeburt und Tod in einer physisch-krperlichen Organisation lebt, es frseine geistige Entwickelung nur hinderlich wre, wenn er alle leiblichen

    Funktionen mit seinem Bewutsein durchdringen mte. Wir wrden zukeiner eigenen, schpferischen Bewutseinsentwickelung kommen knnen,wenn wir alle inneren Wachstums-, Ernhrungs-, Verdauungs-, undsonstigen Stoffwechselvorgnge stndig mit unserem Bewutsein begleitenmten. (28) Ja, diese Vorgnge verlaufen auch ihrerseits dadurch vielweiser und sinngemer, da wir mit unserer ungeordneten Gedanken- undWillenskraft nicht in diese Regionen des Organismus hineintauchen undhineinpfuschen knnen. Gerade in den ersten entscheidenden

    Entwickelungsstadien der Kindheit ist es wichtig, da die ueren Eindrckenicht zu sehr durch ein noch chaotisches, unentwickeltes Gedanken- undVorstellungsleben hindurchgehen mssen, das den in jener Zeit zunchstviel wichtigeren Aufbau der inneren Organisation nur stren wrde. RudolfSteiner sagt: * Es gibt eine Zeit im menschlichen Leben, wo solcheEindrcke, die so lebendig auf die menschliche Organisation wirken undkeine Erinnerungsfhigkeit haben, in besonders reichem Mae erlebtwerden. In der ganzen Zeit von der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, an dem die

    Erinnerung beginnt, sind unzhlige reiche Eindrcke dieser Art auf denMenschen gemacht worden, welche alle im Menschen drinnen sitzen undauch in dieser Zeit den Menschen verndert haben. Sie wirken ebenso wiedie bewuten Eindrcke; aber ihnen steht, besonders wenn sie vergessensind, nichts entgegen von dem, was sich sonst einordnet in das Seelenlebenals bewute Vorstellungen und dadurch gleichsam einen Damm bildet. Unddiese unbewuten Eindrcke dringen am allertiefsten.

    Es ist hierbei zu beachten, welche Bedeutung auch dem

    Vergessen-knnen des Menschen innewohnt. * Das Vergessen ist keinbloer Mangel fr den Menschen, sondern etwas, was zu den wohltuendstenDingen im Menschenleben gehrt. Wrde der Mensch nur das Gedchtnisentwickeln, und wrde alles in dem Gedchtnis bleiben, was auf ihn einenEindruck macht, dann wrde ja sein therleib immer mehr zu tragen haben,wrde immer reicheren Inhalt bekommen, aber er wrde gleichzeitiginnerlich immer mehr und mehr verdorren. Da er entwickelungsfhig wird,das verdankt er dem Vergessen.

    Rudolf Steiner beschftigt sich nun mit den neuen Funktionen derBildekrfte im spteren Leben, er weist auf die Tatsache hin, da der

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    35/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    33

    Mensch von einem bestimmten Zeitpunkte seiner Entwickelung angewissermaen physisch ausgewachsen ist; da dann sein Geistig-Seelischesaufhrt in Abhngigkeit zu sein von dem Wachstum und von der

    Entwickelung der leiblichen Organe, die ja aufgehrt hat; da dann seinGeistig-Seelisches sich frei und selbstndig entwickelt.

    Wir haben es also mit folgenden Vorgngen im lebendigen Organismusdes Menschen zu tun:

    In der Embryonalzeit und der ersten Jugend fungieren fast alle demOrganismus zur Verfgung stehenden Bildekrfte als Wachstums- undAufbaukrfte. (29)

    Dann sondert sich ein Teil derselben ab und metamorphosiert sich zum

    Wirken im Bereich der Erinnerungskrfte.Ein anderer Teil der Bildekrfte sondert sich ab und dient nunmehr als

    Basis fr die stndig zunehmenden Bewutseins-Vorgnge, dieDenk-Prozesse.

    Da der Mensch gleich von Anfang an die Fhigkeit mitbringt, gewisse,zunchst sehr begrenzte Bewutseinsvorgnge schon in der ersten Kindheitentwickeln zu knnen, da er so der Erziehung zugnglich ist und nicht wie

    die Pflanze alle Krfte zum vegetativen Leben verwendet, beruht darauf, dabei ihm schon bei der Geburt gewisse, wenn auch zunchst noch geringeTeile des Bildekrfteleibes, des therleibes, doch schon von denleiblichen Organen frei sind. Rudolf Steiner betonte diesen bedeutsamenUnterschied von Mensch und Pflanze, da der therleib der Pflanze in

    jedem Falle eine bestimmte innere Gesetzmigkeit hat, die abgeschlossenist, die sich von Samen zu Samen hindurchentwickelt und die einenbestimmten Kreis hat, ber den nicht hinausgegangen werden kann. Anders

    ist es beim therleib des Menschen. Da ist es so, da auer demjenigen Teildes therleibes, der verwendet wird auf das Wachstum, auf dieselbeEntwickelung, die der Mensch auch in gewissen Grenzen eingeschlossenhat, wie die Pflanze, da auer diesem Teil sozusagen noch ein anderer Teilim therleibe ist, der frei auftritt, der von vornherein keine Verwendung hat,wenn wir nicht dem Menschen in der Erziehung allerlei beibringen, dermenschlichen Seele allerlei herbeifhren, was dann dieser freie Teil destherleibes verarbeitet. So ist also wirklich ein durch die Natur selbst nicht

    verbrauchter Teildes therleibes im Menschen vorhanden. Diesen Teil destherleibes bewahrt sich der Mensch; er verwendet ihn nicht zum

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    36/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    34

    Wachstum, nicht zu seiner natrlichen organischen Entwickelung, sondernbehlt ihn als etwas Freies in sich, durch das er die Vorstellungen, die durchdie Erziehung in ihn hineinkommen, aufnehmen kann.

    Eine grundlegende Wesens-Verschiedenheit von Mensch und Pflanzeberuht also darauf, da beim Menschen der therleib doch noch etwasganz anderes ist, als bei der Pflanze. Der Pflanze fehlt dieses freie Glied destherleibes, das den Menschen weiterentwickelt; und da der Mensch einsolches freies Glied des therleibes hat, darauf beruht, im Grundegenommen, die ganze Entwickelung des Menschen.

    Der Anteil des Bewutseins am Verbrauch der Bildekrfte ist aber eben inden ersten Lebensjahren noch sehr gering. (30) Auer dein oben erwhnten

    sehr kleinen Bereich freier Bildekrfte, ist die Summe aller anderen zurVerfgung stehenden Kraftsysteme ganz dem Aufbau des Organismushingegeben.* Das Kind hat noch nicht aus den allgemeinen Wachstums-(therischen) Krften die Gedankenkrfte abgesondert. Das geschieht erstim Sprechen1ernen. Da sondern sich aus den vorher vorhandenen nurallgemeinen Wachstumskrften die abstrakten Gedankenkrfte ab.

    In seinen pdagogischen Kursen und Vortrgen hat Rudolf Steiner immerwieder betont, welche entscheidenden Vernderungen sich im Kinde bei

    solchen Entwicklungsstufen wie Zahnwechsel, Geschlechtsreife usw.vollziehen. In dieser Hinsicht mu auf die zahlreiche pdagogische Literaturverwiesen werden. Hier haben wir es ja nicht mit der pdagogischen Seitedieser Vorgnge, sondern im Besonderen mit der inneren Dynamik desmenschlichen Lebenslaufes zu tun. ber die ersten Metamorphosen derBildekrfte sagt Rudolf Steiner: Man sehe auf das Kind hin. Es entwickeltum das siebente Lebensjahr herum seine zweiten Zhne. DieseEntwickelung ist nicht das Werk blo des Zeitabschnittes um das siebente

    Jahr herum. Sie ist ein Geschehen, das mit der Embryonalentwickelungbeginnt und im zweiten Zahnen nur den Abschlu findet. Es waren immerschon Krfte in dem kindlichen Organismus ttig, welche auf einer gewissenStufe der Entwickelung die zweiten Zhne zur Entwickelung bringen. DieseKrfte offenbaren sich in dieser Art in den folgenden Lebensabschnittennicht mehr. Weitere Zahnbildungen finden nicht statt. Aber dieentsprechenden Krfte haben sich nicht verloren; sie wirken weiter; siehaben sich blo umgewande1t. Sie haben eine Metamorphose

    durchgemacht. Es finden sich noch andere Krfte im kindlichenOrganismus, die in hnlicher Art eine Metamorphose durchmachen.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    37/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    35

    Betrachtet man in dieser Art den kindlichen Organismus in seinerEntfaltung, so kommt man darauf, da die Krfte, um die es sich da handelt,vor dem Zahnwechsel in dem physischen Organismus ttig sind. Sie sind

    untergetaucht in die Ernhrungs- und Wachstumsprozesse. Sie leben inungetrennter Einheit mit dem Krperlichen. Um das siebente Lebensjahrherum machen sie sich von dem Krper unabhngig. Sie leben als see1ischeKrfte weiter. Wir finden sie in dem lteren Kinde, ttig im Fhlen, imDenken. Die Anthroposophie zeigt, wie dem physischen Organismus desMenschen ein therischer eingegliedert ist. Dieser therische Organismus istbis zum siebenten Lebensjahre in seiner ganzen Ausdehnung im physischenOrganismus ttig. In diesem Lebensabschnitte wird ein Teil des therischen

    Organismus frei von der unmittelbaren Bettigung am physischenOrganismus. (31) Er erlangt eine gewisse Selbstndigkeit. Mit dieser wird erauch ein selbstndiger, von dem physischen Organismus unabhngigerTrger des seelischen Lebens. Da sich aber das seelische Erleben nur mitHilfe dieses therischen Organismus im Erdendasein entfalten kann, sosteckt das Seelische vor dem siebenten Lebensjahre ganz in demKrperlichen darinnen.

    Denkttigkeit des Menschen setzt also voraus eine Metamorphose und

    ein Freiwerden gewisser Teile des therleibes, des Bildekrfteleibes, vonleiblichen Funktionen.

    Diese Erkenntnis ist fr die Methodik der geistigen Entwickelung und frein Verstndnis der Reinkarnations-Phnomene von grter Bedeutung.

    Der Mensch kann nun, sobald ihm im spteren Leben immer mehr undmehr Bildekrfte zu Bewutseinsprozessen zur Verfgung stehen, diesenicht nur als naturgegebene verwenden, er kann darber hinaus methodischderen Wirksamkeit verstrken und konzentrieren.

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    38/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    36

    b) Steigerung der Entwickelung durch Stauung,Umkehrung und Polaritt.

    Wir hatten schon darauf hingewiesen, da jede Bewutseins- undDenkttigkeit einen Verbrauch von Bildekrften bedingt. Nur durch einFreiwerden von Bildekrften, nur durch ein Zurckstauen der reinphysiologischen Ttigkeit ist dies mglich. Damit der Geist ttig sein kann,mu der vitale Proze, - wenn auch oft in nur geringem Mae - zerstrtwerden, absterben. Das Leben des Menschen auf Erden besteht im gesundenAusgleich, im Equilibrium dieser Funktionen.

    Goethe formuliert es einmal so: Die sogenannte Gesundheit kann nur im

    Gleichgewicht entgegengesetzter Krfte bestehen. Und Novalis sagt inseinen Fragmenten: Sinn und Kraft sind in einer bestimmten Sphre polar.Was jenen erhht, vermindert diese, und was diese vermehrt, stumpft jenenab.

    Rudolf Steiner begrndet diese Tatsache nun konkret aus den von ihmerforschten Bildekrfte-Funktionen: In der Kopforganisation vollzieht sichwhrend des Wachzustandes eine zweifache Ttigkeit; eine aufbauendedurch den therischen Organismus und eine abbauende, das ist eine solche,

    welche die physische Organisation zerstrt. ... (32) Denn in demersterbenden Leben der Kopforganisation liegt dasjenige, was geeignet wird,die Seelen-Ttigkeit als Gedanken Erleben zu reflektieren. Eine zum Lebendrngende organisch-sprossende Ttigkeit kann kein Gedankenwebenhervorbringen... Die organischsprossende Ttigkeit dmpft dasGedankenweben zur Betubung oder Bewutlosigkeit herab. U. a. O.: DasNormale ist, da unser Haupt im Wachprozesse schwcher genhrt wirddurch die inneren Vorgnge, als der brige Organismus, und nur dadurch

    knnen wir wach sein und vorstellen. Deshalb ist es auch vice versa fr diemeisten Menschen schwieriger, zum Beispiel nach dem Essen, wo der vitalePol besonders aktiv ist, klar zu denken.

    Das Haupt des Menschen als Zentrum seiner Bewutseins- undDenkttigkeit ist also vom rein vitalen Standpunkt aus eine Rckbildung.Rudolf Steiner betont nun die groe Tragweite dieser Tatsache fr diegesamte Entwickelungslehre: Dadurch da das Haupt rckgebildet ist, dadie Entwickelung nicht gradlinig fortschreitet, sondern sich zurcknimmt im

    Haupte, sich zurckstaut, dadurch ist Platz geschaffen fr die seelisch-geistige Entwickelung des Menschen. Diejenigen Naturforscher, welche die

  • 7/31/2019 DIE REINKARNATION DES MENSCHEN ALS PHNOMEN DER METAMORPHOSE - Dr. Gnther Wachsmuth

    39/343

    Dr. Gnter Wachsmuth Die Reinkarnation des Menschen als Phnomen derMetamorphose

    37

    Ansicht vertreten, des Menschen seelisch-geistiges Leben sei nur einErgebnis seiner physischen Organisation, die verstehen ihre eigeneNaturwissenschaft nicht richtig. Sie verstehen nicht, da es fr den

    Menschen notwendig ist, damit er sein Geistig-Seelisches zum Daseinbringen kann, da die physische Organisation nicht sprot und spiet,sondern da sie sich zurckzieht. Sie flaut ab, sie staut sich ab, macht Platzder geistig-seelischen Entwickelung. Wo der Mensch am meistenGeistig-Seelisches entwickelt, da zieht sich die physische Entwickelungzurck. Die menschliche Organisation ist also gleichsam ein Stau-Apparatzugunsten des Geistig-Seelischen. Bei Pflanze und Tier tritt vitalen Prozessein diesem Sinne nicht ein, weil ein Freiwerden von Krften fr eine

    Denkttigkeit nicht erforderlich ist. Deshalb bildet das Tier seine leiblichenOrgane im Laufe des Lebens und der Entwickelung meist viel weiter aus, alsder Mensch, Dr. H. Poppelbaum hat in seinem ausgezeichneten WerkMensch und Tier, (Verlag Rud. Geering, Basel, 1933.) dessen Lektrehier sehr empfohlen sei, die grundlegenden Unterschiede im Tempo und derEntwickelungsrichtung der leiblichen Organbildung bei Mensch und Tier imeinzelnen berzeugend aufgezeigt. Das Stauungs-Phnomen, das Stehen--Bleiben des Menschen in gewissen Anfangsstadien des Werdens, gerade um

    nicht ganz im Physischen aufzugehen, sondern Krfte fr Ich, Geist undBewutsein aufzusparen, dies alles wird aus den konkreten Ergebnissen derEmbryologie, Anatomie, Morphologie, Palontologie usw. belegt: (33) DerTierkopf ist das fortentwickelte, das Menschenhaupt das zurckgebliebeneGebilde. ... Und das Gehirn, die wichtigste Grundlage des Aufstieges, hat es sich denn nicht ber die Tiere hinausentwickelt? Wohl, aber nichtindem es die Tierform weiterbildete, sondern indem es die embryonalenVerhltnisse der letzten Monate besser bewahrt, als irgendein Tier. ...

    Haupt und Hirn de