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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein · Form. Pro Weibchen werden bis zu 40 Eier...
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InvaProtect – Nachhaltiger Pflanzenschutz gegen invasive Schaderreger im Obst- und Weinbau
Diese Publikation wurde im Rahmen des Projekts InvaProtect „Nachhal-
tiger Pflanzenschutz gegen invasive Schaderreger im Obst- und Weinbau“
veröffentlicht.
1 Einführung
Der Klimawandel und der weltweit zunehmende Warenver-
kehr begünstigen die Ausbreitung neuer invasiver Schaderreger
auch im Oberrheingraben. Dazu gehört auch die Rote Austern-
förmige Schildlaus (= Rote Austernschildlaus Epidiaspis leperii).
1.1 Bedeutung der Roten Austernförmigen Schildlaus
Die Rote Austernschildlaus wird mittlerweile in Mittel-
und Süddeutschland und vor allem am Oberrhein in vielen
Zwetschen- und Mirabellenanlagen (Abb. 1 und 2) und zum
Teil auch in verschiedenen Birnenanlagen festgestellt. Im Elsass
gab es 2010 einen Nachweis in einer jungen Mirabellenanlage.
Regelmäßige Beobachtungen in den Jahren 2016 und 2017
haben bisher mindestens einen weiteren positiven Fund im
Elsass bei Colmar ergeben.
Aus der Nordschweiz wurden bislang keine Funde gemeldet,
jedoch besteht hier ausgehend aus der Süd-schweiz vor allem
in Flußtälern bereits seit den 1960ern eine feste Population der
Roten Austernschildlaus.
Starker Befall der Bäume führt zum Absterben von Zweigen
bzw. ganzen Bäumen, zu reduziertem Wachstum und zu Gum-
Die Rote Austernförmige Schildlaus am OberrheinLeitfaden zur Bedeutung, Verbreitung, Biologie, Erfassung und
Monitoring sowie Bekämpfung
Abb. 1: Mit Austernschildläusen befallener Mirabellenbaum
Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Abb. 2: Männliche weiße stäbchenförmige Austernschildläuse
Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
mifluss (Abb. 3 und 4). An Apfel, Kirsche und Strauchbeeren
wurde im Oberrheingebiet bislang noch kein Befall festgestellt.
1.2 Verbreitung
2008 wurde diese invasive Schildlausart erstmals an Mirabel-
len im Oberrheingraben (Pfalz und Rheinhessen) nachgewiesen,
später dann auch zunehmend in den badischen Anbaugebieten.
Seit 2010 tritt sie in den genannten Anbauregionen zunehmend
auch an Zwetschen (z. B. Sorten Cacaks und Presenta) auf.
Seit 2015 findet man zudem Befall an Birnen (z. B Sorten
Williams und Concorde).
Mittlerweile hat der Schädling sich mit Ausnahme des fran-
zösischen Teils (mit Ausnahme einzelner Nachweise) sowie der
Nordschweiz im gesamten Rheingraben mit seinem warmen
Weinbauklima ausgebreitet.
In Abb. 5 sind die bisherigen Nachweise der Roten Austern-
schildlaus im Oberrheingraben dargestellt. Diese Verbreitungs-
Abb. 4: Rotfärbung des Holzes durch starken Befall auf der Rinde
Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Abb. 3: Abgestorbener Mirabellenbaum
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 5: Nachweise der Roten Austernschildlaus und ihrer natürli-
chen Gegenspieler im Oberrheingraben (Stand Sept. 2018 )
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
karte wird permanent bei Auftreten neuer Funde aktualisiert
(siehe auch Hinweis zu weiteren Informationen auf S. 10) und
ist online unter https://www.isip.de/isip/servlet/isip-de/info/
karten/epidiaspis-leperii und http://www.ltz-bw.de/pb/,Lde/
Startseite/Ueber+uns/Publikationen+und+Ergebnisse zu finden .
2 Biologie der Roten Austernförmigen Schildlaus
2.1 Wirtspflanzen der Roten Austernförmigen Schildlaus
Die Schildlaus ist mit vielen verschiedenen Wirtspflanzen
sehr polyphag. Sie befällt vor allem Gehölze aus der Familie
der Rosengewächse (Rosaceaen), aber auch viele andere Ge-
hölzpflanzen in Wäldern oder an Waldrändern sowie in Hecken,
z. B. Walnuss (Juglans) oder Weißdorn (Crataegus). Betroffen
sind am Oberrheingraben im Obstbau Mirabelle, Zwetsche,
Birne und Pfirsich. Bisher wurde noch kein Befall an Kirsche
sowie nur vereinzelter Befall an Apfel beobachtet.
2.2 Lebensweise und Biologie
Die Rote Austernförmige Schildlaus durchläuft nur eine
Generation/Jahr. Sie überwintert als erwachsenes (adultes)
Weibchen. Das ergaben die im Rahmen des Projekts ‚Inva-
Protect‘ durchgeführten Untersuchungen im Oberrheingraben
(DLR Rheinpfalz in Neustadt und Oppenheim). Ab Ende April/
Anfang Mai legen die Weibchen unter ihren Schilden die Eier
ab. Ab Mitte/Ende Mai schlüpfen die Larven und besiedeln vor
allem den Stammbereich der Bäume und Gehölze, aber auch
neue Triebe und Astpartien. Ab Mitte/Ende Juni setzen sich
diese sogenannten Wanderlarven (Crawler) fest, verursachen
krustenartige Beläge auf den Trieben und beginnen mit der
Schildbildung. Ungeflügelte adulte Männchen findet man ab
Anfang Juli, ab Ende Juli treten zunehmend die überwinternden
Weibchen auf (Abb. 6).
Es ist davon auszugehen, dass auch bei der Roten Aus-
ternschildlaus die Verbreitung in Obstanlagen und größeren
Arealen hauptsächlich über die Windverfrachtung der Wan-
derlarven (Abb. 7) erfolgt. Nach den bisherigen Erfahrungen
an Birnen verbreitet sie sich nicht so schnell wie die Maul-
beerschildlaus.
Abb. 6: Entwicklungszyklus Rote Austernschildlaus (Epidiaspis leperii) (Quelle: Douglass R. Miller et. al.; modifiziert nach den Erhebungen
im Oberrheingebiet, Dahlbender, DLR Oppenheim)
Abb. 7: Wanderlarven (Crawler) der Roten Austernschildlaus
Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
Abb. 8: Ungeflügelte Weibchen
Foto: Klaus Schrameyer
Abb. 11: Versteckt sitzende Weibchen unter Mirabellenrinde
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 10: Dunkelrot bis violett gefärbte ungeflügelte Weibchen
Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Abb. 12: Stäbchenförmige weiße Schilde der männlichen Roten
Austernschildlaus Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Abb. 9: Ungeflügelte Weibchen
Foto: Dahlbender, Hensel/DLR Rheinpfalz
Abb. 13: Massenanhäufungen auf dem Holz der männlichen Roten
Austernschildlaus Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
Abb. 14: Eigelege der Roten Austernschildlaus
Foto: Olaf Zimmermann/LTZ Augustenberg
2.3 Die verschiedenen Stadien der Roten Austernschildlaus
Die ungeflügelten Weibchen sitzen sehr versteckt unter einer
Art Kruste im Rindenbereich und sind an der typisch roten
Farbe von anderen Austernschildlausarten zu unterscheiden.
Sie sind 1,4–1,8 mm groß und haben eine ovale bis rundliche
Form (Abb. 8 bis 10). Die versteckt sitzenden Weibchen sind
das ganze Jahr über zu finden (Abb. 11).
Die männlichen Schildläuse sind flügellos, haben ein stäb-
chenförmiges weißes Schild und sitzen auf der Rinde. Bei
starkem Besatz fallen sie als weißlicher Überzug auf der Rinde
ins Auge (Abb. 12). Die jungen männlichen Schildläuse sind
oft in Massenanhäufungen auf dem Holz anzutreffen (Abb. 13).
Sie sind vor allem im Juli/August zu beobachten!
Die unter den Schilden abgelegten Eier (Abb. 14) sind
rötlich durchscheinend gefärbt und von ovaler bis länglicher
Form. Pro Weibchen werden bis zu 40 Eier abgelegt.
Die Wanderlarven (Crawler) der Roten Austernschildlaus
sind flach, oval, blass-gelblich gefärbt und sehr mobil (Abb. 7).
Sie sind von Mai bis Juli auf dem Holz zu finden.
3 Überwachungs und Monitoringmaßnahmen
Durch eine regelmäßige Kontrolle der Obstanlage sollte
sichergestellt werden, ob Befall vorliegt oder nicht. Alter Befall
mit leeren Schilden sollte von Befall an den neuen Austrieben
unterschieden werden. Dazu sollten Astproben geschnitten
und an den Pflanzenschutzdienst weitergeleitet werden, wenn
selbst keine visuelle Kontrolle erfolgen kann. Dieses präven-
tive Monitoring ist für eine Ausbreitungsüberwachung sowie
Bekämpfung der Schildläuse von größter Bedeutung. Über
die aktuelle Verbreitungskarte kann festgestellt werden, ob
die Rote Austernförmige Schildlaus in der Region vorkommt.
Diese liegen bei der regionalen Pflanzenschutzberatung vor
und werden von den Pflanzenschutzdiensten aktualisiert und
publiziert. Für die überregionale Erfassung des Auftretens von
invasiven Schildläusen steht der Pflanzenschutzberatung die
Monitoring-APP von ISIP zur Verfügung.
Das Auftreten von Männchen, Weibchen und Wanderlarven
der Roten Austernschidllaus kann am Baum und im Bestand nur
sehr schwer visuell überwacht werden. Hilfreich ist eine min-
destens 15-fach vergrößernde Lupe. Während die männlichen
Schildläuse auf dem Holz insbesondere bei Massenauftreten
noch sehr gut zu erkennnen sind, muss man die verkrustete
Rinde aufkratzen oder mit einem scharfen Messer abschälen,
um die weiblichen Tiere zu finden. Bei geringerer Anzahl
männlicher Tiere sind auch diese schwer zu erkennen, da sie
oft unter einem filzartigen Moos- oder Flechtenüberzug sitzen.
3.1 Befallssymptome
Nachfolgende Fotos und Hinweise dienen als Hilfestellung
zum Erkennen des Schadbildes (Abb. 15 bis 23). Im Verdachts-
fall kann die zuständige Pflanzenschutzberatung hinzugezogen
werden.
Weitere Indizien für möglichen Befall durch die Rote Aus-
ternschildlaus können sein: verkrustete Stämme und Leitäste
sind wie mit „grau-weißem Filz“ überzogen (Abb. 15 bis 19).
Unter diesem filzartigen Überzug auf der Rinde sitzen die
männlichen Schildläuse, darunter unter der verkrusteten Rinde
die Weibchen (Abb. 20 und 21).
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
Abb. 17 und 18: „Grau-weißer Filz“ auf Ästen Fotos: Dahlbender, Hensel/DLR Rheinpfalz, Wahl/DLR Rheinpfalz
Abb. 19: „Grau-weißer Filz“ durch Hüllen geschlüpfter männlicher
Schildläuse mit dem Schädling Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Stark befallene Bäume und Äste vergreisen und sterben ab
(Abb. 22). Die Rinde reißt auf (Abb. 23), das Holz darunter
zeigt massive rot-braune Verfärbungen (Abb. 2). Bei massivem
Befall tritt Gummifluss auf.
4 Regulierungs und Bekämpfungsmöglichkeiten
Die Bekämpfung der Roten Austernschildlaus ist wie bei der
Maulbeerschildlaus sehr schwierig, da die erwachsenen (adulten)
weiblichen Schildläuse versteckt unter der verkrusteten Rinde
leben (vgl. Abb. 11 und 21).
Abb. 15 und 16: Absterbende oder abgestorbene verkrustete Zweige und Astpartien können auf Befall durch die Rote Austernförmige
Schildlaus hinweisen. Fotos: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
Abb. 20: Männliche erwachsene Schildläuse am Stamm (mit Lupe
gut erkennbar), bei Massenansammlungen auch mit dem bloßen
Auge zu sehen. Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Abb. 21: Weibliche adulte Schildläuse unter stark verkrusteter
Rinde, Rinde mit scharfem Messer abschälen
Foto: Uwe Harzer/DLR Rheinpfalz
Abb. 22: Zwetschenanlage mit massiven Ausfallerscheinungen Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Abb. 23: Rindenrisse durch Befall mit Roter Austernschildlaus
Foto: Werner Dahlbender/DLR Rheinpfalz
Bei der Bekämpfung stehen nicht-chemische Maßnahmen
im Vordergrund, die nachfolgend beschrieben werden. Voraus-
setzung für eine erfolgreiche Bekämpfung ist das rechtzeitige
Erkennen des Befalls durch den Schädling (vgl. Abschnitt 2
und 3). Je früher ein Befall erkannt wird, desto effektiver kön-
nen die Gegenmaßnahmen (z.B. geringerer Aufwand, besseres
Nützlings-Schädlings-Verhältnis) sein und desto geringer fällt
ein Verlust durch Schnittmaßnahmen aus.
4.1 Abstrahlen der Bäume
Die mechanische Beseitigung des Schildlausbefalls durch
das Abstrahlen der Bäume während der Vegetationsruhe vor
dem Austrieb (siehe Leitfaden zur Maulbeerschildlaus) wurde
für die Rote Austernschildlaus noch nicht getestet. Es ist jedoch
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
davon auszugehen, dass diese Maßnahme nicht so effektiv ist
wie bei der Maulbeerschildlaus. Während die Weibchen bei
der Maulbeerschildlaus größtenteils unter den männlichen
Schilden, aber auf der Rinde sitzen, leben die weiblichen Tiere
der Roten Austernschildlaus versteckt unter der Rinde. Daher
sind sie vermutlich durch einen Hochdruckwasserstrahl nicht
oder nur eingeschränkt erreichbar.
4.2 Abschneiden und Roden
Die wichtigste Gegenmaßnahme ist zweifelsfrei das Weg-
schneiden befallener Äste und Zweige (Abb. 24 und 25) ebenfalls
während der Vegetationsruhe vor dem Austrieb. Bei massivem
Befall ist oft das Roden der Bäume unumgänglich. Dieses
mechanische Beseitigen und Verbrennen von Befallsmaterial
wird nach wie vor vorrangig empfohlen, wenn keine Parasitie-
rung vorliegt.
Sobald jedoch eine Parasitierung des Schädlings durch natür-
liche Gegenspieler vorliegt, ist dringend von einer Verbrennung
abzusehen (s. nachfolg. Abschn. zu natürlichen Gegenspielern).
Bei Parasitierung mit natürlichen Gegenspielern sollten die zwi-
schen Februar und März nach der Überwinterung der Nützlinge
geschnittenen Äste in den Anlagen verbleiben.
Da befallene Bäume und Sträucher bei Vorhandensein
geflügelter Stadien Infektionsquellen für andere Pflanzen sind
und sich die Schildlaus von diesen aus im Bestand ausbreiten
kann, sollten Sanierungsmaßnahmen sofort nach Erkennen des
Befalls durchgeführt werden. Insbesondere vor der Schlupf-
periode der Crawler sollte starker Befall ausgeräumt sein (ab
Mitte Mai, siehe Abb. 6 zum Entwicklungszyklus der Roten
Austernschildlaus). Bei dem o.g. rechtzeitigen Schnitt bis
März ist in den Anlagen nach bisherigen Erfahrungen mit der
Maulbeerschildlaus nicht von einem Aufwandern auf weitere
Wirtspflanzen auszugehen, da noch keine beweglichen Stadien
vorhanden sind.
4.3 Schädlingsregulation durch Ansiedlung, Schonung und Förderung natürlicher Gegenspieler
Im Rahmen des INTERREG V Oberrhein-Projektes „InvaP-
rotect – Nachhaltiger Pflanzenschutz gegen invasive Schaderreger
im Obst- und Weinbau“ wird seit 2016 am DLR Rheinpfalz in
Zusammenarbeit mit französischen und Schweizer Partnern
und dem Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ)
Augustenberg nach natürlich vorkommenden Gegenspielern
der Roten Austernschildlaus am Oberrhein gesucht.
In Schildlausproben aus der Pfalz und aus Rheinhessen
(von Birne, Zwetsche, Mirabelle) konnten vor allem Aphytis-
Arten (Abb. 26) gefunden werden, die noch näher bestimmt
werden müssen. Ähnliche Funde gab es auch aus dem gesamten
badischen Anbaugebiet.
Abb. 24 und 25: Rodungsmaßnahmen in von Roter Austernschildlaus befallenen alten Mirabellenanlagen Fotos: Wahl/DLR Rheinpfalz
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
Weitere im Projekt nachgewiesene Gegenspieler der Roten
Austernschildlaus sind:
• Thomsonisca amathus (Encyrtidae)
• Lestodiplosis diaspidis (räuberische Gallmücke)
• Dentifibula viburni (räuberische Gallmücke)
Die ermittelten Parasitierungsraten lagen z.B. bei den Rhein-
land-Pfälzischen Proben zwischen 1,2 % und 8,7 % und sind
damit nicht so hoch wie bei der Maulbeerschildlaus. Eventuell
spielt hier ebenfalls die versteckte Lebensweise der Schildläuse
unter der verkrusteten Rinde eine Rolle.
Zur Förderung der natürlichen Gegenspieler und zum
Erhalt vorhandener Nützlingspopulationen wird empfohlen,
geschnittenes Befallsmaterial (Zweige, Äste, ggf. auch aus
anderen Befallsanlagen) unter den Bäumen zu belassen und
nicht zu mulchen. Damit ist gewährleistet, dass von diesem
Befallsmaterial ausgehend eine Wiederbesiedlung z.B. durch
parasitische Wespen und räuberische Gallmückenarten auf die
Bäume gesichert ist. Erfolgt der Schnitt in der Winterruhe und
vor dem Austrieb, besteht durch das Fehlen beweglicher Stadien
des Schädlings nach den bisherigen Erkenntnissen kein vom
Schnittgut ausgehendes Befallsrisiko weiterer Pflanzen oder
Pflanzenteile in der Kultur.
Gegenspieler von Schildläusen treten bereits natürlich auf.
Sie sind flugfähig und wandern mit den Schildläusen von Befall
zu Befall. Neben heimischen Arten treten inzwischen nördlich
der Alpen Nützlinge auf, die zur biologischen Bekämpfung z.B.
in Italien freigesetzt wurden („klassischer biologischer Pflanzen-
schutz“). Durch diese zusätzliche Etablierung von natürlichen
Gegenspielern werden flächendeckender Effekte erzielt, die zur
Reduktion von Befall beitragen und die Bekämpfungskosten
langfristig senken könnten. Neben den Schlupfwespen spielen
auch räuberische Gallmücken und Marienkäfer (Nierenfleckiger
und Strichfleckiger Kugelmarienkäfer und Deckelschildlaus-
Kugelkäfer) eine Rolle bei der natürlichen Regulation des
Schädlings.
Erste Tastversuche am LTZ Augustenberg mit der Maulbeer-
schildlaus haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, Nützlingspopula-
tionen aktiv zu fördern. Dazu wird Schnittgut aus Anlagen mit
höherem Anteil an Schildlaus-Nützlingen in befallene Anlagen
übertragen. Dadurch können ggf. die Gegenspieler langfristig
etabliert und die Parasitierungs- und Prädationsrate gesteigert
und somit der Befall reduziert werden. Der Rückschnitt sollte
am besten im Frühjahr Mitte Februar bis März nach der Über-
winterung der Nützlinge erfolgen.
Die Astbündel können lose in der Anlage verteilt oder
z.B. in Eimer mit Löchern als Schlupfkäfige verbracht werden
(Abb. 27). Durch diese Maßnahme als Routineeingriff kann in
der Obstanlage das Gleichgewicht zwischen den Schädlingen
und Nützlingen mittelfristig zu Gunsten der natürlichen Ge-
Abb. 26: Aphytis sp.
Foto: Zimmermann, Rauleder/LTZ Augustenberg
Abb. 27: Schlupfeimer für Gegenspieler der Maulbeerschildlaus
Foto: Rauleder/LTZ Augustenberg
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
genspieler verschoben werden. Diese Maßnahme ist ggf. auch
auf die Rote Austernschildlaus übertragbar.
Die Entfernung/das Häckseln des Schnittgutes sollte Anfang
Juni erfolgen, nachdem die Nützlinge das Altholz verlassen
haben, um die Ausbreitung von ggf. auftretenden Holzkrank-
heiten zu vermeiden.
Durch die Ausnutzung natürlicher Gegenspieler kann bei
ausreichendem Nützlingsbesatz der Massenvermehrung der
Schildläuse entgegengewirkt werden. Durch die Vermeidung
oder die Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflan-
zenschutzmittel werden neben der Förderung der Nützlinge in
den Obstanlagen auch Nebenwirkungen auf weitere Nichtziel-
organismen in- und außerhalb der Kulturen verhindert. Der
verringerte Eintrag von Pflanzenschutzmitteln trägt zudem zur
Schonung von Boden und Wasser und der entsprechenden
Ökosysteme bei.
4.4 Einsatz von Insektiziden
Die Zulassung chemisch-synthetischer Insektizide ist
für jedes Land separat zu prüfen. Chemisch-synthetische
Insektizide sollten bei entsprechender Zulassungssituation
nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, wenn ande-
re Maßnahmen nicht ausreichend wirken. Dabei ist darauf
zu achten, dass eine Bekämpfung gezielt nur auf die emp-
findlichsten Stadien, d.h. auf die Wanderlarven (siehe u.s.
Versuchsbeschreibungen) ausgerichtet ist. Dies bedarf einer
genauen und regelmäßigen Überwachung der Anlagen und
der phänologischen Entwicklung der Schildlaus. Insektizide
aus dem ökologischen Anbau sind nicht wirksam und zulässig
gegen die Rote Austernschildlaus.
Nachfolgend werden Versuche zur Wirksamkeit verschie-
dener Insektizide vorgestellt. Der Einsatz ist nur möglich,
wenn ein Mittel zugelassen ist. Nur bei gezieltem Einsatz
weitgehend nützlingsschonender Insektizide, wie z.B. Moven-
to (Spirotetramat), sind nachhaltige negative Auswirkungen
auf die Naturräume auszuschließen. Dies sollte unbedingt
beachtet werden. Die Zulässigkeit des Einsatzes und des
genauen Einsatzzeitpunktes ist für jedes Partnerland des
Oberrheingebietes über die nationale Zulassungssituation
in jedem Fall abzuklären.
Versuche am DLR Rheinpfalz in Oppenheim mit verschiede-
nen chemisch-syntehtischen Insektiziden, mit Applikationen auf
die adulten Tiere haben gezeigt, dass die männlichen Schildläuse
zwar zum größten Teil absterben, die weiblichen Tiere allerdings
die Insektizidbehandlungen weitestgehend überleben, so dass
eine dauerhafte Regulierung des Befalls nicht möglich ist.
Am empfindlichsten gegenüber chemisch-synthetischen
Insektiziden sind die Wanderlarven (Crawler). Allerdings kön-
nen diese je nach Witterung über mehrere Wochen schlüpfen
und umherwandern. Zudem liegt der Bekämpfungszeitraum
von Mitte Mai bis Ende Juli in der Regel im rückstands-
relevanten Bereich (siehe Abb. 6 Lebenszyklus der Roten
Austernschildlaus).
Nach den Versuchen am DLR Rheinpfalz in Oppenheim
gegen die Wanderlarven der Roten Austernschildlaus hatte
Spirotetramat eine gute Wirkung auf die Larven dieser schwer
bekämpfbaren invasiven Art.
Andere sowohl in der Schweiz, Frankreich und in Deutsch-
land gegen andere Schaderreger zugelassene Insektizide mit
einer Nebenwirkung auf Napfschildläuse, zu denen die Rote
Austernschildlaus gehört, (z.B. Confidor (Imidacloprid), Ca-
lypso (Thiacloprid) oder Envidor (Spirodiclofen) haben in den
beschriebenen Versuchen nicht ausreichend gewirkt.
Zur Kontrolle der Schildläuse sollten nur Maßnahmen er-
griffen werden, die eine natürliche Regulierung des Schädlings
nicht beeinträchtigen.
Pflanzenschutzmaßnahmen mit chemisch-synthetischen
Pflanzenschutzmitteln sind entweder nicht zulässig oder haben
durch die Biologie und das zeitliche Auftreten des Schädlings
keine ausreichende Wirkung. Außerdem können sich bei dem
vermehrten Einsatz der Mittel erhebliche Nebenwirkungen
auf die natürlichen Gegenspieler der Schildläuse ergeben,
wodurch sie in der Entwicklung gestört werden oder sogar
absterben. Dadurch wird unbeabsichtigt der Schildlausbefall
oft erst gefördert. Nicht fachgerechte Bekämpfungsmaßnahmen
können durch die Reduktion der Gegenspieler nicht nur der
Schildläuse, sondern auch der natürlichen Gegenspieler von
anderen Obstschädlingen zusätzlich negative Folgekosten
verursachen.
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Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
Weitere Informationen
• www.ltz-bw.de (> ueber uns > invaprotect),
• www.dlr.rlp.de (> aktuelles > invaprotect) sowie unter
• www.fredon-alsace.fr (> actualites > projet-invaprotect-
protection-durable-des-vegetaux-contre-les-bioagresseurs-
invasifs-dans-les-vergers-et-les-vignes)
Die Rote Austernförmige Schildlaus am Oberrhein
IMPRESSUM
Herausgeber:
• Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (LTZ), Neßlerstr. 25, 76227 Karlsruhe,
Tel.: 0721/9468-0, Fax: 0721/9468-209, E-Mail: [email protected], www.ltz-augustenberg.de
• Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Breitenweg 71, 67435 Neustadt a. d. Weinstraße,
Tel: 06321/671-0, Fax: 06321/671-390, E-Mail: [email protected], www.dlr-rheinpfalz.rlp.de
• FREDON Alsace (Fédération Régionale de Défense contre les Organismes Nuisibles), 12 rue Galliéni, 67600 Selestat,
Tel.: 0388821807, E-Mail: [email protected]
Redaktion: U. Harzer, W. Dahlbender, J. Sauter (DLR); K. Köppler, H. Rauleder, O. Zimmermann (LTZ); S. Frey (FREDON Alsace)
Layout: Jörg Jenrich November 2018