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3 DIE SCHULE VON MORGEN HEUTE GESTALTEN Im Mittelpunkt aller Bemühungen in unseren Schulen steht das Lernen der Schülerinnen und Schüler. Lernen ist etwas Lebendiges und Fließen- des und bedarf einer Kultur, die Bewährtes und Neues mischt. Gesellschaftliche Veränderungen im Bereich der Familienstrukturen, die Entwicklung multi- kultureller Gesellschaften, aber auch die Auswir- kungen des technologischen Wandels und struk- turelle Veränderungen im Wirtschaftsleben stellen die geänderten Rahmenbedingungen des Auf- wachsens vieler Kinder und Jugendlicher dar. Neu- es Sozialverhalten und neues Lernverhalten be- deuten Herausforderungen, denen sich unsere Schulen mit ständiger Weiterentwicklung stellen müssen. Das Schulmodell „Neue Mittelschule im Schulverbund Graz-West“ stellt sich seit zehn Jah- ren diesen Herausforderungen. Hier wurden die Möglichkeiten der Schulautonomie genutzt und ein individuelles Profil entwickelt. Die Bereitschaft zur Öffnung der Schule und des Unterrichts sowohl nach innen - flexible Zeitsrukturen, Vielfalt an Methoden - als auch nach außen - Kooperation mit dem schulischen Umfeld, Verantwortung für die Gestaltung des pädagogischen und schulischen Lebens - sind künftige Aufgabenstellungen für alle unsere Schulen. Das Motto der Festschrift „Chancen für Kinder - Chancen für Schulen“ sehe ich in engem Zusam- menhang mit dem Wirken und den Erfolgen einer Schule. Wenn sich Schulen und ihre Lehrerinnen und Leh- rer als lernende Organisationen begreifen, wie dies am Beispiel des Schulverbunds geschieht, dann eröffnen sich nicht nur Chancen für die beteilig- ten Standorte - dann sind die Lehrkräfte auch Förderer und Partner der Kinder und Jugendlichen und bereiten sie so auf eine chancenreiche Zu- kunft vor. Ich danke allen Lehrerinnen und Lehrern und der gesamten Schulgemeinschaft für die engagierte Bildungsarbeit. Elisabeth Gehrer Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer | GRUSSWORTE

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DIE SCHULE VON MORGEN HEUTE GESTALTEN

Im Mittelpunkt aller Bemühungen in unserenSchulen steht das Lernen der Schülerinnen undSchüler. Lernen ist etwas Lebendiges und Fließen-des und bedarf einer Kultur, die Bewährtes undNeues mischt.

Gesellschaftliche Veränderungen im Bereich derFamilienstrukturen, die Entwicklung multi-kultureller Gesellschaften, aber auch die Auswir-kungen des technologischen Wandels und struk-turelle Veränderungen im Wirtschaftsleben stellendie geänderten Rahmenbedingungen des Auf-wachsens vieler Kinder und Jugendlicher dar. Neu-es Sozialverhalten und neues Lernverhalten be-deuten Herausforderungen, denen sich unsereSchulen mit ständiger Weiterentwicklung stellenmüssen.

Das Schulmodell „Neue Mittelschule imSchulverbund Graz-West“ stellt sich seit zehn Jah-ren diesen Herausforderungen. Hier wurden dieMöglichkeiten der Schulautonomie genutzt und einindividuelles Profil entwickelt. Die Bereitschaft zurÖffnung der Schule und des Unterrichts sowohlnach innen - flexible Zeitsrukturen, Vielfalt anMethoden - als auch nach außen - Kooperation mitdem schulischen Umfeld, Verantwortung für dieGestaltung des pädagogischen und schulischenLebens - sind künftige Aufgabenstellungen für alleunsere Schulen.

Das Motto der Festschrift „Chancen für Kinder -Chancen für Schulen“ sehe ich in engem Zusam-menhang mit dem Wirken und den Erfolgen einerSchule.

Wenn sich Schulen und ihre Lehrerinnen und Leh-rer als lernende Organisationen begreifen, wie diesam Beispiel des Schulverbunds geschieht, dann

eröffnen sich nicht nur Chancen für die beteilig-ten Standorte - dann sind die Lehrkräfte auchFörderer und Partner der Kinder und Jugendlichenund bereiten sie so auf eine chancenreiche Zu-kunft vor.

Ich danke allen Lehrerinnen und Lehrern und dergesamten Schulgemeinschaft für die engagierteBildungsarbeit.

Elisabeth GehrerBundesministerin für Bildung, Wissenschaft und

Kultur

Elisabeth Gehrer | GRUSSWORTE

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V O R W O RT D E S L A N D E S H A U P T M A N N S

Der Schulverband Graz-West ist ein Meilensteinsteirischer Schulentwicklung.

Seit zehn Jahren praktizieren an den fünf Schu-len des Verbunds HauptschullehrerInnen undAHS-LehrerInnen gemeinsam eine bildungspoliti-sche Idee, die Kindern besondereEntwicklungschancen gewährt.Die engagierten LehrerInnen unterrichten und be-treuen SchülerInnen unterschiedlichster sozialerHerkunft und mit unterschiedlichsten Begabun-gen. Ihre Überzeugung ist es, dass Kinder ambesten gemeinsam gefördert und gefordert wer-den können. Das Schulmodell der “Neuen Mittel-schule im Verbund” setzt auf die gemeinschaftli-che Erziehung aller Kinder bis zum 14. Lebensjahr,um ihnen eine gute Grundlage für ihre weiterenBildungs- oder Berufswege mitzugeben. EineChance, die viele Eltern für ihre Kinder schätzenund wahrnehmen.

Viele Schülerinnen und Schüler haben im letztenJahrzehnt die Verbundschulen Algersdorf, KarlMorre, Puntigam, Straßgang undKlusemannstraße absolviert und dort das Rüst-zeug für ihre Zukunft erworben. Neben den fach-lichen Qualitäten, die unsere Kinder dort mitneh-men, werden sie auch gestärkt in ihrerPersönlichkeitsentwicklung und imGemeinschaftssinn. Sie üben und lernen im Teammit anderen zusammenzuarbeiten, unternehme-risch zu denken, Probleme zu lösen und sinnvollzu handeln. Das sind Werte und Fertigkeiten, dieim Berufsleben einen immer höheren Stellenwertgewinnen.

Als Landeshauptmann der Steiermark bin ich stolzauf die fünf Schulen des Schulverbandes Graz-West. Ich danke den Lehrerinnen und Lehrern fürihren Einsatz und wünsche alles Gute für die Zu-kunft.

Waltraud KlasnicLandeshauptmann der Steiermark

VORWORT | Waltraud Klasnic

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V O R W O RT D E S B Ü R G E R M E I S T E R S

10 Jahre Schulverbund Graz-West rechtfertigt dieWürdigung eines Schulmodells, das einerseitsneue pädagogische Maßstäbe setzte und wohlauch in Zukunft setzen wird, und das andererseitsdem Prinzip erhöhter Durchlässigkeit zwischenverschiedenen Schultypen neue Im- pulse gab.

Zu den wesentlichsten Voraussetzungen gehörtein der Konzeptphase für das Projekt Schulverbunddie Bereitschaft der im Westen unserer Stadt ge-legenen „Neuen Mittelschulen“ Algersdorf, KarlMorre, Puntigam und Straßgang ein kooperativesBildungs- und Leistungsan- gebot mit der NeuenMittelschule und dem BG/BRG Klusemannstraßezu entwickeln und umzusetzen.

Dieses Schulverbundmodell ist bemüht, die indi-viduellen Begabungen, Interessen, Neigungen undEntwicklungsphasen eines Kindes besser auszu-loten, um damit den chancenreichsten Bildungs-weg bzw .eine Berufsausbildung zu eröffnen. Da-mit werden auch die Interessen der Eltern ange-sprochen, die zurecht für ihre Kinder ein schuli-sches Bildungsangebot erwarten, das auf die In-dividualität und Persönlichkeitsstruktur des Kindesbestmöglich eingeht.

Der Schulverbund Graz-West - nach einem langenkreativen und interdisziplinärenEntwicklungsprozess konzipiert und durchgesetztvon engagierten und veränderungswilligen Päd-agoginnen und Pädagogen - ist aus der heutigenGrazer Schullandschaft nicht mehr weg zudenken.Der einstige Schulversuch hat sich im Sinne einerneuen Offenheit für die Bildungslauf- bahn jungerMenschen nicht nur bewährt, sondern er hat vorallem auch mit seiner Autonomen Oberstufe biszur Matura Lernziele wie Teamfähigkeit, Eigenver-antwortung, soziales Handeln, Kornrnunikations-und Konfliktfähigkeit usw. formuliert, die durchihre Lebensnähe wichtige Fähigkeiten entwickelnhelfen sollen.

Ich danke den Lehrkräften an allen im Schul-verbund beteiligten Schulen für ihren Einsatz undfür ihre Bereitschaft, eine Schule zu gestalten, diefür mehr Chancengleichheit und damit für mehrBildungsgerechtigkeit steht.

Dem Schulverbund Graz- West alle guten Wün-sche fiir die Zukunft!

Mit freundlichen Grüßen

Alfred StinglBürgermeister der Landeshauptstadt Graz

Alfred Stingl | VORWORT

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6 DIE FÜNF SCHULEN DES SCHULVERBUNDS GRAZ - WEST

NMS ALGERSDORF -PÄDAGOGISCHER ECKPFEILER IM NORDEN DES SCHULVERBUNDS

Hubert König

Vor 10 Jahren startete das SchulmodellSchulverbund Graz/West mit dem Anspruch, al-len Kindern der Großregion des Grazer Westensein Bildungsangebot im Altersbereich der 10- bis14-jährigen anzubieten, das auf Förderung indi-vidueller Begabungen und Interessens-schwerpunkte abzielt.

Unser Start in das Schulmodell konnte auf derBasis gewonnener “Team-Teaching-Erfahrung” (2Jahre Schulversuch “Binnendifferenzierte Mittel-stufe”), gut vorbereitet erfolgen.

In den Teamfindungsprozess konnten zudem sehrfrüh und in prominenter Anzahl AHS-KollegInnenintegriert werden. Wir hatten von Anfang an diesehr förderliche Situation neben unserer Partner-schule Klusemannstraße der Schulstandort mit

dem “höchsten” AHS-LeherInnen-Anteil zu sein!Der gemeinsame Unterricht von AHS- und HS-LehrerInnen in der Form des Team-Teachings aufder Basis des AHS-Lehrplanes ermöglicht das Er-reichen von Realgymnasiums- und/oder Gymna-siums-Zeugnissen in der 4.Klasse.

Vieles wurde in diesen 10 Jahren autonom anunserem Schulstandort entwickelt und aufgebaut.

Ein Schwerpunkt dabei war die Entwicklungschuldemokratischer Basisstrukturen:Im Schülerrat, einem spannenden Instrumenta-rium für Schüler-Feedback, gestalten SchülerIn-nen aus allen Klassen mit den gewähltenVertrauenslehrerInnen das Schulleben mit.Die Steuergruppe, bestehend aus von denLehrerInnen gewählten SchulstufensprecherIn-

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Der Lehrkörper Algersdorf | 1.REIHE: Sonja Rantschnig, Mag.Dagmar Niederdorfer, Therese Minnich,Hubert König, Irmgard

Klammer, Elisabeth 2.REIHE: Ingrid Auer, Mag.Karin Bergmann, Annemarie Freidl, Dorine Ferk, Mag.Elisabeth Görsdorf, Eike

Weberhofer, Mag.Brigitte Pelzmann, Rita Ecker, Mag.Ingrid Kanzler, Inez Fritsch, Hannes Wiedenhofer, Mag.Hildegard König,

Mag.Karin Hanselmayer, Eduard Kußmann, Renate Brunlechner,Simone Tybery, Eduard Wretschitsch

3.REIHE: Gerhard Schaffer, Sabine Kölldorfer, Christine Danda, Peter Hörtner, Wolfgang Zettinig, Andrea Watzinger

nen, dem Pädagogischen Standortkoordinator, so-wie den Vertrauens-lehrerInnen des Schülerrates,leistet als Be-ratungsgremium der Schulleitungwertvolle Schulorganisationsarbeit.Ein weiteres, für die Akzeptanz unseres Schul-standortes enorm wichtiges Ergebnis autonomerSchulentwicklungsarbeit sind attraktive Schwer-punktbildungen:

Das Schuljahr 1999/2000 brachte den erfolgrei-chen Einstieg in den Informatikschwerpunkt. DieSchule ist ECDL-Prüfungscenter, SchülerInnen derSchwerpunktklassen können im Rahmen ihrerSchwerpunktausbildung Module des Europäischen

Computer Führerscheins erwerben.In das 2. Jahrzehnt des Schulmodells starten wir imkommenden Schuljahr mit der SchwerpunktklasseBallett/Musical auf der Basis eines Schulversuchesmit 42 Ballettausbildungsstunden im Laufe eines 4-jährigen Ausbildungsganges, wobei die Hälfte derSchwerpunktstunden aus der autonomen Stunden-tafel abgedeckt werden.

Mit dieser exemplarischen Darstellung sei doku-mentiert, dass außerordentliches Engagement vonLehrerInnen im Rahmen von Schulentwicklung undpädagogischer Umsetzung eine besondere QualitätUNSERES Schulstandortes ist.

Hubert König | NMS ALGERSDORF

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8 DIE FÜNF SCHULEN DES SCHULVERBUNDS GRAZ - WEST

NMS KARL MORRÉ-FRISCHER WIND IM ALTEN GEMÄUER

Das traditionsreiche Gebäude der Karl Morre-Schule liegt im Herzen des Bezirkes Eggenberg.Alteingesessenen Eggenbergern ist das Gebäudebestens bekannt, doch nicht jeder weiß, dass ausder “alten” Hauptschule in den letzten Jahren dieNeue Mittelschule Karl Morre als Teil desSchulverbundes Graz-West entstanden ist.

Wie in den anderen Verbundschulen wird auch hierauf den Einsatz von lern- und motivations-fördernden Arbeitsformen, auf Projekte,Teamteaching und offenes Lernen Wert gelegt undsomit das Lernen lebendiger und abwechslungs-reicher gestaltet.

Der Verbundstandort in der Karl-Morre-Straßekann darüber hinaus mit einigen Besonderheitenaufwarten. Die überschaubare Größe sorgt für

eine familiäre Atmosphäre, in der man einandergut kennt, die geringen Klassenschülerzahlen(durchschnittlich 20 - 25) garantieren im Zwei-lehrersystem die optimale Betreuung jedes einzel-nen Kindes. Derzeit unterrichten an unserer Schu-le 22 Lehrer und Lehrerinnen 175 Schüler undSchülerinnen in7 Klassen.

Eine gezielte Schwerpunktsetzung kommt unter-schiedlichen Interessen und Bedürfnissen entge-gen:- Textverarbeitung/Informatik- Sprachen- Berufsorientierung

Um Schüler und Schülerinnen mit dem Rüstzeugfür ein neues Jahrtausend auszustatten, wurde

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mit Beginn des letzten Schuljahres ein brandneu-er Computerraum eingerichtet. Die installiertenGeräte ermöglichen nicht nur einen lehrplan-gerechten Unterricht in Informatik sowie in denanderen Gegenständen, sondern erlauben durchdas Surfen im Internet auch den unbeschränktenZugriff auf das aktuelle Wissen der Welt. JederSchüler hat einen eigenen Computerarbeitsplatzund kann nach Wunsch von der 1. bis zur 4. Klas-se den Gegenstand Textverarbeitung/Informatikbelegen.Ab der 3. Klasse besteht die Möglichkeit, einezweite Fremdsprache zu erlernen.Besonderes Augenmerk wird an der NMS KarlMorre der Berufsorientierung geschenkt. Währendder 3. und 4. Klasse erhalten die Schüler undSchülerinnen Information über verschiedene Be-rufe. Sie nehmen an Informationstagen am

Wirtschaftsförderungsinstitut teil und lernen dortLehrberufe praktisch kennen. Den Höhepunkt bil-det sicherlich die Möglichkeit, im abschließendenJahr an zwei “Schnupperwochen” teilzunehmen, umsich ein Bild von der Berufswelt machen zu können.

Seit dem Schuljahr 2000/2001 wird an der NMSKarl Morre auch eine Nachmittagsbetreuung ange-boten, die von Lehrern und Lehrerinnen der eige-nen Schule durchgeführt wird, um eine möglichsthohe Qualität und Kontinuität zu gewährleisten.

Was das alte Gemäuer betrifft, auch hier zeichnetsich nun eine Änderung ab: Seit Februar 2001 wirdbereits eifrig am Zu- und Umbau gearbeitet, undwenn alles glatt geht, wird es ab September 2002an der NMS Karl Morre einen zeitgemäßen Unter-richt in einem adäquaten Gebäude geben.

NMS KARL MORRÉ

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10DIE FÜNF SCHULEN DES SCHULVERBUNDS GRAZ - WEST

NMS BG/BRG KLUSEMANNSTRASSE-10 JAHRE SCHULVERBUND - 10 JAHRE KLUSEMANNSTRASSE

Tanja Weinberger

Die Klusemannstraße ist die jüngste der 5Verbundschulen. Jahrzehntelang haben sich diezuständigen Stadtpolitiker bemüht, der Forderungder Bevölkerung des Grazer Westens nach einemweiteren Gymnasium zum Durchbruch zu verhel-fen. Die Kinder des Grazer Westens mussten, so-fern sie nicht im Oeverseegymnasium Aufnahmefanden, weite zeitraubende Schulwege auf sichnehmen.In der Zwischenzeit nahm der Schülerrückgang anden Hauptschulen im Grazer Westen durch denTrend hin zur AHS und wegen demoskopischerEntwicklungen dramatische Formen an. Die ern-ste Situation der Pflichtschulen schrie geradezunach einem neuen pädagogischen und organisa-torischen Konzept. Mit dem Spatenstich zumSchulgebäude bildete sich eine Projektgruppe, diedas Konzept des Schulverbundes in einem Jahrausarbeitete.Im September 1991 war es dann soweit: Der vomArchitektenteam Andreas Fellerer und Jiri Vendl ander Industriearchitektur orientierte Bau wurdeseiner Bestimmung übergeben. 120 Zehnjährigehatten sich für die vier ersten Klassen angemel-

det. Ca. 20 hochmotivierte LehrerInnen begannenmit Elan und Pioniergeist das theoretische Konzept“Neue Mittelschule im Schulverbund” in die Pra-xis umzusetzen.

Improvisationstalent und Flexibilität waren vonNöten, zumal es große Anfangsschwierigkeiten mitder Lehrmittelausstattung gab – fehlendeSchulmöbel – keine Computer für den Informatik-unterricht – fehlende Landkarten – etc. Der Man-gel an Ausstattung wurde durch die Begeisterungder LehrerInnen etwas ganz Neues ausprobierenzu können, wett gemacht. Um den verschiedenenBegabungen und Interessen der SchülerInnengerecht werden zu können, mussten neueUnterrichtsformen und Materialien entwickelt wer-den. Erfahrungsaustausch, gemeinsame Planungund pädagogische Grundsatzdiskussionen prägtenden schulischen Alltag. Von Projekten begeister-te Kinder und Eltern sind noch heute der Lohn fürdas großartige Engagement der LehrerInnen. DemKampfgeist und der Hartnäckigkeit des damaligenLeiters Mag. Johann Stadler und der Eltern-vertreter ist es zu verdanken, dass die Schule

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heute in allen Bereichen eine gute Grundausstat-tung aufweist. Heute werden 750 SchülerInnen in25 Klassen von 84 LehrerInnen unterrichtet. Dasvon den LehrerInnen entwickelte Konzept “Auto-nome Oberstufe” mit den drei Interessens-schwerpunkten Naturwissenschaft, umfassende

sprachliche Ausbildung mit dem Schwerpunkt “In-ternationale Kommunikation” und dem österreich-weiten Unikat “Kreativzweig” bietet allenSchülerInnen des Schulverbund die Möglichkeit,an der Klusemannstraße die Reifeprüfung abzu-legen.

Tanja Weinberger | NMS BG/BRG KLUSEMANNSTRASSE

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12 DIE FÜNF SCHULEN DES SCHULVERBUNDS GRAZ - WEST

NMS PUNTIGAM

Wolfgang Schnelzer

Die Schulverbundschule Graz-Puntigam ist ein Teileines Schulzentrums am südlichen Stadtrand vonGraz. In den letzten Jahren siedelten sich hier aufden vormaligen Feldern und Äckern Industriebe-triebe an, weite Bereiche des Bezirkes Puntigambestehen aus Einfamilienhaussiedlungen.Das Schulzentrum (Verbundschule, Volksschule,Hort, Kindergarten) besteht seit 50 Jahren undwurde vor 3 Jahren vollständig renoviert.Derzeit besuchen 265 Schüler/innen und Lehrer/innen an 5 Tagen in der Woche die Schule. 10Klassenräume und vielfältige Nebenräume sind fürdie Unterrichtsarbeit bestimmt, die Lehrer/innenbereiten sich in speziell eingerichteten Stufen-teamarbeitsräumen auf ihren Unterricht vor.Die Pausen werden entweder im Pausenhof, oderauf demWiesengelände oder im Schulhaus ver-bracht. Für die Jause sorgt jeweils eine Klasse, diean einem Stand in der Aula allerei Energie-bringendes verkauft. Für Feste und Feiern stehenneben dem Turnsaal und derAula auch ein Park zurVerfügung, der sein Flair aus altem Baumbestandbezieht. In diesem Park befindet sich auch die„Freiluftklasse“, in der bei Schönwetter und jenach Thema im Freien unterrichtet werden kann.

Für die Schüler/innen stehen ein gut eingerichte-ter Physiksaal, eine kleine Sachbuchbibliothek,Werkräume, ein am letzten Stand der Technikbefindlicher Computerarbeitsraum, eine großzü-gige Küche und ein großer Zeichensaal für dasLernen, Experimentieren oder/und Forschen zurVerfügung. Wir nehmen an allen angebotenenSport- und Kulturveranstaltungen teil und versu-chen auch mit Hilfe des aktiven Elternvereins fürden Bezirk Puntigam zu wirken.Das von den Lehrer/innen umgesetzteSchulmodell des Schulverbundes hat mitgeholfenviele Kinder für das Lernen in selbstgewähltenProjekten zu gewinnen und die VerbundschulePuntigam im Bezirk als Bildungseinrichtung zu ma-nifestieren.Der Leitsatz der Schule „Gestalten wir eine Schu-le mit den Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern undder Bevölkerung so, dass alle dazugehören wol-len und jede/r nach den Möglichkeiten und Kom-petenzen optimal gefördert und zu positiver Lei-stungsbereitschaft herausgefordert wird“, stelltuns jeden Tag wieder vor neue Aufgaben undÜberlegungen, wie wir an die schulischen Prozesseherangehen können.

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13Wolfgang Schnelzer | NMS PUNTIGAM

Der LehrkörperPuntigam: Maria Anderl,Getrtraud Grimm, Inge-borg Gotz, VeronikaBierbaum, Sonja Trem-peniotis, Anna-KatrinBertuleit, Silvia Hiebler,Emma Huber, HeideVölkl, Silvia Höfler, SilviaHöfler, Brigitte Hoch-hauser Petra Meixner,Ingrid Steiner, BerndMüller, Ingrid Ninaus,Gisela Nieder-kofler,Susi Willenshofer, Gün-ther Siegel, GerhardPawlata, Ingrid Ober-hoffner, Sonja Ofner,Wolfgang Schnelzer,Isolde Protmann

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NMS STRASSGANG

Nach acht Jahren als Lehrer in derKlusemannstraße bin ich seit Herbst 2000 Schul-leiter der Neuen Mittelschule Strassgang. Eine alteVilla, einst ein Mädchenpensionat der “Schul-schwestern”, wird jetzt von 170 SchülerInnen undSchülern und 30 LehrerInnen besucht. Es ist einliebevoll renoviertes Haus mit schönen Stein-treppen, vielen Winkeln und verborgenen Kabinet-ten. Im Keller kann man eine sehr geschmackvolleingerichtete Großküche mit Kleingruppen-räumen, den Medienraum, den Werksaal, denInformatikraum, die Fahrradwerkstätte und dasJausenbuffet entdecken. Verteilt auf zwei Stock-werke befinden sich neben den Klassenräumennoch das Sprachlabor, die Konferenzzimmer, dieDirektionskanzlei und die Schulbibliothek imHaupthaus. Im Zubau sind der Turnsaal, der Phy-siksaal, zwei weitere Klassenräume und der Spei-sesaal untergebracht.Besucher lernen sehr raschdie Kleinheit dieser Schule schätzen, die die Mög-

lichkeit zu vielen persönlichen Begegnungen mitSchülerInnen und LehrerInnen bietet. Die kleinenKlassen ermöglichen einen intensiven Lehrer-Schüler-Kontakt, große individuelle Zuwendungund ein differenziertes Eingehen auf jede Schüler-persönlichkeit.

Die optimale Forderung und Förderung der Kin-der und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt allunserer Bemühungen. Gemeinsamer Ausdruckdieser Anstrengungen ist die Umsetzung der Ideeder “Talentewerkstätte”. Hier können interessier-te SchülerInnen aus einer breiten Palette vonAngeboten auswählen. Der Bogen spannt sichvom Web-Design, über digitales Fotografieren,Aquarellieren, Töpfern, Schauspiel, Akrobatik,Alltagsbewältigung, Tanz und Gesang bis hin zurArbeit im Kindergarten und im Altersheim. Eskönnen positive Lernerfahrungen gesammelt wer-den, die eine ausgezeichnete Basis für lebenslan-

DIE FÜNF SCHULEN DES SCHULVERBUNDS GRAZ - WEST

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ges Lernen darstellen. Die Offenheit derLehrerInnen für Begabungen ist eine wesentlicheVorbedingung für eine optimale Entfaltung derpersönlichen Interessen und Stärken derSchülerInnen.

Die Förderung von Problemlösen, selbständigemLernen und der Einsatz vielfältiger Unterrichts-formen (vom gut strukturierten Vortrag über Ar-beit in offenen Lernformen bis zur gelungenenProjektarbeit) ist ein wichtiges Element unserergemeinsamen Schulkultur. Viele Studenten derPädagogischen Akademie in Eggenberg lernen hierden Unterricht in Integrationsklassen kennen.Zusätzlich führen wir ab nächstem Schuljahr eineIT-Klasse.

Gerne nutzen wir –vor allem am Nachmittag imvon LehrerInnen betreuten Tagesheim- unsereansprechenden, parkähnlichen Grün- und Spiel-flächen mit dem Biotop und dem Schulgarten. Diegroße Spielwiese mit den Fußballtoren und demVolleyballplatz werden ebenso gerne bevölkert wiedie Gartenlaube, wo im Schatten in Ruhe ein Buchgelesen werden kann. Diese Umgebung lädt auchdazu ein, sich mit einem Aquarellblock vors Bio-top zu setzen und die Farben fließen zu lassen oderim Winter auf den benachbarten riesigen Fußball-feldern Langzulaufen.

Leistungen erbringen und sich dabei über weiteStrecken des schulischen Lebens noch wohlfühlen,das ist unser gemeinsames Ziel.

Der Lehrkörper Strassgang: (v.l.n.r.) Margit Huber, Herbert Raber, Christina Pecht (fast nicht zu sehen), Christa Tscherner,Klaus Tasch, Waltraud Springer, Franz Schöggl, Fritz Fink, Ingrid Reich, Renate Stang, Franz Wölbitsch, Hildegard Gruber, FranzFrech, Sonja Lipp, Karin Rannegger, Irmgard Dobaj, Elfriede Schwingenschuh, Maria Teubenbacher, Monika Huber, Maritta Barbas,Sieglind Labudik. Es fehlen: Hiltraud Marko, Elisabeth Gönitzer, Barbara Pessl, Werner Posch, Hannes Rath, Fritz Schauer,Evelyn Strohmeier, Gerda Zatyko.

NMS STRASSGANG

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16DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

DAS SCHULMODELL“NEUE MITTELSCHULE IM VERBUND”Elgrid Messner, Wolfgang Schnelzer, Tanja Weinberger, Hubert König, Edgar Stauchner, Franz Frech

1. DIE ZIELE DES SCHULMODELLS

Im Westen von Graz wächst und gedeiht seit 1991der Schulverbund Graz-West. Er ist der Zusam-menschluß der vier Hauptschulen Algersdorf, KarlMorre, Puntigam und Straßgang mit der Allge-meinbildenden Höheren Schule Klusemannstraßeim gemeinsamen Schulversuch ”Neue Mittelschule(NMS) im Verbund”. Nach dem schon länger exi-stierenden Wiener Schulverbund ist dieser GrazerSchulversuch der zweite in Österreich, der dasBildungskonzept der gemeinsamen Erziehung derZehn- bis Vierzehnjährigen erprobt und somit einLösungsmodell der Mittelstufenproblematik in denstädtischen Ballungsgebieten anbietet.

Der Schulversuch ist ein bildungspolitisch lang er-kämpftes und in Österreich heute noch immer um-strittenes Modell, das versucht nach dem Ansatzder Reformpädagogik eine kindgerechte Schule zuschaffen. Es versucht auf aktuelle gesellschaftli-che Herausforderungen, bildungspolitische Ant-worten zu geben (Posch/Altrichter, 1992, 9ff.), wie- die soziale Integration durch kontinuierlichheterogene Klassenverbände, um dem fortschrei-tenden gesellschaftlichen Individualisierungs- undIsolationprozess entgegenzusteuern,- die Vermittlung von dynamischen Fähig-keiten durch einen ganzheitlichen Lern- undLeistungsbegriff, um der Komplexität gesellschaft-licher Lebensverhältnisse gerecht zu werden,- die Demokratisierung des schulischen Le-bensbereiches, weil die gesellschaftliche Tendenz,Probleme nicht mehr allein zentral lösen zu kön-nen, obwohl immer mehr großräumige Struktu-ren geschaffen werden, die Fähigkeit und Bereit-schaft des Einzelnen, an der Gestaltung des be-ruflichen, öffentlichen und privaten Umfelds mit-zuwirken, erfordert- und die Anwendung eines regional-orientierten Ansatzes von Reformpolitik, um dernotwendigen Vielfältigkeit des Bildungsangebotesim Rahmen zentraler Richtlinien zu entsprechen.

Der Schulversuch versteht sich in der Weiterent-wicklung des Glöckelschen ”Einheitsschul-“ undspäter genannten ”Gesamtschulkonzepts” als ”Bil-dungsangebot in einer Region” (Modell-beschreibung, 1994/95). Der Schultyp ”Neue Mit-telschule im Verbund” vereint in sich die Haupt-schule und die Allgemeinbildende Höhere Schu-le. Somit haben die Kinder über die Volksschulehinaus die Möglichkeit, im gleichen sozialen Ver-band von denselben Bildungschancen Gebrauch zumachen. An allen Verbundschulen werden Kinderunterschiedlicher Begabung aufgenommen und ineinem Klassenverband sowohl von AHS-LehrerInnen als auch von HauptschullehrerInnenunterrichtet. Um den SchülerInnen größtmöglicheEntwicklungschancen zu gewähren, werden siedurch Innere Differenzierung gefordert und geför-dert. Drei Jahre erhalten sie Zeugnisse der Neu-en Mittelschule und erst im vierten Jahr - ihrenindividuellen Leistungen nach - entweder ein HS-oder ein AHS-zeugnis.

Das Schulmodell geht von der Annahme aus, dassLeistungen kognitiver, sozialer und kreativer Artund Lerninteressen, Lernbereitschaft und Lern-tempo unterschiedlich sind. ErweiterteUnterrichtsformen und erweiterte Beurteilungs-formen unterstützen dies. Schülerorientierung,Öffnung der Schule und fächerübergreifendesArbeiten sollen vernetztes Denken, Eigenverant-wortlichkeit und Teamfähigkeit der SchülerInnen,sowie die Lebensnähe des Unterrichts fördern.Neue Gegenstände bilden Schwerpunkte, die fürsoziales und ökologisches Verhalten sensibilisie-ren. Die internen Organisationsstruktur der Schu-len setzt auf Teamarbeit der LehrerInnen, demo-kratische Führungsstrukturen und aktive Eltern-arbeit.

2. DIE ANGEBOTE FÜR DIE SCHÜLERINNEN

Soziale Integration als strukturelles Prinzip, ”denngemeinsames Lernen ist „wichtig für das Leben”

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Die Schüler/innen werden in heterogene Klassen-verbände zusammengefaßt, womit eine großeStreuung der Begabungen und Leistungsfähigkeitgegeben ist. Sie werden nicht nur vom Lehrergelehrt sondern lernen auch voneinander. Diegrößte Streuung und die ambitionierteste Struk-tur für die soziale Integration sind dabei wohl dieIntegrationsklassen mit physisch und psychischbehinderten Kindern, die abwechselnd an allenStandorten geführt werden.

Teamteaching zweier LehrerInnen, ”dennSchülerInnen brauchen optimale Betreuung beimindividuellen Lernen”

Um allen Kindern fördernd und fordernd gerechtwerden zu können, werden sie in einigen Fächernjeweils von zwei Lehrer/innen im Teamteachingunterrichtet. Bei diesem ”verschränkten Lehrer-einsatz” bemühen sich die Schulleiter soweit alsmöglich, jeweils eine/n AHS-Lehrer/in und eine/n Hauptschullehrer/in einzusetzen. Der Unterrichtfolgt so dem Prinzip der inneren Differenzierungim Gegensatz zur äußeren der Regelschule, die aufdie Trennung in leistungshomogene Gruppen undSchultypen setzt. Die SchülerInnen erhalten mehrZuwendung und können verstärkt individuell be-treut werden.

Transparente Formen der Leistungsfeststellung,”denn Prüfungen sollen dabei helfen, herauszufin-den was man schon kann oder noch lernen muss”

Die SchülerInnen bekommen zwar Noten, aberfestgestellt werden sie im Rahmen der innerenDifferenzierung wobei Wert auf LernzielorientierteLeistungsbeurteilung gelegt wird. Lernziel-kontrollen ersetzen so manche Schularbeit, dieLehrerInnen bemühen sich um größtmöglicheTransparenz. Die SchülerInnen erfahren genau,was sie können sollen und bekommen Gelegen-heit, selbst zu überprüfen, wo sie im eigenen Ler-

nen stehen.

Differenzierte Abschlußberechtigungen, ”dennKinder brauchen Zeit zum Entwickeln”

Die Neue Mittelschule endet mit der 4. Klasse derUnterstufe. Die SchülerInnnen erhalten beim Be-such einer der Verbundschulen die gleichen Ab-schlußberechtigungen. Dies sind von der 1. – 3.Klasse NMS-Zeugnisse und in der 4. Klasse ihrenindividuellen Leistungen entsprechend entwedereinen Hauptschulabschluß oder einen AHS- Ab-schluß (Realgymnasium oder Gymnasium). AlleKinder, die ene Maturas anstreben, können die”Autonome Oberstufe” in der Klusemannstraßeoder auch jedes andere Gymnasium besuchen.

Profilbildung durch einen neuen Fächerkanon,”denn die Zukunft erfordertspezielle Fähigkeiten”

Der Fächerkanon der NMS entspricht dem desGymnasiums, des Realgymnasiums und derHauptschule. Darüberhinaus gibt es die Fächer:

- Soziales Lernen von 1. – 4. KlasseDie Kinder lernen bewußt sich selbst, ihr eigenesVerhalten und das andererMenschen kennen. Das Fach schärft die Wahrneh-mung sozialer Prozesse in derKlasse, hilft Konflikte zu lösen und vermittelt dy-namische Fähigkeiten.

- Ökologie in der 2. und 3. KlasseBiologie- und GeografielhrerInnen fördern imTeamteaching ökologischesBewußtsein bei geografischen, wirtschaftlichenund biologischen Themen.

- Berufsorientierung in der 4. KlasseDieses Fach soll den SchülerInnen die Entschei-dung für ihre zukünftige Bildungs-oder Berufslaufbahn erleichtern.

Elgrid Messner, Wolfgang Schnelzer, Tanja Weinberger, Hubert König, Edgar Stauchner, Franz Frech | Das Schulmodell “NMS im Verbund”

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- Geschichte und Friedenskunde von 1. – 4.KlasseIn Geschichte werden Schwerpunkte im Bereichder politischen Bildung undFriedenserziehung gelegt. Die Erziehung zur Ach-tung der Menschenrechte steht imMittelpunkt.

Interessensdifferenzierung durch Wahlpflicht-fächer ab der 3. Klasse, ”denn nicht alle interes-siert das Gleiche”

Das Angebot der Wahlpflichtfächer versucht aufdie unterschiedlichen Interessen der Schüler/in-nen einzugehen. Möglich ist die Wahl zwischenItalienisch, Französisch, Mathematik/Informatik(MINF) oder Naturwissenschaftliches Experimen-tieren (NAWEX) bzw. verstärktem Unterricht inDeutsch, Englisch oder Mathematik, sowie dieWahl zwischen Textilem Werken oder TechnischemWerken.

Reformpädagogische Lernstrategien für eine dy-namische Kultur des Lehrens und Lernens, ”denndurch Erfahrung lernt man leichter und Zusam-menhänge werden immer wichtiger”

Den reformpädagogischen Intentionen entspre-chend werden von den Verbundlehrer/innen di-daktische Modelle eingesetzt, die als ”AlternativeUnterrichtsformen” bezeichnet werden. Sie basie-ren auf der Annahme, dass Lernen sowohl durchLerninhalte als auch durch Lernmethoden be-stimmt wird. Im Mittelpunkt steht dabei dieIndividualisierung im Unterricht, um die unter-schiedlich begabten SchülerInnen der heteroge-nen Klassen zu fordern und zu fördern. Als Bei-spiel seien hier einige Methoden genannt, wieStationenbetrieb, Wochenplanarbeit, Offenes Ler-nen, Lernspiele, u.a.m., wobei der pädagogischenKreativität der LehrerInnen in diesem Bereichkeine Grenzen gesetzt werden.Als strukturelle Unterstützung für reform-

pädagogischen und insbesondere fächerüber-greifendem Unterricht gibt es das ”Dreiphasen-modell”, die Gliederung des Semesters in dreizeitliche Phasen: Fachphase, ThemenzentrierterUnterricht und Kursunterricht. Im ca. 7wöchigenFachunterricht werden die zur Bearbeitung einesUnterrichtsthemas notwendigen fachspezifischenGrundlagen entsprechend den Lehrplänen der ein-zelnen Unterrichtsgegenstände geschaffen. Im ca.vierwöchigen themenzentrierten Unterricht kon-zentrieren sich alle Gegenstände auf eineUnterrichtsthema. Und in der meist ein-wöchigenKursphase werden entsprechend den Neigungenund Begabungen der SchülerInnen Kurse zur Er-weiterung, Vertiefung und Förderung angeboten.

3. DIE NEUEN AUFGABENFELDER FÜR DIELEHRERINNEN

Neue interne Organisationsstruktur durch dasStufenteammodell, ”denn Teamarbeit und koope-rative Schulkultur fördert guten Unterricht”

Die interne Organisationsstruktur der Verbund-schulen setzt auf Teamarbeit undLehrerInnenkooperation. Im Stufenteam organi-sieren die LehrerInnen vor allem den fächerüber-greifenden Unterricht und sind Ansprechpartnerfür alle SchülerInnen ihres Jahrgangs. Diese ver-pflichtende Zusammenarbeit folgt der reform-pädagogischen Vorstellung, dass Lernen auch aufArbeitsbeziehungen basiert. Sie ist jedoch auchein Instrument der Schulentwicklung, denn um dievielen Innovationen des Schulmodells in der täg-lichen Unterrichtsarbeit umsetzen zu können, istständiger Austausch zwischen den LehrerInnenfruchtbringend. Darüberhinaus fördert das Stufen-teammodell demokratisches Handeln in der Schu-le, denn die Stufenteams sind eigene organisato-rische Einheiten mit schulorganisatorischenVerantwotungsbereichen. Somit ist es eine Fort-setzung des Prinzips der Dezentralisierung und derDemokratisierung des schulischen Lebens.

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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Professionalisierung der LehrerInnen durchschulinterne Lehrerfortbildung, ”denn auchLehrerInnen schätzen lebenslanges Lernen”

Das Pädagogische Institut des Bundes in Steier-mark stellt dem Schulverbund Graz-West ein be-stimmtes Kontingent von schulinterner Lehrer-fortbildung (SCHILF) zur Fortbildung und Profes-sionalisierung seiner Lehrer/innen zur Verfügung.Über den inhaltlichen Einsatz entscheidet dieVerbundkoordinatorin. Als fruchtbringend habensich fachliche Einzelseminare, praxis- undinnovationsbegleitende Lehrgänge, Verbundfach-konferenzen mit kollegialer Lehrerfortbildung undBeratungsprozesse zur Organisationsentwicklungerwiesen.

Schulentwicklung, Selbstevaluation und Qualitäts-sicherung, ”denn wir arbeiten ständig an Verbes-serungen”

Der Schulversuch NMS versteht sich als offenesKonzept, welches in sich das Element der Weiter-entwicklung enthält. Die LehrerInnen planen undentwickeln Unterricht meist gemeinsam im Team.Im Sinne von Selbstevaluation reflektieren unduntersuchen viele von ihnen systematisch, wie siein Unterricht und Schule handeln. Erfahrungenwerden kollegial ausgetauscht und daraus resul-tierende Verbesserungsvorschläge in den Zweier-teams, Stufenteams, Klassenkonferenzen undFachkonferenzen, sowie in Entwicklungsgruppenund auf schulinternen Fortbildungsseminaren dis-kutiert. So ist gemeinsame Planung, Entwicklung,Reflexion und Kommunikation über die beruflichePraxis zum einen eigene Fortbildung und zumanderen Schulentwicklung. Besondere Initiiativenzur Selbsevaluation und Qualitätssicherung, wiez.B. die zweijährige Erprobung von ”FQS – Förder-liche Qualitätsevaluation an Schulen” und dasFolgeprojekt ”Qualität 2000” bemühen sich um diesystematische Untersuchung und Verbesserungder Schulversuchselemente.

EINE SCHLUSSBEMERKUNG

Die wesentliche Botschaft des Schulverbunds spie-gelt sich in den nachdenklichen Worten einerVerbundlehrerin, deren großes Anliegen dieReformpädagogik ist und die mit viel pädagogi-schem Können und Engagement unterrichtet:

Eigentlich geht´s doch nur darum, allen Kinderndie gleichen Chancen zu geben. Sie müssen ihreindividuellen Stärken ausbauen und ihre individu-ellen Leistungen erbringen können. Und die müs-sen nicht nur kognitiver Art sein. Letztlich wirddamit ihr Selbstwertgefühl erhöht und so ist so-ziale Integration sicher möglich. Vielleicht gelingtes uns tatsächlich, Arbeitslosigkeit im großenAusmaß zu verhindern und auch den guten Schü-lern eine gute Grundlage für’s weitere Leben mit-zugeben ...

Die Leiterkonferenz: Dir. König, Dir. Mag. Weinberger, Dir.Schnelzer, Dir. Stauchner, Dir. Mag. Frech, Koord. Mag. Messner

Elgrid Messner, Wolfgang Schnelzer, Tanja Weinberger, Hubert König, Edgar Stauchner, Franz Frech | Das Schulmodell “NMS im Verbund”

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20DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

DIE AUTONOME OBERSTUFE AM BG/BRGKLUSEMANNSTRASSE

Ein “Oberstufenteam”, bestehend aus Oberstufen-lehrerinnen und -lehrern, welche es als Manko an-sahen, dass zum Verbundmodell der Unterstufekein Gesamtkonzept einer gymnasialen Langformund damit einer echten Alternative zur GrazerSchullandschaft erarbeitet worden war, erhieltEnde Oktober 1994 den offiziellen Auftrag derSchulleitung zur Erstellung eines Konzepts für eineautonome Oberstufe, die mit dem Schuljahr 1995/96 starten sollte.

Die Vorgaben der Schulleitung waren:- Entwicklung einer reformierten Oberstu-fe mit drei Zweigen (Kreativzweig, naturwissen-schaftlicher Zweig und Sprachzweig)- und eines didaktisch-methodischen Kon-zepts, welches die Weiterführung der pädagogi-schen Leitlinien des Unterstufenschulversuchs inder Oberstufe gewährleistet.

Die Entwicklungsarbeit für die autonome Oberstu-fe wurde von drei Kleingruppen mit drei bis vierLehrer/innen pro Zweig übernommen. Wesentli-che Voraussetzung für ihre effiziente Arbeit wa-ren das gemeinsame Interesse an der Erarbeitungeiner autonomen Oberstufe und weitgehend kon-vergente Vorstellungen von Inhalten und Metho-dik und Didaktik des Unterrichts. Auf dieErarbeitungsphase folgte eine breite Diskussiondes Konzeptes im Lehrkörper. Nach der eingehen-den Information aller Betroffenen (Lehrer, Schü-ler, Eltern) und punktuellen Abänderungen amKonzept ergab die Abstimmung mit 96% Ja-Stim-men und 4% Nein-Stimmen ein klares Votum füreine reformierte Oberstufe mit drei unterschied-lichen Zweigen.

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NAWI -DER NATURWISSENSCHAFTLICHE ZWEIG

Maria Brunner, Gertrud Pacher

ZIELE UND PROFIL

Der NAWI-Zweig bietet interessiertenSchülerInnen die Möglichkeit experimentelles For-schen kennenzulernen und praktische und pro-jektorientierte Arbeiten durchzuführen.

Durch praktische und theoretische Auseinander-setzung in den Bereichen Biologie, Chemie undPhysik werden insbesonders Einsichten in die Ver-netzung von Grundlagenforschung, technischenAnwendungen und gesellschaftlichen Auswirkun-gen gegeben sowie die von den gesellschaftlichenKräften geforderten Schlüsselqualifikationen ver-mittelt.Die große Bereitschaft Neues zu erfahren wirddurch den “Motor” Neugier angetrieben und stellteinen hohen Motivationsgrad für Erkenntnis-gewinn dar. Dieses hohe Ausmaß an Motivationweckt auch die Bereitschaft und Offenheit für neueArbeitstechniken, die erlebnisorientierte Lern-erfahrungen ermöglichen.Das Prinzip der Selbständigkeit und Selbsttätigkeitund der Praxisbezug des naturwissenschaftlichenUnterrichts stehen somit im Vordergrund desNAWI-Zweiges. Außerdem erwerben dieSchülerInnen Fähigkeiten, die in der heutigen Be-rufs- und Studienwelt notwendig sind wie z. B. ko-operatives Arbeiten in Teams, exakte und richti-ge Protokollführung, Entwicklung eines Sprach-verständnisses für die eindeutige Beschreibungvon naturwissenschaftlichen Vorgängen und Sach-verhalten, sowie Einblick in die Arbeitswelt vonMenschen mit Berufen im naturwissenschaftli-chen, technischen und medizinischen Bereich.

Die profilbildenden Gegenstände des NAWI–Zwei-ges sind geblockte Laborübungen inklusive Exkur-sionen und Lehrausgänge im Ausmaß von 3Wochenstunden alternierend in den GegenständenBiologie, Chemie und Physik und eine vermehrteStundenzahl dieser Fächer in der gesamten Ober-stufe.

AUSSERSCHULISCHE AKTIVITÄTEN

Die besondere Attraktion dieses Zweiges sind dieverpflichtenden, von den SchülerInnen besondersgeschätzten Aktivitäten außerhalb der Schule:

NAWI-Sport-Woche in der 6. Klasse

Die gelungene Synthese von Sport (Segeln, Sur-fen, Ballspiele, Radfahren.....) Spaß und prakti-schen naturwissenschaftlichen Arbeiten (Aerody-namik, Bewegungsabläufe, Geschwindigkeit,Wasseranalysen...) ist in Verbindung mit Exkur-sionen zu chemischen, physikalischen und biolo-gischen Betrieben ein Fixpunkt im zweiten NAWI–Jahr.

Marinebiologische Woche in der 7. Klasse

Für das Beobachten und Kennenlernen derMittelmeerfauna eignet sich vor allem die Felsen-küste, da sie im Gegensatz zur Sandküste einenreich strukturierten Lebensraum bietet.

Aus diesem Grund und auch wegen dergeografischen Nähe fanden alle meeres-biologischen Exkursionen an der kroatischen Kü-ste statt. Die Reiseziele bisher waren: Porec (Istri-en), Veli Losinj (Kvarner Bucht), Zlarin (dalmati-nische Insel vor Sibenik) und Mlini (Fischerdorfsüdlich von Dubrovnik).

Ziel dieser Arbeitswoche ist das Kennenlernen derFauna und Flora des mediterranen Küsten-bereiches mit Hilfe einfacher Arbeitsmaterialienwie Kamera, Bestimmungsbücher für Pflanzenund Tiere, Schnorchel, Taucherbrille und Flossen.Die dabei gewonnenen Erfahrungen und das pra-xisnah erworbene Wissen können für NAWI-SchülerInnen der Grundstein für weitere meeres-biologische Forschungen im Rahmen von Urlaubs-wochen, naturwissenschaftlichen Studien undBerufsausbildung sein.

Maria Brunner, Gertrud Pacher | NAWI - Der Naturwissenschaftl iche Zweig

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Schweizexkursion in der 8. Klasse.Die SchülerInnen haben die einmalige Gelegen-heit, weltweit führende Zentren moderner natur-wissenschaftlicher Forschung zu besuchen, einenBlick in die faszinierende Welt der Wissenschaft zuwerfen und mit hochkarätigenWissenschaftlerInnen zu sprechen.Am Programm steht der Besuch des größten phy-sikalischen Forschungslaboratoriums CERN inGenf, der Besuch eines der erfolgreichstenPharmakonzerne, Hoffmann LaRoche in Basel,sowie ein Besuch des interaktiven NAWI-Museums“Technorama” in Winterthur.

Projekt “SCIENCE 4 YOU”

Im heurigen Schuljahr organisierte die 7A Klassedes NAWI-Zweigs die interaktive Ausstellung“SCIENCE 4 YOU”.Diese Experimentierwerkstätte aus den naturwis-senschaftlichen Bereichen Biologie, Chemie, Phy-sik und Mathematik wurde von ca. 500 Experi-mentierfreudigen innerhalb einer Woche besucht

und begeistert aufgenommen. So konnten dieSchülerInnen ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihrKönnen nicht nur an ihre MitschülerInnen, son-dern auch an auswärtige Schulklassen und anPrivatpersonen weitergeben.

ABSCHLÜSSE

Durch den profilbildenden Gegenstand Labor ha-ben die SchülerInnen bei der mündlichen Reife-prüfung die Möglichkeit, vertiefende Schwerpunkt-prüfungen in Biologie, Chemie oder Physik abzu-legen. Sie ersparen sich die Belegung weitererWahlpflichtfächer.

Der Naturwissenschaftliche Zweig bietet besteVoraussetzungen für viele Studienrichtungen, wieMedizin, alle naturwissenschaftliche Studien (Bio-logie, Chemie, Physik, Astronomie,Erdwissenschaften, Pharmazie), technisch – na-turwissenschaftliche Studien (Techn. Chemie,Techn. Physik) und montanistische Studien (Berg-wesen, Kunststofftechnik, Industrieller Umwelt-schutz/Entsorgungs-technik und Recycling).

Das NAWI - Team:Maria Brunner, Getrud Pacher, Sabine Höfert, Karin Kronabitter,Hubert Krumpholz, Ingrid Roll, Gerhard Raudner, Doris Strauß

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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DER SPRACHZWEIG

Werner Stöckler

Als der Sprachzweig startete, war Österreich ge-rade der Europäischen Gemeinschaft beigetreten.Für unsere jungen Menschen und ihre möglicheweitere Lebensgestaltung öffnete sich ein bislangnur über große rechtliche Hürden zugänglicherRaum Europas. Der Sprachzweig am BG/BRGKlusemannstraße war und ist der Versuch von derBildungsinstitution Schule her eine angemesseneAntwort auf diese neue Situation zu geben.

Der Sprachzweig will die Schüler/innen auf eineStudien-, Arbeits- und Lebenswelt vorbereiten, diegesamteuropäisch bzw. international orientiert ist.Neben dem Erwerb von drei Fremdsprachen aufMaturaniveau sollen die Schüler/innen - durchintensive Austauschprogramme unterstützt - in-ternationale und interkulturelle Kommunikations-fähigkeit erlangen. In einer Zeit der Globalisierungvon Wirtschaftsräumen und der oft hoch-emotionalisierten Schuldzuweisung für nationaleProbleme an das ominöse Ausland - man beden-ke, daß nationale Strömungen in ganz Europa anBoden gewinnen - steht der Sprachzweig durch diekonkrete Auseinandersetzung mit fremden Kultu-ren und Lebensgewohnheiten für den Abbau vonFeindbildern. Getragen von den Prinzipien Offen-heit und Internationalität bei gleichzeitiger Beto-nung der Individualität der Schüler/innen wird erder Entwicklung einer europäischen Dimensionvon Bildung und Arbeit gerecht. Das Prinzip Inter-nationalität will die grundsätzliche Bereitschaft för-dern, sich mit Menschen jenseits unserer kultu-rellen Grenzen und mit deren Lebenswelt ausein-anderzusetzen und in diesem Kommunikations-prozeß die eigene Identität neu zu überdenkenbzw. zu definieren.

FREMDSPRACHENUNTERRICHT UND SCHÜLER-AUSTAUSCHE

Der Erwerb von drei Fremdsprachen auf Matura-niveau (Englisch, Italienisch, Französisch; statteiner dritten lebenden Fremdsprache kann auch

Latein gewählt werden), das Kennenlernen frem-der Kulturen und Mentalitäten und das Erlangen“interkultureller” Kommunikationsfähigkeit soll esunseren Absolvent/innen erleichtern, sich in einerfremden Umgebung rasch zurechtzufinden. Nebendem Erlangen einer Kernkompetenz im Sprach-erwerb, welche das Erlernen weiterer Sprachenerleichtert, wird dem Aspekt der Interkulturalitätbesondere Bedeutung beigemessen.

Unsere Schüler/innen müssen verpflichtend anzwei Schüleraustauschen teilnehmen. Währendder Schüleraustausche leben sie in und mit ihrenGastfamilien. Dadurch werden sie angehalten sichin einer fremden Umgebung zu bewegen, ihre ei-genen Wünsche und Bedürfnisse zu äußern undsich zu behaupten. Sie müssen sich aber auch mitder Mentalität ihrer Austauschpartner, ihrer Le-bensweise, ihren Traditionen und bisweilen ande-ren kulturellen Werten und Normen auseinander-setzen.

Unsere Schüleraustausche finden soweit als mög-lich im Rahmen des Bildungsprogrammes “Lingua”der EU statt. Die Teilnahme an diesem Bildungs-programm hat zwei hervorzuhebende positiveAspekte:- Die Eltern erhalten eine finanzielle Unter-stützung durch die Europäische Union, wenn ihreKinder mit der ausländischen Partnerklasse eingemeinsames Projekt engagiert und gut durchfüh-ren und dieses dokumentieren und- die Schülerinnen und Schüler erfahrendadurch praxisnah, dass sie produkt- und ziel-orientiert arbeiten müssen und dass sich qualitäts-orientiertes Arbeiten lohnt.

Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Teilnahmeam Bildungsprogramm “Lingua” sind sehr gut. Allevon uns eingegebenen Projektanträge wurdengenehmigt, die finanziellen Zuwendungen seitensder Europäischen Union bewegten sich bei diesenSchüleraustauschen im Rahmen von 40% - 50%

Werner Stöckler | Der Sprchzweig

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der Gesamtkosten. Die Schwerpunkte unsererSchüleraustausche liegen zur Zeit in Italien,Frankreich und Norwegen, verstärkt kommen nunSchweden und die Tschechische Republik dazu.Kürzere Schüleraustausche – allerdings nicht imRahmen von Bildungsprogrammen der Europäi-schen Union – finden mit Ungarn statt.

DAS FACH “INTERNATIONALE KOMMUNIKATION”

Von unseren jungen Menschen wird nebenFremdsprachenkenntnissen auch ein hohes Maßan Flexibilität und Eigeninitiative verlangt. ImSprachzweig wird diesen Anforderungen durch dieEinführung des neuen Unterrichtsfaches “Interna-tionale Kommunikation” Rechnung getragen. Indiesem Fach (je zwei Wochenstunden in der 6.und 7. Klasse) arbeiten unsere Schüler/ innen mitPartnerklassen von ausländischen Schulen angemeinsamen Jahresprojekten. In diesem Gegen-stand werden auch die Schüleraustausche vorbe-reitet und die Dokumentationen und Präsentatio-nen der Jahresprojekte erarbeitet. Selbständigerund eigenverantwortlicher Wissenserwerb bildetdabei ebenso einen wichtigen didaktischen Aspektwie das projektorientierte Arbeiten im Team.

In den bisherigen zwei Maturaklassen des Sprach-zweiges (1998/1999 und 1999/2000) wähltenjeweils ca. 50% der Maturanten/innen als Matura-variante die Matura mit Fachbereichsarbeit, ebenjene Variante, die am meisten Selbständigkeit undEigenverantwortung beim Erarbeiten eines The-mas erfordert.

VORAUSSETZUNG FÜR DEN SPRACHZWEIG

Eine gute Voraussetzungen für den Besuch desSprachzweig ist das Erlernen einer zweiten leben-den Fremdsprache ab der 3. Klasse der Unterstufe,es ist aber keine Bedingung. Interessierte Schü-lerinnen und Schüler können den Sprachzweigauch besuchen, wenn sie in der Unterstufe nur

eine lebende Fremdsprache – in der Regel ist dasEnglisch - gelernt haben. Allerdings müssen siedann in der 5. Klasse zusätzlich zu ihrer bishererlernten Fremdsprache mit zwei neuen Sprachenbeginnen, und zwar verpflichtend mit Latein undwahlweise einer lebenden Fremdsprache (Franzö-sisch oder Italienisch).

RESÜMEE NACH FÜNF JAHREN SPRACHZWEIGUND ZWEI ERFOLGREICHEN REIFEPRÜFUNGEN

Die Absolventinnen und Absolventen des Sprach-zweiges haben interessante und qualitativ anspre-chende Projekte mit ausländischen Partnerschulendurchgeführt. Sie haben gelernt mit ausländischenKolleginnen und Kollegen im Team zu arbeiten,mehrsprachige Dokumentationen zu erstellen, dieErgebnisse ihrer Arbeiten öffentlich zu präsentie-ren und sie haben bei den bisherigen Reifeprüfun-gen sehr respektabel abgeschnitten. Das allesspricht für das Konzept des Sprachzweiges alsmögliches Modell einer neuen gymnasialen Ober-stufe. Er hat aber – nach der Intention jener, dieihn erfunden haben - auch eine außerschulischeRelevanz.Lassen Sie mich deshalb abschließend doch nochein Mal auf Europa Bezug nehmen.Wie eingangs angeführt gewinnen in einer Zeit derÖffnung der Grenzen, aber auch derGlobalisierung von Wirtschaftsräumen, der da-durch bedingten Unsicherheit am Arbeitsmarktund der Zuweisung von Schuld für innerstaatlicheProbleme ans Ausland nationalistische Strömun-gen in ganz Europa wieder an Boden.Diesen Tendenzen versucht der Sprachzweig ineinem aufklärerischen Sinne entgegenzuwirken.Er fördert durch die konkrete Auseinandersetzungmit fremden Kulturen und Lebensgewohnheitendas Erkennen von Gemeinsamkeiten jenseits un-terschiedlicher nationaler Zugehörigkeiten undden Abbau von Feindbildern. Interkulturelle Kom-munikationsfähigkeit bedeutet Unterschiede be-wußt machen und einander in seiner Andersartig-

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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keit verstehen lernen, um dadurch Ängste abzu-bauen, die fremdenfeindliche Verhaltensmustererst hervorrufen.

Diese positiven Aspekte kamen auch bei denEvaluierungen der Inhalte des Faches “Internatio-nale Kommunikation” und der beiden ersten Ab-schlußklassen des Sprachzweiges deutlich heraus.Eltern und Absolventen/innen des Sprachzweigesgeben übereinstimmend an, dass ihr Interesse aneuropäischen Fragen und Problemen durch denBesuch des Sprachzweiges gewachsen sei unddass sie sich mit eigenen nationalen Vorurteilenkritisch auseinanderzusetzen begonnen hätten.

Ein überwiegender Teil unserer Absolventinnenund Absolventen äußert außerdem den Wunsch ineuropäischen Partnerländern zu studieren oder zuarbeiten.

Die eigene Kultur im Spiegel einer anderen zusehen, die geschichtliche Bedingtheit eigenerWerthaltungen und Traditionen zu erkennen, dieSchülerinnen und Schüler zu einer toleranten Le-benshaltung zu erziehen, darin liegt das eigentli-che Ziel des Sprachzweiges. Wir Lehrerinnen undLehrer des Sprachzweiges sehen uns durch diebisherigen Erfahrungen in unserem Bemühen die-ses Ziel zu erreichen in hohem Maße bestätigt.

Das Sprachteam:

Werner Stöckler | DER SPRACHZWEIG

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DER KREATIVZWEIG

Meinrad Hopfgartner

lichkeiten, für deren Entwicklung gerade dieprofilbildenden Fächer des Kreativzweiges alsLernfelder dienen können und sollen:“Kreativitätstechniken”, “Medien und Kommunika-tion”, “Körpererfahrung” und “Produktionswerk-statt”. Diese Fächer entwickelten wir Anfang der90er Jahre aus der Überzeugung heraus, dass dieeigenständige, intensive und systematische Be-schäftigung mit den dahinter liegenden Inhaltenin einem zeitgemäßen Schulbereich, der sich derAllgemeinbildung junger Menschen verschreibt,längst überfällig ist.

Die SchülerInnen werden in ihrer persönlichen, so-zialen, kognitiven und emotionalen Entwicklunggefördert. Wir bereiten sie auf alle Studien undBerufe vor, in denen gleichermaßen Führungsqua-lität wie Teamfähigkeit, Fantasie und vernetztesDenken, Wahrnehmungs-, Informations-, Komm-unikations-, Konflikt- und Problemlösungs-, sowieerhöhte Reflexions- und Präsentationskompetenzgefordert sind. Zusätzlich verfügenAbsolventInnen über umfangreiche Erfahrungenund Fertigkeiten im medial-künstlerischen Bereich(z.B. Filmschnitt, Fotolabor).

DAS FACH “KREATIVITÄTSTECHNIKEN”

In seinem viel beachteten Buch “Entscheidung zurKreativität” definiert Karl-Heinz BrodbeckKreativitätstechniken schlicht als alle jene Mittelund Methoden, “die Hindernisse zur Entfaltung derKreativität beseitigen”. Kreativität ist also immerschon in uns da und wartet darauf, freigelegt,entwickelt und gefördert zu werden. Dieser demLehrplan zugrunde liegende offene Ansatz führtdamit weit über einen instrumentalisiertenKreativitätsbegriff hinaus.

Ein kleiner Auszug aus den Lehrinhalten mag diesillustrieren.

- Grundlagenforschung Kreativität (Was ist

Kein Zweifel: “Kreativität” hat sich zu einemSchlüsselbegriff des beginnenden 3. Jahrtausendsentwickelt. Insbesondere ökonomische Anforde-rungen fordern den problemsensitiven, ideenrei-chen, originellen, flexiblen und eigenverantwort-lichen Mitarbeiter. Eine Flut an Publikationen über-schwemmt den Markt und Kreativitäts-Gurus bie-ten in einschlägigen Seminaren sündteure Einblik-ke in ihre Methoden. Kreativität, darüber scheintinzwischen Konsens zu herrschen, wird nicht mehrnur als Gabe, sondern auch als Fertigkeit betrach-tet, die als solche geübt und trainiert werden kann(DeBono). Noch knapp vor seinem Tod 1994 kon-statiert der Zukunftsforscher Robert Jungk, dass“Kreativitätsunterricht in Wirklichkeit in unserenSchulen und Universitäten noch gar nicht begon-nen hat”. Er tritt dafür ein, ein eigenes Fach “Krea-tivität” einzuführen, und solchermaßen “minde-stens zweimal in der Woche das Einüben solcherKreativitätsmöglichkeiten” zu wagen.

Praktisch zur selben Zeit beginnen wir hier in Grazmit der Umsetzung eines komplexen Konzepts imRahmen der “autonomen Profilbildung an derOberstufe der AHS”, eine “stille Revolution in derösterreichischen gymnasialen Landschaft” (Stan-dard, 30.7.1996). Sechs Jahre später bescheinigtdie konstant hohe Zahl an Anmeldungen demKreativzweig große Popularität. Viele Auftritteaußerhalb der Schule mit Produkten und Projekt-ergebnissen signalisieren stete Präsenz im öffent-lichen Raum. Das Archiv des Kreativ-Teams, vollvon Prozess- und Produktvideos, Projekt-broschüren und -berichten, gibt Einblick in dieVitalität eines Modells, dessen Zukunft gerade erstbegonnen hat.

DAS PROFILBILDENDE SETTING

Menschen sollten heutzutage über umfangreicheErfahrungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kennt-nisse verfügen. Gefragt sind komplexe, - im Sin-ne Howard Gardners - “multiintelligente” Persön-

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psychologischen, sozialen, kulturellen und wirt-schaftlichen Wirkungsweisen von Sachmedienvertraut gemacht und erwerben Know-How in denBereichen Videofilm (hauseigenes Schnittstudio)und Fotografie (hauseigenes Fotolabor).

DAS FACH “KÖRPERERFAHRUNG”

Dieses Unterrichtsfach versteht sich als zweistün-diger Impulsgegenstand, der in der 5. Klasse Tech-niken und Methoden zur Entwicklung eines ver-tieften Körperbewußtseins vermitteln möchte, Erstellt einschlägige Themenkreise projektorientiertin den Mittelpunkt stellt und legt Wert auf einestarke reflexive Komponente. Unter diesen The-men finden sich z.B. “Artistik” (3-Ball Jonglage,Keulenjonglage, Einrad, u.a.), “Einführung inEntspannungs- und Meditationstechniken” (Yoga,Tai-Chi, etc.), “Changed Identity“, “Der Kult umden Körper”, u.a.m. Dabei bleibt aber noch genü-gend Raum für Themenbereiche offen, die sich diejeweiligen Jahrgangsteams ergänzend selbst set-zen (im laufenden Schuljahr z.B. das überaus er-folgreich verlaufene und Projekt “Macht – Ohn-macht”).

DAS FACH “PRODUKTIONSWERKSTATT”

Die Produktionswerkstatt (6. und 7.Klasse) stelltin ihrem offenen Konzept weniger einen Gegen-stand denn einen jeweils einjährigen prozess- undproduktorientierten “Erfahrungsraum” dar. SeineThemenschwerpunkte werden auf der Basis derschon erworbenen Fähigkeiten, Fertigkeiten undKenntnisse gemeinsam mit den SchülerInnenbestimmt. Den LehrerInnen kommt in diesemweitgehend auf Eigenverantwortlichkeit beruhen-den Setting hierbei mehr noch als in anderen Fä-chern die Rolle eines “Coaches” zu. DieProduktionswerkstatt dient nicht selten auch alsideale Schnittfläche für die Arbeit mit spezifischenGastreferenten, so wie sie auch Anlaß bietet, mitgeeigneten Präsentationsorten im Stadtraum Ko-

Kreativität, Der kreative Prozess, Die kreative Per-sönlichkeit, kreativitätsfördernde/hemmende Fak-toren, etc.,)- Grundlegende und spezielle Kreativitäts

techniken- Kreativität im Team- Zeitmanagement- Entwicklung von Wahrnehmungs

kompetenz- Emotionale Intelligenz- Spiel und Theorie des Spiels, u.v.a.m.

DAS FACH “MEDIEN UND KOMMUNIKATION”

“Die Medien, das sind wir selbst” titelte WernerWolf (heute Direktor des Museums für Wahrneh-mung in Graz) sein 1989 bei Rowohlt erschiene-nes Handbuch für die Medienarbeit in der Schule.Tatsächlich versteht eine noch immer überwiegen-de Mehrheit unter Medien jedoch technischeInformationsträger. Die Tatsache, dass wir alsWahrnehmende und Handelnde imKommunikationsprozess jederzeit auch Mediensind, in jedem Augenblick Botschaften senden,empfangen und interpretieren, findet aber lang-sam ein breiteres Bewusstsein.

Mario Kellermeier (“Suggestive Kommunikation”)weist darauf hin, dass 80% aller Probleme aufKommunikationsprobleme zurückzuführen seien.Grund genug, sich in diesem Lernfeld dem grund-legenden Verständnis dessen anzunähern, wasKommunikation in all ihren Facetten ausmacht.Dabei ergeben sich über die 4 Schulstufen hinwegintensive Möglichkeiten des Übens von Techniken,Strategien und Methoden, mit dem Ziel, umfas-sende Informations-, Kommunikations- undKonfliktlösungskompetenz zu erwerben (“sozialeIntelligenz”), aber auch die Lust auf Selbstaus-druck und Selbstdarstellung in verschiedenstenBereichen zu entwickeln (Präsentations-kompetenz). Im Spannungsfeld zwischen Reflexi-on und Gestaltung werden die SchülerInnen mit

Meinrad Hopfgartner | DER KREATIVZWEIG

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der 5. und 7. Klasse. Ihr Workshopcharakter stellt– über handlungsorientierte Zugänge - ausge-wählte Inhalte der profilbildenden Fächer in denMittelpunkt des Settings. In der 7. Klasse bestehtdarüber hinaus die alternative Möglichkeit, einenSchülerInnenaustausch mit “kreativem Schwer-punkt” durchzuführen. Zwei bisher mit Vancouver(B.C., Canada) stattgefundene Austauschpro-gramme brachten positivste SchülerInnen- undElternresonanz und bestätigen damit die Akzep-tanz dieser Wahlmöglichkeit.

DAS KREATIV-TEAM

In diesem Team arbeiten wir - jene LehrerInnen,die die profilbildenden Fächer weiterentwickelnund unterrichten - in regelmäßigen und intensi-ven Teamsitzungen unter anderem an Fragenunserer “Corporate Identity”, der Qualitätssiche-rung im Kreativzweig, unserer Weiterbildung, derAktualisierung der Lehrpläne sowie der Evaluati-on und Weiterentwicklung von Inhalten, Methodenund Feedback im konkreten Unterrichts-geschehen.

An dieser Stelle möchte ich aus meiner Sicht nochdurchaus kritische Bemerkungen zur eigenen Ar-beitssituation einfügen. Die politisch-klimatischeSituation in Bezug auf Lehrerarbeit und ihre Wert-schätzung – besonders auch im Bereich der Ent-lohnung – ist für innovative und der Qualitätssi-cherung verpflichtete Lehrer nicht sonderlichmotivierend und klar leistungshemmend. Die kon-krete Situation am “Arbeitsplatz” wiederum (vie-le meiner KollegInnen verfügen über gar keineneigenen!) ist in Bezug auf die von uns erwartetenLeistungen unhaltbar und sollte unter Umständensogar das Arbeitsgericht interessieren. Ein eige-nes Teamzimmer, das die Arbeit im Kreativ-Teamweiter professionalisieren würde und uns derTeamsituation unserer KollegInnen in der NMSgleichstellen würde, bleibt vorerst noch ein oftvorgetragener, aber unerhörter Wunsch.

operationen einzugehen.Die obligate Präsentation der Arbeit in der Öffent-lichkeit am Ende des Jahres schafft positive Pro-motion für den Zweig. Eine kleine Auswahl anProjektpräsentationen der jüngsten Vergangen-heit mag abschließend einen kleinen Einblick in dieVielfalt und Dynamik eines Faches geben, das inseiner Öffnung nach außen tendenziell der Tren-nung von Schule und Leben entgegenwirkt.- im Theater am Ortweinplatz: “Brecht be-

fremdet”, “Hörcooles”, “Verkehrte Welt”,u.a.

- Improvisationstheater: SteirischerLandessieger in der Theatersport-Schüler-liga 1999 und Teilnahme aninternationationalen Meetings

- Percussionensemble “Creative Noise”: oft-malige Auftritte im öffentlichen Raum

- Fotovernissage im MuWa (Museum derWahrnehmung)

- Präsentation “Was uns betrifft” (Jugendsoziologische Studie), u.a.m.

FÄCHERÜBERGREIFENDE AKTIVITÄTEN

Zum Angebot der profilbildenden Fächer könnendie SchülerInnen über individuell zu wählendeWahlpflichtfächer Inhalte aus Fächern des tradi-tionellen Fächerkanons vertiefen und ihrer Ausbil-dung damit zusätzlich “Farbe” verleihen. Darüberhinaus kommt im Kreativzweig insbesondere denGegenständen Deutsch, Psychologie und Philoso-phie, Musikerziehung, Bildnerische Erziehung undInformatik eine erhöhte Bedeutung im Hinblick aufvernetzende Zusammenarbeit zu. In Entwicklungbefindet sich noch die Arbeit an fächerüber-greifenden, profilspezifischen Themenfeldern mitden LehrerInnen der Fremdsprachen.

PROJEKTWOCHEN

Ein integrativer Bestandteil des Kreativzweigs sindspezifische Projektwochen (“Kreativwochen”) in

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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PERSPEKTIVEN

Der Zulauf von SchülerInnen für den kommenden7. Jahrgang ist ungebrochen hoch. Beste Promo-tion für den Zweig sind dabei – über den grund-legenden Parameter “Qualität in der konkretenUnterrichtsarbeit” hinaus – zufriedeneSchülerInnen und AbsolventInnen. Dabei ist derGrad an Identifikation mit unserem Modell vonerstaunlichem Ausmaß.

“Eigentlich möchte ich später keinen sogenannten‚kreativen‚ Beruf ergreifen, aber für mich sind dieDinge, die wir lernen, eine wichtige Zusatz-qualifikation. Auch sind es Hilfen, das Leben leich-ter zu meistern. Der KreaZweig soll – denke ich –

helfen, andere Perspektiven zu erkennen und et-was kritischer, jedoch weltoffen durchs Leben zugehen.”

“Meiner Meinung ist der Kreativzweig für alle jun-gen Menschen, die mit offenen Augen durch dasLeben gehen und gerne zeigen, was sie können,genau richtig. Ich kann den Kreativzweig nurweiterempfehlen und mich für jene freuen, die inZukunft aufgenommen werden.”

Diesen Reflexionen von SchülerInnen aus der 5.Klasse möchte ich abschließend nur mehr hinzu-fügen: “Glauben Sie nichts, bevor Sie es nichtselbst entdecken”. In diesem Sinne laden wir Sieherzlich ein, mit uns in Austausch zu treten.

Das Kreativteam: Gerald Payer, Gabriele Payer, Wolfgang Poier, Diethard Suntinger, Meinrad Hopfgartner,

Meinrad Hopfgartner | DER KREATIVZWEIG

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30DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

DAS REGIONALE SCHULNETZ“SCHULVERBUND GRAZ - WEST”

Elgrid Messner

“Knoten im Netz”, in denen sich die Zusammen-arbeit aller Beteiligten verdichten. Sie dienen derAdministration des gemeinsamen Angebots, derUnterstützung der Professionalisierung derLehrerInnen und ihrer Entwicklungsarbeit, derkollegialen Beratung der SchulleiterInnen, sowieder Weitergabe des selbst generierten Wissens anandere Schulen durch zielgerichtete Öffentlich-keitsarbeit.

1. DIE VERNETZUNG IN DEN SCHULEN: KNOTENDURCH TEAMARBEIT

An jeder Schule arbeiten die Lehrer/innen - ausserin ihren jeweiligen Fachgruppen - in Stufenteams,vor allem bei ihrer Unterrichtsplanung und-entwicklung, aber auch in der Beratung überSchülerInnen und der Elternarbeit zusammen. Diegewählten Teamsprecher/innen tagen an einigenSchulen monatlich unter dem Vorsitz derSchulleitung als Schulkoordinationsteam. Es erfülltSchulmanagementaufgaben und berät bzw. ent-scheidet über Schulentwicklungsmaßnahmen. Indiesem Gremium wirkt auch der/die Standort-

Seit zehn Jahren setzen die fünf Verbundschulenauf kontinuierliche Zusammenarbeit im Netz:Gemeinsam verwirklichen sie den Schulversuch“Neue Mittelschule im Verbund”. Der SchulverbundGraz-West ist somit:- die Umsetzung und Erprobung einer bil-

dungspolitischen Innovation- ein regionales Schulentwicklungskonzept- ein neuer Schultyp in der Mittelstufe- ein Kooperationsmodell zwischen Haupt-

schulen und AHS- ein reformpädagogisches Schulmodell mit

besonderem Angebot- ein Unterstützungssystem für Qualitäts-

entwicklung und Professionalisierung- und eine organisatorische Einheit

Um die strukturellen und didaktischen Ziele desSchulversuchs zu erreichen, wurde eine differen-zierte Organisationsstruktur an und zwischen denSchulen entwickelt. Der spezielle Rahmen und diebesonderen Gremien und Veranstaltungen sind die

Mag. Elgrid Messner, Koordinatorin für Schulentwicklung imSchulverbund Graz - West

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scheidungen der Leiter/innen und den Anliegender Lehrer/innen zu agieren.

Schließlich gibt es die Verbundkoordination fürSchulentwicklung, eine eigens eingerichtete undmit einer Person besetzte Dienststelle. Diese solldie pädagogische Entwicklung der Versuchs-schulen fördern, um so die Ziele des Schulmodellsumzusetzen und weiterzuentwickeln. Tatsächlichwurden curriculare, pädagogisch-didaktische undschulorganisatorische Entwicklungsprozesse sowieEvaluationen umgesetzt. Weiters ist diese Positi-on auch mit der Organisation der schulinternenLehrerfortbildung und einem Teil der Öffentlich-keitsarbeit beauftragt. Die Verbundkoordination istMitglied der Schulleiterkonferenz und arbeitet inihrem Auftrag.

... geknüpft von den Lehrer/innenDie schulübergreifende Vernetzung auf der Ebe-ne der einzelnen Lehrer/innen geschieht durch diefür einige Fächer jährlich stattfindenden Verbund-fachkonferenzen. Diese Veranstaltungen dienendem kollegialen Erfahrungsaustausch über Unter-richt sowie der persönlichen Fortbildung. Für dieKonzeption und Evaluation von Innovationen gibtes themenorientierte, zeitlich begrenzte,schulübergreifende Schulentwicklungsgruppen.Diese Arbeitsgruppen stellen Unterrichtsmaterialher, verfassen schulautonome Lehrpläne, organi-sieren Fortbildungsveranstaltungenund führenEvaluationen durch. Darüberhinaus gibt es denSchulverein “SPUKI - Sport- und Kulturinsel” imSchulverbund Graz-West”, der ein zusätzlichesschulisches Angebot von VerbundlehrerInnen fürVerbundschülerInnen ermöglicht.

... verbunden mit Schüler/innen und Eltern sowiemit der RegionDie Einbeziehung der nicht-lehrenden Partner/in-nen in dieses Netzwerk der Verbundschulen isterst jüngeren Datums: ‚überschulische‘ Vernet-zung der Eltern und Schüler/innen wird durch ei-

koordinator/in mit, eine neu geschaffene, gewähl-te Funktion mit spezieller Verantwortung fürschulinterne und schulübergreifende Vernetzungzwecks Unterstützung von Schulentwicklung.

2. DIE VERNETZUNG ZWISCHEN DEN SCHULEN:KNOTEN DURCH DAS KOOPERATIONSMODELL

...geknüpft durch den SchultypDie Vernetzung durch das gemeinsameSchulmodell zieht administrativ-strukturelle Ko-operation nach sich. Zunächst sind das die ge-meinsamen Prinzipien der Schüleraufnahme,nämlich AHS- + HS-Kinder im Klassenverband,sowie der verschränkte Einsatz von Hauptschul-und AHS-LehrerInnen an allen Standorten, unddie Absprache im Angebot der Schulen, wie z.B.die Wahlpflichtfächer ab der 3. Klasse. Wesentlichsind weiters die gegenseitige Anpassung in derLeistungsbeurteilung und die Vergabe derselbenAbschlussberechtigungen. Alle fünf Schulen sinddarüber hinaus bei innerschulischen administra-tiven Rahmenvorgaben der Umsetzung von Inne-rer Differenzierung und Reformpädagogik ver-pflichtet.

... geknüpft von den FührungsverantwortlichenDie fünf Schulleiter/innen der Verbundschulen fin-den sich monatlich zur Schulleiterkonferenz zu-sammen. Dieses Gremium dient dem kontinuier-lichen Austausch und trifft die wesentlichenFührungsentscheidungen für den gesamten Ver-bund, vor allem in administrativen und strategi-schen Belangen.

Der Leiterkonferenz steht die Standort-koordinator/innenkonferenz zur Seite. Diese setztsich aus den gewählten Standortkoordinator/innender fünf Verbundschulen zusammen und hat vorallem Aufgaben in der Vorbereitung und Umset-zung von Schulentwicklung. In der Realität schei-nen Standortkoordinator/innen in einer„Sandwichstellung“ als Mittler zwischen den Ent-

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zentriert an strategisch bedeutsamen Vorhabenfür die weitere Entwicklung des Schulverbundes.Sie kann die Arbeit die Entwicklungschulautonomer Lehrpläne, die Herstellung vonUnterrichtsmaterial, die Organisation verbund-interner Fortbildung, die Durchführung vonSchulrecherchen bei der Selbstevaluation, usw.betreffen. Der Auftrag für solche Entwicklungsvor-haben ergeht zunächst von der Schulleiter-konferenz an die Verbundkoordination, die dannImpulse zur Gründung solcher Schulent-wicklungsgruppen setzt, entsprechende Rahmen-bedingungen für ihre Arbeit aushandelt und de-ren standortübergreifenden Arbeitsprozeß koordi-niert.

3.3. EIN VEREIN ALS ANBIETER ZUSÄTZLICHENSCHULISCHEN ANGEBOTS

Als spätere aber sehr erfolgreiche Initiative vonLehrer/Innen erwies sich die Gründung desSchulverbundvereins “Sport- und Kulturinsel”. Erermöglicht die Aufrechterhaltung zusätzlichensportlichen und kulturellen Angebots für die Schü-ler der Verbundschulen. Viele LehrerInnen veran-stalten Kurse, die durch Mitglieds- und Kurs-beiträge abgedeckt werden. Mit dem größten Teilder Einnahmen und Sponsorenbeiträge werdenSportgeräte, Musikinstrumente und andere Ein-richtungen angeschafft.

3.4. DER SCHULVERBUND ALS ANBIETER ‚KOLLE-GIALER LEHRERFORTBILDUNG‘

Als Reformschulen sehen sich die Verbundschulenoft in der Situation, Rechenschaft über den Sinnverschiedener Innovationen legen zu müssen.Darüber hinaus gibt es aber auch das Interesse,die eigenen Erfahrungen der Reformarbeit anandere Lehrer/innen weiterzugeben. Bald nachEinrichtung des Verbunds besuchten Lehrer/innenanderer Schulen den Verbund und luden Verbund-lehrer/innen an die eigene Schule ein. Daraus

nen Verbund-Schülerrat und Verbund-Eltern-stammtisch versucht. Zur besseren Einbindungdes Verbunds in die Region wurde eine Zukunfts-konferenz mit Eltern, Schüler/innen, Bezirks- undBildungspolitiker/innen, Jugendorganisationen,Wirtschaftstreibenden und kulturell engagiertenPersonen durchgeführt.

3. QUALITÄTSENTWICKLUNG DURCH DIE VER-NETZUNG DER EINZELSCHULEN

3.1. SCHILF - Schulverbundinterne Lehrer-fortbildung

Der Versuchsstatus und die ‚Ökonomie der Zahl‘in einem Verbund von fünf Schulen ermöglichtees, eine eigene Fortbildungsschiene zu organisie-ren. Das Pädagogische Institut Steiermark stelltein bestimmtes finanzielles Kontingent für dieschulinterne Fortbildung der Verbundlehrer/innenzur Verfügung. Diese umfaßt sowohl schulinterneals auch schulübergreifende Veranstaltungen.Besonders der zweite Typ kann strategisch zurQualifizierung für Ziele und Entwicklungsinitiativendes gesamten Verbundes genutzt werden. Dar-über hinaus wird der Erfahrungsaustausch in denVerbundfachkonferenzen von den Lehrer/innen alsbesonders ergiebig und anregend erlebt. Aufgrundder verschiedenen offiziellen Vernetzungen imVerbund ensteht ein ‚persönliches Netzwerk‘,durch das es einzelnen Lehrer/innen leichter fällt,sich für die Alltagsarbeit Ideen und Ressourcen zubeschaffen.

3.2. ENTWICKLUNGSARBEIT IM VERBUND

Besonderes Potential bietet die Verbundstrukturschließlich für gemeinsame Entwicklungsarbeit.Das wesentlichste Instrument dabei sind die so-genannten Schulentwicklungsgruppen. Sie sindschulübergreifend zusammengesetzt, bestehenaus mehreren freiwillig teilnehmenden Lehrer/in-nen jedes Verbundstandorts und arbeiten themen-

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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te zu außerschulischen Personen aus allenBerufssparten besonders im Zusammenhang mitUnterrichtsprojekten. Die Schulen sind offen fürSchnuppertage für SchülerInnen und Eltern undes wird kontinuierliche Kommunikation mit Volks-schulen gepflegt.

Die Öffentlichkeitsarbeit versteht sich aber auchals Strategie zur Unterstützung derSchulentwicklung im Verbund und zur Stärkungvon Selbstbewußtsein und Motivation der Mitar-beiter/innen durch Kontakt mit externen Bezugs-gruppen. So diente die Schaffung einesSchulverbundlogos als lang angelegterEntwicklungsprozess mit Abstimmung an allenfünf Schulen und Einbeziehung des SchulvereinsSPuKI auch der Identitätsstiftung. Unter dem Ti-tel bildungsgespräche graz-west werdenPodiumsdiskussionen zu aktuellen bildungspoliti-schen Themen veranstaltet, die Gelegenheit ge-ben, bestimmte Themen zu forcieren und selbstgeleistete Innovationsarbeit zu präsentieren.

4.2. Pädagogische Messen

Eine Kombination von Öffentlichkeitsarbeit, kolle-gialer Lehrerfortbildung und internenEntwicklungsimpulsen beinhaltet das Konzept derPädagogischen Messen. Diese ein- bis zweitägigenVeranstaltungen finden alle drei bis vier Jahre je-weils in einer der Verbundschulen statt. Die Ein-ladung geht an alle Verbundlehrer/innen, aberauch an interessierte Kolleg/innen anderer Schu-len. Die Tagungsgestaltung liegt in den Händenvon Verbundlehrer/innen, die auch einen wesent-lichen Teil des Programms selbst bestreiten. Beisolchen Messen bieten VerbundlehrerInnen inter-essierten KollegInnen aus der BerufsgemeinschaftWissen aus der eigenen Praxis. Die PädagogischenMessen beabsichtigen dem Positiven eine Platt-form zu geben, denn sie zeigen, was geleistet wirdund wie sich professionelle Lehrer/innen um ihreQualität bemühen.

entstand die Idee, diese ‚Besuche‘ zu professio-nalisieren. Heute versteht sich der Schulverbundals kollegiale Lehrerfortbildungsinstitution und hatProgramme entwickelt, die die Erfahrungen undKompetenzen seiner Mitglieder für andere Lehrer/innen zugänglich machen. So werden durch ‚Ruf-module für schulinterne Lehrfortbildung‘ thema-tisch fokussierte und betreute Besuche von Leh-rer/innen anderer Schulen an den Verbundschulenermöglicht. Verbundlehrer/innen können als Re-ferent/innen an andere Schulen eingeladen wer-den.Besondere Veranstaltungen mit Workshops undUnterrichtsbesuchen waren in diesem Zusammen-hang die “Tagung der Deutschen Gesellschaft fürErziehungswissenschaften” in Zusammenarbeitmit der Universität Graz an den Verbundschulen.In ähnlicher Weise wurde ein Seminar für Iclon,ein holländisches Institut für Lehrerbildung imRahmen des EU-programms Comenius organi-siert. Anfragen nach Referent/innen und fertigenSeminaren gibt es auch immer wieder vom Päd-agogischen Institut Steiermark undVerbundlehrerInnen bzw. -direktorInnen werdenzu nationalen und internationalen Tagungen ein-geladen, wo sie ihre Erfahrungen mit Reformpraxisweitergeben.

Weiters gibt der Schulverbund eine Publikations-reihe ‚Schule entwickeln: Dokumente aus demSchulverbund Graz-West‘ heraus, in denen Leh-rer/innen eigene Untersuchungen undEntwicklungsergebnisse publizieren.

4. DIE ÖFFENTLICHKEITSARBEIT IM VERBUND

4.1. Information und Aussenkontakte

Die Öffentlichkeitsarbeit dient in erster Linie derInformation der Eltern, sowie der Imagepflege, dieden bildungspolitischen Stellenwert des Schulver-bunds heben soll. So bemühen sich vieleLehrerInnen um Medienarbeit und es gibt Kontak-

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34DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

VIER JAHRE SPUKI -DIE ERFOLGSSTORY EINES SCHULVEREINS

Klaus Finder, Günther Haller, Michael Karacsonyi

Zielsetzung dieses Vereines ist:

l. Die Förderung der sportlichen und kultu-rellen Aktivitäten für alle Schulpartner imSchulverbund durch ein breit gefächertes Sport -, Spiel und Kulturangebot.2. Die Öffnung der vorhandenen Ressourcenaller Verbundschulen (Unterrichtsräume, Sport-flächen, Turnsäle, Musiksäle und EDV - Inventar,und vor allem die Kompetenz der Unterrichten-den!).

Nominell wird der Verein geführt von:

Geschäftsführende Obfrau: Mag. Elgrid Messner,Stellvertreter: Mag. Günter HallerFinanzreferent: Mag. Michael Karácsonyi, Stellver-treter: Mag. Hannes RathSchriftführerin: Mag. Susanne Knauseder, Stell-vertreter: Alfred KrennRechnungsprüfer: Mag. Peter Knauseder

Beiräte/Spartenverantwortliche:Mag. Christoph Preihs (Musik), Mag. Finder Gud-run und Mag. Christian Schatz (InternationaleKommunikation), Mag. Luise Wappel (Theater undLiteratur), Mag. Klaus Finder (Wettkampfsport),Fritz Fink (Journalist.), Rudolf Reiterer (Ausstat-tung).

Verantwortlich für die Verbundschulen:Dir. Edgar Stauchner (Karl Morré), Dir. HubertKönig (Algersdorf).

Natürlich möchte ich Ihnen, geschätzter aufmerk-samer Jubiläumsschriftenleser, das voyeuristischeVergnügen eines Blickes hinter die SPuKI- Kulis-sen nicht vorenthalten:In den vier Jahren unseres Bestehens haben ca.400 Menschen 25 Kurse besucht. Das vielseitigeAngebot reichte von Badminton, Squash, Hockey,Mountainbiking, Basketball, Tennis, Volleyball,Karate, Haltungsturnen, Snowboard, Gerätetur-

Letztgeborene haben bekanntlich mitjanusköpfigen Situationen zurechtzukommen: Siehaben die Kämpfe mit ideologisch fixierten Elternweniger zu fechten und zu fürchten, sind ihrenn“Vorreitern“, ihren Brüdern und Schwestern aller-dings in der Tat lange Zeit auf Gedeih oder Ver-derb ausgeliefert. Rechte, die die Geschwister inzähem Ringen einforderten, werden ihnen groß-zügig gewährt. Oftmals unbemerkt, weil wenigbeachtet, wachsen in irgendeinem “Krähwinkel“prächtige, strahlende Pflanzen heran. Im Familien-rat unerhört ungehört, am geografischen und zeit-lichen Rande derselben milde als harmonisieren-der Frühlingsbote nach einer erneuten “winterli-chen“, “frostigen“, Nacht belächelt, wird sie mitgroßer Verwunderung und Überraschung plötzlichals erfolgreiches Kind registriert. Nicht, dass sieAnsprüche stellt, nein, da verlöre sie ihren Halt,Grund und Boden:Anerkennung ist ihr Streben, ihre Sozialisation istder Kompromiss und die Vermittlung. Ihr Segenist durchaus die späte Geburt, wenn sie es ver-steht, die Chance der späten Blüte zu nützen, undChlorophyll stärkt ihre Triebe, wenn ihresgleichen,ältere Brüder und Schwestern schon an der Mü-digkeit leiden.

Die “Sport - und Kultur Insel” (kurz SPuKI ge-nannt) ist die Letztgeboren des Schulverbundes.Sie wurde am 26.11. 1997 auf Initiative von Leh-rern des NMS /BG /BRG Klusemannstraße gegrün-det.

Anlass dafür war die rigorose bundesweite Strei-chung von Werteinheiten, die die Weiterführungder sogenannten Unverbindlichen Übungen fürunseren Schulstandort verunmöglichte.

Um den Schülern und Schülerinnen auch weiter-hin über das schulische Curriculum hinaus Zusatz-qualifikationen und sinnvolle Freizeitbetätigungenzu bieten, entschlossen sich drei “Verwegene „(siehe Foto), einen Verein zu gründen.

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Wunsch aus den Augen zu verlieren, in ein Groß-projekt (Kletterwand oder Beachvolleyball -,Beachhandballfeld) zu investieren. Als ständigeAufgabe des Vereines ist auch die finanzielle Un-terstützung bei Schulveranstaltungen (Projekt-,Winter-, bzw. Sommersportwochen) für sozialschlechter gestellte Schüler/innen anzusehen,wodurch schon etlichen “Bildungshungrigen” eineTeilnahme ermöglicht wurde.

In diesem Zusammenhang sei auch die VolksbankGraz Bruck als SPuKI Hauptsponsor erwähnt, diedie Verwirklichung unserer Großprojekte jährlichmit ATS 50 000. - unterstützt. Der derzeitigeKassastand von nahezu ATS 200 000.- lässt die-se “Koketterie“ mit den vorhin erwähnten “Träu-men und Visionen“ in große Nähe rücken.Da bleibt dann nur zu hoffen, dass alle Träume undVisionen, auch die der “großen Geschwister”, inErfüllung gehen mögen.Lang lebe die Großfamilie!

nen, Tischtennis, Hiphop über Italienisch -, Eng-lisch -, Spanisch -, IT und Internet -,Gitarren - undSchlagzeugkursen bis hin zuLehrerforbildungsveranstaltungen, Vortragsserien,Chemischen Experimenten, Schach, Philosophie-ren mit Jugendlichen und vieles mehr.

SPuKI ist aber auch für die Schule “identitäts-stiftend”, denn von ihr stammt der letzte Schrittder Schaffung des offiziellen Schullogos undSchulsport-Leibchen, die sich sehen lassen kön-nen:

Wow! 400 Bildungshungrige. Die-se Resonanz war natürlich auchImpetus, um zu investieren. Sowurden im Laufe dieser ZeitBadmintonschläger, Badminton-

netze, eine Gitarre, eine 2m Rail und eine Funboxfür Skateboarder, 10 neue Snowboards, Softbootsund Boardbags, 6 Carvellinos, 5 Kurzcarver, Cd -Player und vieles mehr gekauft, ohne dabei den

Das Team der Sport - und Kultur - Insel: Günther Haller, Klaus Finder, Michael Karacsonyi

Klaus Finder, Günther Haller, Michael Karacsonyi | VIER JAHRE SPUKI

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36DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

PROGRAMME, ANGEBOTE UND AKTIVITÄTENIM SCHULNETZ

Beratungsprozesse sind unterschiedliche Veranstaltungsformen,wie z.B. Seminare, Klausuren, Beratungsgespräche, Coaching,etc. mit externen BeraterInnen. Sie dienen der Organisations-entwicklung oder der Entwicklung von Innovationen.

Verbundfachkonferenzen sind verpflichtende Veranstaltungen füreine FachlehrerInnengruppe im Ausmaß von 1 oder 2 Halbtagen.Sie sind eine Vernetzungsform und unterstützen den kollegialenErfahrungsaustausch und die Entwicklung von notwendigen Ge-meinsamkeiten zwischen den VerbundlehrerInnen. Sie werdenvon den jeweiligen FachkoordinatorInnen mit Unterstützung derKoordinatorin vorbereitet und möglichst ohne externeReferentInnen aber mit ModeratorInnen veranstaltet.

Pädagogische Messen sind von der Schulleiterkonferenz be-schlossene Veranstaltungen von und für LehrerInnen. Es gibtinhaltliche Angebote mit unterschiedlichen Arbeitsformen. ZuMessen werden Gäste eingeladen. Sie dienen intern dem Erfah-rungsaustausch und extern der kollegialen Lehrerfortbildung,sowie der Öffentlichkeitsarbeit. Messen werden von der Koordi-natorin mit Hilfe vereinbarter Gremien aus den Schulen konzi-piert und organisiert. Um dem Prinzip der Vernetzung gerecht zuwerden, soll sowohl die ReferetInnen- als auch dieTeilnehmerInnenzahl möglichst hoch sein.

INTERNE ORGANISATIONDie Verantwortung für die jährliche Programmerstellung liegt beider Kooordinatorin des Schulverbunds Graz-West. Für die Ent-scheidung über Inhalte, ReferentInnen und Organisationsformenvon SCHILF an den Standorten sind die StandortkoordinatorInnenverantwortlich. Die Organisation von Veranstaltungen werden vonKursleiterInnen übernommen. Für die Ausschreibung und An-meldung ist der/die STOK oder die Koordinatorin zuständig. DieAnmeldungsmodalitäten sind jeweils auf das Seminar zugeschnit-ten. Die Letztentscheidung über die Teilnahme von LehrerInnentrifft der Schulleiter.

VERTRAG MIT DEM PIDie Koordinatorin für Schulentwicklung konzipiert in Zusammen-arbeit mit den StandortkoordinatorInnen und den LeiterInnen derVerbundschulen ein Jahresprogramm. Dies wird mit dem PI aus-gehandelt. Während des Jahres können aktuelle Seminare ein-gereicht werden.Ziele, Inhalte, ReferentInnen, Dauer der Semi-nare, Honorarsätze und der Einsatz von KursleiterInnen sind Ent-scheidungen, die im Verbund und nach dem Prinzip der Wirk-samkeit und Sparsamkeit getroffen werden.Die Rahmenbedin-gungen für Veranstaltungen orientieren sich an den Richtliniendes PI: mindestens 16 TeilnehmerInnen, Kursleitung durch eine/n LehrerIn des Verbunds, meist der Initiator des jeweiligen Se-minars , pro Tag ist die Honorierung von max. 8 Einheiten

ZWECK UND ZIELESCHILF ist ein Unterstützungsangebot des PI Stmk. für einzelneSchulen. Sie ist eine nachfrageorientierte Form der Fortbildung,die von einzelnen Schulen nach den Möglichkeiten des PI selbst-bestimmt durchgeführt wird. SCHILF hat immer eine ganze Schu-le im Blickwinkel und orientiert sich am Bedarf der Schule undihren Zielen als auch an den Bedürfnissen der einzelnenLehrerInnen. “SCHILF im Verbund” orientiert sich an den Wün-schen der LehrerInnen und am Bedarf der Verbundschulen, umdie pädagogischen Ziele der Schulmodelle “Neue Mittelschuleim Verbund” und “Autonome Oberstufe” umsetzen zu können.Sie dient der Qualifizierung, Fortbildung und Professionalisie-rung der LehrerInnen Entwicklung nach dem Ansatz der “Schu-le als lernende Organisation” Vernetzung der fünf Schulen, uman gemeinsamen Entwicklungsschwerpunkten zu arbeiten, so-wie Identifikation und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen Wei-terentwicklung des Schulmodells im Sinne der Qualitätsevaluation

THEMEN/INHALTEBei der Programmerstellung wird thematisch auf Vielfalt in be-zug auf die Schulen und auf die gemeinsame Entwicklung imVerbund geachtet. Um Schul-, Innovations- und Qualitäts-entwicklung zu fördern, ist die begleitende und vernetzende Un-terstützung von LehrerInnen und die Untersuchung der eigenenPraxis ein wesentliches Merkmal. “Begleitende Lehrgänge” wer-den klassischen “Einzelseminaren” mit fachdidaktischen Inhal-ten vorgezogen.

TEILNEHMERINNENDie Zielgruppen aller Veranstaltungen sind nach Vereinbarun-gen entweder interessierte LehrerInnen, die freiwillig teilnehmenoder LehrerInnengruppen, die zur Teilnahme verpflichtet werden.Die Ausschreibungen der Veranstaltungen erfolgen je nach Be-darf, Themen und Formen verbundweit oder standortintern.

REFERENTINNENPersonell wird eigenes Knowhow und Potential der Verbund-schulen genauso genutzt wie qualitätsvolle Inputs von aussen.

VERANSTALTUNGSFORMENSeminare sind einmalige Veranstaltungen im Ausmaß von mind.1- max. 3 Halbtagen. Sie dienen vornehmlich der Vermittlungbzw. Weiterentwicklung von didaktisch-methodischen Bereichen.

Lehrgänge sind Veranstaltungen ab mind. 3 Halbtagen und die-nen der fachlichen Weiterbildung von LehrerInnen bei neuen In-halten, die mit dem Schulmodell in Verbindung stehen und derPraxisbegleitung durch Reflexion, Supervision und Aktions-forschung.

SCHILF - SCHULINTERNE LEHRERINNENFORTBILDUNG IM SCHULVERBUND GRAZ-WEST

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Im Auftrag der Schulleiterkonferenz und aufgrund von Anliegen von LehrerInnen des Schulverbunds Graz-West können von derVerbundkoordination standortübergreifende Schulentwicklungsgruppen eingerichtet werden. Diese Arbeitsgruppen bestehen ausmehreren LehrerInnen jedes Verbundstandorts und haben zum Ziel, dem Thema entsprechende Entwicklungsarbeit für denSchulversuch NMS zu leisten. Dies beinhaltet die Entwicklung autonomer Lehrpläne, Unterrichtsmaterialherstellung, Organisationvon kollegialem Erfahrungsaustausch, der Organisation von verbundinterner Fortbildung und der Arbeit an Entwicklungsschwerpunktenfür die Selbstevaluation und Qualitätssicherung.

DIE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR SOLCHE GRUPPEN SIND:1. Der Auftraggeber ist die Schulleiterkonferenz, die Schulentwicklungsgruppen nach entwicklungsstrategischen Überle-

gungen anregt.2. Auftragnehmerin ist die Schulentwicklungskoordinatorin, die folgende Aufgaben übernimmt:− Koordination des standortübergreifenden Arbeitsprozesses− Aushandelung der Rahmenbedingungen für den Arbeitsprozeß mit den SE-gruppen und der Schulleiterkonferenz− Impulssetzungen für die Reflexion der gemeinsamen Arbeitsprozesse und Beratung der Schulleiterkonferenz und der

SE-gruppen hinsichtlich arbeitsstrategischer Entscheidungen− Entscheidung und Organisation der Berichterstattung an die Schulleiterkonferenz− Entscheidung und Organisation erforderlicher direkter Aushandelungskontakte der SE-gruppen mit der Schulleiter

konferenz− Organisation erforderlicher Behördenkontakte− Initiierung und Vorbereitung erforderlicher Beschlüsse der Schulleiterkonferenz und der Behörden− Unterstützung der Leiterkonferenz bei der Kontrolle der Beschlußeinhaltung durch Berichterstattung3. Die Mitarbeit der LehrerInnen in den Schulentwicklungsgruppen basiert auf Freiwilligkeit, soll von Freude getragen sein

und die Gruppe entscheidet über das Ausmaß und die Dauer ihres Arbeitseinsatzes.4. Jede Schulentwicklungsgruppe hat eine/n ProjektleiterIn, der/die dem Auftraggeber berichtspflichtig ist.5. Die ProjektleiterInnen werden von den jeweiligen SE-gruppen bestimmt und sorgen für die Kontinuität der Arbeit.6. Die Koordinatorin vergibt Subaufträge an die jeweiligen ProjektleiterIn der SE-gruppen und begleitet den Arbeitsprozeß

unterstützend.7. Die Mitglieder verfolgen die in den SE-gruppen vereinbarten Ziele, arbeiten an den vereinbarten Aufgaben und fordern

nötige Unterstützung ein.8. Berichte erfolgen nach Vereinbarung mit den beteiligten Gruppen direkt durch den/die jeweilige/n ProjektleiterIn oder

über die Koordinatorin an die Schulleiterkonferenz.9. Die Schulleiter unterstützen ihre jeweiligen Mitglieder der SE-gruppen durch− erforderliche Unterrichtsfreistellungen− Eröffnung von finanziellen Ressourcen− kontinuierliche Begleitung, Unterstützung und Motivation− Einberaumen von Informationsweitergabe an die KollegInnen in der jeweiligen Fach- oder der Schulkonferenz bzw.

dem SCHUKO− Mögliche Berücksichtigung der Arbeitsergebnisse bei strukturellen Entscheidungen− Beschlußfassung für erforderliche Entscheidungen in der Leiterkonferenz− Umsetzung der Beschlüsse an den Standorten

V E R T R A G F Ü R S C H U L E N T W I C K L U N G S G R U P P E N I M V E R B U N D

lich als Seminarorte heran-gezogen werden sollen. Bei anderenSeminarorten, kommen die TeilnehmerInnen oder die Schulenfür deren Bezahlung auf. Die Verwaltung des SCHILF-kontingentsund die Abrechnung der Veranstaltungen obliegt der Koordina-torin und wird nach den Richtlinien des PI durchgeführt. JedeAbrechnung beinhaltet Honorarrechnungen, TeilnehmerInnenli-sten pro Tag und ein Programm nach Einheiten..

möglich.Das PI übernimmt Honorar und Reisekosten/Nächtigungen für ReferentInnen, sowie Kursleitungshonorare imRahmen des Verbundkontingents. Auch hier wird dem Prinzipder Sparsamkeit gefolgt. Besonders für die Unterkunft vonReferentInnen werden vom Verbund, wenn möglich, kostenloseVarianten zur Verfügung gestellt. Für die TeilnehmerInnen wer-den keine Reiserechnungen bezahlt, da die Schulen vornehm-

PROGRAMME, ANGEBOTE UND AKTIVITÄTEN IM SCHULNETZ

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Die Reise nach Waldau. Eine Beraterinanalysiert den kollegialen Erfahrungsaus-tausch mit einer befreundeten SchuleGraz, 1995

SV-Reihe Nr. 9Christa BAUER, Günther HOFBAUER, UteKIENZL, Klaus TASCHKonferenzen anders gemachtErfahrungen, Überlegungen und Tips ausder Klusemannstraße und der Modell-schuleGraz, 1995

SV-Reihe Nr. 10Dorothea PALLIER18 Lernspiele für MathematikGraz, 2001

SV-Reihe Nr. 12Elgrid MESSNER (Hg.)Was leisten unterschiedliche Unterrichts-formen für die Innere Differenzierung?Berichte aus UnterrichtsbesuchenGraz, 1995

SV-Reihe Nr. 13Elgrid MESSNER (Hg.)Aspekte der Leistungsfeststellung und -beurteilung bei Innerer Differenzierung desUnterrichtsThesen und FallstudienGraz, 1996

SV-Reihe Nr.14Franz FRECHProfessionalisierung von Teamarbeit in derSchuleWas hat uns bei der Effizienzverbesserunggeholfen?Graz, 2000

SV-Reihe Nr.15Brigitte PELZMANN, Gernot SCHIRETZ

Pädagogisches Praxiswissen wirdBerufskollegInnen zugänglich gemachtVerbundlehrerInnen untersuchen ihre eige-ne unterrichtliche und schul-organisatori-sche Praxis und dokumentieren sie Publi-kationen als mögliche Grundlage für kol-legialen Erfahrungsaustausch

SV-Reihe Nr. 1Gertraud HOPFERWIESERNeue Mittelschule Schulverbund Graz-West - Die Entstehungsgeschichte desSchulmodellsGraz, 1994

SV-Reihe Nr. 3Wolfgang SCHNELZER (Hg.)Zwei Jahre Schulversuchsarbeit in der Pra-xis. Erfahrungsberichte der LehrerInnen fürdie Dokumentation 1992/93Graz, 1994

SV-Reihe Nr. 4Christa BAUERFörderliche und hemmende Bedingungenfür Innovationsentwicklung.Einführung der lernzielorientiertenLeistungsbeurteilung: Warum war es somühsam?Graz, 1993

SV-Reihe Nr. 5Evelin FUCHS, Franz FRECHVon Teamteaching zu TeamarbeitEin Bericht aus der PraxisGraz, 1995

SV-Reihe Nr. 8Gusti SEIDL

SCHULE ENTWICKELN DOKUMENTE AUS DEM SCHULVERBUND GRAZ - WEST

PÄDAGOGISCHES PRAXISWISSEN VON LEHRERINNEN FÜR LEHRERINNENEINE HEFTREIHE HERAUSGEGEBEN VOM SCHULVERBUND GRAZ-WEST.

Der neue Gegenstand “Ökologie”Der autonome Lehrplan und seine Entste-hung in der PraxisGraz, 1996

SV-Reihe Nr. 16a/16bWaltraud SILLDORFFAlternative Lernformen zum NachmachenEine Sammlung von ausgewählten, bear-beiteten und praxiserprobtenLernspielen für DeutschGraz, 1997

SV-Reihe Nr.17Elgrid MESSNER (Hg.)LehrerInnen beschreiben ihre Arbeit in Un-terricht und SchuleInnovationssteckbriefe für einen pädago-gischen MarktGraz, 1995

IPU – Initiative für projektorientierten Un-terrichtNMS PuntigamThemenzentrierter UnterrichtPlanungsbehelfe aus dem SchulmodellMittelschule – Verbund Graz-West

IPU – Initiative für projektorientierten Un-terrichtNMS PuntigamTeamarbeit in der SchulePlanungsbehelfe aus dem SchulmodellMittelschule – Verbund Graz West

Zu bestellen bei:Verbundkoordination für

SchulentwicklungMag. Elgrid MESSNER

Klusemannstraße 25, A-8053 GrazTel:. 0316/274284

Fax: 0316/273848-12e-mail: [email protected]

Herstellung mit Unterstützungdes Bundesministeriums für Bildung,

Wissenschaft und KunstStrozzigasse 2/5, A- 1080 Wien

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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EINLADUNG

Wir LehrerInnen des Schulverbunds Graz-West bemühen uns um sinnvolle Neuerun-gen in Unterricht und Schule. UnserSchulmodell ermöglicht es, uns in Berei-chen der Reformpädagogik und der demo-kratischen Schulorganisation zu professio-nalisieren. Durch Qualtätsevaluation ver-suchen wir, uns ständig zu überprüfen. DieErfahrungen, die wir machen und das Wis-sen, das wir uns dabei aneignen, möch-ten wir gerne an Sie, liebe KollegInnen,weitergeben.

ANGEBOT

RUFMODULE

nach Ihrem Interesse mit

Informationen über Unterricht in heterogenen Klassen und Formen desTeamteaching

selbst entwickelten Unterrichts-materialien

Anregungen für alternative Lernformender inneren Differenzierung, desfächerübergreifenden Unterrichts, desProjektunterrichts, des offenen Ler-nens, u.a.m.

Wissen aus den neuen Gegenständen“Soziales Lernen”, “Ökologie” undBerufsorientierung”

Informationen über unsere “AutonomeOberstufe” mit Kreativzweig, Naturwis-senschaftlichem Zweig und Sprach-zweigerprobte Formen der alternativenLeistungsbeurteilung

Einblicke in die Teamarbeit vonLehrerInnen im “Stufenteammodell”

MODULFORMEN

SCHULBESUCH

Erfahrungsgespräche mit Verbund-lehrerInnenund/oderUnterrichtsbesucheund/oderNachmittagsseminare

LEHRER/INNENEINLADUNG

Referate in Ihrer Schule

halb- oder ganztägige Seminare an IhrerSchule.

Erfahrungsgespräche an Ihrer Schule

WO, WIE, WANN?

Die Schulbesuche finden an den fünfVerbundschulen statt. Für die Einladungenkommen wir gerne an Ihre Schule.Termine, Dauer, Inhalte und Formen derModule bitten wir telefonisch mit uns zuvereinbaren.Die Module sind kostenlos. Das PI Stmk.übernimmt die Kosten für steirische Schu-len im Rahmen der “schulinternen Lehrer-fortbildung” – SCHILF. Das Ausmaß ge-wünschter Module handeln Sie bitte mitIhrer Kontaktperson am PI aus. Rufen Sieuns an – wir beraten Sie gerne!Unsere Kontaktperson ist: Elgrid Messner,Klusemannstr. 25, 8053 Graz,Tel: 0316/274284, Fax: 0316/273848-12,[email protected]

DIE RUFMODULE

INNERE DIFFERENZIERUNG:WIE MACHT MAN´S?

Alle unsere Klassen sind leistungs-heterogen zusammengesetzt. Um

SchülerInnen individuell zu fördern undfordern, unterrichten die LehrerInnen nachdem Prinzip der inneren Differenzierung.Das Modul versucht Antworten darauf zugeben, was innere Differenzierung ist, wel-che Lerformen besonders dafür geeignetsind, wie z.B. Wochenplanarbeit oderStationenbetrieb, und beschäftigt sich mitden Bedingungen für diese Art des Leh-rens. Leistungsbeurteilung in offenen Lern-formen. Offene Lernformen und die Anfor-derungen der inneren Differenzierung ma-chen eine Auseinandersetzung mit demThema Leistung, Leistungsfeststellung und-beurteilung notwendig. Mehrjährige Erfah-rungen mit alternativen Formen derLeistungsbeurteilung ermöglichen im Mo-dul folgende Inhalte: Wozu alternative For-men der LB? Offene Lernformen und LB,Lernzielorientierte LB, Direkte Leistungs-vorlage/Portfolio in M, D, E, Ph, Bio, H

INTEGRATION

An allen Schulverbundschulen werdenIntegrationsklassen geführt. Sowohl dieHS- als auch die AHS-LehrerInnen habenlange Erfahrung mit dem Unterricht behin-derter Kinder. In diesem Modul berichtensie von ihren Bemühungen, Erfolgen undMißerfolgen und geben für LehrerInnen Be-achtenswertes bei dieser Art des Unter-richts weiter.

EINE “AUTONOME OBERSTUFE”:SPRACHZWEIG, NATURWISSEN-SCHAFTLICHER ZWEIG, KREATIV-ZWEIG

Die Oberstufe der Klusemannstraße wirdin Form eines selbst entwickeltenSchulversuchs geführt, der drei spezielleZweige anbietet. Besonders neue Fächer,wie z.B. “Internationale Kommunikation” imSprachzweig oder “Kreativtechniken” imKreativzweig u.a.m. vermitteln dynamischeFähigkeiten, wie sie die moderne Arbeits-

RUFMODULE FÜR SCHILF AN SCHULEN

ERFAHRUNGEN UND ANREGUNGEN AUS UND FÜR UNTERRICHT UND SCHULE

PROGRAMME, ANGEBOTE UND AKTIVITÄTEN IM SCHULNETZ

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welt verlangen. In diesem Modul wird da-von berichtet, was und wie unterrichtetwird, welche pädagogischen Qualitätsvor-stellungen den Zweigen zugrunde liegenund welche Auswirkungen in der Praxiswahrgenommen werden.

FÄCHERÜBERGREIFENDERUNTERRICHT

In diesem Modul berichten die LehrerInnenvon ihrer Art, fächerübergreifenden Unter-richt zu gestalten. Praktische Erfahrungenmit Planung und Durchführung im Teamwechseln sich ab mit Erkenntnissen ausder Reflexion in der Qualitätsevaluation.Gerne stellen sie selbst duchgeführte Pro-jekte und deren Abwicklung vor.

“SOZIALES LERNEN” ALS NEUESFACH

An allen Verbundschulen wird SozialesLernen als eigener Gegenstand angebo-ten. Im Modul berichten LehrerInnen vonden Lernzielen, von Unterrichtsformen, wiez.B. dem “Klassenrat”, analysieren derenAuswirkungen, geben Unterrichts-materialien weiter und erzählen, worauf zuachten ist.

“ÖKOLOGIE” –EIN NEUER GEGENSTAND

Der Gegenstand Ökologie ist die Zusam-menlegung von Biologie und Geografie undwird von diesen beiden LehrerInnen ge-meinsam unterrichtet. EineSchulentwicklungsgruppe hat einen auto-nomen Lehrplan, Unterrichtsthemen und -materialien entwickelt. Dies und Erfahrun-gen mit Unterricht in der Sensibilisierungvon Kindern für ökologisches und vernetz-tes Denken werden in diesem Modul dis-kutiert.

TEAMTEACHING:BERICHTE AUS DER PRAXIS

Alle LehrerInnen des Verbunds habenlangjährige Erfahrung mit Teamteaching.Welche Formen der Kooperation dabei ent-

wickelt wurden, wie Team-entwicklungsprozesse an Schulen verlau-fen können, wie man am besten im Zweier-team arbeitet und welche AuswirkungenTeamteaching auf SchülerInnen habenkann, wollen die ReferentInnen in diesemModul weitergeben.

TEAMARBEIT IN JAHRGANGSTEAMS:WIE KANN´S FUNKTIONIEREN?

Die fünf Schulen des Schulverbunds sindnach dem “Stufenteammodell” organisiert.Das sind fixe Jahrgangsteams vonLehrerInnen, die wöchentlich tagen und einSchulkoordinationsteam, das sich monat-lich unter der Leitung des Schulleiters trifft.Im Stufenteam wird Unterricht gemeinsamgeplant, über SchülerInnen beraten und inder Erziehungsarbeit kooperiert. DasSchulkoordinationsteam kümmert sich umgesamtschulische Belange. Das Modulbietet theoretisches Wissen über und prak-tische Erfahrungen mit Teamarbeit vonLehrerInnen.

“UNTERRICHTSBESUCHE” –EINANDER ALS KOLLEGINNENFEEDBACK GEBEN

Viele LehrerInnen an den Verbundschulenüben sich im Rahmen ihrerQualitatssicherung und -entwicklung inbeieinander bestellten Unterrichts-besuchen. Ein/e LehrerIn möchte gerneetwas über den eigenen Unterricht her-ausfinden, der/die einge-ladene KollegInbeobachtet und gibt danach wert-schät-zende aber ehrliche Rückmeldung. ImModul werden Motive, Abwicklung, Nutzenund Auswirk-ungen dieser Form der ge-genseitigen Stützung alsBerufskollegInnen vorgestellt.

ALTERNATIVE LERNFORMEN ZUMNACHMACHENDie VerbundlehrerInnen bemühen sich,alternative Lernformen einzusetzen. Be-sonders im Deutsch- und Fremdsprachen-unterricht wurden viele kreative Formenentwickelt, wie z.B. Lernspiele, Wochen-planarbeit, offenes Lernen, usw. Im Modul

können solche Lernformen kennengelernt,praktisch erprobt und unter Anleitung her-gestellt werden.

MATHEMATIK FREIARBEIT

Die LehrerInnen der Schulent-wicklungsgruppe “Mathematik Freiarbeit”arbeiten an Rahmenbeding-ungen für ei-genständiges, operatives Lernen. Wichtigist Ihnen eine anregende Lernumgebung.Deshalb wurden Erarbeitungs- undÜbungsmaterialien für den Mathematik-unterricht entwickelt, hergestellt, erprobtund überarbeitet. Im Modul kann angebo-ten werden:Wozu eigenständiges, operatives Lernen?Wie kann man es ermöglichen? Kennen-lernen von, Erfahrungen mit und Herstel-len von Materialien.

KREATIVES SCHREIBEN IN DEUTSCH

Mit einfachen Anleitungen lenkenDeutschlehrerInnen SchülerInnen gezieltdazu, kreativ und spielerisch epische undlyrische Texte zu verfassen. Im Modul kannman kreatives Schreiben selbst erlebenund sich Tips für die Umsetzung im Unter-richt holen.

DAS SCHULMODELL UND DER SCHULVERBUND

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PRAXISTAGUNGDER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR ERZIEHUNGSWISSENSCHAFTEN

KOMMISSION SCHULPÄDAGOGIK IM SCHULVERBUND GRAZ - WEST

in Kooperation mit Univ. Prof. Dr. H. Seel, Universität Graz

Mittwoch 23. - Freitag 25. September 1998

Bibliothek Klusemann / Verbundschulen / Uni Graz, Merangasse

PROGRAMM

Mittwoch 23.9.Einführungen und Schulbesuche

8h30 Warming up (Bibliothek Klustr.)9h Begrüßung Univ.-Prof. Dr. Helmut Seel9h15 Einführungsreferate und Diskussion(Moderation: Dir. Hubert König)

Präs. Mag. Hans Stadler: “Reformkonzept und Reformpolitik imösterreichischen Schulwesen”Dir. Wolfgang Schnelzer: Das Modell “Neue Mittelschule” undseine EntwicklungDir. Mag. Tanja Weinberger: Das Modell “Auto- nome Ober-stufe” und seine EntwicklungMag. Elgrid Messner: “Der Schulverbund Graz- West und seinQualitätsevaluationssystem”

11h15 Gespräche mit SchülerInnen (Gruppen)Schule und Feedback12h Mittagessen beim Lindenwirt14h30 Gespräch mit Schulsteuergruppe(an Verbundschulen) Schulkontext, Evaluationsaktivitäten, Vorbereitung derUnterrichtsbesuche16h30 Stadtführung (SchülerInnen der Klustr.) TreffpunktJakominiplatz19.00 Empfang der Stadt Graz (Rathaus)

Donnerstag 24.9.Unterrichtsbesuche und Metaevaluation

8h30 Unterrichtsbesuche (Verbundschulen)2. + 3. St., Reflexionsgespräch12h Mittagessen in schulnahen Gasthäusern14h30 Pädagogischer Markt (Klusemannstr.)15h30 Busshuttle zur Uni (von Klusemannstr.)16h Referat und Diskussion (Uni, Merangasse) (Moderation: Prof. Dr. Heinz-Günter Holtappels)Univ. Prof. Dr. Peter Posch : “Stärken und Schwächen derQualitätsentwicklung im SV- West ”

Freitag 25.9.Oberstufe Klusemann und Modellschule

8h30 Gespräch mit OST-team (Bibl. Klustr.)Praxis und Evaluation des Modells, Vorbereitung derUnterrichtsbesuche (ca.15 TagungsteilnehmerInnen)9h30 Pause9h50 Unterrichtsbesuche 3. + 4. St.: LAB, IK, KE, MEK, KREA11h30 Reflexionsgespräch mit besuchten Lehrern12h30 AuswertungsplenumModeration: Prof. Dr. Marianne Horstkemper14h Closing down “Steirische Jausn” (Buffet)

PROGRAMME, ANGEBOTE UND AKTIVITÄTEN IM SCHULNETZ

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42DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

Es musste aber klar sein, wie der weitere Wett-bewerb der beiden Konkurrenten Hauptschule undGymnasium um die gleiche Schülerklientel amgleichen Ort mit dem ungleichen Image der bei-den Markennamen Hauptschule und Gymnasiumausgehen würde: Die reformierte Hauptschule von1986 hatte nämlich keinen Imagegewinn ge-bracht. Im Gegenteil: Der durch die drei Lei-stungsgruppen potentiell verstärkte Leistungs-druck war für manche Eltern abschreckend, unddie sich zur “Einheitsschule” entwickelnde AHS-Unterstufe in der Stadt wurde noch attraktiver.

Die Entwicklung der Volksschulübertritte in Wienund Graz:

Schuljahr HS AHS/MS1982 53,00 47,001987 47,50 52,501992 40,47 59,531997 38,20 61,80

In den Ballungsgebieten verschärft sich dieserTrend noch bezirksweise:Im 20. Wienerbezirk besuchten 1997 noch 2 Drit-tel der Schülerpopulation die Hauptschule, im be-nachbarten 9. Bezirk nur mehr 25 Prozent. DieWiener Schulreformkommission prognostiziertevor einem Jahrzehnt, dass zur Jahrtausendwen-

DAS HAUPTSCHULSTERBEN IN DEN STÄDTI-SCHEN BALLUNGSGEBIETEN

Der konkrete Anlass zur Gründung desSchulverbunds Graz-West war sicherlich der Baueines neuen Gymnasiums für den Westen vonGraz. 20 Jahre hatte die Bevölkerung der BezirkeWetzelsdorf und Strassgang um die Errichtungeines Gymnasiums gekämpft. Während diebildungsbürgerlichen Bezirke im Zentrum undlinks der Mur ausreichend mit AHS versorgt sind,waren die Bezirke rechts der Mur von anderensozialen Schichten bewohnt und daher auchschlechter mit AHS versorgt. Die Bevölkerung die-ser Bezirke hatte sich aber inzwischen soziologischstark verändert.Die Geburt dieses Gymnasiums in derKlusemannstraße hätte unweigerlich den Tod ei-niger Hauptschulstandorte in dieser Gegend be-deutet. - Seit Mitte der 80iger Jahre wurden 9Hauptschulen und 3 polytechnische Schulen ge-schlossen.Die durchaus legitimen standespolitischen Inter-essen der Pflichtschullehrerschaft für die Erhaltungihrer Arbeitsplätze wurden in diesem Falle Verbün-dete im schulpolitischen Ringen um einesozialintegrative Mittelstufe in einem städtischenBallungsgebiet.

Die breite Bewegung der 70iger Jahre zur Reformder Schule der 10 – 14jährigen war 1986 mit derErrichtung der neuen Hauptschule vorläufig zumStillstand gekommen: Der zweite Klassenzug mitseinen pädagogischen und sozialen Mängeln warzwar abgeschafft worden. Eine “durchkomponierteSchulreform” (Rupert Vierlinger) auf der Basispädagogischer Grundlagenforschung, welche al-len österreichischen 10 – 14Jährigen, ob aus derStadt oder vom Land, ob Kinder bildungsnaheroder- ferner Eltern, die gleichen Bildungschancengeboten hätte, war aus historisch – ideologischenGründung, wie noch ausgeführt werden wird, nichtmöglich gewesen.

DIE MITTELSTUFENPROBLEMATIK IN DERÖSTERREICHISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

Hans Stadler

Mag. Hans Stadler, Mitglied der Pro-jektgruppe Neue Mittelschule /Schulverbund Graz - West, ersterDirektor der Klusemannstraße, ehe-maliger Vizepräsident und Präsidentdes Landesschulrat für Steiermark

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In qualitativer Hinsicht:Während früher Grazer Eltern und solche aus dernächsten Umgebung ihre Kinder zum Teil noch auspositiver Überzeugung bezüglich der gediegenenUnterrichts- und Erziehungsarbeit der Hauptschu-le in diese Schulen geschickt haben, und aus die-sem Grunde die soziale und pädagogische Situa-tion stabil war, hat sich die Lage in letzter Zeitzusehend verschlechtert.Die städtischen Hauptschulen müssen sich wirk-lich allen pädagogischen Herausforderungen stel-len:Sie betreuen Schüler aus Familien mit “geringensozialen Fähigkeiten” (BSI Josef Lang) und Schülermit durchschnittlich geringeren kognitiven Fähig-keiten sowie Teilleistungsschwächen. In einigenKlassen gibt es 30 Prozent der Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache und mehr. Der Durch-schnitt des Ausländeranteiles der Schüler an denGrazer Hauptschulen beträgt im Schuljahr 2000/2001 19,44 Prozent. Dazu kommt die Integrati-on von Kindern mit sonderpädagogischemFörderbedarf und manchmal extremenVerhaltensschwierigkeiten. Manche Eltern setzennämlich ihre ganze Hoffnung darauf, dass die so-zialen Defizite ihrer Kinder durch das Zweilehrer-system in den Integrationsklassen behoben wer-den können. Geistig behinderte Kinder können inder beginnenden Pupertät zu einer schweren Be-lastung des Klassenklimas werden. Die Integrati-on, die sich in der Grundschule bestens bewährt,weil da noch ein stabiles soziales Gefüge besteht,führt unter den Rahmenbedingungen der städti-schen Hauptschule oft zur Überforderung derLehrerInnen. Burnout-Syndrom und eine frühe“Abschiedsdynamik” (LSR-Studie “Gesundheits-und Altersgerechte Schule”1999) sind daher andiesen Schulen häufiger anzutreffen. Die Haupt-schullehrerschaft musste einen totalen Wandelihrer pädagogischen Einstellung vollziehen. ImHinterkopf haben sie zwar noch die auf den Fach-unterricht zentrierte alte Hauptschule. Nun stel-len sie sich zuerst einmal auf die individuelle Lern-

de 70 % aller Volksschulabsolventen in die AHS-Unterstufe übertreten würden, wenn dieSchulorganisation im Bereich der 10 – 14Jährigenunverändert bliebe. Durch den nicht vorherseh-baren Anstieg der Zahl der Migrantenkinder imZusammenhang mit dem Fall des Eisernen Vor-hangs und des Bosnienkrieges hat sich die Progno-se nicht ganz bestätigt. Der Anteil der Kinder mitnichtdeutscher Muttersprache an den WienerHauptschulen betrug im Schuljahr 1996/97 37,16Prozent, von den deutschsprachigen Schülernbefanden sich nur mehr 22,47 Prozent an derHauptschule und bereits 77,53 Prozent in denWiener AHS. Aber auch der Anteil derMigrantenkinder in der AHS ist deutlich im Anstei-gen. Derzeit besuchen schon fast 40 Prozent die-ser Kinder eine AHS-Unterstufe oder eine NeueMittelschule. “Die Schließung von bis 20 Prozentder Hautschulstandorte ist durchaus vorstellbar”,meinen die zuständigen SchulaufsichtsbeamtenLSI Walter Weidiger und BSI Wolfgang Gröpel inihrer Publikation “Mittelschule/Schulverbund alsAusweg aus der bildungspolitischen Sackgasse derGesamtschuldiskussion”, in: “Erziehung und Un-terricht” 1/2/98, Seite 18.

DIE KRISE DER GRAZER HAUPTSCHULEN

In quantitativer Hinsicht:Der drastische Geburtenrückgang in den 70igerund 80iger Jahren konnte in Graz im Gegensatzzu Wien nicht in ähnlicher Größenordnung durchMigrantenkinder wettgemacht werden. Seit Mitteder 80iger Jahre mussten wie eingangs erwähnt,9 Hauptschulen und 3 polytechnische Schulengeschlossen werden. Die AHS haben ihre Kapazi-täten an den bestehenden Standorten durchprozentuell steigende Aufnahmequoten gehalten,ja es sind sogar neue AHS-Standorte geschaffenworden: Das RG Körösistraße, die Modellschuleund die Graz International Bilingual Scool (GIBS)und schließlich auch das BG/BRGKlusemannstraße.

Hans Stadler |DIE MITTELSTUFENPROBLEMATIK IN DER ÖSTERREICHISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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reich und in der Bundesrepublik Deutschland vor-herrschten, widerspiegeln die gesellschaftlichenGliederungen und die Ausbildungsbedürfnisse derWirtschaft eines früheren Zeitabschnittes. Für dieAgrarbevölkerung reichte die Volksschule. InÖsterreich konnte bis in die beginnenden 70igerJahre des 20. Jahrhunderts in derVolksschuloberstufe die Schulpflicht erfüllt wer-den. Die “Bürgerschule” erfüllte die Ausbildungs-bedürfnisse des Kleinbürgertums in den Städtenund größeren Märkten. Die Gymnasien in denStädten dienten der Ausbildung der großbürger-lichen Eliten und der höheren Beamtenschaft.Die USA, die keine feudal-absolutistische Ge-schichte und daher auch keine ständisch geglie-derte Gesellschaft kennt, entwickelte schon Endedes 19. Jahrhunderts die High School als Einheits-schule für die gesamte Schülerpopulation. DiesemBeispiel folgte das entgegengesetzteGesellschaftsmodell der Sowjetunion mit ihrereinheitlichen 10-Jahresschule. Nach dem erstenWeltkrieg schlugen viele europäische Staaten denWeg von der vertikal gegliederten Schule zurEinheitsschule ein. Durch Faschismus und Kriegwurden diese Schulreformprozesse unterbrochen.

Die Tragödie des zweiten Weltkrieges veranlassteBildungspolitiker und Pädagogen auf Erziehungzur Demokratie zu setzen. Soziale, politische, ras-sische und religiöse Vorurteile sollten dadurchabgebaut werden, dass alle Kinder die gleicheSchule besuchen. Die Einheitsschulsysteme wur-den von den Pädagogen zu Gesamtschulsystemenweiterentwickelt. Der Unterschied ist im wesent-lichen folgender:In Einheitsschulsystemen besuchen alle Kindervom Beginn bis zum Ende der Schulpflicht –manchmal sogar darüber hinaus - dieselbe Klas-se und werden im wesentlichen undifferenziertnach dem gleichen Lehrplan unterrichtet. UnsereVolksschule ist ein klassisches Beispiel einerEinheitsschule.In den Gesamtschulen werden verschiedene Dif-

situation ihrer Schüler ein, und der Erwerb sozialerKompetenzen wird zu einem vorrangigen Lern-ziel, um diese Kinder auf das Leben in der Berufs-welt vorzubereiten.

Um diesen ungleichen Wettbewerb von der ande-ren Seite her plastisch vorstellbar zu machen, seidie ungleiche Konkurrenzsituation im GrazerStadtbezirk Liebenau exemplarisch beschrieben:Der AHS-Standort ist die alte InternatseliteschuleHIB-Liebenau, die in früheren Zeiten die Bestendes Landes als Schüler angezogen hatte. Um sichdem gesellschaftlichen Wandel anzupassen unddas sich stark ausweitende Bildungsangebot imganzen Land wettzumachen, hat man die Aufnah-mebedingungen und den Internatsbetrieb gelok-kert, auch Mädchen aufgenommen und als ersteFremdsprache Französisch durch Englisch ersetzt.Zuletzt wurde in der Oberstufe ein sportlicherSchwerpunkt gesetzt, um auch in der Oberstufeattraktiv zu sein. Welche Möglichkeiten haben dieumliegenden Liebenauer Hauptschulstandorte?Diese haben grundlegende Veränderungen in pro-fessionellen Organisationsentwicklungsprozessenvollzogen. Für das totale Engagement derHauptschulleherInnen gibt es trotzdem wenigAnerkennung:

Die Schülerzahlen stagnieren im einen Fall imanderen Fall sinken sie rapide ab. Während dieHauptschulen in den Ballungszentren teilweise dieAufgaben der Sonderschulen übernommen haben,haben die AHS teilweise den Charakterundifferenzierter Einheitsschulen angenommen.Und so sind auch diese pädagogisch überfordert.

EINHEITSSCHULEN, VERTIKALE AUSLESE-SCHULEN UND GESAMTSCHULEN

Die Erziehungswissenschaft unterscheidet diesedrei Schulsysteme:

Die vertikal gegliederten Systeme, die in Öster-

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nasiallehrer, was ja auch in anderenSchularten der Fall ist)

Das Konzept einer einheitlichen Mittelschule wurdevon den konservativen Kräften massiv abgelehnt.Die “ Vereinigung christlich – deutscher Mittel-schullehrer” arrangierte sich zwar mit dem Zeit-geist verbal, wenn sie in ihren damaligen Leitsät-zen zur “ Einheitlichkeit in der Gleichheit des Er-ziehungszieles ...bekennt”. Die organisatorischenKonsequenzen daraus, die den Interessen derdamaligen Mittelschullehrer als berufsständischeGruppe widersprach, wurden aber abgelehnt. Esheißt in denselben Leitsätzen: “Die Vereinigunglehnt dagegen jede Einheitsschulbewegung ab,welche die bestehenden Mittelschulen auseinan-derreißt und zerstört”(zitiert nach H. Schnell,a.a.O., Seite 48).Obwohl die politischen Auseinandersetzungen imJahre 1927 einen ersten negativen Höhepunkterreichten, gelang den Schulpolitikern ein histo-rischer Kompromiss, der im wesentlichen bis heu-te Gültigkeit hat: Die Kompromisslösung war dasHauptschulgesetz vom 2. August 1927, mit demdie verschiedenen Schulformen für die 10 –14Jährigen – mit Ausnahme des humanistischenGymnasiums – durch die neu geschaffene zwei-zügige Hauptschule einheitlich organisiert wurden.Auch die Lehrpläne waren identisch. Über diesenhistorischen Kompromiss kam auch das großeSchulgesetzeswerk der zweiten Republik im Jah-re 1962 bei aller Verbesserung der “Brücken undÜbergänge” nicht hinaus.Inzwischen wurde das Rad der Geschichte zurück-gedreht. Der austrofaschistische Ständestaat hob1934 die Zweizügigkeit der Hauptschule auf undführte die Volksschuloberstufe wieder ein. Dasdreigliedrige vertikale Schulsystem entspracheben dem Geist der Verfassung des Ständestaatesbesser: Das System der parlamentarischen Par-teien wurde durch die ständische Gliederung desStaatsvolkes als politische Kategorie ersetzt.Die zweite Republik hatte daher einen schwierigen

ferenzierungen vorgenommen, in erster Linienach der Leistungsfähigkeit der Schüler, um diemethodisch-didaktischen Maßnahmen optimal ab-stimmen zu können. (vgl. Hermann Schnell, DieNeue Mittelsschule als Gesamtschule, 1980). InÖsterreich schlug sich dieser internationale Trendso nieder:Nach dem ersten Weltkrieg und dem Ende derHabsburger Monarchie erfasste der Enthusiasmusfür die Republik und eine demokratische Gesell-schaft auch dem Bereich der Bildung: Die Kinderdes gesamten Volkes sollten in den Genuss glei-cher Bildungschancen kommen. Die damaligeSchulreformbewegung griff das liberale Gedan-kengut auf, das hinter dem Reichsvolks-schulgesetz 1869 steht. Die Weiterführung derdamals geschaffenen einheitlichen Volksschulesollte nun bis zur 8. Schulstufe erfolgen, um dievordemokratischen Bildungsbarrieren zu beseiti-gen, die noch aus feudal-absolutistischen Zeitenstammten.Die unter dem Wiener StadtschulratspräsidentenOtto Glöckel entwickelte Allgemeine Mittelschulefür die 10 – 14Jährigen war jenen Grundsätzenverpflichtet, die heute noch gültig sein können:

1. Vermeidung einer zu frühen Selektionnach Begabung, Bildungsweg – undBerufswahlabsicht.

2. Gleicher Lehrplan für alle 10 – 14Jährigenwie schon vorher in der Grundschule.

3. Zusammenführung aller Kinder einer Al-tersstufe in eine Klasse im Interesse dersozialen Koedukation.

4. Einrichtung schulinternenDifferenzierungsmaßnahmen, weil “gera-de während dieser Jahre die Differenzie-rung nach Höhe und Richtung der Bega-bung sowie nach ihren Neigungen allmäh-lich stärker hervortritt”(zitiert nach H. Schnell, a.a.O., Seite 48).

5. Kooperation unterschiedlich ausgebildeterLehrer (z.B. Pflichtschullehrer und Gym

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sie nur als fundamentalistisch bezeichnen, wiesie heute für gewisse islamische Staaten im Kampfgegen den Gesellschafts- und Wertewandel bei derEntwicklung von der Agrar- zur Industrie-gesellschaft typisch sind.

In dieser Situation war an eine Lösung derMittelstufenproblematik nicht zu denken. DasNebeneinander verschiedener Schularten, vor al-lem auch die Diskriminierung der Landbevölke-rung gegenüber der Stadtbevölkerung mit ihrentraditionellen Gymnasien blieb als Struktur-merkmal des österreichischen Bildungswesen er-halten.Gerade die bessere Versorgung der Landbevölke-rung mit Bildung veranlasste in Ländern wie Ita-lien und Frankreich Bauernparteien und christde-mokratische Parteien, Gesamtschulen einzurich-ten. Die Weltwirtschaft hatte in der Zwischenzeiteinen derartigen Aufschwung erlebt, dass es inden entwickelten Industriestaaten zu einem Man-gel an Führungskräften gekommen war. Ich erin-nere mich noch an Büchertitel wie “Deutschland,Wirtschaftsriese und Bildungszwerg”. Die OECDverlangte eine Bildungsexplosion. Die Erziehungs-wissenschaft wies auf die Bildungsbarierren dervertikalen Schulsysteme hin, welche eine optimaleAusschöpfung der “Bildungsreserven” verhinder-ten. Die Antwort war die Einführung vongesamtschulartigen Systemen in fast allen entwik-kelten Industriestaaten mit Ausnahme derdeutschsprachigen.Noch unter der ÖVP – Alleinregierung wurde 1969eine parlamentarische Schulreformkommissioneingesetzt, um die Bildungskrise zu beraten, wel-che im Schulvolksbegehren gegen das 9.Gymnasialjahr sichtbaren Ausdruck fand. Noch imselben Jahr wurde vom Unterrichtsministerium einneues Schulorganisationskonzept vorgelegt. Die-ses sah drei Bildungsphasen vor: Grundbildung,fachlich gegliederte Grundbildung, wissenschafts-und berufsbezogene Grundbildung. Als sich dieVereinigung christlicher Mittelschullehrer aber

schulpolitischen Start. Es galt 1945 das unseligeErbe des Nationalsozialismus aufzuarbeiten, diematerielle Not zu meistern und an die erste Re-publik anzuknüpfen, welche auch in einerschulpolitischen Polarisierung ihr Ende gefundenhatte.Durch die Aufteilung Österreichs in vier Besat-zungszonen lag der Wiederaufbau der Schule inerster Linie in den Händen der Bundesländer. Nurin Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärn-ten wurde die zweizügige Hauptschule wieder ein-geführt. Die restlichen fünf Bundesländer griffenauf die Hauptschulverordnung des Ständestaatesvon 1934 zurück. Ein beträchtlicher Teil der 10-14Jährigen besuchte daher dieVolksschuloberstufe. 1948 legte die SPÖ einenGesetzesantrag für eine Neuregulierung der öster-reichischen Schulorganisation vor. Die Allgemei-ne Mittelschule sollte die Mittelstufe für die 10-15Jährigen darstellen, die soziale Koedukationsollte auch auf die Geschlechterkoedukation vonKnaben und Mädchen ausgeweitet werden. Dage-gen legte die ÖVP eine dreigliedrige Mittelstufe wieim Ständestaat vor. Die Gegensätze schienen un-überwindlich. Noch 1960 demonstrierte derChristliche Lehrerverein Oberösterreichs gegenden Plan, die zweizügige Hauptschule in den Städ-ten Linz, Wels und Steyr einzuführen und damitdie Volksschuloberstufe zu ersetzen. Im SCHOG1962 wurde, wie erwähnt, der Stand von 1927wieder erreicht. Der damalige ÖVP-Unterrichtsmi-nister Heinrich Trimmel verteidigte sich für diesenKompromiss in den konservativen Kreisen der ÖVPmit Berufung auf den damaligen BundeskanzlerDr. Ignaz Seipel! Um den historischen Kompromissvon 1927 wieder zu erreichen, musste die SPÖ aufihre Forderung nach Geschlechterkoedukationverzichten, die dann Mitte der 70iger Jahre ver-wirklicht werden konnte. – Das Beispiel der Ab-lehnung des gemeinsamen Unterrichts von Kna-ben und Mädchen durch die Führungsschicht despolitischen Katholizismus lässt einen tiefen Blickin die Mentalität und Ideologie dieser zu. Man kann

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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wegs für die Integration derSekundarstufe I gesprochen haben undüber jeden Verdacht der“schulversuchsfreundlichen” Manipulationerhaben waren,

- den seit dem zweiten Weltkrieg europaweiten Trend zu Integration der nebenein-ander bestehenden Sekundarschulen unddie Hinausschiebung vonschulorganisatorischer Differenzierung bisan das Ende der Schulpflicht nach wie vornicht zur Kenntnis nehmen.”(Zitiert nach Weidinger/Gröpel, a.a.O.

Seite 14)

Da eine bundesweite Strukturreform der Mittelstu-fe nicht in absehbarer Zeit durchzusetzen war, sichdie pädagogische Situation aber, wie prognosti-ziert, entwickelte, suchte man nach regionalenLösungen. 1989 wurde der Schulverbund Wien –Liesing um die Anton-Krieger-Gasse geschaffen.

Folgende Merkmale haben für die SchulverbündeGeltung:

- Synergetisches Nützen der regionalenRaum- und Lehrerpersonalressourcen

- Nützen der Positiva der unterschiedlichenLehrerausbildung von AHS- u. APS-LehrerInnen

- Eindämmen bzw. Hintanhalten der Not-wendigkeit, dass SchülerInnen in andereBezirke auspendeln müssen (Schule inWohnortnähe), um ein adäquatesLehrplanangbot (Schulartangebot) vorzu-finden

- Intensive, auch auf die Region abge-stimmte Beratung über sinnvolleBildungs- bzw. Berufslaufbahnen

- Vermeiden sozialer, ethnischer undsprachlicher Ghettos – Gedanke der Inte-gration

- Gleiche Berechtigungen an Hauptschulen

1970 zum traditionellen 8jährigen Gymnasiumbekannte, wurde dieser Plan fallen gelassen.Nach dem politischen Machtwechsel zur SPÖ-Alleinregierung wurde 1971 die 4. SCHOG-Novellevom Parlament beschlossen, mit der die Aufnah-meprüfung ins Gymnasium abgeschafft undSchulversuche im Bereich der 10-14Jährigen be-schlossen wurden. Die am besten erprobte Modell-variante war die “Integrierte Gesamtschule” (IGS)mit Stammklassen für den Jahrgang und dreiLeistungsgruppen in Deutsch, Englisch und Mathe-matik. Dieses Modell ersetzte 1986 nach Beendi-gung der Schulversuche die zweizügige Haupt-schule von 1927 bzw. 1962. Die Einbeziehung dergymnasialen Unterstufe war wieder aus historisch– ideologischen, bzw. berufsständischen Gründengescheitert. Mit dem einzigen gymnasialen IGS-Schulversuchsstandort BRG Anton-Krieger-GasseWien ging die Entwicklung in eine neue Richtungweiter: Der Schulverbund von Bundes- undLandesschulen.

DIE SCHULVERBUNDBEWEGUNG

Das Ignorieren der wissenschaftlich sorgfältiggeprüften Erfolge der IGS-Schulversuche durchdie konservativen Schulpolitiker löste in der öster-reichischen Erziehungwissenschaft große Enttäu-schung aus. Univ. Prof. Karl Heinz Gruber fasst siezusammen, in dem er meint:

“Die österreichische Verdrängungsgesellschaft(Ringel) bringt es fertig,

- die massiven internationalen wie österrei-chischen Forschungsbefunde zurpsychometrischen Unverlässlichkeit, so-zialen Unfairness und bildungs-theoretischen Unhaltbarkeit der frühenschulischen Auslese,

- die eineinhalb Jahrzehnte lang aufwendigbetriebenen österreichischenSchulversuche, deren Ergebnisse durch

Hans Stadler |DIE MITTELSTUFENPROBLEMATIK IN DER ÖSTERREICHISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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vorgeschlagen. 1990/91 wurden parallel und ingegenseitigem Erfahrungsaustausch die beidensteirischen Schulreformmodelle Realschule undSchulverbund Graz-West entwickelt.

WORIN SICH DER WIENER UND DER GRAZERSCHULVERBUND UNTERSCHEIDEN

Die Eltern der westlichen Bezirke in Graz, die Jahr-zehnte lang um eine AHS gekämpft hatten,mussten von der Sinnhaftigkeit desSchulverbundsmodells erst überzeugt werden.Diese verlangten selbstverständlich nicht nur einrealgymnasiales Angebot, sondern auch das gym-nasiale mit einer zweiten Fremdsprache ab der 7.Schulstufe. Dabei steht aber nicht die Leistungs-sondern die Interessensdifferenzierung im Vorder-grund. Die SchülerInnen haben die Wahl zwischenzweiter Fremdsprache oder Mathematik/Informa-tik oder Vertiefung in Deutsch, Englisch und Ma-thematik (4 Wochenstunden) einerseits und bild-nerischer Erziehung oder textilem Werken odertechnischem Werken andererseits. Die Vertiefungin den Hauptgegenständen stellt gewissermaßenauch eine äußere Leistungsdifferenzierung dar.Wer das Leistungsziel des Gymnasiums bzw. Re-algymnasiums nicht erreicht, dem wird am Endeder 8. Schulstufe das Abschlusszeugnis der Haupt-schule mit Leistungsdifferenzierung angeboten.Damit sind die Berechtigungen für die weiterenSchulen geklärt. Somit hat der GrazerSchulverbund aus der Not eine Tugend gemacht:Die Stundentafeln der Hauptschule des Realgym-nasiums und Gymnasiums werden mit den Mittelnder inneren und äußeren Differenzierung ineinan-der “verbunden”. In diesem Sinne ist der GrazerSchulverbund eine differenziertere Gesamtschu-le als der Wiener Schulverbund.

und Gymnasialstandorten- Moderner differenzierender Unterricht

(Projektunterricht, Lernen in Sinnzu-sam- menhängen, schülerorientierter Un-ter- richt, problemorientiertes Lernen,

handlungsorientiertes Lernen) –insbeson- dere die Tatsache des Vor- und

Nachbereitens des Unterrichts imSchulstufenteam bzw. in dessenSubteams

- Gleiche Aufnahmebedingungen- Gleiche Rahmenbedingungen an den Bun

des- und Landesstandorten”(Weidinger/Kröpel, a.a.O. Seite 19/20)

Ein weiterer Verbund wurde inzwischen im 22.Bezirk in Wien geschaffen. Der enorme Bevölke-rungszuwachs im Norden Wiens hätte den Bauneuer Bundesschulen erfordert. Seine Errichtunghatte also eher bildungsökonomische Gründe.

DER SCHULVERBUND GRAZ-WEST

Wie eingangs erwähnt, hätte die Gründung desBG/BRG Klusemannstraße den Niedergang auchder Hauptschulen im Grazer Westen bedeutet. DerLandesschulrat für Steiermark hatte inzwischengegen die negative Entwicklung der Hauptschu-len, die auch bereits die Bezirksstädte erfassthatte, das Schulmodell der steirischen Realschu-le mit einer mittleren Reife entwickelt. DiesemModell versagten die Sozialdemokraten zunächstdie Zustimmung, da es nach bundesdeutschenVorbild auf weitere Selektion der 10-14Jährigenorientiert war (dreigliedriges vertikales Schulsy-stem der Mittelstufe).Zur Lösung des in Graz-West entstandenen Pro-blems wurde das Wiener Schulverbundsmodell

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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damalige ÖVP-Bildungssprecher und SalzburgerKollege als Landesschulratspräsident GerhardSchäfer – ein fast so messianischer Gegner derGesamtschule – wiederholt und jedes Mal mitHäme von SPÖ-Abgeordneten erinnert, dass ihmsein steirischer Kollege gerade mit einer Gesamt-schule in den Rücken fiele. Was für die Unterstüt-zung unseres steirischen Anliegens in Wien – zu-mindest in meiner Partei – nicht gerade förderlichwar.

Ich persönlich habe da immer eine weitauspragmatischere Position bezogen. Die sogenann-te AHS-West war mehr als 10 Jahre zuvor geplantworden und ihr Baubeginn stand unmittelbar be-vor. Mir war vollkommen klar, dass in dem Mo-ment, in dem diese AHS ihre Pforten öffnen wür-de, zumindest 4 Hauptschulen nämlich die inStraßgang, in Puntigam, in Algersdorf und dieMorreschule zusperren mussten. Das Haupt-schulsterben war damals in Graz gerade in beson-dere Mode gekommen. Da ich die Hauptschule alsSchultyp immer sehr geschätzt habe, nämlich alseine Schule, die mit viel Einfühlungsvermögen undBehutsamkeit, vor allem bei schwächeren, schwie-rigeren und verspäteten Schülern Abschlüssemöglich macht, die dann durchaus in höhereSchulen weiterführten, wollte ich diese 4 Haupt-schulen auf jeden Fall erhalten. Ein Anliegen, dasvon Erich Bruckner, Hubert Heuberger und spä-

Es ist kaum zu glauben – die “neue Mittelschuleim Verbund” ist 10 Jahre alt. Gleich “betagt” wiedie “Realschule”, mit der sie 1991 das Licht der(Schüler- und Lehrer-) Welt erblickte.

Es war keine leichte Geburt. Für beide nicht. Dennhinter der einen wie der anderen Idee versammel-ten sich – nach österreichischer Manier – sehr baldideologische Gruppen und schließlich politischeParteien.

Der Schulverbund wurde als (sozialdemokrati-scher) Versuch der Einführung einer Gesamtschu-le gesehen, die Realschule wiederum als (elitäre)Schule der Bürgerlichen (WIFI und ÖVP).

Also war auch das jeweilige Lehrer- undSchulbeamten-Team, das die Details der beidenSchultypen ausarbeitete, entsprechend zusam-mengesetzt: Frau Vizepräsident Dietlinde Lederstand einer vorwiegend sozialdemokratischenTruppe für den Schulverbund vor – während ander Spitze der – vorwiegend schwarzen – Real-schulkämpfer Frau Heide Tomaschitz agierte, diegemeinsam mit dem damaligen Leiter des WIFI,Peter Heinz Gebell und seinem GeschäftsführerPeter Hochegger, die Idee der Realschule entwik-kelt hatte. Erst nach und nach ist es gelungen,auch in den Reihen von SPÖ-Bürgermeistern undSchulleitern Anhänger der Realschule zu finden.Umgekehrt war es schwieriger: Der Verbund alslokale Erscheinung in Graz-West kam bei einerAHS und vier Hauptschulen über einen “schwar-zen” Hauptschuldirektor nie hinaus.

Mich hat diese Lagerbildung überrascht. Ich warzwar als vormaliger Klubobmann der ÖVP im Land-tag Parteipolitik gewöhnt – nicht aber in einerderartig abstrakt-ideologischen Variante. Vor al-lem sozialdemokratische Lehrer und Funktionäreließen immer wieder einen fast messianischenEifer erkennen, die gemeinsame Schule der 10 –14-jährigen einzuführen. Im Nationalrat wurde der

DER SCHULVERBUND -TROTZ SCHWERER GEBURT EIN GELUNGENER NACHWUCHS

Bernd Schilcher

Univ. Prof. Dr. Bernd Schilcher,Institutsvorstand für bürgerlichesRecht, Vizedekan an der juridischenFakultät der Karl-Franzens-Univer-sität Graz, ehemaliger Landtagsab-geordneter und Clubobmann, ehe-maliger Präsident es Landesschulratfür Steiermark.

Bernd Schilcher | DER SCHULVERBUND - TROTZ SCHWERER GEBURT EIN GELUNGENER NACHWUCHS

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Die nachfolgende, sich über mehrer Monate hin-ziehende Arbeit beider Entwicklungsteams habeich als äußerst anregend und lehrreich empfun-den. In beiden Entwicklungsgruppen saßen erfah-rene Lehrer und Schulfunktionäre, die ein gewal-tiges Arsenal von pädagogischen Erneuerungeneinbrachten. So kam es zur inneren Differenzie-rung anstelle der Leistungsgruppen, die ich per-sönlich auch immer für falsch gehalten habe, zuIntegrationsklassen für Behinderte, für die sich vorallem die spätere Landesschulinspektorin Dr. Bri-gitte Petritsch und nachmalige Direktorin HelgaVukan stark machten, das Teamteaching zwischenAHS- und Hauptschullehrern, der fächerüber-greifende Unterricht, die Wochenstunden-reduktion, die 45-Minutenstunde, der Projekt-unterricht, die Koedukation bei Leibesübungen,technischem und textilem Werken, die Selbst-evaluation und schulinterne Lehrerfortbildung –vor allem aber die Qualitätsentwicklung in denSchulen. Vieles, was damals ausgebrütet wurde,ist später in Schulversuchen für alle Hauptschu-len angeboten worden.

Natürlich sind wir uns bei den zahllosen Sitzun-gen auch menschlich näher gekommen. Mich hatder spürbare Wille zur pädagogischen Innovation,der etwa bei Tatjana Kaltenbäck, Hans Stadler,aber einer Reihe von anderen Sozialdemokratenzum Ausdruck kam, sehr beeindruckt. So wie aufder Seite der Realschule, der wichtige, starkeBezug zum späteren Berufsleben, nicht nur vonden Vertretern des WIFI, sondern in erster Linieauch von Dr. Peter Härtel und einer Reihe vonDirektorinnen und Direktoren der polytechnischenLehrgänge eingebracht wurde. Das waren sehrspannende und auch befriedigende Wochen undMonate. Ich kann mich noch gut erinnern, als wirin einem gecharterten Autobus von einem dervielen Verhandlungstage in Wien mit der Meldungnach Hause fuhren: Das Ministerium hat uns ge-nehmigt. Wir haben im “Rosenberger” eine ange-messene Siegesfeier veranstaltet.

ter auch Dieter Stark massiv unterstützt wordenist. Die betroffenen Schulen selbst waren eher zu-rückhaltend. Am Tag der Grundsteinlegung für dieAHS Klusemannstraße stand ein einziger prote-stierender Vertreter dieser Schulen am großen –fast leeren – im leichten Nieselregen trüb undunscheinbar aussehenden Baugrund: WolfgangSchnelzer, der Direktor der Hauptschule Puntigam.

Freilich gab es bei mir noch einen zweiten Grund.Mir gefiel die Idee einer Kombination von Haupt-schullehrern und AHS-Lehrern im gemeinsamenUnterricht. Ich habe nämlich die Klassenunter-schiede zwischen Pflichtschullehrern und Gymna-siallehrern nie für richtig gehalten. Auch wenn sieauf eine lange Tradition zurückblicken können. Ineiner Revision der Standesordnung unter KaiserLeopold I. wurden die Gymnasiallehrer dem zwei-ten Stand zugeschlagen – gemeinsam mit denBürgermeistern, Ärzten und Apothekern. Die“Schulmeister” hingegen mussten mit dem vier-ten Stand vorlieb nehmen, inmitten des “fahren-den Volkes” und der Sänftenträger. Diese Kluft istoffensichtlich erhalten geblieben.

Tatsächlich hat sich später, als der Schulversuchlängst lief, gezeigt, dass sich AHS-Lehrer undHauptschullehrer aufs Beste ergänzen können:Die einen mit der stärkeren Betonung der Fach-kompetenz, die anderen mit der besseren päda-gogischen Hinwendung zum einzelnen Schüler.

Schließlich war eine Gesamtschule mit innererDifferenzierung für mich alles andere als einSchreckgespenst. Ich habe mir derartige Gesamt-schulen in Finnland, den USA und England ange-sehen, und festgestellt, dass sie dort, wo sie ohneideologische Belastung laufen, durchaus funktio-nieren. Im ÖVP-Plan 4 zu Lebensqualität hattenwir in einer Gruppe unter der Leitung vonNationalratsabgeordneten Gruber gemeinsam mitWolfgang Schüssel Gesamtschulversuche bereitspropagiert.

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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auch praktisch an allen fünf Schulen vorangetrie-ben wurde, steht den Eltern und Kindern im We-sten von Graz ein moderner, pädagogisch an-spruchsvoller und erfolgreicher Schultyp zur Ver-fügung.

Natürlich musste man und muss es auch in Zu-kunft, ständig um Qualität bemüht sein. Das Zen-trum für Schulversuche unter der Leitung vonHofrat Grogger hat durch mehrere Qualitäts-Un-tersuchungen gemeinsam mit denLandesschulinspektoren Robert Hinteregger undDieter Stark immer wieder auf Qualität undQualitätssicherung bestanden. Auf keinen Fallsollte es zu einem Etikettenschwindel kommen:Also AHS-Reife auf niedrigstem Hauptschulniveau.Daran waren aber auch die Leiter der Schulen unddie Lehrer nicht interessiert. Wir wussten alle, dasswir diesen aufwendigen schüler- und lehrer-orientierten Schulversuch auf die Dauer nur erhal-ten konnten, wenn wir ständig um Schulqualitätbemüht waren.

Ich bin heute sehr stolz auf den GrazerSchulverbund. Er ist ein durch und durch gelun-genes Kind – trotz, oder vielleicht sogar wegenseiner schweren Geburt. Für die nächsten 10 Jahrekann ich ihm nur wünschen, dass er sich so gutwie irgend möglich von parteipolitischenPunzierungen freihält. Es wäre für seine Entwick-lung alles andere als förderlich, wenn er als “ro-ter” Schultyp in der steirischen Bildungssauslagestünde. So wenig wie es der Realschule nützt, als“schwarze” Vorzeigeeinrichtung zu gelten. Dennletztlich sollte es in der Bildungspolitik nur nochdarum gehen, qualitätsvolle, das heißt, den mo-dernen Qualifikationszielen für unsere Jugendentsprechende Schulen zu haben. Nicht mehr –aber auch nicht weniger.

Diese gemeinsame private Erfahrung bei der Ent-wicklung der beiden Schulversuche hat uns natür-lich auch in Wien genützt. Bei den MinisternHavlicek und Scholten, aber vor allem bei Sekti-onschef Leitner. Die Vertreter des Ministeriumsspürten, unseren inhaltlichen Schulterschluss undwaren offenbar von der Tatsache beeindruckt,dass wir uns nicht auseinander dividieren ließen.

Zweifellos hat die zeitliche Kombination beiderSchulversuche im Ministerium ihre Wirkung nichtverfehlt. Nur war es keine “Jungtimierung”, wiedas in der Öffentlichkeit bisweilen dargestelltwurde. Die Führung des steirischen Landes-schulrates wollte beide Schulversuche, den Ver-bund und die Realschule. Weil nach unserem Ver-ständnis beide pädagogischen Erneuerungen inden jeweiligen Zusammenhängen gut für dieSchüler, die Eltern und die Lehrer waren und sind.Dass die sozialdemokratischen Bedenken gegendie Realschule durch den Umstand gemildert wur-den, endlich auch außerhalb von Wien einenSchulverbund zu bekommen, steht außer Zweifel.Daher konnte Minister Scholten letztlich auch derRealschule – noch dazu als Privatschule – zustim-men.

Inzwischen hat sich der Schulverbund hervorra-gend entwickelt. Äußerlich und innerlich. In sämt-lichen Hauptschulen haben die Schülerzahlen zu-genommen. Das Teamteaching funktioniert über-wiegend gut bis sehr gut. Mittlerweile kommen dieLehrer auch mit der starken Differenzierung zu-recht: Drei Hauptschulleistungsgruppen-Notenund eine AHS-Note in den Hauptschulen. Da mitt-lerweile auch die Nachmittagsbetreuung ausge-baut wurde und die Schulqualitätsentwicklungsowohl theoretisch (Peter Posch, Herbert Alt-richter, A. Strittmatter und Elgrid Messner) als

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-West hat weit über die Stadt Graz Ansehen er-reicht und genießt somit Vorbildwirkung für ande-re Schulmodelle, gilt doch dieser Schulver-bundwohl als eines der innovativsten, aus der GrazerSchullandschaft nicht mehr wegzudenkendesModellprojekt, was die gemeinsame Ausbildungund Erziehung der SchülerInnen vom 10. bis zum14. Lebensjahr betrifft.

Erstmalig in Graz und in der Steiermark wurdedurch den Schulverbund Graz West die Idee derGesamtschule verwirklicht; erstmalig gab es einegemeinsame Schule anstelle der üblichen Tren-nung in AHS-Unterstufe und Hauptschule. Wich-tig in dem Zusammenhang ist auch die ausge-zeichnete Kooperation der LehrerInnen – denneine gemeinsame Schule der 10- bis 14jährigenfunktioniert nur, wenn die Unterrichtenden sichgemeinsam dieser Aufgabe annehmen, und wennsie über den “Tellerrand” der Schule hinaus blik-ken können!

Wir alle wissen, dass die anstehenden sozialen undökologischen Probleme nur gelöst werden können,wenn es den Schulen gelingt, neben dem fachli-chen und berufsbezogenen Wissen auch die für dieLösung dieser Probleme nötigen sozialen und po-litischen Kompetenzen und Haltungen zu vermit-teln. Schule muss heute mehr denn je auch dieChance zur Entfaltung und Stärkung der Persön-lichkeit bieten. Der Schulverbund Graz West bie-tet in geeigneter Ergänzung zueinander beides:Allgemeinbildung, Berufsvorbereitung und dieVermittlung sozialer und politischer Schlüssel-

Wir erleben heute leider (wieder) Zeiten, in denensogenannte Reformvorschläge der für Schule zu-ständigen Ministerin eher an das Mittelalter dennan Schulreformpolitik erinnern! Ideologien zurintellektuellen Disziplinierung – und nichts ande-res stellen in Wahrheit die Vorschläge zur“Verhaltensvereinbarung an Schulen” dar – sowieMaßnahmen, die deutlich machen, dass ausSchülerInnen keine kritischen BürgerInnen wer-den sollen, sind der neue traurige Höhepunkt ei-ner konservativen Wende in unserem Land. Glück-licherweise ist der Diskurs über die jüngst geplan-ten Maßnahmen heftig und wurden schon vor ei-nem Jahrzehnt andere, meilensteinartige Wegeeiner echten Schulreform beschritten!

Ein Musterbeispiel dieser Schulreformpolitik wirdheuer 10 Jahre alt und ich gratuliere dazu sehrherzlich! Die KonstrukteurInnen diesesSchulmodells sind einen mutigen und erfolgrei-chen Weg gegangen! Gleichzeitig will ich den en-gagierten LehrerInnen, SchülerInnen und Elternwie auch allen anderen Menschen, die eine Schuletragen, meinen herzlichen Dank aussprechen fürihr Engagement, ihre Arbeit und ihren unermüd-lichen Einsatz! Eine Idee ist nur so gut wie ihrBestehen in der Praxis!

Diese Festschrift wie der Festakt im Juni d.J. mö-gen nach außen weit sichtbare Zeichen dafür sein,dass Schule kein isoliertes Gebilde ist! Schule wird- wie wir alle wissen und tagtäglich selbst erleben- in zunehmendem Maß mit Fragestellungen kon-frontiert und mit Aufgaben betraut, die weit überpädagogische Belange hinaus gehen. Schule kannaber nicht – und in vielen Diskussionen warne ichimmer wieder davor – gesellschaftliche Defiziteohne Bereitstellung zusätzlicher Ressourcengleichsam im Vorbeigehen aufarbeiten.

Was aber eine Schule zu leisten imstande ist, da-für kann der Schulverbund Graz West als ausge-zeichnetes Beispiel dienen! Der Schulverbund Graz

DER SCHULVERBUND GRAZ WEST -EIN MEILENSTEIN IN DER GRAZER SCHULREFORMPOLITIK

Tatjana Kaltenbeck - Michl

Tatjana Kaltenbeck-Michl, Stadträtinfür Kinder, Jugend, Familie, Frauenund Schulen, aktive Begleiterin desSchulverbunds Graz-West

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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schafft damit modellhaft Rahmenbedingungen,die notwendig sind, um das interkulturelle Mitein-ander zu fördern. Der Schulverbund Graz Weststellt mit diesem Unterrichtsprinzip einen ganzwesentlichen gesellschaftlichen Baustein in un-serer Stadt dar – weil die Kultur des Miteinanderan dieser Schule gelehrt, gelernt und gelebt wird!

Als Ressortverantwortliche für Schulen wie auchfür Familien möchte ich auch die schulische Nach-mittagsbetreuung bzw. die ganztägigenSchulformen als einen wichtigen Meilenstein derSchulpolitik noch erwähnen. Berufstätige Elternwollen ihre Kinder auch am Nachmittag professio-nell betreut wissen, dafür habe ich mich innerhalbder Stadt Graz immer stark gemacht; zahlreicheGrazer Schulen tragen dieses Angebot mit undnehmen dadurch den Eltern viele Sorgen ab, auchdafür sei dem Schulverbund Graz West gedankt!

Abschließend möchte ich noch kurz auf möglichekünftige Entwicklungen eingehen: Schule wird oftvon regionalen Entwicklungen beeinflusst, aberkönnte ihrerseits auch Möglichkeiten nutzen,Einfluss auf Stadt(teil)-Entwicklung zu nehmen.Mit markanten Standorten im Grazer Westen wirdsich der Schulverbund inmitten des Projekts inKooperation der Europäischen Union mit der StadtGraz “URBAN 2: Graz West” sich auch in die Stadt-entwicklung und Stadtgestaltung einmischen –das würde ich mir wünschen! Unter Einbeziehungaller BewohnerInnen eines Stadtteils und allenSchulen soll insgesamt ein wichtiger Austausch inBezug auf Bedürfnisse, auf die Fragen und Pro-blemstellungen einer Region erfolgen. DiesesWechselspiel zwischen der Schule und denBewohnerInnen eines Bezirks wird einerseits dieSchule noch mehr als bisher mit lebenspraktischenInhalten füllen und andererseits die Bevölkerungauf vielleicht anstehende Probleme der Schulehinweisen.Zum Geburtstag nochmals alles Gute und aufweitere erfolgreiche Jahre!

qualifikationen.Was heißt das im Detail?Neue Pflicht- und Wahlgegenstände wurden ent-wickelt, auf dem Stundenplan stehen auch: Öko-logie, Soziales Lernen und Berufsorientierung.Neue Unterrichtsformen fördern das Lernen inZusammenhängen – die Kinder lernen mit Kopf,Herz und Hand, die Unterrichtsformen sinderfahrungs- und handlungsorientiert, ganzheitlichund spielerisch. Und das Prinzip “Wohlfühlen durchZuwendung” ist keine leere Worthülse, sonderngelebte Praxis im Schulverbund.

Zu diesen Ergebnissen kam auch eine Evaluierungdieses neuen Schulmodells “Neue Mittelschule”durch die Johannes Kepler Universität Linz; wie wirin dieser Evaluierung lesen können, sind die wich-tigsten Merkmale des Schulverbundes einbewusster Umgang mit der Heterogenität derSchülerInnen durch Teamteaching und Teamarbeitder LehrerInnen, Soziales Lernen und Neue Lern-formen.

Integration auf vielerlei Ebenen ist ebenfalls we-sentlicher Bestandteil des Schulverbundes! Einegemeinsame Schule für die 10- bis 14jährigenunterbindet die Problematik der frühen Selektion,sie bietet als integratives Schulsystem vielfältigeChancen für Kinder, unabhängig von deren unter-schiedlichen Begabungen und mitgebrachter Lern-motivation, miteinander und voneinander zu ler-nen. Eine gemeinsame Schule verhindert verfrüh-te Schullaufbahn-Entscheidungen, und ermöglichtschulische Zeitabläufe, die unterschiedlichen Ent-wicklungsprozessen Rechnung tragen. Eine ge-meinsame Schule fördert neue und wesentlichesoziale und interkulturelle Erfahrungen und Kom-petenzen, und sie fordert in heterogenen Gruppenzu neuen Lernformen und Beziehungskulturenheraus.Der große Integrationswille, die großeIntegrationsbereitschaft des Schulverbundes zeigtsich auch in den zahlreichen interkulturellen Pro-jekten, die an der Schule stattfinden – eine Schule

Tatjana Kaltenbeck | DER SCHULVERBUND GRAZ WEST - EIN MEILENSTEIN IN DER GRAZER SCHULREFORMPOLITIK

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54 DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

größerer Lern- und Handlungsfelder überwunden(Sprachlich-gesellschaftlicher Bildungsbereich mitDeutsch, Geschichte und Sozialkunde, Geographieund Wirtschaftskunde; Naturkundlich-technischerBildungsbereich mit Mathematik, Biologie und Um-weltkunde, Physik, Chemie; GestaltenderBildungsbereich mit Bildnerischer Erziehung,Werkerziehung, Musikerziehung), wodurch diesystematische Einplanung von Projektformen desUnterrichts erleichtert wird (vgl. Weidinger/Gröpel1998).

Um in den Ballungszentren der Bevölkerung denAusfall von Hauptschulstandorten auf Grund derSchülerströme zur AHS-Unterstufe zu verhindernund dadurch vorhandene personelle (Haupt-schullehrer) und materielle (ausgestattete Schul-gebäude), Ressourcen besser zu nutzen, wurdenab 1989/90 Schulverbunde eingeführt (Wien 13.und 23. Bezirk, Graz-West). Dabei kooperiert eineAHS-Unterstufe mit mehreren Hauptschulen derRegion. Alle beteiligten Schulen realisieren dasstrukturelle und didaktische Konzept der „NeuenMittelschule“. In allen beteiligten Schulen sindHauptschullehrer und AHS-Lehrer eingesetzt,sodass auch hinsichtlich der unterschiedlichenLehrerqualifikation an allen Standorten ähnlicheBedingungen gegeben sind. An allen Standortenkann die 8. Schulstufe (4. Klasse) mit dem Zeug-nis des Realgymnasiums abgeschlossen werden.die beteiligte AHS fungiert als regionale AHS-

1983 wurden die Schulversuche mit der Gesamt-schule im Bereich der Schulen der Zehn- bisVierzehnjährigen beendet. Zu einerKomprehensivierung auf der Sekundarstufe I kannes in Österreich nicht, obwohl die Entwicklung inden nord-, west- und südeuropäischen Staatendazu geführt hatten und auch dieSchulversuchsergebnisse in Österreich und in derBundesrepublik Deutschland dafür gesprochenhätten. Die Einführung der Gesamtschule als neueSchulform neben den traditionellen Schultypen,wie dies in mehreren deutschen Bundesländernerfolgte, war in Österreich nicht relevant. Stelltedoch die Hauptschule mit ihrer Leistungs-differenzierung (Klassenzüge) bereits seit denSchulgesetzen 1927 eine „Quasi“-Gesamtschuledar, die als schulgeldfreie Pflichtschule im I.Klassenzug ähnliche Berechtigungen vermitteltewie die schulgeldpflichtigen Untermittelschulen(Gymnasien, Realgymnasium, Realschule, Frauen-oberschule).

Diese Schulstruktur wurde im Schulorganisations-gesetz 1962 weiterhin beibehalten, wobei die Mit-telschulen in „Höheren Schulen“ umbenannt wur-den. In dieser Tradition erfolgte in der 7.SchOG-Novelle 1983 nur eine Reform der Leistungs-differenzierung in der Hauptschule (Fach-leistungsgruppen in der Muttersprache, Fremd-sprache und Mathematik).

Nach der 7.SchOG-Novelle verlagerten sich dieBemühungen um eine Verbesserung imMittelstufenbereich zur inneren Schulreform. Be-reits 1985 wurden Schulversuche mit einem Mo-dell „Neue Mittelschule“ in Wien gestartet, ähnli-che Konzepte wurden für Schulversuche in derSteiermark erarbeitet. Das wesentliche Kennzei-chen der „Neuen Mittelschule“ ist der Ersatz deräußeren Leistungsdifferenzierung durch Formender inneren Differenzierung mit Hilfe des Einsat-zes von Assistenzlehrern (Team Teaching). Dertraditionelle Fächerkanon wird durch die Bildung

ZEHN JAHRE SCHULVERBUND GRAZ-WESTA N L A S S Z U R R Ü C K S C H A U U N D A U S B L I C K A U F D I ESCHULSYSTEMENTWICKLUNG

Helmut Seel

Univ. Prof. Dr. Helmut Seel, Vorstandam Institut f. Erziehungswissen-schaften, Universität Graz, ehema-liger Nationalratsabgeordneter

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pädagogische Berufe“ wird die Durchlässigkeitzweifellos weiter erhöhen.

Die Einrichtung des Schulverbundes Graz-West(vgl. Stadler 1998) war bildungspolitisch mit ei-ner anderen Initiative zur Aufwertung imHauptschulbereich junktimiert: dem Schulversuch„Realschule“. Sie umfasst 6 Klassen, der Polytech-nischen Lehrgang (9. Schulstufe) ist inkludiert,das 10. Schuljahr ist freiwillig und kann mit der„mittleren Reife“ als einem qualifiziertenPflichtschulabschluss beendet werden (vgl.Hudabiunigg 1992). Das Realschulmodell, das nunals Statutarschle geführt wird, orientiert sich ander deutschen Realschule, welche die mittlereSäule des deutschen Mittelstufensystems darstellt.Bezogen auf die österreichische schul-organisatiorische Tradition stellt es wohl die Rück-kehr zu einem didaktisch (Betonung der Berufs-orientierung) und methodisch (Bedeutung desProjektunterrichts) neugestalteten I. Klassenzugder Hauptschule dar. Der Besuch der 6. Klasse (10.Schuljahr) stellte sich als wenig attraktiv heraus.Die „mittlere Reife“ ist in der österreichischenSchulorganisation systemfremd, da dieSchullaufbahnentscheidungen bezüglich derSekundarstufe II nach der 8. Schulstufe fallen.Den Anrechnungen der 6. Klasse auf die Lehre undBerufsschule setzt die Wirtschaft nach wie vorWiderstände entgegen.

In den städtischen Ballungszentren schreitet dieVerschiebung in den Schülerströmen voran. In denEinzugsbereichen von AHS-Unterstufen tretenweniger als 20 % der Volksschulabgänger in dieHauptschule ein. Die Hauptschule ist zur „Real-schule“ geworden, die AHS-Unterstufe wird zur„Gesamtschule“. In beiden Fällen trifft dies aufeine unpassende schultypenspezifischeDifferenzierungskultur: In den Hauptschulen wirdes schwierig bis unmöglich, die Leistungsstan-dards der oberen Leistungsgruppen zu erhalten,die äußere Differenzierung wird damit obsolet. In

Oberstufe. In der 13. SchOG-Novelle 1990 wur-den „Schulversuche zur Differenzierung an Haupt-schulen“ rechtlich begründet.

Die Schulverbundkonstruktionen haben bewirkt,dass sich die Schülerverteilung regional einiger-maßen stabilisierte und die Hauptschulstandortezunächst funktional erhalten geblieben sind.Insebesondere weiterhin rückläufige Schülerzah-len bringen das System jedoch zunehmend ausder Balance.

Zweifellos hat zur Annahme der Schulverbündedurch die Erziehungsberechtigten der Einsatz vonHauptschullehrern und AHS-Lehrern an allenStandorten beigetragen. Damit wird auf ein grund-sätzliches Problem der Integration derSekundarstufe I in Österreich hingewiesen: dieunterschiedliche Lehrerausbildung für diesen Be-reich. Die Entwicklung verlief für die Haupt-schullehrerausbildung in der Zweiten Republikungünstig. Nachdem bereits in der Zeit der Mon-archie und in der Ersten Republik trotz jahrzehn-telanger Diskussion eine Institutionalisierung derAusbildung der Bürgerschullehrer/Haupt-schullehrer an den Universitäten nicht erreichtwurde, erfolgte 1992 die Anbindung an dieVolksschullehreraus-bildung an den post-sekundären Pädagogischen Akademien (vgl. Seel1998). Eine wesentliche Voraussetzung zur Annä-herung der beiden Ausbildungsgänge für Lehrerder Sekundarstufe I wurde nun durch dasUniversitätsstudiengesetz 1997 geschaffen, dasim neuen „Lehramtsstudium“ an den Universitä-ten die Ausbildung von Fachlehrern für zwei „Un-terrichtsfächer“ vorsieht, an Stelle der bisherigenStudien in zwei Studienzweigen wissenschaftlicherDisziplinen (vgl. Seel 1999). Weiters wurden Re-gelungen für den Eintritt von Absolventen derHauptschullehrerausbildung in das universitäreLehramtsstudium geschaffen. Die im Akademie-Studiengesetz (1999) intendierte Überführung derPädagogischen Akademien in „Hochschulen für

Helmut Seel| ZEHN JAHRE SCHULVERBUND GRAZ -WEST

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Unfairness und bildungstheoretischen Unhaltbar-keit der frühen schulischen Auslese, die eineinhalbJahrzehnte lang aufwendig betriebenen österrei-chischen Schulversuche, deren Ergebnisse durch-wegs für die Integration der Sekundarstufe I ge-sprochen haben und über jeden Verdacht derschulversuchsfreundlichen Manipulation erhabenwaren, den seit dem Zweiten Weltkrieg europa-weiten Trend zur Integration der nebeneinanderbestehenden Sekundarschulen und die Hinaus-schiebung von schulorganisatorischer Differenzie-rung bis an das Ende der Schulpflicht nach wie vornicht zur Kenntnis zu nehmen.“ (1998, S. 80).

Eine Standpunktänderung ist bei einem Teil derzuständigen Entscheidungsträger weiterhin nichtin Sicht! Umso wichtiger ist die Entwicklung undPflege von Kompromisslösungen. In diesem Sinnist zu wünschen, dass der Schulverbund Graz-West weiterhin erfolgreiche Arbeit leisten kann.

der AHS-Unterstufe sehen sich die Lehrerinnenund Lehrer unvorbereitet mit der Notwendigkeitinnerer Differenzierung konfrontiert, um die grö-ßere Bandbreite der Lernbefähigungen und Lern-voraussetzungen der Schüler zu bewältigen.

Chancen zur Annäherung der beiden Schultypenergeben sich durch die in der 14. SchOG-Novellevorgesehenen Möglichkeiten zur schulautonomenLehrplangestaltung. Auch der neue „Lehrplan2000“, der in gleicher Weise für die Hauptschuleals auch für die AHS-Unterstufe gilt, nähert dieStrukturen an, z.B. durch die Einführung vonBildungsbereichen zur Integration von Unter-richtsfächern.

Im Hinblick auf unterschiedliche Schulleistungenim zwischenstaatlichen Schulsystemvergleich (vgl.Third International Mathematic and Science StudyTIMMS) ist das Festhalten an der bestehendenSchultypenstruktur nicht begründbar. Schulsyste-me mit komprehensiver Schulorganisation auf derSekundarstufe I erreichten hervorragende Ergeb-nisse, während die Befunde zu Deutschland undÖsterreich nicht den Erwartungen emtsprachenund bereits zu massiver Schulkritik führten. Auchsollte in der Diskussion nicht unbeachtet bleiben,dass die größere Zahl der österreichischen Matu-ranten in Bereich der Sekundarstufe I die Haupt-schule, also die Gesamtschule, besuchte. So kön-nen es wohl nur fragwürdige sozialständischeGesellschaftsvorstellungen mit der Bemühung,sozialelitäre Bildungsprivilegien zu sichern, sein,welche die Weiterentwicklung der SekundarstufeI in Österreich blockieren (vgl. Sertl 1997).Karl-Heinz Gruber (Professor für Erziehungswis-senschaft an der Universität Wien) hat die Proble-matik des Schulbereichs der Zehn- bis Vierzehn-jährigen in Österreich auf den Punkt gebracht:„Die österreichische Verdrängungsgesellschaftbringt es fertig, die massiven internationalen wieösterreichischen Forschungsbefunde zurpsychometrischen Unverlässlichkeit, sozialen

Literatur:

Gruber, K.H.: Das Unbehagen mit der Schulkultur. In: Erziehungund Unterricht 1998, S. 80-90.Hudabiunigg, H.: Der Schulversuch Realschule in der Steiermark.In: Erziehung und Unterricht 1992, S. 370 - 374.Seel, H.: Der Stufenlehrer für die Sekundarstufe I - Eine reali-stische Entwicklungsperspektive der österreichischen Lehrerbil-dung. In: Popp, S. (Hg.): Grundrisse einer humanen Schule,Innsbruck 1998.Seel, H.: LehrerInnenbildung an wissenschaftlichen Hochschu-len - Möglichkeiten im Rahmen der Neuordnung es tertiärenSektors des österreichischen Bildungswesens. In: Erziehung undUnterricht 1999, S. 829 - 837.Sertl, M.: Die Guten ins AHS-Töpfchen, die D-Schicht insHautpschul-Töpfchen. Stadtschulrat für Wien 1997.Stadler, J.: Der Schulverbund Graz-West. In: Erziehung und Un-terricht 1998, S. 32 - 38.Weidinger, W./Gröpl, W.: Mittelschule-Schulverbund als Auswegaus der bildungspolitischen Sackgasse derGesamtschuldiskussion. In: Erziehung und Unterricht 1998, S.13. 22.

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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ein Modell einer “Neuen Mittelschule” für Graz, einTeam unter der Leitung von Frau ChristineTomaschitz das Modell einer “Realschule” ausge-arbeitet. Präsident Schilcher und ich einigten unsdarauf, unseren Einfluss im Landtag geltend zumachen, um für beide Modelle die Zustimmung zuerhalten. Ich erhielt die Unterstützung von HansGroß, damals LH-Stellvertreter und SPÖ-Vorsit-zender und von Dr. Helmut Seel, sowie StadtratWalter Gotschacher und LSI Hubert Heuberger.Darüberhinaus hatte der Bezirk Graz-Wetzelsdorfin Frau LAbg. Erna Minder eine wortgewaltige Be-fürworterin für die Errichtung einer AHS im Ver-bund mit den Hauptschulstandorten Algersdorf,Karl-Morre, Straßgang und Puntigam.

Ich lud die damaligen Präsidenten des WienerStadtschulrates und des Landesschulrates für Stei-ermark zu einem gemeinsamen Wochenende ein,damit sie Gelegenheit hatten ohne politische Ideo-logie die praktische Seite des Schulverbundeskennenzulernen. Präsident Matzenauer präsen-tierte den Schulverbund und Präsident Schilcherstellte das Modell der Realschule vor. Und .... eskam zu einem regen Gedankenaustausch. Heutebin ich der Meinung, dass diese Begegnung dieGeburtsstunde des Schulverbundes Graz-Westwar.

Die Verhandlungen im Landesschulrat Graz und im

Der in den 80er-Jahren durchgeführte Schul-versuch “Integrierte Gesamtschule” zeigte deut-lich, dass die Leistungsgruppen nicht das Modellder Zukunft sein konnten. Kritikpunkte waren derUmstufungsfrust bei Schülern und Eltern, sowiedas Auseinanderdriften der Unterrichtserfolge inden drei Leistungsgruppen. Vorallem die dritteLeistungsgruppe sackte aufgrund mangelnderMotivation durch leistungsstärkere Mitschülerimmer mehr ab, die Verhaltensauffälligkeitenwaren im Steigen begriffen.

Tatjana Kaltenbeck und ich wiesen schon sehr frühin verschiedenen Gremien auf diesen Umstandhin, obwohl es zu diesem Zeitpunkt keineswegsopportun war. Die äußere Differenzierung war fürviele Eltern nicht attraktiv und die AHS erhielt imBallungszentrum Graz einen noch stärkeren Zu-lauf von Schüler aus den 4. Volksschulklassen. DieHauptschule drohte zu einer Restschule zu ver-kommen. 1987 wurde ich Vizepräsidentin imLandesschulrat, ein Jahr später wurde Dr. BerndSchilcher Präsident des Landesschulrates. Schonvor seinem Dienstantritt bei unserer ersten Begeg-nung in der Burg, machte ich ihn auf die fataleLage der Hauptschulen in Graz aufmerksam.

Diese Erfahrungen an den Schulen leiteten einUmdenken der pädagogischen Fachleute und Po-litiker ein. Wien spielte eine Vorreiterrolle. DerPräsident des Stadtschulrates, Hans Matzenauerrichtete gemeinsam mit seinen Mitarbeitern, Dr.Walter Weidinger und Wolfgang Gröppl denSchulversuch “Neue Mittelschule” ein. In diesemModell gab es keine Leistungsgruppen mehr, dieSchüler einer Schulstufe wurden jeweils von zweiLehrern betreut. Es gelang ihnen später auch einGymnasium als Verbundpartner zu gewinnen. Inden Klassen unterrichteten ein AHS- und ein HS-Lehrer gemeinsam. Der Schulverbund Wien wargeboren.Dr. Heribert Michl von der Pädagogischen Akade-mie des Bundes und sein Team hatten inzwischen

10 JAHRE SCHULVERBUND -EIN GROSSER ERFOLG FÜR GRAZ - WEST

Dietlinde Leder

BSI Dietlinde Leder, Mitglied derProjektgruppe Neue Mittelschule /Schulverbund Graz - West, ehema-lige Vizepräsidentin des Landes-schulrat für Steiermark.

Dietl inde Leder | 10 JAHRE SCHULVERBUND - EIN GROSSER ERFOLG FÜR GRAZ - WEST

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dem Ziel von dieser Seite eine Bereitschaft füreinen vertikalen Verbund zu eruieren. Da es aberseitens des Landesschulrates wenig Unterstützungdafür gab, war die Reaktion der BORG-Lehrer auchso wie oben geschildert.

Letztendlich konnten die Schulversuche “NeueMittelschule”, “Schulverbund” und “Realschule”mit dem Schuljahr 1991/92 beginnen. Die Pla-nungsgruppen hatten gute Vorarbeit geleistet.

Heute kann man sagen, dass die Zusammenarbeitzwischen Hauptschul- und AHS-Lehrern funktio-niert sehr gut funktioniert. Die einen bringen päd-agogische Kompetenz und die anderen eine um-fassende Fachausbildung ein. Von Anfang an warim Schulverbund auch die Bereitschaft zur Inte-gration von behinderten Kindern vorhanden. DieVerbundschulen organisieren sich ihre Lehrer-fortbildung selbst und Schulentwicklung wird kon-tinuierlich und bemüht betrieben. Neben vielenkleineren Schulentwicklungsprojekten war dasPilotprojekt zur Einführung eines Qualitäts-sicherungssystems unter der Beratung von Univ.Prof. Dr. Peter Posch, Dr. Anton Strittmatter undUniv. Prof. Dr. Herbert Altrichter wohl eines sicht-barsten Unternehmen der Schulverbundschulen.Das Zentrum für Schulentwicklung unter der Lei-tung von Dr. Günther Grogger evaluiert sowohldie “Realschule”, als auch die “Neuen Mittelschu-len” sowie den “Schulverbund Graz-West”. Alledrei Schulversuche “Realschule”, “Neue Mittel-schule” und “Schulverbund” wurden in der Öffent-lichkeit gut angenommen.

1994 wurde ich Bezirksschulinspektorin in Grazund konnte die Entwicklung des Schulverbundesweiterhin mittragen. Immer wieder hing das Da-moklesschwert der Sparmaßnahmen über uns.Dem Engagement der Leiter und Lehrer ist es zuverdanken, dass unter immer schwierigeren Vor-aussetzungen weiterhin gute Arbeit geleistet wur-de. Mein Dank gilt ihnen, die trotz personeller

Bundesministerium gestalteten sich nicht immerleicht. Ich habe immer bedauert, daß die Mediendie “Realschule” als “schwarzen” und die “NeueMittelschule Schulverbund” als “roten”Schulversuch darstellten. Meiner Meinung nachsollten verschieden Schulversuche angebotenwerden, wenn sie von den Lehrern mitgetragenwerden konnten und von den Eltern auch ange-nommen wurden. “Learning by doing” sowohl füralle Schulpartner als auch für die Schulpolitikersollte richtungsweisend werden. Denn heute - 10Jahre später – zeigt sich, dass viele und sehr un-terschiedliche Schulversuche in der Sekundarstufeexistieren.

Am 28.6.1990 ging nach langen und schwierigenDiskussionen im Landesschulrat der Antrag auf dieErrichtung von Arbeitsgruppen für die “Realschu-le” und den “Schulverbund - Neue Mittelschule”durch. Leiter der Arbeitsgruppe für denSchulverbund war Mag. Johann Stadler, dem Teamgehörten an: Dir. Wolfgang Schnelzer, Mag. KlausWeinberger, Ingrid Ninaus, Hannelore Görsdorf,Tatjana Kaltenbeck, Monika Sackl, Dr. ErhardZach, Mag. Tanja Weinberger und Mag. HannesPokorn.

Inzwischen wurden für die Hauptschulstandorte inGraz Puntigam, St.Andrä, Kepler, Fröbel, Elisabethund Andritz, der Schulversuch “Neue Mittelschu-le” genehmigt. Es gab auch Kontakte meinerseitsmit dem Ziel, am linken Murufer ebenfalls einenSchulverbund zu errichten. Die NMS Elisabeth warbereit, als ersten Schritt dem Seebacher-gymnasium das Tagesheim und UnverbindlicheÜbungen anzubieten, um während dieser Stundenmit AHS-Lehrern zusammenzuarbeiten. Leiderkamen keine gemeinsamen Aktivitäten zustande,da die AHS-Lehrer sowohl vor einer Verschlech-terung ihrer Position als auch vor dem Druck an-derer AHS-Kollegen Angst hatten. Ich führte auchGespräche mit den beiden BORG-Direktoren undden Direktoren der Zubringerhauptschulen, mit

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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Verschlechterungen immer wieder innovativeTeamarbeit leisteten und die Eltern von der Qua-lität der Neuen Mittelschulen im Verbund überzeu-gen konnten.

Ich ersuchte auch die Schulen, ihre standort-unterschiedlichen besonderen Ressourcen zu stär-ken und in den Medien zu präsentieren. Wir ent-wickelten gemeinsam für Graz I Qualitätsstan-dards in Deutsch, Mathematik, Englisch und imFörderunterricht sowohl an den Neuen Mittelschu-len als auch an der Realschule. Zur Zeit wird auchneben dem standortbezogenen Schulprogramman einem gemeinsamen Leitbild des Verbundesgearbeitet. Mein besonderer Dank gilt in diesem

Zusammenhang Frau Mag. Elgrid Messner undFrau Mag. Christa Bauer, die Motoren für dieQualitätsentwicklung im Schulverbund sind und esnoch hoffentlich weiterhin bleiben werden.

Ich bin sehr stolz auf meine Schulversuche imSekundarbereich und zwar auf alle: “Realschule”,“Neue Mittelschule” und den “Schulverbund”. Wirkönnen auch mit den Schülerzahlen zufriedensein. Auch sie sind ein Indikator für hervorragen-de Schulqualität. Ich hoffe und wünsche, daßmeine Lehrer und Lehrerinnen weiterhin soqualitätsbewußt und engagiert arbeiten wie bis-her und wünsche dem “Schulverbund” auch für dieZukunft viel Erfolg und Anerkennung.

DER SCHULVERBUND GRAZ WEST -E I N W E G Z U R W E I T E R E N D E M O K R AT I S I E R U N G D E SBILDUNGSWESEN

Wolfgang Schnelzer

DEMOKRATIE BEI DER ENTSTEHUNG

Das demokratische Recht an der Schulentwicklungteilzunehmen und diese in die Hand zu nehmenist selbstverständlich. Dennoch entwickelten sichim Prozess der Entstehung des Schulverbundesbereits Mechanismen, die zu einer Neuorientie-rung im Umgang mit Behörden, Politiker/innen,Regionalverantwortlichen und der Öffentlichkeit ansich führte.

Dazu waren einige Eckpunkte nötig, die hierstichwortartig angeführt werden :- Inhaltliche Grundlagen zum Thema

“schülerorientierter Unterricht” undKooperationspotential aus allen bildungspolitisch relevanten Ebenen.

- 2 Jahre Erfahrung zweier Schulen in derRegion zum Binnendifferenzierten Unter-

Dir. Wolfgang Schnelzer, Schulleiter der NMS Puntigam, Mitgliedder Projektgruppe Neue Mittelschule / Schulverbund Graz -West

Wolfgang Schnelzer | DER SV GRAZ - WEST - EIN WEG ZUR WEITEREN DEMOKRATISIERUNG DES BILDUNGSWESEN

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Ebene als auf ihren “geprüften Fächern”- Zusätzlicher Einsatz für den sozialen

Lernprozess im Schulhaus- Prozessentwicklung für die Qualität der

Schule- Darstellung des Schulmodells in der Öf-

fentlichkeit- Bildungsveranstaltungen für den Verbund,

Selbstbestimmung der Themen und Refe-rent/innen

- Entwicklung eigener Regionalidentität(West)

- Entwicklung von Präsentationsformen derStandorte für die regionale und pädago-gische Öffentlichkeit

- Kooperation der Standorte inhaltlich undorganisatorisch

- Koordination der Standorte durch einekompetente Person

- Verlagerung von schulinternen Entschei-dungen auf mehrere Personen am Standort (Schulkoordinationsgruppe, Standort-koordinat/orin, Steuergruppe, Schüler/innenrat, Stufenteams )

- Entwicklung eines regional bezogenenSchulkonzepts mit Einbindung aller

Be - troffenen (siehe Zukunfts-konferenz)

Der Diskussionsprozess, was Standorte selbstentscheiden sollen (können) ist noch im Gange.Die Fragen reichen vom Lehrer/inneneinsatz, überdie Lehrer/innenzuteilung bis zur Aufteilung derStunden und dem Einsatz der Fortbildung.

AKTIONSFORSCHUNG UND SELBSTEVALUATION

Als weiterer Aspekt der Demokratisierung in Blick-richtung Eigenverantwortlichkeit der Standorte(der Begriff “Autonomie” wäre hier nicht entspre-chend, da die Verordnung selbiger bloß auf Grunddes Ressourcenmangels erfolgte und nicht um denSchulen tatsächlich Freiräume und Selbst-

richt und zur Lernfeldpädagogik- Eine Protestaktion bei der Grundsteinle-

gung der “AHS” Klusemannstraße.- Ein Landesschulratspräsident Prof. Dr.

Bernd Schilcher, der innovativen Im-pulsen aufgeschlossen entgegenkamund sozusa- gen “von oben” man-chen starren beam- teten (hof-rätlichen) professionellen V e r -hinderern entsprechend und fraktions-übergreifend begegnete.- Der Rückgang der Schüler/

innenanmeldung für die Hauptschulen imBallungsraum Graz und die Standort

gefährdung zweier Hauptschulen imWe- sten von Graz

Klarerweise ist die Entwicklung eines Schulmodellssozusagen “von unten nach oben” mit Hindernis-sen verbunden, weil alle Strukturpunkte gegenalle Hierarchien und Behördenebenen “oberhalb”durchgesetzt werden müssen. Noch dazu warenProzesse einzuleiten, die allen Regeln der bisherdagewesenen Gewohnheiten mitSchulentwicklung widersprach, weil diese auchnoch in den Anfängen steckte. Und es ist ein Ver-dienst der Entwickler des Schulverbundes denStartimpuls zur Schulentwicklung in der Steier-mark ausgelöst zu haben.

FREIRÄUME UND KOOPERATION

Viele Details der nachfolgend verordnetenSchulautonomie wurden zur Zeit der Gründungdes Schulverbundes als notwendiges Selbstver-ständnis sowohl in der Modellbeschreibung, alsauch in den Forderungen für die Umsetzung be-reits formuliert und geplant.- Entwicklung einer reduzierten Stunden-

tafel, um für “andere” Lernprozesse Zeit-einheiten frei zu bekommen (nicht umDienstposten einzusparen).

- Einsatz der Lehrer/innen auf breiterer

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entscheidung zu gewähren.) kann die Arbeit mitder Methode “Aktionsforschung” und später dieEntwicklung der Selbstevaluation “FQS”, sowiedas Folgeprojekt “Qualität 2000” gesehen wer-den. In diesen Projekten wurden Kriterien für dieEvaluation der Unterrichtsqualität entwickelt.Unter-richtsbesuche von Kolleg/innen,Unterrichtsbeobachtungen auch durch Schüler/innen, Recherchen durch Eltern, Feedback-gespräche aller Betroffenen, Beobachtungendurch selbstgewählte Expert/innen von außenleiteten einen gänzlich neuen Prozess der Ent-wicklung und Beurteilung von Unterrichtsqualitätund Profilentwicklung einer Schule ein.

NEUER GESETZLICHER RAHMEN!

Es wäre nun an der Zeit, die gesetzlichen Rah-menbestimmungen an die praktische Realität an-zupassen. Dies beträfe das Dienstrecht ( Einsatzvon AHS und Pflichtschullehrer/innen am Stand-ort, Lehrer/innenausbildung neu, denn unterrich-

ten allein ist nicht mehr genug, Zeitlicher Einsatzder Lehrer/innen, u.a.m.) ebenso, wie das Be-kenntnis der Schulbehörde zu wahrhafter Auto-nomie der Standorte. Ansätze dazu finden im“neuen” Lehrplan (LP 2000) Anwendung, vor al-lem was die pädagogische und lerntheoretischeEbene betrifft.

Schulorganisatorische Prozesse hat die Ver-netzungskultur des Schulverbundes inhaltlich undpraktisch durch die Arbeit und Praxis der Leiter-konferenzen und der Schulverbund-koordination(Dr. Ernst Kret, Mag. Tanja Weinberger, Mag. Chri-sta Bauer, Mag. Elgrid Messner) entwickelt. Ausder mehr als zehnjährigen Entwicklungsarbeitresultierend stehen genügend Beispiele zur Ver-fügung. Täglich versuchen Lehrer/innen ihre Ar-beit den stetig wachsenden Ansprüchen dergesellschaft und einer positiven Lern- und Ent-wicklungsbegleitung der Schüler/innen anzupas-sen. Gerade deshalb ist es auch Aufgabe derSchulverwaltung, ihren Einsatz und ihre Kompe-

Wolfgang Schnelzer | DER SV GRAZ - WEST - EIN WEG ZUR WEITEREN DEMOKRATISIERUNG DES BILDUNGSWESEN

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Pädagogen und Politiker die Gefahr erkannt, diemit dem zunehmenden Druck auf die AHS unddem Hauptschulsterben in den Ballungszentrenverbunden ist. Ohne Gegensteuerung wäre dasNiveau in den AHS-Unterstufen im großstädti-schen Bereich kaum aufrecht zu halten gewesen.Das schlechte Image der Hauptschulen in dengrößeren Städten wie Wien und Graz, und derdamit verbundene Druck der Eltern ihre Kindermöglichst in einer AHS-Unterstufe unterzubrin-gen, musste unweigerlich dazu führen, dass ent-weder das Niveau nach unten angepasst wird oderdass die Anzahl der “Schulversager” sprunghaftansteigt.

In dieser Situation haben sich in der Steiermarkzwei Gruppen gebildet, die mit unterschiedlichenLösungsansätzen das Problem meistern wollten.Auf der einen Seite eine den Sozialdemokratennahestehende Gruppe, die mit einemSchulverbund ihre Idee einer Gesamtschule der10-14-Jährigen verwirklichen wollte und auf deranderen Seite eine den Konservativen naheste-hende Gruppierung, die mit einer Realschule eine“berufsbezogenere” Ausbildungsmöglichkeitschaffen wollte.

Herausgekommen ist eine typisch österreichischeLösung. Sowohl der Schulverbund Graz West alsauch die Realschule wurden als Schulversuch ge-

Vor nunmehr 10 Jahren wurde im Rahmen desSchulversuches “Neue Mittelschule” und “Autono-me Oberstufe” der Schulverbund Graz West ausder Taufe gehoben. Für die im Grazer Westen an-gesiedelten Hauptschulen Puntigam, Straßgang,Algersdorf und Karl Morre war dieser Schulversuchso etwas wie ein letzter Rettungsanker. Das Haupt-schulsterben in Graz hatte gerade seinen Höhe-punkt erreicht und mit der Grundsteinlegung fürdie AHS-Klusemannstraße war klar absehbar, dassein Großteil der 4 Hauptschulstandorte im GrazerWesten über kurz oder lang geschlossen werdenwürde. Für die Identität der betroffenen Bezirkewäre dieses Schulsterben fatal gewesen. Da dieMehrzahl der betroffenen Bezirke ohnehin überkein in der Bevölkerung verankertes Bezirks-zentrum verfügt, wäre mit der Schließung derSchulen eine weitere wichtige Kommunikations-und Begegnungsstätte verloren gegangen.

Aber auch für die ortsansässigen Betriebe hätteeine mögliche Schließung der Schulen großeNachteile gebracht. Viele dieser Klein- und Mittel-betriebe haben ihre zukünftigen Lehrlinge im Krei-se der Absolventen dieser Schulen gefunden. EinHauptschulsterben im Grazer Westen hätte denohnehin schon vorhandenen Facharbeitermangel,auf längere Sicht gesehen, noch um einiges ver-schärft.

Auf der anderen Seite waren es aber gerade dieBezirke des Grazer Westens, die sich vehement fürdie Errichtung einer AHS im Westen von Graz ein-setzten. Federführend war hier der BezirkWetzelsdorf mit seinem damaligen Bezirksvor-steher Stefan Kormann. Nachdem der ursprüng-lich ins Auge gefasste Standort in der PeterRosegger Straße wieder fallen gelassen werdenmusste, konnte in der Klusemannstraße einGrundstück an der Grenze zwischen Straßgangund Wetzelsdorf gefunden werden, das allen An-sprüchen für die neue AHS entsprach.Zum Glück für unsere Bezirke haben engagierte

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

D E R S C H U LV E R B U N D G R A Z W E S T I MSTADTBEZIRK

Leopold Stöhr, Gerald Haßler

Leopold Stöhr, Bezirksvorsteher von Wetzelsdorf; Mag. GeraldHassler, Bezirksvorsteher von Straßgang

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viele der Schulprojekte direkt in und mit den Be-zirken durchgeführt.Als Beispiel seien hier Sozialprojekte mit Alters-heimen oder Umweltprojekte wie der Kröten-wanderweg am Katzelbach in Straßgang genannt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für den Bezirk aberauch für uns als Bezirkspolitiker ist die Möglich-keit, über die Schulen die SchülerInnen anzuspre-chen und damit Rückmeldungen über die Wün-sche und Anforderungen der Jugendlichen an ih-ren Bezirk zu bekommen. Nachdem in der Jugendein gewisses Desinteresse an der Politik herrscht,es aber sehr schwierig bis unmöglich ist, ohneentsprechende Beteiligung oder Rückmeldung derJugendlichen ein jugendgerechtes Angebot in ei-nem Bezirk aufzubauen, sind oft die Einbindungder Schulen und Projekte in Zusammenarbeit mitden Schulen die einzige Möglichkeit, um entspre-chende Grundlagen für bezirksbezogene Jugend-arbeit zu erhalten.

Das wichtigste Anliegen für die Zukunft desSchulverbundes Graz West ist wohl jenes nacheiner Übernahme des Schulversuches in dasRegelschulwesen. Gerade in der derzeitigen poli-tischen Konstellation und unter dem Deckmantelder Kosteneffizienz besteht die große Gefahr, dassder Schulverbund “ausgehungert” werden könn-te und somit nicht mehr die Qualität bieten kann,die er jetzt bietet. Ein Jahrzehnt an Beobachtungund Evaluierung müssen ausreichen, um dieSinnhaftigkeit dieses Schulversuches beurteilen zukönnen und eine Entscheidung zu treffen, die nurlauten kann: “Übernahme in das Regel-schulwesen”.

Für die positive Weiterentwicklung der einzelnenStandorte des Schulverbundes wird es unsererMeinung nach unerlässlich sein, dass die einzel-nen Standorte mehr eigenes Profil entwickeln. Eswird auf Dauer nicht möglich sein, an allen Stand-orten “Alles” anzubieten. Die einzelnen Standor-

nehmigt. Somit haben wir nunmehr seit 10 Jah-ren in unseren Bezirken sowohl den erstenSchulverbund außerhalb von Wien als auch eineRealschule mit dem Standort in Graz/Webling. Ausder Erfahrung, die wir als Bezirksvorsteher mitdiesen Schulformen gewonnen haben, können wirnun sagen: “Beide Schulformen haben ihre Be-rechtigung und beide Schulformen sollten auch inZukunft weiter bestehen und möglichst bald in dasRegelschulwesen übernommen werden.

In den letzten 10 Jahren hat sich der SchulverbundGraz West von einer Vision zu einer lebendigenInstitution entwickelt. Manche der ehemaligenHauptschulstandorte “kränkeln” zwar noch immerein wenig, aber die Schülerzahlen haben zuge-nommen und die Gefahr einer Schließung vonSchulstandorten scheint gebannt.

Die Schulen des Schulverbundes heben sich wohl-tuend von manch anderen Schulen ab. Mit moder-nen Methoden wird versucht, fächerüber-greifendes Wissen nachhaltig bei denSchülerInnen zu verankern. In projektorientierterArbeitsweise werden Wissen und Fähigkeiten ver-mittelt, wobei auch großer Wert auf die Förderungder Eigenständigkeit und Selbständigkeit gelegtwird.

Wichtige Aspekte im Unterricht sind die Teamar-beit und der Erwerb von sozialen Schlüssel-qualifikationen. Bei aller Wissensvermittlung wirdaber auch die Kreativität der Schülerinnen undSchüler nicht vernachlässigt. So bietet dieKlusemannschule in ihrer “Autonomen Oberstufe”einen eigenen “Kreativ-Zweig” an und amSchulstandort in Straßgang werden denSchülerInnen seit kurzem in einer eigenen“Talentewerkstatt” fünf Bereiche angeboten, indenen sie sich kreativ betätigen können.

Auch für die Bezirke bringen die Kreativität unddas Engagement der Schulen Vorteile. So werden

Leopold Stöhr, Gerald Haßler| DER SCHULVERBUND GRAZ - WEST IM STADTBEZIRK

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te werden sich in ihrem Angebot differenzierenmüssen und jeder Standort sollte noch stärkerseine Schwerpunkte herausarbeiten und ausbau-en. Die Klusemannschule als “übermächtiger”Standort im Schulverbund sollte sich zugunstender ohnehin benachteiligten ehemaligenHauptschulstandorte etwas zurücknehmen unddiesen vier Schulen mehr Platz für “exklusive”Entwicklungsmöglichkeiten überlassen.

Ein wesentlicher Standortnachteil, den die vierehemaligen Hauptschulstandorte immer noch zutragen haben, müsste möglichst rasch beseitigtwerden. Die Umlandgemeinden müssen für Schü-lerinnen und Schüler an den vierHauptschulstandorten des Schulverbundes Schul-geld an die Stadt Graz bezahlen. DieKlusemannschule ist als Bundesschule davon aus-genommen. Diese Regelung ist ein wesentlicherNachteil vor allem für die Standorte in Straßgang

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

und Puntigam, da diese Schulen durch ihreStadtrandlage auf Schülerinnen und Schüler ausden Umlandgemeinden angewiesen sind. Auf-grund des zu bezahlenden Schulgeldes “erschwe-ren” die Umlandgemeinden ihren SchülerInnenimmer wieder den Zugang zu diesen Schulen.

Als Bezirksvorsteher sind wir stolz auf “unseren”Schulverbund Graz West und wir sind von seinerQualität überzeugt. Dies wird nicht zuletzt dadurchdokumentiert, dass auch unsere eigenen Kindermit großer Freude eine Schule des Schul-verbundes Graz West besuchen bzw. besucht ha-ben. Deshalb wünschen wir uns, dass dieSchulversuche “Neue Mittelschule” und “Autono-me Oberstufe” möglichst rasch in das Regel-schulwesen übernommen werden, damit dieSchulen des Schulverbundes Graz West in dieserForm für die Bezirke des Grazer Westens erhaltenbleiben.

IST - ZUSTAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVENDER PÄDAGOGISCHEN SCHULENTWICKLUNG IN DER STEIERMARK

Horst Lattinger

Im ausgehenden 20. Jahrhundert ist Bewegung indie steirische Schullandschaft gekommen. Seitetwas mehr als einem Jahrzehnt boomt die päd-agogische Schulentwicklung. Es gibt kaum eineSchule, die sich nicht auf irgendwelche Innovatio-nen eingelassen hätte. Manches hat als Versuchbegonnen und ist längst zur Regel geworden. DieIntegration von Kindern mit sonder-pädagogischem Förderbedarf hat bereits fastflächendeckend in die Volksschulen und in dieHauptschulen Eingang gefunden, auch einige Po-lytechnische Schulen führen bereits – derzeit nochversuchsweise – Integrationsklassen. Reform-pädagogische Elemente bereichern den gesamten

Dr. Horst Lattinger, Amtsfüh-render Präsident des Landes-schulrates für Steiermark

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unterscheidet. Der Unterricht in bewusst hetero-gen zusammengesetzten Klassen, die Betonungder ganzheitlichen Erziehung, die Anpassung desFächerkanons an die Interessensschwerpunkteder Schülerinnen und Schüler sowie, last but notleast, die Vernetzung auf allen Ebenen machenden Schulverbund zu einer Art „Entwicklungsab-teilung“ des Unternehmens steirische Schule. Hierwird das gelebt, was Lehrpläne und Fachpublika-tionen propagieren: Offenes und projektorientier-tes Lernen, Binnendifferenzierung und damit ein-hergehend ein zielorientiertes System derLeistungsfeststellungen, bei dem die Selbstein-schätzung der Lernenden besonders gefördertwird.

Die Stärke des Schulverbunds liegt zweifellos inden Netzwerken – zugleich zeigt sich gerade dar-in, wie bald die Grenzen des Möglichen errreichtsind! Schulinterne und schulübergreifende Vernet-zung erfordert viel Zeit und Energie. Zu den auchim Regelschulwesen üblichen Fachkonferenzenkommen Jahrgangsteams, Verbundfach-konferenzen, monatliche Teambesprechungen al-ler fünf Schulleiter/innen, Konferenzen derStandortkoordinator/inn/en, gemeinsame Sitzun-gen auf Schüler- und Elternebene etc. Termin- undMotivationsprobleme sind bei der Vielzahl von ein-ander zum Teil überschneidenden Netzwerkenunvermeidlich.

Eine weitere Zukunftsperspektive wird imSchulverbund Graz-West durch die eigene Fortbil-dung eröffnet. Die Schulversuchsituation und eingewisser Legitimationszwang führte dazu, dassder Schulverbund auf dem Gebiet der kollegialenLehrerfortbildung zahlreiche Impulse setzte. DieAngebote beschränken sich dabei keineswegs nurauf die fünf Schulen. Ob bei schulinternen oderzentralen Lehrerforbildungsveranstaltungen, Leh-rerinnen und Lehrer des Schulverbundes setzenImpulse für die moderne Unterrichtsgestaltungund berichten über die Erfahrungen, die sie selbst

Pflichtschulbereich. TQMS, OEP, QIS, „Schulen mitProgramm“ – hinter den Kurzformeln verbergensich umfangreiche und aufwändige Projekte, dieallesamt das Ziel haben, die Qualität des Bildungs-angebots zu sichern bzw. zu steigern und die Er-gebnisse der Bemühungen in geeigneter Form zuevaluieren. Die Bereitschaft, als Pilotschule denneuen Lehrplan der Sekundarstufe I bereits vorseinem Inkrafttreten auszuprobieren, war nir-gends größer als in der Steiermark. In diesemZusammenhang gab es auch eine sehr gut funk-tionierende Zusammenarbeit zwischen Haupt-schule und AHS.Im Bereich der Hauptschulen, der AHS-Unterstu-fen und der berufsbildenden mittleren und höhe-ren Schulen wird die Möglichkeit im Rahmen au-tonomer Lehrpläne individuelle Schwerpunkte zusetzen, an vielen Standorten genutzt. Die AHS-Oberstufe ist in Bezug auf autonome Möglichkei-ten benachteiligt. Es ist daher höchste Zeit, dassder Gesetzgeber dieses Manko beseitigt. DerSchulversuch „autonome Oberstufe“ desSchulverbundes Graz-West nimmt die dringendnotwendige Reform der AHS-Oberstufe vorweg.Die drei Schwerpunkte – Kreativ-, naturwissen-schaftlicher und Sprachzweig – erlauben das Ein-gehen auf die individuellen Neigungen und Bega-bungen der Schülerinnen und Schüler, ohne dassdurch eine übermäßige Spezialisierung die mit derReifeprüfung verknüpften Berechtigungen gefähr-det werden.

Neben den 19 steirischen Realschulen ist dasKooperationsmodell des Schulverbundes Graz-West das Innovationsprojekt, das sich der größ-ten Aufmerksamkeit bei Eltern und Bildungs-experten erfreut. Es ist nicht nur die äußere Or-ganisationsstruktur – aus vier Hauptschulen undeiner AHS wurde die gemeinsame Unterstufe„Neue Mittelschule“ -, sondern vor allem das päd-agogische und methodisch-didaktische Gesamt-konzept, das den Schulverbund Graz-West vonanderen Schulen der Sekundarstufe I deutlich

Horst Lattinger | IST - ZUSTAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN DER PÄDAGOGISCHEN SCHULENTWICKLUNG

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freilich nur möglich, wenn möglichst alle Pädago-ginnen und Pädagogen erstens über die grundle-genden Userkompetenzen verfügen und zweitensmit der Mediendidaktik ausreichend vertraut sind.

Daher ist eine der größten Herausforderungen dernächsten Zukunft die möglichst flächendeckendeLehrerfortbildung auf diesem Gebiet. Ohne „hu-man energy“ nützt die teuerste Hardware, dieraffinierteste Lernsoftware und die leistungsfähig-ste Internetanbindung nichts. PC und Internetverändern nicht nur die Situation des Lernens,sondern auch die Rolle der Lehrenden nachhaltig:der Lehrer als Organisator, Begleiter undBetreuuer von Lernprozessen, in denen demSchüler große Selbstständigkeit und Eigenverant-wortlichkeit zugemutet wird. Der Lehrer ist nun-mehr nicht einer, der ein Wissens- undInformationsmonopol zu verwalten hat, sondernein Experte, der dem Schüler zeigt, wie Informa-tionen zu selektieren sind, wie man recherchiert,wie man Informationen verarbeitet und Ergebnis-se präsentiert. Wissensvermittlung hat deshalbnicht ausgedient, wenngleich nunmehr Überblicks-und Orientierungswissen enzyklopädisches Detail-wissen ablöst. Völlig neue und schier unbegrenz-te Möglichkeiten schaffen Computer und Internetim musisch-kreativen Bereich. Programme mitderen Hilfe man in Sekundenschnelle Formen,Farben, Töne variieren und kombinieren kann,bevor man an die Umsetzung ins Reale schreitet,wecken auch in weniger begabten jungen Men-schen Phantasie und Gestaltungswillen. E- bzw.Distance-Learning, Lernen in Netzwerken undandere neuartige Unterrrichtsformen sind im Ent-stehen und werden da und dort bereits praktiziert.

Die Befürchtungen, durch die neuen Medien könn-te die Beziehungskultur Schaden erleiden, sindErnst zu nehmen. Tatsächlich gibt es aber durch-aus Beispiele dafür, dass mit PC und Internet mehrzu erreichen ist als eine oberflächliche Pseudo-kommunikation über Chatting und e-Mail. Richtig

damit gemacht haben. Podiumsgespräche zu ak-tuellen bildungspolitischen Themen, pädagogischeMessen, eine sogenannte Zukunftskonferenz undähnliche Aktivitäten bilden wesentliche Beiträgezur Fortbildung der steirischen Pädagoginnen undPädagogen und zur Information der Öffentlichkeitüber bildungspolitische Anliegen und Schwierig-keiten. Die vom Schulverbund herausgegebenePublikationsreihe „Schule entwickeln: Dokumen-te aus dem Schulverbund Graz-West“ rundet dasBild einer Schule ab, die sich bemüht, nicht nurOrt des Lernens, sondern selbst lernende Orga-nisation zu sein.

In den zehn Jahren seines Bestehens hat derSchulverbund Graz-West bewiesen, dass durch dieBildung schulischer Netzwerke Synergien geschaf-fen werden können. Zu klären ist nunmehr, ob undwie das Konzept dieses Schulversuchs ohne allzuempfindliche Abstriche ins Regelschulwesen über-tragen werden kann. Dabei spielen dienstrechtli-che Hürden – die letztlich auch im Schulversuchnicht beseitigt werden konnten – ebenso eine Rollewie bildungsökonomische Überlegungen. Horizon-tale und/oder vertikale Kooperationen auf freiwil-liger Basis, maßgeschneidert auf regionale Bedürf-nisse abgestimmt, könnten zu mehr Flexibilität,rascherem Reagieren auf sich ändernde Anforde-rungen und Ansprüche und vermehrter Team-bildung (über die Grenzen der Einzelorganisationhinweg) führen. Ressourcen können schul-über-greifend genutzt, Pools besonders qualifizierterExperten gebildet und Schulentwicklungsprozessedurch gegenseitige Unterstützung im Netzwerkeffizienter vorangetrieben werden.

Der Einzug der neuen Medien, der Informations-und Kommunikationstechnologien in die Schulehat begonnen, die Konsequenzen sind zur Zeitnoch gar nicht lückenlos vorhersehbar. Die„Digitalisierung der Gesellschaft“ führt automa-tisch zur Digitalisierung der Schule. Qualitätsstei-gerungen mit Hilfe der neuen Technologien sind

DER SCHULVERBUND IN DER STEIRISCHEN SCHULREFORMPOLITIK

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eingesetzt kann es mit Hilfe der Informations-technologie zum Abbau konventionellerKommunikationsschranken, zur Vertiefungmenschlicher Beziehung und zur Verstärkung de-mokratischer Meinungsbildungsprozesse kom-men.

Vor dem Hintergrund einer digitalisierten Gesell-schaft, einer globalisierten Wirtschaft und einervollautomatisierten Arbeitswelt gewinnen persön-lichkeitsbildende Faktoren in der Erziehung denCharakter von Überlebensstrategien.Das Pädagogische Institut trägt seit Jahren demRechnung, indem eine Verlagerung von der fach-spezifischen Lehrerfortbildung zu methodisch-di-daktischen Schwerpunkten vorgenommen wurde.Fragen, wie man jungen Menschen helfen kann,ihre Selbst- und Sozialkompetenz bestmöglich zuentwickeln, wie man sie in ihrem Selbstwertgefühlstärken und sie zur Verinnerlichung allgemeinanerkannter Wertvorstellungen „verleiten“ kann,bewegen Praktiker und Theoretiker der Bildungs-politik gleichermaßen. Häufig wird in diesem Zu-sammenhang der Begriff „Schlüssel-qualifikationen“ strapaziert...In einer sogenannten „Grundsatzerklärung“ hatder Landesschulrat für Steiermark die Zukunfts-perspektiven der Schulentwicklung definiert. Darinwird festgehalten, dass es keine genormte, für alleSchulen gleichartig vorgebenen Handlungsmuster

geben kann, sondern dass vielmehr auf den be-sonderen Status der Einzelschule Rücksicht zunehmen ist. Die Entwicklungsziele und dieProzessgeschwindigkeit hängen von den Ressour-cen der Tradition, dem Umfeld und ähnlichen Fak-toren ab. Zwei Eckpfeiler sind aber für jedenSchulentwicklungsprozess unerlässlich: EinSchulprogramm und geeignete Evaluierungs-maßnahmen. In der Grundsatzerklärung werdendie steirischen Schulen ermuntert, den vielfachbereits eingeschlagenen Weg systematisch undzielstrebig fortzusetzen, gleichzeitig wird aufUnterstützungsmaßnahmen, vor allem seitens derSchulaufsicht und des Pädagogischen Institutshingewiesen. Auf ministerieller Ebene existiereneinerseits für die einzelnen Schularten, anderer-seits schulartenübergreifend mit dem Q.I.S.-Netz-werk verschiedene Hilfen, die Schulen für ihreQualitätssicherungs- und Evaluationsmaßnahmenin Anspruch nehmen können.

Der Landesschulrat selbst ist vor einigen Jahrenin einen Organisationsentwicklungsprozess einge-stiegen, der in engem Zusammenhang mit derpädagogischen Schulentwicklung steht. Die zu-nehmende Autonomisierung der Einzelschulenlässt für zentrale Instanzen neue Steuerungs-,Koordinations- und Betreuungsfunktionen entste-hen, die nur durch veränderte Strukturen undAbläufe adäquat wahrgenommen werden können.

Horst Lattinger | IST - ZUSTAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN DER PÄDAGOGISCHEN SCHULENTWICKLUNG

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68EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

DER SCHULVERBUND GRAZ - WEST -EIN BEISPIELHAFTES MODELL FÜR QUALITÄTSENTWICKLUNG UNDSCHULREFORM

Heinz Günter Holtappels

SCHLÜSSELQUALIFIKATIONEN: SELBST-STÄNDIGES UND ERFAHRUNGSORIENTIERTESLERNEN IN ZUSAMMENHÄNGEN

Wachsende Lebensrisiken und instabile Lebensbe-dingungen nehmen heutzutage Einfluss aufpsychosoziale Befindlichkeiten und Zukunfts-orientierungen von Kindern und Jugendlichen.Zugleich tritt aufgrund komplexer werdender ge-sellschaftlicher und technologischer Prozesse innahezu allen Lebensbereichen wenig durchschau-bares Expertenwissen an die Stelle von All-tagswissen und kann Desorientierung undVerunsicherung bewirken, dann sind in schuli-schen Lernprozessen heute umso mehr zu leisten.Das Zukunftswissen stammt vermutlich immermehr aus Planungsstäben und Politik, aus Wissen-schaft und Forschung nicht aber aus der direktenLebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Die Ten-denzen der Expertisierung und Mediatisierung desAlltags verlangen mehr denn je nach Aufklärung,

Seit geraumer Zeit kann in der Wissenschaft undder Öffentlichkeit eine intensive Debatte über dieQualität der Schule verfolgt werden. Im Zuge desBestrebens, der einzelnen Schule eine höhereGestaltungsautonomie einzuräumen, registrierenwir zugleich verschiedene neue Konzepte vonSchulentwicklung, die sich zunehmend daraufkonzentrieren, die Einzelschule und die Lehrkräf-te in das Bemühen um Qualitätsentwicklung ein-zubeziehen. Ein solcher Paradigmenwechsel in derSchulentwicklung, von Top-Down-Strategien zurEntwicklungsarbeit der Einzelschule, benötigt ne-ben förderlichen Strukturen im Bildungssystemzwingend die Innovationsbereitschaft, das Enga-gement und die Gestaltungskompetenz von Leh-rerkollegien, um eine gezielte und systematischeEntwicklungsarbeit voran zu bringen.Wer eine solche Schulentwicklungsarbeit in derSchulrealität sucht, wird sie im SchulverbundGraz-West finden. Im Rahmen der Schulversuche“Neue Mittelschule” und “Autonome Oberstufe”erproben die fünf Schulen des Schulverbunds seiteinem Jahrzehnt reformpädagogische Erneuerun-gen. Anlässlich von zwei mehrtägigen Lehr- undForschungsaufenthalten an der Universität Grazim September 1998 und im Januar 2001 hatte ichGelegenheit, die engagierten und professionellenSchulentwicklungsaktivitäten und deren äußerstbeachtlichen Ergebnisse durch intensive Einblik-ke in Schulleben und Unterricht zu erkunden undzu beobachten.

Die fünf Schulen arbeiten kontinuierlich und mitneuesten Schulentwicklungsmethoden an derVerbesserung der pädagogischen Schulkultur, undzwar sowohl hinsichtlich der Lehr-Lern-Kultur undder Erziehungskultur in Unterricht und Schullebenals auch auf der Ebene der Organisationskulturund des Qualitätsmanagements in den Lehrerkol-legien. Hierzu möchte ich einige beispielhafteGestaltungsbereiche der Schulen herausgreifenund ihren Wert für die Qualitätsentwicklung imSchulbereich verdeutlichen:

Univ. Prof. Dr. Heinz Günter Holtappels, Institut für

Schulentwicklungsforschung, Universität Dortmund

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die zunehmend in der Berufswelt und der Lebens-praxis gefordert sind.

FÖRDERUNG UND DIFFERENZIERUNG

Bereits vor und während der Primarschulzeit ver-zeichnen wir eine äußerst heterogene Schüler-schaft mit sehr unterschiedlichen Lernvorausset-zungen, wie zahlreiche Studien zeigen. Schüler/innen weisen nicht nur divergierende Leistungs-niveaus auf, sondern eignen sich Bildungsinhalteauch von ihren Zugangsweisen und Lernwegenunterschiedlich an. Schulen können dieser Hete-rogenität in angemessener Weise nur mit überleg-ten Formen äußerer und innerer Differenzierungsowie mit individueller Förderung begegnen. Be-deutende Forschungen zeigen, dass bei innererDifferenzierung bessere Lernergebnisse erzieltwerden.

Die Schulen des Schulverbunds haben zum einenumfassende Erfahrungen mit differenzierendenMaßnahmen im Unterricht gemacht, insbesonde-re über Schülergruppenarbeit und Arbeitsplänen.Zum anderen gehen die Lehrkräfte im Unterrichtauf die individuellen Lernmöglichkeiten, Interes-sen und Probleme der Schüler/innen ein. Auch dieindividuelle und differenzierte Leistungs-beurteilung und gezielte Leistungsrückmeldungensind hier wichtige Bausteine. Differenzierung undindividuelle Förderung kann dabei vor allem überDoppelbesetzungen und Team-Teaching im Unter-richt sowie über kleine und überschaubare Lehrer-teams auf Klassen- und Jahrgangsebene geleistetwerden. Gerade hinsichtlich der Lern- undLeistungsförderung in intellektuellen, sozialen undkreativen Bereichen zahlt sich ein personal-intensiverer Unterrichtseinsatz in Form von Team-arbeit aus. Die Schulen in Graz-West haben jeden-falls mit einer differenzierten und vielfältigen Lern-kultur die pädagogische Herausforderung durcheine leistungsmäßig und soziale heterogener ge-wordene Schülerschaft angenommen.

Orientierung und Reflexion durch bildenderWissensbestände, um aufgeschlüsselt, verarbei-tet und kritisch reflektiert werden zu können.Gerade im Zeitalter der medialen Informati-onsüberflutung und des fragmentarischen Fakten-wissens kommt dem Bildungsprozess auch dasLernen der Verarbeitungsfähigkeit von Informatio-nen in Zusammenhängen zu. Dazu gehört, dassSchüler/innen lernen, aus den zahlreichen Infor-mationen das jeweils Wichtige auswählen und dasjeweils Richtige folgern zu können.

Sinnzusammenhänge der Lebenspraxis sind des-halb in ganzheitlichen Lernprozessen, mit kogni-tiven, manuellen, sozialen und emotionalen Zu-gängen, zu verdeutlichen. Dazu benötigt die Schu-le interdisziplinäre Zugangsweisen undfächerübergreifendes Lernen. Wenn zudem in derWohnumwelt Lern- und Erfahrungsräume, au-thentisches Erleben und praktisches Handeln ver-loren gehen und bewegungsarmer Medienkonsumgleichzeitig zu Passivität verleitet und selbsttäti-ges Tun verdrängt, gewinnt die Förderung vonEigentätigkeit und praktischem Handeln in schu-lischen Lernprozessen an Bedeutung. Die Schu-len des Schulverbunds tragen diesen gesellschaft-lichen Entwicklungen mit einem modernenBildungskonzept in Inhalten und Methoden Rech-nung: In einer recht differenzierten Lernkultursorgen offene Lernformen und projektorientierterUnterricht in themenzentrierten und fächerberg-reifenden Unterrichtseinheiten für die Vermittlungbedeutender Schlüsselqualifikationen. Ganzheit-liches, praxisbezogenes und erfahrungs-orientiertes Lernen in Zusammenhängen gehtdabei einher mit selbstständiger, eigentätiger undhandlungsorientierter Aneignung komplexerWissensbestände – von der Mittelstufe bis zu deninterdisziplinär angelegten Zweigen der Autono-men Oberstufe. Die Schüler/innen lernen hier vorallem vernetztes Denken, Problemlösungs-kompetenzen, produktorientiertes Arbeiten, Kom-munikation und Teamarbeit – alles Fähigkeiten,

Heinz Günter Holtappels | EIN BEISPIELHAFTES MODELL FÜR QUALITÄTSENTWICKLUNG UND SCHULREFORM

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soziale Bindungen und soziale Begegnungen er-möglicht, sondern auch Gemeinsinn und sozialeVerantwortung gefördert. Über gemeinschaftlicheProjekte wird zudem Urteilsfähigkeit und demo-kratisches Handeln geschult, das Kennenlernenfremder Kulturen und Lebenslagen thematisiertFragen der Solidarität und des Umgangs mit Be-nachteiligten und Schwächeren.In den Schulen des Schulverbunds wird eine in-tensivere Zuwendung zu den Schüler/innen ins-besondere über die Betreuung einer Jahrgangs-stufe durch ein Lehrerteam möglich; so wird dieSchule überschaubarer. Zudem gibt es in zweiSchulen Nachmittagsbetreuung. Auch über dasTeam-Teaching gewährleisten die Lehrkräfte, dassindividuelle auf einzelne Kinder eingegangen wer-den kann. Nicht zuletzt über die Integration vonpädagogisch besonders förderungsbedürftigerKinder zeigen sich die Schulen in Graz-West alsSchulen für alle Kinder.

KOOPERATION UND TEAMARBEIT IN DERSCHULE

Zahlreiche empirische Forschungsergebnisse zei-gen: Intensive Lehrerkooperation und institutio-nell fest gebildete Teamformen tragen ganz erheb-lich zur Entwicklung der Lernkultur bei, verbesserndas Arbeitsklima und bilden zudem eine wichtigeVoraussetzung für pädagogische Erneuerung.Außerdem beugt Kooperation und Teamarbeit derVereinzelung und Überforderung von Lehrkräftenvor, weil eine kollegiale Basis, gegenseitige Unter-stützung und konsensorientierte und gemeinsa-me Entwicklungsarbeit geschaffen wird.Die Schulen des Schulverbunds haben eine bei-spielhafte Kooperationskultur entwickelt. DasStufenteammodell gewährleistet in der Schuleeine dezentral und eigenverantwortlich arbeiten-de Ebene für intensive Kooperation, effektive Ko-ordination und problemnahe pädagogische Arbeit.Über Teamarbeit auf Stufenebene und derTandembildung auf Klassenebene wird Erfah-

SOZIALES LERNEN

Angesichts gesellschaftlicher Pluralisierungs- undIndividualisierungstendenzen besteht ein erheb-licher Bedarf an sozialer Integration. Auch die sin-kende Kinderzahl in den Familien, der Rückgangsnachbarschaftlicher Begegnung und dieVerinselung von Kinderkontakten weisen derSchule eine Schlüsselfunktion für soziales Lernenund das Erleben von Gemeinschaft zu.Soziales Lernen wird in den Schulen desSchulverbunds vor allem über Projektunterrichtund Teamlernen in der Schülergruppenarbeit prak-tiziert: Dadurch, dass Schüler in Lerngruppengemeinsam ihr Projekt planen, durchführen undauswerten, somit gemeinsame Erfahrungen ma-chen, in Gruppen handeln, werden auch sozialeLernprozesse initiiert. Gruppen- und Teamarbeiteignet sich als Sozialform im Projektlernen, umgemeinsam Planungen anzustellen, Probleme zuanalysieren, Lösungen zu entwerfen, Verfahren zubeurteilen und Ergebnisse auszuwerten. Umfang-reichere Vorhaben können am ehesten mit einerLerngruppe arbeitsteilig und kooperativ bewältigtwerden. Projektlernen kann kooperatives Verhal-ten und Teamhandeln fördern, indem Schüler/in-nen jeweils ihre spezifischen Erfahrungen, Kennt-nisse und Fähigkeiten in den Lernprozess einbrin-gen, sich gegenseitig unterstützen und helfen,voneinander lernen statt zu konkurrieren, gemein-sam oder arbeitsteilig Aufgabenstellungen unter-suchen und dialogisch Probleme lösen oder Kon-flikte bewältigen. Dabei werden gleichzeitigSprach- und Kommunikationskompetenzen ge-schult. Projektorientiertes Lernen zielt hier sowohlauf die Förderung sozialer Austauschprozesse alsauch auf den Gemeinschaftscharakter schulischenLernens: Alle Mitglieder sind in den Arbeitsprozesseingespannt, so dass jeder in die Verantwortungund mit Blick auf das gemeinschaftliche Ergebnisin die Pflicht genommen wird, einen Beitrag für dasGanze zu leisten. In solchen Lernarrangementswerden nicht nur stabile Gruppenbeziehungen,

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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evaluation mit externer Unterstützung teilgenom-men. Dazu wurden in den Kollegien nicht nur steu-ernde Konzeptgruppen gebildet, sondernkollegiumsweit auch Qualitätszirkel zu bestimm-ten Gestaltungsbereichen gebildet, um dieSchulkultur weiter zu entwickeln.Dies praktizieren die Schulen in Graz-West jedochnicht nur schulintern, sondern auch, in dem sievoneinander lernen, weil der Schulverbund Chan-cen für netzwerkartige Kooperation in Schul-entwicklungsaktivitäten eröffnet. Dabei leistet dieVerbundkoordinatorin überaus bedeutende Arbeitfür gemeinsame Schulent-wicklungsarbeit. DieVerbundkooperation hat hinsichtlich des Über-gangs in die Oberstufe besondere Bedeutung. Inschulstruktureller Hinsicht stellt der Schulverbundeine lokal vollständige und wohnortnahe Versor-gung mit allen Bildungsgängen und –abschlüssenfür alle Kinder und Jugendlichen der Region sicher.Bislang haben die Versuchsschulen – im Sinne vonWissenstransfer – pädagogische Erkenntnisse undEntwicklungserfahrungen für das Regelsystemweiter gegeben. Dies ist für andere Schulen vonunschätzbarem Wert. Es wäre zu wünschen, dassdie Schulversuche “Neue Mittelschule” und “Auto-nome Oberstufe” als belebende und zukunfts-fähige Alternativen zu Formen des Regel-schulwesens in Österreich werden könnten.

rungsaustausch, adäquater Personaleinsatz,pädagogisches Zeitmanagement und langfristigePlanung zur Schullebensgestaltung ermöglicht.Im Kleinteam der Tandems für Klassenführungund Team-Teaching geschieht gemeinsame Unter-richts-planung, schülerorientierte Erziehungsar-beit, Beobachtung der Lernentwicklung und indi-viduelle Förderung der Schüler/innen besonderseffektiv.Darüber hinaus wurde in den Schulen offenbar dieTeam- und Kollegiumsentwicklung selbst zumGegenstand ihrer Reformarbeit. Hinzu kommt,dass schulinterne Fortbildung und Professionalisie-rung auf Schulebene im Schulverbund zu den Pfei-lern der Qualitätsentwicklung gehört. Hier wirddas aufgenommen, was Ergebnisse der Schul-qualitätsforschung als wichtige Qualitätsmerkmaleherausstellen: Vereinbarungen von Prinzipien undpädagogischen Leitlinien, zielorientierte Arbeit anCurriculum und Schulkonzept, unterrichts-bezogene Fortbildungsplanung.In diesem Zusammenhang wird zugleich deutlich,dass die Schulen des Schulverbunds Graz-Westsich als lernende Organisationen verstehen.Innovationsentwicklung und Qualitätssicherungsind in der Schulorganisation und in den Reform-aktivitäten verankert. Die Schulen haben an um-fassenden Maßnahmen interner Qualitäts-

Heinz Günter Holtappels | EIN BEISPIELHAFTES MODELL FÜR QUALITÄTSENTWICKLUNG UND SCHULREFORM

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DER SCHULVERBUND -EIN FENSTER IN KÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN

Peter Posch

konferenz zur Beratung und Entscheidunggemeinsamer administrativer und strate-gischer Angelegenheiten des Verbunds;

- Die Einrichtung der Position einerVerbundkoordinatorin, die im Auftrag derSchulleiterkonferenz für den gesamtenVerbund die Lehrerfortbildung plant undorganisiert, die Öffentlichkeitsarbeit desVerbunds betreut und fürschulübergreifende Entwicklungsprozesseund Evaluationen verantwortlich ist.

Der zu erwartende generelle Rückgang der Schü-lerzahlen und der damit verbundene steigendeKonkurrenzdruck wird in Zukunft wahrscheinlichnur dann auf konstruktive Weise zu bewältigen

Der Schulverbund Graz-West hat im ersten Jahr-zehnt seines Bestehens mehrere Entwicklungeneingeleitet, die Pioniercharakter haben. Ich möch-te im folgenden jene Initiativen hervor heben, diealler Voraussicht nach auch Potential für die wei-tere Entwicklung des Schulwesens in Österreichhaben:

- Die Idee eines Schulverbunds- Das Stufenteam-Konzept- Ansätze zum Aufbau eines mittleren Ma-

nagements- Die kollegiale Weitergabe von Wissen- Erste Versuche mit systematischer Selbst-

evaluation

DIE IDEE EINES SCHULVERBUNDS

Die Entscheidung der vier Hauptschulen und ei-nes Gymnasiums zusammen zu arbeiten kann alszukunftsträchtige Strategie der Vernetzung vonSchulen zur Herstellung von Synergien angesehenwerden. Der Schulverbund Graz-West wurde zu-nächst aus der Not geboren und sollte u.a. derAufwertung der beteiligten Hauptschulen dienen:die Verbindung mit einem Gymnasium erschiengeeignet, den mit dem Leistungsgruppensystemverbundenen Wettbewerbsnachteil der Haupt-schulen in Ballungsgebieten zu verringern. ImLaufe der Jahre hat der Verbund jedoch eine Rei-he bemerkenswerter struktureller Innovationenhervor gebracht:- die Einrichtung schulübergreifend zusam

men gesetzter Arbeitsgruppen zur Her -stellung von Unterrichtsmaterialien, zurGestaltung der schulautonomen Lehrplä-ne und zur Initiierung von Fortbildungs-veranstaltungen;

- eine „Verbundfachkonferenz“, die demperiodischen Austausch zwischen denFachgruppen der beteiligten Schulendient;

- eine monatlich tagende Schulleiter

Univ. Prof. i. R. Dr. Peter Posch, Universität Klagenfurt, exter-

ner Berater bei FQS, Gesprächspartner für viele andere

Verbundaktivitäten

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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für eine auf Unterrichtsplanung und -entwicklungbezogene Kommunikation unter den Lehrern.

ANSÄTZE ZUM AUFBAU EINES MITTLERENMANAGEMENTS

Der Aufbau eines mittleres Managements wirdmehr und mehr eine unverzichtbare Vorausset-zung dafür, dass Schulen ihre Autonomie in orga-nisatorischer, lehrplanmäßiger, finanzieller undkünftig voraussichtlich auch personeller Hinsichtsinnvoll umsetzen können. An jeder Schule desVerbunds wurde ein (mehr oder weniger stabiles)Schulkoordinationsteam eingerichtet, durch dasdie Führungsaufgaben der SchulleiterInnen aufeine etwas breitere Basis gestellt werden können:Es gilt als Beratungs- und Entscheidungsgremiumfür interne pädagogische und organisatorischeBelange: u.a. für die Gestaltung des Informati-onsflusses, für das Zeitmanagement, für Initiati-ven zur Schulentwicklung und Qualitätssicherungund für die schulinterne Lehrerfortbildung. DasSchulkoordinationsteam besteht aus den formel-len Positionen, die an den Schulen des Verbundseingerichtet wurden (Stufenteamkoordinatoren,Standortkoordinator, Vorsitzende/r der Personal-vertretung, Vertreter des Schulgemeinschafts-ausschusses und der Schulentwicklungskoordina-torin) und tagt unter dem Vorsitz des Schulleiters.

Der Aufbau eines mittleren Managements ist eineder schwierigeren organisatorischen Zukunftsauf-gaben der Schule. Nicht selten werden dieseStrukturen spontan eingerichtet, ohne dass ihreAuswirkungen auf die Rolle des Schulleiters undauf die bestehende Einflussverteilung in einemLehrkörper mitbedacht werden. Derzeit fehlennoch die (wahrscheinlich erforderlichen) rechtli-chen Voraussetzungen zur Sicherung einerMindeststabilität des mittleren Managements.Dokumentierte Erfahrungen des Verbunds, wieauch anderer Schulen können jedoch wertvolleGrundlagen dafür bieten.

sein, wenn Schulen zusammen arbeiten und je-weilige Stärken in Abstimmung aufeinander aus-bauen. Schon aus diesem Grund sind die Erfah-rungen, die im Verbund gesammelt wurden - dieHighlights und die Probleme - für die weitere Ent-wicklung im Schulwesen nützlich. Es ist nahelie-gend, dass das Management einer komplexenStruktur nicht gerade einfach ist und kaum ohneSpannungen und Konflikte durchführbar ist. Ineiner der zahlreichen Studien über den Verbund(Altrichter/Hiebler/Messner 2000) werden aucheinige der Probleme skizziert. Es sind durchwegsSchwierigkeiten, die auch an voneinander isolier-ten Schulen Entwicklungsinitiativen hemmen undzu einer Überforderung jener LehrerInnen führen,die sich nicht nur um ihren Unterricht sondernauch um die Weiterentwicklung ihrer Schule küm-mern: geringe Verbindlichkeit von Vereinbarun-gen, Isolation, mangelnde Wertschätzung vonorganisationsbezogenen Leistungen, die Gefahreines Wildwuchses von Positionen innerhalb einerSchule usw.

DAS STUFENTEAM-KONZEPT

Das Stufenteamkonzept hat sich auch an anderenSchulen bereits als wichtige organisatorische In-novation heraus gestellt. Es gibt aber nur wenigeSchulen in Österreich, die eine ähnlich lange undauch dokumentierte Erfahrung damit gewonnenhaben. Für die Parallelklassen eines Jahrgangssind jeweils Teams von LehrerInnen zuständig, diesich die Verantwortung für die Gestaltung desUnterrichts im jeweiligen Jahrgang teilen. Soweiteine räumliche Nähe der Parallelklassen der ein-zelnen Jahrgänge möglich war, entstanden aufdiese Weise auch optisch unterscheidbare Einhei-ten innerhalb der Schule.Das Stufenteam-Konzept kann als eine wichtigeorganisatorische Voraussetzung zur Überwindungdes traditionell individualistischen Selbstverständ-nisses des Lehrberufs angesehen werden. Es bie-tet einen überschaubaren institutionellen Rahmen

Peter Posch | DER SCHULVERBUND - EIN FENSTER IN KÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN

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evaluation gesammelt und im Rahmen des Pro-jekts “Fördernde Qualitätsevaluation im Schul-verbund Graz-West” “Qualitätsteams” eingerich-tet, in denen LehrerInnen einander bei der Eva-luation und Entwicklung von Unterricht durchHospitationen und Erfahrungsaustausch unter-stützt haben. Dieses Projekt war ein Pionierunter-nehmen, das der Zeit voraus und nicht zuletzt des-halb mit einigen Risiken behaftet war. Es wurdezwar vom Ministerium, vom Landesschulrat undvom Pädagogischen Institut sehr unterstützt, esfehlte ihm jedoch ein formeller rechtlicher Rahmenund damit ein wichtiges stabilisierendes Element(vgl. Altrichter/Posch/Strittmatter 1998). DieserRahmen wird in den nächsten Jahren aller Voraus-sicht durch die Einführung des Schulprogrammsgeschaffen. Die Erfahrungen mit Selbstevaluation,die von LehrerInnen des Schulverbunds gesam-melt wurden, dürften die Arbeit an Schulpro-grammen erheblich erleichtern und könnten auchanderen Schulen zugute kommen.

Österreich hat bereits eine beachtliche Schulver-suchstradition. In der Zukunft wird die Bedeutungvon didaktischen und organisatorischen Innova-tionen im Schulwesen weiter zunehmen, weil dieAnsprüche an das Bildungssystem höher und viel-fältiger werden. Wichtig sind allerdings nicht nurdie Innovationen sondern auch die Überprüfungihrer Qualität. Der Schulverbund Graz-West hat inden letzten zehn Jahren zu beiden einen beacht-lichen Fundus an Wissen aufgebaut, der Anerken-nung verdient und der für die weitere Entwicklungder Schulen genützt werden sollte.

DIE KOLLEGIALE WEITERGABE VON WISSEN

Berufsinterne Öffentlichkeitsarbeit und die Pro-duktion und Veröffentlichung von lokalem Lehrer-wissen gewinnen zunehmend an Bedeutung, jezahlreicher und auch unterschiedlicher die Anfor-derungen an die Schulen werden. Eigene Erfah-rungen aufzubereiten und mitzuteilen, macht denKommunikationspartnern klar, wo der/die Einzel-ne steht und welche Gründe es dafür gibt. Auchbildungspolitische Vorschläge der LehrerInnenwürden wahrscheinlich mehr Beachtung finden,wenn diese mit gut gestützten Erfahrungs-berichten über professionelle Probleme in der bil-dungspolitischen Diskussion präsent wären.Im Schulverbund wurden in dieser Hinsicht eini-ge wichtige Initiativen ergriffen: Es wurde eineeigene Publikationsreihe eingerichtet (“Schuleentwickeln – Dokumente aus dem SchulverbundGraz-West”). In größeren Abständen werden “Päd-agogische Messen” veranstaltet, an denenLehrerInnen aus ihrer Praxis einer interessiertenÖffentlichkeit berichten. Besonders interessant isteine dritte Initiative: Erfahrungen werden ande-ren Schulen in der Form von “Rufmodulen” zurVerfügung gestellt. Darin bieten Verbund-lehrerInnen praktisches Wissen aus der Schul-versuchsarbeit an, zu Themen wie “Unterricht inheterogenen Klassen”, “Lernformen der innerenDifferenzierung”, “fächerübergreifender Unter-richt” u.a.m. Konkret erfolgt dies entweder imRahmen von Besuchen an einer der Verbund-schulen oder durch Einladungen für Vorträge,Gespräche oder Workshops an anderen Schulen.

ERSTE VERSUCHE MIT SYSTEMATISCHERSELBSTEVALUATION

Der Schaufenstercharakter des Schulverbundswar schon sehr früh Gegenstand externer Evalua-tionen durch das Zentrum für Schulentwicklung.Die Verbundschulen haben jedoch darüber hinausauch erste Erfahrungen mit systematischer Selbst-

Literatur

Altrichter, Herbert/Hiebler, Silvia/Messner, Elgrid: Qualität durchVernetzung? – Potentiale und Schwierigkeiten der Qualitäts-entwicklung in einem Schulverbund. In: journal fürschulentwicklung, H. 3, 2000, 44-51.

Altrichter, Herbert/Posch, Peter/Strittmatter, Anton:Abschlussbericht der externen Betreuung des Projekts “Fördern-de Qualitätsevaluation im Schulverbund Graz-West”. Klagenfurt.IFEB 1998.

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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NMS SCHULVERBUND GRAZ - WEST -AUS DER SICHT DER EXTERNEN EVALUATION

Günther Grogger

ersuchte er die Abteilung Evaluation und Schul-forschung des ZSE, die Aufgabe einer externenEvaluation des Schulversuchs zu übernehmenund sich auch an der wissenschaftlichen Beglei-tung der Versuchstätigkeit zu beteiligen. Im Fol-genden möchte ich auf einige Befunde dieser ex-ternen Evaluation eingehen.Bereits vor 11 Jahren haben wir das als Längs-schnitt angelegte Evaluationsprojekt, in das auchder damalige Schulversuch „Realschule“ einge-bunden war, mit einer Befragung der Eltern begon-nen, die im Einzugsgebiet einesSchulversuchsstandortes wohnten und deren Kin-der zu diesem Zeitpunkt 4. Klassen der Volksschu-le besuchten. In schriftlicher Form wurde jeweilsder Hälfte der Eltern von insgesamt etwa 4000Kindern, die unmittelbar vor dem Übertritt in dieHauptschule oder AHS standen, das Versuchs-modell „Neue Mittelschule/Schulverbund Graz-West“ bzw. „Realschule“ kurz vorgestellt. Es soll-te erkundet werden, von welchen Bedingungen dieEntscheidung der Eltern abhängt, ihr Kind für einebestimmte Schulart anzumelden, und welchenEinfluss die Einführung der Schulversuche „Real-schule“ bzw. „Schulverbund Graz-West“ auf dieSchulwahl hat: Aus den Ergebnissen dieser Eltern-befragung geht hervor, dass jeweils etwa die Hälf-te der zu einem Modell befragten Eltern diesesSchulmodell für ihr Kind in Erwägung zog und einViertel es ablehnte. Weiters äußerten sich die El-tern in ihren schriftlichen Stellungnahmen zu den

Mit den Schulgesetzen 1985 hat man sich inÖsterreich vom dreigliedrigen Schulwesen(Hauptschule 1. und 2. Klassenzug sowie AHS-Unterstufe) verabschiedet und - es mag manchenPädagogen zu wenig gewesen sein - nur dieHauptschule neu gestaltet: Ihre Zweizügigkeitwurde abgeschafft und ein Leistungsgruppen-system in den Unterrichtsgegenständen Deutsch,Englisch und Mathematik eingeführt. Diese Re-form hat zwar einen - zumindest formalen - Bei-trag zur Verbesserung der Bildungschancen fürunsere Kinder geleistet, doch keine umfassendebildungspolitische Lösung für die aufkommendenStrukturprobleme auf der Sekundarstufe I ge-bracht. Schon damals konkurrierten Hauptschu-le und AHS vor allem in den Ballungszentren umSchüler. Die Gründe dafür lassen sich weitgehendauf die seit den 80er-Jahren beschleunigte Ex-pansion der AHS (bedingt durch die Tendenz zuhöheren Bildungsaspirationen), auf die fortschrei-tende Abnahme der Schülerzahlen und auf die fürdiese Schularten im Bundesgesetz festgeschrie-benen Bildungsaufgaben - Vermittlung einer ver-tieften Allgemeinbildung und Hinführung zur Hoch-schulreife in der AHS bzw. Vermittlung einergrundlegenden Allgemeinbildung, Befähigung fürdas Berufsleben und zum Übertritt in weiterfüh-rende Schulen in der Hauptschule - zurückführen.Der Schulversuch „Schulverbund Graz-West“ ver-sucht nun mit hohem pädagogischem Engage-ment der dort tätigen Lehrerinnen und Lehrereine regionale Lösung zu erproben, die allenSchülerinnen und Schülern den Erwerb einesRealgymnasialzeugnisses ermöglichen soll.Um regionale Lösungen für die Bewältigung vonHerausforderungen auf der Sekundarstufe I zufinden und einen Beitrag zu einer von engagier-ten Lehrergruppen getragenen Schulentwicklungzu leisten, war es dem damaligen amtsführendenPräsidenten des Landesschulrates Dr. BerndSchilcher ein großes Anliegen, den Schulversuch„Neue Mittelschule/Schulverbund Graz-West“ -neben dem der „Realschule“ - zu unterstützen. So

MR Dr. Günther Grogger, Leiter

der Abteilung Evaluation und

Schulforschung des Zentrums

für Schulentwicklung, Graz

Günther Grogger | NMS SCHULVERBUND GRAZ - WEST - AUS DER SICHT DER EXTERNEN EVALUATION

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te sich ein ähnliches Bild: Die Schüler des Schul-verbunds Graz-West insgesamt unterschiedensich kaum von den steirischen Vergleichs-hauptschülern, die Schüler an den Hauptschul-Versuchsstandorten nicht wesentlich von denSchülern der Grazer Vergleichshauptschulen.Die Schüler des Schulverbunds Graz-West wiesensowohl an den Hauptschulstandorten als auch amAHS-Standort weitgehend Lernleistungen auf, dieihren kognitiven Befähigungen entsprachen. Un-ter den Schülern an Hauptschulstandorten erhiel-ten etwa gleich viele die Berechtigung zum Besucheiner mittleren Schule wie unter den Vergleichs-hauptschülern, allerdings ist der Anteil jener Schü-ler, die in eine höhere Schule übertreten könnten,bei den Versuchshauptschülern höher als bei denGrazer Vergleichshauptschülern.Der persönliche Kontakt der Schüler zu ihren Leh-rern und das verständnisvolle Lehrerverhaltenbewerteten die Schüler am AHS-Standort desSchulverbunds ähnlich wie in den Hauptschulen.Damit unterschieden sie sich deutlich von denSchülern der Vergleichs-AHS, wo von den Schü-lern weniger Lehrerverständnis und persönlicherKontakt zu ihren Lehrern wahrgenommen wurde.In Stellungnahmen zu offen gestellten Fragennach ihrer Schule führten die Schüler desSchulverbunds als wesentliche Aspekte häufigpädagogisch-didaktische Besonderheiten desSchulversuchs und modellspezifische Ausformun-gen der Schulorganisation an. Offenbar sind siemit den Zielsetzungen und Besonderheiten deserprobten Modells in groben Zügen vertraut. DenSchülern des evaluierten Jahrgangs wurden auchfrei zu beantwortende Fragen zu altersgruppen-relevanten und kontroversiellen Themen sowiezum Umgang mit einer zwar konstruierten, aberdurchaus realistisch erscheinenden sozialenProblemsituation gestellt. In ihren Antworten lie-ßen sich keine statistisch signifikanten Unterschie-de zwischen Versuchs- und Vergleichsschülernfeststellen, was kaum für das Vorhandensein vonEffekten des sozialen Lernens - ein besonderes

Modellen weitgehend positiv und reihten sie hin-sichtlich des Leistungsniveaus zwischen Haupt-schule und AHS. Der Schulverbund wurde in denAntworten der Eltern am ehesten dann akzeptiert,wenn sie selbst den Abschluss einer berufsbilden-den mittleren Schule erreicht hatten, ihr Kindmittleres Schulleistungsniveau aufwies bzw. sie fürihr Kind einen mittleren Bildungsabschluss an-strebten. Abgelehnt wurde das Modell vor allemvon Eltern mit höheren Schulabschlüssen und lei-stungsfähigen Kindern, wenn in Wohnortnähe einvielfältiges Bildungsangebot zur Verfügung stand.Eine umfangreiche Untersuchung zu Beginn desSchuljahres 1991/92 war Ausgangsbasis derLängsschnitt-Evaluation des ersten Schüler-jahrgangs über alle vier Schuljahre. Hier wurdenzunächst Schülerdaten über die kognitive Lei-stungsfähigkeit sowie über nicht kognitive Merk-male wie z.B. Schulklima, Schulangst erhoben.Gegen Ende der 6. Schulstufe wurden darüberhinaus auch die Lernerfolge festgestellt. Am Endeder 8. Schulstufe sind die Erhebungen nochmalsdurchgeführt worden. Somit liegen für einenGroßteil der Schüler Daten über ihre Einstellun-gen, Erfahrungen und Lernleistungen über diegesamte Mittelstufe vor. Auch Schulleiter, Klassen-vorstände, Lehrer und Eltern wurden im Laufe dervier Jahre zur ihren Erfahrungen mit demSchulversuch befragt.Von den Schülern wurden im Rahmen der Ein-gangsuntersuchung die Schulnoten der 4. KlasseVolksschule erhoben, um daraus auf die AHS-Rei-fe, d. h. die Berechtigung zum Übertritt in eineAHS ohne Verpflichtung zur Ablegung einer Auf-nahmsprüfung schließen zu können. Von allenSchülern des Schulverbunds Graz-West hattenknapp 43 % die AHS-Reife erlangt. An denVergleichshauptschulen lag der Anteil der AHS-Reife insgesamt bei etwa 37 %. Der Anteil derAHS-reifen Kinder am AHS-Versuchsstandort warbeinahe doppelt so hoch wie jener der Kinder anHauptschul-Versuchsstandorten. Hinsichtlich derkognitiven Fähigkeiten der Versuchsschüler zeig-

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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jeder Zehnte gab an, lieber in einer Regelschuletätig zu sein. Große Befriedigung bei gleichzeitiggeringer Belastung bereitete den Lehrern dasExperimentieren mit neuen Unterrichtsformen unddas Unterrichten im Zweilehrersystem. Als ehersehr befriedigend, zugleich aber auch stärker be-lastend wurden Arbeitsbesprechungen mit Lehrer-kollegen, die individuelle Unterrichtsvorbereitungund -nachbereitung sowie das Bemühen um einegerechte Leistungsbeurteilung empfunden. ImSchulverbund wurde die Sorge um Disziplin in derKlasse stärker negativ erlebt als an denVergleichsschulen. Aus Stellungnahmen von Leh-rern ging auch hervor, dass das erhöhte Ausmaßan Kooperation zwischen Lehrern sowie die Zu-sammenarbeit zweier Lehrergruppen mit unter-schiedlicher Ausbildung und dienstrechtlicher Po-sition arbeitserschwerende Einflussfaktoren dar-stellten.Am Ende des 4. Evaluationsjahres wurden die El-tern der Schüler in den 4. Klassen zu ihren Ein-stellungen und Erfahrungen mit dem Schulversuchbefragt: Jeweils rund drei Viertel der Eltern gabenan, sie würden den Schulverbund Graz-West bzw.die Realschule nochmals wählen, wenn sie erneutvor der Entscheidung stünden. Im Schulverbundbegründeten die Eltern ihre Entscheidung vor al-lem mit einer positiven Einschätzung der Lehrersowie mit Vorteilen, die sie dort in der guten Vor-bereitung ihrer Kinder für die weitere Laufbahnsahen. Als Argumente gegen einen erneuten Be-such des Schulverbunds durch ihr Kind wurde eineallgemeine - nicht näher beschriebene - Unzufrie-denheit und Enttäuschung der Eltern über nichterfüllte Erwartungen zum Ausdruck gebracht. Füralle im Rahmen der Evaluation betrachtetenVersuchstypen wie auch für die Vergleichsschulengaben über 80 % der Eltern an, dass sich ihrerEinschätzung nach ihr Kind in der Schule wohlfühlte und dass sie mit deren Leistungen in derSchule zufrieden sind. Die Eltern der Versuchs-schüler fühlten sich deutlich stärker in dasSchulgeschehen eingebunden als die Eltern der

Ziel des Schulversuchs - hinsichtlich der betref-fenden Themen und Problemen spricht. Als posi-tive Erlebnisse während der vier Schuljahre sindden Schülern am häufigsten Schulveranstaltungenim Gedächtnis geblieben. An allen Standorten desSchulverbunds nannten die Schüler wesentlichhäufiger als an den Vergleichsstandorten dieUnterrichtsgestaltung als einen Aspekt, der ihnenbesonders gut gefallen hat. Dieser Befund kannals Hinweis darauf interpretiert werden, dass dervon den Lehrern berichtete Mehraufwand für dieUnterrichtsgestaltung von den Schülern auch ge-schätzt wurde. Bis zu zwei Drittel der Schülergaben an, dass sie sich im Fall einer neuerlichenWahl wieder für den besuchten Schultyp entschei-den würden. Als Begründungen äußerten alleSchüler sehr ähnliche, das Sozialklima betreffen-de Argumente von der Art „Ich hatte viel Spaß“,„Die Lehrer sind in Ordnung“ oder „Meine bestenFreunde sind dort“.Am Ende des ersten Evaluationsjahres erfolgte dieBefragung der Schulleiter und der Klassenvor-stände nach ihren Erfahrungen mit demSchulversuch. Von den Schulleitern wurden derWegfall des Leistungsgruppensystems, die Reali-sierung alternativer Lernformen im Unterricht, dasstärkere Engagement der Lehrer, die erhöhteMotivation der Schüler und die verstärkte Zusam-menarbeit mit den Eltern als positiv wahrgenom-men. Probleme ergaben sich nach ihrer Einschät-zung bei der Zusammensetzung der Lehrerteamsund aus der Mehrbelastung der im Versuch täti-gen Lehrer. Die Klassenvorstände bewerteten dasKlassenklima und alternative Lernformen überwie-gend positiv. Häufig äußerten sie den Wunschnach Senkung der Klassenschülerzahl und beklag-ten sich über einen deutlich erhöhten Zeitaufwandfür Vorbereitungsarbeiten und Besprechungen.Nach eineinhalb Jahren Schulversuchsarbeit wur-den die Versuchslehrer über ihre Erfahrungenbefragt. Es zeigte sich, dass etwa die Hälfte derantwortenden Lehrer uneingeschränkt imSchulversuch weiterarbeiten wollte - nur etwa

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Vergleichsschüler. Unter großem, oft nicht abge-goltenem Zeit- und Müheaufwand wurden vonLehrkräften und Schulleitung viel versprechendeEntwicklungsansätze in Richtung außerordentlichwichtiger pädagogischer und schulpolitischer Ziel-setzungen ausgearbeitet und praktisch erprobt.Vor allem ging es darum,- allen Schülern entsprechend ihrer jewei-

ligen individuellen Fähigkeiten und Inter-essen optimale Lerngelegenheiten zu bie-ten,

- ihre Lernfähigkeit zu fördern, die Freudeam Lernen zu stärken und übermäßigeBelastungen bzw. Ängste abzubauen so-wie

- ein von vertieftem gegenseitigem persön-lichem Verständnis zwischen Lernendenund Lehrenden und guten Lehrer-Eltern-kontakten getragenes Schulklima zuschaffen.

Bisher noch wenig verwendete Unterrichtsformenwie Gruppenarbeit, Projektlernen, Experimentie-ren, Exkursionen usw. sollten die Schüler zu ei-

nem selbstständigen, kritisch denkenden Lernenhinführen.Wie die Ergebnisse der externen Evaluation deut-lich machen, besteht noch ein großer methodisch-didaktischer Entwicklungsbedarf. Eine vertiefteZusammenarbeit zwischen Unterrichtspraxis undlernpsychologisch fundierter Unterrichtswissen-schaft würde ein zügiges weiteres Vorankommenin Richtung der idealen pädagogischen Zielsetzun-gen wesentlich fördern. Damit eröffnet sich eineSicht auf neue Wege der Schulentwicklung: Einepädagogisch-psychologisch orientierte Wissen-schaft muss künftig über das Vermitteln von all-gemeinen entwicklungstechnischen Prinzipien undüber das Beraten auf relativ abstrakter Ebene hin-ausgehen. Sie sollte viel mehr in engster Zusam-menarbeit mit den Lehrenden auf der Linie einerpraxisorientiert-wissenschaftlichen Schulent-wicklung an der systematischen Ausarbeitung vonzuverlässig bewährten und in die allgemeine Pra-xis übertragbaren Methoden und Materialien derkonkreten Unterrichtsgestaltung verstärktmitwirken.

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

DIE RICHTUNG STIMMT, ABER MAN MÜSSTE SIENOCH ERNSTER NEHMEN!EINE ELTERNRUNDE ERZÄHLT VON ERFAHRUNGEN MIT DER AHS IM SCHULVERBUND

(gemeinsam mit den anderen im Interesse allerzu handeln). Universitäten, staatliche Instanzen,Studenten, Eltern und sogar Gewerkschaften ha-ben eine solche Kultur bereits akzeptiert. Trotz derBemühungen zahlreicher Erzieher wird in unseremBildungssystem die Auswahl der Besten immerwichtiger, während die Würdigung und Förderungder spezifischen Fähigkeiten der einzelnen Schü-ler an Bedeutung verliert.” (Riccardo Petrella,Humanressourcen für den Weltmarkt, Standard9.12. 2000)

WAS WIR SCHÄTZEN

“In einer Zeit, in der die Konkurrenzfähigkeit aufdem Weltmarkt absolute Priorität hat, zeigt sichBildung als unabdingbar für das Überleben desEinzelnen, aber auch für das Überleben des Lan-des. So wird das Bildungswesen nach und nach zueinem “Ort”, an dem man eher eine Kriegskulturerlernt (jeder kämpft für sich und will mehr Erfolghaben als die anderen und, wenn es sein muß,sogar auf deren Kosten) als eine Lebenskultur

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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mentlich der Redaktion bekannt sind, aber derenIdentität im Text nicht kenntlich ist, des Inhaltswegen auch nicht nötig.

EINIGE GRÜNDE FÜR DIE SCHULWAHL

„Mein Kind galt in der Volksschule alsteilleistungschwach. Bei ihm war so starkerSchulfrust entstanden, dass bereits Zweifel auf-kamen, ob es Sinn macht, ihn ins Gymnasium zuschicken. Klusemann stand im Ruf eines gutenSchüler-Lehrer-Verhältnisses und interessant war,dass nicht schon im Alter von 10 nach Hauptschuleund AHS selektiert wurde, dass die Orientierungstärker als üblich an Kommunikation, Team- undProjektarbeit ausgerichtet war. Gut gefallen hatmir gleich der Start, als Neuling schon vor demersten Schuljahr zum Schulfest eingeladen zuwerden und dabei jedes neue Kind einen Paten auseiner höheren Klasse bekam.“

„Meine Tochter wollte hin, weil viele Freunde undMitschüler dorthin gingen. Wichtig waren mir päd-agogische Gründe, wie die neuen Lehr- und Lern-formen, projektorientierter Unterricht undTeamteaching, sowie der liberale Ansatz in derErziehung.“

„Für meine beiden Kinder galt das auch. Außer-dem der geringere Leistungsdruck, insbesonderein den ersten zwei Klassen im Übergang zum Gym-nasium.“

EIN OFFENES GESPRÄCH ÜBER ERFAHRUNGENMIT DER SCHULPRAXIS

„Im krassen Unterschied zu anderen Schulen ge-hen Schüler nach eigenen Aussagen gerne in dieSchule.“

„Ja, und wichtig auch, daß sie angstfrei in dieSchule gehen.“

Als wir uns als Eltern damals dafür entschieden,unsere Kinder in die Klusemannschule desSchulverbunds Graz-West zu schicken, wußten wirzwar, dass dieses Pilotprojekt in Auseinanderset-zung mit Elitekonzepten stand, was da jedochtatsächlich auf unsere Kinder zukommen würde,war uns nicht so klar. Heute wird uns erst bewußt,wie bedeutsam unsere Entscheidung für diesenWeg war.

Das Projekt “Neue Mittelschule im Verbund” er-scheint uns als Versuch, schulische Erziehung mitPersönlichkeitsbildung im Sinne von sozialer undsolidarischer Haltung zu verbinden. Es ist ein Ort,wo nicht Konkurrenzverhalten gefördert undEllbogentechniken trainiert werden, sondern Ver-ständnis für Verschiedenheit, Rücksichtnahme undSolidarität geübt wird. Es ist eine Schule, wo Dis-ziplin nicht einfach mit autoritären Vorgaben undDisziplinierungsdrohungen “durchgesetzt” wird,sondern Lehrer bestrebt sind, Ziele gemeinsammit den Schülern zu erarbeiten oder sie mit ihnenzu klären oder sie zumindest einsichtig zu machen.

Wiederholt hat man Kritik gehört, dieKlusemannschule sei zu liberal, die Schüler wür-den nichts lernen.Wir würden unsere Kinder wieder in diese Schuleschicken bzw. tun es bereits mit den jüngerenGeschwistern. Kritische Reflexion der Praxis istsicherlich nötig, aber nicht gemessen an Maßstä-ben augenblicklicher kurzfristiger und kurzsichti-ger ökonomischer Interessen. Klar ist, dass derErfolg eines sozial fortschrittlichen Konzeptes auchdavon abhängt, wieweit nicht nur die soziale Kom-petenz gefördert wird, sondern die Kinder fachli-che Grundlagen erlernen, um in der beruflichenWelt als Profis ernst genommen zu werden.

Nachfolgend geben wir kurze Antworten auf Ge-sichtspunkte der jeweils erlebten Schulpraxis.

Es sind individuelle Antworten von Eltern, die na-

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„Das Teamteaching Ist auf jeden Fall zu befürwor-ten, weil es innere Differenzierung möglich machtund auch engagiert praktiziert wurde. Manchmalentstand aber der Eidruck, dass eher Arbeitstei-lung unter den Lehrern stattfand, nicht wirklichesTeamteaching.“

„Ja, auch ich war eigentlich enttäuscht, daß dieAnwesenheit von 2 Lehrern im Teamteaching nichtauch dazu genützt wurde, um auch die begabte-ren Kinder im entsprechenden Fach über das üb-liche Niveau hinaus zu fördern und zu fordern.“

„Für eine absolute Notwendigkeit in der heutigenZeit halte ich das Soziale Lernen. Es ist gut, dasses als eigenes Fach geboten wird. Andererseits hatdie unreflektierte Aufnahme von schwierigen Kin-dern aus anderen Schulen in eine Klasse zur An-häufung negativer Erscheinungen geführt, diesoziales Lernen eher verunmöglichten.“

„Das habe ich auch so erlebt, auch meine Kinderwaren mit dieser Situation überfordert.“

„Positiv ist das Engagement der Lehrer, obwohlöfters ein Konzept mit für die Kinder fassbarenklaren Aufgaben und Zielen, aber auch den not-wendigen Grenzen ersetzt wurde durch einenLaissez-faire-Stil. Selbstorganisation setzt voraus,dass es Hilfestellungen in Form von Vorgaben gibt,die auch wirklich erfüllt werden müssen.“

„Ab der 3. Klasse merkten auch wir, dass die Leh-rer das Konzept bzgl. Integration von Abbrechernaus andren Schulen nicht füllen konnten. So be-kam Aufforderung zu mehr “Selbständigkeit” infalscher, destruktiver Richtung Raum. Weil so Dis-ziplin durch gemeinsame Ziele nicht erreichbarwar, mußte man wieder zur üblichen Methodegreifen und sich von den schwierigen, sich verwei-gernden Schülern trennen.“

„Die Projektwochen waren gute Aktionen, das

„Aber für mich gibt es nicht “die” Klusemann, son-dern unterschiedliche Realisierungen des Konzep-tes in den einzelnen Gegenständen, sofern esüberhaupt so etwas wie ein Konzept gibt.“

„Oft gab es Unsicherheit bei unserem Jungen unduns Eltern, wann ist Leistung erbracht und wannnicht. Wo Lernzielkontrollen erfolgten und gezielteMitteilungen von Lehrern kamen, in welchen Be-reichen genau die Schwächen liegen, war ein gu-tes Nacharbeiten für erneute Prüfungen möglich.“

„Am Anfang war ich durch widersprüchliche Infor-mationen und unterschiedliche Handhabung derLeistungsbeurteilung verwirrt. Bei meinem erstenKind wurde die Lernzielorientierte Leistungs-beurteilung viel inkonsequenter und uneinheitli-cher gehandhabt als bei meinem Sohn.“

„Neue Lernformen, selbständiges Arbeiten undArbeit mit Materialien, Gruppenarbeit, Freiarbeitund Lernzielkontrollen erscheinen mir die einzigsinnvolle Möglichkeit, zur Selbstüberprüfung. Ichhabe mir davon eigentlich mehr Umsetzung er-wartet. Freies Arbeiten sollte sowohl die schwä-cheren Schüler in ihrem Lernfortschritt unterstüt-zen und begabteren Weiterarbeit ermöglichen.Positiv fand ich, dass die Schwächeren aufgefan-gen wurden, z.B. durch das 2 Lehrer-System oderdie Vertiefung in Hauptgegenständen ab der 3.Klasse. Von der Möglichkeit zur Weiterarbeit fürbegabtere Kinder habe ich leider nicht viel be-merkt.“

„Sehr positiv erlebten wir das Teamteaching inMathematik und Deutsch. Obwohl unser Bub sicheinstellen musste auf verschiedene Lehrer-persönlichkeiten mit unterschiedlichen Stilen undkeineswegs einheitlichen Unterrichtskonzepten imSinne des Gesamtschulkonzeptes, kam er durchdas allgemein positive Klima gut damit zurecht.Mein Kind überwand seinen Schulfrust, begannsich nicht mehr als Underdog zu fühlen.“

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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Hüttenwochenende, das Camping, die England-woche.“

„Das Lernen mit allen Sinnen, die Lerntypen-bestimmung war wichtig und sehr ansprechend.“

„Das und Spiele machten Spaß und erscheinenuns als Zeichen einer neuen Lernkultur. Währendin allen 4 Schulstufen die Bemühungen zumProjektunterricht, insbesondere in Öko gut gefal-len haben, ergab sich manchmal auch der Ein-druck, dass Fächer schleifen gelassen wurden undmit Unterricht und Ausfällen locker umgegangenwurde.“

„Beim projektorientierten Arbeiten sollten mehrThemen, die in der Klasse bereits aktuell sind,aufgegriffen werden, statt Themen nach Schemaabzuhandeln und stärker sollte auch geachtet

werden, dass dann von den Schülern dafür wirklichetwas getan wird. Das Interesse hängt natürlichauch von der Aktualität des Themas in der Klasseab.“

„Begrüßenswert war die Berufsorientierung unddie Schnupperpraktika in der Klasse, schade, daßkeine Weiterführung erfolgt in der Oberstufe.“

„Das Konzept des Kreativzweiges finde ich idealzur Berufsvorbereitung. Eigenschaften und Kennt-nisse werden da vermittelt, die nicht allgemeinüblich sind. Sie sind aber Handwerkszeug fürSelbstreflexion und Hebung der Selbst-organisationsfähigkeit. Man lernt, einen Stand-punkt einzunehmen, der mit sich im Einklang istund es ist ein Training, sich auszudrücken und zugestalten - alles eine gute Prävention gegen allemöglichen Verführungen.“

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2. DAS SCHULMODELL DES GRAZERSCHULVERBUNDES

In diesem Zusammenhang sollten die maßgebli-chen pädagogischen Intentionen, die dasVerbundmodell enthält, in übersichtlicher Formaufgelistet werden

- Auf der ersten Sekundarstufe verzichtetder Schulverbund auf eine Sortierung derSchülerinnen und Schüler, indem er diegemeinsame Schule aller Kinder aus derUmgebung der Schule realisiert. Geradediese Heterogenität der Schülerschaftstellt eine besondere pädagogische Her-ausforderung dar, weil sich die pädagogi-schen Bemühungen in erster Linie auf diedifferenzierte Förderung der Schülerschaftkonzentrieren, anstatt sich an einem fik-tiven Mittelmaß zu orientieren. DerSchulverbund unternimmt damit einenAnlauf, die verbliebene Chancen-ungleichheit im Bildungssystem zu redu-zieren, welche die Bildungssoziologie ein-drucksvoll belegt.

- Der gemeinsame Unterricht von Pflicht-schullehrern und AHS-Lehrern erlaubteine Verbindung der fachlichen Soliditätmit pädagogischer Professionaliät und

1. SCHULENTWICKLUNG IN DER REGION

Angesichts der sprunghaft gestiegenen gesell-schaftlichen Anforderungen an die Schule und desdamit verbundenen schulischen Qualitäts- undInnovationsdruckes empfiehlt die programmati-sche Denkschrift “Zukunft der Bildung - Schule derZukunft”, die weit über Nordrhein-Westfalen hin-aus Bedeutung erlangt hat, es sollten lokale undregionale Entwicklungsmodelle aufgebaut werden,um möglichst viele Reformaspekte unter Einbezie-hung interessierter Schulen einer Region zu ver-wirklichen.Mit dieser Zielsetzung findet seit fast zehn Jahrendas steirische Unternehmen “Schulen mit Pro-gramm“ statt, das sich zwar an internationalenVorbildern orientiert, ohne jedoch über vergleich-bare Ressourcen und Unterstützungsstrukturen zuverfügen, aber auch ohne deren Fehler maßstab-getreu zu wiederholen. Das eigentliche Ziel die-ses Projektes besteht in der Formulierung desösterreichischen Schulforschers Peter Posch dar-in, alle steirischen AHS mit Hilfe der visionärenZugkraft der Direktor/innen und der pädagogi-schen Professionalität und Ambition der Lehrer-schaft zu Problemlöseschulen zu machen, die mitden gestiegenen gesellschaftlichen Herausforde-rungen selbständig und initiativ umgehen können.

Der Schulverbund fungiert im Rahmen dieses Pro-jektes gleichermaßen als Versuchsschule und alsStadtteilschule, die einerseits für ihre Nachbar-schaft ein maßgeschneidertes Schulkonzept be-reitstellt und andererseits pädagogische Lösungenfür die gesamte steirische Schullandschaft anbie-tet. Die Charakteristika einer solchen Versuchs-schule hat Hartmut von Hentig in seinem Kultbuch„Die Schule neu denken“ festgelegt Sie folgen ei-nerseits bestimmten Hypothesen und pädagogi-schen Prinzipien auf Zeit und übernehmen Aufträ-ge, sie sind aber auch selber wesentlich an derAufdeckung und Formulierung neuer Problemebeteiligt.

DER SCHULVERBUND GRAZ WEST:ANMERKUNGEN ZUM JUBILÄUM

Robert Hinteregger

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

LSI Dr. Robert Hinteregger, LSRSteiermark, zuständig für dieVerbundschulen

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Arbeitsprozess erschwert, kommt denStufenteams und den Lehrerkonferenzenan den Verbundschulen besondere Bedeu-tung zu.

- Schließlich erzeugt die autonome Oberstu-fe des BG Klusemannstraße mit ihrer in-tensiven kollektiven Schwerpunktsetzungfachliche Leidenschaft, argumentativeBeweglichkeit und eine ungewohnte Iden-tifikation der Schüler mit den gewähltenSchwerpunkten. Diese kollektive Schwer-punktsetzung erlaubt der Schule, in die-sen Profilbildungen Kompetenzen, Metho-den und Materialien anzuhäufen, die einenattraktiven und abwechslungsreichen Un-terricht ermöglichen.

3. EINE ZWISCHENBILANZ

Eine Zwischenbilanz aus dem Blickwinkel eineskritischen Freundes anlässlich des Jubiläums desGrazer Schulverbundes enthält durchwachseneAnmerkungen zu den hauptsächlichen bildungs-politischen und pädagogischen Zielen desSchulmodells:

1.Im Zusammenhang mit der angestrebten Chan-cengleichheit fordern Wolfgang Böttcher und KlausKlemm eine „reflexive Pädagogik“, um milieu-bedingte Unterschiede zu reduzieren: Die Chan-ce zur Durchbrechung des Systems liege in einerPädagogik, die es sich zur Aufgabe macht, das vonden Schülern Erwartete auch tatsächlich zu ver-mitteln, während bislang die Vermittlung intellek-tueller Techniken und Denkgewohnheiten vor al-lem dem Familienmileu vorbehalten bleibt.In diesem Zusammenhang sind auch an denVerbundschulen die Mühen der Ebene deutlichspürbar, denn es ist trotz aller Bemühungen un-gemein schwierig, Ungleichheit zu reduzieren unddabei doch den Zugewinn für alle Schüler/innenzu maximieren.

korrigiert damit die Defizite einer separier-ten Lehrerausbildung. Das Teamteachingin den Schularbeitenfächern, das einenessenziellen Teil des Schulmodells aus-macht, installiert kollegiales Feedback unddie Evaluation des eigenen Unterrichtes,während dieser viel strapazierte Begriff anden Regelschulen vielfach mit Irritationenund Ängsten besetzt ist.

- Die Verbundschulen streben auch eineErweiterung des kognitiv eingeengtenLeistungsbegriffes an und steuern damitgegen den Mainstream derschulpolitischen Diskussion, die mit einemeingeengten schulischen Leistungsbegriffhantiert, der sich ausschließlich am Fach-wissen orientiert, während Schule be-stimmt mehr ist als eine Unterrichts-anstalt. Aus der subjektiven Sicht derSchülerinnen und Schüler geht es nichtnur um Lernen und Leistung, sondernauch um soziale Anerkennung, um emo-tionale Resonanz und um die Befriedigungkommunikativer Bedürfnisse.

- In engem Zusammenhang mit einem er-weiterten Leistungsbegriff steht eine ver-mehrte Methodenvielfalt. Die zunehmen-de Heterogenität der Schülerschaft erfor-dert jedenfalls eine Erweiterung der Un-terrichtsmethoden, denn bestimmteunterrichtsmethodische Formen hängenmit bestimmten Lernvoraussetzungen undLernstilen der Schülerinnen und Schülerzusammen.

- Zu den weiteren Reformaspekten an denVerbundschulen gehört die intensive Ko-operation unter der Lehrerschaft in Formder angelegten Strukturen, unter denendie Stufenteams von besonderer Bedeu-tung sind: Während die amorphe Perso-nalstruktur eine planvolle Kooperation derLehrerschaft im regulären schulischen

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Lehrer in menschlicher, fachlicher und pädagogi-scher Hinsicht rapid ansteigen. Peter Posch undHerbert Altrichter verlangen daher mit Recht, dassdas eingespielte Schema der Lehrerfortbildung inZukunft durch andere Formen der Lehrer-fortbildung ergänzt werden müsse, bei denen dieLehrer nicht nur Empfänger, sondern Gestalterihrer eigenen Fortbildung seien. In diesem Sinngehört es zu den ausdrücklichen Aufgaben derVerbundschulen, zu einer kollegialen Lehrer-fortbildung beizutragen.Einleitend muss allerdings eine gewisse Skepsisder Lehrerschaft gegen kollegiale Lehrer-fortbildung registriert werden, obgleich geradekollegiale Lehrerfortbildung in vielen Fällen au-thentischer und farbiger und unmittelbarer aus-fällt und ansteckend wirken könnte.Auch die Heftenreihe, die als Publikations-möglichkeit dient, selbst generiertes Wissen zuveröffentlichen, gehört nicht gerade zu den Best-sellern in den Schulbibliotheken. Die Themen-palette dieser spannenden Praxisberichte reichtvon Binnendifferenzierung über Möglichkeiten derKonferenzgestaltung und Gesichtspunkten zumTeamteaching bis zu Aspekten der Leistungs-feststellung und langt damit die Schlüsselstellendes Unterrichtsbetriebes an..Auf den periodisch veranstalteten Schulmessenhingegen finden sich regelmäßig zahlreiche Leh-rerinnen und Lehrer, die über den Tellerrand ih-rer eigenen Schule hinausschauen möchten undsich über Innovationen im Schulverbund informie-ren, wenn auch in vielen Fällen die unmittelbareÜbertragungsmöglichkeit fehlt.

5.Ein weiterer Innovationspunkt betrifft dieStrukturierung der Lehrerschaft, denn an Regel-schulen behindert die zellulare Struktur sowohlSchulentwicklung als auch Fortbildung der Lehrer-schaft.Es ist gedankliches Allgemeingut, dass die amor-phe Personalstruktur der Schulen eine effiziente

2.Zur Erweiterung des kognitiven Leistungs-begriffes trägt an den Verbundschulen vor allemdas Soziale Lernen bei, das über den Unterrichts-gegenstand hinaus als Unterrichtsprinzip präsentist und als Lernziele Selbstkompetenz, Sozial-kompetenz und Sachkonpetenz inkludiert. Die Fä-higkeit, sich selbst ehrlich wahrzunehmen, oderdie Bereitschaft, anderen wirklich zuzuhören, tra-gen bestimmt zu einem gedeihlichen Zusammen-leben bei. Die Bereitschaft, sich mit anderen zu so-lidarisieren und Außenstehende hereinzuholen,Konflikte auszutragen und selbstorganisiert pro-duktiv zu arbeiten, gehört zu den vorrangigenZielen des Sozialen Lernens, die an den Verbund-schulen wesentlich über den puren Fachunterrichthinausreichen.

3.Die an den Verbundschulen angestrebte Metho-den-vielfalt bildet eine wichtige Komponente ei-ner emanzipativen humanistischen Pädagogik, dieden Aspekten der Freiheit, der Wertschätzung undder Integrität von Personen mehr Gewicht verleiht.An den Verbundschulen bilden neue Lernformeneinen wichtigen Teils des Schul-programmes.Während an zahlreichen Schulen beredt über diePerspektivelosigkeit schulischen geklagt wird, bil-det an den Verbundschulen das eigenverantwort-liche Arbeiten im Unterricht die eigentliche Per-spektive, das ganz im Sinn Heinz Klipperts denbreit gefächerten Kompetenzerwerb fördert, eineeffektive Stoffvermittlung ermöglicht, praktischesMethodentraining einschließt, sozial-kommunika-tives Lernen erlaubt und die Förderung von Mit-verantwortung und Kreativität stimuliert. Die feh-lende Messbarkeit dynamischer Fähigkeiten er-schwert freilich Vergleichsuntersuchungen, diesich oftmals an engen und messbaren Kriterienorientieren.

4.Es ist kein Geheimnis, dass die Ansprüche an die

EINSCHÄTZUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

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Schulentwicklung behindert und pädagogischeFührung erschwert.Der Schweizer Gewerkschafter und Schul-entwickler Anton Strittmatter erklärt das hartnäk-kige Festhalten an dieser personellen Kammkulturin den Lehrerkollegien mit einer Hausregel anSchulen, die alle Lehrer als gleich einstuft unddamit die Herausbildung von Führungs-persönlichkeiten erschwert.Die Aktivierung der Fachkonferenzen an denVerbundschulen, unterstreicht die These H.G.Rolffs, dass gerade die Fachkonferenzen von ih-rem Potential her die ideale Arbeitsstruktur für dieEntwicklung, Realisierung und Evaluierung derpädagogischen Qualitätsarbeit bieten. Über dieseFachkonferenzen hinaus tragen aber auch Jahr-gangs- und Stufenteams an den Verbundschulenzur Entwicklung eines Gesamtkonzeptes von Un-terricht an der Schule bei, das von den Schüler/innen großteils als stimmig erlebt wird.Der reformierte Lehrplan, der eine fächerüber-greifende Bildungswirkung verlangt, und ein er-weitertes Repertoire an Lehr- und Lernformenverlangen Klassenteams als Arbeitsstruktur, umdie methodischen Aspekte des Unterrichtes ge-meinsam vorzubereiten, die Zusammenarbeit zukoordinieren und gar gelegentlich untereinanderzu hospitieren oder an einer gemeinsamen Fort-bildung teilzunehmen..Über diese institutionellen Gliederungen hinausbelebt aber auch ein regelmäßiger Projekt-unterricht, der über die herkömmliche Projekt-woche hinausreicht, den traditionellen Fach-unterricht regelmäßig und trägt zur Strukturierungdes Schulbetriebes an den Verbundschulen bei.

6.Einen abschließenden Punkt dieser Zwischenbilanzsollte die Eigenevaluation bilden, die sowohlIndividualfeedback als auch Schul-rechercheumfasst und als Ausgangspunkt einer verantwor-tungsvollen systematischen pädagogischenSchulentwicklung dienen sollte.

Während die Forderung nach Eigenevaluation anzahlreichen Regelschulen immer noch Irritationund Verunsicherung hervorruft, setzt der Verbundneben dem angeführten Individualfeedback nachetlichen vergeblichen Anläufen und zahlreichenindividuellen Ansätzen schrittweise auf eine seriö-se gemeinsame Schulrecherche, die einvernehm-liche Normen allgemein verbindlich formuliert,Kriterien und Indikatoren definiert und Instrumen-te festhält, um die maßgeblichen Felder derSchulqualität unter die Lupe zu nehmen.Hilfreich wäre ein Schnittmuster einer praktikablenund verträglichen Eigenevaluation, das auch denRegelschulen zur Verfügung gestellt werden könn-te, um die maßgeblichen pädagogischen Felder inseriöser Weise abzuklopfen und Mut zur Selbst-evaluation zu machen.

4. RESÜMEE

Die bildungsökonomischen Einengung führen zurForderung, die laufenden Schulversuche zurSerientauglichkeit zu adaptieren. Dieses Vorhabenmüsste das pädagogische Innovationsvolumendes Grazer Schulverbundes maßgeblich einschnü-ren, der verschränkten Lehrereinsatz, Team-teaching und individualisiertes Lernen auf seineFahnen geheftet hat.Im Gegensatz zu einer Sparresignation macht dieBildungssoziologie Hoffnung auf neue Instrumen-te, um reformpädagogische Ziele wenigstens inkleinen Schritten zu erreichen, zu denen autono-me Schulen, eine reflexive Pädagogik,Kerncurricula, aber auch eine neue Mittelallokationim Bildungswesen gehören.Jedenfalls muss es aber weiterhin zu den haupt-sächlichen Zielsetzungen einer verantwortungs-bewussten Bildungspolitik gehören, das frühzei-tige Sortieren der Kinder zu verhindern, regiona-le Chancengleichheit herzustellen, die affektiveDistanz bildungsferner Schichten zur höherenSchule abzubauen und Bildungsökonomie undReformpädagogik unter einen Hut zu bringen.

Robert Hinteregger | DER SCHULVERBUND GRAZ - WEST: ANMERKUNGEN ZUM JUBILÄUM

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86SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

1. EINLEITUNG

Ein neuer Schultyp und die regionale Vernetzungin einem Verbund stoßen in der Schulszene einer-seits auf großes Interesse und Zustimmung, an-dererseits aber auch auf Kritik und Ablehnung. Wirversuchen im folgende Beitrag das demSchulversuch durch die Heterogenität und Plura-lität innewohnende Spannungsfeld zu beschrei-ben. Beide sind wir seit der Gründung imSchulversuch als Lehrerinnen und Koordinatorin-nen tätig. In diesen Rollen bemühen wir uns umdie Verwirklichung der Ziele und Visionen desSchulmodells und sind auf der Ebene des Unter-richts ebenso wie auf der Ebene der Schule alsSystem, mitverantwortlich für die Gestaltung derSchulprozesse. Aus diesem Blickwinkel versuchenwir, unsere Erfahrungen zu beschreiben und “kri-tische Überlegungen” zur Diskussion zu stellen.

2. UNTERSCHIEDLICHE LEHRERWELTEN TREFFENAUFEINANDER

Unter all den Forderungen unseres Schulmodellsist die Herausforderung durch die Heterogenitätder Schülerpopulation wohl die größte. Um derHeterogenität der Klassenverbände entsprechenzu können, arbeiten an den Verbundschulen AHS-LehrerInnen und HauptschullehrerInnen.

Eine Hauptschullehrerin erzählt:Mit dem Eintritt meiner Schule in denSchulverbund wurde ich mit einem innovativenSchulkonzept konfrontiert, das meine bisherigeUnterrichtssituation völlig veränderte. Bis zu die-sem Zeitpunkt unterrichtete ich unter anderemdas Fach Mathematik an der Hauptschule in denverschiedenen Leistungsgruppen. Die Zuweisungder einzelnen SchülerInnen in diese Gruppen er-folgte ausschließlich nach den Kriterien der fach-lichen Leistungsfähigkeit. Diese Einteilung derSchülerInnen in drei vertikal abgestufte Niveauslöste aus heutiger Sicht in meinem Kopf eine fa-

VOM ENTDECKEN DES UNTERSCHIEDS.HETEROGENITÄT ALS GROSSE HERAUSFORDERUNG FÜR LEHRER/INNEN

Christa Bauer, Silvia Hiebler

tale Folge von Denk- und Handlungsmustern aus.Diese Form der Selektion gab mir das Gefühl, ei-ner homogenen Schülergruppe gegenüberzuste-hen. Diese Tatsache ließ wiederum in mir die Vor-stellung entstehen, dass die SchülerInnen einerLeistungsgruppe nach Zeit und Anspruch einheit-lich unterrichtet werden könnten. Insgesamt re-sultierte daraus eine Form der Differenzierung, diehauptsächlich in Bezug auf Umfang, Komplexitätund Abstraktionsgrad der Lehrinhalte ausgerich-tet war.Mit diesem pädagogischen Grundverständnis,nämlich ganz genau zu wissen, was und wievielan Lehrstoff und in welchem Schwierigkeitsgradich der jeweiligen Leistungsgruppe zumuten kön-ne, trat ich den neuen, ersten heterogenen Klas-sen gegenüber. Wie sich bald herausstellte, einziemlich unbrauchbares Verständnis, um einederartige Klasse zu unterrichten.Aber nicht nur dieses Denkmodell bereiteteSchwierigkeiten und Sorgen. Auch das Unterrich-ten mit einem/r TeampartnerIn an meiner Seitelöste gewisse Ängste aus, doch bald zeigte sich,dass gegenseitiges Lernen im Vordergrund stand.

Silvia Hiebler, Haupt-

schullehrerin und ehemalige

Standortkoordinatorin, NMS

Puntigam

Mag. Christa Bauer, AHS- Leh-

rerin, Klusemannstraße, Koor-

dinatorin im Schulverbund

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4. INNERE DIFFERENZIERUNG: NEUES ROLLEN-VERSTÄNDNIS UND HANDLUNGSSTRATEGIEN

In der Schule findet Wissensvermittlung statt,Lernen hingegen zu Hause. Es ist eine Herausfor-derung für Schule, Lernen auch an diesem Ortstattfinden zu lassen.Wenn man das will, muss man den Anspruchdes/r Lehrers/in als AlleinunterhalterIn undWissensmonopolistIn im Klassenzimmer aufgebenund Wissensvermittlung als einen Prozess be-trachten, in dem notwendigerweise der Lehrer dieOrganisation übernimmt. Wir mußten unserDifferenzierungskonzept nach völlig anderen undfür uns neuen Gesichtspunkten durchdenken.Nicht nur im Auffassungsvermögen und Abstr-aktionsniveau, sondern auch im Lese- und Text-verständnis, Arbeitstempo, Lernverhalten, Orga-nisationsvermögen, in den sozialen Kompetenzen,... bestehen innerhalb einer heterogenen Klassegroße Differenzen.

Um die Nachteile des Kollektivunterrichts für dieeinzelnen SchülerInnen zu minimieren, werdenunterschiedliche Formen der Inneren Differenzie-rung angeboten. Als Kompromiss versuchen wirmit einer flexiblen Binnengliederung für die wech-selnden unterschiedlichen Lernbedürfnisse kurz-fristig oder längerfristig entsprechende Arbeits-gruppen oder individuelle Arbeitsmöglichkeiten zuschaffen. Im Gegensatz zu den starren Leistungs-gruppen sind die Partner- und Lerngruppen kei-ne Dauerlösung, sondern bleiben situations- undlernzielgebunden. Das alles heißt nicht, dass keinFrontalunterricht mehr stattfindet, aber seineBedeutung tritt zurück.

5. DER LEISTUNGSBEGRIFF WIRD DIFFEREN-ZIERT

Alternative Lernformen und Innere Differenzie-rung kollidieren förmlich mit dem output-

Eine AHS-Lehrerin erzählt:Meine größten Bedenken, die ich fast mit allenAHS-KollegInnen, die neu im Schulversuch began-nen, teilte, waren für die neue Herausforderungauch leistungsschwächere Kinder zu unterrichtennicht hinreichend ausgebildet zu sein und ihnendamit auch nicht gerecht werden zu können. Auchfür uns gab es die Illusion, an der AHS eine ein-heitliche Schülerschaft vorzufinden, oder jeden-falls dafür zu sorgen, daß sie immer einheitlicherwird.

Wir hatten Angst, das notwendige methodisch-di-daktische Rüstzeug nicht zu besitzen und musstensehr bald feststellen, dass damals die Lehrerfort-und -weiterbildung uns auch nichts dazu zu bie-ten hatte. Die Kooperation mit HS-LehrerInnenerschien mir in dieser Hinsicht als großer Gewinn.Für viele meiner KollegInnen ist speziell der Um-gang mit leistungsschwachen Kindern entweder zueiner schönen Herausforderung geworden, oderein Problem geblieben.

3. TEAMTEACHING: UNTERRICHTEN MIT EINEMPARTNER

Hilfestellung für den Umgang mit Heterogenitätbietet das Zweilehrersystem in Deutsch, Englisch,Mathematik. Doch in den ersten Jahren erwies sichdieses “Teamteaching“ als eigenständige Heraus-forderung. Welcher Lehrer ist schon gewohnt, beiseinem Unterricht einen zweiten dabei zu haben?Nach einigen Jahren Erfahrung zeigt sich, dassnicht unterschiedliche Ausbildung, Bezahlung,Alter, Geschlecht die Auslöser von Problemen inder gemeinsamen Arbeit sind, sondern unter-schiedliche Vorstellungen und eng gefasste Bildervon gutem Unterricht und nicht zuletzt von guterSchule.Differenzen können daher in allen Konstellationenauftreten, also zwischen zwei AHS – LehrerInnengenauso wie zwischen zwei HS-LehrerInnen oderzwischen AHS- und HS-LehrerInnen.

Christa Bauer, Silvia Hiebler | VOM ENTDECKEN DES UNTERSCHIEDS

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jeden Inhalt wieder eine neue Herausforderung,Leistungsfeststellungen, also Aufgaben, für dieverschiedenen Niveaus zu definieren. WichtigsteUnterscheidungskriterien zwischen Basis und Er-weiterung sind der Grad an Abstraktions-vermögen, Selbständigkeit, die Eigenständigkeitoder das Wiedergeben von Gelerntem und dieFähigkeit zum sinnvollen Ergänzen von Lücken-texten. Im Zeugnis der fünften, sechsten und sie-benten Schulstufe findet diese Differenzierungkeinen Niederschlag, aber für Kinder, die nur denBasisstoff bewältigen, gibt es ein Beiblatt zurElterninformation, dass ihr Kind derzeit nicht aufAHS-Niveau arbeitet.Erleichtert werden solche Experimente durchlernzielorientierte Leistungsbeurteilung (LOB oderLLB), zu der im Schulversuch auch verschiedeneFormen erprobt werden. Allerdings wird z.B. mitPortfolios (SchülerInnen legen eine Mappe mitverschiedensten Inhalten zu einem Thema an) imMathematik- und Deutschunterricht gearbeitet.Auch die ESE-Methode (Eigenständige Selbst-ständige Entscheidungen – Experimente laufen imDeutsch- und Englischunterricht) erlaubt das Er-bringen verschiedenartiger Leistungen und selb-ständiges Einteilen von Terminen.

7. LEISTUNGSBEURTEILUNG ALS LERN-STEUERUNG

Natürlich stellt sich mit einem anderen Leistungs-begriff und verschiedenen Formen der Leistungs-feststellung und vor allem mit Kindern unter-schiedlicher Begabungen in einer Klasse die Fra-ge der Leistungsbeurteilung mit einer noch grö-ßeren Vehemenz. Von Anfang an liefen daher imSchulversuch, vor allem in der Klusemannstraße,auch Versuche zu alternativen Formen derLeistungsbeurteilung, die vor allem lernziel-orientiert waren.

Die Grundidee ist, durch vordefinierte Zieler-wartungen den Prozess des Lernens zu steuern

orientierten und rein kognitiv ausgerichtetenLeistungsbegriff der Regelschule. Der Prozess desLernens gewinnt an Bedeutung, und damit natür-lich auch die Bandbreite der sogenannten dyna-mischen Fähigkeiten oder Schlüsselquali-fikationen. Der Erwerb von Schlüsselquali-fikationen wird in unserem Schulversuch als wich-tige Leistung gesehen. Aufgrund der unterschied-lichen Begabungen der Kinder wäre es eigentlichauch nur fair, diesen auch in Hinblick aufLeistungsfeststellung Rechnung zu tragen, undemotionale, soziale, kreative und handwerklicheLeistungen ebenso anzuerkennen wie kognitive(siehe Schriftenreihe des Schulverbunds, 12). Vondieser Realität sind wir aber auch noch weit ent-fernt, vor allem, weil sich der Großteil derKollegInnen noch an herkömmliche Leistungs-feststellungsformen hält, vor allem, weil am Endedoch wieder die Umrechnung in das angeblichvergleichbare Notenschema 1 – 5 vorgenommenwerden muß.

6.LEISTUNGSFESTSTELLUNGEN AUF UNTER-SCHIEDLICHEN NIVEAUS

Auch wenn während der ersten drei Jahre derSekundarstufe (fünfte bis achte Schulstufe) in derNeuen Mittelschule jedem Kind die Chance gege-ben wird , sich zu entwickeln, bleibt doch die Tat-sache bestehen, dass gleiche Leistungsfest-stellungen für alle in der gleichen Zeit eine Unge-rechtigkeit für leistungsschwächere Kinder darstel-len. Leistungsfeststellungen in Englisch werdendaher meist auf zwei Niveaus (Basis und Erwei-terung) angeboten. Um LeistungsschwächerenKindern entgegenzukommen, werden einfachereAufgaben gestellt, bzw. Hilfestellungen gegeben.Schwierigkeiten gibt es noch immer mit einerverbundweiten Definition des Wortes “Basis”. Füreinige LehrerInnen ist das die Leistung, die dasAHS-Genügend definiert, für andere ist es diedritte Leistungsgruppe, also gerade noch einepositive Beurteilung ermöglichend. Es ist auch für

SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

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Gruppenstruktur sehr dazu verleitete, Sachver-halte ohne weitere Rücksichtnahme auf dieIndividuallage der einzelnen SchülerInnen imFrontalunterricht vorzubringen. Vor allem dieKleingruppe mit ihrem familiären Charakter botsich geradewegs verführerisch dazu an, Themenim klassisch fragend-entwickelnden Unterrichts-stil zu erarbeiten. Wie Gottlieb Guntern (1994, 8)schon sagt, muß die Deregulation im eigenen Kopfbeginnen, um kreativitätshemmende Fesseln ab-zuwerfen und neue Wege zu gehen.

In der Aktionsforschungsstudie “Was leisten un-terschiedliche Unterrichtsformen für die InnereDifferenzierung?” (Messner (HG.), 1994) beob-achteten wir im Rahmen von Unterrichtsbesuchenwichtige Merkmale für die innere Differenzierungin unserer Unterrichtpraxis:

- Motivation durch den Einsatz alters-gemäßer Unterrichtmethoden und einerVerbindung von affektiv-emotionalen undkognitivem Lernen (z.B. Spiel,Bewegung,Kreativformen, Musikinstru-mente, Rhythmus und Text, etc. )

- Freiräume durch inhaltlich weitgesteckte,produktorientierte Arbeitsaufträge

- Sensibilität und Einfühlungsvermögen alsGrundhaltung des Lehrerverhaltens: Lie-bevolles Bemühen um Schüler, die sichschwer tun. Konsequenz in der Kontrolleder RegeleinhaltungIndividuelle Beziehungen zu den Schülern

- Kenntnis der Schüler:Kenntnis der individuellen Stärken undSchwächen der SchülerKenntnis des Beziehungssystems in derKlasse

- Vereinbarungen treffen und Flexibilität alsGrundhaltung des Lehrerverhaltens:Arbeitsverweigerung als Freiraum sehenund darüber in Verhandlung tretenFlexibilität bei spontan notwendigen Ver-

und vor allem auch stärker in die Verantwortungdes Lernenden zu legen. Auch wird durch diese Artder Leistungsrückmeldung klarer, wo es Lern-fortschritte bzw. Defizite gibt. Kinder dürfen nichterreichte Lernziele wiederholen. Was vom Lehrererwartet, bzw. vom Kind geleistet wurde, ist füralle Schulpartner transparent.Dies ist eine große Entlastung für viele Schüler-Innen und auch für uns LehrerInnen. Vor und nachjeder schriftlichen Lernzielkontrolle gibt esFreiarbeits- oder Vertiefungsphasen, die demSchüler ein individuelles Arbeiten an seinen Defi-ziten ermöglichen. Leider müssen alle Ergebnis-se in das herkömmliche fünfteilige Notenschemaumgerechnet werden.In den Phasen des Nachholens von Lernzielen er-leben wir sehr stark das unkomplizierte undselbstverständliche Wirksamwerden der sozialenKomponente. Wer Probleme hat, lässt sich voneinem Mitschüler helfen, von dem er annimmt,dass er ihm in dieser Frage weiterhelfen kann,unabhängig davon, ob dieser als allgemein guteroder schlechter Schüler in der Klasse eingestuftist. Und dies ohne jegliche Lenkungsmanöverdurch LehrerInnen. Wir haben die Erfahrung ge-macht, dass das gegenseitige Helfen in einemguten Lernklima automatisch passiert und vonSchülerInnen freiwillig erbracht wird (siehe Schrif-tenreihe des Schulverbunds, Nr.12). Sozial-kompetenz kann nicht vom Lehrer verordnetwerden, sondern kann nur in einem vertrauens-vollen Klima entstehen, ohne dass darüber vielgeredet werden muss und ohne dass die Schwä-cheren bloßgestellt werden.

8. FORDERN UND FÖRDERN IM UNTERRICHT

Jahrelang hatte ich mir als Hauptschullehrerin einRepertoire an verschiedenen Unterrichtsstilen und-formen zugelegt, die mir für meine Unterrichts-situation mit der äußeren Differenzierung in Lei-stungsgruppen, geeignet erschienen. Heute mußich aber eingestehen, dass die Vorgabe dieser

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änderungen im geplanten Unterricht, weilSchüler mitbestimmern

- Klarheit im vereinbarten Ordnungsrahmen:Achten auf klare ZeiteinteilungVerständliche Formulierung der Arbeit-saufträgeVorgabe der Sozialformen

9. KRITISCHES UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

Die Individualisierung des Unterrichts stösst na-türlich auf Grenzen und schließt gelegentlich gu-ten Frontalunterricht nicht aus. Ein neues Phäno-men, auf das die Schulen reagieren werden müs-sen, ist sicherlich der mittlerweile oft sehr starkausgeprägte Unterschied in den Kompetenzen,Fähigkeiten und im Vorwissen von SchülerInneneiner Altersstufe. Hochbegabte und/oder oft durchehrgeizige Eltern übermäßig geförderteSchülerInnen mit großem Wissensvorsprung ste-hen Vernachlässigten und Sich- Selbst- Überlas-senen mit Defiziten im sozialen und im kognitiven

Bereich gegenüber. Um dieser Tatsache nicht ir-gendwie, sondern bewusst und professionell be-gegnen zu können, werden eine Vielzahl von Maß-nahmen notwendig sein.

Auch werden wir den Unterrichtsstil in den Klas-sen ändern müssen. All zu oft erleben wir, dass dieSchülerInnen von dem was man gesagt hat, über-haupt nichts verstanden haben.

Sehr häufig stoßen wir bei der Umsetzung der In-novationen an schulorganisatorische Grenzen.Lehrmittel, Räume, Zeit, ... und auch die eigenenRessourcen sind oftmals knapp. Innovationenmüssen nicht nur inhaltlich, sondern auch auf derkonkreten Ebene, d.h. strukturell, materiell, finan-ziell in ein Schulkonzept eingepasst werden. Sonstbesteht die Gefahr, dass innovative Elemente baldan die alte, traditionelle Schulkultur angepasstwerden. Hier wären mutigere und offenere Refle-xionen und daraus resultierende Handlungen zwi-schen Behörde, Schulleitung und LehrerInnenwünschenswert.

SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

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WENN SCHULEN SICH DEN SPIEGEL VORHALTEN.ERFAHRUNGEN AUS EINEM PILOTPROJEKT ZUR ENTWICKLUNG EINESSELBSTEVALUATIONSSYSTEMS.

Herbert ALtrichter, ELgrid Messner

1. Dezember 1997: Etwa 100 LehrerInnen,SchulleiterInnen und Personen aus der Schulauf-sicht besuchen die erste öffentliche Präsentationder Erfahrungen des Schulverbundes Graz-Westmit dem Aufbau seines Qualitätsentwicklungs-systems. Die Diskussion dauert weit länger alserwartet: Warum wird Schulen schon wieder et-was Neues aufgebürdet? Was ist der Sinn hinterQualitätsevaluation? Heißt das, daß wir bisher kei-ne gute Arbeit gemacht haben? Wird Qualität imSchulsystem neu erfunden? Wie geht das prak-tisch vor sich? Wie ist das Verhältnis von Kostenund Nutzen? Was haben wir davon? Wird durchQualitätsevaluation nicht Lehrerarbeit verändert?

Wir interpretieren den Verlauf dieser Diskussionund die Nachfrage nach Beispielen und Unterla-gen als Wunsch nach Konkretheit, wenn überSchulqualität und ihre Entwicklung geredet wird.Als Ahnung davon, daß Qualitätsentwicklung nichtvon außen oder oben verordnet werden kann,sondern daß man zuerst herausfinden muß, wel-che Vorstellungen und welche Praxis von Qualitätan einer Schule existieren. Als Einsicht in die Not-wendigkeit, die Qualitätskonzepte unterschiedli-cher Betroffener einer Schule in Dialog undAuseinandersetzung zu bringen, sodaß ein persön-licher Bezug zum Qualitätsthema entstehen undein gemeinsames Qualitätsbewußtsein schrittwei-se erarbeitet werden kann.

In diesem Sinne wollen wir hier das konkrete Bei-spiel der Bemühungen um systematischeQualitätsentwicklung der fünfSchulverbundschulen Graz-West von innen hervorstellen. Sie entwickelten ein Qualitäts-evaluationssystem nach dem FQS-Modell (För-dernde Qualitätsevaluation an Schulen; vgl. Stritt-matter 1997) im Rahmen eines Pilotprojekt, dasvon Stadt, Land und Bund gefördet wurde. Wirselbst haben diesen Aufbauprozeß imSchulverbund Graz-West als interne Koordinato-rin für Schulentwicklung und als externer Berater

Mag. Elgrid Messner, Koordinatorin für

Schulentwicklung im Schulverbund

Graz - West

Univ. Prof. Dr. Herbert Altrichter, Univer-

sität Linz, externer Berater bei FQS

betreut. Auf der Basis unserer Erfahrungen undder ‘Qualitätsberichte’, die die fünf Standorte vor-legten, stellen wir einige ‘kritische Punkte’ beimAufbau neuer Formen schulischer Qualitäts-entwicklung zur Diskussion.

ERWARTUNGEN ABKLÄREN UND GRUND-KONSENS ERARBEITEN

Warum sollten sich Schulen auf ein Qualitäts-evaluationsprojekt einlassen? In der Vor-bereitungsphase wurden u.a. folgende Motive,sich bei einem Evaluations- und Qualitätsentwick-lungsvorhaben zu engagieren, genannt:- Bilanz über die pädagogische Praxis der

Schulen und ihre Auswirkungen ziehenund einen Impuls für ihre Weiterentwick-lung geben,

- die Ziele der Schulen und ihre pädagogi-schen Philosophie klären,

- das Qualitätsbewußtsein in Hinblick aufUnterricht und Schule heben,

Herbert Altrichter, Elgrid Messner | WENN SCHULEN SICH DEN SPIEGEL VORHALTEN

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- sich für die vom Ministerium angekündigteverpflichtende Kombination von Schulpro-gramm und Evaluation vorbereiten,

- nach innen und nach aussen besser infor-mieren können,

- und aus der gemeinsamen Vergewisse-rung über die Qualität der eigenen ArbeitKraft schöpfen.

Eine Voraussetzung für die Teilnahme einer Schuleam Projekt war die Zustimmung von 80% einesKollegiums. Bis dahin waren Neuerungen meistmit offizieller Freiwilligkeit, aber diffusem Druckdurch Kontextbedingungen eingeführt worden.Die Projektbedingung ‘80% Zustimmung’ erlaubteaber keine schleichende Einführung, sondern for-derte Klarheit für und von den Beteiligten von al-lem Anfang an. Dadurch erhöhte sich in der An-fangsphase der Druck auf die SchulleiterInnen, diedurchwegs selbst großes Interesse hatten, demProjekt anzugehören.

Nach Informationsveranstaltungen über das FQS-Modell und nach unterschiedlich langen, durchauslebhaften schulinternen Entscheidungsprozessenerreichten vier der fünf Schulen das geforderteAusmaß an Lehrerbeteiligung. Positive Bedingun-gen dafür waren,- daß sich engagierte und angesehene

LehrerInnen mit Vorschlägen und Möglich-keiten der Qualitätsentwicklung auseinan-dersetzten und für die Moderation des

Entscheidungsprozesses ihrer Schule Verantwor-tung übernahmen;- daß das Projekt ”hochlegitimiert“ war -

durch ‘hochrangige’ Auftraggeber (Mini-sterium, Landesschulrat, Schulaufsicht),externeBerater und zusätzliche finanziel-le Möglichkeiten, die ja gegenwärtig sonstschwer zu bekommen sind;

- daß die SchulleiterInnen das Projekt offenunterstützten, kontinuierlich darüberinformierten und sich in vielen Einzel- und

Teamgesprächen sowie in Konferenzenaktiv um Glaubwürdigkeit bemühten. Ver-trauen in die Führung einer Schule scheintjedenfalls eine notwendige Voraussetzungfür die Entscheidung zur gemeinsamenQualitätsevaluation zu sein.

Die fünfte Schule, an der sich nur etwas über dieHälfte des Kollegiums für eine Teilnahme aus-sprach, wurde nicht offiziell ins Projekt aufgenom-men; allerdings arbeiteten auch an dieser Schuleeinzelne Lehrerteams nach dem FQS-Konzept undwaren als Gäste in den Steuergruppen-Seminarenvertreten.

VERFAHRENSSPIELREGELN UND VERANTWORT-UNGSSTRUKTUREN KLÄREN

Die LehrerInnen der Verbundschulen holten Feed-back von SchülerInnen, Eltern und KollegInnenein. Dieses wurde in Qualitätsteams von drei bisneun LehrerInnen besprochen und verarbeitet.Der Evaluations- und Entwicklungsprozeß einerSchule wurde von einer gewählten Steuergruppenmoderiert, die wiederum in der Projektleitungs-gruppe repräsentiert war, die den gesamten Pro-zeß auf der Ebene des Schulverbunds steuerte.Etwa alle drei Monate fanden Seminare für dieSteuergruppen statt. Diese sollten die Prozesse anden einzelnen Schulen durch Austausch zwischenden fünf Schulen, durch externe Beratung sowiedurch Entwurf und Erprobung von nächstenEntwicklungsschritten unterstützen. Schulbehör-de und Schulaufsicht waren in Form eines Beiratsintegriert, der Rückmeldung in Hinblick aufProjektstrategie und -ergebnisse gab und dieProjekterfahrungen für die weitere Qualitäts-strategie der Behörde auswertete.

Die Diskussion über den notwendigen Zeiteinsatzwar zu Beginn des Projekts heftig, verlor aber nacheinem Jahr Arbeit zunehmend an Virulenz. War-um?- Das Zeitargument war anfangs möglicher-

SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

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weise ein - sozial akzeptabler - Ausdruckeines allgemeineren Mißbehagens gegen-über dem unbekannten und schwer ein-schätzbaren Vorschlag ‘Qualitäts-evaluation’. Sobald ‘Qualitätsevaluation’durch erste Erfahrungen faßbarer und zu-nehmend öffentlich akzeptiert wurde, so-bald manche die Erfahrung machten, per-sönlichen Nutzen aus dieser Arbeit zu zie-hen, verlor das Zeitargument seine Be-deutung.

- LehrerInnen, die nicht mitarbeiten woll-ten, verwendeten am häufigsten das Zeit-argument. Die klare Vereinbarung, daßjede Schule 20% des Lehrerkollegiumserlauben kann, sich an der Qualitäts-evaluation nicht aktiv zu beteiligen (soferndiese ‘Nicht-Beteiligung nicht zum Boykottoder zur Behinderung der Arbeit der an-deren wird), half auch den ”heimlichen”Ärger der Aktiven zu mindern. Man hörteauf, auf jene zu ”starren”, die nicht woll-ten, sondern beschäftigte sich nun mit deneigenen Aktivitäten.

- Die Einrichtung von klaren Zeitstrukturenenschärfte die Problematik: An allenVerbundschulen gibt es die Verpflichtung,wöchentlich eineinhalb Stunden am Nach-mittag Teamsitzungen abzuhalten. DieseBlockzeiten konnten wechselweise - nachden Notwendigkeiten des Schuljahres - fürSitzungen von Jahrgangs- und Qualitäts-teams (die manchmal identisch sind) ge-nutzt werden.

Dennoch: Für Kooperation bei Evaluation und Ent-wicklung benötigt man Zeit. Wenn diese Aufgabenals Standardausrüstung von Schulen gehörensollten, dann ist in den schulischen Zeitstrukturenund den Arbeitsverträgen entsprechend daraufRücksicht zu nehmen. Das Ausweichen vonQualitätsteams in die Abendstunden darf keineDauereinrichtung sein.

Eine gewisse Gefahr bei Evaluationsprojektenbesteht darin, dass die Beteiligten sich pro formain Untersuchungsaktivitäten ergehen und einSzenario hektischen So-Tuns-Als-Ob mit wahrenFragebogenfluten entsteht, ohne dass irgendwel-che Konsequenzen daraus gezogen werden. Wei-terentwicklung braucht bestimmte Schutz- undSicherheits-Bedingungen. In den Kontrakten derteilnehmenden Schulen mit der Projektleitung undin den ‘Vertraulichkeitsvereinbarungen’, die dieeinzelnen Qualitätsteams abfaßten, wurden u.a.folgenden Grundsätze vereinbart:- ein Geist der offenen Aushandlung, der

Platz für Meinungsunterschiede, Ängsteund Widerstände, Suchen von Konsensohne Mehrheitsdiktat läßt und ein Abwei-chen in Würde gestattet,

- ein Achten auf ehrliche Qualitätsüber-prüfung, bei der es nicht um anfänglicheQuantität der eingesetzten Instrumenteund Schneidigkeit der Fragestellungengeht, sondern um längerfristige und nach-haltige Entwicklung,

- Vertraulichkeit, Respekt und Wertschät-zung beim kollegialen Feedback, bei demman einander ”kritische/r Freund/in” ist,Stärken vor Schwächen Priorität habenund es zu keinen Prangereffekten kommt,

- und daß schließlich Konsequenz bei den -aus der Evaluation zu ziehenden -Konsequenzen entscheidend ist, soll dieganze Aktion nicht zu zeitaufwendigembusiness as usual verkommen.

Auf dem Papier vereinbart klingen diese Grund-sätze bald plausibel. Sich danach zu verhalten, istnicht immer so einfach, weil in lang eingespieltenPraktiken anderes gelernt wurde. So wird derEvaluationsprozeß zum Training für aufmerksamesBeobachten aus neuem Blickwinkel, für neugieri-ges Verstehen-Wollen früher als ‘altbekannt’ ein-geschätzter Phänomene, für systemisches Be-trachten der Schulrealität und setzt damit alltäg-

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liches (unterrichtliches und kollegiales) Verhaltenständiger Überprüfung aus.

EVALUATIONSFELDER BESTIMMEN UND QUALI-TÄTSSTANDARDS KONKRETISIEREN

Nach der Entscheidung, sich auf einenEvaluationsprozeß einzulassen, stand die Suchenach interessanten Themen, die es wert waren,untersucht zu werden, wie z.B. Innere Differen-zierung, Projektunterricht und selbständigerWissenserwerb, Gestaltung der Schule. War ein-mal ein Evaluationsfeld im Qualitätsteam gefun-den, mußten die zentrale Zielsetzungen, die kon-kreten Angebote, Maßnahmen und Verhaltenswei-sen zu ihrer Realisierung sowie die Erfolgs-indikatoren erörtert und ausformuliert werden(vgl. auch Bauer 1998, 22).

Für den Aufbau eines Qualitäts-entwicklungssystems ist die Erarbeitung einesQualitätsbewußtseins im Schulhaus zentral. Wasdurchaus anstrengend ist, weil- zunächst einmal ein expliziter Wille für ge-

meinsame Qualitätsentwicklung formuliertwerden muß, denn bis dato sorgte fürQualität jeder individuell und ”automa-tisch”;

- bei der Konkretisierung von Zielvorstellun-gen sich oft zeigt, daß hinter ähnlich klin-genden Leitideen (wie z.B. Innere Diffe-renzierung) sehr unterschiedlicheQualitätsvorstellungen und eine noch un-terschiedlichere Praxis stehen, die bisher„ganz gut“ nebeneinander existierenkonnten;

- bald klar wird, daß man diesen Schwierig-keiten nicht aus dem Weg gehen kann(sondern sie höchstens etwas aufschiebt),wenn man vorgefertigte Schablonen einerguten Schule oder ‘wissenschaftlich gete-steter’ Evaluationsbögen über den Stand-ort stülpt;

- Verstehen und Verständnis dafür erstwachsen müssen, daß es den allgemeinzu akzeptierenden Maßstab für Qualitätnicht gibt, was notwendig macht, daß diegemeinsamen Qualitätskritieren einesSchulprofils von den unterschiedlichenBetroffenen erst ”ausgehandelt” und ”ver-einbart” werden müssen.

EVALUATIONSKONZEPT ENTWERFEN UNDINFORMATIONSSAMMLUNG DURCHFÜHREN

Zu solcherart konkretisierten Qualitätsstandardsholten die LehrerInnen Individualfeedback vonSchülerInnen, Eltern und LehrerkollegInnen einund machten Schulqualitätsrecherchen, d.h.Untersuchungen von Aspekten der Qualität derganzen Schule (z.B. Organisation und Koordina-tion des Projektunterrichts an der Schule). Dafürwurden unterschiedliche Evaluationsmethodenverwendet (vgl. Altrichter/Posch 1998) - von ein-fachen Feedbackblättern über Unterrichts-beobachtungen bis zu Fragebögen und Interviews.

Insgesamt war überraschend, wie häufig Frage-bögen verwendet wurden. Obwohl ihre Erstellungund Auswertung den meisten LehrerInnen nichtvertraut ist, scheint das Instrument eine große At-traktivität zu haben. Der Fragebogen wird offen-bar von vielen Lehrer-EvaluatorInnen als das so-zialwissenschaftliche Forschungsinstrument ange-sehen, zu dem wenige Alternativen bekannt sind.Praxisfreundliche Evaluationsformen, wieUnterrichtsbeobachtung oder einfache Feedback-instrumente (vgl. Eikenbusch 1997), werden zwarauch angewandt, doch werden diese oft durchFragebögen ergänzt. Der Wunsch, zu gefestigten,‘repräsentativeren’ und ‘objektiveren’ Aussagen zugelangen, spielt eine große Rolle. Dieses Ziel zuerreichen, erscheint nur mit dem Fragebogenmöglich.

Das Know-how bezüglich Wahl, Erstellung und

SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

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ökonomischen Einsatz von Evaluationsmethodensowie der Interpretation ihrer Ergebnisse ist einkritischer Punkte eines Qualitätsentwicklungs-projekts. Wir führten kein Methodentraining vorder Tat durch, sondern hofften durch die intensi-ve Beratung der Steuergruppen bei der Ziel-klärung und beim Design der ersten Evaluations-vorhaben die wichtigsten Fragen auffangen zukönnen. Retrospektiv gesehen scheint dies nichtimmer geklappt zu haben. Auch die Informations-weitergabe von den Steuergruppen an dieQualitätsteams ihrer Schule scheint in sehr unter-schiedlichem Maße funktioniert zu haben.

DATEN INTERPRETIEREN UND KONSEQUENZENZIEHEN

Qualitätsevaluation erfährt dadurch ihre Legitima-tion, daß sie Impulse zur Weiterentwicklung ein-zelner LehrerInnen, aber auch der Schulen gibt,z.B. zu Fortbildung, kollegialer Praxisberatung,Entwicklungsprojekten (‘Angebote’, Programmeoder Verhaltensregeln) oder Organisations-veränderungen.In den Qualitätsberichten wurden viel Raum undIdeenreichtum für Erhebungsaktivitäten und dieDarstellung von Daten verwendet. Dass jedocheher seltener konkrete Konsequenzen beschriebenund in die Tat umgesetzt wurden, war für unsüberraschend.Als Interpretationen dafür bieten sich an:- Konsequenzen brauchen ihre Zeit und

können erst umgesetzt werden.- Notwendige Konsequenzen stoßen an die

organisatorischen, personellen und finan-ziellen Grenzen der Versuchsschulen

- Für viele LehrerInnen war es wahrschein-lich gar nicht so einfach, neben der Rolleder „Lehrenden“ jene der „EvaluatorIn“einzunehmen. Einmal im „Evaluations-modus“, werden viel Mühe und Energiedarauf verwendet, oft relativ groß dimen-sionierte Evaluationsvorhaben gewählt

und vielfältige Aktivitäten gesetzt. Dernächste Schritt im Kreislauf, nämlich wie-derum in den Modus „Praxis (und ihreWeiterentwicklung)“ zu gehen, erfordertein Umdenken und einen neuen „Kick“.

- Konsequenzen werden nicht als solcheerkannt: Beispielsweise gab es gemeinsa-me Fortbildungsveranstaltungen und neueEntwicklungsprojekte, die, obwohl sie‘Qualitätsthemen’ betrafen, nicht als Teilder Qualitätsentwicklung wahrgenommenwurden.

BERICHTLEGUNG UND INFORMATIONSSTRÖME

Die Berichtlegung war anfangs eine heikle Frage.Die teilnehmenden LehrerInnen wollten genaueAuskunft über: Wer hat worüber wann und wie-viel zu berichten? Was geschieht mit den Berich-ten? In den Kontrakten wurden entsprechendeFestlegungen getroffen. Letztlich überraschten alleSchulen mit umfangreichen Qualitätsberichten.Sie enthalten neben einem genauen Protokoll al-ler Projektaktivitäten eine Sammlung der Teilbe-richte der Qualitätsgruppen, die wiederum Studi-en zu einzelnen Fragestellungen umfassen.

Die Berichte sind also nicht ‘minimalistisch’ aus-gefallen, und viele LehrerInnen führten bedeutendmehr als das Mindestausmaß der vereinbartenAktivitäten durch.Wie kam diese Bereitschaft zum aktiven Engage-ment zustande?- Vielleicht weil im Zuge der Arbeit Freude

an der Evaluationstätigkeit entstandenwar. Vielleicht weil die Schulen in einenkonstruktiven Wettstreit gerieten.

- Die Projektleitungsgruppe, der dieSprecherInnen aller Steuergruppen ange-hören, hatte die Behörde als primäreAdressatengruppe der Berichte bestimmt.Das mag den offiziellen Charakter derBerichte unterstrichen und den Ehrgeiz

Herbert Altrichter, Elgrid Messner | WENN SCHULEN SICH DEN SPIEGEL VORHALTEN

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hervorgerufen haben, eine gute Leistungvorzulegen.

- Die Konvolute signalisieren auch einen ge-wissen Stolz auf die geleistete Arbeit. Frü-here Berichte der reformgewohnten Schu-len betrafen üblicherweise ”besondere”,oft kürzerfristige, projektartige Reform-aktivitäten. Noch nie zuvor hatte es je-doch einen so klaren Auftrag gegeben,‘normalen Unterricht’ schriftlich zu doku-mentieren. Vielleicht ein Weg, gute alltäg-liche Arbeit zu etwas ‘Besonderem’ zumachen und ihren Stellenwert zu erhöhen.

Es wurden nur marginal Vereinbarungen darübergetroffen, wie Berichte an Eltern und Öffentlich-keit gestaltet werden sollten. Die interne Bericht-erstattung in den Schulen war leider nicht gutdurchdacht. Eher wenig koordinierte mündlicheKommunikation herrschte vor, Austausch undInformationsflüsse zwischen den Qualitätsgruppenwurden nur ansatzweise gezielt entwickelt. Aus-nahme sind einige wenige sog. ”Qualitätskon-ferenzen”, in deren Rahmen praktische Erfahrun-gen, Evaluationsergebnisse und Handlungsideendiskutiert und weitergegeben wurden. So wichtigein gewisser Schutzraum beim ersten Einholenund Besprechen von Rückmeldungen in denQualitätsgruppen ist (der durch die ‘Vertraulich-keitsvereinbarungen’ gesichert wird), so bedeut-sam wird es in Hinkunft sein, praktikable undökonomische Wege des Lernens aus den Erfahrun-gen der KollegInnen zu entwickeln,- um Synergien zwischen den Projekten

einzelner Lehrerteams zu fördern,- um die Chance zu erhöhen, vom Lernen

der Einzelnen zum Lernen der Organisa-tion weiterzuschreiten und eventuelle Ver-änderungen auf Organisationsebene zuermöglichen; sowie

- um der notorischen Geringschätzung undPrivatisierung von Lehrerwissen ein Endezu bereiten, die unserer Meinung nach ein

wichtiger Grund für die Vorsicht vonLehrerInnen gegenüber Qualitäts-entwicklungsprojekten sind: Im Lehrerbe-ruf (vgl. Lortie 1975; Altrichter 1996) ist‘Erfolg’ nur schwer an den Früchten dereigenen Tätigkeit ablesbar und stellt sichzudem erst langfristig ein, was sich als‘endemische Unsicherheit’ im Beruf nie-derschlägt. Wenn Berufstätige auch nichtauf ein einigermaßen akzeptiertes Berufs-wissen zurückgreifen können, das ihneneine gewisse Sicherheit in Zweifelsfällengibt, dann ist es kein Wunder, daß sieBewertungssituationen mit gemischtenGefühlen entgegensehen werden. Wirverstehen Projekte der Qualitäts-entwicklung auch als eine Chance, sich vorOrt über Standards, Wege und Wirkungendes Lehrerhandelns auseinanderzusetzenund eine berufsspezifische Wissensbasisdarüber aufzubauen.

Anmerkungen:

Altrichter, H.: Der Lehrberuf: Qualifikationen, strukturelle Be-dingungen und Professionalität. In: Specht, W./Thonhauser,J. (Hrsg.): Schulqualität. Innsbruck: StudienVerlag, 1996, 96-172.Altrichter, H./Posch, P.: Lehrer erforschen ihren Unterricht.Klinkhardt: Bad Heilbrunn 19983.Anderl, M./Hiebler, S.: Freiarbeit im Mathematikunterricht.Unv. FQS-Studie. NMS Graz-Puntigam 1997.Bauer, C.: Kritische Freunde. Vertrauen aufbauen, sichererwerden. In: ZV-LehrerInnen-Zeitung (1998)1, 20-23.Eikenbusch, G.: Der kleine Methodenkoffer. In: Pädagogik(1997)5, 30-34.Lortie, D. C.: Schoolteacher. University of Chicago Press: Chi-cago 1975.Posch, P./Altrichter, H.: Möglichkeiten und Grenzen derQualitätsevaluation und Qualitätsentwicklung im Schulwesen.StudienVerlag: Innsbruck 1997Strittmatter, A.: ”Eine knüppelharte Sache”. In: Pädagogik(1997)5, 16-20.

SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

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ZEHN JAHRE SELBSTEVALUATIONSBEMÜHUNGENUND QUALITÄTSENTWICKLUNGSPROJEKTE IMSCHULVERBUND GRAZ - WEST

Christa Bauer

AKTIONSFORSCHUNG ALS ENTWICKLUNGS-PRINZIP IM SCHULMODELL

“Selbstevaluation durch Aktionsforschung”- dieserlapidare Passus im Schulmodell bedeutete damalsvor zehn Jahren Anregung und Verpflichtung zueiner anderen Sicht des Lehrerseins und der In-tegration von Entwicklungsarbeit in den schuli-schen Alltag. Im Rahmen der “alles neu – allesanders” Situation zu Beginn im Schulverbundwurde aber der Aktionsforschung ein bescheide-nes Los zuteil. In einem Workshop im ersten Jahrdurchgeführt vom damaligen VerbundkoordinatorErnst Krett wurden einige LehrerInnen der erstenGeneration im Telegrammstil in die wichtigstenMethoden der Aktionsforschung eingeschult. Wirwurden ersucht, ein Forschungstagebuch zu füh-ren. In einer weiteren schulinternen Lehrer-fortbildung wurde eine Videoaufnahme einer Un-terrichtseinheit besprochen. Dabei traten aber dieüblichen Probleme auf: Was den einen gut er-schien, fanden die anderen äußerst kritikwürdigund da es sich um anwesende Personen handel-te, endete die Sitzung in einem Zerwürfnis. Dies,sowie auch andere Seminare, die Lehrer-hospitationen behandelten, und in denen zuwe-nig Schutz für handelnde Personen gegeben wur-de, führte zu einer Einstellung dieser Art derLehrerfortbildung. Das ist bedauerlich, denn ge-rade hier wurde sehr viel über neue Unterrichts-methoden gelernt und weitertransportiert. Es istauch möglich, dass dies eine Ursache dafür ist,dass Aktionsforschung niemals ein “Massen-phänomen” im Verbund wurde.

Einer kleinen Gruppe von Aktivist/innen gelangdurch die Teilnahme am Steirischen Innovations-projekt “Förderliche und hemmende Bedingungenfür Innovationen an Schulen” eine Vertiefung derersten Aktionsforschungserfahrungen und dieErweiterung des eigenen Blickwinkels auf Auswir-kungen von Innovationen auf der Schulent-wicklungsebene. Ergebnis: eine Fallstudie über

das erste Jahr,1 und die Gewinnung von Univ. Prof.Dr. Peter Posch als Berater des Schulversuchs.

Nach der Verpflichtung von Elgrid Messner alsKoordinatorin für Schulentwicklung im dritten Jahrdes Versuchs fanden zwei mehrtägige Seminarestatt, die mit Methoden der AktionsforschungSchulversuchsziele näher betrachteten und wei-terentwickelten.2 Die teilnemenden Lehrerteamsder Verbundschulen einigten sich auf einenUntersuchungsbereich, der dann zum Titel derSeminare wurden: “Was leisten unterschiedlicheUnterrichtsformen für die Innere Differenzierung?”und “Aspekte der Leistungsfeststellung und -beurteilung bei Innerer Differenzierung des Un-terrichts” Im Rahmen der Seminare fanden ge-genseitige Unterrichtsbesuche statt, die ausge-

Mag. Christa Bauer, AHS- Lehrerin, Klusemannstraße, Koordi-

natorin im Schulverbund

Christa Bauer | ZEHN JAHRE SELBSTEVALUATIONSBEMÜHUNGEN UND QUALITÄTSENTWICKLUNGSPROJEKTE

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wertet und dokumentiert wurden. Das jeweilsfünfköpfige BetreuerInnenteam unter der Leitungvon Peter Posch entwarf das Seminardesign, mo-derierte das Seminar, bat Knowhow über Aktions-forschung als Strategie der Unterrichts- undSchulentwicklung an, vermittelte Wissen überqualitative Forschungsmethoden, unterstützte dieforschenden LehrerInnen motivierend und struk-turierend und begleitete den Schulentwicklungs-prozess, der mit den Seminaren einherging. DieErgebnisse sind in der Schriftenreihe des Schul-verbunds in den Heften Nr. 12 und Nr. 13 veröf-fentlicht.

AUFFORDERUNG DES MINISTERIUMS ZURSELBSTEVALUATION

Im vierten Jahr des Verbunds folgte eine Auffor-derung des Ministeriums zu einer internen Evalua-tion, der wir mit umfassenden Frageentwicklungenzu den Zielen des Schulversuchs Folge leisteten.Die Auswertung der Antworten durch das ZSEfasste aber alle Schulverbünde zusammen und sokonnten wir diese Ergebnisse nicht umfassend fürunsere Weiterentwicklung nützen. Die Aufforde-rung zur Selbstevaluation schwebte weiter imRaum. Von der “Laborschule” des Landes sollteauch in dieser Hinsicht ein Impuls ausgehen, vorallem aber sollten Ergebnisse der Schulversuchs-arbeit sichtbar gemacht werden.

PILOTPROJEKT FQS – FÖRDERLICHE QUALITÄTS-EVALUATION AN SCHULEN

Im Jahre 1996 wurde von der Koordinatorin ElgridMessner das zweijährige Pilotprojekt “FQS – För-derliche Qualitätsevaluation an Schulen” initiiert,das von Bund, Land und Stadt gefördert wurde.Besonders das damalige Bundesministerium fürUnterricht und kulturelle Angelegenheiten hatteInteresse am Projekt, weil es in die Zeit der er-sten Versuche mit Selbstevaluation in Österreichfiel. Es gelang der Koordinatorin Dr. Anton Stritt-

matter, den Leiter der Pädagogischen Arbeitstelledes Dachverbands Schweizer Lehrerinnen undLehrer und die Universitätsprofessoren Dr. PeterPosch und Dr. Herbert Altrichter als externe Be-rater zu gewinnen.

FQS baute auf der Tradition der Aktionsforschungauf und führte Einzelaktivitäten zu Gruppen-tätigkeiten zusammen (Qualitätszirkel). Es gabeine Verpflichtung zu Individualfeedbacks für alleLehrerInnen und Vereinbarungen zu selbst-gewählten Schulrecherchen. FQS gibt in ersterLinie Kooperationsstrukturen vor, überläßt aberden untersuchenden LehrerInnen die Wahl derUntersuchungsthemen. Fast alle selbsgewähltenUntersuchungsbereiche bezogen sich auf die Kern-elemente des Schulversuchs. Der Prozess wurdean jeder Schule von jeweils einer Steuergruppekoordiniert. Für diese fanden Methoden-schulungen und Beratung durch die externen Pro-jektleiter und Berater in insgesamt sechs mehr-tägigen Seminaren statt. Für alle Kooperationengab es einen Vertrag, die Aufsichtsbehörde wareingebunden. Die Einzelberichte der Schulen gin-gen an die Aufsichtsbehörde, der Abschlußberichtder externen Berater erging an das Unterrichts-ministerium (Altrichter/Posch/Strittmatter, Graz1998)

Die Durchführung des Pilotprojekts war geprägtvom Ringen der Lehrerschaft mit Zeit und sonsti-gen knappen Ressourcen. Evaluation unterbrichtimmer den Fluß der Tätigkeit, des Prozesses undwird daher als Störung empfunden. Zusätzlich fieldas Pilotprojekt in die Zeit erster Sparmaßnahmenund Umverteilung im schulischen Bereich (Stich-wort § 61), wodurch gerade engagierteLehrerInnen benachteiligt wurden. Ebenso lief dasProjekt unterschiedlich gut an den einzelnen Schu-len, sodass nach Ende der Pilotphase die Energiefür eine Fortführung an nur einer Schule erhaltenblieb.

SCHULENTWICKLUNG UND QUALITÄTSSICHERUNG

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EINZELAKTIVITÄTEN ZUR ERHEBUNG VONAUSSENSICHTEN

So konzentrierten sich im Jahre 1999 dieEvaluationsbemühungen auf Einholung von Aus-sensichten. VolkschullehrerInnen der Umgebungs-schulen wurden befragt, Absolventen der erstenvier Schulversuchsjahre ebenso wie die erstenMaturanten.Alle diese Befragungen trafen aber nur die Inter-essen der Fragenden und nicht die Interessen derBefragten. Der Rücklauf und die Ergebnisse blie-ben mager.

PROJEKT “QUALITÄTSSTANDARDS 2000”

Durch das Projekt FQS war aber ein Know-Howüber Selbstevaluation entstanden. AlsLandesschulinspektor Hinteregger 1999 einenweiteren Anlauf der Selbstevaluation verlangte,wurden in einer Sitzung klare Rahmenbedingun-gen verlangt. Die wesentlichen ungeklärten Fra-gen dabei waren, nach welchen Standards und mitwelchen Instrumenten welche Ziele evaluiert wer-den sollten, und wie eine verträgliche Verteilungder Arbeitsbelastung der Evaluation erreicht wer-den könnte. Nicht jeder sollte gleich in die Ent-wicklungsarbeit eingebunden sein, Vorhandenesaus der Zeit von FQS und davor sollte allen sicht-bar und zugänglich gemacht, auf Aussage-kräftigkeit überprüft und schließlich einbezogenwerden.

Als damalige Verbundkoordinatorin entwickelte ichein Projekt, dass den meisten dieser VorgabenRechnung trug. In einer Sitzung der Schulleiter,StandortkoordinatorInnen, Teamsprecherinnendes Verbunds und der Personalvertretung derKlusemannstraße wurde schließlich das Projekt“Qualitätsstandards 2000” ausverhandelt und dieZustimmung erteilt.

Im zehnten Jahr des Verbunds sollten zu 10 wich-

tigen Themen des Schulversuchs Qualitätsstan-dards erarbeitet werden, die die tatsächlichen Zie-le und die Praxis des Schulversuchs widerspiegeln.Um die Mitarbeit der Basis sicherzustellen, wurdedie Verantwortlichkeit mit einer Werteinheit ausder Verbundkoordination ausgestattet und inner-halb des Verbunds ausgeschrieben . Die Leitungdieses Projekts wurde von der Leiterkonferenz mirübertragen. So konnte das Projekt im Oktober2000 starten. Die in dieser Festschrift veröffent-lichten Qualitätsstandards sind die ersten Ergeb-nisse unserer Arbeit.

1 Einführung der lernzielorientierten Leistungsbeurteilung.Warum war es so mühsam? Christa Bauer, Schriftenreihe desSchulverbunds, ed. Elgrid Messner2 siehe Schriftenreihe SCHULE ENTWICKELN:Dokumente ausdem Schulverbund Graz-West, SV-Reihe Nr. 12 und SV-ReiheNr. 13

Christa Bauer | ZEHN JAHRE SELBSTEVALUATIONSBEMÜHUNGEN UND QUALITÄTSENTWICKLUNGSPROJEKTE

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100ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

“QUALITÄT 2000” -QUALITÄTSSTANDARDS DURCH SELBSTEVALUATION

Elgrid Messner

Selbstevaluation hat im Schulverbund Graz-WestTradition. Das jüngste groß angelegte Projekthaben wir “Qualität 2000” genannt. Ein Jahr langinformierten sich schulübergreifende Teams vonLehrer/innen über die alltägliche Praxis mehrererSchulmodellthemen an den fünf Verbundschulen.Diese Feststellung des Ist-Standes war die Grund-lage für einen Diskussionsprozess aller Verbund-lehrer/innen, um gemeinsame Qualitätsstandardszu formulieren. Sie werden im zweiten Projektjahran den Einzelschulen im Rahmen derSchulprogrammarbeit – wieder mit Verbundunter-stützung und -begleitung - evaluiert werden.

Wir haben uns getraut, dieses Vorhaben anzuge-hen, weil es an den Schulen durch unsereAktionsforschungs- und Feedbackaktivitäten in derVergangenheit viele engagierte Lehrer/innen mitgenügend Know How gibt, solche“Schulrecherchen” planvoll, gezielt und fruchtbrin-gend durchführen zu können. Besonderen Dankgebührt vor allem der Projektleiterin Mag. ChristaBauer, die mit unermüdlichem Einsatz arbeitet.

Die Aufsichtsbehörde hatte aktives Interesse, dieQualität der pädagogischen Innovationen zu über-prüfen, Impulse für deren Weiterentwicklung anden Schulen zu setzen und übertragbare Elementezur Weiterentwicklung der steirischenSchullandschaft herauszufiltern. LSI Dr. RobertHinteregger urgierte eine systematischeSchulentwicklung mit den Zielsetzungen einerQualitätsentwicklung und Qualitätsssicherung imVerbund und BSI Dietlinde Leder wünschte dieErstellung eines Schulprogramms mit Leitbild undEvaluation.

AUFTRAG UND UMSETZUNG

Der Auftraggeber ist die Aufsichtsbehörde, dieInteresse an einer Selbstevaluation mit Elemen-ten externer Evaluation hat. Damit verfolgt dasVorhaben den Zweck, zum einen Rechenschaft ab-

zulegen und zum anderen Impulse fürschulinterne und regionale Entwicklung zu setzen.Interner Auftraggeber und Prozesssteuerungs-gremium ist die Schulleiterkonferenz desSchulverbunds Graz-West. Die Projektplanungund -durchführung obliegt der “ProjektgruppeQualität 2000" bestehend aus der Projektleiterinfür das gesamte Vorhaben und denProjektleiterInnen für die einzelnen Themen, ge-nannt “ Themenverantwortliche”. Das Projekt wirddokumentiert und interessante Ergebnisse in un-serer Heftreihe Schule entwickeln: Dokumenteaus dem Schulverbund Graz-West veröffentlichtwerden.

DIE SÄULEN DES SCHULMODELLS ALSEVALUATIONSFELDER

Die Themenbereiche der Selbstevaluation wurdenim Rahmen einer Klausurtagungvom Landesschulinspektor, derBezirksschulinspektorin, den Schulleiter/innen,denStandortkoordinator/innen und den Stufenteam-sprecher/innen vereinbart:Schülerzentrierter Unterricht, Teamteaching,Themenzentrierter Unterricht, Integration, Sozia-les Lernen, Leistungsbeurteilung, Stufen-teamarbeit, Leiterarbeit und Elternarbeit

DIE QUALITÄTSSTANDARDS

“Qualität 2000” ist auf zwei Jahre angelegt und dieVerbundlehrer/innen haben den ersten großenAbschnitt geschafft. Es gibt auf der Grundlageeiner Analyse der gelebten pädagogischen Wirk-lichkeit im Verbund realitätsnahe Qualitätsstan-dards. Den Rahmen für die Formulierung unse-rer Qualitätsstandards haben wir von den exter-nen Beratern des vorangegangenen FQS-Projekts,Dr. Anton Strittmatter, Univ. Prof. Dr. Peter Poschund Univ. Prof. Dr. Herbert Altrichter übernom-men.

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4. Schritt: INSTRUMENTE (Evaluationsmethoden)

Mit welchen Untersuch-ungsmethoden können wir die-se Merkmale feststellen?

3. Schritt: INDIKATOREN (Verhaltensmerkmale)

Woran erkennen wir unserenErfolg? Welche beobachtbar-en Merkmale zeigen uns, dasswir unseren Anspruch eingelösthaben?

2. Schritt: REALISIERUNGEN(Aktivitäten, Angebote, Regeln)

Was tun wir, um diesemZiel zu entsprechen?

Die folgenden Beiträge der forschendenPraktikerInnenteams des Schulverbundsberichten von ersten Ergebnissen der Ist-Analyse im zehnten Jahr des Schulmodellsund geben stolz die Qualitätsstandardswider, wobei wir hier die auch schon erar-beiteten Instrumente (4.Schritt) nicht ver-öffentlichen. An diesen selbst formuliertenStandards können sich nun Lehrer/innen,Schüler/innen und Eltern orientieren. Siespiegeln unsere pädagogische undschulorganisatorische Philosophie und zei-gen, wie wir sie in der Praxis realisierenbzw. realisieren wollen. Sie sind Visionenund Leitsätze gleichzeitig, formuliert ausund für den Schulalltag.

1. Schritt:NORM Was ist unser Anspruch, unser Ziel? Was wollen wir erreichen?

Elgrid Messner | “QUALITÄT 2000” - QUALITÄTSSTANDARDS DURCH SELBSTEVALUATION

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102ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

SCHÜLERZENTRIERTER UNTERRICHT

Silvia Hiebler, Elfriede Pließnig, Renate Teissl

Im Laufe des zweijährigen FQS-Projektes mit denexternen Betreuern Anton Strittmatter, PeterPosch und Herbert Altrichter konnten wir grund-legende Erfahrungen mit Selbstevaluation in derSchule sammeln. In den Funktionen als Standort-koordinatorInnen und SteuergruppenleiterInnenkonnten wir uns in diesem für uns neuen Arbeits-feld professionalisieren. Mit großem Engagementhaben wir recherchiert, analysiert, interpretiertund dokumentiert. Zwei Jahre danach mussten wirfeststellen, dass der mit so hohem Aufwand an-gekurbelte Entwicklungs-prozess zum Stillstandgekommen war. Die Forschungsergebnisse wur-den nicht zur weiteren gezielten Schul- undUnterrichtsentwicklung genutzt. Dieses Wissen lagbrach und war für uns ein wesentliches Motiv denFaden wieder aufzunehmen.

Wir näherten uns unserem Thema „Schüler-zentrierter Unterricht“, indem wir die Fachlitera-tur durchstöberten und in der Modellbeschreibung,den FQS-Berichten, der Verbund-Schriftenreiheund im Neuen Lehrplan recherchierten. Eine E-mailumfrage unter den KollegInnen im Schulver-bund sollte das Datenmaterial ergänzen.Der schülerzentrierte Unterricht ist eine der tra-

genden Säulen im pädagogischen Gesamtkonzeptunseres Schulmodells. In der Fachliteratur istschulisches Lernen u. a. entweder als schüler-zentriert oder lehrerzentriert definiert (vgl. HilbertMeyer).Der Begriff “schülerzentriert” umfasst alle Lehr-und Lernformen, bei dem die Selbsttätigkeit derSchülerInnen im Vordergrund stehen. Die Palet-te reicht von ALF, Freiarbeit, Offenes Lernen,Stationenbetrieb und Projektarbeit bis zu Unter-richtsmethoden, die dem konstruktivistischenDenkmodell Rechnung tragen.

Laut E-mailumfrage liegt die Selbsteinschätzungfür den Anteil an schülerzentriertem Unterricht inden Verbundschulen zwischen 30% und 70%.Kennzeichnend ist eine große Vielfalt von Aktivi-täten, Methoden und Unterrichtsformen umschülerzentriertem Unterricht gerecht zu werden.

Die gesammelten Daten bildeten die Grundlage fürein verbundweites SCHILF-Seminar, in dem schul-übergreifende Arbeitsgruppen die Norm unseresQualitätsstandards definierten. Ein intensiver, aufhohem Niveau geführter Diskussionsprozess führ-te zu folgendem Ergebnis:

Das Team: Elfriede Pliessnig, Renate Teissl, Silvia Hiebler, Johannes Rath

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Realisierungen

1. Es gibt regelmäßig leistungsdifferenzierteAngebote

2. LehrerInnen geben genau die Minimal-(HS - 3.Lg.) und AHS - Anforderungen be-kannt

3. Es gibt interessensdifferenzierte Angebote

4. Im Unterricht werden die Lehr-, Lern- undSozialformen bewusst variiert

Indikatoren

- Die SchülerInnen können von einfachenbis zu komplexen Aufgabenstellungenauswählen

- Die SchülerInnen haben die Möglichkeiteine quantitative Auswahl zu treffen

- Den SchülerInnen stehen zur Erreichungihrer Lernziele individuelle Zeitgefäße zurVerfügung

- SchülerInnen können darüber Auskunftgeben, wo sie leistungsmäßig stehen

- Die SchülerInnen wissen welche Leistungsie für welche Note erbringen müssen

- Die Interessen und Anliegen derSchülerInnen werden fallweise zum The-ma des Unterrichts

- SchülerInnen planen und gestalten denUnterricht mit

- SchülerInnen bringen in den Unterrichteigenes Material ein

- Die SchülerInnen verfügen über eine Pa-lette von Kompetenzen und Methoden, diesie einsetzen und anwenden können: z.B.:

• Feedback geben an MitschülerInnen• Diskussionen moderieren und leiten• Präsentationstechniken anwenden

DER QUALITÄTSSTANDARD

NORMIm schülerzentrierten Unterricht sollen die SchülerInnen entsprechend ihren individuellen Begabun-gen, Fähigkeiten, Neigungen, Bedürfnissen und Interessen bestmöglich gefördert werden. DasLehrerInnenteam trägt dem durch entsprechende Planung und konkrete Umsetzung des Unterrich-tes in allen Fachgegenständen Rechnung.

Silvia Hiebler, Elfriede Pließnig, Renate Teissl | SCHÜLERZENTRIERTER UNTERRICHT

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5. Aufgaben werden so gestellt, dass ver-schiedene Lösungswege und Lösungen offen sind

6. LehrerInnen treten aus ihrer Rolle derreinen “Wissensvermittler” und sindLernorganisatorInnen und - helferInnen

• sich in Teams kooperativ verhalten• sich gegenseitig unterstützen• aufgeschlossen, neugierig und offen sein

- Die SchülerInnen kommen auf unter-schiedliche Art und Weise zu Ergebnissen

- Die SchülerInnen gehen selbstbewusst anihre Aufgaben

- Die SchülerInnen sind in der Lage ihreArbeit selbstständig zu organisieren unddurchzuführen

- SchülerInnen verwenden verschiedeneInformationsquellen

- Es gibt eine positive und lustbetonteArbeitsatmosphäre

TEAMTEACHING

Silvia Höfler, Gerhard Pawlata

Die beiden AutorInnen sind Stufenteamsprecherder 6. und 7. Schulstufe an der VerbundschulePuntigam.Gerhard Pawlata hat am Projekt “FQS-FörderndeQualitätsevaluation an Schulen” mitgearbeitet. DieMotivation zur Arbeit am Thema Teamteachingkommt jedoch von der jahrelangen Erfahrung mitdieser Art des Unterrichtens. Wir wisssen, wieunterschiedlich sie in der Praxis sein kann, wiesehr sich die Form der Zusammenarbeit auf dieQualität des Unterrichts auswirkt und wie sehr sieermöglicht, den immer höher werdenden Anfor-derungen in der Schule gerecht zu werden. Wirerwarten uns von dieser Untersuchung Informa-tionen darüber, inwieweit Teamteaching ein Wegist, Kindern in leistungsheterogenen Klassenindividuelle Betreuung zu ermöglichen. Das Team: Silvia Höfler, Gerhard Pawlata

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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WAS VERSTEHEN WIR UNTER UNSEREMTHEMA?

Teamteaching bedeutet nicht das bloße Vorhan-densein von zwei LehrerInnen in einer Klasse,sondern ein gemeinschaftliches Erarbeiten vonLehrformen, Lehrinhalten und Betreuungsformenfür alle, aber auch für einzelne SchülerInnen.Diese Definition entstand aus der Anforderung, dieder Unterricht von unterschiedlich begabten Kin-dern, Kindern mit nicht deutscher Mutterspracheund verhaltensauffälligen Kindern an den/dieEinzellehrer/Einzellehrerin stellt. Zusätzlich wer-den noch StützlehreInnen, Betreuungs-lehrerInnen, Lehrer für den Förderunterricht be-nötigt. Deshalb fragen wir uns: Deckt der Partner-unterricht alle diese Bedürfnisse?

Wir stellten das Verständnis von Zusammenarbeitals Team in der Praxis in den Mittelpunkt unsererUntersuchung. Partnerunterricht bedeutet ge-samtheitliche Befassung mit dem Schüler durchzwei LehrerInnen, die ihm als Ansprechpersonenzur Verfügung stehen.Durch die intensive Zusammenarbeit dieser bei-den Lehrkräfte entsteht eine Synergie, die ein weithöheres Ergebnis erwarten lässt, als die Arbeit vonunterschiedlichsten, nur temporär eingesetzten,LehrerInnen mit demselben Zeitaufwand.

WIE UNTERSUCHTEN WIR?

Unsere Informationen erhielten wir durch Inter-views und Fragebögen. Befragt wurdenLehrerInnen mit Teamteachingerfahrung,SchülerInnen, Eltern und SchulleiterIn. Die Befra-gung der LehrerInnen fand anlässlich der themen-bezogenen Schulkonferenzen an den fünfVerbundschulen statt. Die Schülerinterviews wur-den von LehrerInnen der einzelnen Standortedurchgeführt. Elternfragebögen wurden im Rah-men der Elternsprechtage beantwortet.

WIE IST DIE TÄGLICHE PRAXIS NACH 10 JAHRENSCHULVERSUCH?

Rahmenbedingungen:

Großteils werden Zweierteams von SchulleiterInund Administrator bestimmt, sehr oft werdenLehrerInnen in diesen Entscheidungsprozess mit-einbezogen. Eher selten bestimmen die Betroffe-nen selbst.Für die Hälfte der Befragten sind die notwendigenRahmenbedingungen für ein gemeinsames Unter-richten gegeben, die anderen fünfzig Prozent sindnicht dieser Meinung und beklagen unter anderemdie Raumnot und fehlende Arbeitsmaterialien.

Kooperation der Teampartner:

Teamteaching macht es möglich, verschiedeneLehrformen, Arbeitsformen und Unterrichtsformenzu praktizieren oder zu entwickeln. DieKooperationsformen wurden von uns nach derHäufigkeit der Anwendung gereiht:1. Das abwechselnde Gespräch, der abwech-

selnde Vortrag2. Differenzierung nach Leistungen, Interes-

sen oder Arbeitsweisen (Bei dieserUnterrichtsform erfolgt selten eine räum-liche Teilung der SchülerInnen)

3. Individuelle Betreuung (fordern, unter -stützen, „nachhelfen“)

4a. Je eine Lehrperson betreut eine ausge-wählte Gruppe (intensivereInformationsmöglichkeit, unterschiedlicheAufgabenfelder für zwei Gruppen)

4b. Eine Lehrperson beobachtet dieSchülerInnen, die Struktur der Stundeoder den Teampartner

4. Rollenübernahme eines Teampartners5. Stationsbetrieb6. Textarbeit (eine Lehrperson notiert an der

Tafel Stichworte oder Merktext aus demVortrag der anderen Lehrperson mit)

Silvia Höfler, Gerhard Pawlata |TEAMTEACHING

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Mehr als die Hälfte der Befragten geben an, denUnterricht gemeinsam zu planen und danach ge-trennt vorzubereiten. Fachliche und pädagogischeSchwerpunkte werden bei 92 % der Zweierteamsvon beiden Partnern gesetzt. Eine gemeinsameReflexion der Unterrichtsinhalte oder des eigenenLehrverhaltens erfolgt bei 60 % gelegentlich. Bei59 % überprüfen und beurteilen beide Team-partner die Leistungen der SchülerInnen.Dass unterschiedliche Vorgehensweisen und Kom-petenzen der beiden LehrerInnen im sozialen Be-reich bei Problemlösungen förderlich sind, fanden65 % der befragten LehrerInnen und 84 % derEltern. Weit mehr als drei Viertel der SchülerInnenmeinten, dass es für sie hilfreich sei einen Lehrer

DER QUALITÄTSSTANDARD

NORM

Die kooperative Arbeitsform Teamteaching soll unterschiedlich begabten Kindern in leistungs-heterogenen Klassen individuelle Förderung ermöglichen. Damit kann der anwachsenden Zahl vonverhaltensauffälligen SchülerInnen besser Rechnung getragen werden. Auch Kinder nichtdeutscherMuttersprache können effizient betreut werden. Es findet verschränkter Lehrereinsatz statt (AHS-HS-und IntegrationslehrerInnen). Die unterschiedlichen Ausbildungsschwerpunkte der LehrerInnen ge-währleisten, dass dem breit gestreuten Begabungsspektrum der SchülerInnen entsprochen wird.

wählen zu können. Auch die SchulleiterIn warender Ansicht, dass Teamteaching positiven Einflussauf das Verhalten der SchülerInnen ausübe undauf soziale Probleme besser eingegangen werdenkönne.

Für LehrerInnen hat sich Teamteaching besondersbei Freiarbeit, Offenem Unterricht und anderenneuen Lernformen bewährt. Teamteaching ermög-licht außerdem die besondere Förderung lei-stungsschwacher SchülerInnen.93 % der befragten Eltern finden es für das Er-bringen von Leistungen förderlich, dass ihr Kindvon zwei Lehrern/Lehrerinnen in einem Gegen-stand unterrichtet wird.

Realisierungen

Teampaarungen werden in Kooperation: LeiterIn-Administrator- LehrerIn zusammengesetzt.Die Schulleitung unterstützt LehrerInnen undsteht bei Konflikten zur Verfügung.Die Planungszeit für den gemeinsamen Unterrichtwird durch die Konzeption des Stundenplans er-möglicht.

TT macht eine vielseitigere Gestaltung des Unter-richts möglich

Indikatoren

Das 2er Team ist arbeitsfähig.

Neue Unterrichts- und alternative Lernformenwerden angewandt:Lernen in Gruppen, in Teams,Offene Lernarbeit, Stationsbetriebeintensive Übungsphasen in Gruppen

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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Individuelle Betreuung (Förderung begabterSchülerInnen, Unterstützung leistungsschwacherSchülerInnen, Kinder mit nicht deutscher Mutter-sprache)

Inhaltliche und organisatorische Aufgaben werdengemeinsam geplant und vorbereitet

Einheitliche Vorgangsweise den Schülern gegen-über wird angestrebt,Arbeitsteilung klar definiert.

Gemeinsame Reflexion von Unterrichtsinhaltenund des eigenen Lehrverhaltens findet statt.

Beide Teampartner überprüfen und beurteilen dieLeistungen der SchülerInnen.

Unterschiedliche Vorgehensweisen und Kompe-tenzen der TP sind im sozialen Bereich bei Pro-blemlösungen förderlich.

Verhaltensauffälligkeiten wird professionell begeg-net.

Teamteaching garantiert die Kontinuität von Un-terricht.

TT sichert fachliche und persönliche Bereicherung:Ein Voneinander- Lernen

Differenzierung nach Leistung, Interessen und Ar-beitsweisen

Gute Leistungen in weiterführenden SchulenWenig RepetentenWechsel vom ao. zum o. SchülerUnterrichtszeit wird effizient genutzt

Vorbildwirkung des Lehrerteams geht auf Kinder-beziehungen über.

Weiterentwicklung von Unterricht.

SchülerInnen fühlen sich objektiv beurteilt.

SchülerInnen nutzen die unterschiedlichen Kom-petenzen der Teampartner.

Verbesserung der Lernatmosphäre, positiveVerhaltensformen entstehen und werden geför-dert (Mitarbeit, Eigeninteresse,..)

Kein Entfall von Stunden in denen Teamteachingbetrieben wird.

Erweiterte fachliche Methoden-, Sozial- undKonfliktlösungskompetenz bei LehrerInnen

Silvia Höfler, Gerhard Pawlata |TEAMTEACHING

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SOZIALE INTEGRATION

Margit Huber

Ich, Margit Huber, bin AHS Lehrerin an der NMSStraßgang. Ich arbeite seit sechs Jahren mitIntegrationsklassen und hole regelmäßig Rück-meldungen über meine Unterrichtsarbeit bei Kin-dern und Eltern ein. Als Teilnehmerin am Pilot-projekt FQS habe ich mich schon intensiv mit demThema “Soziale Integration” beschäftigt und nut-ze nun den Rahmen des Projekts “Qualität 2000”,um mich weiter darüber zu informieren. MeinSchulleiter, Dir. Mag. Franz Frech, bat mich, amQualitätsstandard “Soziale Integration” mitzuar-beiten.Wir wollten den Ist –Zustand im Schulverbunderheben, um einen für uns alle gültigen, möglichstpraxisorientierten Qualitätsstandard formulierenzu können.

1. DAS EVALUATIONSFELD

Die Definition der Sozialen Integration ergibt sichfür mich aus der Gesetzeslage (§17 SCHUG, §15/1+3 SCHUG, §16/5 SCHUG), dem Lehrplan undder individuellen Umsetzung durch die einzelnenLehrerpersönlichkeiten im Schulverbund. Deshalbwar es mir sehr wichtig, die Meinung derKollegInnen zum Gegenstand des Prozesses zumachen. Ich fragte alle IntegrationslehrerInnendes Schulverbundes: “Was verstehst du untersozialer Integration?” und leitete daraus die ersteArbeitshypothese ab. Diese wurde Grundlage derPraxiserhebung an den Verbundschulen.

2. DER ERHEBUNGSPROZESS

Untersucht wurden einerseits die Rahmenbedin-gungen und andererseits die Praxis der sozialenIntegration an den vier Standorten, dieIntegrationsklassen führen. Ein Fragebogen an dieSchulleiterInnen ergab die Anzahl der In-tegrationskinder, der Integrationsklassen undderen Schülerzahlen, sowie die Anzahl derSonderschul-lehrerInnen an den Standorten.Weiters wurde nach den Arten der Behinderung

der Kinder und nach der räumlichen Ausstattungder Schulen gefragt.Die Eltern und SchülerInnen wurden gefragt, woKinder in Integrationsklassen sozial und kognitivprofitieren, bzw. wo es eine Hemmung gibt. Wirwollten herausfinden, ob die Eltern undSchülerInnen das soziale Niveau in Integrations-klassen höher und das Leistungsniveau zumindestgleich hoch einschätzen wie in Klassen ohne In-tegration derselben Schulstufe. Die Integrations-kinder nahmen in einem Interview zusätzlich Stel-lung zur Frage ob sie sich als Außenseiter fühlenund ob sie glauben, in einer Integrationsklassemehr zu lernen als in einer speziellen Sonderschu-le. Auch der Fragebogen an die LehrerInnen vonIntegrationsklassen beinhaltete das Thema “Pro-fitieren und Hemmung”, sowie Planung und Um-setzung der Unterrichtsarbeit, bzw. Zuständigkeitvon Fach- und SonderschullehrerInnen.

Dank der Hilfe von KollegInnen an den einzelnenStandorten wurden die ausgefüllten Fragebögenfür LehrerInnen, SchulleiterInnen undSchülerInnen ohne SPF sehr schnell an uns zurückgesandt. Auch die Interviews mit denIntegrationskindern wurden von den Sonder

Das Team: Franz Wölbitsch, Margit Huber, Gerhard Lackner

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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schullehrerInnen termingerecht durchgeführt. Esblieb also genug Zeit für Auswertung und Inter-pretation. Relativ schwierig war es, die Fragebö-gen für Eltern von Kindern in Integrationsklassenausgefüllt zurück zu bekommen.

3. DIE ERSTEN ERGEBNISSE AUS DER VERBUND-PRAXIS

Die Standorte Algersdorf, Klusemannstraße, Karl– Morree und Straßgang als Neue Mittelschulenmit AHS – Charakter können als Vorreiter der In-tegration im APS sowie im AHS Bereich gesehenwerden , weil seit über 9 Jahren auf diesem Ge-biet Pionierarbeit geleistet wird.

Bei Elterngesprächen und Schulbewertungstestswird die soziale Integration immer wieder spezi-ell gelobt. Interessant ist , dass die LehreInnenständig die Unterrichtsqualität hinterfragen undauch manchmal von den sehr positiven Rückmel-dungen der Eltern und Kinder überrascht sind.Dies ist sicher auf die ständig wachsende Zahl

verhaltensschwieriger Kinder (auch) in In-tegrationsklassen zurückzuführen. Sie hat zurFolge, dass sich die LehrerInnen oft “ausgepowert”fühlen und macht das Erhalten eines hohen Lei-stungsniveaus sehr schwierig. Auf die Frage, obes für sie eine Grenze der Integration gäbe, ant-worteten die LehrerInnen und SchülerInnen desSchulverbundes, dass einzelne (meist verhaltens-schwierige) Kinder, die permanente Einzel-betreuung brauchen, bzw. zu viele verhaltensauf-fällige Kinder in einer Klasse den Erfolg der sozia-len Integration erheblich beeinträchtigen odersogar verhindern können. Dennoch zeigte eineerste Untersuchung, dass das Leistungsniveau inIntegrationsklassen durchaus dem der anderenKlassen derselben Schulstufe entspricht.Ein Großteil der SchülerInnen von Integrations-klassen würden wieder in eine Integrationsklassegehen. Sie fühlen sich im Unterricht fast nie vonIntegrationskindern gestört, sondern eher von denverhaltensschwierigen Kindern. Auch dieLehrerInnen geben an, dass sie gerne wieder inIntegrationsklassen unterrichten würden

4. DER QUALITÄTSSTANDARD

NORMSoziale Integration im Unterricht bedeutet, sich gegenseitig Hilfestellung zu geben, aufeinander ein-zugehen und mit Stärken und Schwächen (eigenen und fremden) umgehen zu lernen. Das soll denTransfer für das Leben nach der Schule ermöglichen. Jede Fähigkeit hat ihren Wert und wird aus die-sem Grunde anerkannt und respektiert.

Realisierungen

Rahmenbedingungen:Im SCHUG ist für Integrationsklassen einebestimmte Schülerzahl empfohlen, nach der wirunsrichten.

Wir integrieren Kinder mit unterschiedlichenBehinderungsarten.

Indikatoren

• Die Klassenschülerzahl in unserenIntegrationsklassen überschreitet nicht die gesetz-liche Empfehlung von 24 Kindern. 4 – 6Integrationskinder werden in der I –Klasse unter-richtet.• Wir unterrichten Kinder mit Lernbehind-erungen, Körperbehinderungen und Verhaltens-auffälligkeiten. Bei Kindern mit schweren körper-

Margit Huber |SOZIALE INTEGRATION

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Wir bieten behindertengerechte Ausstattung

Eltern melden ihre Kinder speziell für I-Klassen an,LehrerInnen unterrichten freiwillig in einerI-Klasse. ¨

Kinder unterschiedlicher Leistungsniveaus werdenin I -Klassen aufgenommen.

Der Unterricht wird in den I-Klassen vonSonderschullehrerInnen und FachlehrerInnen ge-meinsam im Sinne einer prozessorientiertenFörderdiagnostik vorbereitet ¨

Das Lehrerteam fördert selbständiges und eigen-verantwortliches Lernen und Teamfähigkeit. ¨

Wir arbeiten mit den Eltern aller SchülerInnenkontinuierlich zusammen. ¨

Im Gegenstand Soziales Lernen wird auch an denProblemen der Integration gearbeitet, ¨

lichen Behinderungen erhalten wir Hilfe vonPflegepersonen.

• In Stockwerken mit I –Klassen befindetsich ein Behinderten –WC. Alle notwendigen Un-terrichtsräume sind auch für Rollstuhlfahrer er-reichbar.

• Die Kinder fühlen sich in ihren Klassenwohl und würden wieder eine I-Klasse besuchen.• Die LehrerInnen würden wieder in einer I-Klasse unterrichten.

• Wir versuchen das Leistungsniveau in denI-Klassen gleich hoch zu halten wie in den I-Klas-sen.• Für die Stärken der Kinder ohne SPF wirdgenausoviel Energie aufgewendet wie für dieIntegrationskinder.

• Die Planung erfolgt in regelmäßigen Team-sitzungen und Fachbesprechungen.• Es werden verschiedene binnen-differenzierte Unterrichtsformen entwickelt undfächerübergreifende Projekte sorgfältig thema-tisch ausgewählt, wobei besonderes Augenmerkauf die soziale Integration gelegt wird.

• Die SchülerInnen werden nicht nach Lei-stungsgruppen getrennt unterrichtet• Die Kinder akzeptieren die unterschiedli-chen Lernniveaus in der Klasse.• Die Kinder helfen einander in Form vonpeer –teaching.

• Wir planen gemeinsame Unternehmun-gen, Veranstaltungen, Lehrausgänge, ...

• Wir führen Interaktionsspiele durch, Pro-bleme werden in Gesprächskreisen diskutiert undandere Aktivitäten durchgefürt.• Kinder mit Kontaktschwierigkeiten bauendiese langsam ab.

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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SOZIALES LERNEN

Maria Anderl, Elisabeth Görsdorf, Maria Koppelhuber, Johanna Korak

Wir, das Thema und unsere UntersuchungSoziales Lernen wird an den Schulen imSchulverbund Graz-West als Unterrichtsfach vonder 1. bis zur 4. Klasse mit je einer Wochenstunde,unterrichtet von den Klassenvorständen, angebo-ten. Wir, Maria Anderl, Elisabeth Görsdorf, Johan-na Korak und Maria Koppelhuber haben etwasgemeinsam: Uns liegt Soziales Lernen besondersam Herzen und weil wir uns seit etlichen Jahrenmit diesem Thema beschäftigen und viel Erfah-rung durch unsere praktische Unterrichtstätigkeithaben, gründeten wir diese Arbeitsgruppe. Be-sonders reizvoll an unserer Arbeit erschien uns derAustausch unserer unterschiedlichen Arbeitsbe-dingungen im Schulverbund und die Zusammen-schau unserer persönlichen Erfahrungen undSichtweisen. Darüber hinaus erlebten wir unsergemeinsames Herangehen an unsere Aufgabe alsäußerst stimulierend und freuten uns über unsereErkenntnis, dass wir die sogenannten dynami-schen Fähigkeiten oder Schlüsselqualifikationen,die wir, jede für sich, als wichtiges Unterrichts-ziel betrachten, mit großem Gewinn praktischanwenden.

Gleich zu Beginn einigten wir uns darauf, unsereUntersuchung nicht auf das Prinzip Soziales Ler-nen in allen Gegenständen zu fokussieren, son-dern auf das Unterrichtsfach SL zu beschränken.Es ist eine Lösungsvariante, die unser Schulmodellfür das gute Zusammenleben unsererSchülerInnen aus unterschiedlichsten sozialenHintergründen anbietet. In der Modell-beschreibung 1991 heißt es: Die verbindlicheÜbung „Soziales Lernen“ soll die Wahrnehmungsozialer Prozesse in der Klasse schärfen und Kon-flikte lösen helfen. In der nunmehr 10jährigenPraxis zeigte sich, dass diese positive Unterstüt-zung der realen Situation der SchülerInnen in derKlasse, die von uns allen gewünschte Vermittlungvon Schlüsselqualifikationen, insbesondere derPersönlichkeitsbildung, fördert.

Trotzdem wollten wir Schritt für Schritt vorgehenund unsere Untersuchung auf Aspekte derVerbundpraxis richten, die wir für wesentlich fürdie Qualität dieses Gegenstandes halten. Wir be-schlossen, vorerst alle im Schulverbund SL unter-richtenden KlassenvorständInnen zu Inhalten,Methoden , Lehrerqualifikationen und Klassen-klima zu befragen und möchten an dieser Stelleallen KollegInnen für ihre konstruktive Mitarbeitherzlich danken. Nachdem wir die dafür erstelltenFragebögen ausgearbeitet hatten, präsentiertenwir die Ergebnisse jeweils drei bis vierVertreterInnen pro Schulstandort und die Ergeb-nisse dienten als Grundlage für das Erstellenunseres Qualitätsstandards. Erst in einem späte-ren Evaluationsschritt wollen wir Wahrnehmungender SchülerInnen und Eltern zur Unterrichtsrealitätim Fach Soziales Lernen mit den Ansprüchen derKollegInnen vergleichen und seine Auswirkungenerkunden.

DIE PRAXIS DER LEHRERINNEN

Stellenwert des FachesDie Fragebogenerhebung ergab, dass für 84% derKlassenvorständInnen SL wichtig ist.

Das Team: Johanna Korak, Maria Anderl, Elisabeth Görsdorf,

Maria Anderl, El isabeth Görsdorf, Maria Koppelhuber, Johanna Korak |SOZIALES LERNEN

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ZieleFast 100% setzen persönlichkeitsfördernde Ak-zente im SL - Unterricht. Förderung des Selbst-wertes, Kommunikationsregeln undKonfliktlösungsstrategien sind beinahe für dieHälfte aller Befragten wichtige zu transportieren-de Inhalte.Spannungsabbau und Integration von sogenann-ten AußenseiterInnen stellen ebbenfalls wichtigeZiele dar. 53% verfolgen im SL - Unterricht lang-fristige Ziele. Bemerkenswert ist, dass 31% öf-ter und 40% gelegentlich administrative Arbeit inder SL - Stunde verrichten müssen.

Fächerübergreifende KooperationPersönliche, in diesen Stunden über dieSchülerInnen gewonnene Informationen werdenan die KlassenlehrerInnen zum Großteil weitergegeben. Mehr als die Hälfte der KollegInnenunterstützen die Festkultur in ihren Klassen.

LehrerqualifikationIn Bezug auf Lehrerqualifikation fiel auf, dass dieHälfte der LehrerInnen Fortbildungen besuchen,Fachliteratur verwenden und 64% ihre Stundenplanen. Ein Fünftel der Befragten betreibt kolle-gialen Austausch über Methoden.

DER QUALITÄTSSTANDARD

NORMDie LehrerInnen bemühen sich, mit den SchülerInnen Selbst-, Sozial- und Sachkompetenz zu ent-wickeln und zu fördern, damit sie mit sich selbst und mit anderen auf eine für alle Beteiligten kon-struktive Weise umgehen können

Realisierungen Indikatoren

Selbstwahrnehmung und Selbstwert:

LehrerInnen geben SchülerInnen Möglichkeitensich zu präsentieren.

Durch verschiedene Spiele und Übungen (Kennen-lern-, Wahrnehmungs-, Geschicklichkeits- undKooperationsspiele,.....) können SchülerInnenbesondere Fähigkeiten aneinander wahrnehmen.

SchülerInnen entdecken neue Persönlichkeits-seiten aneinander und empfinden diese als Berei-cherung.

SchülerInnen wissen Bescheid über andereMitschülerInnen.

Festkultur:

Organisationsformen für Feste werden gemeinsamentwickelt und erarbeitet.

SchülerInnen organisieren Feste und führen die-se unter Mithilfe eines LehrerIn durch.

SchülerInnen übernehmen freiwillig Aufgaben undsetzen diese verantwortungsbewusst um.

Kommunikation:

SchülerInnen lernen Ich- Botschaften zu senden. SchülerInnen äußern ihre Wünsche und Bedürf-nisse.

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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LehrerInnen nehmen seelische und körperlicheVerletzungen wahr und gehen darauf ein. ImSesselkreis werden Themen diskutiert, die dieSchülerInnen beschäftigen. SchülerInnen stellenGesprechsregeln gemeinsam auf.

LehrerInnen und SchülerInnen gehen wertschät-zend darauf ein. SchülerInnen vertreten ihre ei-gene Meinung und MitschülerInnen nehmen dazuStellung.SchülerInnen halten sich an die gemeinsam erar-beiteten Gesprächsregeln

Konflikte

Teamarbeit:

Schülerinnen geben Hilfe und nehmen Hilfe an.

SchülerInnen arbeiten gern in Gruppen und lösendie Aufgaben zielorientiert und verant-wortungsbewusst.Regeln werden eingehalten und SchülerInnendürfen auch allein arbeiten.SchülerInnen übernehmen ihren Fähigkeiten ent-sprechend Funktionen in der Gruppe.

LehrerInnen installieren in der Klasse Helfer-systemeLehrerInnen bieten verstärkt Gelegenheiten inGruppen Aufgaben selbständig zu lösen.Gruppenarbeitsregeln werden gemeinsamerarbeitet.Gruppenfunktionen werdenbesprochen und geübt.

SchülerInnen wollen aktuelleKonfliktsituationen in allen Gegenständen bespre-chen.SchülerInnen reflektieren ihre eigene Rolle in Kon-flikten.

Kontliktlösen ohne Gewalt.

LehrerInnen greifen Anlassfälle auf und stellenZeit zur Verfügung.

SchülerInnen erweitern ihre Fähigkeiten Konflik-te zu bearbeiten.

LehrerInnen bieten gezielt Konfliktlösestrategien(Rollenspiel) an.

Maria Anderl, El isabeth Görsdorf, Maria Koppelhuber, Johanna Korak |SOZIALES LERNEN

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STUFENTEAM ODER“EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR EINEN”

Getrtraud Grimm, Ingrid Ninaus

Das Ziel unsere Mitarbeit am Projekt “Qualität2000” ist die Untersuchung der Arbeit der”Stufenteams” an den Schulen des SchulverbundsGraz-West. Damit ist das LehrerInnen-Team ge-meint, das für die Arbeit mit den SchülerInneneines Jahrgangs hauptsächlich zuständig ist. Ge-nauer gesagt: Was verhindert, was unterstützteine gute Zusammenarbeit dieser KollegInnen?

Wir, Ingrid Ninaus, die Standortkoordinatorin derNeuen Mittelschule Puntigam, und GertraudGrimm, Stufenteamsprecherin der 5. Schulstufedieser Schule arbeiten gerne ´selbstevaluierend´und haben schon Erfahrungen damit gemacht.Wir haben am Projekt des Schulverbundes Graz-West ”FQS- Fördernde Qualitätsevaluation anSchulen” und dem EU- Pilotprojekt ”Evaluation derQualität von Schule und Unterricht” zum Thema”Schule und Gemeinde” aktiv teilgenommen. ZurMitarbeit an diesem Vorhaben des Verbunds hatuns zweierlei motiviert: Die jahrzehntelange Er-fahrung mit der Tätigkeit als Klassenvorstand,allein, wenn nicht gar auf verlorenem Posten dazu stehen. Wer jemals den Spagat zwischen denBereichen Erziehung, Organisation, Betreuung,Unterricht, Mediation und dem Amt des Klassen-anwalts versucht hat, weiß, wovon wir reden.

1. DAS EVALUATIONSFELD

Wir mutmaßen, dass Stufenteamarbeit Klassen-vorstände entlastet, im besten Fall alleKollegInnen des LehrerInnenteams in die Unter-richts- und Erziehungsverantwortung einbezieht,ein optimales Funktionieren des Unterrichts sowieder Projektarbeit garantiert und quasi als ”mitt-leres Management” zwischen Direktion einerseitsund SchülerInnen sowie Eltern andererseits fun-giert. Am Thema ”Stufenteamarbeit” fasziniert unsdie Aussicht, bei entsprechender Entwicklung vonbrauchbaren Kooperationstechniken vom Ama-teurstatus der fallweisen Zusammenarbeit in die”Champions League” der Teamarbeit zu wechseln.

Bei der Vergabe der zehn Dokumentationsthemenam Anfang des Schuljahres 2000/2001 haben wiruns aus diesem Grund für das Thema ”Stufen-teamarbeit” gewählt.

2. DER ERHEBUNGSPROZESS

Unsere Aufgabe war es, ”den Erfahrungsschatz”im Bereich Stufenteamarbeit zu sichten und zuheben und bezogen uns dabei auf folgende Aspek-te:· Rahmenbedingungen· Arbeitsinhalte· Strukturen· KlimaAnschließend formulierten wir 24 Einzelfragen undentwarfen 6 begriffliche Gegensatzpaare zur Er-stellung eines Stimmungsbarometers. Mit demdamit entstandenen Fragebogen machten wirstichprobenartige Erhebungen an den fünfVerbundschulen. Befragt wurden sowohlStufenteamsprecherInnen als auch ”gewöhnliche”Stufenteammitglieder. Die Befragung erfolgte imRahmen der themenspezifischenSchulkonferenzen, die sich als sehr hilfreich für dieDurchführung der Datensammlung erwiesen.

Das Team: Ingrid Ninaus, Standortkoordinatorin, und Mag.Getraud Grimm, beide NMS Puntigam

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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3. DIE PRAXIS DER STUFENTEAMARBEIT

Folgende Rahmenbedingungen sind laut Fragebö-gen gegeben:· Es gibt regelmäßige Stufenteamsitzungen,

alle Teams verfassen Sitzungsprotokolle.· Den selbstbestimmten Teamsitzungstag

gibt es, bei zwei Drittel der Befragten istes ein und derselbe Tag für alle Stufen-teams der Schule.

· Der Hälfte der Befragten steht ein Team-raum zur Verfügung, er ist allerdings nurbei einem Viertel mit PC, Telefon u.ä. aus-gestattet.

· Fünfzig Prozent bevorzugen Teamsitz-ungen in privater Umgebung.

Die wichtigsten Arbeitsinhalte der Stufenteamssind:· Die Projektthemen werden von den

Stufenteams festgelegt.· Zwei Drittel der Befragten sehen Projekt-

arbeit als die vorrangige Arbeit desStufenteams. Sie verantworten Festle-gung, Planung und Durchführung einesProjekts.

· In drei Viertel der befragten Stufenteamswerden ”pädagogische Gespräche” ge-führt, dabei wird mehrheitlich nach einerEinigung in Erziehungsfragen gesucht. DieAngabe der Zahl bzw. Häufigkeit derarti_ger Gespräche variiert.

· Bei drei Viertel der Befragten werden Re-flexionen zur Stufenteamarbeit gemacht.

· Die Hälfte der Befragten findet, dass fürdie Schule wichtige Entscheidungen imStufenteam getroffen werden, so wurdender Tag der offenen Tür, Verhaltensregeln,Elternarbeit, Steuergruppen-Arbeit, Vor-schläge zu Schulprojekten genannt.

Gewisse Strukturen kristallisieren sich heraus:· In jedem Team gibt es eine/n deklarierten

Stufenteamsprecher/in.· Es sind verschiedene ”Ämter”, wie

ProjektleiterIn, ProtokollantIn,ModeratorIn vorhanden.

· Bei der Durchführung von Projekten isteine klare Arbeitsteilung üblich, wobei einViertel der Befragten den Projektverantwortlichen nicht wechselt.

· Als Zahl der im Schuljahr 1999/2000durchgeführten Projekte nennen 85

Pro- zent der Befragten zwei Projektvor-haben, 10 Prozent drei und 5 Prozentvier.· Die Möglichkeit der Mitbestimmung im

Stufenteam ist gegeben, alle im Teamhaben laut der hier vorliegenden

Fragebö- gen gleich viel zu bestimmen.Da die Stufenteams nach den Größen variieren (3-12 Personen !), sind auch die Antworten auf dieFrage nach einem ”Kernteam”, das über 4 Jahrezusammen bleibt, differenziert.

Das Klima im Stufenteam erhoben wir durch Ein-tragungen in ein Gefühlsbarometer(Skala 1 bis 7):· Die Hälfte der Befragten fühlt sich ausge-

sprochen ”gelöst” .· Drei Viertel empfinden große Wärme in

ihrem Stufenteam .· Weitere drei Viertel der Auskunfts-

personen sehen sich als sehr ”aktiv”, nie-mand erlebt sich ganz ”passiv”.

· Den Terminus “gut integriert” kreuzen dreiViertel der Befragten an.

· Eine Person fühlt sich äußerst ”einsam”.Die positiven Zuordnungen überwiegen,keiner verspürt besondere Schwäche oderKälte in seinem Stufenteam.

4. UNSER RESÜMEE

Als beste Rahmenbedingung für das Funktionie-ren eines Stufenteams erscheint uns nach Durch-

Getrtraud Grimm, Ingrid Ninaus |STUFENTEAM ODER “EINER FÜR ALLE; ALLE FÜR EINEN”

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sicht der vorhandenen Fragebögen die regelmä-ßige Abhaltung von Stufenteamsitzungen an klardefinierten Teamsitzungstagen. Gerade das Wei-terbestehen dieser Errungenschaft ist derzeit sehrfraglich, da es seit dem laufenden Schuljahr kei-ne Zeitressourcen für diese Leistung gibt.Die wichtigsten Arbeitsinhalte des Stufenteamsmanifestieren sich in der Arbeitsteilung bei Pro-jekten und den Versuchen, gemeinsame Verhal-tensregeln innerhalb einer Schulstufe zu entwik-keln. Ein überaus wesentliches Kriterium fürqualitätsvolles Arbeiten ist Größe und Kontinuität

Realisierungen

Die Schulleitung setzt Prioritäten bei der Einrich-tung von Stufenteams.

Sie achtet auf förderliche Arbeitsbedingungen fürdas Jahrgangsteam

Stufenteamsitzungen finden statt.

Teamräume werden adaptiert.

Das Stufenteam legt (gemeinsam mitSchülerInnen) Projektthemen fest und ist für Pro-jektplanung, Arbeitsaufteilung und Durchführungverantwortlich.

5. DER QUALITÄTSSTANDARD

NORMDas Stufenteam ist eine im Schulmodell ”Neue Mittelschule im Verbund” vorgesehene organisatori-sche Einrichtung.Es übernimmt Managementaufgaben für die Schule und trägt zur Professionalisierung der Zusam-menarbeit bei. Stufenteamarbeit ist die Summe aller pädagogischen und inhaltlichen Vorhaben, diedas LehrerInnenteameiner Schulstufe für die SchülerInnen eines Jahrgangs gemeinsam und arbeits-teilig zu verwirklichen versucht. Das Stufenteam strebt eine zielorientierte Zusammenarbeit im fächer-übergreifenden Sinn ebenso an wie eine gemeinsame erzieherische Vorgangsweise.

des Stufenteams. Eine Teammitgliederzahl vonsechs bis zehn Personen ist im Hinblick auf Ar-beitsfähigkeit und Effizienz anzuraten. Erwäh-nenswert ist in diesem Zusammenhang die Viel-zahl positiver Werte, wie ”Wärme”, ”gute Integra-tion”, ”gelöste Stimmung”, die grundlegende Fak-toren für den emotionalen Rückhalt in einer Grup-pe darstellen und ein damit verbundenes gutesArbeitsklima schaffen. Laut Arbeitsgruppen-ergebnis der Veranstaltung zur schulinternenLehrerfortbildung des Schulverbunds Graz-Westist Stufenteamarbeit etwas wert und müsste aus

Indikatoren

Die Stufenteams bleiben über Jahre hinaus inGröße und Besetzung weitgehend konstant.

Beratung, Kontrolle und Einflussnahme in punk-to Teamgröße, Verweildauer und Zuordnung zueinem Team erfolgen nach Notwendigkeit. In deradministrativen Arbeit (Stundenplan) werden dieInteressen der Stufenteams berücksichtigt.

Sitzungsprotokolle werden verfasst. Es gibt einendefinierten Teamsitzungstag.Sie werden für Teamsitzungen und alsLehrerInnen-Arbeitsplatz genutzt.

Es existieren Sitzungsprotokolle, Brainstorming-aufzeichnungen, Themensammlungen, Einladun-gen für Fachexperten und Organisationspläne fürden Projektablauf bzw. Erhebungslisten von

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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Die Funktion des Teamsprechers wird vergeben.Teamämter werden verteilt.Pädagogische Themen werden behandelt.

Wir schaffen ein gedeihliches Arbeitsklima.

Schülerwünschen und Projektdokumentationen..

Wahl eines Teamsprechers,Teamsitzungen laufen gemäß Tagesordnung ab,die einzelnen Ämter werden wahrgenommen z.B.Moderator.Aufzeichnungen über pädagogische Gesprächesind vorhanden.

Positive Rückmeldungen der KollegInnen.

ELTERNARBEIT ODER“SCHULPARTNER LEHRER UND ELTERN?”

Brigitte Pelzmann

In den neun Jahren, die ich nun im SchulverbundGraz West unterrichte, lernte ich viel Neues ken-nen. Selbstevaluationpraxis konnte ich mir imRahmen des Projekts FQS aneignen. Als Steuer-gruppenmitglied des Standortes Algersdorf, hat-te ich verstärkt Gelegenheit, an vielen Seminarenmit Koryphäen, wie Peter Posch, Anton Stritt-matter und Herbert Altrichter teilzunehmen.

Im aktuellen Folgeprojekt bin ich als Einfrauteamim Themenbereich ´Elternarbeit´ aktiv.Die psychologische Forschung interessiert sichintensiv für die Interaktion zwischen Lehrern undSchülern, in der pädagogischen Literatur liest manviel Appellatives zur Zusammenarbeit zwischenEltern und Schule. Demgegenüber findet mankaum brauchbare Hinweise, wie man das Verhält-nis Lehrer und Eltern im Bildungs- undErziehungsprozess konkret verbessern kann. Un-umgänglich ist aber, dass wir eine professionelleKommunikations- und Problemlösungskultur pfle-gen. Aus diesem Grund entschied ich mich dafür,den Kontakt zwischen Eltern, Schule undLehrerInnen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Glücklicherweise fand ich immer wiederKollegInnen, die mir mit Rat und Tat zur Seitestanden. Besonders bedanken möchte ich mich andieser Stelle bei Gerhard Koller.

WOVON GING ICH AUS?

Ich ging von der These aus, dass Zusammenar-

Brigitte Pelzmann

Brigitte Pelzmann |ELTERNARBEIT ODER “SCHULPARTNER LEHRER UND ELTERN?”

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beit mit Eltern auf zwei Ebenen verläuft. Zum ei-nen ist dies die institutionelle kollektive Ebene, wiedas Schulforum, Elternabende bzw. Elternbeiräteund zum anderen ist dies die individuelle Ebenezwischen Eltern und LehrerInnen über das einzel-ne Kind.

Für die institutionelle Kommunikationen zwischenEltern und Schule gibt es gesetzliche Richtlinien.Erziehungsberechtigte sollen in schulbezogeneBeratungen und Entscheidungen eingebundenwerden, Schulforen bzw. SGA sollen gut funktio-nierende Instrumente schulischer Demokratiesein. Die gesetzlichen Regelungen dafür sind al-lerdings nur so gut, wie die Betroffenen sie anwen-den: Das Gesetz schafft lediglich konstruktiveRahmenbedingungen, die Durchführung liegt imBereich der Schule. Immer wieder tauchen Pro-bleme im Informationsfluss auf, bedingt auchdadurch, dass die Elternvertreter imPflichtschulbereich rasch wechseln. Eine gewisseKommunikationsfähigkeit der Gremienmitgliederist notwendig, daher erscheint die Förderung ei-ner guten Kommunikationskultur als unumgäng-lich.

Die persönlich-individuelle Kommunikation zwi-schen Eltern und LehrerInnen stellt sich für michals noch interessanter dar. Regelmäßige Kommu-nikation und ein aktiver Informationsaustausch beigegenseitiger vertrauensvoller Offenheit und part-nerschaftlicher Zusammenarbeit von LehrerInnenund Erziehungsberechtigten bilden die Grundlageerfolgreicher Elternarbeit. Eltern sind auf umfas-sende Informationen über das schulische Gesche-hen (Dazu gehören Aufklärung zu den Lern-inhalten, zu besonderen Schulsituationen und Vor-kommnissen sowie zum Sozialverhalten der Kin-der.) angewiesen. Nur sie ermöglichen ihnen, denÜberblick über schulische Anforderungen und Er-wartungen zu behalten und Erziehungsarbeit inder Schule wahrzunehmen. Wenn Eltern es ge-wohnt sind, bei verschiedenen Anlässen von der

Schule informiert zu werden, insbesondere auchbei positiven Anlässen, dann sind sie wahrschein-lich auch in problematischen Situationen koope-rativer.

WAS WOLLTE ICH WISSEN?

Anhand zweier unterschiedlicher Checklisten woll-te ich einerseits Informationen vonSchulleiterInnen bzw. Eltern, andererseits Erfah-rungen von KollegInnen mit Elterngesprächen.Abgefragt wurde die Existenz bestimmter Maßnah-men und Aktivitäten an den einzelnen Schulenbzw. die jeweilige Akzeptanz und Ausführung.Die Ergebnisse der folgenden Fragestellungenhalfen mir bei der Erarbeitung und Formulierungder Qualitätsstandards:

Kommunikation Eltern – Schule:· Wie bekommen Eltern Informationen über

die Schule, wenn sie eine für ihr Kind ge-eignete Schule suchen?

· Wie erfolgt die erste Kontaktaufnahme mitEltern neu aufgenommener SchülerInnen?

· Welche Kommunikationsformen werdenim Elternkontakt verwendet?

· Welche Maßnahmen setzt die Schule, umEltern in das Schulleben einzubeziehen?

· Wie lernt die Schule die Sichtweisen derEltern kennen?

· Wie geht die Schule mit Eltern-beschwerden um?

Kommunikation Eltern – LehrerInnen:· Wie werden Eltern über einen Gesprächs-

termin informiert?· Welche Anlässe bzw. Gründe gibt es für

LehrerInnen, Eltern einzuladen?· Welche Anlässe bzw. Gründe gibt es für

Eltern?· Welche Rahmenbedingungen gibt es?· Wie werden Vereinbarungen getroffen?· Wen ziehen Sie diesen Gesprächen bei?

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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WAS ERFUHR ICH?

Nach der Auswertung der Fragebögen zeigten sichbereits Unterschiede in der Einschätzung der Ist-Situation, was einerseits auf unterschiedliche Pra-xis an den einzelnen Standorten und andererseitsauf mangelnde Information der Schulen zurück-zuführen ist. Überraschend war auch die Tatsache,dass es viele der angeführten Maßnahmen undAktivitäten aus der Sicht von Schulleitern und El-tern an den Schulen gibt bzw. gleichzeitig nichtgibt. Was wiederum als ein Zeichen mangelnderInformationspolitik zu werten ist. Der zu erken-nenden Unzufriedenheit über den Informations-fluss wurde bei der Erarbeitung der Qualitätsstan-dards großes Augenmerk gewidmet.Im Lauf der Praxis zeigt sich auch, dassSchülerInnen von Mutter, Vater und LehrerInnenerzogen und quasi den Bemühungen aller “aus-gesetzt” sind. Man ist daher dringend auf gegen-seitiges Vertrauen und gegenseitig ergänzendeZusammenarbeit angewiesen. Schulbildung undelterliche Erziehung ist nicht grundsätzlich ver-

schieden, insofern als Schulbildung zugleich einStück Erziehung darstellt. Ich würde mich scheu-en, diese scheinbaren Banalitäten auszusprechen,wenn die Praxis nicht so anders aussähe. Die Ein-stellung der Eltern gegenüber der Schule bzw. denLehrerInnen ist unter der konventionell höflichenOberfläche häufig gleichgültig, kühl, distanziert,skeptisch, ängstlich, zurückhaltend aber auch ab-lehnend, vorwurfsvoll, verärgert, überheblich, ent-täuscht, resignierend. Umgekehrt interessiert vieleLehrerInnen die elterliche Erziehung ihrer Schü-lerInnen nur am Rande und meist nur dann, wenndas Kind Schwierigkeiten macht. Wird das Ge-spräch von LehrerInnen angeregt, stehen mei-stens Leistungsfragen und negatives Verhaltendes Kindes im Vordergrund. Geht das Gesprächvon Eltern aus, sind es ebenfalls Leistungs-schwierigkeiten, aber auch Beschwerden überLehrerInnen und MitschülerInnen. Der Leistungs-aspekt ist das dominierende Thema. Gesprächeüber “gute” SchülerInnen finden selten statt, überpädagogische, nicht direkt mit Leistung zusam-menhängende Fragen spricht man kaum.

UNSER QUALITÄTSSTANDARD

NORMZiel der Elternarbeit ist es, dass LehrerInnen und Eltern in einer Partnerschaft, die für einen beschränk-ten Zeitraum besteht, gemeinsam Verantwortung für die Erziehung und Bildung der SchülerInnen mitunterschiedlichen Aufgaben übernehmen. Wir benötigen dafür eine professionelle Kommunikations- und Problemlösungskultur, die vonLehrerInnen gestaltet wird und die geprägt ist von gegenseitigem Respekt.

Realisierungen Indikatoren

Kommunikation Eltern - Schule

Wir informieren Eltern ausführlich und zeitgerechtüber Schulprogramm, Angebote und Anforderun-gen unserer Schule, wenn sie eine für ihr Kindgeeignete Schule suchen.

- Eltern besuchen den Stand auf der Schul-informationsmesse und wenden sich imAnschluss daran mit Detailfragen an dieSchulleitung.

- Eltern wissen aufgrund der Informationen inder Schulbroschüre über Anforderungen,Schwerpunkte, Stundentafel, usw. Bescheid.

- Eltern interessieren sich aufgrund der

Brigitte Pelzmann |ELTERNARBEIT ODER “SCHULPARTNER LEHRER UND ELTERN?”

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Wir nehmen Kontakt mit Eltern auf, deren Kind inder Schule neu aufgenommen wurde.

Wir nehmen auf vielfältige Art und Weise mit denEltern Kontakt auf und verwenden dabei unter-schiedliche Kommunikationsformen

Homepage für unsere Schule und stellen wei-tere Anfragen.

- Nach den Elternabenden in den Volksschulenbestätigen Rückmeldungen während derAnmeldephase, dass die wichtigsten Bot-schaften angekommen sind und die Schul-wahl beeinflusst haben.

- Eltern melden ihr Kind aufgrund positiverBerichte aus ihrer Verwandtschaft, Nachbar-schaft, Bekanntschaft an.

- Eltern werden durch positives Feedback ihres Kindes nach dem Schnuppertag in ihrer Ent- scheidung beeinflusst, ihr Kind in der Schule anzumelden.- Nach einer schriftlichen Verständigung kom-

men Schüler – Eltern - Lehrer erstmals zueinem gemeinsamen Info-Treffen noch vorSchulbeginn zusammen.

- Aufgrund einer Einkaufsliste können die be-nötigten Unterrichtsmaterialien von den El-tern bereits während der Ferien besorgt wer-den.

- Bei einem Schulfest lernen Eltern die Schulevon der informellen Seite her kennen –Schulgebäude, Klima, ... – und erleben dasSchulfest als Teil der Schulkultur.

- Zu Schulbeginn kommen die SchülerInnen meist in Begleitung ihrer Eltern und nehmen mit den Klassenvorständen Kontakt auf.

- Eltern erhalten regelmäßig Elternbriefe,Kurzmitteilungen, ...

- Für Sprechtage bzw. Elternabende erhaltendie Eltern schriftliche Einladungen.

- Aufgrund einer Sprechstundenliste wissen dieEltern, wann LehrerInnen für ein Gesprächzur Verfügung stehen.

- Eltern werden mittels Telefon informiert.- Schulstufen- bzw. Klassenelternabende wer-

den gut besucht.

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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Wir versuchen auf vielfältige Weise, die Sicht-weisen der Eltern kennen zu lernen, beziehen sieregelmäßig ins Schulleben ein und laden sie zurMitarbeit ein.

Wir gehen verantwortungsvoll mit Eltern-beschwerden um.

- Projektpräsentationselternabende finden je weils nach den Projekten statt und werden von den Eltern gut angenommen.

- ElternvertreterInnen nehmen an Lehrerkon-ferenzen teil.

- ElternvertreterInnen nehmen an SCHILF-Veranstaltungen teil.

- ElternvertreterInnen nehmen an Sitzungender Schulpartnerschafts-gremien teil.

- Treffen zwischen Eltern und LehrerInnen fin-den regelmäßig statt.

- Aufgrund der “offenen Klassentür” nehmenEltern mitunter am Unterricht teil.

- Eltern wirken an Organisation und Gestaltungvon Schulveranstaltungen mit.

- Eltern kommen zu Veranstaltungen, Semina-ren, usw., die von der Schule eigens für El-tern organisiert werden.

- Die ElternvereinsvertreterInnen halten regel-mäßig Kontakt mit der Schule.

- DirektorIn, Klassenvorstände oderFachlehrerInnen stehen gegebenenfalls alsAnsprechpartner zur Verfügung.

- Ein für Eltern installierter Beschwerde-briefkasten wird regelmäßig entleert.

- Ein Tagesordnungspunkt bei Konferenzen,Elternabenden, Treffen derSchulpartnerschaftsgremien, usw. ist für Be-schwerden reserviert.

- Eine Ombudsperson für Elternbeschwerdenübernimmt Vermittlerfunktion.

- Wir setzen institutionalisierte Problem- lösungsstrategien ein

Brigitte Pelzmann |ELTERNARBEIT ODER “SCHULPARTNER LEHRER UND ELTERN?”

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LEISTUNGSBEURTEILUNG

Christine Keegan, Wolfgang Schnelzer

1. Leistungsbeurteilung im Regelsystem

In Zusammenhang mit unserem Verständnis vonLeistungsbeurteilung wollen wir auf zwei interes-sante Aspekte in der Broschüre des BmfUK “ ZurObjektivierung der Leistungsbeurteilung” aus demJahr 1972 hinweisen. Zum einen heißt es dort:Wohlbekannt ist der ‚Hofeffekt‚, der bewirkt, dassEindrücke, die der Lehrer in anderen Zusammen-hängen vom Schüler gewonnen hat, sein Urteilfärben. Eine Tatsache, die wir in unsere Beschrei-bung von Leistungsbeurteilung miteinbeziehen.Und zum anderen heißt es: Nachdem die Roh-werte der einzelnen Schüler in eine Rangordnunggebracht wurden, könnte eine Zuordnung dieserzu den Noten getroffen werden. Dabei wäre mitRücksicht darauf, dass Klassenpopulationen nichtrepräsentativ im Sinne einer Normalverteilungsein können die Note 1 etwa 10% der Schüler derKlasse zuzuordnen, die Note 2 etwa 20% derSchüler der Klasse zuzuordnen, die Note 3 etwa40 % der Schüler der Klasse zuzuordnen, die Note4 etwa 20 % der Schüler der Klasse zuzuordnen,die Note 5 etwa 10 % der Schüler der Klasse zu-zuordnen.” Das ist die uns bekannte GausscheKurve, der wir keineswegs folgen wollen, denn wirmeinen, dass jedes Kind seinen eigenen individu-ellen Lernfortschritte nach beurteilt werden muß.

2. PRINZIPIEN DER LEISTUNGSBEURTEILUNG ANDEN VERBUNDSCHULEN

Wir gingen in unserer Erhebung über praktizierteLeistungsbeurteilung an den Verbundschulen da-von aus, dass durch Änderungen der Unterrichts-systeme die Voraussetzungen für die Leistungs-beurteilung und auch für die Formen derLeistungsfeststellung anderen Bedingungen ge-genüber stehen als dies im Regelschulwesen derFall ist. Wir wussten, dass von den Lehrer/innenneue Modelle entwickelt worden waren und woll-ten feststellen, welche nun tatsächlich praktiziertwerden. Die Analyse von Beurteilungsdokumenten

von Lehrer/innen aller fünf Schulen bestätigtediese Annahme und brachte interessante Ergeb-nisse.

Die kooperative Organisationsstruktur desSchulmodells bewirkt Kooperation in derLeistungsbeurteilungDas Stufenteam kooperiert sowohl bei der Erstel-lung der Leistungsfestestellungen als auch bei derBeurteilung der Schüler/innen. Die Teampartnerkorrigieren nacheinander oder gemeinsam oder inAbsprache die Tests und Schularbeiten und legengemeinsam die Beurteilungskriterien fest.

Differenzierter Unterricht bewirkt differenzierteSichtweisen und Aktivitäten der Lehrer/innenDie Kriterien der Beurteilung werden durchPersönlichkeitsmerkmale der Schüler/innen erwei-tert. Fächerübergreifende Lernbereiche bewirkenmehrperspektivische Sichtweisen für die Beurtei-lung. Die Lernzielbeurteilung ergibt eine andereSichtweise innerhalb der Lernzeiten der Schüler/innen und der zeitlichen Bewältigung der Lern-inhalte. Die Präsentationsformen der Leistungender Schüler/innen werden erweitert.

Die Heterogenität der Klassenverbände bewirktneue NotenDie heterogenen Schüler/innengruppen ohne Ein-teilung in Leistungsgruppen bewirkten eine (edert

Das Team: Christine Keegan Wolfgang Schnelzer

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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weilige) Erweiterung der fünfteiligen Notenskalaum ein “breiteres” Genügend und Entwicklungeiner anderen Form der Wertschätzung der Lei-stungen der “schwächeren” Schüler/innen im TZUund in den jeweiligen Fächern.

Die Vermittlung von Schlüssequalifikationen erfor-dert neue BeurteilungssystemeUnterricht, der Selbsttätigkeit, Eigenverantwor-tung, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit undKreativität in den Vordergrund stellt, benötigtadäquate Formen der Leistungsfeststellung undLeistungsbeurteilung. Dafür sind von Lehrperso-nen individuell gestaltete Beurteilungskonzepteentstanden, die laufend zum Zweck der Optimie-rung überarbeitet, bzw. weiter entwickelt werden.

Die Entwicklung einer “neuen” Qualität derLeistungsbeurteilung und Leistungsfeststellungwurde nun auch im neuen Lehrplan angesprochenin dem Transparenz gefordert wird. Schüler/innenund Eltern müssen seit Beginn des Schuljahres2000/2001 über die Zusammensetzung der No-ten der einzelnen Fächer informiert werden undauch der Rückmeldungscharakter der Leistungs-beurteilung wird betont formuliert.

3. FORMEN DER LEISTUNGSFESTSTELLUNG UND-BEURTEILUNG AN DEN VERBUNDSCHULEN

Die didaktische Vielfalt die im Schulmodell geför-dert wird erfordert – wie sich zeigt - “alternative”Formen der Leistungsbeurteilung. Die folgendenRealisierungen wurden von Beginn desSchulmodells an entwickelt und erprobt, ange-wandt, diskutiert, erweitert und/ oder völlig neugedacht. An den Standorten, an denen didaktischeVielfalt praktiziert wird, gibt es auch vielfältige undvariable Formen der LF und LB:- Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen- Kombinationen der Ziffernbeurteilung und

verbaler Beschreibung- Lernzielorientierte Leistungsbeurteilung /

Pensenbuchmethode- Beurteilungsformen nach der ESE

Methode- Projektbeurteilung- Produktbeurteilung- Prozessbeurteilung- Themenbereichsarbeiten- Sozialkompetenzen/Kommunikations

kompe t en zen /Koope r a t i o n s -kompetenzen in Teamarbeitsaufgabeninnerhalb des TZUDas Spektrum reicht auch in den Schulen desSchulverbundes Graz-West von der herkömmli-chen Unterteilung in Schularbeiten, Mitarbeit undweiteren schriftlichen Arbeiten, ohne weitere De-tails, wie diese Leistungen bewertet werden, biszu sehr detaillierten und ausgefeiltenBeurteilungssystemen mit exakten Angaben überdie Wertigkeit der einzelnen Teilbereiche, auchunter Einbeziehung der Schlüsselqualifikationen.An einigen Standorten existieren Vereinbarungenüber Beurteilungssysteme mit den Betroffenen.Die Beurteilungssysteme werden der Schulleitungbekanntgegeben und jeweilige Veränderungen derSysteme sind ausschließlich jeweils zu Schulbe-ginn vorzunehmen.

4. BESONDERE BEDINGUNGEN FÜR ́ ALTERNATI-VE´ FORMEN DER LF UND LB

Die Heterogenität der Schüler/innen bedingt, dassbei lernzielorientierten Beurteilungssystemen dieLernziele in Basislernziele und Erweiterungs-lernziele ausgewiesen und gekennzeichnet wer-den. Diese Methode erwartet eine intensive Ein-führung auch der Schüler/innen in den Vorgangder Differenzierung (Kennzeichnungssymbole,Wertigkeiten, Voraussetzungen durch Lernan-gebote u.a.m.).Der Einsatz einer “Projektmethode” erfordert,dass der gesamte Unterricht eines Faches in ge-schlossene Themeneinheiten bzw. Unterrichtsab-schnitte von beispielsweise 4 –6 Wochen geglie-

Christine Keegan, Wolfgang Schnelzer |LEITUNGSBEURTEILUNG

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4. Dient die derzeitige Praxis der LB der “Be-schaffung von Noten” oder/ und der Rück-meldung?

5. Wenn LB der Rückmeldung dient, an wenist sie gerichtet? (Schüler/innen, Eltern,Nachfolgeinstitutionen, Gesellschaft)

6. Wie hoch ist der Anteil verschiedener Teill leistungen an der LB? (Schularbeiten, Mit-

arbeit, praktische Leistungen, mündlichenLeistungen, Mitarbeit, Hausübungen etc.)

7. Wie definieren Lehrer/innen Mitarbeit ineinzelnen Fächern? Wie werden Aufzeich-nungen dazu geführt?

8. In welcher Form werden dynamische Fä-higkeiten in die LB einbezogen?

9. Wie realistisch ist das Bestreben nachVereinheitlichung der LB im Schulverbundbzw. der Anspruch auf Vergleichbarkeit(sofern vorhanden)?

10. Ist eine Unterscheidung der Q-Standardsfür “Schularbeitenfächer” und andere Fä-cher sinnvoll?

11. Sollen auch Eltern und Schüler/innen überihren aktuellen Informationsstand bezüg-lich der LB befragt werden?

Ein Teil dieser Fragen konnte im Zuge des Arbeits-prozesses zur Entwicklung des Qualitätsstan-dards, wie Leistungsbeurteilung – Leistungs-feststellung in die Formulierungen der Kriterieneinbezogen werden, sie sollten jedoch in anderenFormen im Auge behalten werden. Der entwickelteQualitätsstandard kann ein Instrument zur kriti-schen Durchleuchtung der eigenen Praxis werden.

6. DER QUALITÄTSSTANDARD

NORM1. Bei der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung werden möglichst viele individuelle

Fähigkeiten der SchülerInnen (Leistungsfähigkeit, Talente, äußere Einflüsse, Wahrnehmungs-fähigkeit, etc.) und die Schlüsselqualifikationen berücksichtigt.

2. Bei der Leistungsfeststellung wird bezüglich des Ausmaßes auf Ausgewogenheit zwischenschriftlichen, mündlichen und praktischen Leistungen geachtet.

3. Für die Leistungsbeurteilung werden am Beginn einer Arbeitsperiode (Schuljahr, Semester,

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

dert wird. In diesen Unterrichtsabschnitten gibtes ein sogenanntes Pflichtprogramm und darüberhinaus gehende optionale Angebote. Die Beurtei-lung der erbrachten Leistungen erfolgt nach einemfixierten Punkteraster. In jedem Teilabschnitt sindjeweils maximal 10 Punkte zu erreichen, dies istauch bei Schularbeiten die maximale Punkte-summe. Innerhalb eines Beurteilungszeitraumes(Schuljahr) übersteigt die Anzahl der “Projekte”die Anzahl der Schularbeiten. Dadurch wird dieprozessorientierte Lernarbeit gegenüber den meistreproduzierend orientierten Schularbeiten aufge-wertet. Jede Teilleistungsmöglichkeit ist den Schü-ler/innen im Voraus bekannt, ebenso deren Wer-tigkeit. Somit können Schüler/innen ihren Arbeits-aufwand planen und die angestrebte Leistung wirdvon ihnen selbst gesteuert.

5. FRAGEN, DIE SICH AUS UNSERER ERHEBUNGERGABEN

Folgende Fragen ergaben sich während der Arbeitzur Entwicklung von Qualitätsstandards zum The-ma Leistungsbeurteilung:1. Welcher Zusammenhang besteht zwi-

schen den “Vorstellungen von Lernen” undder Leistungsbeurteilung?

2. Welche unterschiedliche LB-Formen habenwir im Schulverbund?

3. Was geht in unserer derzeitigen Praxisüber das gesetzlich Verordnete hinaus?Was unterscheidet die LB im Schulverbundvon der Regelschule?

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Projektphase Themenepoche) klare und nachvollziehbare Kriterien vom LehrerInnenteam fest-gelegt und den SchülerInnen und Eltern zeitgerecht mitgeteilt.

4. Leistungsbeurteilung ist Feedback für SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen undInstitutionen der Gesellschaft. (Vergabe von Berechtigungen)

Was tun wir, um diese Ziele zu erreichen Woran erkennen wir die Erfolge?

Leistungsbeurteilung

Beurteilungssystem wird so gestaltet, dass esausreichend Gelegenheit zur Einbeziehung allerTeilbereiche eines Faches bietet. Es ist schriftlichfestgelegt.

Das Beurteilungssystem ermöglicht die Einbezie-hung möglichst vieler individueller Fähigkeiten derSchülerInnen.

Die Kriterien für die Leistungsbeurteilung sindlehrplankonform, und entsprechend der Zielgrup-pe, klar und verständlich formuliert. Sie werdentermingerecht bekannt gegeben. Die Gesamt-wertigkeit und der Benotungsschlüssel sind aus-gewiesen.

Das Beurteilungssystem berücksichtigt auchSchlüsselqualifikationen (Fach-, Methoden-,Selbst- und Sozialkompetenz) der SchülerInnen.

Es gibt für das Beurteilungssystem einen klar de-finierten Geltungszeitraum.

Aus den schriftlichen Ausführungen ist ablesbar,wieviel aus welchen Teilbereichen einfließt.

Sowohl kognitive als auch kreative Elemente sindin der Leistungsbeurteilung bedacht und findenAnwendungsformen.

Es gibt eine Vielfalt von Möglichkeiten derLeistungserbringung für SchülerInnen, bei denendurch differenzierte Aufgabenstellungen individu-elle Fortschritte sichtbar gemacht werden.

Es gibt eine schriftliche oder grafische Darstellungdes Beurteilungssystems. SchülerInnen und Elternsind mit den gestellten Anforderungen und mitdem Benotungsschlüssel vertraut und es gibt da-her möglichst wenige offene Fragen.

Ziele bezüglich der Schlüsselqualifikationen sindschulstufengemäß formuliert und scheinen imBeurteilungssystem auf.Das jeweilige System gilt verbindlich für minde-stens .......(1 Schuljahr) ohne Änderungen.

Bei Leistungsfeststellungen sind Aufgabenstellun-gen und Arbeitsanweisungen fehlerfrei, eindeutigund unmißverständlich formuliert und/ oder dar-gestellt.

Benutzerfreundlichkeit von schriftlichen Leistungs-feststellungen

SchülerInnen arbeiten ruhig und konzentriert undstellen wenige bzw. keine Rückfragen

Die schriftlichen Angaben sind gut lesbar durchangemessene Schriftgröße und Form, sie sindübersichtlich gestaltet, genügend Platz für Antwor-ten ist vorgesehen und sie sind vollständig.

Christine Keegan, Wolfgang Schnelzer |LEITUNGSBEURTEILUNG

Leistungsfeststellung

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THEMENZENTRIERTER UNTERRICHT

Wolfgang Schnelzer

ZUR DEFINITION DES BEGRIFFES

Die Planungsgruppe des Schulverbundes Graz-West entwickelte neben der Struktur desSchulmodells auch pädagogische Konzepte desLernens an Themen und didaktische Modelle fürindividualisiertes Lernen. Aus den Überlegungenund Ergebnissen des Epochalen Unterrichts, derLernfeldpädagogik und den Erfahrungen, sowieder der Literatur über projektorientiertes-themen-bezogenes Lernen entstand das in der Modell-beschreibung “Phasenmodell” genannte Konzeptdes ThemenZentrierten Unterrichts. DieseUnterrichtsform subsummiert alle Methoden desProjektunterrichts, des Kursunterrichts und derfokusierten Themenarbeit unter diesem Titel. DerTZU kann innerhalb der vorgegebenen Stunden-tafel, im “normalen” Stundenplan, oder auch inveränderter Zeitgestaltung außerhalb und inner-halb des Schulhauses durchgeführt werden.

In den zehn Jahren der Entwicklung dieses Kon-zepts zeigten sich unterschiedliche Ausprägungenin der Durchführung, im Engagement und im Ver-ständnis. Lehrer/innen der NMS Puntigam defi-nierten die vielfältigen Anwendungsbereiche ineiner Broschüre ( IPU, 1992) . Die Beobachtungdes Prozesses in den zehn Jahren war spannendbis ernüchternd, weil mancherorts derLernprozess der Beteiligten als effektiv und posi-tiv erkannt wurde, an anderer Stelle der organi-satorische und methodische Aufwand als lästigoder überfordernd eingestuft wurde. Für die einenwar der TZU eine Bereicherung und sinnvolle Ent-wicklung zu einem schüler/innenzentrierten undsowohl didaktisch als auch inhaltlich aktualisier-ten Lernen, für die anderen eine Art Verpflichtunggegenüber dem Modell.

ZUR UNTERSUCHUNG DER VERBUNDPRAXIS

Für die Entwicklung von Qualitätsstandards fürden TZU begannen wir im Mai 2000 mit Umfragen

und einem Seminar im Juni 2000. Aus den Erfah-rungen aller 5 Standorte ergaben sich einige Fra-gen:

· Welche Unterrichtsbereiche werdenthemenzentriert unterrichtet ?

· Wie lange dauert der TZU in den einzel-nen Schulstufen ?

· Welche Entwicklungen ( Selbsttätigkeit,Gestaltungsfähigkeit, Präsentations-fähigkeit, Teamfähigkeit ) sind mit den an-steigenden Anforderungen innerhalb desTZU in den Schulstufen (signifikant) fest-zustellen ?

· Wird der TZU, seine Ergebnisse und Pro-dukte in die Leistungsbeurteilung einbe-zogen und in welchem Ausmaß ?

· Wie wirken sich didaktische undunterrichtsorganistatorische Konzepte desTZU auf den Fachunterricht aus ?

· Bestimmt das Thema die Dauer oder die“Pflicht” das Thema ?

· Aus welchen Prozessen entwickeln sichThemen ?

· Ist der TZU ein im Stufenteam anerkann-ter Lernprozess oder eine Pflichtig-lästi-ge Last ?

· Hat sich der TZU in den 9 Verbundjahrengewandelt ?

Daraus entwickelte sich die Formulierung für denQualitätsstandard des TZU.Dieser ist eine Zielformulierung hin zu einem päd-agogisch ordentlichen Umgang mit Ressourcenund Kompetenzen im Schulverbund und vor allemmit einer Ausrichtung zu zeitlich relevantem Ver-ständnis für Schule und Lernprozesse.

EINIGE FESTSTELLUNGEN ZU DEN ERGEBNISSEN

Der TZU kann nicht durch organisatorische Män-gel in seiner Effizienz und in seiner Orientierungbeeinträchtigt werden. Was prozessorientiert ge-wollt wird kann auch organisiert werden.Das didaktische Konzept des TZU beinhält einen

ZEHN JAHRE PRAXIS: QUALITÄTSSTANDARDS UND LEITBILD

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127 Wolfgang Schnelzer |THEMENZENTRIERTER UNTERRICHT

Großteil der heute geforderten Schlüssel-qualifikationen im Prozess und in den Methodenfür den Wissenserwerb und der persönlichen Ent-wicklung der Schüler/innen ( siehe Frage 3)Der TZU entwickelt für die einzelnen Schulstufenunterschiedliche Methodenkompetenzen für dieZugänge, Prozesse und Ergebnisse der TZU Pha-sen. Aus diesem Grund kann es nicht die Regelsein, dass alle Schulstufen gleichzeitig und gleich-lang ihren TZU “abwickeln”. Die Schüler/innenentwickeln durch den TZU themenbedingt undschulstufenbedingt unterschiedliche Prozess-kompetenzen . Die bestehenden Ressourcen ei-ner Schule sollten auch schulstufenübergreifendgenutzt werden können.Die Koordination der In-halte der “Fächer” kann Zeit sparen und ermög-

licht einen intensiveren Zugang zu Themen undProzessen.Die Schüler/innen können persönlicheStärken im Prozess des TZU darstellen und wei-tere Forschungsmethoden in den Unterrichteinbringen.Der TZU eignet sich für die Integrati-on der individuellen Lernerfahrung und für derenVertiefung.Untersuchungen besagen, dass dieEffizienz des Unterrichts kaum aus den einzelnenFächern heraus zu steigern ist.Der TZU dient auchder Öffnung der Schule.Die Präsentationsformendes TZU ermöglichen einem Lernprozess die not-wendige “Veröffentlichung”.Schulisches Lernen istauf die Zukunft ausgerichtet, es findet unter pro-fessioneller Anleitung in eigens organisierten,variablen Lernsituationen statt.Eine Schule kannoft mehr als sie selbst glaubt.

DER QUALITÄTSSTANDARD

Norm:Der TZU ist ein Lehr- und Lernsystem, in dem Schüler/innen fächerübergreifend und projektorien-tiert lernen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf eigenständigen Wissenserwerb und auf ein viel-fältiges, polydidaktisches und lerntypengerechtes Angebot der Wissensbereiche und Lernfelder ge-legt. Das Lernsystem TZU bietet Methoden für die Arbeit mit Lernzielen an. (Selbstbeurteilung derArbeit; Forschung; Teamfähigkeit; Verantwortungsübernahme für andere, für Leistung und Ergeb-nis; Konflikt(lösungs)fähigkeit; individualisiertes Lernen; Kommunikationsfähigkeit;Planungs- und Organisationskompetenz; Umgang mit Institutionen - extern/intern- und Präsentations-fähigkeit )

Woran erkennen wir Erfolge ?Die Organisation des TZU ist kreative Experten-arbeit, Schulstufenteams sind für Ablauforganisa-tion und inhaltliche Planung verantwortlich.

Pro Schulstufe werden arbeits- undentscheidungsfähige Teams gebildet. (Fächer-kooperation, Schwerpunkte je nach Themen undInhalten)

Es gibt in schulinterne Regelungen, die die Vor-gangsweise für die Themenwahl festlegen. Diesesind für alle Beteiligten und Beobachter transpa-rent. Die Themen werden von den Beteiligten alsrelevant empfunden.

Was tun wir, um diese Ziele zu erreichen ?RahmenbedingungenDie Schulorganisation setzt Prioritäten fürschulstufenorientierte Arbeit.

Die LL verfügen über Fach-, Methoden- undBeziehungskompetenz. (Lernorganisation, Mana-gement, Teamkompetenz, Kreativität, Engage-ment....)

Die Themen werden von den Schüler/innen selbstentwickelt und gewählt oder von den LL vorgege-ben oder in einem gemeinsam entwickeltenProzess festgelegt und sind ihrern Lebensumstän-den angepaßt und altersgemäß strukturiert.

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Die Planung erfolgt je nach U-Zielsetzung durchdas Stufenteam und die jeweils am Prozess zubeteiligenden Betroffenen. (Schüler/innen, Eltern,Expert/innen)

Die Dauer des TZU ist themenabhängig und auchabhängig von der Methodenkenntnis der Beteilig-ten. Minimum 5 Tage.

Der Lerngewinn wird mittels Reflexion des Prozes-ses und der Ergebnisse bzw. Produkte erhoben.Selbst- und Fremdbeurteilungsformen für die er-brachten Leistungen und Prozessabläufe werdenentwickelt und angewandt.

Ein Endprodukt wird in die Planung und in denEntwicklungsprozess einbezogen, das die Eigen-ständigkeit sichtbar macht und den Lernprozessdokumentiert. (Projektdarstellung, Mappe, Werk-stück, Tonträger, “Werk”, u.a.m.)

Die Wertigkeit (Beurteilung) der erbrachtenLeistung(en) ist ein wesentlicher Teil der Rückmel-dung und Anerkennung. Sie ist Teil der schüler/innenbezogenen Leistungsbeurteilung. Sie wirdvom Team vor dem TZU einem oder mehrerenFächern zugeordnet und den Schüler/innen mit-geteilt.

Ergebnisse eines TZU werden in einer Präsenta-tion für eine über die Klasse hinausgehende Öf-fentlichkeit dargestellt.

Der TZU ist derart strukturiert, dass die Schüler/innen teamorientiert und selbstständig lernenkönnen, das Produkt , die Lernsysteme undArbeitsorganisationsformen mitverantworten undmittragen.

Der TZU wird in seinen Strukturen und in seinerAktualität ständig weiterentwickelt und “Schatten-sprünge” sind nichts Ungewöhnliches.

Die Planungsteams erstellen erfüllbare Konzepteund verschaffen den Mitarbeiter/innen die nötigenzeitlichen, räumlichen und materiellen Ressour-cen.

Phasen werden frühzeitig geplant und mit dem“Leben” der Schule koordiniert.

Reflexionsmethoden und –systeme für die Betei-ligten sind bereits in die Planung eingearbeitet.

Das “Produkt” liegt als ansprechendes Objekt vor.Es dokumentiert den Arbeitsverlauf, individuelleLösungen und die Leistung der Beteiligten.

Die Schüler/innen wissen um die Wertigkeit derProzesse und der Produkte innerhalb desLeistungsbeurteilungssystems der Schule bzw.Stufe und welchem Fach sie zuzuordnen sind.

Präsentationen sind fixer Bestandteil des Ablaufsdes Schuljahres und die Schüler/innen erwerbendie dafür notwendige Kompetenz.

Die Schüler/innen sind in die Arbeitsplanung undOrganisation (themen- und prozessangepaßt) ein-gebunden, arbeiten altersgemäß prozessorientiertund übernehmen Verantwortung.

Wir bekennen uns zu Korrektur, Wissens- undWertewandel und zu einer Kultur, mit Fehlentwick-lungen offen umzugehen.

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