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Die Studie „Digitale Transformation – Der Einfluss der Digitalisie-rung auf die Workforce in der Automobilindustrie“ sowie deren Zusammenfassung wurde herausgegeben von:

MHP Management- und IT-Beratung GmbH in Kooperation mit dem Herman Hollerith Zentrum, Reutlingen University Dr. Oliver Kelkar Stefano Esposito MHP Management- und IT-Beratung GmbH

Prof. Dr. Dieter Hertweck Martin Kinitzki Natascha Sigle Herman Hollerith Lehr- und Forschungszentrum, Reutlingen University

25. Juli 2017

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Inhaltsverzeichnis 

 

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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................... III Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. V Tabellenverzeichnis ................................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ VIII Zusammenfassung ................................................................................................... IX

1 Zur Digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft................................................................................. 1

1.1 Industrie 4.0 ..................................................................................................... 2 1.2 Auswirkung der Digitalisierung auf Arbeitsplätze ............................. 5 1.3 Digitalisierungstechnologien .................................................................... 8

2 Studie zur Digitalisierung der Workforce in der Automobilindustrie ................................................................. 11

2.1 Zielsetzung ..................................................................................................... 11 2.2 Methodische Vorgehensweise ................................................................ 11 2.3 Präsentationsform der Ergebnisse ........................................................ 15 2.4 Design der Erhebung ................................................................................. 16 2.5 Auswertungsmethodik ............................................................................... 20

3 Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung ........ 22

3.1 Berufsbild des Monteurs (25112) .......................................................... 22 3.2 Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosseriebauers (25212)

............................................................................................................................ 26 3.3 Berufsbild des Entwicklungs- und Produktingenieurs (27104)... 30 3.4 Berufsbild des Fertigungsdisponenten und -planers (27303) .... 34 3.5 Berufsbild des Ausbesserers und Ausschneiders (28122) ............ 38 3.6 Berufsbild des Lagerarbeiters und Materialbereitstellers (51311)

............................................................................................................................ 42 3.7 Berufsbild des Einkäufers als qualifizierter Spezialist (61113) .... 45

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3.8 Berufsbild des technischen Sachbearbeiters (71302) .................... 49 3.9 Berufsbild des Projektleiters (71393) ................................................... 53 3.10 Berufsbild des Abteilungsleiters (71394) ............................................ 57 3.11 Berufsbild des Produktreferenten (92113) ......................................... 61

4 Resümee ................................................................................... 64

4.1 Wandel der Berufsbilder hin zu wissensintensiven Berufen zur Lösung komplexer, kreativer, sozialer Problemstellungen .......... 64

4.2 Handlungsempfehlungen ......................................................................... 70 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 74

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Abbildungsverzeichnis 

 

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Historie der industriellen Revolutionen ............................ 3 Abbildung 2: Industrie 4.0 nach Branchen .................................................. 4 Abbildung 3: Beschäftigte in der deutschen Automobilindustrie

(Veränderung in %) .................................................................. 6 Abbildung 4: Aus- und Weiterbildung im Bereich Industrie 4.0 ........ 7 Abbildung 5: Wahrscheinlichkeiten der Digitalisierung ..................... 16 Abbildung 6: Prozess der Datenanalyse ................................................... 18 Abbildung 7: Zuordnung der

Automatisierungswahrscheinlichkeiten zu KldB-Berufsschlüsseln ..................................................................... 18

Abbildung 8: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Monteurs ................................................................................... 23

Abbildung 9: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosseriebauers ....................... 27

Abbildung 10: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Entwicklungs- und Produktingenieurs .......................... 31

Abbildung 11: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Fertigungsdisponenten und -planers ............................ 35

Abbildung 12: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Ausbesserers und Ausschneiders.................................... 39

Abbildung 13: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Lagerarbeiters und Materialbereitstellers ..................... 43

Abbildung 14: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Einkäufers .................................................................................. 46

Abbildung 15: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des technischen Sachbearbeiters ............................................. 50

Abbildung 16: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Projektleiters ............................................................................ 54

Abbildung 17: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Abteilungsleiters ..................................................................... 58

Abbildung 18: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Produktreferenten .................................................................. 62

Abbildung 19: Mittlere Automatisierungswahrscheinlichkeit bei führenden Tätigkeiten .......................................................... 66

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Abbildung 20: Vergleich der Automatisierungswahrscheinlichkeiten zwischen einfachen und komplexen Tätigkeiten ........69

Abbildung 21: Mittleres Bildungslevel und Automatisierungswahrscheinlichkeit ...............................70

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Tabellenverzeichnis 

 

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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Design der Datenerhebung ................................................ 17 Tabelle 2: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das

Berufsbild des Monteurs ..................................................... 24 Tabelle 3: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das

Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosseriebauers .................................................................... 28

Tabelle 4: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Entwicklungs- und Produktingenieurs ...................................................................................................... 32

Tabelle 5: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Fertigungsdisponenten und -planers 36

Tabelle 6: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Ausbesserers, Ausschneiders sowie Springers ................................................................................... 40

Tabelle 7: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Lagerarbeiters und Materialbereitstellers ............................................................ 44

Tabelle 8: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Einkäufers .................................................... 47

Tabelle 9: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des technischen Sachbearbeiters ............... 51

Tabelle 10: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Projektleiters .............................................. 55

Tabelle 11: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Abteilungsleiters ....................................... 59

Tabelle 12: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Produktreferenten .................................... 63

Tabelle 13: Kreuztabelle - Berufsgruppe und Automatisierungswahrscheinlichkeit .............................. 67

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Abkürzungsverzeichnis CPS cyber-physische Systeme ERP Enterprise Resource Planning ES eingebettete Systeme FF Forschungsfrage FTS Fahrerlose Transportsysteme HiPPO highest-paid person's opinion ISCO International Standard Classification of Occupations IT Informationstechnologie KldB Klassifikation der Berufe M2M Machine-to-Machine MIS Management Information System PIAAC Program for the International Assessment of

Adult Competencies SCM Supply Chain Management SOC Standard Occupational Classification System

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Zusammenfassung 

 

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Zusammenfassung Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft ist derzeit das bestim-mende Thema. Sie manifestiert sich in einer Reihe von Phänomenen wie der De-Materialisierung von Produkten, intelligenten Gegenständen und deren Vernetzung sowie einer Investitionslogik, die physische Güter und Arbeit durch digitale Güter und Algorithmen ersetzt. Unternehmen erleben eine radikale Veränderung ihrer Geschäftsmodelle, Produkte und Produktions-prozesse.

Der Einzelhandel muss sich etwa gegen Unternehmen wie Amazon Fresh behaupten. Zahlungsdienstleister wie American Express werden durch digi-tale Services wie PayPal bedroht. Der Digitalisierung zugängliche Prozesse wie der 3D-Druck lösen material- und arbeitsintensive Verfahren wie das Drehen und Fräsen ab. Smarte Maschinen kommunizieren in Echtzeit und steuern den Materialfluss oder umgehen flexibel Störungen. Vernetzte Au-tomobile mit digitalen Mehrwertservices und alternativen Antrieben verän-dern die Perspektive auf das Thema Mobilität. Wird es beispielsweise künf-tig Standard sein, Mobilität nach Bedarf zu mieten, statt ein Auto zu besit-zen? Und wegen der in Industrie-4.0-Fabriken einfach zu fertigenden Elekt-roautomobile steht die deutsche Automobilindustrie vor ihrem geschicht-lich gravierendsten Wandel.

Die Volkswirtschaften befinden sich in einer Transformation, die laut einer aufsehenerregenden Studie der Oxforder Ökonomen Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne bis 2030 zur massiven Freisetzung von Arbeit füh-ren wird.

Für die USA prognostizierten die Autoren eine Freisetzungsquote des Fak-tors Arbeit bis 2030 von 47 % über alle volkswirtschaftlichen Sektoren. Für die deutsche Volkswirtschaft errechnete Jeremy Bowles von der London School of Economics eine Quote von 52 %.

Diese Studien wurden zum Anlass genommen, die Substitutionseffekte von Arbeit durch Digitalisierung auf die deutsche Automobilindustrie zu über-tragen.

Die Forschungsfragen (FF), die sich dabei stellten waren:

FF1: „Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Arbeitsplätze in der Automo-bilindustrie in Deutschland aus?“

FF2: „Welche Berufsbilder in welchen Berufsgruppen sind davon besonders betroffen?

FF3: „Lassen sich aus den empirischen Daten der letzten vier Jahre die Au-tomatisierungswahrscheinlichkeiten nach Frey und Osborne für die wich-tigsten Berufsgruppen belegen?

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Die Antworten auf diese Fragen, lassen sich im Ergebnis wie folgt zusam-menfassen:

Zu FF1: Die digitale Transformation führt bis 2030 in der deutschen Auto-mobilindustrie dazu, dass 46 % der Beschäftigten in Berufsbildern arbeiten, die eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit zwischen 70 % und 100 % aufweisen. 33 % der Beschäftigten arbeiten in Berufsbildern mit einer mittleren Automatisierungswahrscheinlichkeit von 30 % bis 70 %. Und 21 % der Beschäftigten arbeiten in Berufsbildern der Niedrigrisikogruppe mit ei-ner Automatisierungswahrscheinlichkeit zwischen 0 % und 30 %. Die Ergeb-nisse von Frey/Osborne, dass vor allem jene Berufe nicht von Automatisie-rung betroffen sind, die

wahrnehmend, manipulierende Tätigkeiten in unstrukturierten Um-gebungen verrichten (z. B. Kfz-Mechaniker in Werkstattbezügen),

sozial-intelligente Tätigkeiten praktizieren wie das Führen von Menschen (z. B. Projektleiter) oder schöpferisch tätig sind (z. B. technische Entwicklungsingenieure)

konnten durch die untersuchten Berufsbilder von 49.166 Beschäftigten in den letzten vier Jahren bestätigt werden.

Zu FF2: Besonders von der Digitalisierung betroffen sind dabei Berufsbilder, in denen stark repetitive, messbare Tätigkeiten in strukturierten Umfeldern dominieren wie etwa beim Monteur in der Produktion. Die Digitalisierung wirkt sich aber auch zunehmend auf Berufe in der Verwaltung aus, deren bisherigen Tätigkeiten im Bereich der Klassifizierung und Überwachung von Vorgängen lagen – so beispielsweise bei Industriekaufleuten. Insbesondere der Fortschritt im Bereich kognitiver Systeme, die Entscheidungen auf Basis großer Datenmengen treffen, führt dazu, dass klassische Klassifikationsauf-gaben wie im Einkauf oder Vertrieb von Systemen übernommen werden. Das gleiche gilt für Tätigkeiten im Bereich der Prozesssteuerung. Durch smarte Regale, Maschinen und Teile ist z. B. der gesamte Auftragsabwick-lungsprozess digital abgebildet und in der Lage, sich weitgehend selbst zu steuern. Diese Innovationen automatisieren zunehmend klassische Tätigkei-ten etwa des Industriekaufmanns, weshalb er mit einer Automatisierungs-wahrscheinlichkeit von 94 % noch vor dem Monteur (86 %) rangiert. Von der Digitalisierung wenig betroffen sind hingegen Berufsbilder, in denen schöpferische Tätigkeiten dominieren. So liegt die Automatisierungswahr-scheinlichkeit beim Entwicklungsingenieur bei lediglich 3,4 %. Ähnlich sieht es bei Projektmanagern aus, die sich sowohl in unstrukturierten Projektkon-texten bewegen als auch stark sozial-intelligente Tätigkeiten verrichten. Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 1,4 % sind sie von Digitalisie-rungstechnologien unmittelbar kaum betroffen.

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Zusammenfassung 

 

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Zu FF3: Die von Frey/Osborne erforschten Automatisierungswahrscheinlich-keiten ließen sich mit den von uns aus ERP-Systemen erhobenen Berufsbil-dern von 49.166 Beschäftigten der letzten vier Jahre (2013-2016) gut bestä-tigen, wenngleich eine reale Abnahme der Belegschaft nicht festzustellen war. Dies liegt daran, dass die von uns untersuchten Unternehmen einen re-alen Output-Zuwachs an produzierter und am Markt abgesetzter Ware von jährlich 15 % hatten. Dies bedeutet, dass man über die letzten vier Jahre mit nahezu konstanter Belegschaft und einer gelungenen Personalpolitik einen Produktivitätszuwachs von jährlich 15 % erreichen konnte. Moderat ver-schoben haben sich dabei jedoch die Verhältniszahlen einzelner Berufsbil-der (z. B. weniger Monteure und Industriekaufleute, mehr Entwicklungsinge-nieure und Projektleiter) sowie das höhere mittlere Bildungsniveau der Be-legschaft.

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Zur digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

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1 Zur digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

Noch in den späten 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde un-ter Digitalisierung verstanden, Informationen in elektronischer Form aufzu-bewahren – meist Dokument-Dateien in Verzeichnissen auf Festplatten. In den zurückliegenden Jahren hat sich das Verständnis erheblich erweitert. Drei technologische Trends waren dafür entscheidend: Erstens die zuneh-mende Digitalisierung von vormals physischen Produkten (z. B. MP3-Files statt CDs, E-Books statt Bücher, etc.). Zweitens die Substitution ehemals physischer Produktkomponenten durch Software (z. B. die Steuersoftware von Verbrennungsmotoren zur Realisierung unterschiedlicher Motorleistun-gen, die die Entwicklung unterschiedlicher physikalischer Motoren überflüs-sig macht). Und Drittens und vermutlich am stärksten in ihrer Wirkung, die Vernetzung des Internet der Dienste mit dem Internet der Dinge – „Alles kommuniziert mit allem“. Weitere Trends sind die allgegenwärtige Vernet-zung von physikalischen Objekten untereinander und mit Menschen im In-ternet of Things (IoT). Die kostengünstige Verfügbarkeit von Rechenleistung und Sensorik ermöglicht „Intelligenz“ selbst in Alltagsgegenständen wie z.B. einer Zahnbürste. In-Memory-Datenbanken und virtualisierte Infrastruktu-ren ermöglichen in Echtzeit die Orchestrierung von smarten, auch mobil einsetzbaren Gegenständen. So verfügt das Smartphone heute über 25 Sensoren und wird genutzt, um den Arbeitsalltag (Arbeiten ohne Raum- und Zeitbeschränkung) oder die Freizeit (Einkaufen im Webshop mit elekt-ronischer Bezahlfunktion) flexibler zu gestalten. Kommunikation im Internet via Social-Media und in digitalen Communities ermöglicht – kombiniert mit dem Shared-Economy-Paradigma des Teilens – Ressourcen wie Autos (car2go) oder Immobilien (airbnb) besser auszulasten. Somit verändert die Digitalisierung von Produkten und Wertschöpfungsprozessen neben der Arbeitswelt auch massiv die Lebenswelt der Gegenwart.

In der Automobilbranche dreht sich im Rahmen der Digitalisierung alles um das Connected Car. Dabei stehen weniger Leistung, Aussehen oder Ver-brauch im Fokus, sondern neue Mobilitätskonzepte, Lokalisierungsdienste und Infotainment-Angebote – es findet eine Neuorientierung der Branche statt. Nicht mehr ausschließlich das Fahrzeug als Produkt wird betrachtet. Es geht zunehmend um das digitale Ökosystem an Dienstleistungen, das das Auto zu bieten hat.1, 2

                                                            

1 Keuper u. a., 2013, S. 84 ff. 2 MHPMobilitätsatlas 2017, mobility.mhp.com, 22. Mai 2017

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Die Automobilindustrie ist für Deutschlands Wirtschaft von zentraler Bedeu-tung. VW, Daimler und BMW zusammen haben einen Weltmarktanteil von rund einem Fünftel und sind unter den fünf größten Unternehmen im Deut-schen Aktien Index vertreten.3 Somit ist es äußerst wichtig, dass die deut-sche Automobilbranche Digitalisierung als Herausforderung und Chance versteht. Ob autonomes Fahren, verkehrsabhängiges Routing, Identifikation freier Parkplätze und Elektrotankstellen oder die automatisierte Abrechnung konsumierter Mobilität und Dienstleistungen – eine Vielzahl digitaler Ser-vices wird künftig den Mehrwert des Mobilitätssystems bestimmen, in dem das Fahrzeug nur eine Ressource darstellt.

Neben der Digitalisierung solch umfassender Mobilitätsdienste gibt es in der Automobilindustrie noch ein zweites dominantes Paradigma, das von digitalen Technologien revolutioniert wird – die Produktions- und Logistik-prozesse der eigentlichen Autoherstellung. Die zunehmende Digitalisierung von Produktionsprozessen durch vernetzte digitale Services, IoT-Kompo-nenten und Big-Data-Analysen wird unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst.

1.1 Industrie 4.0 Die Abbildung und Steuerung industrieller Wertschöpfungsketten mittels Daten aus vernetzten cyber-physischen Systemen wird von vielen zu Recht als die vierte industrielle Revolution bezeichnet. Begonnen hat die erste in-dustrielle Revolution Ende des 18. Jahrhunderts mit der Einführung mecha-nischer Produktionsanlagen. Diese wurden mit Wasser- und Dampfkraft be-trieben. Die zweite industrielle Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnete sich durch die Einführung arbeitsteiliger Massenproduktionssys-teme aus, die mit elektrischer Energie betrieben wurden. Die darauffol-gende dritte industrielle Revolution zu Beginn der 70er-Jahre basierte auf der Verfügbarkeit von Elektronik und IT. Beides wurde für die zentralen Steuerungen der Produktionsautomatisierung benötigt.4, 5

                                                            

3 Rueß und Scholz, 2015, S. 2 4 Dorst u. a., 2013, S. 8 5 Kelkar et. al., 2014

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Zur digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

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Abbildung 1: Historie der industriellen Revolutionen6

Aktuell ist die vierte industrielle Revolution, auch Industrie 4.0 genannt, in vollem Gange. Sie ist vom Einsatz cyber-physischer Systeme (CPS) geprägt. CPS sind „[…] softwareintensive, eingebettete Systeme (ES), die sich bran-chenübergreifend und global mit weltweiten Diensten vernetzen können.“7 Internettechnologien realisieren die Vernetzung der digitalen Services. Die Automatisierung über Wertschöpfungsketten hinweg erreicht eine neue Di-mension. Da weltweite firmenübergreifende Netzwerke zu verstärkten Pro-zessabhängigkeiten und -interaktionen führen, muss die zunehmende Kom-plexität trotzdem handhabbar bleiben. Dies kann nur mithilfe von Informati-onssystemen erreicht werden.8 Eine denkbare Anwendung für durch CPS vernetzte Services ist z. B. ein Produktionsauftrag. Er wird vom Kunden ab-geschickt und arbeitet sich selbstständig ab. Dabei führt sein Weg durch die gesamte Wertschöpfungskette. Er reserviert Bearbeitungsschritte, Anlagen und Materialien und prüft automatisch, ob die Durchführung störungsfrei abläuft. Eventuell auftretende Verschiebungen von Lieferzeiten werden frühzeitig erkannt, zusätzlich notwendige Kapazitäten vorbereitet.

                                                            

6 Botthof und Hartmann, 2015, S. 4 7 Dorst u. a., 2013, S. 24 8 Dorst u. a., 2013, S. 24 f.

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Unvermeidbare Verzögerungen werden direkt an den betroffenen Kunden kommuniziert. Die verschiedenen zur Ausführung verwendeten Produkti-onsanlagen arbeiten und kommunizieren autonom miteinander.9

Je nach Branche ist der Begriff Industrie 4.0 mehr oder weniger verbreitet. Dementsprechend gibt es Unternehmen, in denen Industrie-4.0-Projekte aktuell geplant oder schon umgesetzt sind, während in anderen noch sehr wenige Kenntnisse zu dem Thema existieren. Abbildung 2 zeigt die unter-schiedlichen Branchen mit dem Kenntnis- und Projektierungsstand der Unternehmen zu Industrie 4.0.10

Abbildung 2: Industrie 4.0 nach Branchen11

Gut zu erkennen ist, dass die Branchen IT, Telekommunikation, Elektroin-dustrie und Maschinenbau die meisten Industrie-4.0-Kenntnisse aufweisen. Fast die Hälfte der Unternehmen in diesen Branchen kennt den Begriff In-dustrie 4.0 und arbeitet bereits an Projekten. Spitzenreiter sind die Unter-nehmen der IT und Telekommunikationsbranche. Unternehmen des Fahr-zeugbaus liegen mit 30 % an 5. Stelle, was den Kenntnisstand betrifft; in der Umsetzung von Industrie 4.0-Projekten belegt die Branche den 4. Platz.12

                                                            

9 Dorst u. a., 2013, S. 57 10 Niebel, Ohnemus und Viete, 2015, S. 1 11 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Niebel, Ohnemus und Viete, 2015, S. 1 12 Niebel, Ohnemus und Viete, 2015, S. 1

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1.2 Auswirkung der Digitalisierung auf Arbeitsplätze Arbeitsplätze haben sich durch Digitalisierung und Industrie 4.0 in vielerlei Hinsicht verändert. Die Anforderungen an Mitarbeiter in der vernetzten Pro-duktion wachsen. Es werden Eigeninitiative, Selbständigkeit und Kompeten-zen in Kommunikation und Selbstorganisation erwartet. Bei der Steuerung und Programmierung von Abläufen stehen die regulierenden Tätigkeiten vermehrt im Fokus.13

Auf der anderen Seite gibt es Bedenken, dass durch die Digitalisierung der Faktor Arbeit durch Maschinen ersetzt wird und viele Arbeitsplätze insbe-sondere für Niedrigqualifizierte verloren gehen. Es wird davon ausgegan-gen, dass vor allem Routinetätigkeiten von der Automatisierung bedroht sind.

Durch direkt miteinander kommunizierende Maschinen verändern sich Ab-läufe in der Produktion substanziell. Es wird erwartet, dass Roboter nicht nur Routineaufgaben, sondern künftig auch komplexe Tätigkeiten ausfüh-ren. Damit steigt die Angst vor der Übernahme der Arbeitsplätze durch au-tonome Maschinen und Roboter und der daraus resultierenden Arbeitslo-sigkeit.14 Anhand von vorherigen industriellen Revolutionen wird dargelegt, dass bei der Computerisierung in den 80er- und 90er-Jahren die Arbeiter ebenfalls die Befürchtung einer Übernahme der Arbeit durch Computer hat-ten. Letztendlich wurden zwar Routinetätigkeiten durch Computer ersetzt, in komplexen Arbeitskontexten übernahm der Computer jedoch meist nur eine Unterstützungsfunktion. Dadurch haben sich die Tätigkeiten und Be-rufsbilder verändert und angepasst – neue Berufsbilder entstanden.15

Basierend auf Experteneinschätzungen wird es auch im Industrie-4.0-Zeit-alter keine Produktion ohne menschliche Arbeit geben. Die Rollen und Tätigkeitsfelder der Menschen unterliegen jedoch einem Wandel und wer-den sich entsprechend ändern.16 Das Aussterben menschlicher Arbeit ist unwahrscheinlich, da es nach wie vor Tätigkeitsfelder und Aufgaben gibt, die von CPS in den nächsten Jahrzehnten nicht ausgeführt werden können – wie das Entwerfen von Produkten und Produktionsanlagen.17

                                                            

13 Dorst u. a., 2013, S. 65 f. 14 Bertschek, 2015, S. 3 15 Bertschek, 2015, S. 4 f. 16 Dorst u. a., 2013, S. 58 17 Scheer, 2013, S. 33

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Die Automobilindustrie bringt im Produktionsbereich viele Routinetätigkei-ten mit sich, so etwa die Montage am Montageband. Wird hier ein größerer Wandel der Arbeit stattfinden? Die nachfolgende Abbildung 3 stellt die Ver-änderungen der Beschäftigtenzahlen vom Jahr 2011 bis 2014 dar. Deutlich erkennbar ist, dass in allen Jahren – außer 2013 – und Bereichen die Verän-derungen immer positiv sind. Damit nimmt die Anzahl an Beschäftigten in jedem Jahr zu. Die einzelnen Bereiche (Hersteller/OEM, Lieferanten von Auf-bauten, Teilelieferanten) sowie die gesamte Automotive-Branche schwan-ken zwar, sodass es keine stetige Zunahme an Beschäftigten gibt. Dennoch ist eine insgesamt positive Beschäftigungsentwicklung zu verzeichnen.18

Abbildung 3: Beschäftigte in der deutschen Automobilindustrie (Veränderung in %)19

Schon in den letzten Jahren veränderten sich Tätigkeitsstrukturen unter dem Einfluss der Digitalisierung. Die intensive Nutzung integrierter Unter-nehmenssoftware wie ERP- und SCM-Systeme führte bereits in der Vergan-genheit dazu, dass sich mehr als die Hälfte der Automobilarbeiter mit per-manent neuen Fertigungs- oder Verfahrenstechnologien auseinandersetzen mussten.20

Industrie-4.0-Ansätze verändern neben den Tätigkeitsstrukturen jedoch auch die Anforderungen an die Arbeiter. Es wird mehr Fachwissen über die                                                             

18 Zahlen und Daten, https://www.vda.de/de/services/zahlen-und-daten/zahlen-und-daten-ueber-sicht.html, aufgerufen am 07.12.2016

19 Eigene Darstellung, in Anlehnung an VDA, https://www.vda.de/de/services/zahlen-und-daten/zahlen-und-daten-uebersicht.html, aufgerufen am 07.12.2016

20 Pfeiffer, 2015, S. 5 f.

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Prozesse und über fach- bzw. hierarchieübergreifende Zusammenhänge benötigt.21 Die Mitarbeiter müssen sich vermehrt auf qualifikationsseitige Veränderungen einstellen, die in arbeitsplatznahen, selbstorganisierenden Qualifizierungsformen umgesetzt werden. Künftige Aufgaben im Arbeits-kontext stellen somit hohe Anforderungen in technischer, betriebswirt-schaftlicher und IT-spezifischer Hinsicht.22

Vor diesem Hintergrund wurden Unternehmen befragt, ob sie der Meinung sind, dass Industrie 4.0 bereits heute bei der Erstausbildung eine Rolle spielt. In Abbildung 4 ist im inneren kleinen Kreis dargelegt, wie wichtig In-dustrie 4.0 heute bei der Erstausbildung ist. Fast drei Viertel der Gesamtheit antwortete, dass Industrie 4.0 heute schon eine Rolle bei der Erstausbildung spielt. Des Weiteren wurde gefragt, ob Industrie 4.0 heute schon eine Rolle bei der Weiterbildung spielt. Hier haben 62 % der Befragten mit „ja“ geant-wortet. Insgesamt wird mehr Wert auf Kenntnisse über Industrie 4.0 bei der Erstausbildung als in Weiterbildungsprogrammen gelegt.23

Abbildung 4: Aus- und Weiterbildung im Bereich Industrie 4.024

                                                            

21 Kuhlmann, 2015, S. 4 22 Botthof und Hartmann, 2015, S. 26 f. 23 Pfeiffer, 2015, S. 72 24 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Pfeiffer, 2015, S. 72

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Digitale Transformation: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Workforce in der Automobilindustrie

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1.3 Digitalisierungstechnologien Wurden Informationssysteme vor der Web-Ära noch als rein unterstützende Instrumente zur Ablösung von Papierprozessen betrachtet und oft als „digi-tales Außenskelett“ bezeichnet, legen deren stetig wachsender Einzug in sämtliche Bereiche des Unternehmens sowie die Menge an verarbeiteten Daten mittlerweile den treffenderen Vergleich mit einem „digitalen Nerven-system“ nahe.25 Die nahtlose Vernetzung der Systeme zu einem Internet der Dinge ist Ursprung und zugleich Grund für den Erfolg der Industrie 4.0.26 Durch die autonome Maschinenkommunikation (M2M) sowie den Einsatz von Echtzeitsystemen in verteilten Infrastrukturen ergeben sich einerseits neue Chancen für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und die Entlas-tung des Menschen. Andererseits erhöht sich damit der Bedarf an interdis-ziplinären Aus- sowie Weiterbildungsprofilen enorm.27

Durch die omnipräsente Vernetzung sämtlicher Datenquellen von der Pro-duktion bis hin zu sozialen Netzwerken lässt sich nicht nur der gesamte Produktlebenszyklus integrieren, sondern lassen sich auch die Entwick-lungszyklen durch Informationsrückführung sowie Feedbackschleifen ver-kürzen. Hieraus ergeben sich Innovationspotenziale für Geschäftsmodelle sowie -prozesse, beispielsweise durch die Echtzeitauswertung von Kunden-feedback und dessen Integration in Entwicklungs- und Produktionspro-zesse. Die Einführung von aus Daten prognostizierten, bedarfsgerechten Wartungsarbeiten (Predictive Maintenance) abseits traditionell zyklischer Modelle durch die Vernetzung von Produzent, Kunde und Lösungspartner beschreibt ein gegenwärtiges Beispiel hierfür.28

Die Produktionsplanung wie auch das Materialflussmanagement erreichen durch die digitalisierte Intralogistik mit der Vernetzung von Maschinen- und Materialsensoren eine neue Qualität. Die Echtzeitauswertung von Beschaf-fungsdaten ermöglicht die automatisierte Bewertung und Auswahl von Lieferanten.29 Die Kooperation mit Partnern, Lieferanten und Kunden auf Geschäftsprozessebene mittels cloudbasierter Anwendungssysteme führt durch gemeinsame, transparente Beschaffungsprozesse zur Effizienzsteige-rung bei allen Beteiligten.30

                                                            

25 Dumbill, 2012, S. 1 f. 26 Bitkom, 2015, S. 4 f. 27 Spath u. a., 2013, S. 2; Bitkom, 2015, S. 4 f. 28 Bolick u. a., 2013, S. 11 f. Bauernhansl, ten Hompel und Vogel-Heuser, 2014, S. 575 29 Hirsch-Kreinsen, 2015, S. 7 30 Bauernhansl, ten Hompel und Vogel-Heuser, 2014, S. 573 f.

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Zur digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

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Seit den 90er-Jahren werden durch die Einführung von ERP- und Work-flowsystemen viele regelgebundene Kommunikationsvorgänge mit Kunden und Lieferanten automatisiert. Intelligente Workflowsysteme lösen zuneh-mend klassische Sachbearbeitertätigkeiten ab. Sie treffen Entscheidungen, indem sie datenbasiert klassifizieren (Einkaufsgüter, Kunden, Qualitätslevel, …) und die Vorgänge entsprechenden Subprozessen und Ressourcen zu-weisen. Durch Self-Service-Portale für Kunden und Lieferanten nehmen die Kontaktpunkte zum klassischen Sachbearbeiter zusätzlich ab.

In den Führungsetagen gewinnen kognitive Assistenz- und Analysesysteme an Bedeutung. Sie übernehmen Klassifizierungsaufgaben in Echtzeit und lernen auf Basis großer Datenmengen, wodurch sie die Entscheider bei der Marktanalyse sowie Konzeptentwicklung unterstützen. Die intuitive – haupt-sächlich auf Erfahrung basierende – Entscheidungsfindung wird durch eine datenbasierte Komponente komplementiert.31 Die Verschiebung vom soge-nannten HiPPO-Ansatz (highest-paid person’s opinion) hin zur datengetrie-benen Entscheidungsunterstützung sorgt nicht nur für eine Abflachung der Managementhierarchien (siehe anteilige Abnahme der Führungskräfte als Studienergebnis), sondern weist auch auf die Notwendigkeit neuer Kompe-tenzprofile – wie dem des Data Scientist – hin.32 Die Unternehmen benöti-gen Experten, die mit der Flut an Daten umgehen, die richtigen Fragen stel-len und Erkenntnisse extrahieren können – und zwar bevor diese veralten.33 In Zeiten von Big Data müssen Unternehmensziele daher aktiver kommuni-ziert werden, Entscheider werden zukünftig stärker an der Qualität der Ent-scheidungen gemessen.34

Im Bereich der Produktion halten cyber-physische Systeme Einzug. Leicht-roboter sowie Exoskelette unterstützen den Mitarbeiter bei körperlich an-strengenden sowie unergonomischen Tätigkeiten. Über Apps lassen sich diese Systeme individuell an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen.35 Trans-portroboter liefern den Monteuren die benötigten Fahrzeugteile in der rich-tigen Reihenfolge zur richtigen Zeit direkt an den Montageplatz. Intelli-gente Regalsysteme ermöglichen eine effizientere Lagerung von Waren und optimieren dadurch interne Arbeitsprozesse. Durch die zunehmende Digita-lisierung des Materialflusses können Sicherheitsbestände reduziert werden, da durch IoT-Systeme die Ware sich und ihre Verfügbarkeit selbst in Echt-zeit steuert.

                                                            

31 Hertweck und Kinitzki, 2015, S. 15 ff. 32 McAfee und Brynjolfsson, 2012, S. 65; Burton, Salvador und Mastrangelo, 2014, S. 3 33 Davenport, Barth und Bean, 2012, S. 23 34 Hertweck und Kinitzki, 2015, S. 16 35 Bauernhansl, ten Hompel und Vogel-Heuser, 2014, S. 24

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Zudem informieren die intelligenten Waren durch ihr künstliches Selbstbe-wusstsein den Lageristen z. B. über reaktive Materialkombinationen, wodurch die geforderten Kenntnisse über die transportierten beziehungs-weise gelagerten Inhalte reduziert werden.

Im Marketing ermöglicht der Einsatz von Webanalytics-Systemen die konti-nuierliche und schnelle Beschaffung von Informationen über Marktentwick-lungen, Zielgruppenveränderungen sowie Konkurrenzsituationen. Gepaart mit der Nutzung von kognitiven Systemen lassen sich Marketingstrategien und Absatzpläne unter Berücksichtigung von Produkt-, Distributions- und Preispolitik sowie Werbung und Verkaufsförderung entwickeln und der Ge-schäftsleitung präsentieren. Durch die Einbindung des Kunden über Social Media und der daraus resultierenden datenbasierten Channel-Wahl lässt sich die Konzeption und Realisierung von gezielten Werbekampagnen un-terstützen. Die Durchführung von Sentimentanalysen als Teil des Social- Media-Monitorings erlaubt die schnelle Reaktion auf Stimmungsänderun-gen bei der Kundschaft, beispielsweise während laufender Kampagnen. Tag Clouds sowie Ontologien geben darüber hinaus Aufschluss über aktuelle Trends, die wiederum von Werbekampagnen adressiert werden können.

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Studie zur Digitalisierung der Workforce in der Automobilindustrie

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2 Studie zur Digitalisierung der Workforce in der Automobilindustrie

2.1 Zielsetzung Die Studie Digitale Transformation – Der Einfluss der Digitalisierung auf die Workforce in der Automobilindustrie hat zum Ziel, mit der Methode von Frey und Osborne die Automatisierungswahrscheinlichkeiten für derzeit existie-rende Berufsbilder und Belegschaftsbereiche bis 2030 zu erheben. Ausge-hend von diesen Automatisierungswahrscheinlichkeiten und empirischen Daten der letzten vier Jahre sollen Trends in den verschiedenen betriebli-chen Funktionen im deutschen Automobilbau erhoben und für die zahlen-mäßig bedeutendsten Berufsgruppen diskutiert werden. Dies soll dem Leser einen Überblick über den Stand der Digitalisierung und ihrer Auswirkungen auf den Faktor menschliche Arbeit ermöglichen.

Die Forschungsfragen, die es in der Studie zu beantworten gilt, lauten:

FF1: „Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland aus?“

FF2: „Welche Berufsbilder in welchen Berufsgruppen sind davon be-sonders betroffen?“

FF3: „Lassen sich aus den empirischen Daten der letzten vier Jahre die Automatisierungswahrscheinlichkeiten nach Frey und Osborne für die wichtigsten Berufsgruppen belegen?“

2.2 Methodische Vorgehensweise Die Methodik, nach der Frey und Osborne vorgegangen sind, kann in drei Schritte aufgeteilt werden. Der erste Schritt umfasst die Auseinanderset-zung mit der Frage: „Warum führt der technologische Wandel zu Arbeits-platzverlusten?“ Darauf folgt im zweiten Schritt die Charakterisierung der Berufsbilder und der damit verbundenen Tätigkeiten. Im dritten Schritt wird die Schätzung der Automatisierungswahrscheinlichkeit der Berufe durchge-führt.

Warum führt der technologische Wandel zu Arbeitsplatzverlusten?

Zunächst wurde die Frage erörtert, weshalb der technologische Wandel im 21. Jahrhundert zu wesentlich höheren Arbeitsplatzverlusten führen kann, als es in den vergangenen Jahren und Jahrhunderten der Fall war. Dazu

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wurde die Hypothese aufgestellt, dass neue Technologien in der Zukunft die menschliche Arbeit komplett ablösen.36

In der Vergangenheit konnten sich Menschen durch Bildung neue Fähigkei-ten und Wissen aneignen und hatten damit einen großen Vorteil gegenüber Maschinen. In Zukunft können Maschinen dies durch Fortschritte in den Be-reichen „[…] maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz und mobile Robotik […]“37 ebenfalls. Maschinen können menschliche Aktivitäten immer besser nachahmen und sogar vollständig ersetzen und gefährden somit existie-rende Berufe.38 Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, dass Computer manuelle wie auch kognitive Tätigkeiten übernehmen können und dazu neutraler bzw. objektiver und nicht beeinflussbar sind:

Beispiel 1: Betrugserkennung (Fraud Detection) beruht heute auf der auto-matisierten Fähigkeit, Muster in einer sehr großen Menge an Daten zu ent-decken. Die hinterlegten Regeln bei der Analyse verhindern menschliche Fehlinterpretationen.

Beispiel 2: Im Gesundheitswesen werden Diagnoseaufgaben automatisiert. Computer können Onkologen bei der Krebsdiagnostik und bei der Versor-gung chronisch kranker Krebspatienten unterstützen. Mit dem Wissen aus 600.000 medizinischen Berichten, 1,5 Millionen Patientenakten und klini-schen Studien sowie zwei Millionen Seiten Text aus medizinischen Zeit-schriften kann der Computer von jedem Patienten die individuellen Symp-tome, Genetik, Familie und eingenommenen Medikamente vergleichen und einen Behandlungsplan mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit entwi-ckeln.

Beispiel 3: Computer in den USA optimieren auf Basis großer Datenmen-gen aus Kundenverhalten und Umweltdaten wie Wettervorhersagen die Produktsortimente in Supermärkten. Mit digitalen Preisschildern wird in na-her Zukunft die Preisbildung – basierend auf der Nachfrage – mit einer dy-namischen Preis-/Absatzfunktion in Echtzeit möglich werden.

Diese Beispiele sollen aufzeigen, wie fortgeschritten die Entwicklung von Computern bei kognitiven Aufgaben bereits ist und dass einige Berufe im Analyse-, Prognose-, Planungs- und Entscheidungsbereich bereits jetzt teil-weise durch Computer ersetzt werden können. Ergänzend wird angefügt, dass Computer im Gegensatz zu Menschen rationaler arbeiten und urteilen.

                                                            

36 Frey und Osborne, 2013, S. 13 f. 37 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 3 38 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 3

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Es erfolgen keine Entscheidungsvarianzen aufgrund von müdigkeits- oder hungerbasierten Stimmungsschwankungen.39

Charakterisierung der Berufe bzw. Tätigkeiten

Frey und Osborne unterschieden „[…] zwischen Tätigkeiten, die eher emp-fänglich für die Substitution von Kapital und Arbeit sind und solchen, bei denen das weniger der Fall ist.“40 Der zweite Fall wird als Engineering Bottlenecks – übersetzt als technische Engpässe – bezeichnet. Es werden drei Kategorien von Tätigkeiten definiert, bei denen Frey und Osborne solche Engineering Bottlenecks erwarten.41

1) Wahrnehmungs- und Manipulationstätigkeiten: Berufe in einer unstrukturierten Arbeitsumgebung sind weniger anfällig für die Computerisierung. Während beispielsweise die Logistik in weltweit einheitlich gestalteten Werkshallen, Supermärkten oder Kranken-häusern für z. B. Fahrerlose Transportsysteme (FTS) zugänglich sind, wird der Umzug von Privathaushalten noch längere Zeit von Men-schen durchgeführt werden. Da kaum ein Privathaushalt mit Einrich-tungsgegenständen unterschiedlicher Wertigkeit dem anderen gleicht, wird diese Art der Tätigkeiten in unstrukturierten, wenig standardisierten Arbeitsumgebungen auf absehbare Zeit nicht auto-matisiert werden.

2) Kreativ-intelligente Tätigkeiten: Hierbei geht es um Berufe, die Kreativität voraussetzen: beispielsweise die Entwicklung neuer Ideen wie Witze, Gedichte, Kochrezepte, Musikkompositionen usw. Die Er-stellung neuer Gegenstände oder Artefakte wie Gemälde, Skulptu-ren, Maschinen etc. zählt ebenfalls zu solchen Tätigkeiten. Frey und Osborne weisen darauf hin, dass es sehr schwierig ist, solche Ideen von einem Computer generieren zu lassen. Dieses Wissen, verbun-den mit der nötigen Kreativität, konnte für die Erstellung von Ge-mälden schon an einen Computer weitergegeben und von diesem auch umgesetzt werden. Jedoch entwickelt sich die Gesellschaft wei-ter und je nach Kultur unterscheidet sich das Empfinden von Kreati-vität. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass Berufe, die so ein ho-hes Maß an kreativer Intelligenz benötigen, in den nächsten Jahr-zehnten von Computern abgelöst werden können.42

                                                            

39 Frey und Osborne, 2013, S. 16 f. 40 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 3 41 Frey und Osborne, 2013, S. 24 f. 42 Frey und Osborne, 2013, S. 25 f.

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3) Sozial-intelligente Tätigkeiten: Bei der dritten Kategorie handelt es sich um Tätigkeiten, bei denen mittels sozialer Intelligenz, Mit- arbeiter geführt, informiert und motiviert werden. Zwar wird an The-men wie humanoiden Robotern sehr intensiv geforscht. Jedoch können diese auf absehbare Zeit nur einen Teil der Aspekte der menschlich sozialen Interaktionen reproduzieren. Außerdem sind und bleiben die Erkennung von natürlichen menschlichen Emotio-nen sowie eine intelligente Reaktion darauf eine große Hürde. Vor allem der „gesunde Menschenverstand“ kann vom Computer nicht nachempfunden werden. Daher sind auch Berufe und Tätigkeiten dieser Kategorie nach Frey und Osborne kaum von Computern um-setzbar.43

Grundsätzlich sind Frey und Osborne der Meinung, dass Tätigkeiten mit En-gineering Bottlenecks irgendwann vielleicht doch teilweise abgelöst werden könnten. Allerdings gehen sie in ihrer weiteren Arbeit davon aus, dass diese Engineering Bottlenecks in absehbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand nicht automatisierbar sind.44

Schätzung der Automatisierungswahrscheinlichkeit der Berufe

Um die Automatisierungswahrscheinlichkeiten für die Berufe in Amerika zu ermitteln, wurden die O*NET-Daten des US-amerikanischen Arbeitsministe-riums verwendet. Die Daten von 2010 enthalten detaillierte Informationen und Tätigkeitsbeschreibungen über 903 Berufe, von denen die meisten gut mit den Berufsbezeichnungen der Standard Occupational Classification (SOC) des Arbeitsministeriums korrespondieren.45 Gab es mehrere O*NET-Berufe, die einem SOC-Beruf zugeordnet werden konnten, so wurde der Durchschnitt der jeweiligen Tätigkeitswerte gebildet und jeder SOC-Beruf erhielt einen Wert.46

Die endgültige Datenbasis, bestehend aus den O*NET-Berufen und den ein-deutig zugehörigen SOC-Berufsbezeichnungen, umfasste genau 702 Berufe. Von diesen 702 Berufen wurden 70 von der Tätigkeitsstruktur her repräsen-tative Berufe von Experten aus dem Bereich Machine Learning als automati-sierbar oder nicht-automatisierbar identifiziert. Es wurden nur die Berufe als automatisierbar eingestuft, bei denen sich die Experten sicher waren.47

                                                            

43 Frey und Osborne, 2013, S. 26 f. 44 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 4 45 Frey und Osborne, 2013, S. 28 46 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 5 47 Frey und Osborne, 2013, S. 30

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Anschließend wurde die intersubjektive Einteilung der 70 Berufe auf die restlichen 632 Berufe angewendet. Frey und Osborne schätzen „[…] auf Ba-sis eines statistischen Modells für die 70 Berufe, wie gut die Einteilung in automatisierbar/nicht-automatisierbar durch neun ausgewählte Tätigkeiten, die die drei technischen Engpässe widerspiegeln, erklärt werden kann.“48 Mithilfe des Modells kann die Automatisierbarkeit der weiteren Berufe ge-schätzt und jedem Beruf eine Automatisierungswahrscheinlichkeit zugeord-net werden. Die Wahrscheinlichkeiten liegen zwischen 0 % und 100 %. Da-bei haben Frey und Osborne drei Risikogruppen gebildet: niedriges Risiko, mittleres Risiko und hohes Risiko.49

2.3 Präsentationsform der Ergebnisse Nachdem die Schätzung der Automatisierungswahrscheinlichkeiten abge-schlossen war, wurden die Wahrscheinlichkeiten mit Risikogruppen in Ab-bildung 5 dargestellt. Die verschiedenen Farben repräsentieren jeweils eine Übergruppe an Berufen. Es gibt insgesamt zwölf Gruppen – beispielsweise Management, Business und Finanzen, Computer, Technik und Wissenschaft oder Büro und administrativer Support. Die Y-Achse beschreibt in der Ab-bildung die Anzahl der Beschäftigten und die X-Achse zeigt die Höhe der Digitalisierungswahrscheinlichkeit der Berufe. Die X-Achse wird dabei in drei Sektoren unterteilt. Der erste Sektor umfasst die Berufe mit einer niedrigen Automatisierungswahrscheinlichkeit. Diese Berufe haben ein Risiko zwi-schen 0 % und 30 %. Im zweiten Sektor finden sich die Berufe mit einem mittleren Risiko und einer Wahrscheinlichkeit zwischen 30 % und 70 %. Der letzte Sektor beinhaltet Berufsbilder, die eine hohe Automatisierungswahr-scheinlichkeit zwischen 70 % und 100 % aufweisen.

In die erste und niedrigste Risikogruppe fallen 33 % aller Beschäftigten. Da-mit ist ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung kaum betroffen von der be-vorstehenden Digitalisierung. In der zweiten Risikogruppe befinden sich nur 19 % aller Beschäftigten. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte der Beschäftig-ten in den USA ein niedriges bis mittleres Risiko der Automatisierung ihrer Tätigkeiten im Job zu befürchten hat. Daraus resultierend und der Abbil-dung zu entnehmen, finden sich 47 % aller Beschäftigten in der Hochrisiko-gruppe wieder. Damit steht der zweiten Hälfte der arbeitenden Bevölkerung ein sehr hohes Risiko der Ablösung ihres Berufs durch Maschinen und Ro-boter bevor.

                                                            

48 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 5 49 Bonin, Gregory und Zieran, 2015, S. 6

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Es ist anhand der Farben zu erkennen, dass Berufe und Tätigkeiten den Gruppen Transport und Materialbewegung, Produktion, Büro und administ-rativer Support, Vertrieb und Service mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Digitalisierung betroffen sind. Dagegen sind Berufe der Gruppen Manage-ment, Business und Finanzen, Computer, Technik und Wissenschaft, Bil-dung, Recht, Gemeinschaftsdienste, Kunst und Medien sowie Gesundheits-wesen weniger von der Digitalisierung betroffen.

Abbildung 5: Wahrscheinlichkeiten der Digitalisierung50

Anhand der Ergebnistabelle von Frey und Osborne51 können die Automati-sierungswahrscheinlichkeiten den genauen Berufsbezeichnungen zugeord-net werden.

2.4 Design der Erhebung An Stelle volkswirtschaftlicher Daten wie bei Frey/Osborne wurden in unse-rer Studie die Berufsbilddaten von 49.166 Beschäftigten aus dem Automo-bilsektor der Jahre 2013 bis 2016 herangezogen. Ergänzend zu den Berufs-bildern wurden Variablen erhoben, die Aufschluss über die soziale Lage des Beschäftigten geben (siehe nachfolgende Tabelle).

                                                            

50 Frey und Osborne, 2013, S. 37 51 Frey und Osborne, 2013, S. 57–72

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Tabelle 1: Design der Datenerhebung

Da die Daten zu den Berufsbildern in Deutschland ausschließlich in den an das Statistische Bundesamt (Destatis) zu meldenden KldB-Codes vorlagen,

Spalte Beschreibung Gemessen in

Jahr

Das Jahr aus dem die Daten stammen

Jahreszahl (z. B. 2016)

Berufscode „KldB“ Der Code zur Klassifizierung der Berufe

Zahlencode nach KldB 2010 (5-stellig)

Tätigkeit Der Code zur Beschreibung einzelner Tätigkeiten

Zahlencode intern (3-stellig)

Geschlecht Das Geschlecht des Mitar-beiters

1 = weiblich 2 = männlich

Alter Das Alter des Mitarbeiters Jahre (z. B. 56)

Bildungsabschluss Der höchste Bildungsab-schluss des Mitarbeiters

Level nach ISCED97: 1 = Grundbildung 2 = Sekundarbildung I / Unterstufe, Mittel-stufe 3 = Sekundarbildung II / Oberstufe 4 = Postsekundäre Bildung 5 = Tertiäre Bildung, erste Stufe

Vorgesetzter Der Mitarbeiter ist Vorgesetzter

1 = ja 2 = nein

Gehaltstyp Lohn oder Gehalt des Mitarbeiters

1 = Stücklohn 2 = Zeitlohn 3 = Gehalt

Verdienstklasse Höhe des Nettolohns des Mitarbeiters in Klassen

Z = 1500 - 1.749 C = 1.750 - 1.999 G = 2.000 - 2.249 Y = 2.250 - 2.499 J = 2.500 - 2.749 V = 2.750 - 2.999 B = 3.000 - 3.499 Q = 3.500 - 3.999 N = 4.000 - 4.499 A = 4.500 - 4.999 O = 5.000 - 5.499 E = 5.500 - 5.999 D = 6.000 - 6.999 R = 7.000 - 7.999 H = 8.000 - 8.999 W = 9.000 - 9.999 L = 10.000 - 12.499 F = >12.500

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mussten diese vor Beginn der Analyse einer umfangreichen Recodierung unterzogen werden (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6: Prozess der Datenanalyse

Dabei wurden einem KldB-Code ein oder mehrere ISCO-Codes und einem ISCO-Code ein oder mehrere SOC-Codes zugeordnet. Im Falle einer 1-zu-n-Zuordnung von ISCO-Codes auf SOC-Codes wurden bei der Zuordnung der SOC-Codes zu den Automatisierungswahrscheinlichkeitswerten von Frey und Osborne die Mittelwerte gebildet (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Zuordnung der Automatisierungswahrscheinlichkeiten zu KldB-Berufsschlüsseln

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Diese Vorgehensweise bringt einige Unschärfen in der Gesamtzuweisung von Automatisierungswahrscheinlichkeiten mit sich. Dies liegt an den unter-schiedlichen internationalen Klassifikationssystemen. So besteht der KldB-Code etwa aus fünf Stellen, die Auskunft über:

10 Berufsbereiche (1-Steller) 37 Berufshauptgruppen (2-Steller) 144 Berufsgruppen (3-Steller) 700 Berufsuntergruppen (4-Steller) 1.286 Berufsgattungen (5-Steller)

geben. Weiterhin beinhalten die Berufsgattungen (5. Stelle) eine Informa-tion über die mit der Tätigkeit verknüpften Anforderungsniveaus:

Niveau 1: Helfer- und Anlerntätigkeiten Niveau 2: Fachlich ausgerichtete Tätigkeiten Niveau 3: Komplexe Spezialistentätigkeiten Niveau 4: Hoch komplexe Tätigkeiten

Zur Umschlüsselung der KldB-Codes (auf der 4. Ebene der Berufsgruppen) auf den internationalen 4-stelligen ISCO-Code stellt das Statistische Bun-desamt einen Schlüssel zur Verfügung. Beim Umstieg vom 4-stelligen ISCO-Code auf die SOC-Codes mussten zur Herstellung der Vergleichbarkeit mehrere Berufsgattungen zu einer Berufsuntergruppe zusammengefasst werden, um letztlich auf eine einheitliche Zuordnung der Berufscodekate-gorien von KldB über ISCO auf SOC zu gelangen.

Mit ähnlichen Zuordnungsproblemen hat man allerdings auch bei alternati-ven Methoden zu kämpfen. So versuchte etwa das ZEW Mannheim an Stelle der Berufsbildcodes die pro Berufsbild existenten Tätigkeitsprofile (z. B. analytische oder interaktive Tätigkeiten) für die Berechnung der Automati-sierungswahrscheinlichkeiten heranzuziehen. Dies erscheint zunächst als die bessere Methode, bringt allerdings ähnliche Zuordnungsprobleme mit sich. Eine Vergleichbarkeit der Tätigkeiten innerhalb der Berufe ist nach dem in-ternationalen PIAAC-Code leider auch nur auf Ebene 2 – sprich auf Ebene der Berufshauptgruppen – international möglich. Unter den gegebenen Restriktionen wie nicht vorhandenen Detailtätigkeitsbeschreibungen in den Daten der Automobilisten und den verwendeten Automatisierungsmittel-werte auf Ebene der SOC-Code Berufsgruppen kann die in der Studie ge-wählte Vorgehensweise zur Replikation der Frey/Osborne-Methode auf deutsche Verhältnisse trotz einiger Exaktheitsverluste durch den Transfer zwischen den Schlüsselungssystemen als brauchbar angesehen werden.

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2.5 Auswertungsmethodik Die Auswertung der Daten erfolgte auf Basis der eingangs gestellten For-schungsfragen:

FF1: „Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland aus?“

FF2: „Welche Berufsbilder in welchen Berufsgruppen sind davon be-sonders betroffen?“

FF3: „Lassen sich aus den empirischen Daten der letzten vier Jahre die Automatisierungswahrscheinlichkeiten nach Frey und Osborne für die wichtigsten Berufsgruppen unterstützen?“

Zu FF1 wurde über die im Methodenteil beschriebene Recodierung der in-ternationalen Berufsklassifikationen zu jedem deutschen KldB-Berufscode eine Automatisierungswahrscheinlichkeit nach Frey und Osborne zugeord-net. Wenn es für mehrere Berufsgattungen unterschiedliche Automatisie-rungswerte für einen Berufscode auf der Berufsuntergruppenebene gab, wurden dieser die Automatisierungsmittelwerte zugewiesen.

Zu FF2 wurden die Automatisierungswahrscheinlichkeiten nach F/O pro Be-rufsbereich und innerhalb des Berufsbereichs pro Berufsbild auf Untergrup-penebene ermittelt.

Für die Beantwortung von FF3 wurden die erhaltenen Automatisierungs-wahrscheinlichkeiten mit den empirischen Daten der Automobilbauer aus den letzten vier Jahren verglichen. Mit einbezogen wurden dabei der Wachstumseffekt der Gesamtbelegschaft sowie das Output-Wachstum in der Produktion. Es wurde also mit relativen Prozentwerten des Berufsbildes an der Gesamtbeschäftigtenzahl pro Jahr gearbeitet. Auch die Tatsache, dass die Automobilbauer in den letzten Jahren pro Jahr im Schnitt 15 % mehr Autos produzieren und absetzen konnten (Quelle: Statista) wurde in die Überlegungen einbezogen.

Im Folgenden werden die empirischen Ergebnisse der Studie für jene elf Berufsbilder präsentiert, die einen signifikanten Anteil an den Beschäftigten des Unternehmens ausmachen. Sie finden sich im Wesentlichen in den KLDB-Berufsgruppenbereichen 2 (Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung), 5 (Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit), 6 (Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus), 7 (Unter-nehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung) und 9 (Sprach-, Literatur-, Geistes-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medien,

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Kunst, Kultur und Gestaltung) wieder. Die Beschreibungen zu den berufs-bildspezifischen Tätigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten wurden dem Klassifikationsserver des Statistischen Bundesamtes entnommen.52

                                                            

52 Destatis, https://www.klassifikationsserver.de, aufgerufen am 07.12.2016

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3 Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

3.1 Berufsbild des Monteurs (25112) Mitarbeiter mit diesem Berufsbild befassen sich mit der Zusammensetzung von Maschinen und Geräten nach vorgegebenen Verfahren und unter ge-nauen Montagevorgaben. Zwei Drittel der in dieser Studie betrachteten Beschäftigten mit diesem Berufsprofil verfügen über die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung, etwa ein Drittel über einen Haupt-schulabschluss und eine Berufsausbildung.

Die Ausbildungsberufe sind meist Monteur/in, Fertigungsmechaniker/in, Geräte- oder Maschinenzusammensetzer/in.

Die Tätigkeiten erfordern in der Regel fundierte fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Fertigung wie z. B.:53

Kleinbauteile zu Baugruppen zusammensetzen, Baugruppen zu Geräten und Maschinen montieren

Bauteile verschrauben, verstiften, vernieten, verkleben, durch Schmieden oder Löten verbinden

Komponenten und Teile von Einheiten auf Baugruppen, Bauteilen oder Rahmen positionieren, einpassen und befestigen

Funktionen prüfen und einstellen, Fehler beseitigen, produktbezo-gene Reparaturen durchführen

mit Messuhren, Messschiebern, Messstiften, Endmaßen, Lehrdornen oder Spannungsprüfern messen, ob die den Arbeitsblättern ent-nommenen Sollwerte erreicht werden

Arbeitsgeräte pflegen und instand halten

                                                            

53 Destatis, https://www.klassifikationsserver.de, aufgerufen am 07.12.2016

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 8: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Monteurs

Mit einer ermittelten Automatisierungswahrscheinlichkeit von 86 % gehört das Berufsbild des Monteurs zu den am stärksten durch die Digitalisierung gefährdeten Berufsbildern im Automobilsektor. Die anteilige Abnahme des Berufsbildes von 2013 mit 14,07 % an der Gesamtbelegschaft bis auf 11,95 % im Jahr 2016 unterstreicht das durch Frey und Osborne erhobene Automatisierungsrisiko.

Der Rückgang des Berufsbildes lässt sich neben intelligenter werdenden Robotern vor allem durch den Einsatz neuer Digitalisierungstechnologien erklären, die den gesamten Produktionsprozess abbilden und dessen Effizienz steigern.

Kontextsensitive Assistenzsysteme informieren den Monteur frühzeitig über vom Standard abweichende Montageschritte, um beispielsweise den Um-gang mit „Ausnahmefahrzeugen“ zu optimieren. Die entsprechenden An-weisungen werden an Smart Devices übermittelt und dem Monteur zur richtigen Zeit zur Verfügung gestellt. Durch Advanced-Analytics-Systeme lassen sich Sensordaten der Produktion in Echtzeit auswerten, mit histori-schen Daten verknüpfen und neue Modelle ableiten. Die Analyse der anfal-lenden Daten und die Ableitung von Datenmodellen erlauben es nicht nur, Anomalien herauszufiltern und somit Störungen frühzeitig zu erkennen,

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sondern auch Prozesse durch die lernenden Systeme selbst zu optimieren. Daten über Schraubvorgänge wie Drehzahl, Temperatur oder Widerstand werden ausgelesen und in IoT-Systeme eingespeist, wodurch einerseits Ab-weichungen an ein Störungs- und Maßnahmenmanagement weitergeleitet werden und andererseits ein vorausschauendes Wartungskonzept (Predic-tive Maintenance) angestrebt wird. Für Tätigkeiten, die von Robotersyste-men nicht vollständig und autonom ausgeführt werden können, erfolgt der Einsatz von unterstützenden Kleinrobotern, die beispielsweise den Trans-port von Bauteilen zur richtigen Zeit an den Montageplatz gewährleisten oder von Exoskeletten, welche die Ergonomie der ausgeübten Tätigkeiten des Mitarbeiters sicherstellen.

Tabelle 2: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Monteurs

Konsequenzen für das Berufsbild

Den Interviews mit Personalfachleuten im Automobilbau ließ sich entneh-men, dass man sich über die Abnahme des Berufsbildes des Monteurs be-wusst ist und deshalb versucht, dessen Kompetenzprofil durch weitere Qua-lifikationen anzureichern. Die gezielte Vermittlung von Kenntnissen im Be-reich der Steuerung und Überwachung der eingesetzten Handling- und Robotiksystemen gewinnt an Bedeutung.

Autonome Robotersysteme

Kleinroboter und Exoskelette

IoT-Systeme und Advanced Analytics

Kontextsensitive Assistenzsysteme

Kleinbauteile zu Baugruppen zu-sammensetzen

X X X

Komponenten positionieren, einpassen und befestigen

X X X

Prüfen und Einstellen von Funktionen

X

Prüfen von Soll-wert-Erreichung X

Pflegen und In-standhalten von Arbeitsgeräten

X X

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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Ohne eine fachliche Ausdifferenzierung und damit Erweiterung des Berufs-bildes durch den Erwerb von IT- oder vertiefenden Maschinenkenntnissen wird das Angebot an klassischen Monteuren die Nachfrage, wie von Frey und Osborne prognostiziert, überschreiten. Mitarbeiter, die bereits in die-sem Berufsfeld arbeiten, sollten sich nach ergänzenden Weiterbildungs-möglichkeiten im Bereich IT und Technologien umsehen.

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3.2 Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosseriebauers (25212)

Mitarbeiter mit diesem Berufsbild befassen sich mit der Wartung und Repa-ratur von Kraftfahrzeugen sowie der Ausrüstung mit Zusatzeinrichtungen. Unter den untersuchten Beschäftigten verfügen 50 % über die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung und etwa 40 % über einen Hauptschulabschluss und eine Berufsausbildung.

Die Ausbildungsberufe sind meist Fahrzeugbauer/in, Karosseriebauer/in oder Kraftfahrzeugmechatroniker/in.

Die Tätigkeiten erfordern in der Regel fundierte fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik wie z. B.:

Fehler und Störungen an Fahrzeugen bzw. deren Systemen und Bauteilen diagnostizieren und Ursachen feststellen, dazu auch Computer verwenden

Motoren, elektrische und elektronische Motormanagement- und Sicherheitssysteme sowie mechanische, elektronische, hydraulische und pneumatische Systeme prüfen

im Kundendienst Bremsen, Kupplung, Zündzeitpunkt, Leerlaufdreh-zahl, Abgaswerte etc. einstellen

Motoren und Bremsen sowie Getriebe und sonstige Teile von Kraft-fahrzeugen installieren und anpassen

Fahrzeugaufbauten für Sonderfahrzeuge sowie Fahrzeuganhänger aller Größenklassen einschließlich deren Befestigungssysteme her-stellen

Kraftfahrzeuge und deren Systeme sowie Bauteile und Baugruppen von Spezialfahrzeugen montieren, demontieren und reparieren

Personenkraftwagen mit Zusatzeinrichtungen, Sonderausstattungen und Zubehörteilen ausrüsten

Kraftfahrzeuge warten und inspizieren, nach amtlichen Vorgaben überprüfen

Kunden und Kundinnen beraten, Aufträge bzw. die auszuführenden Arbeiten besprechen

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 9: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karos-

seriebauers

Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 64,53 % nach Frey und Osborne reiht sich das Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosseriebau-ers im Mittelfeld der betrachteten Berufe ein. Würde man bei diesem Auto-matisierungsrisiko einen mittleren Rückgang des Anteils an der Gesamtbe-legschaft über die Jahre vermuten, zeigen sich bei der Studie andere Werte. Von 2013 bis zum Jahr 2016 lässt sich ein stetiges Wachstum von anfangs 6,56 % bis hin zu 8,48 % aus den Daten ablesen.

Ähnlich wie beim Berufsbild des Monteurs werden KFZ-Mechaniker und Ka-rosseriebauer bei der Montage von KFZ-Komponenten durch Robotersys-teme und Exoskelette unterstützt, indem die Ergonomie bei der Ausführung der Tätigkeiten sichergestellt wird. Sensordaten werden aus den Fahrzeu-gen gesammelt und in IoT-Systeme eingespeist, um diese dann auf Auffäl-ligkeiten hin zu untersuchen. Bei auftretenden Fehlern können vorzeitig Maßnahmen getroffen werden, um größere Ausfälle zu vermeiden (Predic-tive Maintenance). Über Workflowsysteme können Kundenaufträge auto-matisiert den zuständigen Mitarbeitern zugewiesen und Freigaben bis zu festgelegten Grenzen vom System erteilt werden. Kontextsensitive Assis-tenzsysteme informieren den Mitarbeiter über Sondertätigkeiten, die anfal-

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len, wenn Abweichungen von der Montagenorm auftreten – z. B. bei Son-derwünschen des Kunden. Diese Sonderwünsche sind, wie sich bei Diskussi-onen der Studienergebnisse mit Personalfachleuten im Automobilsektor er-geben hat, auch Grund für die überraschende Zunahme des Anteils dieses Berufsbildes an der Gesamtbelegschaft. Die Automobilbranche war mit ih-ren Fahrzeugkonfiguratoren ein Vorreiter der Mass Customization54 und be-schäftigt gerade im Hochpreissektor KFZ-Mechaniker und Karosseriebauer, die in sogenannten Exklusivwerkstätten, Manufakturen oder Centers of Excellence Sonderwünsche umsetzen, die außerhalb des Konfigurations-spektrums liegen. Bei der Untersuchung der zugrundeliegenden Daten lässt sich dieser Aufwärtstrend deutlich den an der Studie teilnehmenden Premi-umherstellern zuordnen.

Tabelle 3: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosseriebauers

Konsequenzen für das Berufsbild

Der Kreis der Experten aus dem Automobilsektor ist sich, unabhängig von der beobachteten Entwicklung des Berufsbildes des KFZ-Mechanikers und Karosseriebauers, im Klaren, dass es mittel- bis langfristig zu einem unwei-gerlichen Abbau an Stellen in diesem Berufsbild kommen wird. Der Stellen-wert der Car-Entertainment bzw. Infotainment-Komponenten nimmt stetig zu. Die bereits eingesetzten Mitarbeiter in diesem Beruf werden sich in den

                                                            

54 Spath u. a., 2013, S. 17 f. Wahlster u. a., 2014, S. 3

Kleinroboter und Exoskelette

IoT-Systeme und Advanced Analytics

Kontextsensitive Assistenzsysteme

Work-flowsysteme

Fehler und Störungen an Fahrzeugen diag-nostizieren

X

Motoren und elektro-nische Systeme prüfen X

Kundendienste am Fahrzeug leisten X X

Fahrzeugkomponenten montieren und repa-rieren

X X

Kundenaufträge bearbeiten X

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Bereichen der Fahrzeug-IT und -Elektronik permanent weiterbilden müssen. Die Ausbildung im Berufsbild des KFZ-Mechanikers, das bestätigen die Per-sonalfachleute, wird künftig um Zusatzqualifikationen angereichert und es werden neue, ausdifferenzierte Ausbildungsprofile entwickelt.

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3.3 Berufsbild des Entwicklungs- und Produktingenieurs (27104)

Mitarbeiter mit diesem Berufsbild befassen sich mit der technischen For-schung und Entwicklung. Sie entwickeln Produkte, technische Verfahren oder Technologien und beschäftigen sich auch mit der theoretischen Grundlagenforschung. Der Anteil der Beschäftigten mit Doktortitel liegt bei den Entwicklungs- und Produktingenieuren bei circa 4 %.

Zugeordnete Berufe sind meist Forschungs- und Entwicklungsingenieur/in, Produktingenieur/in, Berechnungsingenieur/in sowie Projektingenieur/in.

Die Tätigkeiten weisen einen hohen Komplexitätsgrad auf und erfordern ein hohes Kenntnis- und Fertigkeitsniveau. Hierzu gehören Aufgaben, Kennt-nisse und Fertigkeiten wie z. B.:

bestehende Produktionsprozesse, Produkte oder Dienstleistungen analysieren

Problemstellungen von technischen Prozessen in der Forschung mit wissenschaftlicher Methodik formulieren und lösen

innovative und marktgerechte Lösungen finden, Produktideen und Konzepte zur Weiterentwicklung erarbeiten und bewerten

Problemlösungen in Hinblick auf Realisierungsmöglichkeiten und Auswirkungen wie Technik- und Umweltfolgen überprüfen

Simulationen von Struktur, Funktion oder Verhalten durchführen, um Erkenntnisse über ein reales System zu gewinnen

Anforderungen an ein neues Produktionsverfahren erfassen und in Vorgaben umsetzen

Anlagen oder andere Güter aus Materialien wie Glas, Textilien, Holz etc. konstruieren und optimieren

Modelle mit unterschiedlichen Parametern wie Rahmenbedingun-gen oder Belastungen in Verbindung setzen, Ergebnisse dokumen-tieren, kontrollieren und interpretieren

Neuentwicklungen testen, Dokumentationen für Konstruktion und Fertigung erstellen

bei der Produktentwicklung mit Marketing und Vertrieb zusammen-arbeiten

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 10: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Entwicklungs- und

Produktingenieurs

Das Berufsbild der Entwicklungs- und Produktingenieure als Teil der Berufe in der technischen Forschung und Entwicklung gehört mit einer Automati-sierungswahrscheinlichkeit von 3,40 % zur Spitze der nicht-automatisierba-ren Tätigkeiten. Die Durchführung kreativer technischer Arbeit sowie die Formalisierung kreativer Arbeit in Algorithmen wird, wie auch die Studie von Frey und Osborne bestätigt, in absehbarer Zeit nicht digitalisiert wer-den. Mit der zunehmenden Integration von Produktions-, Lieferanten- und Kundendaten mit sozialen Netzwerken wird der gesamte Produktlebenszyk-lus digitalisiert. Die Informationsrückführung von Kundendaten sowie per-manente Feedbackschleifen im Entwicklungsprozess führen zu einer Verkür-zung von Entwicklungszyklen. Mit der Rationalisierung in Unternehmen nehmen die Komplexität sowie der Umfang der durch den Entwicklungs- und Produktingenieur eingesetzten und betreuten Systeme zu. Kognitive Systeme unterstützen durch die Nutzung datenbasierter Klassifizierungsal-gorithmen zwar bei Entscheidungen, bedürfen jedoch auch tiefergehender Kenntnisse für deren effiziente Nutzung.

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Die Digitalisierungstechnologien, die in diesem Berufsfeld Einzug halten, sind hauptsächlich unterstützender Natur und erhöhen die Effizienz der In-genieure sowie Qualität deren Arbeit. Ein Beispiel hierfür wäre der Einsatz von Augmented-Reality-Brillen, die Informationen über vorliegende Bau-teile geben. Hierdurch können beispielsweise Prüfungen unabhängig von der Lokalität aus dem Home-Office des Ingenieurs erfolgen.55 Datenbasierte Simulationen und Analyseverfahren unterstützen den Ingenieur bei der Lösung von Problemstellungen im Bereich der technischen Prozesse und Kollaborationswerkzeuge ermöglichen die verteilte Entwicklung über Unter-nehmensgrenzen hinweg. Zur Visualisierung in der Entwicklung können Virtual-Reality-Brillen genutzt werden, die beispielsweise Bauteile oder komplette Anlagen an einen gewünschten Ort projizieren.

Tabelle 4: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Entwicklungs- und Produktingenieurs

Konsequenzen für das Berufsbild

Durch die Rationalisierungseffekte in allen Bereichen des Unternehmens und dem damit verbundenen Einsatz intelligenter Informationssysteme nehmen die an den Entwicklungs- und Produktingenieur gestellten Anfor-derungen zu. Der Umgang sowie das tiefere Verständnis für die Systeme                                                             

55 Bauernhansl, ten Hompel und Vogel-Heuser, 2014, S. 136 f.

Kognitive Systeme

Augmented Reality / Virtual Reality

Kollaborationstools CAD/CAM/CAE

Prozesse, Produkte und Dienstleistungen analysieren

X X

Technische Problem-stellungen lösen X

Konzepte für markt-gerechte Lösungen entwickeln

X X

Machbarkeitsstudien durchführen X

Anlagen konstruieren X X X

(Simulations-)Modelle entwickeln X X

Dokumentationen erstellen X X

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sind maßgeblich für den Erfolg der Beschäftigten in diesem Berufsbild. Die Anforderungen beziehungsweise das Kompetenzprofil, so sind sich die Personalfachleute im Automobilsektor einig, werden sich dahingehend entwickeln, dass IT- sowie Technologiekenntnisse noch stärker in den Vor-dergrund treten.

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3.4 Berufsbild des Fertigungsdisponenten und -planers (27303)

Mitarbeiter in diesem Berufsbild befassen sich mit der technischen Produk-tionsplanung und -steuerung. Ihre Zuständigkeit umfasst die Optimierung und Effizienzsteigerung von industriellen Fertigungs- und Arbeitsprozessen. Ungefähr 35 % der betrachteten Beschäftigten verfügen über einen Hoch-schulabschluss, 30 % verfügen über die Mittlere Reife und eine abgeschlos-sene Berufsausbildung, 20 % tragen einen Meister- oder Technikertitel und etwa 10 % besitzen einen Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufs-ausbildung.

Zugeordnete Berufe sind meist Fertigungsdisponent/in und -planer/in, Wirtschaftstechniker/in, Fertigungstechniker/in sowie Arbeitsplaner/in.

Die Tätigkeiten erfordern ein hohes Maß an Spezialkenntnissen und -fähig-keiten im Bereich der Produktion und Organisation wie z. B.:

Arbeitsabläufe anhand von Daten und Messwerten darstellen und analysieren, Arbeitsabläufe unter Einsatz ergonomischer Erkennt-nisse menschengerecht gestalten

Produktionsplanung und -steuerung durchführen, z. B. Fertigungs-schritte festlegen, Materialflussstudien durchführen, Durchlaufzeiten ermitteln, Termine planen

Produktionsplanungs- und Steuerungssystemsoftware einsetzen, Anforderungsprofile erstellen

Wirtschaftlichkeit berechnen, z. B. für geplante Investitionen Kosten-kontrollen durchführen, Kalkulationen erstellen

neue Formen der Arbeitsorganisation, z. B. Gruppenarbeit, flexible Arbeitszeiten, planen und einführen

Zeitdaten für unterschiedliche betriebliche Zwecke ermitteln

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 11: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Fertigungsdisponenten und

-planers

Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 34,37 % lässt sich das Berufsbild des Fertigungsdisponenten und Fertigungsplaners im unteren Drittel der untersuchten Berufsbilder des Automobilsektors einordnen. Die Abnahme des Anteils an der Gesamtbelegschaft von 2013 mit 2,34 % auf 2,17 % im Jahr 2016 erscheint auf den ersten Blick gering. Betrachtet man jedoch die absolute Zahl der betroffenen Beschäftigten, so sind auch hier die Auswirkungen der Digitalisierung spürbar.

Die Produktionsplanung und das Materialflussmanagement erreichen durch die Digitalisierung der Intralogistik, einhergehend mit der Vernetzung von Sensorinformationen aus Maschinen sowie Materialien, eine neue Qualität. Beschaffungsdaten von internen sowie externen Lieferanten werden mittels Advanced Analytics in Echtzeit ausgewertet. Lieferanten werden vom Sys-tem automatisiert beurteilt und kontextabhängig ausgewählt. Die Digitali-sierung des Materialflusses macht nicht nur die Lieferpapiere obsolet, son-dern reduziert auch die Sicherheitsbestände, da Materialien innerhalb des Internet of Things sich und ihre eigene Verfügbarkeit steuern. Die Analyse der Materialflüsse, Durchlaufzeiten sowie Terminorganisation – einst Tätig-keiten des Fertigungsplaners – werden somit von ERP- und unternehmens-übergreifenden Workflowsystemen abgelöst.

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Die Produktionsprozesse sind in intelligenten Workflowsystemen abgebil-det, kognitive Systeme übernehmen auf Basis der großen Menge an Daten Klassifizierungsaufgaben und beschleunigen Entscheidungs- und Freigabe-prozesse in der Produktionsplanung. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung und Kalkulation erfolgt direkt durch das ERP-System und wird durch Prognose-daten aus Advanced-Analytics-Systemen ergänzt.

Die Entwicklung und Einführung von neuen Formen der Arbeitsorganisation lässt sich wegen des kreativen und sozialen Charakters nicht in Algorithmen abbilden und automatisieren.

Tabelle 5: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Fertigungsdispo-nenten und -planers

Konsequenzen für das Berufsbild

Die Automobilbranche hat mit dem Steuerungskonzept der Just-in-Time-Produktion die Logistik perfektioniert. Die bedarfsgerechte Produktion ließe sich ohne den gezielten Einsatz einer Vielzahl von Informationssystemen nicht umsetzen. Durch die Modularisierung der Fahrzeugproduktion nimmt die Zahl der beteiligten Lieferanten und Partner ab, die Komplexität der Or-ganisation und Steuerung nimmt zu. Die steigende Anzahl und der wach-sende Funktionsumfang der eingesetzten Systeme gehen einher mit einer Erhöhung der Anforderungen, die an den Fertigungsplaner gestellt werden.

ERP-Systeme Workflowsysteme Advanced

Analytics und IoT-Systeme

Kognitive Systeme

Arbeitsabläufe darstellen und analy-sieren (menschen-gerecht gestalten)

X X

Produktion planen und steuern (Materi-alflüsse, Durchlauf-zeiten, Termine)

X X X

Wirtschaftlichkeit berechnen X X

Neue Formen der Arbeitsorganisation entwickeln und ein-führen

Zeitdaten ermitteln X X X

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Die Personalfachleute im Automobilbau sind sich dessen bewusst, weshalb man das Berufsbild mit weiteren IT-Qualifikationen anzureichern versucht.

Mitarbeiter, die bereits in diesem Berufsbild arbeiten, sollten sich nach er-gänzenden Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der IT oder Produkti-onstechnologie umsehen. Mitarbeiter mit Abitur bzw. Fachabitur, die in dem Berufsbild arbeiten, sollten über ein weiterführendes Studium in den Bereichen Prozess-/Workflow, ERP und Digitale Services nachdenken.

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3.5 Berufsbild des Ausbesserers und Ausschneiders (28122)

Mitarbeiter mit diesem Berufsbild befassen sich mit der Herstellung, Prü-fung sowie Ausbesserung von Stoffen und Stickwaren. Ihre Zuständigkeit umfasst die Einstellung, Inbetriebnahme sowie Wartung von Textilprodukti-onsmaschinen. Drei Viertel der betrachteten Beschäftigten mit diesem Be-rufsbild verfügen über die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufs-ausbildung, ein Viertel hat einen Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung.

Zugeordnete Berufe sind meist Ausbesserer/in, Ausschneider/in, Weber/in, Stricker/in, Produktprüfer/in (Textil) sowie Maschinen- und Anlagenfüh-rer/in (Textil).

Die Tätigkeiten erfordern fundierte fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Textilherstellung wie z. B.:

Produktionsmaschinen der Textilherstellung einstellen und umrüs-ten, z. B. Werkzeuge und Bauteile einbauen, Prozessparameter ein-geben, Maschinen anfahren und gegebenenfalls nachjustieren, verbrauchte oder defekte Nadeln austauschen oder reparieren etc.

Garne, Zwirne und Fasern durch Führungen einfädeln, in Nadeln und durch die Walzen von Maschinen, um damit zu weben, zu stricken oder sonstige Verfahren durchzuführen

automatische Webstühle bespannen, Rundstrick- oder Häkelmaschi-nen bedienen

fertige Produkte kontrollieren, kleinere Fehler oder Farbabweichun-gen korrigieren, Flecken beseitigen, Fertigung bei Schäden informie-ren, auf Maschinenfehler hinweisen

Unfallverhütungs-, Arbeitsschutz- und Umweltvorgaben befolgen in der handwerklichen Strickerei Schnitte, Strickmuster und Materia-

lien auswählen, Materialbedarf berechnen, Prototypen herstellen, Strickmaschinen bedienen und überwachen

Aufträge entgegennehmen, Arbeitsschritte und Ergebnisse mit Auf-traggeber abstimmen

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 12: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Ausbesserers und

Ausschneiders

Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 80 % nach Frey und Osborne reiht sich das Berufsbild des Ausbesserers, Ausschneiders sowie Springers im oberen Drittel der betrachteten Berufe ein. Die dargestellte Abnahme des Anteils dieses Berufsbildes an der Gesamtbelegschaft von 2,50 % im Jahr 2013 auf 1,82 % im Jahr 2016 bestätigt das ermittelte hohe Automatisierungsrisiko.

Durch die neue Intelligenz der Maschinenkomponenten (Spulen, Nadeln etc.) werden alle beim Herstellungsprozess anfallenden Sensordaten in IoT-Systeme eingespeist, wodurch im Prozess auftretende Anomalien frühzeitig erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. So können beispielsweise Webprozesse verlangsamt oder heruntergefahren werden, wenn ein Garnbruch droht. Auf Basis der großen Menge an historischen so-wie gegenwärtigen Sensordaten können Produktionsmaschinen sich selbst optimieren und die Störungshäufigkeit noch weiter senken. Die Kundenauf-träge werden automatisiert über Workflowsysteme verteilt und müssen nicht händisch entgegengenommen werden. Die Überwachung der Maschi-nen und Prüfung der Produkte sowie das Durchführen von Korrekturen blei-ben als Aufgaben der Mitarbeiter bestehen.

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Aus Gesprächen mit einem Kreis aus Experten der Automobilbranche ging hervor, dass Tätigkeiten im Bereich der Textilherstellung größtenteils von Maschinen übernommen werden und das Personal lediglich noch eine Prü-fung der Ergebnisse vornimmt. Anders sieht es im höherpreisigen Premium-bereich aus. Wie bereits beim Berufsbild des KFZ-Mechanikers und Karosse-riebauers beschrieben, werden Sonderanfertigungen – außerhalb des Konfi-gurationsspektrums – in sogenannten Exklusivwerkstätten, Manufakturen oder Centers of Excellence größtenteils von Hand hergestellt. Hier steht die Exklusivität im Vordergrund, die Effizienz ist nachrangig. Die Abnahme die-ses Berufsbildes resultiert weniger aus einem Abbau an Stellen, sondern vielmehr aus einem fehlenden Wachstum in Relation zum Gesamtwachstum des Unternehmens.

Tabelle 6: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Ausbesserers, Ausschneiders sowie Springers

Konsequenzen für das Berufsbild

Die Meinungen der Personalexperten aus dem Automobilsektor bestätigen die Aussage von Frey und Osborne, was das Automatisierungsrisiko betrifft. Das Berufsbild des Ausbesserers, Ausschneiders sowie Springers im Bereich der Textilherstellung stellt ein Auslaufmodell dar und bleibt lediglich in ei-ner Nische bestehen, die im Exklusivbereich der Fahrzeugproduktion ange-siedelt ist. Mit der Weiterentwicklung der Maschinen in der Textilherstellung werden Sonderwünsche zunehmend maschinell umzusetzen sein, sodass die Zahl der Beschäftigten in diesem Berufsbild auf lange Sicht ebenfalls

ERP-Systeme Workflowsysteme Advanced Analytics und IoT-Systeme

Produktionsmaschinen einstellen und umrüs-ten

X

Materialbedarfe berechnen X X

Aufträge entgegen-nehmen X

Maschinen überwachen X

Fertige Produkte kontrollieren und Fehler korrigieren

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sinken wird. Da jedoch die beworbene Exklusivität – mit Manufakturcharak-ter – im Premiumbereich vor der Effizienz steht, wird die Rationalisierung hier eher in längeren Zeiträumen stattfinden.

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3.6 Berufsbild des Lagerarbeiters und Materialbereitstel-lers (51311)

Mitarbeiter in diesem Berufsbild führen einfache oder zuarbeitende Routi-netätigkeiten im Logistikbereich aus. Etwa zwei Drittel der betrachteten Beschäftigten in diesem Berufsbild verfügen über die Mittlere Reife samt Berufsausbildung und ein Drittel über einen Hauptschulabschluss mit abge-schlossener Berufsausbildung.

Zugeordnete Berufe sind meist Lagerarbeiter/in, Lagerhelfer/in, Verpa-cker/in sowie Warenauszeichner/in.

Die Tätigkeiten erfordern hierbei in der Regel keine speziellen Fachkennt-nisse. Auszuführende Tätigkeiten sind beispielsweise:

Fachkräfte bei der Kommissionierung und Verpackung von Artikeln unterstützen, Waren annehmen und ausgeben

auf Anweisung die auf Paletten gelagerten Waren und Güter trans-portieren und stapeln

Produkte, Verpackungen und verschiedene Behältnisse befüllen und kennzeichnen

Verladearbeiten verrichten, z. B. Be- und Entladen von LKWs, Waggons oder Schiffen

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 13: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Lagerarbeiters und Material-

bereitstellers

Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 56,93 % findet sich der Lagerarbeiter und Materialbereitsteller im Mittelfeld der betrachteten Be-rufsbilder wieder. Der Rückgang des Berufsbildes lässt sich, ähnlich wie beim Monteur, durch intelligenter werdende Roboter sowie den Einsatz neuer Digitalisierungstechnologien erklären. Cyber-physische Systeme wie Leichtroboter und Exoskelette unterstützen den Lagerarbeiter bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten und gewährleisten eine ergonomische Ausfüh-rung. Transportroboter und fahrerlose Gabelstapler lagern Güter in intelli-gente Regalsysteme ein, welche die smarten Waren (beispielsweise mit RFID-Tags versehen) erkennen und über deren Zustand, Menge und Posi-tion informieren. Augmented-Reality-Brillen zeigen dem Lagerarbeiter den Weg zur Ware im Regal. Durch die Kommunikation dieser smarten Waren als Teil eines IoT-Netzwerkes kann zum Beispiel sichergestellt werden, dass reaktive Substanzen nicht gemeinsam gelagert werden.

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Tabelle 7: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Lagerarbeiters und Materialbereitstellers

Konsequenzen für das Berufsbild

Aus den Diskussionen im Expertenkreis der Personalfachleute ging hervor, dass man sich über den Rückgang des Berufsbildes des Lagerarbeiters im Klaren ist und deshalb eine Erweiterung des Kompetenzprofils um weitere Qualifikationen anstrebt. Die Ergänzung um tiefergehende Kenntnisse im Bereich Informationssysteme – besonders das ERP ist hier hervorzuheben – nimmt stark an Bedeutung zu.

Ohne eine Erweiterung des Berufsbildes um vertiefende IT-Kenntnisse wird das Angebot an klassischen Lagerarbeitern die Nachfrage, wie in der Studie von Frey und Osborne vorhergesagt, überschreiten. Mitarbeiter, die bereits in diesem Berufsfeld tätig sind, sollten sich nach ergänzenden Weiterbil-dungsmöglichkeiten im Bereich der IT (speziell Warenwirtschaftssysteme) umsehen.

Autonome Robotersysteme

Kleinroboter und Exoske-lette

IoT-Systeme Intelligente Regalsysteme

Aug-mented Reality / Virtual Reality

Waren kommis-sionieren X X X

Waren, Güter und Paletten transportieren und stapeln

X X

Produkte, Ver-packungen und Behältnisse befüllen

X X X

Verladearbeiten verrichten X X X

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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3.7 Berufsbild des Einkäufers als qualifizierter Spezialist (61113)

Mitarbeiter mit diesem Berufsbild befassen sich mit der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen, die in Unternehmen verwendet, verarbeitet oder weiterverkauft werden. Etwa 50 % der betrachteten Beschäftigten ver-fügen über einen Hochschulabschluss, 20 % tragen einen Meister- oder Technikertitel, weitere 20 % besitzen die Mittlere Reife und eine abge-schlossene Berufsausbildung.

Zugeordnete Berufe sind meist Einkäufer/in, Technische/r Einkäufer/in so-wie Beschaffungsdisponent/in.

Die Tätigkeiten erfordern ein hohes Maß an Spezialkenntnissen und -fähig-keiten im Bereich der Produktion und Organisation wie z. B.:

Branchenmedien studieren, auf Branchenmessen Entwicklungen verfolgen sowie aktuelle Lieferlisten und Kataloge vergleichen

Vertragsbedingungen und -bestimmungen festlegen und aushan-deln

Informationen über Anforderungen und Lager beschaffen, Spezifika-tionen für zu kaufende Mengen und Qualitäten, Kosten, Lieferdaten und andere Vertragsbedingungen entwickeln

Ausschreibungen durchführen, mit potenziellen Lieferanten und Geschäftspartnern korrespondieren, Detailinformationen sowie Angebote einholen und diese bewerten

Waren für die eigene Organisation oder zum Weiterverkauf durch Handels- oder Großhandelsbetriebe kaufen, dabei die Waren oder Produkte auswählen, die den Anforderungen der Einrichtung am besten entsprechen

Preise, Diskonten, Kreditbedingungen und Transportvereinbarungen mit Lieferanten aushandeln

die Verteilung von Waren an Verkaufsstellen überwachen und ange-messene Lagerbestände aufrechterhalten

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 14: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Einkäufers

Das Berufsbild des Einkäufers reiht sich mit einer Automatisierungswahr-scheinlichkeit von 64,33 % in das obere Drittel der untersuchten Berufsbil-der ein. Würde man hier mit einer Abnahme des Anteils des Einkäufers an der Gesamtbelegschaft rechnen, sehen die Untersuchungsergebnisse der Studie anders aus. In gewisser Weise liegt hier ein Widerspruch zu der Stu-die von Frey und Osborne vor, der sich durch eine Unschärfe erklären lässt, die aus der Umschlüsselung der Berufscodes resultieren könnte. Während es sich bei den untersuchten Beschäftigten in dieser Studie vermehrt um höherausgebildete (strategische) Einkäufer handelt, erfolgte bei der Ermitt-lung der Automatisierungswahrscheinlichkeiten keine Unterscheidung zwi-schen dem strategischen und dem operativen Einkauf. Die Zunahme des Anteils des Einkäufers an der Gesamtbelegschaft von 1,83 % im Jahr 2013 auf bis zu 2,55 % im Jahr 2016 lässt sich dadurch erklären, dass strategische Einkäufe zunehmend an Bedeutung gewinnen, während operative Beschaf-fungsaktivitäten bereits größtenteils automatisiert ausgeführt werden.

Kognitive Systeme übernehmen die Steuerung und Überwachung des Ein-kaufsprozesses vom Lieferanten bis zum eigenen Lager. Durch die Kombi-nation mit Advanced-Analytics-Systemen können Störungen und Engpässe nicht nur rechtzeitig erkannt, sondern auch prognostiziert werden. Der stra-

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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tegische Einkäufer wird gewarnt, wenn mit Verzögerungen oder Unterbre-chungen zu rechnen ist. Durch den Einsatz von IoT-Systemen werden Wa-ren zunehmend intelligenter und können sich selbst tracken und steuern. Advanced-Analytics-Systeme können Zusammenhänge zwischen Lieferan-ten, Transport- und angelieferter Einkaufswarenqualität in Beziehung setzen und Informationen über den Verursacher von Schäden separieren. So kann etwa ermittelt werden, ob der Lieferant oder die Spedition in höherer Quali-tät oder mit anderen Verfahren produzieren oder liefern sollte. Durch das Anbringen extrem kostengünstiger RFID-Labels an den Waren werden Me-dienbrüche auf ein Minimum reduziert und damit einhergehend die Durch-laufzeiten im Unternehmen verkürzt. Durch Webanalytics-Systeme wird die kontinuierliche und schnelle Beschaffung von Informationen über Bran-chenentwicklungen wie z. B. den Stahlpreis für Bleche oder Entwicklungen im Lieferanten- und Partnernetzwerk ermöglicht.

Das Führen von Verhandlungen sowie die Kommunikation mit Partnern und Lieferanten lässt sich aufgrund des kreativen und sozialen Charakters nicht in Algorithmen abbilden und automatisieren.

Tabelle 8: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Einkäufers

Konsequenzen für das Berufsbild

Die Modularisierung in der Fahrzeugproduktion hat eine Erhöhung der An-zahl beteiligter Lieferanten und Partner zur Folge, was mit einer Steigerung der Komplexität des Organisations- und Steuerungsaufwands einhergeht.

ERP-/SCM-/SRM-Sys-teme

Kognitive Systeme

IoT-Sys-teme

Advanced Ana-lytics Systeme

Webanaly-tics-Systeme

Branchenentwick-lungen studieren X X

Bedarfe ermitteln und Spezifikationen entwickeln

X

Kommunikation mit und Ermittlung von Lieferanten

X X

Waren auswählen und kaufen X X X

Einkaufsprozess und Lagerbestände überwachen

X X X

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Digitale Transformation: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Workforce in der Automobilindustrie

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Ähnlich wie beim Berufsbild des Fertigungsplaners steigen Anzahl und Um-fang der im Einkauf eingesetzten Informationssysteme, woraus eine Erhö-hung der Anforderungen an den Einkäufer resultiert.

Diesem Umstand sind sich die Personalfachleute im Automobilbau bewusst, weshalb man versucht, das Berufsbild mit weiteren IT-Qualifikationen im Bereich des Supplier Relationship Managements (Lieferantenportale, elekt-ronische Marktplätze, Einkaufsworkflow Management, Reverse-Auction- Systeme etc.) anzureichern.

Mitarbeiter, die bereits in diesem Berufsbild arbeiten, sollten sich nach ergänzenden Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich IT, Sprachen oder Technologien umsehen. Beschäftigte mit Abitur bzw. Fachabitur sollten über ein weiterführendes Studium im Bereich Global Supply Chain Manage-ment bzw. Supplier Relationship Management nachdenken.

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3.8 Berufsbild des technischen Sachbearbeiters (71302) Technische Sachbearbeiter assistieren oft Fach- oder Betriebswirten bei Ver-waltungstätigkeiten im technischen und betriebswirtschaftlichen Umfeld. Sie führen Organisations-, Büro- und Verwaltungstätigkeiten nach vorgege-benen Verfahren durch, z. B. in der Material- und Fertigungsplanung. Unter den in der Studie betrachteten Beschäftigten mit diesem Berufsprofil verfü-gen 40 % über die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbil-dung, etwa 20 % haben einen Hochschulabschluss und weitere 20 % tragen einen Meister- oder Technikertitel. Der Anteil der beschäftigten Sachbear-beiter mit Hauptschulabschluss und Berufsausbildung beträgt etwa 10 %.

Die Ausbildungsberufe sind meist Industriekaufmann/-frau, Kaufmänni-sche/r Assistent/in, Wirtschaftsassistent/in bzw. Betriebsassistent/in sowie Sachbearbeiter/in.

Die Tätigkeiten erfordern in der Regel fundierte fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Büroorganisation wie z. B.:

den Schriftverkehr mit Auftraggebern, Lieferanten, Geschäftspart-nern und Behörden nach vorgegebenen Verfahren abwickeln

Zahlen überprüfen, Rechnungen vorbereiten und Materialausgaben festhalten

In etwas stärker technisch ausgeprägten Umfeldern führen technische Sach-bearbeiter vor allem folgende Tätigkeiten aus:

Arbeits- und Materialflüsse zwischen Abteilungen aufzeichnen und koordinieren

den Materialbedarf feststellen, Lagerbestände überprüfen und Lieferungen organisieren

Waren annehmen, kontrollieren und Mängel reklamieren, Material sachgerecht lagern bzw. eine sachgerechte Lagerung veranlassen

bei der Erstellung von Produktionsplänen auf der Basis von Kunden-bestellungen sowie Produktionskapazitäten und Leistung mithelfen

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 15: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des technischen Sachbearbeiters

Betrachtet man die Automatisierungswahrscheinlichkeit des Technischen Sachbearbeiters nach Frey und Osborne, so liegt diese bei 94 % und gehört damit zu den höchsten Automatisierungswahrscheinlichkeiten der unter-suchten Berufsbilder überhaupt. Auch der anteilige Rückgang des Berufsbil-des an der Gesamtbelegschaft von 16,38 % auf 14,78 % bestärkt die von Frey und Osborne geschätzte hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit.

Der starke Rückgang des Berufsbildes liegt daran, dass in den Büroberei-chen der Automobilbauer schon seit den 90er-Jahren mit der Einführung von ERP- und Workflow-Systemen viele regelgebundene Kommunikations-vorgänge wie z. B. die Rechnungserstellung mit Kunden und Lieferanten automatisiert wurden. Die Einführung zahlreicher Self-Service-Portale im Bereich von Kunden und Lieferanten haben zudem die Aufwände in der Datenerfassung drastisch verringert.

Die neueren Digitalisierungstechnologien wie Big Data und kognitive Sys-teme erhöhen den Automatisierungsdruck auf büronahe Tätigkeiten weiter. Tätigkeiten wie die Rechnungs- oder Materialprüfung werden von Algorith-men in nahezu Echtzeit auf Basis großer Datenmengen realisiert.

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Unregelmäßigkeiten in der Rechnungsstellung oder bei der Materialaus-gabe werden so zuverlässig erkannt und zuständige Personen mittels Work-flows informiert.

Im stärker technisch orientierten Tätigkeitsbereich der kaufmännischen Sachbearbeiter wurden mit dem Einzug von ERP-Systemen in den 90er- Jahren erhebliche Automatisierungspotenziale in der Produktionsplanung realisiert, die seit dieser Zeit vollautomatisiert durchlaufen wird.

Durch die Digitalisierung der Intralogistik mittels vernetzter Sensoren auf Materialien und Maschinen erreicht die Produktionsplanung und das Mate-rialflussmanagement eine komplett neue Qualität. Die Produktionspla-nungsmodule der ERP-Hersteller können selbst komplexe Störungen wie Maschinenausfälle oder Lieferengpässe hochflexibel meistern, da sich Pro-duktionsaufträge auf Basis kommunizierender Werkzeug-Material-Netz-werke selbst koordinieren. Diese Prozesse werden nicht mehr durch den Menschen unterstützt, selbst die Durchführung korrigierender Planungen im Störungsfall entfällt zunehmend. Da der Warenfluss bereits durch ein digitales Abbild der Ware am Wareneingang beginnt, entfallen auch dort klassische Tätigkeiten wie etwa die Wareneingangsprüfung. Sie wird von vernetzten Kameras, Gewicht- und Lagesensoren übernommen, Abweichun-gen zur datenbasierten Norm sofort gemeldet.

Tabelle 9: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des technischen Sachbearbeiters

ERP-Systeme Workflow Engines

IoT-Systeme Advanced Analytics

Kognitive Systeme

Regelbasier-ten Schrift-verkehr abwickeln

X X

Rechnungen prüfen X X

Warenein-gang prüfen X

Material-flüsse auf-zeichnen und planen

X X X X

Produktions-pläne erstel-len

X

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Konsequenzen für das Berufsbild

Nach Interviews mit Personalfachleuten im Automobilbau ist man sich des mittelfristigen Wegfalls des Berufsbildes des Industriekaufmanns in seiner traditionellen Ausprägung sehr bewusst. Seit geraumer Zeit versucht man deshalb, das Berufsbild mit weiteren Qualifikationen anzureichern wie z. B. mit IT- oder Fremdsprachenkenntnissen, um dann Industriekaufleute mit dem Profil von IT-Kaufleuten oder internationalen Sachbearbeitern auszu-bilden.

Eine weitere Auffälligkeit in diesem Berufsbild ist die hohe Weiterbildungs-bereitschaft. So findet man hier den einen oder anderen jüngeren Mitarbei-ter, der über ein Fachabitur/Abitur mit Lehre verfügt und die Assistentenpo-sition zum Berufseinstieg mit Weiterbildungsabsicht Richtung betriebswirt-schaftlichem Studium nutzt. Ohne eine fachliche Ausdifferenzierung und damit Erweiterung des Berufsbildes durch IT-, sprachliche oder technische Kompetenzen wird der klassisch technische Sachbearbeiter, wie von Frey und Osborne prophezeit, ein Auslaufmodell. Mitarbeiter die bereits in die-sem Berufsbild arbeiten, sollten sich nach ergänzenden Weiterbildungs-möglichkeiten in den Bereichen IT, Sprachen oder Technologien umsehen. Mitarbeiter mit Abitur bzw. Fachabitur, die in dem Beruf arbeiten, sollten über ein weiterführendes Studium mit Digitalisierungs- und Technologie-schwerpunkt nachdenken.

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3.9 Berufsbild des Projektleiters (71393) Mitarbeiter mit diesem Berufsbild übernehmen Aufsichts- und Steuerungs-aufgaben in der Unternehmensorganisation und -strategie. Ihre Zuständig-keit umfasst die Koordination und Beaufsichtigung von Fachkräfte-Teams. Unter den betrachteten Beschäftigten mit diesem Berufsbild verfügen etwa 60 % über einen Hochschulabschluss, 20 % über die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung und etwa 10 % tragen einen Meister- oder Technikertitel.

Zugeordnete Berufe sind meist Projektleiter/in sowie Teamleiter/in.

Die Tätigkeiten erfordern ein hohes Maß an Spezialkenntnissen und -fähig-keiten im Bereich der Unternehmensorganisation wie z. B.:

Machbarkeitsstudien von Projekten erstellen, z. B. Ziele des Projektes sowie einzelne Projektschritte festlegen

die Planung von Projekten übernehmen und z. B. Aufgaben-, Kosten- und Terminpläne aufstellen

Arbeitsabläufe steuern, Termine festsetzen und die Kommunikation unter den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen strukturieren

die Qualitätskontrolle bei der Umsetzung von Projekten sowie be-triebswirtschaftliche Zusammenhänge überwachen, z. B. die Einhal-tung von Rechtsvorschriften überwachen

Mitarbeiter im Zusammenhang mit Arbeitsaufgaben, Sicherheitsver-fahren und Unternehmensrichtlinien schulen und anleiten oder die Durchführung entsprechender Schulungen veranlassen

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 16: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Projektleiters

Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 1,40 % ist das Berufsbild des Projektleiters das am wenigsten von der Automatisierung betroffene. Die Prognose von Frey und Osborne wird durch die Zunahme des Berufsbil-des an der Gesamtbelegschaft von im Jahr 2013 1,70 % auf 2,12 % im Jahr 2016 untermauert. Der Grund für das Wachstum des Berufsbildes liegt da-rin, dass der Projektleiter Tätigkeiten mit kreativem und sozialem Charakter ausübt und eine Formalisierung dieser Arbeit in Algorithmen und eine da-mit einhergehende Automatisierung in absehbarer Zeit nicht erfolgen wird. Dennoch halten auch im Führungsbereich neue Digitalisierungstechnolo-gien Einzug, welche die Aufgaben des Leiters teilweise ersetzen, zumindest jedoch unterstützen. So übernehmen kognitive Assistenz- und Analysesys-teme Klassifizierungsaufgaben in Echtzeit, indem sie auf eine Basis großer Datenmengen (Big Data) zugreifen und daraus lernen. Durch den Einsatz dieser hochleistungsfähigen Informationssysteme lässt sich eine Risikomini-mierung bei der Entscheidungsfindung erreichen.56 Die partielle Übergabe der Entscheidungsgewalt an Informationssysteme hat zur Folge, dass sich die Regeln für Entscheidungen und Entscheider ändern und Führungskräfte                                                             

56 Hertweck und Kinitzki, 2015, S. 15

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zunehmend an der Qualität ihrer Entscheidungen gemessen werden – somit auch am Umgang mit den Informationssystemen.57 Eine Vielzahl permanent neu erscheinender Kollaborations- und Projektmanagementtools erleichtert die verteilte Zusammenarbeit im Projekt, indem sie eine integrierte Platt-form für Kooperation, Kommunikation und Koordination bereitstellen. Diese reicht von gemeinsamen Datenablagen in der Cloud über integrierte Code-Repositories und Entwicklertools bis hin zu Zeitplanungsinstrumenten wie GANT-Diagrammen, Gruppenterminkalendern und Web-Conferencing- bzw. Social-Media-Funktionen. Viele neue „einfachere“ Anwendungen wie visuelle Project Boards (z. B. Trello) oder Team Messenger (z. B. Slack) unter-stützen die sich zunehmend etablierenden agilen Methoden wie Scrum. Neu sind auch die Möglichkeiten der permanenten, automatisierten Aus-wertung quantitativer Projektdaten nach vorgegebenen Metriken, um Pro-jektleiter bei der Projektsteuerung zu unterstützen.

Tabelle 10: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Projektleiters

Konsequenzen für das Berufsbild

Die Rationalisierung in allen Bereichen des Unternehmens durch den Ein-satz intelligenter Informationssysteme sorgt dafür, dass die Leitungsspanne des Projektleiters erweitert wird und die Komplexität der Steuerung und Or-ganisation steigt. Das tiefere Verständnis sowie der Umgang mit neuen Pro-jektmanagementmethoden und Informationssystemen sind neben den sozi-alen Führungskompetenzen maßgeblich für den Erfolg des Projektleiters.

                                                            

57 Hertweck und Kinitzki, 2015, S. 16

Kognitive Systeme Advanced Analytics Projektmanagement- und Kollaborationstools

Machbarkeitsstu-dien durchführen X X

Projektplanung durchführen X

Arbeitsabläufe steu-ern (Termine und Kommunikation managen)

X

Projekte überwa-chen und Qualität kontrollieren

X X X

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Digitale Transformation: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Workforce in der Automobilindustrie

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Die in dieser Studie befragten Personalfachleute sind sich einig, dass künf-tige Projektleiter neben klassischen Projektprozessen wie z. B. der Vorge-hensweise nach dem Wasserfallmodell vermehrt auch neue, agile Methoden und die für beide Szenarien nutzbaren aktuellen IT-Plattformen und Web-dienste kennen müssen. Die Tatsache, dass integrierte Projektmanagement-systeme für die verteilte Zusammenarbeit heute bereits in wenigen Schrit-ten aus der Cloud instanziiert werden können, lässt die geeignete System-wahl bei Projektmanagementaktivitäten immer mehr zu einem kritischen Erfolgsfaktor werden.

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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3.10 Berufsbild des Abteilungsleiters (71394) Mitarbeiter mit diesem Berufsbild übernehmen Führungsaufgaben in der Unternehmensorganisation und -strategie. Ihre Zuständigkeit umfasst die Leitung, Repräsentation sowie Koordination und Steuerung des Betriebs. Unter den betrachteten Beschäftigten mit diesem Berufsbild verfügen etwa 40 % über die Mittlere Reife und eine abgeschlossene Berufsausbildung, 25 % über einen Hochschulabschluss und circa 20 % tragen einen Meister- oder Technikertitel.

Zugeordnete Berufe sind meist Betriebsleiter/in, Abteilungsleiter/in, Bereichsleiter/in sowie Innendienstleiter/in.

Die Tätigkeiten weisen einen hohen Komplexitätsgrad auf und erfordern ein hohes Kenntnis- und Fertigkeitsniveau. Hierzu gehören Aufgaben, Kenntnisse und Fertigkeiten wie z. B.:

die Marktsituation beobachten und analysieren, um daraus Kon-zepte für die strategische Unternehmensplanung sowie die Ge-schäftsfeldentwicklung abzuleiten

politische Richtlinien, Programme, Prozesse, Systeme und Verfahren zur Erreichung von lang- und kurzfristigen Zielen und Arbeitsstan-dards entwickeln, implementieren und überwachen

betriebliche Prozesse planen, organisieren und steuern Business- und Finanzpläne erstellen und bewerten Budget festlegen und verwalten, Ausgaben kontrollieren und einen

effizienten Ressourceneinsatz sicherstellen Mitarbeiter motivieren, anleiten und Schulungen für sie veranlassen,

gegenüber der Geschäftsleitung Verantwortung für die Einhaltung der Unternehmensrichtlinien und das Erreichen der Umsatzziele übernehmen

das Unternehmen nach außen repräsentieren und in Verhandlungen, Kongressen, Seminaren, öffentlichen Anhörungen und Foren vertre-ten

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 17: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Abteilungsleiters

Mit einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von 33,75 % reiht sich das Berufsbild des Abteilungsleiters im unteren Drittel der untersuchten Berufe ein. Der Rückgang des Berufsbildes von 2,91 % im Jahr 2013 auf 2,21 % in 2016 lässt sich weniger durch einen Abbau erklären als vielmehr durch ein statisches Verhalten der Beschäftigtenzahl in der Führungsetage. Während die Gesamtbelegschaft des Unternehmens wächst, bleibt das Management eine eher konstante Größe. Daraus ergibt sich eine wachsende Führungs-spanne mit höherer Reichweite. Ermöglicht wird diese Entwicklung durch Digitalisierungstechnologien, die das virtuelle Management sowie Zusam-menarbeit ermöglichen.

Kognitive Assistenz- und Analysesysteme übernehmen Klassifizierungsauf-gaben in Echtzeit, indem sie sich einer großen Datensammlung (Big Data) aus internen (ERP, CRM etc.) sowie externen Quellen (soziale Netzwerke) bedienen. Hierdurch wird eine datengestützte Entscheidungsfindung er-möglicht, die eine Risikominimierung und Effizienzsteigerung zum Ziel

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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hat.58 So wirken moderne Management-Informations-Systeme (MIS) bei-spielsweise unterstützend bei der Marktanalyse und Konzeptentwicklung.

Kollaborations- und Managementtools in MIS ermöglichen das Führen ver-teilter Teams (virtual leadership), in dem sie jederzeit einen detaillierten Überblick über die laufenden Prozesse sowie Schlüsselkennzahlen (KPI) er-möglichen, eine Plattform zur Kommunikation bieten sowie den sicheren Austausch von Dokumenten gewährleisten.

Die Automatisierung kreativer sowie sozialer Tätigkeiten durch eine Abbil-dung in Algorithmen wird hingegen, wie auch die Studie von Frey und Os-borne bestätigt, in absehbarer Zeit nicht erfolgen. Darunter fallen die Tätig-keiten der Personalführung und -motivation sowie die Repräsentation des Unternehmens nach außen.

Tabelle 11: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Abteilungsleiters

Konsequenzen für das Berufsbild

Durch die partielle Übergabe der Entscheidungsgewalt an Informationssys-teme ändern sich die Regeln des Managements.59 Durch die datenbasierte Entscheidungsfindung kommt es zu einer Verschiebung vom sogenannten HiPPO-Ansatz (highest-paid person’s opinion) zu einem stärker analysege-triebenen Management. Dieser Paradigmenwechsel ist nicht nur der Grund

                                                            

58 Hertweck und Kinitzki, 2015, S. 15 59 Hertweck und Kinitzki, 2015, S. 16

Kognitive Systeme

Advanced Analytics

Management- und Kollaborationstools

Webanalytics

Markt analysie-ren und Kon-zepte ableiten

X X X X

Prozesse planen, organisieren und steuern

X X X

Business- und Finanzpläne entwickeln

X X

Budget fest- legen und verwalten

X X

Mitarbeiter führen X

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für die Abflachung der Managementhierarchien, sondern auch für die Not-wendigkeit eines erweiterten Kompetenzprofiles in den Führungsetagen. Die Arbeitsverdichtung bei gleichzeitiger Unterstützung durch Assistenzsys-teme ermöglicht erst erweiterte Führungsspannen, sodass mit annähernd gleicher Managementpopulation immer mehr Mitarbeiter gemanagt wer-den, was der leichte, anteilige Rückgang bei den Abteilungsleitern in Abbil-dung 17 verdeutlicht.

Durch den Einsatz von Advanced Analytics als Basis für die Entscheidungs-findung geht es angesichts der wachsenden Datenflut zunehmend darum, die richtigen Fragen zu stellen und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, be-vor die Daten veralten.60

So unterstützen die genannten Informationssysteme zwar das Manage-ment, bedürfen jedoch auch tiefergehender Kenntnisse für deren effiziente Nutzung. Das interdisziplinäre Verständnis für die Vernetzung betriebswirt-schaftlicher Prozesse mit den eingesetzten Informationssystemen – wie es klassisch in der Wirtschaftsinformatik behandelt wird – rückt dabei immer stärker in den Vordergrund.

                                                            

60 Davenport, Barth und Bean, 2012, S. 23

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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3.11 Berufsbild des Produktreferenten (92113) Mitarbeiter mit diesem Berufsbild befassen sich mit der Analyse von Pro-duktmärkten sowie der Entwicklung von Marketingkonzepten. Sie sind da-bei in den gesamten Prozess von der Entwicklung der Absatzstrategien bis zur Auslieferung der Produkte eingebunden. Unter den betrachteten Be-schäftigten mit diesem Berufsbild verfügt etwa ein Drittel über einen Hoch-schulabschluss, ein weiteres Drittel trägt einen Meister- oder Technikertitel und das letzte Drittel hat die Mittlere Reife sowie eine abgeschlossene Be-rufsausbildung.

Zugeordnete Berufe sind meist Produktreferent/in, Kontakter/in, Marketing-fachkaufmann/-frau, Werbeleiter/in sowie Public-Relations-Manager/in.

Die Tätigkeiten erfordern ein hohes Maß an Spezialkenntnissen und -fähig-keiten in den Bereichen Werbung und Marketing wie z. B.:

Informationen über wichtige Marktfaktoren wie neue Zielgruppen, die Entwicklung bei bedeutsamen Abnehmerkreisen oder die Situa-tion bei Konkurrenzunternehmen zusammenstellen bzw. erheben

Marketingstrategien und Absatzpläne unter Berücksichtigung von Produkt-, Distributions- und Preispolitik sowie Werbung und Ver-kaufsförderung erstellen und der Geschäftsleitung präsentieren

Werbekampagnen konzipieren und realisieren, Werbeträger bewerten und auswählen, Preisverhandlungen über Werbeflächen und -zeiten führen

Vorgaben für die Kreation formulieren, die kreative Umsetzung steuern und Arbeitsergebnisse kontrollieren und abnehmen

Werbetexte für gedruckte Kampagnen, Broschüren, Radio- und Fernsehspots oder für Internetauftritte erstellen und Medienplatzie-rung organisieren

interne und externe Herstellungsprozesse organisieren und planen sowie hinsichtlich Zeit, Kosten und Qualität überwachen

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Automatisierungswahrscheinlichkeiten des Berufsbildes nach Frey/Osborne und empirische Validierung

Abbildung 18: Automatisierungswahrscheinlichkeit - Berufsbild des Produktreferenten

Das Berufsbild des Produktreferenten findet sich mit einer Automatisie-rungswahrscheinlichkeit von 32,40 % im unteren Drittel der untersuchten Berufsbilder wieder. Die Abnahme des Anteils an der Gesamtbelegschaft von 2013 mit 5,75 % auf 4,58 % im Jahr 2016 lässt sich neben der Digitali-sierung auch durch ein teilweises Outsourcing an externe Agenturen be-gründen.

Der Einsatz von Webanalytics-Systemen ermöglicht dem Produktreferenten die kontinuierliche und schnelle Beschaffung von Informationen über Markt- und Zielgruppenentwicklungen sowie die Konkurrenzsituation. In Kombination mit kognitiven Systemen lassen sich Marketingkonzepte unter Berücksichtigung von Produkt-, Distributions- und Preispolitik sowie Wer-bung und Verkaufsförderung entwickeln. Die Einbindung des Kunden über soziale Netzwerke ermöglicht durch automatisierte Auswertung qualitativer Daten und Strukturstatistiken den Rückfluss direkten Feedbacks und damit eine verbesserte Konzeption und Realisierung von gezielten Werbekampag-nen. Die Durchführung von Sentimentanalysen mit Advanced Analytics er-laubt als Teil des Social-Media-Monitoring die schnelle Reaktion auf Stim-mungsänderungen innerhalb verschiedener Kundenkreise, wodurch sich

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Studienergebnisse: Auswirkungen der Digitalisierung

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laufende Kampagnen messen lassen. Durch den Einsatz von Tag-Clouds so-wie Ontologien lassen sich darüber hinaus aktuelle Trends ermitteln und darstellen.

Tabelle 12: Wirkung der Digitalisierungstechnologien auf das Berufsbild des Produkt-referenten

Konsequenzen für das Berufsbild

Das Studienergebnis sowie die Interviews mit Personalexperten aus dem Automobilsektor haben deutlich gemacht, dass dieses Berufsbild auf eine eigene Art von der Digitalisierung betroffen ist. So lassen sich kreative Tä-tigkeiten zwar kaum in Algorithmen abbilden und sind daher, wie auch durch Frey und Osborne bestätigt, von einer Automatisierung kaum betrof-fen. Allerdings beeinflusst das Internet als wichtigster Kanal die Ausübung der Tätigkeiten enorm. Durch die große Öffentlichkeit und den einfachen Zugang für die Kunden wird die Meinungsbildung stark durch Dritte beein-flusst und die Informationsgewinnung enorm erleichtert.

Der richtige Umgang mit den genannten Informationssystemen und Tools ist daher maßgeblich für den Erfolg des Produktreferenten. Die Anforderun-gen beziehungsweise das Kompetenzprofil werden sich nach Meinung der von uns konsultierten Experten dahingehend entwickeln, dass umfassende Anwendungskenntnisse im Web-, Social-Media- und Analytics-Bereich fes-ter Bestandteil werden.

Webanalytics, Tag Clouds und Ontologien

Advanced Analytics Kognitive Systeme

Marktanalysen durchführen X

Marketingstrategien und Absatzpläne entwickeln

X

Werbekampagnen konzipieren und realisieren

X X

Kreationen entwi-ckeln, umsetzen und kontrollieren

X X

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Digitale Transformation: Der Einfluss der Digitalisierung auf die Workforce in der Automobilindustrie

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4 Resümee

4.1 Wandel der Berufsbilder hin zu wissensintensiven Berufen für die Lösung komplexer, kreativer, sozialer Problemstellungen

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass sich die von Frey und Osborne vorhergesagten hohen Automatisierungswahrscheinlichkeiten bei Berufsbil-dern mit

mehrheitlich manuellen, repetitiven Tätigkeiten (z. B. Monteure), manuellen Tätigkeiten in stark standardisierten Umgebungen

(z. B. Lageristen) und Entscheidungsfunktionen in formalisierbaren Geschäftsprozessen

(z. B. Industriekaufleute)

mit den Beschäftigungsdaten der Automobilindustrie belegen lassen.

Investitionen in Digitalisierungsvorhaben ermöglichen kostengünstig neue Produkte und Produktionsprozesse. Die eingesetzten digitalen Technolo-gien substituieren dabei den Faktor menschliche Arbeit. Durch vergleichs-weise niedrige Beschaffungskosten, exponentiell zunehmendes Leistungs-vermögen (Mooresches Gesetz) und hohe Flexibilität garantieren digitale Technologien die schnelle Realisierung neuer Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse bei niedrigen Entwicklungs- und Betriebsausgaben. Investitio-nen in Digitalisierung amortisieren sich relativ früh und werden gegenüber dem Faktor Arbeit insbesondere dort vorgezogen, wo Berufsbilder mit stark repetitiven, kontrollierenden und manuellen Tätigkeiten mit wenig Aufwand in Algorithmen und Programme überführt werden können.

In der Automobilindustrie ist nach wie vor eine große Anzahl von Mitarbei-tern (46 %) in solchen Berufen beschäftigt. Das bedeutet, dass aktuell 46 % der Beschäftigten in Berufen tätig sind, für die es bis 2030 in der heutigen Form keinen Bedarf mehr geben wird.

Nun lässt sich einwenden, dass es Rationalisierungseffekte durch neue Technologien schon immer gab und an Stelle traditioneller Berufsbilder zu allen Zeiten auch neue Berufsbilder getreten sind. So wurden im vergange-nen Jahrzehnt in der Automobilindustrie schon in hohem Maße Monteure mit einem Stundenlohn von 40 Euro durch Roboter mit einem Stundenlohn von 5 Euro ersetzt. Allerdings kam man von der Idee einer Totalautomatisie-rung der Produktion wie in Halle 54 bei VW ab, da sie sich als zu inflexibel, zu störungsanfällig und damit als ein zu teures Produktionssystem erwies. Zurzeit erobern deshalb flexible Microroboter und Exoskelette als Partner

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Resümee

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des Menschen die Produktion und übernehmen körperlich schwierige und unergonomische Aufgaben. Die Erfahrungen in Halle 54 haben allerdings gezeigt, dass es künftig neuer Berufsprofile bedarf, die ein technisches Ver-ständnis für Steuerungen in der Produktion mit sich bringen und deshalb einer wesentlich höheren Qualifizierung bedürfen. Dass der weitere Einsatz von durch IoT und Big Data flexibler gewordener Robotik in der Produktion jedoch auch den klassischen Montagearbeitsplatz weiter substituiert, lässt sich sowohl durch die der Studie zugrundeliegenden Daten bestätigen als auch an den jüngsten Rationalisierungsvorhaben des VW-Konzerns zur Re-duktion der Produktionskosten erkennen. So sollen in den nächsten Jahren 23.000 Stellen alleine in Deutschland sozialverträglich nicht wiederbesetzt werden.61

Diese in der jüngeren Geschichte des Konzerns einmalige Maßnahme ist ei-ner weiteren Entwicklung geschuldet, die wir in unserer Studie aktuell noch nicht adressieren konnten – der Elektromobilität. In unserer Studie konnten leider noch keine Daten für Produktionsbereiche bei OEM erhoben werden, in denen bereits heute Elektromobile in nennenswerter Stückzahl produziert werden. Es wäre von Interesse, eine ähnliche Studie noch einmal in drei bis vier Jahren durchzuführen, wenn die ersten belastbaren Beschäftigungsda-ten für die Produktion von E-Mobilen bei verschiedenen OEM vorliegen.

Dies auch deshalb, weil jenseits der Digitalisierung der Produktionsprozesse (Industrie 4.0) die fortschreitende Digitalisierung des eigentlichen Produktes erhebliche Veränderungen in der Produktionsweise und dem Bedarf an menschlicher Arbeit mit sich bringt. So sind heutzutage 20 % – 30 % der Wertschöpfung eines Automobils an die Komponenten Motor/Getriebe ge-bunden, die in Deutschland von rund 200.000 Beschäftigten (OEM und Zu-lieferindustrie) produziert werden. Ein Elektromotor besteht im Vergleich zu einem Verbrennungsmotor allerdings nur noch aus 17 statt 1.200 Teilen.62 Was dies für die mittelfristige Beschäftigungssituation der heute in der Ver-brennungsmotorenindustrie beschäftigten Mitarbeiter bedeutet, lässt sich nur erahnen. Ob dies durch Beschäftigung in neuen Betätigungsfeldern wie etwa der Akkumulatoren- oder Softwareentwicklung zu kompensieren sein wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Unumstritten ist in Fachkreisen, dass die neuen Berufsbilder ein signifikant höheres Bildungsniveau mit anderen Qualifizierungsinhalten erfordern, als dies heute der Fall ist. Diese Entwick-lung lässt sich mit den von uns ausgewerteten Daten der letzten vier Jahre sehr gut belegen (siehe Abbildung 21).

                                                            

61 Handelsblatt, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/volkswagen-baut-stellen-ab-ein-historischer-einschnitt-fuer-vw/14861462.html, aufgerufen am 07.12.2016

62 Focus, http://www.focus.de/auto/elektroauto/auto-vw-personalchef-werk-salzgitter-braucht-neue-aufgaben_id_5930673.html, aufgerufen am 07.12.2016

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Auf die Beschäftigungswirkung in Deutschland müssen zudem noch Fakto-ren wie der Anstieg der Produktivität in den neuen Berufen sowie die de-mografische Situation bis 2030 berücksichtigt werden, wenn der Großteil der zahlenmäßig mächtigen Kohorte der Baby-Boomer in Ruhestand geht. Das bedeutet, dass die 46 % Beschäftigten, die sich heute in Hochrisikobe-rufen bewegen, nicht zwangsweise bis 2030 keine Arbeit mehr haben wer-den – es bedeutet jedoch, dass es für sie ohne Weiterqualifizierung und Ein-arbeitung in neue Tätigkeitsgebiete schwierig wird, in ihren bisherigen Be-rufen weiterzuarbeiten. Dies wird für unterschiedliche Beschäftigtengruppen entlang der Faktoren allgemeine Bildung und Alter unterschiedliche Chan-cen und Aufwände mit sich bringen.

Für alle Beschäftigten stellt sich jedoch die Frage, welche Tätigkeiten ein Be-rufsbild beinhalten muss, um die Automatisierungswahrscheinlichkeit durch Digitalisierung zu mindern. Eine dieser schwer zu automatisierenden Tätig-keiten ist das Führen von Menschen. Sie senkt die mittlere Automatisie-rungswahrscheinlichkeit eines Berufs um fast ein Viertel, also von 62,9 % auf 38,2 % (siehe Abbildung 19).

Abbildung 19: Mittlere Automatisierungswahrscheinlichkeit bei führenden Tätigkeiten

Führung setzt die Fähigkeit voraus, die Einstellungen und das Verhalten von Mitarbeitern im Sinne der Unternehmensziele zu beeinflussen. Dazu gehört ein Verständnis für die Unterschiedlichkeit von Menschen und ihres voraus-sichtlichen Verhaltens in unterschiedlichen organisationalen Kontexten. Es bedarf der Deutung von Emotionen, der Verwendung angemessener Kom-munikations- und Interaktionsmethoden, des Vorlebens sinnstiftenden Ver-haltens sowie eines Gefühls für gruppendynamische Prozesse. All diese Tä-tigkeiten sind nur schwer mittels digitaler Technologien und Algorithmen abzubilden.

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Was sich im Bereich der Führung ändern wird, ist die Entscheidungskultur. Sie wird künftig wesentlich stärker auf Basis von Massendaten getroffen und von Systemen vorbereitet werden. Dies erfordert einen stärker koope-rativen Führungsstil, der sich unterstützender, im Team entwickelter Ent-scheidungsmodelle bedient, deren Güte allerdings permanent diskutiert und verbessert werden sollte. Mit der Modellierung und Visualisierung von Entscheidungen werden aber auch Erfolge und Misserfolge des Handelns von Mitarbeitern und Vorgesetzten transparenter. Dass die Unterstützung von Führung durch datengetriebene, kognitive Systeme eine höhere Lei-tungsspanne ermöglicht, konnte mit unseren Daten auf Ebene der Abtei-lungsleiter belegt werden. Die Zunahme am Bedarf von Führungskräften in Projekten, die eine schnelle Umsetzung von Innovationen mit agilen Metho-den erfordern, ist in den untersuchten Daten ebenfalls gut zu erkennen. Je-doch wird das Aufkommen agiler, datengetriebener Führungs- und Pla-nungsmethoden wie z. B. Scrum eine Erweiterung des Qualifizierungsprofils eines Projektleiters um datenanalytische Fähigkeiten mit sich bringen.63

Ein weiterer Tätigkeitstyp, der neben Führungstätigkeiten die Automatisie-rungswahrscheinlichkeit von Berufsbildern senkt, sind schöpferisch-kreative Tätigkeiten, wie sie vor allem in der KldB-Berufsgruppe 9 (Gestaltung, So-zial- Wirtschafts- und Geisteswissenschaften) vorkommen. Vergleicht man diese Berufsgruppen etwa mit Berufen der Berufsgruppe 2 (Rohstoffgewin-nung, Produktion und Fertigung), so erschließt sich einem der in Tabelle 13 sichtbare unmittelbare Einfluss kreativer Tätigkeiten.

Tabelle 13: Kreuztabelle - Berufsgruppe und Automatisierungswahrscheinlichkeit

Während in Berufsgruppe 2 die Mehrheit der Beschäftigten (48 %) eine hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit (> 70%) aufweist, sind dies in Berufsgruppe 9 lediglich 5 % der Beschäftigten.

Tätigkeiten, die Kreativität voraussetzen, d. h. die Fähigkeit, Artefakte mit einem echten Mehrwert für externe und interne Kunden zu entwickeln, be-dürfen eines tiefen Verständnisses von kulturellen Kontexten, in denen sich                                                             

63 Hertweck und Kinitzki, 2015

Automatisierungs- wahrscheinlichkeit

Gesamt

niedrig mittel hoch

Berufs-gruppe

2 23% 29% 48% 24.028

9 17% 77% 5% 3.203

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Kunden bewegen. Zwar gibt es erste Ansätze, um einfache, digitale Pro-dukte auf Basis von Massendaten zu generieren, jedoch wird dies mit stei-gender Produktkomplexität zunehmend schwieriger. Auch die Frage, wel-chen Innovationscharakter Produktkonzepte mit sich bringen, die auf verar-beiteten, historischen Massendaten beruhen, ist in einer Zeit, in der sich Lebensstile in sehr kurzen Zyklen wandeln, noch nicht letztlich geklärt. Ein gutes Beispiel ist das Berufsbild des Produktreferenten, dessen Berufsbild ein niedriges bis mittleres Automatisierungsrisiko aufweist. Zu seinen Auf-gaben gehören sowohl automatisierbare Tätigkeiten wie das Einholen von Marktinformationen als auch größtenteils kreative Aufgaben wie das Ent-werfen von Marketingkampagnen oder die Produktion kreativer Inhalte wie Websites oder Werbespots. Dass die Anzahl an Beschäftigten in der Stamm-belegschaft in diesem Berufsbild – trotz niedriger Automatisierungswahr-scheinlichkeit – eher leicht abgenommen hat, hängt damit zusammen, dass man zahlreiche Kreativarbeiten auch an externe Agenturen auslagert. Die Position außerhalb des organisationalen Kontextes ermöglicht ihnen die eine oder andere kreative Lösung, die in internen Strukturen eher schwer umsetzbar wäre.

Erwähnenswert ist, dass es auch in Produktionsberufen Beschäftigte wie z. B. Maschinenbauingenieure gibt, die auf Grund des Lösens von Aufga-benstellungen in komplexen Kontexten eine geringe Automatisierungs-wahrscheinlichkeit aufweisen (siehe 23 % Beschäftigte mit niedriger Auto-matisierungswahrscheinlichkeit in Tabelle 13).

Bei dieser Art von Tätigkeiten geht es darum, Zusammenhänge in hoch-komplexen, unstrukturierten Umgebungen zu verstehen und auftretende Fehler in Abläufen auf ihre Ursachen hin zu untersuchen und zu interpretie-ren. So stellt nach Frey und Osborne z. B. das Planen von Abläufen eines En-sembles von Robotern für Ingenieure eine große Herausforderung dar. Hier hat der Mensch aufgrund der Verarbeitung seiner Erfahrungen und Assozia-tionen zu komplexen, unstrukturierten Kontexten noch komparative Vorteile gegenüber der Maschine.

Dass die Komplexität und Kontextgebundenheit der im Beruf zu lösenden Aufgabe die Automatisierungswahrscheinlichkeit stark mitbestimmt, lässt sich anhand der Tätigkeitsbeschreibungen der fünften Stelle im KldB-Code an den Daten unserer Studie erkennen.

Die fünfte Ziffer im KldB-Code ist ein Maß für die Aufgabenkomplexität im Berufsbild. Sie reicht von Ziffer 1 (Helfer- und Unterstützungstätigkeiten) bis Ziffer 4 (Tätigkeiten zum Lösen komplexer Aufgaben).

Abbildung 20 zeigt die Automatisierungswahrscheinlichkeit von Berufen, die mehrheitlich Helfer- und Anlernniveau benötigen (Ziffer 1) zu solchen, in denen komplexe Aufgaben zu lösen sind (Ziffer 4).

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Die Unterschiede in der mittleren Automatisierungswahrscheinlichkeit (Ab-bildung 20) bewegen sich dabei zwischen 64,2 % (Helfer- und Unterstüt-zungstätigkeiten) und 19,3 % (Tätigkeiten zum Lösen komplexer Aufgaben).

Abbildung 20: Vergleich der Automatisierungswahrscheinlichkeiten zwischen einfachen und

komplexen Tätigkeiten

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass vor allem Berufe mit sozial-intelligenten, kreativ-intelligenten und manipulativen Tätigkeiten in komplexen Kontexten vor der Automatisierung durch Digitalisierung schützen.

Um die genannten automatisierungsresistenten Tätigkeiten permanent in die eigene Arbeit zu integrieren, bedarf es künftig Mitarbeiter, die in der Lage sind, die Auswirkungen neuer Technologien auf ihr Berufsbild zu ver-stehen und laufend einzuschätzen. Dazu müssen sie sich vermehrt Kennt-nisse über Digitalisierungstechnologien aneignen und vor- bzw. nachge- lagerte Disziplinen in ihrer Wertschöpfungskette verstehen. Die Rede ist von Beschäftigten mit einem sogenannten T-Shape Profil, d. h. Beschäftigte, die in der senkrechten Dimension des T über hervorragende Fachkenntnisse verfügen, diese jedoch zusätzlich mit interdisziplinärem Wissen in der Waagrechten zu neuen, digitalen Technologien und angrenzenden Wis-sensgebieten kombinieren. Erst ein solches Bildungsprofil ermöglicht ihnen den Gebrauch digitaler Technologien zur Umsetzung permanenter Prozess- bzw. Produktinnovationen. Dies wird in der Automobilindustrie längerfristig nur mit Beschäftigten möglich sein, die über ein signifikant höheres Bil-dungs- und Qualifikationsniveau und damit über Flexibilität und analyti-sches Urteilsvermögen verfügen.

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Dass Bildung vor Substitution durch Digitalisierung schützt, konnte mit den Daten der Studie bekräftigt werden. So sank die Automatisierungswahr-scheinlichkeit in den letzten vier Jahren etwa in dem Maße, wie das Qualifi-zierungsniveau der Beschäftigten stieg (siehe Abbildung 21).

Abbildung 21: Mittleres Bildungslevel und Automatisierungswahrscheinlichkeit

Das derzeit mittlere Qualifikationsniveau unseres Datensamples bewegt sich weg von Level 4 (mittlerer Reife und Berufsausbildung) hin zu Beschäftigten mit Fachabitur und Berufsausbildung (Level 5) auf einer Skala von 1 (ohne Schulausbildung, angelernt) bis 8 (Promotion/Habilitation mit Berufserfah-rung).

4.2 Handlungsempfehlungen Es wird künftig eine große Aufgabe für den Einzelnen, die Unternehmen und den Staat werden, Mitarbeiter zu befähigen, den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten, damit sie nicht Opfer, sondern die Gestalter des Transfor-mationsprozesses werden.

Ein zentraler Punkt hierbei ist das lebenslange Lernen. Ohne die Bereitschaft der betroffenen Mitarbeiter, sich permanent in Sachen digitaler Technolo-gien weiterzubilden und sich parallel ein disziplinär weiterreichendes Quali-fikationsprofil anzueignen, wird man den Anforderungen der Digitalisierung von Wertschöpfungsprozessen künftig nicht mehr gerecht werden. Die Frage ist jedoch, in welcher Lebensphase und auf welchem Bildungsniveau man in diesen Prozess einsteigt.

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Auf Ebene der Schulbildung ist es künftig sehr angeraten, digitale Skills und die Bereitschaft zum interdisziplinären Arbeiten in Teams schon frühzeitig zu etablieren. Denkbar wäre die Einführung von Informatik als Pflichtfach, wie es heute nur in drei von 16 Bundesländern oder etwa in Österreich praktiziert wird. Dies könnte das Grundverständnis von Algorithmen zur Digitalisierung realweltlicher Phänomene fördern. Darauf aufbauend wür-den sich interdisziplinäre, klassenübergreifende Entrepreneurship-Projekte in Digital-Lab-Umgebungen anbieten, die den Schülern den Einsatz digita-ler Technologien in verschiedensten Wertschöpfungskontexten auf Prozess- und Produktebene vermitteln. Im Zeitalter, in dem die Ressource Informa-tion zum zentralen Rohstoff weltweiten Wirtschaftens geworden ist, ist ein solcher Schritt überfällig. Dass solche Maßnahmen von Erfolg gekrönt sind, zeigt das Beispiel Bayerns, das mit der Einführung von Informatik als Pflicht-fach in der 6. Klasse des Gymnasiums einen signifikanten Anstieg an Infor-matikstudierenden und Berufstätigen erreichte. Selbst wenn Schüler kein entsprechendes Studium einschlagen, sind sie doch in der Lage, die Wir-kung neuer Informationstechnologien auf Arbeit und Alltag einzuschätzen. Eine Kompetenz, die bisher weitgehend fehlt und eine Hypothek für das spätere Berufsleben bedeutet.

Die Politik hat das Defizit erkannt und mit dem Projekt des Bundesministe-riums für Bildung und Forschung „Bildung für die digitale Wissensgesell-schaft“ reagiert.64 Allerdings befindet sich Bildung in der Hoheit der Bun-desländer, wodurch die Umsetzung der Bildungsinitiative wahrscheinlich sehr unterschiedlich ausfällt. So fehlt es an vielen Schulen noch immer an geeigneten digitalen Infrastrukturen, sodass ein flächendeckender Unter-richt in Sachen Digitalisierung noch eine geraume Zeit auf sich warten las-sen wird.

Im Bereich der beruflichen Weiterbildung gibt es viele Möglichkeiten der Unterstützung digitaler Qualifikationen. Die Vergangenheit hat jedoch ge-zeigt, dass es für den Digitalisierungslaien mit niedriger Qualifikation eher schwierig ist, das für ihn passende Angebot zu identifizieren. Aufgrund sei-ner ökonomischen Situation sind für ihn Qualifizierungsangebote meist nur dort interessant, wo er einen direkten Effekt auf die Höhe seines Lohnes sieht. Deshalb sind für diese Gruppe unternehmensinterne Weiterbildungs-maßnahmen oft von Vorteil, die sie in der Regel auch eher wahrnehmen.65

                                                            

64 BMBF, https://www.bmbf.de/de/sprung-nach-vorn-in-der-digitalen-bildung-3430.html, aufgerufen am 07.12.2016

65 Kuckulenz und Zwick, 2003

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Das Unternehmen könnte dieser Gruppe mit adäquaten Beratungs- und Schulungsangeboten entgegenkommen, welche die Technologiekompetenz stärken und somit die hohe Anpassungslast an die Digitalisierung verrin-gern. Allerdings birgt die Auswahl von Qualifizierungsangeboten aus-schließlich durch Unternehmen auch Risiken, da der Arbeitnehmer die Ver-antwortung für die passende Weiterbildung ausschließlich in die Hand sei-nes Unternehmens legt, das vielleicht kurzfristige eigene Interessen verfolgt, die der Flexibilität des Arbeitnehmers mittelfristig aber abträglich sind.

Für derart digital benachteiligte Arbeitnehmer mit niedriger Qualifikation könnten längerfristig betrachtet auch staatliche Weiterqualifizierungsange-bote von Interesse sein, die mit den Herausforderungen der Digitalisierung in Wirtschaft und Arbeitsmarkt mithalten.

Im Bereich der beruflichen Ausbildung könnten Inhalte zur Erhöhung der Technologiekompetenzen auch in nicht-technischen Ausbildungsberufen weiter angepasst werden. Die Wirtschaft versucht dies über sogenannte T-Shape-Qualifikationsprofile in den Curricula der betrieblichen Ausbildung zu verankern. Dabei wird ein Kernausbildungsberuf wie etwa der Industrie-kaufmann um Qualifikationen z. B. im Bereich der IT erweitert. Weitere Bei-spiele hierfür sind der Informatiker mit Schwerpunkt Wirtschaft oder der KFZ-Mechaniker mit Schwerpunkt Hochvolttechnik, der die Veränderungen der Elektromobilität antizipiert.

Für höherqualifizierte Mitarbeiter mit einem unidisziplinären Bachelorstu-dium kann es sich lohnen, einen berufsbildenden Master mit Digitalisie-rungstechnologieschwerpunkt als Aufbaustudiengang zu absolvieren und so den Grundstein für die eigene permanente Weiterbildung in Sachen Di-gitalisierung zu legen. Im Rahmen der Studie interviewte Personalexperten kommen solchen Kandidaten heute oft mit ruhenden Arbeitsverhältnissen oder Freistellungsverträgen für das Studium entgegen bzw. beteiligen sich aktiv an Studienkosten, falls es sich um Mitarbeiter mit überdurchschnittlich hohem Potenzial handelt. Für diese Mitarbeiterklientel können auch Ar-beitszeitbudgets für das Engagement in Technologie-Communities oder das kollaborative, abteilungsübergreifende Arbeiten an gemeinsamen Pro-blemstellungen in Digital Labs (Inhouse oder an Hochschulen) interessante Weiterbildungsformate sein. Einige Unternehmen setzen für diese Gruppe begleitend auch finanzielle Budgets zur eigenen Verfügung ein. Sie sollen hochqualifizierten Mitarbeitern die Möglichkeit eröffnen, eigenverantwort-lich die für sie geeigneten Weiterbildungsformate zu wählen.

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Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Digitalisierung sowohl für Mitarbeiter und die Personalbereiche der Automobilindustrie wie auch für Staat und Gesellschaft erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Die permanente Fähigkeit, neue, digitale Technologien auf ihre Nutzen- und Beschäftigungswirkung hin einzuschätzen bzw. diese mitzugestalten, wird künftig darüber entscheiden, ob die Digitalisierung den Faktor Arbeit sub-stituieren wird oder ob es Beschäftigten in ständiger Weiterbildungsbereit-schaft und Absprache mit dem Unternehmen gelingt, sich den Anforderun-gen des Digitalen Wandels anzupassen.

Die deutsche Automobilindustrie ist wegen der noch immer steigenden Produktivität und operativen Gewinne in der glücklichen Lage, solche An-passungsmaßnahmen gemeinsam mit den Beschäftigten anzustoßen. Doch die Zeit drängt. Elektromobilität, autonomes Fahren und Connected Car so-wie ein Mobilitätsverständnis, bei dem das Automobil nicht mehr im Zen-trum steht, werden noch vor 2030 zu massiven Veränderungen des Produk-tes und der Produktion führen. Vor diesem Hintergrund sollten die aktuel-len Industrie-4.0-Veränderungen als Chance genutzt werden, den digitalen Wandel auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft einzuüben.

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