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Die Universitätsmusik bedankt sich herzlich für die Förderung durch die

Die RUB Stiftung

Die Stiftung der Ruhr-Universität Bochum (RUB Stiftung) ist eine rechtsfähige Stiftung, die im Juni 2009 vom Innenministerium des Landes NRW anerkannt wurde.

Stiftungszweck ist die Förderung der Ruhr-Universität Bochum. Dies tut sie insbesondere durch die Förderung von Forschung und Lehre, die Vergabe von Stipendien und Preisen und die Förderung von künstlerischen, sozialen und vergleichbaren Aktivitäten und Zwecken an und in der Ruhr-Universität Bochum.

Förderung von kulturellen Veranstaltungen und Symposien

Das kulturelle Wirken an der Ruhr-Universität Bochum zu fördern, ist eines der Ziele der RUB Stif-tung. Das Musische Zentrum stellt den Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens auf unserem Cam-pus dar und bietet einen Ort der Kreativität und Inspiration. Die Stiftung unterstützt die Semester-abschlusskonzerte im Wintersemester 2017/18 und im Sommersemester 2018, die durch das Or-chester und den Chor des Musischen Zentrums präsentiert werden.

Anlässlich des 500. Jahrestages der Reformation förderte die RUB Stiftung den Akademischen Fest-akt zum Reformationsjubiläum. Dieser wurde durch Gedankenimpulse verschiedener Professorin-nen und Professoren unserer Universität zum Thema Reformation und durch das Orchester und den Chor des Musischen Zentrums gestaltet.

Kontakt: Prof. Dr. Axel Schölmerich Tel.: +49 (0)234 32-22926 / E-Mail: [email protected]

Britta Wilhelm Universitätsstraße 150 / UV 0/24 / 44801 Bochum Tel.: +49 (0)234 32-22055 / Fax: +49 (0)234 32-14001 E-Mail: [email protected]

https://www.rub-stiftung.de/ Gestaltung von Plakat, Flyer, Programm etc. unter Verwendung des Meisterstichs »Melencolia I« von Albrecht Dürer (1514)

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Programmfolge

Aaron Copland 1900-1990

Fanfare for the Common Man (1942) für Blechbläser und Schlagwerk

Verleihung der Universitätspreise an ausgezeichnete Absolvent/innen der RUB - Ruth- und Gert-Massenberg-Preis - Rotary-Preis Franz Liszt 1811-1886

Les Préludes (1848-54) Symphonische Dichtung Nr. 3 für Orchester Andante Allegro ma non troppo Allegretto pastorale Allegro marziale animato

Samuel Barber 1910-1981

Adagio for Strings op. 11 (1938) für Streichorchester Molto Adagio

Einojuhani Rautavaara 1928-2016

A Requiem in our Time (1953) für Blechbläser und Schlagwerk I. Hymnus II. Credo et dubito III. Dies irae IV. Lacrymosa

Pause Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791

Sinfonie in C-Dur KV 551 (1788) »Jupiter-Sinfonie« für Orchester I. Allegro vivace II. Andante cantabile III. Menuetto: Allegretto IV. Molto Allegro

Ausführende

Orchester der Ruhr-Universität Bochum (Miteinstudierung: Peter Wuttke, Christine Fischer-Eisenbrand, Bernd Wolf)

Nikolaus Müller, Leitung

Mit Ihrer Spende am Ausgang unterstützen Sie die Projekte der Universitätsmusik.

Vielen Dank!

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Zum Geleit

Über den berühmten Meister-stich von Albrecht Dürer Melen-colia I, der in diesem Semester die Plakate und Programmhefte des Bereiches Musik ziert, ist seit seiner Entstehung im Jahre 1514 immer wieder spekuliert wor-den. Trotz des immensen Wis-sens über die Zeit der Entste-hung erfolgt die Interpretation doch aus der Zeit des Betrach-ters und spiegelt damit in vielfäl-tiger Weise das eigene Lebens-umfeld – dies teilt das Kunstwerk mit Werken wie Mozarts Jupiter-Sinfonie. Eine Interpretation des Stiches ist die eines Warnblattes, dass den Memento-mori-Gedan-ken vermittelt. Es herrscht Un-ordnung, die Insignien des Wis-sens liegen verstreut um die Me-lancholia, die mit stierem Blick ins Leere starrt. Ein Gefühl der Machtlosigkeit, die den Men-schen auch in der Auseinander-setzung mit dem Tod befällt. Lars von Triers filmische Verarbei-tung des Themas im gleichnami-gen Film, den er mit Ausschnitten aus Richard Wagners Oper Tristan und Isolde musikalisch ausstaf-fiert, führt dies vor Augen. Musik in ihrer Vergänglichkeit hat eine große Nähe zum Tod – aber auch zum Leben. Nur so ist es zu verstehen, dass Gustav Mahler seine berührenden und niederschmet-ternden Kindertotenlieder komponiert, während seine zwei gesunden Kinder im Garten herumsprin-gen, was bei seiner Frau Alma auf wenig Verständnis stößt. Im LunchtimeConcert der vergangenen Woche mit dem Bariton Tobias Berndt und im Chorkonzert des Universitätschores in der vergange-nen Woche erklang Musik – Requiemvertonungen, Trauermusik und Lieder aus den letzten vier Jahr-hunderten – die in ganz verschiedener Weise den Umgang mit der Vergänglichkeit thematisiert hat.

Im Semesterkonzert des Universitätsorchesters steht weniger das Thema Tod im Zentrum als viel-mehr die emotionale Verfassung, auf die Musik trifft – die Musik bewirkt. Auf dem Programm stehen musikalische Ikonen der vergangenen zweihundertfünfzig Jahre, ein Großteil davon nicht einmal hundert Jahre alt. Und wie Dürers Stich haben sie seit ihrer Entstehung ein Eigenleben entwickelt hinsichtlich ihrer Rezeption – ob Coplands Fanfare in der amerikanischen Seelenlandschaft bei staatstragenden Zeremonien oder Liszts Préludes in der deutschen Erinnerungskultur, ob Barbers Adagio in seiner Eigenschaft als perfekte Untermalung einer Trauerzeremonie oder Rautavaara mit seiner an Strawinskys Frühlingsopfer erinnernden brutalen Klanglichkeit – ein Auflehnen gegen ar-chaische Gegebenheiten.

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In dieses Spannungsfeld eingebunden war im Programm eine Komposition des österreichischen Komponisten Johann Nepomuk David (1895-1977). David, ein Komponist, der wie Richard Strauss ein Vertreter deutscher Musikgeschichte während der NS-Zeit war, komponierte 1958 ein Orche-sterwerk unter dem Titel Melancholia. Diese Komposition entwickelte er aus Tonfolgen, die er aus den Zahlen des Jupiter-Quadrats in Dürers Stich generierte. Entstanden ist ein hochexpressives Mu-sikstück, das in eine groß angelegte BACH-Fuge mündet – es ist ein Extrakt der Zahlenfolge des Qua-drats, die in ihrer Krebsumkehrung 7-6-9-8 ergibt. Wie das musikalische Äquivalent zum Jupiterqua-drat, dem Talisman gegen das Niederdrückende der Melancholie, löst die Fuge am Schluss des Stückes die Spannungen und ordnet das Geschehen – BACH als Idee des Vollkommenen – so wie auch das Finale der Jupiter-Sinfonie empfunden wird.

In einzigartiger Weise formuliert dies Stendhal, für den Mozart der größte Melancholiker der Musik ist:

Mozart ist unter philosophischen Gesichtspunkten betrachtet noch bewundernswerter, als er es als Autor von sublimen Werken ist. Niemals hat der Zufall die Seele eines Genies geradezu in solcher Blöße präsentiert. Der Körper spielte so wenig wie möglich eine Rolle in dieser erstaunli-chen Vereinigung, der man den Namen Mozart gab und die von den Italienern heute quel mostro d'ingegno (ital. welch' Ungeheuer des Geistes) genannt wird.

Nicht umsonst war Karl Barth der Meinung, dass die Engel unter sich im Himmel Mozart spielen müssten. Doch auf Erden ist immer nur ein Teil der musikalischen Perfektion zu erlangen – und so muss oft vieles, was in der Musik geschrieben worden ist, ungehört bleiben. So ergeht es uns auch am heutigen Abend mit der Komposition von Johann Nepomuk David, die an dieser Stelle aus tech-nischen Gründen, obwohl angekündigt, nur gedacht werden kann – aber zumindest das wollten wir Ihnen nicht vorenthalten.

Ich wünsche Ihnen einen unterhaltsamen und inspirierenden Konzertabend

Ihr Nikolaus Müller

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Aaron Coplands Fanfare for the Common Man entstand 1942 im Auftrag des Cincinnati Symphony Orchestra, das von dem Dirigenten Eugene Goossens geleitet wurde. Be-reits während des Ersten Weltkrieges hatte Goossens an bri-tische Komponisten Kompositionsaufträge für Fanfaren ver-geben, die zum Beginn seiner Abonnementskonzerte ge-spielt wurden. Diese waren damals so erfolgreich, dass er für die Spielzeit 1942/43 eine Neuauflage plante, diesmal mit amerikanischen Komponisten. Von den 18 zu diesem Anlass komponierten Fanfaren hat sich nur Coplands Fanfare im Repertoire gehalten.

Während des Kompositionsprozesses zog Copland verschie-dene Titel in Betracht wie Fanfare for the Spirit of Democracy oder Fanfare for Four Freedoms (in Anspielung an die von US-Präsident Roosevelt im Januar 1941 gehaltene Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress – freedom of speech, freedom of worship, freedom of want und freedom of fear). Inspiriert von der berühmten Rede des damaligen Vizepräsidenten Henry Wallace, in der er das Jahr-hundert als Century of the common man proklamiert, entschied sich Copland für den endgültigen Titel. »Es war letztlich der einfache Mann, der all die dreckige Arbeit im Krieg und der Armee leisten musste«, erinnerte sich Copland später, »er verdient eine Fanfare«.

Der in Brooklyn, New York, geborene Aaron Copland verstand es, den amerikanischen Volkston in moderne Orchesterarrangements von kraftvoller Emotionalität zu setzen. Aufgrund dieser Fähigkeit wird er häufig als »Dean of American Composers« bezeichnet. Coplands eingängige und schlichte aber eindringliche Fanfare ist inzwischen ein fester Teil amerikanischer Erinnerungs- und Identifika-tionskultur geworden. So wurde sie auch im Mai 2014 zur Einweihung des 9/11 Museums in New York gespielt. Dass die Fanfare in Teilen von den Rolling Stones auf ihren Tourneen in der Mitte der 70er Jahre für die Eröffnung ihrer Bühnenshows genutzt wurde und die britische Rockband Emerson, Lake & Palmer die Fanfare adaptierte zeigen die Popularität von Coplands Komposition.

Ursprünglich als Einleitung zu dem unvollendet gebliebenen Chorwerk Les Quatre Éléments geplant, veröffentlichte Franz Liszt seine Les Préludes als Symphonische Dichtung Nr. 3. Das Werk war bereits fertiggestellt, als Liszt sich dazu entschloss, die Komposition mit einem vorangestellten Programm in einen neuen Kontext zu stellen. Dies scheint durchaus ungewöhnlich, da doch die programmati-schen Bezüge eigentlich in direktem Bezug zum musikalisch-schöpferischen Prozess stehen. Inspi-riert zu diesem Programm wurde Liszt durch die Gedichtsammmlung der Nouvelles méditations poétiques des französischen Schriftstellers und Politikers Alphonse de Lamartine (1790-1869). Die-sen zitiert er im ersten Satz, den er seiner Komposition voranstellt und spinnt ihn weiter fort:

Was anderes ist unser Leben, als eine Reihenfolge von Präludien zu jenem unbekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt. Die Liebe ist das leuchtende Frühroth jedes Herzens; aber in welchem Geschick wurden die ersten Wonnen des Glückes von dem Brausen des Sturmes unterbrochen, der mit dem rauhem Odem der Illusionen verweht, mit tödlichem Blick seinen Altar zerstört, – und welche im innersten verwundeten Seele suchte nicht gerne nach solchen Erschütterungen in der lieblichen Stille des Landlebens die eigenen Erinnerungen einzu-wiegen. Dennoch trägt der Mann nicht lang die wohlige Ruhe inmitten besänftigender Natur-stimmungen, und »wenn der Drommete Sturmsignal« ertönt, eilt er, wie immer der Krieg heißen möge, der ihn in die Reihe der Streitenden ruft, auf den gefahrvollsten Posten, um im Gedränge

Aaron Copland

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des Kampfes wieder zum ganzen Bewusstwerden seiner selbst und in den vollen Besitz seiner Kraft zu gelangen. (Übersetzung von Peter Cornelius)

Diese »Präludien« werden in vier programmatischen Ab-schnitten des Werkes vorgestellt: Liebe – Stürme des Lebens – ruhige Natur – Kampf und Sieg. Trotz dieser prinzipiell vier-teiligen Anlage erscheint Les Préludes als einsätzige Groß-form, die auf einem thematischen Kern beruht. Dieses Motiv klingt bereits in der Einleitung an, trumpft danach als gewal-tiges Hauptthema auf und ist auch im weiteren Verlauf im-mer wieder modifiziert zu vernehmen.

Dass die Komposition, wenn man sie heute in ein Konzertpro-gramm aufnimmt, nur mit einem erklärenden Wort begleitet werden kann, liegt wohl weniger an der programmatischen Umwidmung – auch wenn die Lisztsche Fortführung des Sat-zes von Lamartine durchaus einen Raum für Interpretation lässt. Vielmehr ist es der Fakt, dass das Stück während der NS-Diktatur die Vorlage für eine Fanfare lieferte, mit der die »Erfolgsmeldungen« von der Front in der Heimat am »Volks-empfänger« verkündet wurden, der dazu führt, dass diese Musik für eine ganze Generation zu einem Symbol wurde – zu einem Symbol von Hybris und Vernichtung. Dass der mit dieser Hybris verknüpfte Tod, wie wir wissen, wenig mit Liszts romantisch-heroischen Todesvereh-rung des 19. Jahrhunderts zu schaffen hat, lässt uns heute zwar diese Musik wieder mit unvoreinge-nommeneren Ohren hören. Doch trägt dieses Kunstwerk – denn ein solches sind die Préludes ohne Zweifel – mit seiner eigenen Geschichte auch unsere in sich.

Vor fast zwanzig Jahren gab es bei der BBC eine Um-frage, bei der die Radio-Hörer das traurigste Musik-stück wählen konnten. »Gewinner« war Samuel Bar-bers Adagio for Strings – mit weitem Abstand gefolgt vom Lamento der Dido aus Henry Purcells Oper Dido und Aeneas und dem Adagietto aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie.

Was ist es, dass dieses Stück zum Inbegriff der Trauer werden lässt? Allein der elegische Ton, das langsame Tempo und die dunklen Klangfarben sind auch in etli-chen anderen Kompositionen zu finden. Ursprünglich 1936 als mittlerer Satz des Streichquartettes op. 11

während eines Stipendien-Aufenthaltes in Rom komponiert, arrangierte Barber das Stück für Streichorchester. 1938 dirigierte der von dem Werk tief beeindruckte Dirigent Arturo Toscanini die Uraufführung in New York. Es ist wohl die zwar pathetische aber schnörkellose Form, in der sich das klagende Thema in Wellen über gedehnten Dissonanzen nach oben bewegt, die alles Überflüssige, vom Schmerz Ablenkende ausblendet. Diese Musik lässt Trauer zu und vermag sie vielleicht gerade darum in sich aufzulösen, so wie die Umarmung eines verständnisvollen Freundes.

Franz Liszt

Samuel Barber

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Wie wenig man sich den mit dieser Musik verknüpften Bildern entziehen kann, wird jeder, der das Stück in Oliver Stones Antikriegsfilm Platoon oder David Lynchs The Elephant Man gehört hat, nach-vollziehen können. Diese Liste ließe sich noch um einige andere Beispiele ergänzen, und Barber selbst war über diese Popularität seines Stückes nicht sonderlich begeistert.

Das Requiem in Our Time des 25jährigen finnischen Kompo-nisten Einojuhani Rautavaara, ein Stück für eine ungewöhnli-che Besetzung von 13 Blechblasinstrumenten und Schlag-werk, entstand in der neoklassischen Schaffensperiode des jungen Musikers. Unüberhörbar sind die Anklänge an Igor Strawinsky, und man meint, die Dissonanzen und die Wucht des Sacre du printemps darin hören zu können. Mit dem Dies irae und dem Lacrymosa bezieht er sich in seiner textlosen Komposition auf die liturgische Vorlage der katholischen To-tenmesse, wobei das Lacrymosa das Ende der mittelalterli-chen Dies-Irae-Sequenz ist. Der Hymnus und das Credo, die die Titel für die ersten beiden Sätze liefern, sind normalerweise kein Bestandteil des liturgischen Requiems. In der Gegenüber-stellung der furchteinflößenden Gerichtsbeschreibung des Dies irae, welches im Übrigen noch bis 1970 fester Bestandteil des römischen Ritus war, und des klagenden Lacrymosa mit

dem zweifelnden Bekenntnis des zweiten Satzes lässt der Komponist Einblicke in seine eigene Trau-erarbeit zu. Rautavaara schreibt selbst im Vorwort seiner Partitur:

1953, ich war noch Student an der Sibelius-Akademie, als ich mein »Durchbruchswerk« kompo-nierte und damit den Internationalen Kompositionswettbewerb von Cincinnati gewann. Heute hat das Requiem selbst im internationalen Konzertprogramm einen festen Platz […]. Beim Re-quiem handelt es sich nicht um eine apokalyptische »Seelenmesse unserer eigenen Zeit« wie der Titel manchmal übersetzt worden ist, sondern um ein selbständiges Werk, das ich meiner wäh-rend des Zweiten Weltkriegs verstorbenen Mutter gewidmet habe; es ist eine Komposition, die sich auf der Grenze zwischen Glaube und Zweifel bewegt und daher statt in einer Verkündigung in Trauer endet.

Die für den Wettbewerb vorgeschriebene Besetzung – vier Hörner und vier Trompeten, drei Po-saunen, ein Baritonhorn, eine Tuba sowie diverse Schlaginstrumente – war für mich in jenen Lehrjahren derart neu und fremd, dass ich mich noch heute über die traumwandlerisch sichere Instrumentierung wundere. Auch mein Lehrer Aarre Merikanto konnte mir damals nicht erklä-ren, was ein Baritonhorn eigentlich ist. In einem alten deutschen Lehrbuch für Orchestrierung fand ich schließlich eine Beschreibung dieses Instruments.

Einojuhani Rautavaara

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Am 16. August 1788 hatte Mozart die Sinfonie in C-Dur, KV 551 (»Jupiter-Sinfonie«), beendet. Ihre Eintragung in das chronologisch angelegte »Verzeichnüß aller meiner Werke«, das er von Februar 1784 bis November 1791 führte, erfolgte unmittelbar auf die der g-Moll-Sinfonie, KV 550, die am 25. Juli in das Verzeichnis aufgenommen wor-den war. Nur wenige Wochen zuvor, nämlich am 26. Juni, war die Sinfonie in Es-Dur, KV 543, erschienen. Innerhalb von kaum mehr als 6 Wochen hatte Mozart somit drei Sin-fonien komponiert, die zusammen mit der »Prager« Sinfo-nie vom Dezember 1786 beweisen, welch großartigen Bei-trag Mozart zu dieser Musikgattung geleistet hat.

Darüber, zu welchem Anlass Mozart seine letzten drei Sin-fonien komponierte, kann nur spekuliert werden. Möglich-erweise waren sie für eine Wiener Konzertreihe gedacht. Vielleicht schrieb der Komponist auch nur die Sinfonien »auf Vorrat« für eine geplante aber nicht verwirklichte Englandreise, was ein gar nicht so abwegiger Gedanke wäre, verzeichnete doch Joseph Haydn wenig später au-

ßerordentliche Erfolge auf der britischen Insel. Auch die genauen Gründe, die zum heute bekannten Titel der Sinfonie führten, sind nicht bekannt – von Mozart stammt er jedenfalls nicht. Fest steht, dass der Londoner Konzertveranstalter Johann Peter Salomon die Bezeichnung »Jupiter-Sinfonie« für die Vermarktung des Werkes verwendet hat.

Die Literatur über die Trias der drei letzten Sinfonien füllt etliche Regalmeter Literatur. Spätestens seitdem der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke die thematischen Verbindungslinien zwi-schen den Sinfonien nachgezeichnet hat, gilt die Verbindung als ausgemacht. Eine der letzten Ein-spielungen des österreichischen Alte-Musik-Pioniers Nikolaus Harnoncourt präsentiert die Sinfonie als Teil eines großen Instrumental-Oratoriums. Interessant ist die Feststellung, dass nur die erste Sinfonie, die in Es-Dur, über eine wirkliche Einleitung verfügt – und nur die letzte, eben die Jupiter-Sinfonie in C-Dur, verfügt über ein wirkliches Finale. Ausgangspunkt für die C-Dur-Sinfonie ist das Ende der g-Moll-Sinfonie – laut Harnoncourt die Zerstörung der Melodie und der Harmonie. Man steht auf den Trümmern der Kunst. In dieser Situation beginnt Mozart seine Sinfonie mit einem ex-tremen Kontrast: Innerhalb der ersten vier Takte wird ein fast gewalttätiger Gedanke einem be-schwichtigenden, fast fragenden Gedanken gegenübergestellt. Das »Verhandeln« dieser gegensätz-lichen Gedanken prägt den gesamten Satz. Wie aus der Ferne wirken der sarabandenartige zweite Satz und und das fließende Menuett des dritten Satzes – die Melancholie der Erinnerung. Der ei-gentliche Grund für die Einzigartigkeit von Mozarts letzter Sinfonie ist der Finalsatz. Er gilt als uner-reichter Gipfel der Kompositionskunst. Mozart schreibt zugleich eine Fuge und einen Sonatensatz, er stellt ein Thema nach dem anderen vor, er verarbeitet sie – miteinander, übereinander. Diese Tour de Force kompositorischer Handwerkskunst gipfelt in der Coda, in der es ihm gelingt, alle fünf Themen gleichzeitig durchzuführen. Und all das klingt nicht nach einer drögen Puzzelarbeit eines Strukturfetischisten, sondern atmet die Leichtigkeit und Beschwingtheit fröhlicher Ausgelassenheit: Musik, die sich jeder Vereinnahmung entzieht, in der Lebensfreude, die Freude am Spiel, an der Beweglichkeit des Geistes ihren Ausdruck findet.

Wolfgang Amadeus Mozart

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Coda des vierten Satzes aus Mozarts Jupiter-Sinfonie mit der Verarbeitung von fünf Themen

Vielleicht entsteht solche Gelöstheit nur im Spannungsfeld des Existenziellen, wie Mozarts Brief an seinen Vater ein Jahr vor der Komposition der Sinfonien vermuten lässt.

„… Nun höre aber, daß Sie wirklich krank seien! Wie sehnlich ich einer tröstenden Nachricht von Ihnen selbst entgegensehe, brauche ich Ihnen doch wohl nicht zu sagen, und ich hoffe es auch gewiß, obwohlen ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe, mir immer in allen Dingen das Schlimmste vorzustellen. Da der Tod (genau zu nehmen) der wahre Endzweck unsers Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so be-kannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes. Und ich danke meinem Gott, daß er mir das Glück gegönnt hat, mir die Gelegenheit (Sie verstehen mich) zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen. Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, daß ich vielleicht (so jung als ich bin) den andern Tag nicht mehr sein werde, und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, daß ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre, und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wünsche sie von Herzen jedem meiner Mitmenschen. …“ (Wien, 4. April 1787; Brief Mozarts an seinen Vater – zwar schien der Vater sich wieder zu erholen, doch beendete ein rascher Tod am 28. Mai 1787 sein Leben)

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Nikolaus Müller erhielt seine er-ste musikalische Ausbildung im Leipziger Thomanerchor. Er stu-dierte zunächst Physik, bevor er sein Studium im Fach Orchesterdi-rigieren an der Leipziger Hoch-schule für Musik bei Michael Köh-ler aufnahm. Es folgten das Di-plom 2004 bei Fabio Luisi in Leipzig sowie das Konzertexamen 2007 in Dresden bei Ekkehard Klemm.

Nach dem Studienabschluss war er als Chordirektor des Stadtsin-

gechores zu Halle, als Kapellmeister der Wiener Sängerknaben und als Chordirektor am Theater Alt-enburg-Gera tätig. Mit den Wiener Sängerknaben konzertierte er in den Vereinigten Staaten und Lateinamerika, als Dirigent arbeitete er mit Orchestern wie dem Wiener Kammerorchester, der Haydn Sinfonietta Wien, der Elbland Philharmonie und der Staatskapelle Halle.

Nikolaus Müller ist künstlerischer Leiter der Robert-Franz-Singakademie in Halle. Zudem leitet er den Thüringer Landesjugendchor und ist als Dirigent, Dozent und Juror für den Thüringer Musikrat tätig. Seit 2016 leitet er die Ensembles der Universitätsmusik am Musischen Zentrum der Ruhr-Universität Bochum.

Neue Mitwirkende sind zum Sommersemester im Orchester herzlich willkommen!

Programm: Antonín Dvořáks 9. Symphonie »Aus der Neuen Welt«

und Werke von Leonard Bernstein

Die Proben beginnen am 9.4.18 im Musischen Zentrum.

Bei Interesse melden Sie sich bitte im MZ-Büro: [email protected]

Nikolaus Müller © RUB, Marquardt

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