Die von Herzen dir nachwandeln

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    DIE VON HERZEN DIR NACHWANDELN

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    DIEVONHERZENDIR NACHWANDELN

    Q c s t a l t e nd e s r h e i n i s c h - w e s t f l i s c h e n P i e t i s m u s :Gerhard Tersteegen / Johann Peter Diedridhs / Gottfried DanielKrummacher / Tillmann Siebel / Jakob Gerhard Engels / Johann

    Heinrich Volkening / Theodor Christlieb / Julius Dammahnvon

    WILHELM BUSCH

    Pfarrer in Essen

    &

    Im S ch r i f t enm is s ion s -V e r l ag , Q ladbeck

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    Wohl denen, die in deinem Hause wohnen;die loben dich immerdar.Wohl den Menschen, die dich fr ihre Strke haltenund von Herzen dir nachwandeln.

    ( P s a l m 84, 5 6)

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    VorwortRheinland und Westfalen haben groe und tiefgehendegeistliche Bewegungen erlebt. Das rege kirchliche Leben inMinden-Ravensberg, im Siegerland, im Oberbergischen Landund im Wuppertal geht auf diese Erweckungen zurck.Solche Erweckungsbewcgungen sind ein wunderbares Wirkendes Heiligen Geistes. Und von ihnen gilt das Wort des HerrnJesus: Der Wind blst, wo er will, und du hrst sein Sausenwohl; aber du weit nicht, woher er kommt und wohin erfhrt." Joh. 3, 8.Gott aber benutzt Menschen als Werkzeuge. Einige vondenen, durch welche die Erweckungsbewegungen ausgelst wur-den, sind in diesem Buche dargestellt.Je mehr man sich in die Geschichte dieser Bewegungen ver-tieft, desto mehr wird einem deutlich, da sicher ebenso wich-tig jene weithin unbekannten Leute waren, durch die die Er-

    weckungsbewegungen vorbereitet wurden (z. B. ChristianStahlschmidt im Siegerland, Thmmel in Nmbrecht u. a). IhrLeben verlief vielfach in groer Verborgenheit. Wirkungenihrer Ttigkeit sahen sie kaum. Sie waren guter Same aufGottes Acker. Gott geht oft verschwenderisch mit Menschen'um. Es mssen meist viel treue Zeugen des Evangeliums inArmut und Niedrigkeit dahingehen, bis unter irgendeinem be-sonders begnadeten die Saat aufgeht. Der Herr Jesus sagt:Dieser st, der andere schneidet. Ich habe euch gesandt zuschneiden, was ihr nicht gearbeitet habt; andere haben ge-arbeitet, und ihr seid in ihre Arbeit gekommen." Joh. 4, 38.Die Vorbereiter der Erweckungen sind nicht dargestellt indiesem Buche. Es ist auch nicht von denen geredet, die dasWerk weiterfhrten und die Feuer am Brennen erhielten. Esist nur von denen geredet, durch die Gott die Erweckungs-bewegungen auslste. Der Schreiber dieses Buches empfindetan dieser Stelle den strksten Mangel. Das Blickfeld bleibtbeschrnkt. Die Linien nach vorwrts und rckwrts konnten

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    nur allzu notdrftig angedeutet werden. Vielleicht gibt einspterer Band die Mglichkeit, die unbekannteren Vorbereiterund Weiterfhrer dieser Bewegungen darzustellen.Die von Herzen dir nachwandeln." Der Titel des Buchesgibt die Grundhaltung der dargestellten Mnner an. Da siegroe und bedeutende Leute warein, wuten sie nicht undwollten es auch nicht wissen. Sie hatten zerbrochene Herzen.Darum lag ihnen alles an dem Erbarmen Gottes. Wie ge-waltig die Wirkungen ihres Lebens waren, sahen sie nicht.Denn sie waren meist sehr verzagt und gedemtigt. Es gingihnen gar nicht um Wirkungen. Es ging ihnen um den Ge-horsam gegen den Herrn, der ihnen das Herz abgewonnenhatte, und dem sie von Herzen nachwandelten.Essen, im Sptsom mer 1938. W . Busch

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    I n h a l t1. Gerhard Tersteegen (16971769) 11Ein merkwrdiger Mann / Zu Tersteegens Fen / Der

    Schriftsteller / Der Liederdichter / Gemeinschaft / Unddie Kirche? / Ein Ketzer?2 . J o h a n n Pe t e r D i e d r i c h s ( 1 7 6 1 1 8 3 6 ) 3 7Wo zwei oder drei versammelt sind . . . " I Gehet hinin alle Welt" / Ein Knecht Jesu Christi / EinfltigerGlaube / Weisheit im Staube3 . G o t t f r i e d D a n i e l K r u m m a c h e r ( 1 7 7 4 1 8 3 7 ) . . . . 5 6Der Grndliche / Der Erweckungsprediger / Ein kurioserSonderling und herzlich grober Mann" / Kmpfe / DerFreund der Pietisten4 . T i l l m a n n S i e b e l ( 1 8 0 4 1 8 7 5 ) 7 5Der Siegerlnder / Die Anfnge / Die Hausgemeinde /

    Es ist ein froh Getne ringsum im L a n d e r w a c h t . . . " /Der Kirchenlteste / Wie er war5 . J a k o b G e r h a r d E n g e l s ( 1 8 2 6 1 8 9 7 ) 9 5Das Oberbergische" / Die Wendung / Ich suche DeineBefehle" / Der Seelsorger6 . J o h a n n H e i n r i c h V o l k e n i n g ( 1 7 9 6 1 8 7 7 ) . . . . 1 1 5

    Der Pflger / Der Erweckungsprediger / Der Kmpfer /Der Seelsorger / Der Missionsfreund / Der Lehrer7 . T h e o d o r C h r i s t li e b ( 1 8 3 3 1 8 8 9 ) . . . . . . . 1 40Ein herrlicher Mann / Der Professor / Dein Reich k o m -m e" / Bruder unter Brdern / Gottes Werk in mir"8. Julius Dammann (18401908) 148

    Wenn Gottes Winde wehen" / Der Streiter / Der Evan-gelist / Der SeelsorgerL i t e r a t u r 165

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    1erhard Tersteegen

    Am 25. November 1697 wurde in Mors am Niederrhein demKaufmann Tersteegen das achte Kind geboren. Der Junge bekamden Namen Gerhard. Schon bald starb der Vater. Gerhard wardamals sechs Jahre alt. Im selben Jahre schon kam der Junge aufdas Gymnasium seiner Vaterstadt. Er war ein begabter Schler.Wir hren, da er bei einer ffentlichen Solennitt" eine lateini-sche Rede in Versen, mit allgemeinem Beifall aller Gegenwrtigen"gehalten hat. Die Mutter hatte nicht die Mittel, den Sohn studierenzu lassen. So kam er als Kaufmannslehrling zu seinem SchwagerBrink nach Mlheim. Dieser Ort wurde seine irdische Heimat. Dievier Jahre als Kaufmannslehrling sind Tersteegen besonders schwergeworden. Aber hier in Mlheim kam er in Verbindung mit erweck-ten Kreisen, die auf die Wirksamkeit des geistesmchtigen PredigersUndereyk zurckgingen. In einer zeitgenssischen Lebensbeschrei-bung heit es: Im sechzehnten Jahre wurde er bei seinem Schwa-ger von der Gnade berhrt. Von den Mitteln dazu ist nicht viel zusagen, nur so viel, da er in Mlheim mit einem erweckten Kauf-mann zusammenkam, auch vom Lesen eines wichtigen Dankgebetsvon einem frommen, sterbenden Prediger tief gerhrt wurde. Ersuchte ernstlich Sinnesnderung, deswegen hat er ganze Nchte mitLesen, Beten und guten bungen zugebracht." Die neue Richtungseines Lebens brachte ihn innerlich mit seinen Angehrigen ausein-ander. Sein Wandern in der Nachfolge des armen Lebens Jesumachte ihn bei seinen Verwandten so verchtlich, da sie ihn kaumnennen hren mochten: Sie wrdigten ihn nicht einmal, nach demSterben der Mutter bei der Teilnahme ihrer Nachlassenschaft zu-gegen zu sein." Nach beendeter Lehrzeit verlie Tersteegen denKaufmannsstand und erlernte die Bandwirkerei, um in der Stilleein geistliches Leben fhren zu knnen. Fnf Jahre lebte er invlliger Einsamkeit, in asketischer Anspruchslosigkeit und ingroen inneren Anfechtungen und N te n. Nach fnfjhrigerDunkelheit ging ihm das Licht der Gnade strahlend auf: Die ver-shnende Gnade Gottes in Jesu Christo ward ihm so berzeugendblogelegt, da sein Herz vllig beruhigt ward." Nun nahm ereinen Hausgenossen, Heinrich Sommer, zu sich. Er begann, in Ver-sammlungen zu reden. Er wurde ein fruchtbarer Schriftsteller undLiederdichter. Am 3. April 1769 rief ihn der Herr nach lngererLeidenszeit heim.

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    12 Gerhard Tersteegen (16971769)Ein merkwrdiger M a n nJa, was fr ein seltsamer Mann ist er gewesen, dieser Ger-

    hard Tersteegen! Sein Leben ist ein Leben aus einem Gu invlliger Hingabe und berlassung an seinen Herrn. Und dochwill es dem Auge scheinen, als sei es ein Leben voll merk-wrdiger Gegenstze.Dieser Mann ist ein armer Handwerker, der mit der Band-wirkerei kmmerlich sein Leben fristet. Derselbe Mannaber nennt sich in einem lateinischen Brief Genuinae Theo-logiae Studiosus" (der echten Theologie Beflissener). Ja, erist wirklich ein Gelehrter, der die alten Kirchenvter genaukennt. Er hat die katholischen Asketen und Mystiker studiert.Ebenso die Reformatoren Calvin und Beza, niederlndischeTheologen wie Voet und Coccejus, englische wie Baxter,deutsche lutherische wie Arnd, Spener, Francke, Bengel, vorallem aber die reformierten Pietisten Labadie, Lodensteyn,Undereyk, Lampe und die Mystiker Madame de Guyon,Poiret, Arnold. Dieser Mann, dieser einfache Handwerker,beherrscht eine Menge Sprachen und schafft vortrefflichebersetzungen.Ein merkwrdiger Mann!Er will Mystiker sein und beschftigt sich mit Vorliebe mitden christlichen Mystikern vergangener Jahrhunderte. Erspricht davon, da er Gott im Seelengrund finde. Aberzugleich sagt dieser Mann das erschtternd nchterne Wort:Ich mitraue meinem Herzen in allen Stcken."Ein merkwrdiger Mann!Er liebt nichts so sehr wie die Abgeschiedenheit und Stille.Ihm ist es am wohlsten in vlliger Zurckgezogenheit undEinsamkeit. Dieser Mann aber hat einen weit ausgedehntenBekanntenkreis. Fast alljhrlich besucht er die Brder in Hol-land. Im Wuppertal entstehen Tersteegensche Kreise. Hin undher im Lande erwachsen ihm innige Verbindungen. Seine Zeitwird ausgefllt von einem umfassenden Briefwechsel. Vomfrhen Morgen an suchen ihn Menschen auf, oft bis zu fnfzigund sechzig, die nach dem Heil fragen, und denen er Freundund Seelsorger wird.Ein merkwrdiger Mann!Er ist sein Leben lang unverheiratet geblieben. Aberer ist ein Vater in Christo" geworden fr viele. Wer kanndie Zahl seiner geistlichen Kinder zhlen!

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    Ein merkwrdiger Mann 13Ein merkwrdiger Mann!Einen Ketzer", Schwrmer" und Irrlehrer" nennen ihndie orthodoxen Pastoren seiner Zeit. Ein Professor der Theo-logie in Duisburg erklrt: Der gefhrlichste Ketzer unsererZeit ist unstreitig jener Gerhard Tersteegen in Mlheim." Einen Heiligen" nennen ihn seine Freunde. Und Tersteegenschreibt selbst: Ich bin mit einigen begnadigten Professoribusund Predigern von beiderseits Protestanten in Bekanntschaftgeraten."Ein merkwrdiger Mann!Er ist so demtig, da es seinen Gegnern unmglich wird,in Streit mit ihm zu kommen. Er schreibt an einen Freund:Ich bin so fromm gar nicht, als mich viele dafr halten . . .Ich glaube nur dem Licht derWahrheit, in welchem ich michheimlich und einfltig fr den Elendsten halte." Im Vor-bericht" zu seinem Geistlichen Blumengrtlein" schreibt er:Ich kann demnach dem Leser von meiner k l e i n e n Arbeitnichts Groes versprechen; zumal es unter anhaltenden Haupt-schmerzen und Leibesschwchlichkeit geschrieben ist." Aberdieser demtige Mann wird gro und stolz und kniglich,wenn er auf den Inhalt seiner Verkndigung zu sprechenkommt: "Was die Materie anlanget (wie schlecht und kin-disch sie auch einem Vernnftling vorkommen mchte), so istselbige allerdings der Wahrheit gem, ja, heilig und gttlich."Ein merkwrdiger Mann!Seine Freunde stellen ihm groe Summen zur Verfgung.Abends in der Dunkelheit geht er aus, um die Armen zubesuchen und ihnen zu helfen mit dem, was er besitzt, aber er selbst bleibt in den rmlichsten und drftigsten Ver-hltnissen.Ein merkwrdiger Mann!Er wird als Arzt von vielen begehrt. Er schreibt darber:Jetzt habe ich noch solche kleine Nebenarbeit, da ich nm-lich einfltige Medikamente verfertige (wovon ich so etwasverstehe), welche drftige Kranke bei mir holen lassen." DieLiebe zur Natur hat Tersteegen zur Arzneikunde gefhrt. DieMedizin gibt viel Nachdenken, viel Verdru und viel Ver-antwortung. Ich brauche nur ein paar Sorten Pillen, einige

    Pulver und Essenzen, alle von einfacher Komposition. Auer-ordentliche, geheime und chemische, Ungewisse Seltenheitenmacht Gott zuschanden und segnet verachtete Krutlein. Traue

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    14 Gerhard Tersteegen (16971769)den Laboratorienbchern nicht und forsche nicht tglich inalchimistischen Irrgrten!" Seine Krutlein" haben vielenhelfen knnen. Der Mann selbst aber ist sein Leben langkrank, schwchlich und von vielen Schmerzen geplagt.Ja, ein merkwrdiger Mann!Von der Kirche seiner Zeit wird er weithin abgelehnt, jabekmpft. Er selber steht allen Kirchen und Konfessionenlange Zeit seines Lebens gleichgltig gegenber. DerselbeMann aber beeinflut das kirchliche Leben ganz bedeutend.Tersteegensche Kreise whlen glubige Pfarrer, durch die daund dort Erweckungen entstehen.Ein merkwrdiger Mann!Und doch ist dies seltsame Leben ein Leben aus einemGu, ein Leben in der Nachfolge Jesu und in der Gemein-schaft mit Ihm.Am Grndonnerstag des Jahres 1724 hat Tersteegen mitseinem eigenen Blut folgende Verschreibung angefertigt, dieer 1731 und 1738 wiederum mit seinem eigenen Blut er-neuerte: Ich verschreibe mich Dir, meinem einigen Heilandund Brutigam Christo Jesu, zu Deinem vlligen und ewigenEigentum. Ich entsage von Herzen allem Recht und allerMacht, so mir der Satan ber mich selbst mit Unrecht mchtegegeben haben, von diesem Abend an, als an welchem Du,mein Blutbrutigam, mein Hort, durch Deinen Todeskampf,Ringen und Blutschwitzen im Garten Gethsemane mich Dirzum Eigentum und Braut erkaufet, die Pforten der Hllezersprengt und das liebevolle Her z Deines Vaters mir erffnethast. Von diesem Abend an sei Dir mein Herz und meineganze Liebe auf ewig zum schuldigen D ank ergeben und auf-geopfert von nun an bis in Ewigkeit; nicht mein, sondern DeinWille geschehe! Befehle, herrsche, regiere in mir! Ich gebe DirVollmacht ber mich und verspreche, mit Deiner Hilfe undBeistand eher dieses mein Blut bis auf den letzten Tropfenvergieen zu lassen, als mit Deinem Willen und Wissen in-oder auswendig Dir untreu oder ungehorsam zu werden. Siehe,da hast Du mich ganz, ser Seelenfreund, in keuscher, jung-frulicher Liebe Dir stets anzuhangen. Dein Geist weiche nichtvon mir, und Dein Todeskampf untersttze mich! Ja, Amen!

    Dein Geist versiegle es, was in Einfalt geschrieben Deinunwrdiges Eigentum G erhard Tersteegen".

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    15Zu Tersteegens FenW o i s t G o t t z u f i n d e n ?

    Kommet, ihr von Gott zu Seinem reinen Dienste des Geistesberufenen Seelen! Lasset uns in der Kraft des Herrn uns los-machen von allem Sichtbaren; von den Sinnen, von der Ver-nunft und von allen Eigenheiten; damit wir als recht Ab-geschiedene, Vereinfltigte, reine Kreaturen, in unsern Geistund Seelengrund knnen einkehren; und Gott (welcher auchein Geist ist) daselbst finden, schauen, lieben, und SeinenFrieden genieen mgen, welcher hher ist als alle Vernunft.(Vorbericht zum Blumengrtlein)

    K r e a t u r n g s t e t n u rSobald du suchst in dir und im Geschpf Gengen,So kann dein armer Geist, glaub's, keinen Atem kriegen:Du Unbarmherziger! La deinem Geist doch Luft;G ott ist sein Elem ent, der dir so freundlich ruf t.(Blumengrtlein)

    Wenn man wider Willen noch in sich selbst gefangen bleibet,Und bald die, bald jene Kunst in uns herrschet, in uns treibet:Das ist wohl ein harter Dienst, voller Unruh', Mh' undSchmerz!O, wie klagt und jammert man! O wie chzet da das Herz!Sei getrost, bedrckte Seele. So sollst du nicht immer leben,Gott wird dir zu seiner Zeit wahre Seelenruhe geben.Ei, der Herr kmmt selbst in dich; dann verlachst du deineFeind';Treiber, Welt und Sndenlust dann in dir gebunden seynd.(Kurzgefate Betrachtungen aus dem Propheten Jesaja)

    J e s u sWohl fllt es hart und schwer, den Zorn des Herrn zu tragenIn groen Proben; ach, wer will ihm danken dann!Wer durchpassieret ist, der wei von Dank zu sagen,Da sein getroster Geist von Herzen singen kann:Gott ist mein Heil allein, ich mut' zur Hllen sinken;Der Herr ist meine Kraft; es wre mit mir aus:Zwar find' ich nichts in mir, doch kann ich freudig trinken,Da ich die Quell' des Heils, den Heiland, hab' im Haus.(Kurzgefate Betrachtung ber Jesaja)

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    16 Gerhard Tersteegen (16971769)D i e E i n k e h r

    So hat doch der Tausendknstler (Satan) seine Absichtdabei, nmlich das Gemt auer sich selbst, und also auch vonGott abzuhalten; wodurch man denn auch an der grndlichenErkenntnis Gottes und seiner selbst blinder bleibt, als mandenken sollte. Eben in uns sind ganze Welten zu finden; inunserm Grund ist das Geheimnis der Bosheit und das Ge-heimnis der Gottseligkeit, die Tiefen des Satans und die Tiefender Gottheit zu entdecken durch den Geist. (Briefe)Gott ist willig, und will mir sich und alles Gute schenken;Sollt' ich Wurm mich weigern noch? Sollt' ich lange mich[bedenken?"Willig la ich alles da, willig schenk* ich Ihm das Herz;"Willig folg' ich Seinem Ruf, bringt es gleich dem Fleische[Schmerz.Sprich in meiner Seelen Grund, zeuch mich dahinein zu kehren;Setze, mit Maria, mich; rede, Herr, Dein Knecht soll hren.La Gedanken und Vernunft, Sinn und "Willen schweigen still;Haue nieder durch Dein Schwert, was in mir sich weigern will.(Betrachtungen ber Jesaja)

    Der Abend kmmt, die Sonne sich verdecket,Und alles sich zur Ruh und Stille strecket.O meine Seel', merk auf! "Wo bleibest du?In Gottes Scho, sonst nirgend findst du Ruh.Der "Wandersmann legt sich ermdet nieder;Das Vglein fliegt nach seinem Nestchen wieder;Das Schaf lein auch in seinen Stall keh rt ein:La mich in Dich, mein Gott, gekehret sein.Ach, sammle selbst Begierden und Gedanken,Die noch so leicht, aus Schwachheit, von dir wanken;Mein Stall, mein Nest, mein Ruhplatz, tu dich auf,Da ich in Dich, von allem andern, lauf.

    Die Dunkelheit ist da, und alles schweiget,Mein Geist vor Dir, o Majestt, sich beuget:Ins Heiligtum, ins Dunkle kehr' ich ein,Herr, rede Du, la mich ganz stille sein.

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    Zu Tersteegens Fen 17Mein Herz sich Dir zum Abendopfer schenket,Mein Wille sich in Dich gelassen senket:Affekten, schweigt! Vernunft und Sinnen, still!Mein mder Geist im Herren ruhen will.Im Finstern sey des Geistes Licht und Sonne,Im Kampf und Kreuz mein Beistand, Kraft und Wonne,Deck' mich bei Dir in Deiner Htte zu,Bis ich erreich' die volle Sabbathsruh.(Abendgedanken einer gottseligen Seele)

    D i e b e r l a s s u n gMan kann den Feind nicht besser vertreiben alsdurchGeringachtung aller seiner Eingebungen und Einflle. Solangeer merkt, da wir uns so sehr darber beunruhigen, solangeplagt er uns. Wir mssen ihm nicht antworten, nicht mit ihmdiskutieren, ihm nicht glauben! . . . knnte der liebe Freundsich ganz an Gott verlieren, Ihm berlassen, was Er inZeitund Ewigkeit mit ihm machen wollte, so knnte er nicht ver-lorengehen, sondern die Macht des Feindes wrde bald an ihmgebrochen und seine Unruh e gestillt werden. (Briefe)

    Jetzt hlt mein Freund sich auf im Kabinett inwendig.W i e erda ist, w a s erda drinnen macht,Ich nicht zu sehen und nicht zu wissen tracht*.Mit seinem Tun vergngt, la ich ihn immer machen.Doch in mir bin ich arm und blo,Die Drr' und Dunkelheit ist gro;Ich soll dennoch nicht weinen und nicht klagen,Nicht sehen um, nicht frchten und nicht fragen:Wo bin ich hier? Ist dies der rechte Pfad?Ich leb' so hin auf Gottes Gnad',Das Ruder ist nicht mehr in meiner Hand;G ott wei, wo noch mein Schiff lein findet Land!Ich bin zufrieden doch in dieser meiner Pein;D i e b e r l a s s u n g m u j e t z t o h n e

    [Schranken sein.(Blumengrtlein)

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    18 Gerhard Tersteegen (16971769)L e i d e n t l i c h k e i t

    Go t t w ill der W i r k e r in d ir sein :D u m ut sein W irken l e i d e n :Halt dich nur innig, still und kleinVor Ihm zu allen Zeiten. (Blumengrtlein)

    Wir lassen uns nur durch die treue Zucht, Lockung und Kraftdieser tief verborgenen, nahen Gottesliebe ausfhren aus allerbetrglichen Lust dieser Welt und dem qulenden Leben derSelbstheit; geben zu dem Ende unser Herz und Willen so blound blind dieser innigen Liebe gefangen, da sie unser Einund Alles sei, und uns fhre nach ihrem freien Belieben.Sehet da die ganze Sache! Sodann bleibt und wird man nurimmer mehr ein einfltiges Herzenskindlein, bt sich frei,ohne Kunst, im Innebleiben, Lieben, Leiden und berlassen;und wird dergestalt aus lauter Gnade gerecht, heilig und seligvon nun an, und hat Gemeinschaft mit dem Vater, in seinemSohne Jesu Chris to . (Vorbericht)

    Jesus zu der Seele:Du sprichst, ich mge dich bewirken und bereiten;Nun streck' die Hnde aus, und la mich machen dann:Dein eigner Will* und Sorg', dein Treiben und ArbeitenStrt deine Ruh', und macht, da ich nicht wirken kann.Schau' nur die Blmlein an bei heit'rem Sommerwetter,Sie halten sich ganz still und ffnen ihre Bltter,So scheint die Sonne drein, und wirket snftiglich;So will ich's machen auch,h a l t d i c h n u r l e i d e n t l i c h .

    (Blumengrtlein)B r i c h d e n W i l l e n !Kopfbrechen findet nimmermehrDes Herren Gegenwart und Lehr';Ach, brich nu r deinen W i l l e n !Dein Herz halt ausgeleert und rein,Einfltig, innig, froh und klein,Bald wird dich Gott erfllen. (Blumengrtlein)

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    Zu Tersteegens Fen 19Offenbarung, Wundergaben,Trost und Sigkeiten haben;Ehre, "Welt und Geld verachten;Vieles wissen und betrachten;Fasten, lesen, singen, beten,Und mit Engelzungen reden:Alles dieses acht' ich nicht,W o m an nicht den " W i l l e n b r i c h t .(Blumengrtlein)

    H a l t e n i c h t s z u r c kGib deinen liebsten BenjaminIn Gottes Hnde willig hin,Sonst bleibt die Angst in deiner Seelen,Und mu bedrckt dich immer qulen.(Blumengrtlein)D a s i n w e n d i g e L e b e n

    Ein Stein sich nach der Erde neigt;Ein Flmmlein in die Hhe steigt;Ein Fisch will in dem "Wasser leben;Ein Vogel in den Lften schweben;Wann jedes da ist, wo es soll,So ist es still, und ihm ist wohl:Mein Geist ist ruhig und vergngt,Wann er in Gotte, seinem Ruhpunkt, liegt.(Blumengrtlein)O welche Seligkeit, sein Gut stets bei sich tragen,Und seinen besten Freund in seiner Seelen Grund;Man geht nicht mehr herum, bei Kreaturen fragen,Wenn sich der Schpfer selbst dem Geiste machet kund.(Blumengrtlein)

    N i c h t e t w a s v o n G o t t G o t t s e l b s tLa Kreaturentrost, so kriegst du Gottes Gaben,Doch ruh auch hier nicht in , w illst d u G o t t s e l b e r haben .(Blumengrtlein)

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    20 Gerhard Tersteegen (16971769)W enn G ott die Seinen fhrt im W e g e d e r G e r i c h t e n ,Da sich der Herr verbirgt, und alles dunkel scheint;So gehet doch nach ihm ihr Denken und ihr Dichten;Des Herzens Lust nur Gott und seinen Willen meint:Ihr stetes Herzens Ach, ihr inniges Begehren,Geht nur nach ihrem Schatz, auch in der dunklen Nacht;Sie warten, ohne sich zur Kreatur zu kehren;Ihr Geist, so spt als frh, zu Gott alleine wacht.(Betraditungen zu Jesaja)

    Der SchriftstellerFnf Jahre lang, von 17191724, hat Tersteegen in ge-radezu unheimlicher Einsamkeit gelebt. Er sah oft tagelangkeinen Menschen als das Mdchen, das ihm die paar Lebens-mittel brachte. Er hat spter einmal in einem Brief von dieser

    Zeit geschrieben: Es lt sich gut von der Armut leben,solange man mit reichen und geneigten Freunden umgebenist. Schreiber dieses hat im Anfang Zeiten erlebt, da er bismorgens kaum Brot wute und ohne Freunde war, die vonseinen Umstnden Nachricht hatten. Von morgens fnf bisneun abends wirkte er, lag auch wohl zehn bis zwlf Wochenkrank zu Bett oder auch auf dem Boden, ohne da auchFreunde, bei denen er im Hause wohnte und Lsegeld zahlte,nur eine ihrer migen Mgde hinaufgeschickt htten, mireinen Trunk Wasser zu reichen. Ich aber dachte, es mte sosein!"

    Diese Zeit war fr Tersteegen auch eine Zeit tiefen innerenRingens. Es ging ihm hier die ganze Verlorenheit und Ver-derbtheit der menschlichen Natur auf. Und er erkannte dievllige Unmglichkeit, in eigener Kraft mit sich selbst fertigund Gott wohlgefllig zu werden.

    Fnf dunkle Jahre, von deren Not und Kampf wir nuretwas ahnen knnen aus Andeutungen in seinen Schriften.Tersteegen selbst hat es immer abgelehnt, seine eigene Lebens-geschichte zu schreiben.Am Ende der fnf Jahre aber erkannte er die herrliche,alles erneuernde Macht der Gnade Gottes. Es war, als ob dieSonne aufginge in seinem Leben. Aus dieser seligen Erfahrungentstand das Lied:

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    Der Sdjriftsteller 21Wie bist du mir so innig gut,Mein Hoherpriester du!"Wie teur und krftig ist dein Blut!Es bringt mich stets zur Ruh'!Wenn mein Gewissen zagen willVor meiner Sndenschuld,So macht dein Blut mich wieder still,Setzt mich bei Gott in Huld.Es gibet dem bedrckten SinnFreimtigkeit zu Dir,Da ich in Dir zufrieden bin,Wie arm ich bin in mir . . .

    Nun nderte sich auch sein Leben. Er nahm einen Stuben-genossen, Heinrich Sommer, zu sich. Den lehrte er das Band-weben. Die beiden lebten nach einem genauen Tagesplan.Von sechs bis elf Uhr wurde gearbeitet. Dann zogen sich beidebis zum Mittagessen eine Stunde in die Einsamkeit zurck zuSchriftbetrachtung und Gebet. Von ein bis sechs Uhr betriebensie wieder ihr Handwerk. Die Abendstunden brachte jederfr sich allein zu.In diesen Abendstunden wurde der Bandwirker zum frucht-baren Schriftsteller. Seine erste Schrift war fr die Kinderseines Bruders bestimmt, denen er jede Woche einige Stundenwidmete. Fr diesen Unterricht der Kinder schrieb er denUnparteiischen Abri christlicher Grundwahrheiten". DieseSchrift ist gewissermaen ein Katechismus mit Fragen undAntworten.Sein Hauptinteresse wandte er den Mystikern zu. Ich findemich verpflichtet, dergleichen verborgene Seelen und Wahr-heiten meinen Mitpilgern zur Erbauung, Erquickung undStrkung bekannt zu machen." So bersetzte er die Schriftdes ursprnglich katholischen, dann reformierten MystikersLabadie: Manuel de Pit", d. i. Handbchlein der wahrenGottseligkeit". Diese erste Schrift, die Tersteegen bersetzte,sollte eine Anleitung zum gottseligen Leben sein. Fr ge-frderte Christen bearbeitete und bersetzte er die Schriftendes katholischen Mystikers Johann von Bernires Louvigny, dieer unter dem Titel Das verborgene Leben mit Christo inGott" verffentlichte. Ich hab* es nicht ohne Ursache ,Dasverborgene Leben' genannt", sagt er in einem Brief, nicht

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    2 2 Gerbard Tersteegen (16971769)allein, weil es zu einem inwendigen, geistlichen, abgeschiedenen"Wandel und verborgenen Umgange mit Gott eine gute An-leitung sein kann, sondern auch, weil die Wahrheiten, die derliebe Mann darin vorgestellet, verborgen sind, verborgen derbloen, natrlichen Vernunft, aber wohl auch andern gutenSeelen."Auch die Nachfolge Christi" des Thomas von Kempen hatTersteegen neu herausgegeben.Seine bersetzungen sind nicht blo mechanische ber-tragungen, sondern zugleich Bearbeitungen, Wrdigungen, jaVerteidigung der Mystiker. So sagt er zu der Schrift desThomas von Kempen:Sonderlich hat man ganz ohne Grund dieses BchleinEinfltigen verdchtig machen wollen unter dem scheinbarenVorwande, da nichts von dem Verdienste Jesu Christi fruns anzutreffen wre. Es ist ein recht listiger Fund der.altenSchlange und ihres "Werkzeuges, der verderbten Vernunft, da,wenn etwa ein Zeugnis sie was hart antastet, sie dann flugsmit dieser greulichen Beschuldigung sich wehret: Er hlt nichtsvom Verdienste Christi, er ist nicht lauter in der Lehre vonder Rechtfertigung, er ist nicht evangelisch usw., womit sieeinfltige hungrige Gemter abzuschrecken gedenket, damitihr "Wahnglaube nicht verraten, ihre falsche Ruhe nicht ge-strt werde. Jesus Christus, der uns mit seinem teuren Blutvon der Erde ihm zum Eigentume erkauft hat, der aber auch,indem er fr uns gelitten, uns ein Vorbild gegeben, da wirnachfolgen sollen seinen Futapfen: der bewirke uns dergestaltdurch seinen Geist, da eben der Sinn auch in uns sein mge,welcher in ihm war, uns nmlich in grndlicher Absterbungauszuleeren von aller Kreatur- und Selbstliebe, damit wir diewenigen Tage unserer "Wallfahrt zubringen mgen in wahrerEnthaltung von aller vergnglichen Lust, tot zu werden vonder Snde, fremd der "Welt und uns selbst, ihm aber und derstillen Ewigkeit im Geist bekannt und gemeinsam; und wiewir ihm dergestalt als Gste und Fremdlinge mit geschlossenenAugen nachfolgen und mit ihm stille fortwandeln mgen durchdie "Wste dieser "Welt bis in unser wahres und ewiges Vater-land. Ja, Jesu, bringe uns Verirrte und Verlorene also wiederzu dir, da wir wieder heim kommen! Amen."Es ist nicht mglich, hier alle Schriften Tersteegens zunennen. Am bekanntesten wohl und umstrittensten sind seine

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    Der Schriftsteller 2 3Bcher vom Leben heiliger Seelen". Zwanzig Jahre hatTersteegen an diesem dreibndigen Werk gearbeitet. Fnfund-zwanzig Lebensbilder sind darin dargestellt. Mhsam hat erden Stoff dazu gesammelt. Um dieser Schrift willen istTersteegen viel angegriffen worden bis in unsere Tage. Es istihm vorgeworfen worden, da er nur katholische, mnchische,einsiedlerische, quietistische Ordensleute" dargestellt habe. DerVorwurf ist sicher nicht unberechtigt. Aber Tersteegen sah ebendiese Menschen, die er darstellte, m it s e i n e n Augen. U ndso sehr er sich um geschichtliche Treue mhte, so sah er siedoch eben nur von dem einen Gesichtspunkt her: Menschen,die ein verborgenes Leben mit Christus in Gott fhrten.Fr uns sind Tersteegens eigene Schriften wertvoller alsseine bersetzungen. Da ist das: Geistliche Blumengrtleininniger Seelen" oder Kurze Schlureimen, Betrachtungen undLieder ber allerhand Wahrheiten des inwendigen Christen-tums; zur Erweckung, Strkung und Erquickung in dem ver-borgenen Leben mit Christus in Gott". Da sind die GeistlichenBrosamen, von des Herrn Tisch gefallen, von guten Freundenaufgelesen, und hungrigen Herzen mitgeteilt". Da sind ver-schiedene Erweckungsreden, die Tersteegen in Versammlungengehalten hat. Oft saen acht Schreiber in diesen Versamm-lungen und schrieben seine Ansprachen mit; die Stenographiewar damals noch nicht erfunden.

    Besondere Erwhnung verdient die schne Schrift: Ge-danken ber die Werke des Weitweisen zu Sanssouci". Manvermutet, da es der Oberkonsistorialrat Hecker in Berlingewesen ist, der Tersteegen zur Abfassung dieser Schrift ver-anlat hat. Eine glaubwrdige berlieferung berichtet, Heckerhabe das Bchlein dann in die Hnde Friedrichs des Groengebracht und dieser habe, nachdem er es gelesen, geurteilt:Knnen das die Stillen im Lande!" Der rheinische Kirchen-geschichtsschreiber Max Gbels sagt in der Geschichte deschristlichen Lebens": In diesen ,Gedanken' erblicken wir denfeinen und tiefen Geist Tersteegens in seiner Vollendung. Siegehren auch vom rein weltlichen, sthetischen Standpunkteaus zu dem Besten und Schnsten, was das durch Schiller undGoethe damals noch nicht aufgeweckte deutsche Volk geleistethat, ja, sie reihen sich wrdig den ersten Erzeugnissen deut-schen Geistes und deutschen Fleies an. Es gehrte damalsein nicht geringer Mut dazu, dem von dem ganzen deutschen

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    2 4 Gerhard Tersteegen (16971769)Volke um seiner kniglichen Taten willen gefeierten Knige,als dessen Untergebener Tersteegen sich wenigstens in welt-lichen Dingen ansah, an seiner schwachen und empfindlichenSeite entgegenzutreten und die Hohlheit und Nichtigkeit seinersittlichen Grundstze und seine religise Beschrnktheit offenaufzudecken, wie es Tersteegen entschieden, wenn auch schch-tern und rcksichtsvoll getan hat."*Als Tersteegen den Tod nahen fhlte, sagte er im Blick aufseine Schriften: Ich bin ganz beruhigt ber meine Schriften,die ich hinterlasse. Ich fhle darber gar keine Sorge nochBestrafung, als ob etwas Verdchtiges oder Irriges darin ent-halten wre. Ich habe alles, was ich geschrieben, als wichtigeWahrheiten an mir selbst erfahren und kann daher der Ewig-keit getrost entgegensehen."

    Der LiederdichterEine kleine persnliche Erinnerung aus dem Weltkrieg:Unsere Batterie ist nach schweren Verlusten aus der Frontherausgezogen und in Ruhestellung gekommen. Am Abendstehen wir auf dem Marktplatz der kleinen franzsischenStadt. Von ferne drhnt die Unruhe der Front wie weitabrollender Donner. Die Militrmusik spielt schneidige Mrsche,die ins Blut gehen und die Augen leuchten machen. Zum

    Schlu kommt der Groe Zapfenstreich. Und da klingt esgewaltig auf Ich bete an die Macht der Liebe". Still gehendie Feldgrauen in ihre Quartiere. Der unscheinbare Band-wirker aus Mlheim hat zu ihnen gesprochen.Viele der herrlichen Lieder Tersteegens sind Allgemeingutin der Christenheit geworden. So das gewaltigeGott ist gegenwrtig,Lasset uns anbetenUnd in Ehrfurcht vor Ihn treten.Oder das jubilierende Weihnachtslied:Jauchzet, ihr Himmel,Frohlocket, ihr Engel in Chren,Singet dem Herren,Dem Heiland der Menschen, zu Ehren!Sehet doch da:Gott will so freundlich und nahzu den Verlornen sich kehren.

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    Der Liederdichter 25Wie manche Hausgemeinde schliet den Tag mit dem Vers:Ein Tag, der sagt's dem andern,Mein Leben sei ein "Wandern

    Zur groen Ewigkeit.O Ewigkeit, du Schne,Mein Herz an dich gewhne,Mein Heim ist nicht in dieser Zeit."Wer kennt nicht das Pilgerlied:Kommt, Kinder, lat uns gehen,Der Abend kommt herbeimit dem gewaltigen Schlu:Drauf wollen wir's denn wagen,Es ist wohl wagenswert,Und grndlich dem absagen,"Was aufhlt und beschwert.Welt, du bist uns zu klein,

    Wir gehn durch Jesu LeitenHin in die Ewigkeiten:Es soll nur Jesus sein.Leider sind viele herrliche Lieder Tersteegens reichlich un-bekannt. Wir wollen eins der schnsten zum Schlsse diesesAbschnitts hier bringen:A n d a c h t b e i n c h t l i c h e m W a c h e nNun schlafet man Und wer nicht schlafen kann,Der bete mit mir anDen groen Namen,Dem Tag und NachtWird von der Himmelswacht

    Preis, Lob und Ehr gebracht,O Jesu, Amen!Weg, Phantasie!Mein Herr und Gott ist hie.Du schlfst, mein Wchter, nie,Dir will ich wachen.Ich liebe dich,Ich geb zum Opfer michUnd lasse ewiglichDich mit mir machen.

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    2 6 Gerhard Tersteegen (16971769)Es leuchte dirDer Himmelslichter Zier;Ich sei dein Sternlein, hierUnd dort zu funkeln.Nun kehr' ich ein;Herr, rede du alleinBeim tiefsten StilleseinZu mir im Dunkeln.

    QcmeinschaftIn einem Lied singt Tersteegen:O, wie lieb' ich, Herr, die Deinen,Die Dich suchen, die Dich meinen,O wie kstlich sind sie mir!, Du weit, wie mich's oft erquicket, .Wenn ich Seelen hab' erblicket,Die sich ganz ergeben Dir.Nachdem er im Jahre 1725 seine selbstgewhlte Einsamkeitdurchbrochen hatte, begann fr ihn ein Leben in einer reichenGemeinschaft mit vielen ernsten Christen. In Mlheim war eswohl der Kandidat Hoffmann, der ihm zunchst den Weg zuden Brdern" ebnete und ihn in die Gemeinschaft der er-weckten Kreise hineinzog.Dieser Kandidat Hoffmann war ein stiller, innerlicherMensch. Sein Leben war durch viel Herzeleid und Trbsalgefhrt worden. Es ist uns von ihm ein kleiner, so sehr be-zeichnender Vers erhalten:

    Leiden ist jetzt mein Geschfte,Anders kann ich jetzt nichts tun,Als nur in dem Leiden ruhn.Leiden mssen meine Krfte,Leiden ist jetzt mein Gewinnst,Das ist jetzt des Vaters Wille,Den verehr' ich sanft und stille.Leiden ist mein Gottesdienst.

    Dieser Hoffmann hielt jeden Donnerstag Versammlungen, indenen sich die erweckten Kreise sammelten. Nun ruhte er nicht,bis er im Jahre 1725 Tersteegen dazu brachte, je und dann

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    Gemeinschaft 27in seinen Versammlungen mitzuhelfen. Vom Jahre 1730 ansprach Tersteegen regelmig in diesen Donnerstagsstunden.Jetzt kamen von weither die Menschen zusammen. Viele wur-den erweckt und trugen das Feuer weiter in ihre Heimat.Allmhlich lie sich Tersteegen auch bereit finden, in Ver-sammlungen auerhalb Mlheims zu sprechen. Einer, der solcheVersammlungen miterlebt hat, gibt uns davon eine anschaulicheSchilderung: Tersteegen pflegte besonders zur Sommerzeit aufdem Lande sonntags nachmittags Versammlungen zu halten.Es ging nach beendetem Nachmittagsgottesdienst zum Ort hin-aus. Die hagere Gestalt im braunen Rock mit dem blassen,aber freundlichen Antlitz und den leuchtenden Augen mochtejedermann berzeugen, dieser Mann sei ein Freund Gottes. DasBauernhaus war gewhnlich bei seiner Ankunft mit Menschengefllt, und es muten Tr und Fenster ausgehoben werden,damit die Drauenstehenden ihn hren konnten. Wenn dannTersteegen sich hinter den Tisch setzte, auf dem die Bibel lag,entstand eine lautlose Stille, man fhlte die Nhe Gottes unddas sanfte Wehen Seines Geistes. Das in seiner Versammlungbliche Liederbuch war ,Das Harfenspiel der Kinder Gottes*.Es enthielt in der Rubrik ,Christliches Leben und Wandel* diebezeichnenden Abschnitte: ,Von der inneren Stille', ,Vom Wan-del in der Gegenwart Gottes', ,Von der Kindergestalt inChristo*. Mit wieviel Segen Tersteegen redete, bewies dieFrucht; viele bisher innerlich Unvernderte, die Tersteegennur einmal hrten, wurden von der durchdringenden Kraftseiner Rede so gerhrt, da sie zu einer grndlichen und dauer-haften Bekehrung gelangten. Viele Erweckte wurden durchseine sen Reden so eingenommen, da sie in allerlei Ver-suchungen, Proben und Anfechtungen mit dem grten Zu-trauen sich bei ihm Rat erholten; wobei sie durch seine weiseAnleitung in ihrem Zutrauen gestrkt wurden."

    Ein neuer Mittelpunkt des geistlichen Lebens wurde diePilgerhtte" bei Heiligenhaus.Wer auf der groen Verkehrsstrae von Heiligenhaus nachVelbert wandert, der sieht noch heute auf der linken Seite jetzt eingekeilt zwischen Eisenbahn- und Autoverkehr einkleines, unscheinbares, langgestrecktes, schieferverkleidetes

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    2 8 Gerhard Tersteegen (16971769)bergisches Haus. Bis zu diesem Tage versammeln sich dorternste Christen zu Gemeinschaftsstunden. Dies Huslein ist vollkstlicher Tersteegen-Erinnerungen.Das ist die Pilgerhtte 0!

    Da lebte auf einem kleinen Ackergut ein Bauer Otterbeckmit seiner Schwester Eisgen. Die beiden waren treue FreundeTersteegens. Auf seinen Rat bauten sie im Jahre 1727 bei dergroen Erweckung diese Pilgerhtte. In diesem Haus sollte derTersteegensche Gedanke eines christlichen Lebens Wirklichkeitwerden. Eine Schar junger Mnner zog ein und bildete eineBruderschaft": Gott allein zu dienen, in der wahren Hei-ligung gebt zu werden, wonach sich die Brder in der Ver-einigung der Herzen bestreben sollen". Ihren Lebensunterhaltverdiente sich die Bruderschaft" durch die Bandwirkerei.

    Wie manches Mal ist Tersteegen auf einem frommen Rleinvon Mlheim zur Pilgerhtte" geritten! Dabei hatte er einmalein aufregendes Erlebnis. Als er durch den Wald ritt, riefen ihnein paar herumstreifende Soldaten zornig an: Halt Er in desTeufels Namen!" Tersteegen wandte sich ihnen gelassen zu underwiderte ruhig: Der Teufel hat mir nichts zu befehlen!"In dieser Pilgerhtte" ging es leider nicht immer so zu,

    wie Tersteegen es gewnscht hatte. Ja, die Brder machten ihmmancherlei Not. Vielleicht aus dieser Erfahrung heraus schreibter einm al: W o auch nu r zwei gottsuchende Gem ter be i-sammenwohnen, da kommt der Feind in die Mitte und strtden Frieden durch bse Reizung, argwhnische Eingebung beieinem oder dem andern oder gar bei einem durch den andern."Ein andermal schreibt er an einen der Brder: Glaube in

    deinem Gewissen fest und unstreitig, da k e i n e r i mg a n z e n H a u s e v e r k e h r t e r , r m e r , b l i n d e ru n d u n t c h t i g e r sei im Leiblichen und Geistlichen alseben du. Sage solches keinem Menschen, sondern glaube es inaller Einfalt vor Gott. Aus diesem Grunde achte, liebe, dieneund hilf, nachdem es die Umstnde erfordern, einem jedenvon Herzen als aller Knecht; verlange aber solches von andernnicht."Immerhin hat die Bruderschaft" bis zum Jahre 1853 be-standen. Und es ist viel Segen von ihr ausgegangen.

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    Gemeinschaft 29Ein weiterer Mittelpunkt des Tersteegenschen Einflusses ent-s tand im W u p p e r t a l . 1747 kam Tersteegen zum erstenmalnach Barmen. Er kehrte dort bei einer Familie Evert ein. Bald

    verband ihn mit den beiden Shnen Abraham und Engelberteine herzliche Gemeinschaft. Gott sei gedankt, gelobt und ge-liebt", schrieb er einmal an Engelbert, da wir einander aufdem Pilgerwege gefunden und uns in Seiner Liebe lieb ge-wonnen. Es wird auch noch ferner zu beiderseitiger Strkung,zur Befrderung des gttlichen Lebens und Reiches und zuunseres Gottes Ehre gesegnet sein. Das traue ich Seiner Gtekindlich zu."Das Evertsche Haus war lange Zeit der Mittelpunkt derdurch Tersteegen erweckten Kreise. An jedem Sonntag fandeine Versammlung statt, in der Gottes Wort oder die Schriftenvon Tersteegen betrachtet wurden. Jene Kreise waren es, diespter den gesegneten Gottfried Daniel Krummacher in dasWuppertal holten, durch den eine gewaltige Geistesbewegungentstand.In K r e f e l d w ar schon lnger geistliches Leben durchmennonitische Brder entstanden. Ihr Wandel war sehr stillund erbaulich, und sie waren Lichter und Vorbilder der ganzenStadt. Ihr Hausrat, Kleidung, Essen und Trinken war gering,aber doch alles ordentlich. So schildert sie ein Zeitgenosse.Zu solchen Leuten fhlte sich Tersteegen hingezogen. Undbald entstand eine herzliche Freundschaft, namentlich mit denKrefelder Brdern Lobach und Stitius. In einem seiner Briefeschildert Tersteegen einen Besuch in Krefeld: Noch mu ichEuch was Besonderes erzhlen. Des anderen Tages sandten dieFreunde von Krefeld unvermutet eine Kutsche an den Rhein,mich abzuholen. Weil ich nun ziemlich schwach und auf demBette war, so sandte ich den Freund S. mit einem Briefleindahin und schlug es gnzlich ab da kamen die Freunde mitder Kutsche bis hierher, und ich mute mich des anderen Tagesresolvieren, dorthin zu reisen. Sobald es nun ruchbar war, daich in der Stadt sei, kam das Konsistorium der Mennonitenzusammen, ohne da ich davon wute. Sie sandten dann ihrebeiden Prediger zu mir und lieen mich ersuchen, einen Tag zubestimmen, wann ich in ihrer Kirche predigen wollte, denn siewuten, da ich nicht ber den Sonntag bleiben wollte. DiesesErsuchen kam mir, wie Ihr Euch leicht denken knnt, fremdvor, gleichviel resolvierte ich mich in Gottes Namen, es als

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    30 Gerhard Tersteegen (16971769)einen Wink an seiner Hand anzunehmen. Des Mittwochs mor-gens, als dem 25. August, kamen die Prediger und begleitetenmich nach der Kanzel. Wie ich in die Kirche kam, war sie ge-pfropft voll von allerlei Religionen, und Gott gab mir zureden ber 2. Petri 3, 11. Wenn ich mit dieser VermessenheitGott so gut gefallen habe wie den Zuhrern, wird es wohl gutgehen. Die Menschen waren sehr gerhrt und einige so stark,da man hoffen kann, da es haften bleiben wird!"In A m s t e r d a m lebte ein vornehmer Mann, der MynheerPauw. Der hatte all seinen Reichtum, sein stattliches Haus,Kutschen und Diener verlassen und fhrte ein stilles Leben inder Armut Christi. Dieser Mann hatte viel von Tersteegengehrt und htte ihn gern einmal gesehen. So lud er ihn mehr-mals ein, nach Amsterdam zu kommen. Aber Bruder Tersteegenwar zu elend und berbrdet. Er lehnte alle Einladungen ab.Holland schien ihm zu fern.

    Abej5.';!3Etes" .Tages bekam er die Nachricht, Mynherr Pauwwolle sich nun selbst auf den Weg machen nach Mlheim, umihn zu begren. Das schien dem demtigen Mann zu viel derLiebe. Schnell entschlo er sich, dem Hollnder zuvorzu-kommen. Und ehe der noch einen Reisewagen bestiegen hatte,trat Tersteegen bei ihm ber die Schwelle.Wohl hatte Tersteegen zuerst gemeint, er knne in derStille bei seinem Bruder Pauw ausruhen. Aber davon warbald keine Rede mehr. Seine Ankunft wurde bekannt. VieleChristen fanden sich ein. Und es entstanden so lebendige Be-ziehungen, da von da ab Tersteegen fast alljhrlich nachHolland fuhr, um mit den dortigen Brdern Gemeinschaft zuhaben.Immer weiter dehnten sich die Verbindungen Tersteegensaus: Im S i e g e r l a n d , in der W e t t e r a u , in F r a n k -f u r t a. M., in F r a n k e n und in der P f a l z tratenFreunde mit ihm in lebendigen Verkehr. Ja, sein brieflicherVerkehr ging bis nach D n e m a r k , S c h w e d e n undAmerika. Er sagt :Ich umfasse, die Dir dienen;Ich verein'ge mich mit ihnen,

    Und vor Deinem AngesichtWnsch' ich Zion tausend Segen;Strke sie in Deinen Wegen,Leite sie in Deinem Licht.

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    Und die Kir chef 31 .. .Darum sollen wir wrdiglich, solange wir sie haben, indieser Gemeinschaft wandeln und uns lieben als Reisegenossenzum Vaterland der ewigen Seligkeit, so lieben, wir wir unsewig lieben werden als vollkommen schn, ohne Tadel imKnigreich unseres Vaters."

    Und die Kirche?Die Kirche hat es Tersteegen nicht leicht gemacht. Im Jahre

    1740 erlie die kurpflzische Regierung in Dsseldorf wohlauf Betreiben der Kirche ein scharfes Konventikel-Verbot,welches bald darauf auch von Friedrich II., Knig von Preu-en, fr Meurs, Cleve und Mark erneuert wurde. Tersteegenlie sich dadurch nicht verbittern. Er sah darin eine Prfungund Luterung der Erweckung und riet: Man soll der ue-ren Kirche mglichst Genge leisten, solange nichts wider dasGewissen gefordert wird." So widmet er sich in jener Zeit umso mehr den stillen Besuchen in Freundeskreisen.Im Jahre 1750 lebten die ffentlichen Versammlungen derErweckten am Niederrhein wieder auf durch den Studentender Theologie Jakob Chevalier. Von da ab hielt Tersteegenin seinem eigenen Hause Versammlungen, zu denen viel Volksherbeistrmte.

    In seiner frheren Zeit nahm Tersteegen zur Kirche desLandes eine ablehnende oder zumindest gleichgltige Stellungein. In spteren Jahren nherte er sich der Kirche. Das kamvor allem daher, da er in Verbindung trat mit glubigenPredigern, die aus dem pietistischen Kreise in Halle hervorge-gangen waren, so mit Forstmann in Solingen und Henke inDuisburg. Ja , er beteiligte sich am ffentlichen Gottesdienst,wenn der Prediger seinen Glauben weder ermdetenoch rgerte". Trat ihm Feindschaft von der Kirche entgegen,dann sagte er: Das Lstern widriggesinnter Prediger machtkeine Wunden, man beantwortet's mit Stillschweigen und siehtnicht danach um. Gott gebe nur Gnade, richtig und wichtigdem evangelischen Beruf gem zu wandeln, dann mgen auchdie, so jetzt von uns afterreden als von den belttern, nochwohl dem Herrn gewonnen werden, wenn sie unsere gutenWerke sehen und nicht nur gute Worte hren. Lat uns die

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    32 Gerbard Tersteegen (16971769)Gnadenkrfte nicht verschwenden in Nebensachen, in uer-lichkeiten, in neuen Meinungen und Parteilichkeiten, da manam Ende konfus, zerstreut und matt sitzen bleibt. Die Weltbeschftigt sich mit ihren Sachen, lat sie machen. Wir sollenuns nur beschftigen mit unserer Sache, die den ganzen Men-schen dergestalt erfordert, da man nicht Zeit zum Umsehenhat.

    Ein andermal uert er: Ich glaube, da eigentlich in denAugen G ottes n u r z w e i P a r t e i e n auf E rden sind, nm -lich die Kinder der Welt, in welchen die Weltliebe herrscht, unddann die Kinder Gottes, in welche die Liebe Gottes ausgegossenist durch den Heiligen Geist, und da Gott auer diesen aufallen anderen Unterschied und Namen gar nicht reagiert .Ichglaube (und wollte Gott, da mein Glaube in diesem Stckirrig wre), da unter allen Religionsparteien weit die mehr-sten Prediger und Zuhrer zu der Partei der Welt und desAntichristen gehren, obwohl auch Gott unter allen seine Ver-borgenen haben wird, die ich alle und jede herzlich liebe. Ichglaube und bin darin gewi, da sowohl in der Partei derRmisch-katholischen als unter den Lutheranern, Reformiertenund Mennoniten die Seelen nicht weniger als unter denSeparatisten zu dem hchsten Gipfel der Heiligkeit und Ver-einigung mit Gott und also auch zum Recht der Erstgeburtgelangen knnen. Was meine Person und Verhalten anlan-get, so hange ich keiner Religionspartei sektiererisch an, habemich aber auch von keiner frmlich separiert, bin auch nichtSinnes, solches zu tun. Ich gehe zwar in keiner ueren Kirchezum Abendmahl. Sollte aber mein Gewissen erkennen, daGott mehr durch mein Abendmahlgehen als durch mein Davon-bleiben knnte verherrlicht und ich oder mein Nchster inWahrheit erbaut werden, so wrde ich im brigenmir wenig Skrupel daraus machen. Wann ich Gelegenheithabe, einen frommen reformierten oder lutherischen Predigerzu hren, so gehe ich in die Kirche, und wenn ich Gelegenheithtte, einen frommen katholischen kennenzulernen, so wollte

    ich mit eben der Freiheit des Gemts dessen Predigt anhren.Gleichviel, unter allerlei Volk, wer Gott frchtet und rechttut, demselben angenehm ist, also auch mir, er habe sonst diesesoder ein anderes Religionsrcklein an."

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    Ein Ketzer? 33Im Blumengartlein" schreibt Tersteegen:

    W o s o l l i c h z u r K i r c h e g e h e n ?, D u suchst den Tempel weit, der doch, wie G ott, ganze na he ;Das wt ich nicht, sprach, der die Himmelsleiter she:Wo Abraham nur kmmt, er Gott ein'n Altar baut:Da ist die Kirch', wo man Gott sucht, verehrt und schaut.. Dieser Vers ist unserer Zeit, der ein neues Ringen um dieKirche geschenkt wurde, fast unertrglich. Hier ist eine ein-seitige Verkrzung im Blickfeld Tersteegens. Allerdings lag derGrund dafr in der vlligen Verweltlichung der Kirche seiner.Zeit, die das Evangelium mehr oder weniger verloren hatte.Tersteegen fand die Kirche eben doch in der Gemeinschaft Gottliebender Seelen. Und immerhin ist es bedeutsam, da geradedie von ihm beeinfluten Kreise den Kampf um die Kircheaufnahmen.

    Ein Ketzer?Tersteegen wollte Mystiker sein. Und es ist keine Frage, daber die Mystik mancherlei Schwrmereien und Irrlehren indie Kirche einzudringen versuchten. Es ist darum verstndlich,da viele Tersteegen gegenber mitrauisch wurden. Ver-stndlich! Aber nicht berechtigt!Tersteegen hat nicht das geringste gemein mit jener ausIndien stammenden Mystik, die ein evangelischer Christ mitRecht ablehnt.Bei jener Mystik flieht man die Welt und verneint sie alsdas Bse, weil man nicht wei, da sie Schpfung Gottes ist.Wiederum wei man in jener Mystik nichts von der Ver-dorbenheit der menschlichen Natur und der Macht der Snde.Darum lehnt man alle Offenbarung Gottes in der Geschichteund alle groen Taten Gottes" zu unserem Heile ab undsucht Gott allein im Seelengrund.' Jene M ystik wei nichts von der Vershnung und Erlsung.Denn sie bedeutet Selbsterlsung auf dem Wege kontem-plativer Einkehr in das eigene Ich.Jene Mystik wei nichts von Gnade". Denn sie ist letztlichein Tun des Menschen, wenn auch ein passives Tun.

    Darum kann jene Mystik die Heilige Schrift verachten. Siebraucht kein Zeugnis von der Offenbarung und vom Heil.Denn sie findet alles, was sie braucht, in sich selbst.

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    34 Gerhard Tersteegen (1697 1769)Nein, mit dieser Mystik hat Tersteegen nichts zu tun.Tersteegen kennt den h e i l i g e n , m a j e s t t i s c h e n ,j e n s e i t i g e n G o t t , S c h p f e r H i m m e l s u n d d e rE r d e n . Im Vorbericht" zu seinem Blumengrtlein" schreibter: Findet jemand unter euch in diesem Werklein etwas Guteszu seiner Erbauung und Erweckung im kindlichen Glaubens-wandel vor Gott: der denke doch, da es der Vater der Lichtersei, von welchem alle (und also auch diese) gute Gaben vonoben herabkommen; damit er dem wahren Ursprung und Ge-ber dieses Guten alle Ehr' und Dank mit mir dafr abstatte."Wie preist er den erhhten Herrn Jesus, der sich zur Rech-ten des Vater gesetzt hat!Siegesfrste, Ehrenknig,Hchst verklrte Majestt;Alle Himmel sind zu wenig,Du bist drber hoch erhht:Sollt ich nicht zu Fue fallenUnd mein Herz vor Freude wallen,Wenn mein Glaubensaug' betracht'tDeine Glorie, Deine Macht?Ja, dieser Gerhard Tersteegen verliert sich nicht in innerenEmpfindungen wie jene unchristlichen Mystiker. Er kennt denjenseitigen Gott und den erhhten Christus.Er kennt auch die W i r k l i c h k e i t d e r S n d e i nd e r g e f a l l e n e n W e l t . So spricht er von den vonNatur grundverdorbenen und unter der Macht der Finsternishart gefangenen Adamskindern". In dem Unparteiischen Ab-ri christlicher Grundwahrheiten" ist das zehnte Kapitel ber-schrieben: V on dem Unvermgen des gefallenen Menschen,sich selbst wieder aufzurichten; und von der verheienen Er-lsung durch Christus". Den gefallenen Menschen schildert er:Entblt von aller Gnade und Lauterkeit; arm, elend, ent-fremdet von Gott, von dessen Licht, Leben und Frieden....Sklaven der Snde und des Satans, dem sie mehr geglaubt undgehorcht hatten als Gott..., darum konnten sie nun nichtswollen und begehren, als nur was bse war: Auch hatten sienicht die geringsten Gedanken, noch das mindeste Verlangen,sich wieder zu Gott zu wenden, wohl aber sich vor ihm zu ver-bergen und ihn zu fliehen". Und spter lesen wir: Also sindauch alle Bewegungen, Worte und Handlungen eines blonatrlichen Menschen nichts anders, als eine aneinanderhn-

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    Ein Ketzer? 35gende Kette von allerhand Untugenden, Verkehrtheiten,Greueln und Snden. Er begehet in seinem ganzen L e b e nu n d " W a n d e l E itelkeit und T orheit; in seinen W o r t e nVerleumdung des Nchsten und Entehrung Gottes; und ins e i n e n " W e r k e n a lle rhand Ungerechtigkeit . . . und bseStcke. U nd ob er sich gleich von groben, ausbrechendenLastern enthalten mag, so sind doch seine bestscheinenden"Worte und "Werke, ja s e i n G e b e t und vermeinter Gottes-dienst selbst vor Gott ein Greuel, weil er in allem seinenEigenwillen zum Anfang und seine Eigenliebe zum Zweckund Ende hat." Wer so nchtern von der Snde reden kann,bleibt vor unklarer Schwrmerei bewahrt.

    Tersteegen sttzt sich stets und allein auf die Heilige Schrift.Das zweite Bchlein des Blumengrtleins" beginnt mit den"Worten: Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nutz zurLehre, zur Besserung usw. 2. Tim. 3, 16. Dies ist eben dasgroe Vorrecht und der sonderbare Charakter der HeiligenSchrift vor allen andern Bchern der Welt, da in allem, wasGott darin beschreiben lassen, zu unserm Nutzen, zu unsererLehre aufgeschlossen liege."Nein, Tersteegen hat nichts zu tun mit jenen unklarenMystikern, die auf dem "Wege der Selbstversenkung Erlsungsuchen. Tersteegen wei, da unser Heil in dem liegt, wasG ott d u r c h J e s u s C h r i s t u s fr uns getan hat.Ein Frst und Herr der Welt sollt' ich in Adam sein,Und werde nun ein Sklav' aus Adams Stamm geboren:In ersten Adelsstand fhrt Christus wieder ein;Er hat mich ihm zur Braut und Knigin erkoren.. .

    In Kraft der Erhhung Christi" schreibt Tersteegen:Hebr. 9, 12 Christus ist durch sein eigen Blut zu einem Malins Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlsungfunden".Mein Hoherpriester geht ins Allerheiligst ein,Auf ewig Er vershnt die M e n g e meiner Snden:Kommt Snder, liebet Gott, ihr knnt Erlsung finden:Doch soll in Jesu Blut die Sund' ersufet sein.

    Es gibt ein wundervolles Gedicht Tersteegens Von dem drei-fachen Amte Christi und Seiner Glieder". Da heit es amSchlu:

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    36 Gerhard Tersteegen (16971769)Du hocherhabene M a j e s t t ,Mein K n i g , P r i e s t e r und P r o p h e t ,Sei Du mein Ruhm, mein Schatz und Freud'Von nun an bis in Ewigkeit.Darum dringt Tersteegen was jene schwrmerischenM ystiker nie tun auf B u e u n d B e k e h r u n g . Undwiederum bleibt er auch dabei vllig in biblischen Linien. Inden Christlichen Grundwahrheiten" schreibt er unter derberschrift Bue und Bekehrung":

    Frage: Wie will Er denn das Werk der Erlsung in unsausfhren? A ntw ort : Er w ill uns selbst bei der H an dnehmen (Ps. 73, 23. 24), welches geschieht, wann Er uns durchdas berzeugende Licht Seines Geistes und durch Seine ber-windende Gnade und Kraft krftiglich berufet, ziehet undbekehret." *Die Kirche, der es um die Reinheit der Lehre zu tun war,htte es unterlassen sollen, Tersteegen einen Ketzer" undIrrlehrer" zu nennen. Er bleibt auf dem Grunde biblischerHeilswahrheiten.Nur darum ist es ihm mit Ernst zu tun, da er sich derGnade ganz berlasse, damit sie an seinem Herzen ihr Werk

    ausfhren knne. Dazu aber mu der Mensch sich lsen vonder Zerstreuung in die Welt und von den Bildern dieser Weltund sich dem Licht der Gnade berlassen:Wie die zarten BlumenWillig sich entfaltenUnd der Sonne stille halten:La mich so, still und froh,Deine Strahlen fassenUnd Dich wirken lassen!

    Dies Eingekehrtsein", dies Sichberlassen dem Wirken derGnade, dies Erfahren des Wirkens Gottes am Herzen dasist es, was wir Tersteegensche Mystik nennen knnen. Unddamit vertritt Tersteegen allerdings in besonders betonterWeise ein Anliegen nicht nur des Pietismus, sondern derBibel.

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    Johann Peter DiedrichsEr wurde am 4. Mai 1761 zu Elberfeld geboren. Seine Elternwaren fromme Leute. Schon frh sprte er den starken Zug desVaters zum Sohne" und fand seinen Herrn und Heiland. In seinem

    zwanzigsten Lebensjahr erlebte er eine schwere Krankheit. Achtund-vierzig Stunden lang lag er in einem merkwrdigen Starrkrampf. Manhielt ihn fr tot und rstete die Beerdigung. Der Kranke, der keinGlied rhren konnte, vernahm alles, was um ihn her vorging. DieseKrankheit gab seinem Leben eine entscheidende Richtung. Als Berufwhlte er die Lohgerberei und den Lederhandel. Er ging treu sei-nem Beruf nach. Aber sein unscheinbares Wohnhaus in Elberfeld,nahe der alten reformierten Kirche, war nicht nur seinen Geschfts-freunden, sondern vor allem vielen ernsten Christen von nah undfern wohlbekannt. Hier hielt er regelmig seine gesegneten Ver-sammlungen. Viele schlichte Leute sammelten sich um ihn. Aberauch bedeutende Mnner, wie die Professoren Neander und Tho-luck, besuchten ihn gern, wenn sie ins Wuppertal kamen. Am2 . Januar 1836 ging er heim. W o z wei oder drei versammelt sind . . . "Einer der letzten, echten und gesegneten Tersteegenianerwar der alte Diedrichs, der noch nach alter Art TersteegenscheVersammlungen gehalten hat", urteilt ein Kenner des Wupper-tales.Das uere dieser Versammlungen im Hause von Diedrichswar nicht besonders groartig. Man kam in einem engen Stb-chen im Hinterhause zusammen. Vorn am Tisch sa Diedrichs.Ein kleines Talglicht gab notdrftig Beleuchtung. Um Died-richs herum hatten sich einige ltere Freunde versammelt, undan der Wand und in allen Winkeln, schon fast im Dunkeln,die andchtigen Zuhrer. So werden uns die Versammlungengeschildert: Erinnerte der Ort unwillkrlich an die armeHerberge zu Bethlehem, so mahnten die Anwesenden ebensounwillkrlich an die Hirten, die dort um das Heil der Weltsich sammelten. Meist waren es schlichte Handwerker vonjedem Alter. Nur wenige aus anderen Stnden fanden sich

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    38 Johann Peter Diedrichs (17611836)ein. Das wirklich unbequeme und fr manchen unangenehmeLokal mochte sie abhalten. Um so gewisser konnte darauf ge-rechnet werden, da die Kommenden wahrhaft Erbauungsuchende Seelen waren. Fr die Versammlung erwuchs dergroe Segen daraus, da sie die Gestalt des Niedrigen undGeringen behielt, auf welches der Herr in Gnaden herabzu-sehen verheien hat."Wie ging es in diesen Versammlungen zu?Nach Lied und Gebet legte Diedrichs ein Schriftwort aus.Er sprach dabei plattdeutsch. Seine Worte fhrten wirklich indie Tiefe. Der Mann hatte eine reiche Schrifterkenntnis. Dabeiwute er die Worte mit geistlichen Erfahrungen anschaulichzu machen. Es war eine durch und durch seelsorgerliche Aus-legung. Da wurde den Anfngern im Christenstand die Trzum Leben und der schmale Weg gezeigt. Da wurde den Sn-dern der Herr Jesus vor Augen gestellt, dessen Herz vor Er-barmen brennt, zu suchen und selig zu machen, was verlorenist. Da wurden die zurecht gebracht und auf frhlichenGlaubensgrund gestellt, die in ein gesetzliches Treiben hinein-geraten waren. D a wurden auch die Trgegew ordenen auf-gerttelt und zum Kampfe aufgerufen.

    Wenn Diedrichs seine Rede geendet hatte, gab es eine Aus-sprache. Dabei war Diedrichs immer darauf bedacht, dakeine geistreichen Diskussionen aufkamen. Als einmal einerallerlei spitzfindige Fragen aufwarf, erinnerte ihn Diedrichsan die Geschichte von Daniel mit seinen Freunden: Wie dieseJnglinge bei ihrer einfachen Kost besser bei Leibe und klgererfunden wurden als die andern, welche die kstlichen Speisenvon der kniglichen Tafel genossen, so habe auch ich die Er-fahrung gemacht, da solche, die in den einfachen Wahrhei-ten des Evangeliums ihr Genge suchen, in Stunden der An-fechtung standhafter und fester im Glauben sind als andere,die alle Geheimnisse erforschen wollen."Und einem andern, der gern disputieren wollte, sagte er:

    aJunge, lerne das Fechten nicht! Es ist ein gefhrlich Ding.Und wer es kann, der will es auch gern anwenden."Allerlei seelsorgerliche Ratschlge wurden in diesen Stundenerteilt. Da war einer, der konnte seines Heils nicht recht gewiwerden. Dem sagte Diedrichs: Unser Bergisches Land wurdeschon 1814 auf dem Wiener Kongre Preuen zuerkannt.

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    jGebet hin in alle W elt..." 3 9Aber erst 1815 ist es proklamiert worden. So fehlt es bei Dirnur an dieser Formalitt. Die Sache selbst ist schon lngst inRichtigkeit."

    Oft kam Pastor Gottfried Daniel Krummacher in dieseVersammlungen. Der bedeutende Prediger sa dann gern ineiner dunklen Ecke und hrte zu. Einmal warf er die Frageauf: Warum war wohl die berschrift ber dem KreuzeJesu in drei verschiedenen Sprachen abgefat?" Diedrichs be-sann sich nicht lange. Er erwiderte: Das soll so viel heienals: Komm, ganze Welt, ach komm herbei, / hier kannst du,da Gott gndig sei / ohn* dein Verdienst, anschauen!"Wenn die Aussprache zu Ende war, schlo Diedrichs miteinem Gebet. Dies Gebet war der Hhepunkt der Versamm-lung. Hier war tiefste Beugung vor der Majestt Gottes undzugleich ein kindlicher Geist, der Abba, lieber Vater" ruft.Es war ein Ausschtten des Herzens, wie wenn ein Mann mitseinem Freunde allein redet hier war aber auch ein geist-liches Priestertum, welches fr alle Welt vor dem Herrn ein-trat. Da wurde gebetet fr alle Anwesenden. Da ge-dachte er an die Prediger, die jetzt am Samstagabend in ihrenStudierstuben ihre Predigt vorbereiteten, da ihnen gegebenwerde, das W ort zu reden m it freudigem Auf tun ihres Mundes,und da sie selbst den Segen und die Kraft desselben vorabgenieen mchten". Gedacht wurde der Heiden- und Juden-mission und aller Anstalten zur Frderung des Reiches Gottes.Da wurden die studierende Jugend und die Lehrer an denHochschulen vor Gott gebracht. In diesen Gebeten offen-barte sich sein weiter Reichsblick.Nach dem Gebet gingen die Versammelten still auseinander.Sie hatten erfahren: Wo zwei oder drei versammelt sind inmeinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen."

    Qehet hin in alle WeltSo gern wre Diedrichs Missionar geworden. Aber er wurdeanders gefhrt. Das hat bei ihm manchen schweren innerenKampf gekostet, bis er seinen Herzenswunsch aufgab. Wie dasgeschah, ist auch wieder bezeichnend fr Diedrichs: Neben

    seiner Wohnung lag ein Gasthaus. Da herbergten hufig Fuhr-leute. Hier konnte er oft zusehen, wie die groen Frachtwagenbeladen wurden. Es ging dabei meist so zu, da die Fuhr-

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    4 0 Johann Peter Diedrichs (17611836)leute nur anordneten, whrend die sogenannten Karren-binder" die Hauptarbeit verrichten muten. Als Diedrichseines Tages wieder mit seinen Missionswnschen beschftigtwar, sah er einen Karrenbinder* bei der Arbeit. Da rief eraus: Herr, wenn du mich denn zum Fuhrmann nicht ge-brauchen kannst, so mache mich doch zu einem Karrenbinder!" Diese Bitte hat ihm der Herr erhrt.Besonders durch herzliche Frbitte ist Diedrichs unseresGottes Karrenbinder" im Missionswerk geworden. Wie lagihm das Werk der Mission auf dem Herzen!

    Eines Tages fhlte er sich mchtig gedrungen, fr einen be-stimmten Missionar zu beten, der in der Heidenwelt arbeitete.Obwohl die letzten Nachrichten gut gelautet hatten, war ihm,als msse dieser Missionar in groer Not sein. Lange hat Died-richs mit dem Geschrei seines Herzens zu Gott fr den Freundangehalten. Aus einem spteren Briefe erfuhr er dann, daeben in diesen Tagen der Missionar sich in furchtbarer innererAnfechtung befunden hatte. Satan hat meiner begehrt. Aberer ist berwunden. Und ich bin wie ein Brand aus dem Feuergerissen worden."Ein Missionsgebet hat Diedrichs einmal vor einer groenGemeinde gebetet. Das war, als die ersten rheinischen Missio-nare nach Sdafrika ausgesandt wurden. Unter ihnen warP . D . Lckhoff, mit dem Diedrichs ganz besonders verbundenwar. Die Elberfelder Missionsfreunde hatten ihn an dieBarm er Missionsgesellschaft em pfohlen, in der freudigenHoffnung, in ihm einen liebenswrdigen Kreuzgesandtenheranblhen zu sehen". Das war ein Freudentag im Jahre1829, als die ersten Missionare verabschiedet wurden. AlsDiedrichs hierbei das Wort zum Gebet ergriff, war sein Ge-bet ein Hosianna -Ruf, dem Einzug des groen Knigs zuEhren gesungen".Die ersten Anfnge der Rheinischen Mission liegen in einemkleinen Kreis, der jeden Monat einmal zusammenkam, umMissionsberichte, namentlich der englischen Missionsgesell-schaften, zu lesen, und fr das Werk des Herrn zu beten. Einerder Mitbegrnder dieses Kreises, der Lederhndler JohannesBall, beschrieb die Grndung dieses Kreises: Die Veranlassungzur Entstehung unserer Gesellschaft war zum ersten die Nach-richt, so wir aus England erhielten, da dorten eine Gesell-schaft errichtet sei, die sich aus Liebe gedrungen fhle, den

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    Gehet hin in alle W elt..." 4 1Heiden in den Sdseeinseln die frhliche Botschaft zu bringen:Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist vom Himmel gekommen,um euch von den Banden des Frsten der Finsternis zu be-freien. Zugleich erhielten wir damals ein Aufmunterungs-schreiben durch den Pfarrer Dissand aus Dammendorf vonHerrn Baron von Schirnding aus Dobrilugk, um an den Missio-nen unter den Heiden teilzunehmen. berzeugt, da ein jeder,dem die Ausbreitung des Reiches Jesu am Herzen liegt und derin sich Liebe fhlt zu seinen miterlsten Brdern, auch ver-bunden sei, fr sein Teil mit wirksam zu sein nach dem Mader Kraft, die der Herr, unser Gott, darreichen wird, um die-sen Zweck zu erreichen, entschlossen auch wir uns, so geringunsre Anzahl und so unbedeutend wir auch sein mchten, hierunter uns eine Gesellschaft zu bilden, um unsre geringen Krftedem Herrn anzubieten, der auch das Kleine nicht verschmht."Selbstverstndlich fehlte in dem kleinen Kreis unser Died-richs nicht. So hat dieser Karrenbinder" der Mission einer derVter werden drfen eines groen und gesegneten Missions-werkes.

    Mit lebhaftem und persnlichem Interesse verfolgte Died-richs die Missionsberichte, die ihm zugnglich waren. DieBaseler Missionsberichte brachten damals die Bekehrungs-geschichte einer Indianerin namens Katharina Braun. Diese Ge-schichte freute Diedrichs ganz besonders. Wie sehr sie ihn be-wegte, wird deutlich an einem kstlichen Ausspruch: Wennich einmal heimkomme und den Herrn Jesus begrt habe, sofrage ich: ,Wo ist die Katharina Braun?'"Wenn Diedrichs auch nie auf das Missionsfeld hinausge-kommen ist, so hat er doch selbst auch einmal Mission treibendrfen. Und das ging so zu:Im Jahre 1826 wurde in Elberfeld ein Buschmann fr Geldgezeigt. Das war in der damaligen Zeit eine neue und seltsameSache. Auch Diedrichs ging hin, den Wilden" anzusehen.Nachher erzhlte er: Der Anblick dieses Wilden aus der fer-nen Heidenwelt hat mich ganz bernommen. Mir ist das Vers-lein durch die Seele gegangen: Dazu ward Jesu Blut auch ange-wandt. Ich kann den Gedanken nicht los werden: Es gehtnicht an, da wir Missionare zu den Heiden senden und unsum diesen einzelnen Heiden, der mitten unter uns ist, nichtkmmern. Es geht mir bestndig die Frage nach: ,Wre nicht

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    4 2 Johann Peter Diedricbs (1761 1836)dieser Eine zu retten und dem Herrn als Erstling zuzufhren,wenn wir Christen uns zusammenscharten?""Die Sache bewegte die Missionsfreunde. Nach mancherleimiglckten Versuchen lie der Buschmann sich wirklich be-wegen, sich von dem geldgierigen Unternehmer zu trennen. Inder Rettungsanstalt Dsseltal fand er ein freundliches Unter-kommen. Hier wurde er im Evangelium unterwiesen undwurde wirklich ein treuer Jnger des Herrn Jesus. Er ist dortschon bald im festen Glauben an seinen Herrn und Heilandselig entschlafen.Dieser Missionseifer D iedrichs beschmt tief eine mde undselbstschtige Christenheit.

    Ein Knecht Jesu ChristiAls Diedrichs zwanzig Jahre alt war, wurde er todkrank.Schon in dieser Krankheit wurde es erstaunlich deutlich, wiedieser junge Mann seines Heils gewi war. Die Eltern lieenden ihnen befreundeten Pastor Wever rufen. Der kam. Diefurchtbaren Leiden des jungen Mannes gingen dem zu Herzen.Und so suchte er ihn zu trsten. Da aber unterbrach ihnDiedrichs: Danken Sie dem Lamm, da es sich auch fr michhat schlachten lassen, und bitten Sie den Herrn, da er michbald hinber zu sich nehmen wolle!" Da fing der Prediger an,zu loben und zu danken fr die Gnade, die der Herr demjungen Menschen erzeigt habe. Ja, er betete, da Gott auch ihmeinst auf seinem Sterbebett eine solche Freudigkeit schenkenmge.Sterbensfreudigkeit eines Zwanzigjhrigen! Seinem VetterJohannes Ball (spter der erste Sekretr der ElberfelderMissionsgesellschaft) sagte er : V etter, bleiben Sie bei mir! DerFhrmann kommt, um mich berzuholen. Er hat schon dasZeichen mir kundgetan, da er auf dem Wege sei ..., aberwenn ich im Jordan bin, dann will ich noch einmal jauchzenund frohlocken."Wie durch ein Wunder wurde er vom Tode errettet. Einer,der ihn besuchte, sagte zu ihm: Vielleicht will der Herr dichnoch als seinen Zeugen gebrauchen!" Da wurde das Antlitzdes Kranken hell: O, dann will ich gern wieder besser wer-den." Es war so, da er sein neues Leben als ein Geschenk ausder Hand seines Gottes hinnahm und es darum dem Herrnweihte. So wurde er der Knecht Jesu Christi".

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    Ein Kneit Jesu Christi 43Das war es, was Arme und Reiche, Groe und Kleine sostark zu ihm hinzog: Das Bild Jesu Christi strahlte klar undlebendig aus seiner Persnlichkeit wieder.Im "Wort, im "Werk, in allem WesenSei Jesus und sonst nichts zu lesen ...Dieser Gebetswunsch Tersteegens ging an ihm im besonderenMae in Erfllung. So wird er uns geschildert: Aus seinenAugen strahlte eine unaussprechliche Flle herzlicher Liebe.Aus seinen Mienen leuchtete der Frieden Gottes, der seinen

    Gesichtszgen tiefe Ruhe und Harmonie gab und zugleichungeheuchelte Demut, die jedem alsbald Vertrauen einflte.Eine unbeschreibliche Freundlichkeit und Sanftmut trat be-sonders dann lebendig in seinen Zgen hervor, wenn er Ange-fochtene trstete, was er so gerne tat. Dabei war eine himm-lische Heiterkeit ber sein ganzes Wesen ausgebreitet."Diedrichs hatte eine klare Erkenntnis von der vlligen Ver-dorbenheit der menschlichen Natur und von der Macht derSnde. Das hielt ihn in der Demut. Er war einmal in einemKreise, in dem man ber die Fehler anderer herzog. Da ver-stummte der sonst so lebhafte Mann. Es fiel auf, da er sostille wurde. Drum fragte ihn jemand nach dem Grund. Daantwortete er: Mir geht es wie denen, die bankerott gemachthaben. Diese armen Leute knnen an jeder Unterhaltung teil-nehmen. Kommt aber das Gesprch auf einen Bankerott, sosagen sie kein Wort mehr. Die Gebrechen, die ihr an jenemChristen findet, habe ich alle bei mir gefunden, und das machtmich kleinlaut."Da kam einmal einer in die Hausversammlung zu Died-richs, begrte ihn und fragte ihn: Nun, wie geht's?" Setzt Euch", erwiderte Diedrichs, auf der Stelle sollt Ihres hren." Und dann lie er als gemeinsames Lied singen:Ach, was bin ich, mein Erlser,Tglich bserFind' ich meiner Seele Stand ...Einmal bat eine englische Missionsgesellschaft um ein Bilddes alten Diedrichs. Wie", rief er, ein Bild?! Schreibt denLeuten wieder, im 72. Liede unseres Gesangbuches, im drittenVerse, da sei ich aufs beste abgem alt: I c h unrein und ganzverdorben, / D u die hchste He iligkeit; / I c h verfinstert understorben, / D u des Lebens Licht und Fre ud '; / I c h ein armes

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    44 Johann Peter Diedrichs (17611836)Bettelkind, / Lahm und krppel, taub und blind, / D u dasWesen aller Wesen, / Ganz vollkommen, auserlesen."Je tiefer Diedridis den Sndensdiaden der mensdilidienNatur erkannte, desto frhlidier wurde er an der GnadeGottes in Jesus Christus. Er ha tte es gelernt, seine Hoffnungganz auf die Gnade zu setzen. Diese Gnade hat er andern ge-priesen als das alleinige Heil.Aber nidit so, da dabei dem trgen Fleisdie Ruhepolstergemadit w urd en", oder der Leichtsinn, der den Kam pfscheut", gefrdert wurde. Er frditete sidi sehr davor, Men-sdien trsten zu wollen, die Gott nodi nicht trsten, sondernrichten will. Es ging ihm darum, da die Seelen durch grnd-liche Bue und Bekehrung zu einem freudigen Glauben kmenund eben dadurch stark wrden in dem Herrn im Streitgegen die Feinde".Darum warnte er vor aller falschen Sicherheit. Darum auchwurde er rgerlich, wenn jemand bei der Verdorbenheit seinerNatur stehenblieb, ohne weiterzukommen. Da pflegte er zusagen: Es ist ein Wiegenlied des Teufels, der sich vor dieSeele hinstellt und ihr zuruft: Schlaf, Kindchen, schlaf heia, heia, du kannst nichts!' Man fordere solche Leute auf,zu zeigen, ob sie Schwielen an den Knien haben und wund-gerungene H n de , und ob sie a l s o gelernt haben, da sienichts ausrichten knnen."So stand Diedrichs als rechter Knecht Jesu Christi selbst auchin einem tglichen Kampf gegen.den alten Menschen. Und ernahm es tdlich ernst damit.Eines Nachts brach in dem Hinterhaus, wo Diedrichs dasLeder fr die Lohgerberei aufbewahrte, Feuer aus. In vlligerRuhe begab er sich auf den Brandplatz und half mit lschen.Da hrte er, wie ein Mann zu einem andern sagte: Sieh malden alten Diedrichs! Es ist, als ob ihn der Brand gar nichtsanginge." Er erzhlte spter, das habe er mit Wohlgefallengehrt. Und darum habe ihn Gott demtigen mssen. Dakam am anderen Morgen ein Bauer, der ihm vor einigerZeit Leder geliefert, aber seine Bezahlung noch nicht bekom-men hatte. Ihr habt wohl gehrt", sagte Diedrichs zu ihm,da meine Gerberei abgebrannt ist, und seid bange gewordenfr Euer Geld. Aber Ihr habt's mit einem ehrlichen Mannezu tun und sollt Euer Geld auf Heller und Pfennig haben.Was wnscht Ihr? Kronentaler, Pistolen oder Dukaten?"

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    Ein Knecht Jesu Christi 45"Wenn Diedrichs diese Geschichte spter erzhlte, dannpflegte er hier zu sagen: An dieser hochmtigen Frage htteich schon merken knnen, da es nicht richtig stand bei mir;

    aber es war kein Aufmerken da."Der Bauer bat sich Kronentaler aus. Und Diedrichs befrie-digte ihn bis auf den letzten Pfennig. Am folgenden Morgenaber war der Bauer wieder frhzeitig da. Was will er? Unterden Kronentalern ist einer gewesen, der um die Kleinigkeit vonein Achtel Lot zu leicht ist. Den wnsche ich umzutauschen."Da wurde Diedrichs zornig: Ich habe oft gehrt, ein Bauersei das grbste Geschpf, das unser Herrgott unter der Sonnehabe, konnte es aber niemals glauben. Jetzt sehe ich, daes wahr ist. Gebt den Kronentaler her! Da habt Ihr einenandern! Und nun macht, da Ihr fortkommt."

    Der Bauer ging. Aber", so erzhlte Diedrichs nachher,nun kam die Frage zu mir: ,Handelt so ein Jnger desHerrn?' Und ich mute mit Scham und Beugung erkennen,was der alte Diedrichs kann, wenn er auf seinen eigenen Fensteht."

    Wer es mit der Snde so ernst nimmt, der lernt die Gnadein ihrer T iefe verstehen. U nd wer Gnade gefunden. ha t vo rGott, der kann andern helfen. So hat der Herr seinen Knechtzubereitet als Seelsorger fr andere. Diedrichs verstand es, denzerschlagenen Herzen" den Trost der Gnade zu bringen. Unddabei fhlte er sich wirklich als Beauftragter des Herrn, dereine Botschaft auszurichten hat.An einem Sonntagnachmittag besuchte er Pastor Dring,den er unseres Herrgotts lieben Tambour" nannte. Er wurdeins Vorzimmer gefhrt, und es wurde ihm gesagt: Sie mssenein wenig warten. Ein katholisches Mdchen, das bertreten

    will, ist bei dem Pastor." Ohne es zu wollen, hrte Diedrichshier das Gesprch zwischen dem Pfarrer und dem katholischenMdchen. Da merkte er bald: Hier ist eine trostbedrftigeSeele! D er Pa stor hand elt verkeh rt, da er ihr das Gesetz vo r-hlt und ihr Gewissen noch mehr in die Unruhe treibt."Schlielich h ielt es Diedrichs nicht m ehr aus. E r ffnete dieTr zum Zimmer des Pfarrers und bat: Herr Pastor, lassenSie mich ein Weilchen mit dem Mdchen allein!" Dring wardemtig genug, in die Bitte zu willigen. Und nun sagte Died-richs dem jungen Mdchen von der freien Gnade Gottes in

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    4 6 Johann Peter Diedridhs (17611836)Jesus fr Snder. Da griff die mhselige und beladene Seelezu und kam zum getrosten und freudigen Glauben.

    Ich habe oft gesehen", sagte Diedrichs manchmal, daSchafe sich struben, wenn sie an einem Strick gezogen wer-den. Es ist ihrer Natur entgegen. Schafe wollen gelockt sein."Nach dieser Regel handelte er stets, wenn er es mit beladenenHerzen zu tun hatte. "Weil er als Knecht Jesu Christi seinem Herrn ganz zur Ver-fgung stand, konnte sein Herr ihn fhren. Einst wollte Died-richs einen Spaziergang machen. D a he it es in ihm : Gehe berden Grne walde r Berg nach dem Ottenbruch !" Auf diesem W egtrifft er einen Bekannten, dessen verstrte Zge ihm auffallen.Er fngt ein Gesprch mit ihm an und entdeckt, da derMann in schwerer Anfechtung ist. Ja, der Mann gesteht schlie-lich: Ich bin mit der Absicht in den "Wald gegangen, michzu erschieen." Nun liefert er die geladene Pistole Diedrichsaus und bittet ihn, seiner doch im Gebet zu gedenken. DerMann ist gerrettet.Ein anderes Mal kommt Diedrichs zu einem Freunde: Ichmu dich herzlich bitten, mit mir fr jemand zu beten, der mirschwer auf der Seele liegt." Nun beten die beiden miteinanderfr jenen Mann, an den Diedrichs mit so groer Unruhe denkt.Und nach dem Gebet beschlieen sie, zu ihm hinzugehen.Als sie hinkommen, finden sie den in tiefster Erregung.Er erzhlt ihnen: Ich habe mir das Leben nehmen wollen.Der Strick hat schon bereit gelegen. Aber pltzlich ist es wieein Sturmwind ber mich gekommen, da ich habe aus derStube fliehen mssen. Und jetzt fhle ich mich wieder freivon den Banden, die meine Seele umstrickt hatten." In allem wute Diedrichs sich als Knecht Christi. Darumstand nicht nur sein Leben, sondern auch sein Vermgen demHerrn zur Verfgung. In seinem Tagebuch lesen wir: EinesTages bekam ich eine Probe davon, da mein Heiland erfllthatte, was er mir versprochen. Ich fhlte nmlich eine solcheGegenliebe zu ihm, da ich sehr bedrckt war, wie ich ihmseine mir so unverdient erwiesene Liebe erwidern sollte. Dadrngte sich in meinem Gemt immer das Bild einer frommenPerson auf, die in drftigen Umstnden sein sollte, von derich aber sonst nichts wute, da ich in meinem Leben vielleichtnur zwei- oder dreimal mit ihr gesprochen hatte. Dieses Bildder Drftigkeit konnte ich nicht los werden und bat den

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    Einfltiger Glaube 4 7Herrn, er mchte mir Gelegenheit schenken, zu erfahren, obdie Person wirklich so arm sei. In den nchsten Tagen erfuhrich, da die Person im uersten Elend sa, und der Herrtrieb mich, bei dem einen und dem andern Freunde fr sieeine Untersttzung zu suchen. Da erfuhr ich denn so recht daswachende Auge Gottes ber denen, so ihn frchten. Es warmir eine Versiegelung des Spruchs: ,Ich will in ihnen wohnenund in ihnen wandeln', und auf der andern Seite ein Beweisdafr, da der Herr auch dem ueren Mangel seiner Kinderabzuhelfen wei auf Wegen, an die sie nicht denken. Zugleichwurde mein Vertrauen zum Herrn gestrkt, er werde auch frm e i n ueres Bedrfnis sorgen."

    Einfltiger laubeEin schlichter, einfltiger Glaube, diese kstliche Frucht desHeiligen Geistes, findet sich schon frh im Leben von Died-

    richs. Als er als Zwanzigjhriger sterbenskrank war, besuchteihn eine Tante, Frau Ball. Frau Mohn", rief er ihr zu, derHerr Jesus hlt Pohl (Stand)! Wenn uns alles verlt Erhlt Pohl!"Es gibt kein Christenleben, das nicht durch schwere innereAnfechtungen mte. Solche Anfechtungen werden nicht ber-wunden durch groe Gedanken oder starke Willensentschlsse,sondern durch den einfltigen Glauben, der sich auf den Herrnverlt. Davon berichtet uns das Tagebuch von Diedrichs.Einst geriet ich in einen solchen Sturm der Anfechtung, da esber die Maen war und da der Teufel mir sagte: ,Hilf dirvom Leben!' Hier wurde ich aber stark in der Kraft derStrke meines Jesu, da ich sagte: ,Einfltiger Teufel, ich solltemich ums Leben bringen, der ich ein Knigskind bin? Dies istder Weg zum Erbteil, das ich noch in Besitz nehmen soll.Hier fhle ich mich reicher als alle Knige der Erden'! Dawich der Versucher. Darauf kam wieder ein Sturm sehrstark auf mein Gemt ber den Verzug der Hilfe des Herrn;wobei ich aber so vom Herrn gestrkt wurde, da ich meinerechte Hand auf die Bibel legte und, im Glauben mich an-sehend in der Gerechtigkeit Jesu, sagte: ,Siehe, Herr, dies istder Stein, den du aufgerichtet hast zwischen dir und mir; deineTugenden und Vollkommenheiten verbinden dich, zu erfllen,was du mir freigiebig um Jesu willen zugesagt. Deine Wahr-

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    48 Johann Peter Diedrichs (17611836)heit und Treue hat sidi mir verpfndet. Gedenke deinemKnedit daran, worauf du midi hoffen lassest!' Da kam meinGemt zu stiller Ruhe und ser Zufriedenheit, wieder ruhendin dem Wohlgefallen des Herrn, um ihm den Ausweg zuberlassen. Das war ein Weg, wohl oft schwer fr Fleisch undBlut, aber auch ein Weg, an dem manches Eben-Ezer steht undauf dem ich die Hand meines Bundesgottes manchmal so er-fahren durfte, da ich sagen mute: Dies oder das hat derHerr getan! Es schien auch, der Herr lie mich in allem rat-los vor Menschen, damit ich sagen mte: H e r r , d ua l l e i n b i s t g r o , und du kannst es m it der T a t be-weisen. Ja, ich mu sagen: Du hast es bewiesen, du bist meinesAngesichts Hilfe gewesen, du mein Gott, mein Fels, mein un-vernderlicher Wahrmacher aller deiner Zusagen: Du bist meinGott, Amen, der Treue und Wahrhaftige."Solch ein einfltiger Glaube findet in jedem Wort derSchrift reichen Trost. Davon gibt eine andere Aussage Died-richs' kstlich Zeugnis: Wenn ich es versehen habe, indem eineSnde mich anficht oder das mir anklebende Verderben Zwei-fel an meinem Gnadenstande in mir erwecken will, dannspreche ich: Herr Jesu, du hast gesagt: Wer ein Weib ansiehet,ihrer zu begehren, der hat schon die Ehe mit ihr gebrochen inseinem Herzen. Wohlan, dies Wort soll seine volle Geltunghaben, aber nun auch umgekehrt! Nicht wahr, wer dich an-sieht mit herzlichem Verlangen nach dir, der hat damit auchschon gebrochen mit der Snde und der Welt. Das halte dumir nun auch wahr!"Einst hatte er eine Zeit, wo er sehr mit Mimut und innererGereiztheit zu kmpfen hatte. Da fiel ihm in der Bibel dieStelle auf Maleachi 3, 3: Er wird die Kinder Levi reinigenund lutern wie Gold und Silber." Sofort ging Diedrichs zueinem befreundeten Goldschmied und fragte ihn: Wie wirddas Gold gereinigt?" Dieser erklrte ihm die Methode undzeigte ihm, wie zuletzt ein Gift, mercurius sublimatus, in dieMasse getan wrde, worauf dieselbe aufbrause und die Schlak-ken ausscheide. Da erkannte er in seinem Mimut und seinergereizten Stimmung den mercurius sublimatus.

    So ein einfltiger Glaube findet nicht nur in der Schrift,sondern berall freundliche Zusprche seines Gottes. Da hatteDiedrichs an einem nassen Wintertag eine Wanderung machenmssen. Durchnt und schmutzig kam er bei einer Fhre an

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    Einfltiger Glaube 49der Ruhr an und rief: Hol ber!" Der Fhrmann kam undholte ihn ab. Whrend der berfahrt versank Diedrichs inernste Gedanken. Er dachte daran, wie bald wohl der Fhr-mann Tod komme und ihn ber den dunklen Flu fhre und ob er dann wohl vor Gott bestehen knne. Der Fhrmannsah seinen schweigsamen Fahrgast an. Er meinte, der be-kmmere sich um seine nassen Kleider. Er wollte ihn trstenund sagte: Seid unbesorgt, ich gebe Euch meines Sohnes Klei-der!" Da war es Diedrichs, als habe Gott selbst zu ihm ge-sprochen auf seine Sorge, wie er wohl vor Gott bestehen knne:Seid unbesorgt, ich gebe Euch meines Sohnes Kleider!"Christi Blut und Gerechtigkeit,Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.Damit will ich vor Gott bestehn,Wenn ich zum Himmel werd' eingehn.

    Wir haben ein kstliches Zeugnis von diesem einfltigenGlauben in einem Brief, den Diedrichs an seinen jungen FreundAnton Haasen (den spteren Jnglingsv ater") schrieb, als derbei den Soldaten war. Dieser Brief lautet:

    Elberfeld, den 30. Mrz 1825Lieber Bruder Anton!Obschon wir dem Leibe nach uns nicht jetzt sehen, sind

    wir dem Geiste nach nie nher beisammen gewesen. Wir be-finden uns jetzt in der Karwoche. Als ich vorigen Samstagber die Worte: Ihr sollt des Herrn Tod verkndigen" redenwollte, wurden mir dieselben hinweggerckt. Da mute ichdenn die Worte der Magd nehmen, die zwar dem Petrus zurDemtigung dienten, aber doch ein herrliches Attest fr ihnwaren. She ich dich nicht mit ihnen im Garten? Wahrlich,du bist dieses Menschen Jnger einer, deine Sprache verrtdich"! Selig erquickendes Attestat, von der Welt ausgestellt.Wie erquickend mu ein solches Attest im Tode zu hren sein.Ich legte nun uns allen die Prfungsfrage vo r, ob es uns auerder Gemeinschaft mit Jesu und seinen Freunden unheimlichsei, und ob wir auch in seiner Nachfolge darber angefeindetwrden. Dann knnten wir froh hoffen, die Karwoche gehezu Ende, und folge darauf das Osterfest; denn dann hrten wireinen reden, der gesagt hat: ich lebe und ihr sollt auch leben!Da geht dann in Kraft das hchsterwnschte Seelenleben" an,

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    50 Johann Peter Diedrtcbs (1761 1836)das hier in diesem Mesechsland so unbekannt ist. Darum dieAugen hoch, das Herz nach oben! Da ist das rechte Lieben,Loben, wo man Jesum sieht.Der Herr, der seinen Elenden herrlich hilft, der mir vorzweiundvierzig Jahren versprach: Ich will dich nicht ver-lassen noch versumen", und zu dessen Ruhm ich sagen mu:Schien auch alles zu zerrinnen, ward doch Deiner Hilf ichinnen", der wird auch an Dir erfllen, was er mir gesagt: diePforten der Hlle werden ihn nicht berwltigen. berlaDich nur kindlich seiner Fhrung und sei treu in Deinem Be-rufe, wie die Knechte des Hauptmanns zu Kapernaum. Viel-leicht mut Du noch dem Herrn Jesu den einen oder anderenin sein Haus holen. Laufe seinen Weg nicht vor, folge, wo erDich hinfhrt. Und nun, lieber Herzensbruder, ksse ich Dichim Geiste und bleibe Dein in Jesum verbundener BruderJoh. Peter Diedrichs.

    Solch ein einfltiger Glaube vertraut sich auch in allenueren Dingen dem Herrn an. Und das hat Diedrichs immermehr gelernt. Da hie es einst: Die Franzosen kommen!"Das brachte Diedrichs in groe Sorge. Wie sollte es in denKriegswirren mit seinem Geschft werden? Nun schilderter selbst in seinem Tagebuch, wie der Herr ihn getrost machte:Tags zuvor saen wir am Tisch und aen. Da sagte eineNachbarin, in unserem Hinterhause rieche es nach Brand. Ichging hin und fand, da es im Schornstein brannte. Ich wandtemich gleich zu meinem Jesu, der ein Nothelfer ist, gab ihmalles, was ich hatte, hin und wurde so gestrkt im Glauben,ehe ich Wasser holte oder es meinen Hausgenossen sagte,da mir der Spruch aus Habakuk fhlbar erquickend wurde:,Ich will mich freuen im Herrn und frhlich sein im Gottmeines Heils.' Nun gab ich mich im Glauben ans Lschen undhatte das Feuer mit zwei Eimern Wasser wieder aus. Jetztsehe ich, o Herr, da ich im Frieden bei ruhiger Mahlzeitdeiner Aufsicht so bedrftig bin, als wenn ich mitten imKriegsgewirr wre. Den anderen Tag kamen die Emigrantenaus Kln, Dsseldorf und Um gegend und setzten jeden in Furchtvor W arten der Dinge, die da kommen sollten. Aber je mehr N o tsich zeigte oder zu zeigen schien, desto mehr schenkte mir derliebe Heiland Glauben und Vertrauen, da wir fr diese Zeitnoch nichts zu frchten htten. Mein Gemt war in solcher

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    Einfltiger Glaube 51Lage, da ich fast keine Freiheit hatte, etwas wegzutun; wasich tat, das tat ich fast nur um anderer willen. Meine grteSorge war, der ffentliche Gottesdienst mchte gestrt wer-den, wenn die Franzosen hierherkmen. An einem Samstaghrte man Kanonendonner. Alles war in Sorge und Angst,was es sein mchte. Man frchtete, die Franzosen mchtenber den Rhein kommen, und sah einem unruhigen Sonntagentgegen. Ich wandte mich zum Herrn, von welchem alleHilfe kommt, und da ich vom Gebet kam, schlug ich denSpruch aus Sacharja 9 auf, wo der Herr verheit: ,Ich willselbst das Lager um mein Haus sein.' Dies strkte mich so, daich zu anderen, die n