Dieta mediterranea

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Von Qualität, güte und dem Preis dafür Billig, günstig oder preiswert? Das Preis-Leistungsverhältnis wird in Deutschland und Italien anders bewertet La Dieta Qualità, bontà e il ezzo A tavola! 5 / September 2011 Der 49-jährige Stefano Misischia gilt als Verfechter der Qualität ohne Kompromisse. 30 W enn es um die Vorzüge der Mittel- meer-Diät, so kommen wir nicht darum herum, uns die Frage nach der Qua- lität zu stellen - denn nach wie vor gibt es zwischen dem Ideal der guten italienischen Küche und der weit verbreiteten Praxis tie- fe Gräben. Nach eigenen Schätzungen kom- men wir zum Ergebnis, dass gerade mal ein Viertel der italienischen Lokale in Deutsch- land wirklich dem Anspruch entspre- chen, den diese Lebensweise eigentlich als Selbstverständlichkeit voraussetzt. Warum ist das so? Sprechen wir darüber mit einem Ex- perten, der seit Jahren italienische Quali- tät nach Deutschland bringt und den Markt gut kennt: Stefano Misischia. Einer der Gründe sieht Misischia in der ganz anderen Bewertung der Lebensmittel in Italien und Deutschland: „Hierzulande hat man ein an- deres Verhältis zu Lebensmitteln als in Ita- lien, es wird geprägt von der immerwäh- renden Suche nach dem kleinsten Preis. Damit hat man Lebensmittel auf die gleiche Stufe mit anderen Konsumgütern gestellt, wie etwa Waschmittel oder Computer und dabei ignoriert, dass Lebensmittel - wie der Name schon sagt - mit unserem Leben zu tun haben und nicht nur unserem Gaumen schmecken sollen. Hier entsteht das Miss- verständnis - genauer der Trugschluss, dass es unserer Gesundheit nicht schadet, wenn wir für unsere Ernährung wenig ausgeben. Dabei braucht man sich nur umzusehen, um zu merken, dass dem nicht so ist. Wir sind, was wir essen - dies sollte das neue Motto werden, denn genau davon und von ein wenig regelmäßiger Be- wegung hängt unser Wohlbefinden und unsere körperliche Gesundheit ab. „ So betrachtet wäre Gesundheit beim Essen nur denen vorbehalten, die es sich leisten können? „Genau dies kann man vermeiden, wenn man die Wichtigkeit der Ernährung bereits im Kindesalter, also auch in der Schule, zum Thema macht. Erst dann wird man diese Problematik umkehren kön- nen, denn wenn gute Lebensmittel eine Frage der Kaufkraft werden, so kann man auf die einfachen, ehrlichen und unmani- polierten Lebensmittel zurückgreifen, bei denen weder die Verarbeitung noch die aufwändige Verpackung den Preis unnö- tig in die Höhe treiben. Doch dies geht nur, wenn jedem klar wird, was ein zu billiges Produkt verbirgt und wie man zu einem guten Verhältnis zwischen Preis und dem Wert eines Lebensmittels kommt.“ Also eine Frage der Bildung? „Ja, aber auch der Kultur und dem dringenden Wechsel der Mentalität. Bes- tes Beispiel hierfür ist der Bio-Boom: Es hätte ihn nie gegeben, wenn die Lebensmittelbranche besser überprüft und die Nachhaltigkeit für die Lebensmit- telhersteller selbstverständlicher wäre. Tatsächlich jedoch ist der Trend zum Bio aus dem tiefen Misstrauen entsprungen, das mittlerweile zwischen Verbrauchern und Herstellern steht. Ursache hierfür sind die immer wiederkehrenden Skan- dale in den Produktionsprozessen. Aber hier ist es tatsächlich so: Bio-Produkte sind teurer, und die breite Öffentlich- keit hat nur bedingten Zugang zu ihnen. Auch hier ist das kulturelle Umdenken sinnvoll, denn die strenge Qualitäts- kontrolle sollte nicht nur für die Bio- Produkte selbstverständlich sein. Gleiches gilt für Nachhaltigkeit und ethische Grundsätze, damit gesunde Lebensmit- tel kein Luxus für wenige werden - denn „Bio“ ist ei- gentlich überall gleichbe- deutend mit Ursprünglich- keit. Tatsächlich war früher schließlich jedes natürliche Le- bensmittel von Natur aus „bio“. Wenn wir also bei Lebensmit- teln genauso anspruchsvoll werden wie beim Kauf eines Autos, dann kann man wohl auch bei der Ernährung wieder von Tugend und nicht von Notwen- digkeit sprechen.“ AT_2011_05_v32.indd 30 12.08.2011 22:31:25

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Dieta mediterranea

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Von Qualität, güte und dem Preis dafür

Billig, günstig oder preiswert?Das Preis-Leistungsverhältnis wird in Deutschland und Italien anders bewertet

La

Dieta Qualità, bontà e il prezzo

A tavola! 5 / September 2011

Der 49-jährige Stefano Misischia gilt als Verfechter der Qualität ohne Kompromisse.

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Wenn es um die Vorzüge der Mittel-meer-Diät, so kommen wir nicht

darum herum, uns die Frage nach der Qua-lität zu stellen - denn nach wie vor gibt es zwischen dem Ideal der guten italienischen Küche und der weit verbreiteten Praxis tie-fe Gräben. Nach eigenen Schätzungen kom-men wir zum Ergebnis, dass gerade mal ein Viertel der italienischen Lokale in Deutsch-land wirklich dem Anspruch entspre-chen, den diese Lebensweise eigentlich als Selbstverständlichkeit voraussetzt. Warum ist das so?

Sprechen wir darüber mit einem Ex-perten, der seit Jahren italienische Quali-tät nach Deutschland bringt und den Markt gut kennt: Stefano Misischia. Einer der Gründe sieht Misischia in der ganz anderen Bewertung der Lebensmittel in Italien und Deutschland: „Hierzulande hat man ein an-deres Verhältis zu Lebensmitteln als in Ita-lien, es wird geprägt von der immerwäh-renden Suche nach dem kleinsten Preis. Damit hat man Lebensmittel auf die gleiche Stufe mit anderen Konsumgütern gestellt, wie etwa Waschmittel oder Computer und dabei ignoriert, dass Lebensmittel - wie der Name schon sagt - mit unserem Leben zu tun haben und nicht nur unserem Gaumen schmecken sollen. Hier entsteht das Miss-verständnis - genauer der Trugschluss, dass es unserer Gesundheit nicht schadet, wenn wir für unsere Ernährung wenig ausgeben. Dabei braucht man sich

nur umzusehen, um zu merken, dass dem nicht so ist. Wir sind, was wir essen - dies sollte das neue Motto werden, denn genau davon und von ein wenig regelmäßiger Be-wegung hängt unser Wohlbefinden und unsere körperliche Gesundheit ab. „

So betrachtet wäre Gesundheit beim Essen nur denen vorbehalten, die es sich leisten können?

„Genau dies kann man vermeiden, wenn man die Wichtigkeit der Ernährung bereits im Kindesalter, also auch in der Schule, zum Thema macht. Erst dann wird man diese Problematik umkehren kön-nen, denn wenn gute Lebensmittel eine Frage der Kaufkraft werden, so kann man auf die einfachen, ehrlichen und unmani-polierten Lebensmittel zurückgreifen, bei denen weder die Verarbeitung noch die aufwändige Verpackung den Preis unnö-tig in die Höhe treiben. Doch dies geht nur, wenn jedem klar wird, was ein zu billiges Produkt verbirgt und wie man zu einem guten Verhältnis zwischen Preis und dem Wert eines Lebensmittels kommt.“

Also eine Frage der Bildung?„Ja, aber auch der Kultur und dem

dringenden Wechsel der Mentalität. Bes-tes Beispiel hierfür ist der Bio-Boom: Es hätte ihn nie gegeben, wenn die Lebensmittelbranche besser überprüft und

die Nachhaltigkeit für die Lebensmit-telhersteller selbstverständlicher wäre. Tatsächlich jedoch ist der Trend zum Bio aus dem tiefen Misstrauen entsprungen, das mittlerweile zwischen Verbrauchern und Herstellern steht. Ursache hierfür sind die immer wiederkehrenden Skan-dale in den Produktionsprozessen. Aber hier ist es tatsächlich so: Bio-Produkte sind teurer, und die breite Öffentlich-keit hat nur bedingten Zugang zu ihnen. Auch hier ist das kulturelle Umdenken sinnvoll, denn die strenge Qualitäts-kontrolle sollte nicht nur für die Bio-

Produkte selbstverständlich sein. Gleiches gilt für Nachhaltigkeit

und ethische Grundsätze, damit gesunde Lebensmit-tel kein Luxus für wenige werden - denn „Bio“ ist ei-

gentlich überall gleichbe-deutend mit Ursprünglich-

keit. Tatsächlich war früher schließlich jedes natürliche Le-bensmittel von Natur aus „bio“. Wenn wir also bei Lebensmit-teln genauso anspruchsvoll werden wie beim Kauf eines

Autos, dann kann man wohl auch bei der Ernährung wieder

von Tugend und nicht von Notwen-digkeit sprechen.“

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A tavola! 5 / September 2011

A tavola!Qualità, bontà e il prezzo

La Pizza GmbH Ettlinger-Tor-Platz 1 - OG 29 76133 Karlsruhe Fon: 0721/933 83 61 Fax. 0721/933 83 62 Internet: [email protected]

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Aber tatsächlich bringt man aus Italien ja auch Spitzen-

produkte hierher. Wird nur das Mittelmaß wahrgenommen?

„Nein, das sehe ich nicht so. Viel-mehr sind es die Gesetze des Handels, die häufig die höhere Qualität beim Im-portgeschäft verhindern. Dies ergibt sich aus den Motivationen der Einkäu-fer (die eher an ihrer Gewinnmarge in-teressiert sind als an der Qualität des Warendurchlaufs) und aus der bereits angedeuteten, weit verbreiteten Un-kenntnis der Produkte. Hinzu kommt, dass auch der Geschmack der Deut-schen sich von dem der Italiener unter-scheidet. So kommen hier auch solche Produkte an, die wir zwar hergestellt haben, aber nicht wirklich unsere eige-nen Kriterien entsprechen. Es sind Pro-dukte, die Sie niemals in italienischen Geschäften finden würden, hier aber überall zu haben sind. Konziliant könn-ta man sagen, dass wir uns der hiesigen Nachfrage angepasst haben, aber genau hier liegt der Fehler.

Glücklicherweise gab es Alterna-tiven, wie etwa die spezialisierten Fein-kostläden. Ohne diese hätten wir kaum den Zugang zu einer so immensen Viel-falt von Produkten erlangt, die die Kü-che Italiens wirklich sehr gut repräsen-tieren. Zweitens hätten wir eine noch schlimmere Vereinheitlichung unserer Produkte erlebt, wie man es teilweise, zum Beispiel bei Discountern, nachvoll-ziehen kann. So haben also die Feinkost-läden entscheidend dazu beigetragen, die wahren Schätze Italiens zugäng-lich zu machen - wenn auch nur einer kleineren, interessierten und kaufkräf-tigen Schicht.

Zwar haben die Großmärkte dies inzwischen gemerkt, und so versu-chen sie mit einer größeren Auswahl italienischer Produkte gegenzusteu-ern, aber selbst dieses Muskelspiel ist wieder den Gesetzen des Handels un-terworfen, also wieder die Politik des billigeren Produktes, dessen Qualität natürlich wieder nach unten tendiert. Alternative Produkte unterzubringen ist dabei nicht einfach, da der Platz im Regal und der Listungspreis für die Produzenten sehr hoch sind. Dies ist in Italien einfacher geregelt, und deshalb findet man dort in jedem Sortiment auch ein breites Spektrum im mittleren Preissegment.“

Ist es denn hilfreich, dass die Mittel-meer-Diät nun zum UNESCO-Weltkultur-erbe gehört?

„Es ist eine wichtige Auszeichnung, die einmal mehr den unumstrittenen Wert unseres Ernährungsmodells un-terstreicht. Aber auch hier ist hervorzu-heben, dass es nicht ausreicht, Toma-ten und Olivenöl zu essen, um auf der „gesunden Seite“ zu sein. Was man isst, sollte nicht „billig“ sein, sondern seinen wirklichen, inneren Wert haben - und dafür auch seinen Preis haben. Jedes Billig-Produkt verschweigt uns etwas - in den meisten Fällen ist es die schlech-te Qualität der Herstellungverhält-nisse, die Massenproduktion oder noch Schlimmeres. Wir sollten uns fragen, ob wir unsere Gesundheit diesem Risi-ko aussetzen wollen, wenn es doch meis-tens nur um ein paar Cent geht, die den Unterschied ausmachen.“

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