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DAS MAGAZIN DER KASSENÄRZTLICHEN VEREINIGUNG RHEINLAND-PFALZ SEPTEMBER 2018 VERGÜTUNGSDEBATTE Bestimmte Krankheiten könnten am- bulant kostengünstiger als in der Klinik behandelt werden. | Seite 22 PRAXISORGANISATION Laut dem geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz soll das Angebot an Sprechstunden erhöht werden. | Seite 15 NOTFALLVERSORGUNG Am Campus der Unimedizin Mainz wird die erste allgemeinmedizinische Praxis angesiedelt. | Seite 4 OPTIMAL VERNETZT Ob elektronischer Arztbrief oder Fallakte – der Fortschritt in der Informationstechnik verbessert die Kommunikation zwischen Haus- und Fachärzten sowie Klinik und Arztpraxis. DIGITALISIERUNG

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DAS MAGAZIN DER KASSENÄRZTLICHEN VEREINIGUNG RHEINLAND-PFALZ

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VERGÜTUNGSDEBATTEBestimmte Krankheiten könnten am-bulant kostengünstiger als in der Klinik behandelt werden. | Seite 22

PRAXISORGANISATIONLaut dem geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz soll das Angebot an Sprechstunden erhöht werden. | Seite 15

NOTFALLVERSORGUNGAm Campus der Unimedizin Mainz wird die erste allgemeinmedizinische Praxis angesiedelt. | Seite 4

OPTIMAL VERNETZTOb elektronischer Arztbrief oder Fallakte – der Fortschritt in der Informationstechnik verbessert die Kommunikation zwischen Haus- und Fachärzten sowie Klinik und Arztpraxis.

DIGITALISIERUNG

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2 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

INHALT PROJEKT

4 Notfall-ManagementDie Universitätsmedizin Mainz und die KV RLP haben sich auf die Einrichtung einer Allgemeinmedizinischen Praxis auf dem Campus (APC) geeinigt.

SCHWERPUNKT

6 Aktuelle TrendsWie sehr die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran-schreitet, wird zum Beispiel an der elektronischen Gesund-heitsakte und dem Einsatz künstlicher Intelligenz deutlich.

8 NetzwerkprojektMit dem Projekt „Elektronische Fallakte“ soll die Kommuni-kation zwischen den geriatrischen Kliniken und den nieder-gelassenen Ärzten in Rheinland-Pfalz verbessert werden.

10 Digitalisierungsstrategie

Das Bundesgesundheitsministerium will unter anderem die Potenziale von mobilen Gesundheits-Apps erschließen und die Telemedizin voranbringen.

12 TelematikprodukteWeitere technische Komponenten zur Anbindung an die Telematik-Infrastruktur wie Konnektoren oder mobile Kar-tenterminals wurden für den Markt zugelassen.

14 TerminmanagementEntscheiden sich Praxen für ein Online-Buchungssystem, können sie zwischen einer internen Lösung oder einer Kooperation mit einem externen Dienstleister wählen.

POLITIK

15 Terminservice- und Versorgungsgesetz

Der Vorstand der KV RLP lehnt die von Gesundheitsminister Spahn geplante Ausweitung des Sprechstundenangebotes und den weiteren Ausbau der Terminservicestelle ab.

18 Budgetierung Aufgrund eines Urteils des Bundessozialgerichts wird die Leistungsausweitung von Job-Sharing-Praxen ab dem Jahr 2019 begrenzt.

19 ArzneimitteltrendsAufgrund der steigenden Kosten für Medikamente könnte das vereinbarte Ausgabenvolumen 2018 überschritten werden.

20 ArzneimittelsicherheitNach dem Rückruf von möglicherweise verunreinigten Val-sartan-Präparaten stehen Prüfmaßnahmen auf europäi-scher und nationaler Ebene in der Kritik.

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3KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

� VORWORT

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine für viele Praxen wichtige Veränderung ist die aufgrund eines BSG-Urteils notwendig gewordene Anpassung zur Fest-legung der Punktzahlobergrenze bei Anstellung eines soge-nannten Jobsharers. Die für Sie wichtigen zusammenfassenden Punkte stellen wir Ihnen ausführlich dar. Wieder einmal werden hierbei Leistungen – diesmal extrabudgetäre – mit rigiden Bud-getgrenzen versehen, sodass zukünftig in einigen Praxen eine „Mehrarbeit“ nicht mehr vergütet wird. Vor dem Hintergrund der weiter bestehenden politischen Forderungen nach Erweite-rung der Sprechstundenzeiten und schnellerer Terminvergabe kann man darüber nur noch den Kopf schütteln.

Auch unsere intensiven Bemühungen, in politischen Diskussi-onen die Unsinnigkeit von Begrenzungsmaßnahmen wie Be-darfsplanung und Plausibilitätszeiten darzustellen, sind – wie auch ein Antrag zur Abschaffung der Budgets – in der Gesund-heitsministerkonferenz bislang nicht gehört worden. Die Politik setzt weiterhin vor allem auf die Karte der Effizienzsteigerung und hierbei vor allem auf die Möglichkeiten der Digitalisierung. Sicherlich gibt es hier Effekte, die zu nutzen sinnvoll sind – ebenso wie der Wunsch einer jungen Generation von Patien-ten, diese Ressourcen in der Medizin anzuwenden. Hierzu stel-len wir Ihnen in unserem Schwerpunkt ein buntes Portfolio der Möglichkeiten vor, in das digitale Zeitalter einzutreten.

Die Möglichkeiten einer für die Patientenversorgung sinnvol-leren sektorenübergreifenden Versorgung werden in Deutsch-land nach wie vor nicht ausgeschöpft. Nach wie vor hält man fest an einem System der starren Grenzen. Statt die Versor-gungsebenen gegeneinander auszuspielen, sollten alle Ko-operationsmöglichkeiten zur Verbesserung der Patientenver-sorgung genutzt werden. Hierzu berichten wir über das nun langsam zur Realität werdende Kooperationsmodell der KV RLP an der Universitätsmedizin Mainz.

Ich wünsche Ihnen allen eine spannende Lektüre und eine schöne Herbstzeit.

Herzliche Grüße aus Mainz

Dr. Andreas BartelsStellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV RLP

PANORAMA

22 Einsparpotenziale Laut einem Zi-Gutachten könnte die ambulante Behand-lung bei bestimmten Krankheiten im Vergleich zu stationä-ren Maßnahmen wesentlich kostengünstiger erfolgen.

SERVICE

24 WeiterbildungsförderungWollen Praxen Ärzte in Weiterbildung beschäftigen, benöti-gen sie dafür eine Genehmigung der KV RLP sowie eine Weiterbildungsbefugnis der Bezirksärztekammer.

25 ElternzeitWerden Ärztinnen in Weiterbildung plötzlich schwanger, können Praxen nach dem Ende der Unterbrechung eine Wiederaufnahme der Förderung beantragen.

26 NachfolgeplanungVor einer Praxisübergabe sollten Inhaber rechtzeitig die Berater der KV RLP kontaktieren und auch die betreffende Gemeinde informieren.

27 RettungsankerBei Krankheit oder Pflege von Verwandten können Ärzte über die Vertreterliste Hilfe anfragen.

28 Filmothek | Terminvermittlung

29 InfektionsschutzHautschutzmittel und Handschuhe sind im Praxisalltag wichtige Hygienefaktoren.

30 Rechtstipp | Termine

31 Online-Fortbildungen der KBV | Häufige Fragen

32 Neue Rufnummern | Impressum

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PROJEKT

4 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

KV RLP STARTET MODELLPROJEKT ZUR PATIENTENSTEUERUNG

Es ist ein Meilenstein in der sektorenübergreifenden Kooperation bei der ambulanten Notfallversorgung: Erstmals in Rheinland-Pfalz richtet die KV RLP am Campus der Unimedizin Mainz eine allgemeinmedizinische Praxis ein.

„Viele Patienten haben das Gefühl dafür verloren, was ein ech-ter Notfall ist“, berichtet Arne Klett, Oberarzt an der Notauf-nahme der Mainzer Universitätsmedizin. Im Winter kämen etliche Leute schon mal mit Erkältungen in die Notaufnahme, erzählt Klett. Im Sommer meldeten sich manche mit Sonnen-brand oder unkomplizierten Insektenstichen. Das ganze Jahr über suchten Menschen mit Schlafstörungen, Symptomen ei-ner Magendarmgrippe oder chronischen Rückenschmerzen die Notaufnahme auf. Beschwerden, die längst ein niedergelasse-ner Arzt hätte behandeln können.

Notaufnahme: Über die Hälfte der Patienten hat niedrige Behandlungsdringlichkeit

In vielen deutschen Notaufnahmestationen, so auch an der Universitätsmedizin Mainz, ist die Situation angespannt, weiß Dr. Andreas Fischbach, Facharzt für Innere Medizin. Die zuneh-mende Inanspruchnahme von Notaufnahmen als Primärkon-takt mit dem Gesundheitssystem habe dort zu einer Überfül-lung geführt. „Rund 50 Prozent dieser Patienten hatten eine niedrige Behandlungsdringlichkeit, das heißt, es waren auch bei verzögerter Behandlung keine gesundheitlichen Risiken zu erwarten. Diese Entwicklung bleibt nicht folgenlos, da die Res-sourcen für die stationäre Versorgung schwerer erkrankter und verletzter Notfallpatienten belastet werden.“ Die Priorisierung der Behandlung nach Dringlichkeit statt nach Eintreffzeitpunkt könne bei leichter erkrankten Patienten zu Wartezeiten führen.

Bei der Wahl der Notaufnahme als Anlaufstelle spielen vielfäl-tige Gründe eine Rolle, erläutert Dr. Fischbach: So würden Pa-tienten die Schwere ihrer Erkrankung falsch einschätzen und hätten keine Kenntnis der Versorgungsstrukturen. Weitere Motive sind eine bessere Versorgungserwartung oder schlicht Bequemlichkeit. „Letztlich entspricht der Ansatz, die entspre-chenden Versorgungsstufen dort vorzuhalten, wo sich die Patienten hinbewegen, der beobachteten Entwicklung“, so Dr. Fischbach. Aufklärungskampagnen alleine hätten in den vergangenen Jahren den Patientenstrom nicht zielführend len-ken können.

Wie also kann die Notaufnahme der Mainzer Universitätsmedi-zin entlastet werden, damit diese wieder mehr zeitliche Kapa-zitäten hat, um sich um die wirklich echten Notfälle zu küm-mern? Die Frage der effizienten Patientensteuerung steht im Mittelpunkt des Modellprojektes „Allgemeinmedizinische Pra-xis am Campus (APC). In Kooperation mit der Unimedizin Mainz

und den regionalen Krankenkassen betreibt die KV RLP diese Modellpraxis mit einem Team aus angestellten Ärzten sowie nichtärztlichen Mitarbeitern zunächst für die Dauer von vier Jahren.

Nichtärztliches Fachpersonal nimmt Ersteinschätzung vor

Ab Januar 2019 soll die Praxis in den Räumlichkeiten direkt vor der konservativen Notaufnahme mit einem vorgeschalteten Tresen errichtet werden und von morgens 8 Uhr bis abends 20 Uhr von Montag bis Samstag geöffnet sein. Nichtärztliches Fachpersonal nimmt am Tresen der Praxis zunächst eine Erst-einschätzung des Patienten vor: Die geschulten Mitarbeiter prüfen zum einen die medizinische Dringlichkeit für eine ärztli-che Vorstellung und legen damit den Behandlungsort fest. Zum anderen entscheiden sie schließlich über den Behandlungszeit-punkt aller Patienten, die die Notaufnahme aufsuchen.

Abhängig davon, wie die Ersteinschätzung am Tresen der allge-meinmedizinischen Praxis ausfällt und wann der Patient die APC aufsucht, sind folgende Szenarien realistisch:

� Es handelt sich um einen echten Notfall, der Patient wird in die Notaufnahme weitergeleitet.

� Zwar liegt kein Notfall vor, jedoch duldet die Behandlung keinen längeren zeitlichen Aufschub. Die angestellten Ärzte in der APC nehmen sich des Falls an.

� Das nichtärztliche Fachpersonal empfiehlt den Patienten, eine mögliche Therapie zu einem späteren Zeitpunkt von einem niedergelassenen Arzt in Mainz oder Umgebung ab-klären zu lassen.

Den Mitarbeitern kommt bei der Ersteinschätzung die stan-dardisierte Software SmED – Strukturiertes medizinisches Ersteinschätzungsverfahren für Deutschland – zu Hilfe. Basis ist ein in der Schweiz entwickeltes, evidenzbasiertes und softwaregestütztes Verfahren, das dort seit Jahren im Einsatz ist. Sowohl der Einsatz des softwaregestützten Ein-schätzungsverfahrens als auch die Anwendungsschulung der nichtärztlichen Mitarbeiter werden mit Mitteln des Innova-tionsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert. Es beruht auf dem Innovationsfondsprojekt DEMAND und steht für die „Implementierung einer standar-disierten Ersteinschätzung als Basis eines Demand Manage-ments in der ambulanten Notfallversorgung“. Insgesamt sind rund 30 Modellstandorte in zehn Bundesländern vorgesehen, in denen das neue Ersteinschätzungsverfahren eingesetzt

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und evaluiert wird: zum einen an der Schnittstelle von Not-dienstpraxen am Krankenhaus und Notaufnahmen, dem „Ge-meinsamen Tresen“, und zum anderen in den medizinischen Einsatzzentralen der Kassenärztlichen Vereinigungen unter der bundesweiten Nummer 116117.

Patienten werden für den Hausarztbesuch sensibilisiert

Mit dem APC-Modellprojekt beabsichtigen die beteiligten Part-ner, die sektorenübergreifende Kooperation zu verbessern und weiter auszubauen – nicht nur in der Notfallversorgung. „Unser Ziel ist, die Kapazitäten beider Versorgungsbereiche bedarfsge-rechter einzusetzen und dadurch Kosten einzusparen“, betont Dr. Andreas Bartels, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV RLP. „Wir wollen Patienten mit nicht schwerwiegenden Krankheitsbildern dafür sensibilisieren, dass sie künftig zuerst ihren Hausarzt aufsuchen. Es geht also nicht darum, mit dem APC-Projekt eine Konkurrenzpraxis aufzubauen. Im Gegenteil streben wir an, die Situation der niedergelassenen Kollegen zu stärken.“ Beispielsweise sind chronisch Kranke nicht die Ziel-gruppe der APC. Wiedereinbestellungen von Patienten sind im

Modellprojekt ebenfalls nicht vorgesehen. Auch Präventions-leistungen sollen nicht in der Praxis angeboten werden.

Vor dem Hintergrund des geplanten Terminservice- und Versor-gungsgesetzes (TSVG) will die KV RLP mit dem Eigenbetrieb der APC erste Erfahrungen sammeln. Das TSVG sieht vor, die KVen zu verpflichten, in von Unterversorgung bedrohten Gebieten KV-eigene medizinische Einrichtungen zu betreiben. Mittel-fristig ist es denkbar, dass solche Einrichtungen mit einer fach-ärztlichen Versorgungsebene ein Krankenhaus auf dem Land ersetzen können.

Und noch einen weiteren positiven Nebeneffekt erhofft sich Dr. Bartels: „Durch die unmittelbare Nähe der APC zur Unimedi-zin sind wir auch am ärztlichen Nachwuchs dicht dran. Daraus ergeben sich Chancen, die ambulante Versorgung in Rheinland-Pfalz auch künftig auf hohem Niveau sicherzustellen.“

Aktuell sucht die KV RLP für das Modellprojekt APC ärztli-che wie nichtärztliche Mitarbeiter. Weitere Informationen zu den ausgeschriebenen Stellen: www.kv-rlp.de/761536

ALLGEMEINMEDIZINISCHE PRAXIS AM CAMPUS

Notaufnahme der Unimedizin

Empfangstresen

standardisierte Ersteinschätzung (IT-gestützt)

Allgemeinmedizinische Praxis

DEMAND-Projekt

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Patienten suchen sich ihren Arzt heutzutage digital und möch-ten mit ihm auch auf diese Weise in Kontakt treten können – sei es per Videosprechstunde oder weil sie Gesundheitsdaten übermitteln möchten, um Feedback zu erhalten. „Experten schätzen, dass diese Form der Kontaktaufnahme in Zukunft etwa ein Viertel der Behandlungsfälle ausmachen wird“, so Daniel Zehnich, Leiter Gesundheitsmärkte und -politik bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank). Er stellte in diesem Zusammenhang auf dem Kongress die Ergebnisse einer Befragung unter rund 1.000 gesetzlich wie privat versicherten erwachsenen Patienten vor.

Ärzte wünschen sich digitale Unterstützung in der Administration

Bei der Art der Kommunikation ziehen die Befragten den spre-chenden Austausch via Telefon und Video-Sprechstunde ge-genüber dem schriftlichen Austausch via E-Mail und Text-nachricht vor. Von den digitalen Angeboten wünschen sich die Umfrageteilnehmer am meisten die Online-Terminvereinba-rung (59 Prozent), wobei nur die Hälfte von ihnen diese auch bereits heute regelmäßig in Anspruch nimmt. Im Hinblick auf digitale Anwendungen erklärten sich 62 Prozent der Befragten

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hält zunehmend Einzug auch in die ambulante Versorgung. Einige innovative Ansätze wurden im Juni 2018 auf dem Hauptstadtkongress in Berlin vorgestellt.

OPTIMAL VERNETZTDurch den digitalen Wandel verändert sich die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren sowie unter den Heilberufen.

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bereit, ihre Gesundheitsdaten im Rahmen einer elektronischen Gesundheitsakte an Ärzte und Apotheker weiterzugeben.

Andere Untersuchungen der apoBank zeigen, dass sich Ärzte solche digitalen Anwendungen wünschen, die sie in der Admi-nistration und Dokumentation unterstützen beziehungsweise entlasten, um sich mehr der Patientenbehandlung widmen zu können. Die apoBank hat unter dem Namen apoHealth ein di-gitales Kompetenzzentrum gegründet mit dem Ziel, digitale Vorteile schon heute nutzbar und erlebbar zu machen. Dort werden künftig alle Ideen und Projekte rund um das Thema Di-gital Health gebündelt.

Gesundheitsakte Vivy: Patient soll Herr seiner Daten bleiben

Wie eine elektronische Gesundheitsakte funktionieren könnte, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der DAK Gesundheit, An-dreas Storm, am Beispiel des neuen Projektes Vivy. Über diese digitale Plattform haben GKV- und Privatpatienten die Mög-lichkeit, ihre persönlichen Gesundheitsdaten in einer App zu verwalten. Die DAK hebt hervor, dass die Nutzer alleine ent-scheiden, welche Informationen sie in der App speichern und an wen sie diese weitergeben möchten. Das können beispiels-weise Arztbriefe, Befunde, Laborwerte, Medikationspläne, Notfalldaten und Impfinformationen sein. Die systemübergrei-fende Lösung Vivy wird unterstützt von der BITMARCK, dem IT-Dienstleister von mehr als 90 gesetzlichen Krankenkassen sowie von privaten Krankenkassen wie der Privaten Kranken-versicherung der Allianz AG, der Barmenia, der Gothaer und der Süddeutschen Krankenversicherung. Insgesamt können also rund 25 Millionen Versicherte auf diese App zugreifen.

Für Andreas Storm steht neben dem Mehrwert der Patienten auch der Nutzen für Ärzte und weitere Leistungserbringer im Vordergrund. „Vivy ist ein offenes System, keine geschlossene Plattform. Uns war von Anfang an nicht nur der Dialog, son-dern auch die Einbeziehung der Ärzte wichtig. Die eGesund-heitsakte kann nur dann funktionieren, wenn Vivy als ein lernendes System kontinuierlich weiterentwickelt wird.“ Nur auf diese Weise könnten Zusatzwünsche von Versicherten bei der Anwendung berücksichtigt werden. Der Datenschutz bei Vivy werde maximal gewährleistet, unterstrich der DAK-Vor-standsvorsitzende. Will der Versicherte Daten teilen, etwa Be-fundergebnisse für einen Facharzt, muss er dies aktiv für jeden Einzelfall genehmigen. „Das bedeutet zugleich, dass die Kran-kenkasse keinen Zugriff auf die Daten in der elektronischen Gesundheitsakte hat.“

Vivy biete Chancen für die Digitalisierung im Gesundheitswe-sen, ist Andreas Storm überzeugt. „Die elektronische Pati-entenakte kann nur dann zu einem Erfolg werden, wenn die Gesundheitsakteure im engen Austausch sind. Wir als Kran-

kenkasse legen nicht nur Wert auf das Feedback der Versicher-ten, sondern wollen in einem regelmäßigen Austausch mit der Ärzteschaft, den Krankenhäusern und Apotheken stehen, um die Gesundheitsakte weiterzuentwickeln.“ Wichtig in dem Zusammenhang sei, dass die gesundheitspolitischen Rahmen-bedingungen stimmten. Dazu gehöre unter anderem, einen Masterplan mit jährlichen Fortschrittsberichten einzuführen, Interoperabilität herzustellen, den Aufbau der Telematik-Infra-struktur zu beschleunigen und den Datenschutz konkret und verbindlich zu regeln.

Künstliche Intelligenz entlastet Ärzte von Routinetätigkeiten

Großes Potenzial bei der künstlichen Intelligenz (KI) in der me-dizinischen Versorgung sieht der Geschäftsführer Dr. Dr. An-dreas Weimann von Labor Berlin, einem gemeinsamen Toch-terunternehmen der Berliner Charité und des Klinikkonzerns Vivantes. Der Einsatz von KI-Programmen in der Diagnostikin-terpretation, zum Beispiel in der Mikrobiologischen Labordia-gnostik, macht jedoch insbesondere im Zusammenhang mit numerischen Daten Sinn: Das heißt, die Befunde lassen sich in den Zahlen 0 oder 1 ausdrücken und sind – im Gegensatz zu Bildinformationen – vergleichsweise leicht zu interpretieren.

Derzeit werden im Unternehmen im Rahmen einer Testphase mehrere Millionen bakteriologische Befunde und Antibiogram-me vom KI-Programm erfasst. Rund 20.000 mikrobiologische Befunde täglich müssen dabei von Laborärzten validiert wer-den, was einem zeitlichen Aufwand von rund 16 Stunden pro Tag entspricht. Da in der Regel nur etwa drei Prozent der Befun-de auffällig sind, also vom Standard abweichen, erfordert das

In der mikrobiologischen Labordiagnostik kommen die Vorteile der künstlichen Intelligenz besonders zur Geltung.

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Auslesen dieser Befunde besondere ärztliche Aufmerksamkeit. „Mithilfe von „Machine Learning“ der KI-Programme hoffen wir, auffällige Befunde besser identifizieren und separieren zu können“, betonte der Geschäftsführer von Labor Berlin. „Unsere Fachärzte für Mikrobiologie können sich somit auf die wenigen

Befunde konzentrieren, die Auffälligkeiten aufweisen. Wir spa-ren dadurch erheblich redundante Routinetätigkeiten ein und die Ärzte können ihre Kompetenz dort einsetzen, wo sie wirk-lich erforderlich ist.“ Darüber hinaus helfe künstliche Intelligenz bei der Standardisierung und Verbesserung der Qualität.

GERIATRISCHES NETZWERK SETZT AUF DIGITALEN AUSTAUSCH

Die vom Innovationsfonds geförderte elektronische Fallakte der Universitätsmedizin Mainz soll die digitale Kommunikation zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor verbessern. Versprochen wird eine Kooperation auf Augenhöhe zwischen Klinik- und weiterbehandelndem Hausarzt.

Der Krankenhausreport 2017 der Barmer Ersatzkasse brachte es ans Tageslicht: In Deutschland liegen immer mehr über 70-jährige multimorbide Patienten im Krankenhaus. So stieg ihre Zahl in den Jahren 2006 bis 2015 um 80 Prozent von 1,1 auf zwei Millionen bettlägerige Personen. „Finanzielle Fehlanreize können jedoch dafür sorgen, dass Geriatrie-Patienten länger als nötig oder kürzer als erforderlich im Krankenhaus versorgt wer-den“, merkt der Report an. In Rheinland-Pfalz begibt sich jeder Geriatrie-Patient, der aus dem Krankenhaus entlassen wird, im Folgejahr durchschnittlich rund zwei Mal erneut in stationäre Behandlung (Rehospitalisation).

Webbasierte Akte enthält alle wichtigen Patientenunterlagen

Ein ganz wesentliches Ziel des E-Health-Projektes GerNe (Geri-atrisches Netzwerk) ist es daher, die Rate der stationären Ein-weisungen geriatrischer Patienten, vor allem die hohe Rate von

Rehospitalisationen, zu verringern. Teilnehmende Projektpart-ner sind neben der Universitätsmedizin Mainz die Geriatrische Fachklinik Rheinhessen-Nahe in Bad Kreuznach, das Marien-krankenhaus Nassau und das St. Marien- und Annastiftskran-kenhaus Ludwigshafen. Zentrale Kommunikationsplattform in dem Netzwerk ist eine webbasierte, elektronische Fallakte. Wird ein Patient aus der stationären Behandlung entlassen, stellt die jeweils teilnehmende Klinik dem weiterbehandeln-den Hausarzt die aufbereitete Akte komplett elektronisch zur Verfügung. Dies umfasst alle erhobenen Untersuchungsbe-funde, Assessmentergebnisse, Verlaufsberichte, den Medikati-onsplan zum Zeitpunkt der Entlassung sowie die Empfehlun-gen zur weiteren Therapie.

Bisher verläuft die Kommunikation zwischen der stationären geriatrischen Fachabteilung und dem niedergelassenen Haus-arzt als Einbahnstraße: Im Idealfall bekommt der Patient einen vollständig ausgefüllten Arztbrief mit. „Damit ist die Kommu-

nikation jedoch beendet. Wir wissen nicht, welche Informati-onen bei den niedergelassenen Kollegen ankommen und wie diese beispielsweise mit dem von uns aufgestellten Medikati-onsplan umgehen“, erläutert Prof. Dr. Roland Hardt, Leiter der Abteilung für Geriatrie an der Universitätsmedizin Mainz, die gegenwärtige Situation. „Unser Ansatzpunkt ist, aus der uni- direktionalen Kommunikation eine Kommunikation zu ma-chen, die zwei Wege kennt. Wir wollen wissen, was mit dem Patienten im poststationären Verlauf passiert.“

Geriatrischer Konsildienst ist Ansprechpartner bei Rückfragen

Über die webbasierte Fallakte findet ein direkter Austausch statt. „In dem interaktiven Medikationsplan als integraler Bestandteil der Akte kann der niedergelassene Arzt zum Bei-spiel durch Klicks Änderungen vornehmen und Eintragungen machen. Er soll dort im Rahmen des Projektes quartalsweise den Patientenstatus aktualisieren. Außerdem hat er die Mög-lichkeit, jederzeit in der Klinik zum Patientenfall anzurufen“, beschreibt Prof. Dr. Hardt die Vorgehensweise. Ein geriatrischer

Mit der eFallakte sollen Wiedereinweisungen geriatrischer Patienten in die Klinik verringert werden. Dafür müssen Hausärzte viel Beratungsarbeit leisten.

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Konsildienst steht hier zu den Praxissprechzeiten telefonisch für eventuelle Nachfragen zur Verfügung. Alternativ enthält die eFallakte eine Messenger-Funktion, über die der Hausarzt mit dem Konsildienst kommunizieren kann.

Das Monitoring dieser Eintragungen erfolgt durch einen erfah-renen Geriater. Die aktuelle Medikationsliste wird zusätzlich von einem Apotheker der Universitätsmedizin Mainz gesichtet. Durch diese unterstützende Medikationsanalyse wird ange-strebt, insbesondere Nebenwirkungen durch potenziell unge-eignete Arzneimittel für ältere Patienten, Wechselwirkungen bei Polymedikation und fehlende Dosierungsanpassungen bei eingeschränkter Nierenfunktion zu vermeiden. „Jeder unnöti-ge Klinikaufenthalt soll verhindert werden. Zugleich wird bei einem positiven Verlauf des Projektes die Rolle des Hausarztes gestärkt“, ist Prof. Dr. Hardt überzeugt.

Kein spezielles technisches Equipment für Praxen gefordert

Für den Zugriff auf die Fallakte benötigen die teilnehmenden niedergelassenen Kollegen lediglich einen internetfähigen Computer. Eine spezielle Soft- oder Hardware ist nicht erfor-derlich. Der Arzt erhält eine Web-Adresse, mit der er sich auf der Plattform einloggen kann. Wenn der erste Patient einge-schlossen wird, bekommt er zusätzlich ein Passwort und kann dann seine Akte einsehen und gegebenenfalls ändern. Auch der Patient erhält ein Einsichtsrecht in seine Akte, allerdings ohne Bearbeitungsfunktion. Beim Datenschutz würden die strengen Vorgaben der neuen EU-DSGVO beachtet, versichert Prof. Dr. Hardt. „Die Daten befinden sich auf verschiedenen Servern am Interdisziplinären Zentrum Klinische Studien (IZKS) der Uni-

medizin Mainz. Nur wenn an der Fallakte gearbeitet wird, werden die Befund- und Patientendaten zusammengeführt.“ Krankenkas-sen haben keinen Zugriff auf die Daten.

Das Projekt wird vom Institut für Medizinische Biometrie, Epide-miologie und Informatik (IMBEI) der Universitätsmedizin Mainz unabhängig evaluiert. Zuschuss-gelder für die Forschungsarbeiten kommen aus dem Innovations-fonds beim Gemeinsamen Bun-desausschuss. Die prospektive Kohortenstudie wird für drei Jahre mit insgesamt rund 3,8 Millionen Euro gefördert. „Voraussetzung ist, dass der Patient in die Teilnah-me aktiv einwilligt. Es wird viel

Beratungsaufwand nötig sein, die Patienten davon zu über-zeugen, dass das Projekt einen konkreten Nutzen für sie hat. Und natürlich müssen die niedergelassenen Kollegen mitma-chen. Der betreuende Hausarzt wird vor der Entlassung des Patienten direkt kontaktiert und um Beteiligung gebeten.“ Ei-nen finanziellen Anreiz gibt es: Die Pflege der Akte durch die niedergelassenen Ärzte wird extrabudgetär mit 54,20 Euro pro Quartal vergütet.

Ziel ist die Senkung der Rehospitalisierung

Bewährt sich die elektronische Fallakte in der Praxis und kommt es zu signifikant weniger zusätzlichen Einweisungen oder Rück-überweisungen, stehen die Chancen gut, dass das Angebot als Selektivvertrag in die Regelversorgung überführt wird. Projekt-leiter Prof. Dr. Hardt gibt sich optimistisch: „Falls es uns gelingt, die Rehospitalisierungsrate pro geriatrischem Patienten von durchschnittlich 1,85 auf 1,5 zu senken, rechnet sich das bereits ökonomisch für das Gesundheitswesen.“

Derzeit sei das IZKS der Unimedizin Mainz mit Volldampf dabei, die elektronische Fallakte zu erstellen. „Wir hoffen, dass wir spätestens im September loslegen können.“

Dr. Michael Mohr, Telefon 06131 17-7931, [email protected]

Weiterführende Informationen: www.unimedizin-mainz.de > Patienten > Kliniken & Einrichtungen > Zentrum für Allgemeinmedizin & Geriatrie > Geriatrie > Geriatrisches Netzwerk - GerNe

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BUNDESREGIERUNG STREBT AUSBAU VON E-HEALTH AN

Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen will das Bundesgesundheitsministerium aufs Tempo drücken. Erste konkrete Pläne wurden nun bekannt. Im Fokus stehen dabei mobile Anwendungen, der Ausbau der Telemedizin und Nutzbarkeit von Big Data für die Gesundheitsversorgung.

Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, die Telematik-Infrastruktur weiter auszubauen und eine elektronische Patientenakte (ePA) für alle Versicher-ten in der laufenden Legislaturperiode einzuführen. „Wir wol-len neue Zulassungswege für digitale Anwendungen schaffen, die Interoperabilität herstellen und die digitale Sicherheit im Gesundheitswesen stärken“, heißt es dazu im Kapitel „E-Health und Gesundheitswirtschaft“. Ebenso sollen die An-wendung und Abrechenbarkeit telemedizinischer Leistungen ausgebaut werden. Die Koalitionäre versichern, dass die Da-tenspeicherung dabei den strengen Anforderungen des Daten-schutzes unterliegt.

Persönliche Gesundheitsdaten sollen über mobile Anwendungen einsehbar sein

Konkreter wird das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in seinem vorgelegten Strategiepapier „Digitalisierung als Schlüs-sel für unser Gesundheitswesen von morgen“. Damit der Auf-bau einer sicheren Infrastruktur für den Austausch von Pati-entendaten „schnellstmöglich“ erfolgen kann, sollen Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen miteinander vernetzt werden. Die Anbindung an die Telematik-

Infrastruktur ist dabei nur der erste Schritt. Im nächsten Schritt soll dann die elektronische Patientenakte realisiert werden.

Gegenüber der Presse hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hierzu genauer positioniert. Vorgesehen ist, dass Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen spätestens ab 2021 auch per Handy und Tablet ihre Gesundheitsdaten einsehen können. Dies solle „nicht das Ende der Gesundheits-karte, aber eine zusätzliche Option“ sein, sagte der Minister im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Spahns Äußerung deckt sich mit Punkt 2 des Strategiepapiers, nämlich die „Vorteile mobiler Anwendungen zu erschließen und Markt-zugänge für gute digitale Anwendungen zu erleichtern“. Pati-enten sollen mehr Möglichkeiten erhalten, für ihre Erkrankung relevante Daten zu erfassen und zu speichern, ihren Verlauf zu kontrollieren und die Daten mit den sie Behandelnden zu teilen.

Als weiteres Ziel nennt das BMG, die Telemedizin weiter voran-zubringen. Das dafür wichtige Instrument, der Innovations-fonds, fördert Versorgungsansätze, die über die derzeitige Re-gelversorgung hinausgehen. „Wir wollen die positiven Signale des Deutschen Ärztetages zur Änderung zum Fernbehand-lungsverbot aufnehmen“, greift das Strategiepapier den Be-

Damit Patienten ihre Gesundheitsdaten einsehen können, sollen mobile Anwendungen eine zusätzliche Option sein.

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schluss auf. Dazu will sich der Bundesgesundheitsminister mit Vertretern der Ärzteorganisationen, der Krankenkassen und des BMG und des Deutschen Pflegerates am runden Tisch über Lö-sungsansätze und bestehende Hürden bei der Anwendung und Abrechenbarkeit telemedizinischer Leistungen austauschen.

Zweites E-Health-Gesetz soll bis Ende 2018 stehen

In den Blick nimmt das Papier unter Punkt 4 die Big-Data-Tech-nologien, die „für geeignete Indikationen am Punkt der Regel-versorgung in Klinik und Niederlassung nutzbar“ gemacht wer-den sollen. „Unser Ziel muss es sein, die Daten in Zukunft zu nutzen, um Zusammenhänge aufzuzeigen und neue Ansätze zu finden, Krankheiten noch besser zu erkennen sowie Behand-lungen frühzeitiger einleiten zu können“, schreibt das BMG. Ak-tuell fördert das Ministerium beispielsweise das Projekt „Data Box“, in dem modellhaft für die Indikation Lungenkrebs ein neuer, patientenzentrierter Ansatz für den Einsatz intelligenter Systeme zum Nutzen der Patienten in Prävention, Diagnostik und Therapie entwickelt wird. Ziel des „Data Box“-Projektes ist es, aus den Informationen verschiedener Datenquellen Er-kenntnisse zu gewinnen, die die Versorgung der an Lungen-krebs erkrankten Menschen verbessern sollen.

Bis Ende dieses Jahres will das BMG im Rahmen seiner Digitali-sierungsstrategie ein „E-Health-Gesetz II“ vorlegen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tino Sorge, Berichterstatter seiner Fraktion für Digitalisierung und Gesundheitswirtschaft, sieht es als notwendig an, technische Insellösungen miteinander kompatibel zu machen. Andere Medien wie Smartphones und implantierbare Chips sollten ergänzend zur elektroni-schen Gesundheitskarte an das System angeknüpft werden. „Die Zersplitterung der technischen Lösungen im Markt mit Abschottungsstrategien muss beendet werden“, forderte der CDU-Gesundheitspolitiker auf dem Gesprächskreis Gesundheit des Bundesverbandes Medizintechnologie.

KBV-Vorstoß für Datenaustausch über eArztakte

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht es ebenfalls als problematisch an, dass Dokumente verschiedener Praxis-verwaltungssysteme (PVS) oder Geräte oft nicht kompatibel sind oder weiterverarbeitet werden können. Daher hat die KBV ein Konzept für eine elektronische Arztakte ausgearbei-tet, um den Austausch von Befunden zu standardisieren. „Wir möchten, dass in jedem PVS ein EKG sofort als EKG erkannt und eingelesen werden kann“, betont Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. „Für den Arzt verändert sich erst mal nicht viel, außer dass seine Daten elekt-ronisch strukturiert und indexfähig suchbar abgelegt werden.“ Denkbar sei, dass die KBV für die Ablage einheitlicher Dateifor-mate im PVS eine technische Richtlinie erstellt.

Mit der sogenannten eArztakte könne der Arzt seine Daten aus dem PVS sowohl exportieren als auch andere Arztdaten impor-tieren, erklärt Dr. Hofmeister. Dabei sollen sich durch einheitli-che Dateiformate beispielsweise Laborbefunde, Röntgen-Bilder und EKG nahtlos in die entsprechenden Bereiche des PVS ein-sortieren. Auf Wunsch des Patienten ist ein Datenaustausch mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen ePA möglich – sowohl Import als auch Export. Hierbei würde es sich lediglich um un-veränderbare Befundkopien handeln, die der Patient abspei-chern und auf eigenen Wunsch an andere Ärzte weiterleiten kann.

KVen lehnen einen Datenzugriff von außen strikt ab

Bezüglich eines strukturierten und sicheren Austausches von medizinischen Behandlungsdaten haben sich sowohl die Vor-stände der KBV als auch der KVen eindeutig positioniert: Sie erteilen einem direkten Zugriff in die PVS der Vertragsärzte und -psychotherapeuten von außen und dem Auslesen von Behandlungsdaten eine klare Absage. „Wir werden im Sinne unserer Mitglieder nicht zulassen, dass diese besondere Be-ziehung zu unseren Patienten durch technische Lösungen auf-gebrochen wird, die einen direkten Zugriff in die vertrauliche Arztdokumentation beinhalten“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Die Datenhoheit für die ePatientenakte müsse beim Patienten liegen.

Unterstützung für diese Position signalisierten politische Ver-treter. „Transparenz heißt für mich, dass der Patient Souverän seiner Daten ist. Er soll eben nicht zum gläsernen Bürger wer-den. Vielmehr soll er den Anspruch haben, alle seine Daten zu kennen“, bekannte sich der Leiter der neuen Abteilung Digi-

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will im Rahmen der Digitalisierungs-strategie bis Ende dieses Jahres ein E-Health-Gesetz II vorlegen.

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SCHWERPUNKT

12 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

WEITERE PRODUKTE IM TELEMATIK-MARKT

Der Markt für die Komponenten zur Anbindung an die Telematik-Infrastruktur (TI) ist in Bewegung. Bei den Konnektoren und den mobilen Kartenterminals wurden weitere Hersteller zugelassen.

Nach den abgeschlossenen Nachverhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spit-zenverband zur Kostenerstattung der TI-Installation steigt die Zahl an Neuzulassungen wichtiger Komponenten. So hat der VSDM-Konnektor der T-Systems International GmbH das Zulas-sungsverfahren der Betreibergesellschaft gematik erfolgreich durchlaufen. Das Gerät kam im August flächendeckend auf den Markt. Damit könnten weitere Ärzte und Psychotherapeuten ihre Praxis möglichst bald an die TI anschließen lassen.

Für die Anbindung der Arztpraxen an die Telematik-Infrastruk-tur sind mehrere Produkte und Dienste der Industrie not-wendig, die von der gematik zugelassen werden müssen, wie beispielsweise der Konnektor. Er verbindet die IT-Systeme me-dizinischer Einrichtungen mit der Telematik-Infrastruktur. Der Konnektor ist mit einem Router vergleichbar, jedoch mit einem deutlich größeren Funktionsumfang und einem sehr hohen Si-

cherheitsniveau. Dabei wird ein sogenanntes virtuelles priva-tes Netzwerk (VPN) zur TI hergestellt, was eine Kommunikation unter Einsatz moderner Verschlüsselungstechnologien völlig abgeschirmt vom Internet ermöglicht.

Mobile Kartenterminals nur für den mobilen Einsatz geeignet

Darüber hinaus hat die gematik insgesamt drei mobile Karten-terminals zugelassen. Es stehen somit alle erforderlichen Kom-ponenten für die Anbindung einer medizinischen Einrichtung an die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung. Aktuell haben drei Hersteller mobile Kartenterminals auf den Markt gebracht; Bestandsgeräte zweier Firmen können mit einem Update nach-gerüstet werden (siehe Tabelle). Das mobile Kartenterminal ist nur für den mobilen Einsatz vorgesehen; das Versicherten-stammdaten-Management (VSDM) ist darüber nicht möglich. Für den Betrieb eines mobilen Kartenterminals wird ein Pra-

xisausweis oder ein eHBA zur Iden-tifikation benötigt. Anspruch auf ein mobiles Kartenterminal haben Ärzte, die Haus- und Pflegeheimbesuche durchführen, die meisten Anästhesis-ten sowie Praxen mit ausgelagerten Praxisstätten.

Unerlässlich zur TI-Anbindung ist der elektronische Praxisausweis. Ärzte und Psychotherapeuten benötigen hier die sogenannte SMC-B (Security Module Card Typ B). Dadurch wird es überhaupt erst möglich, dass sich Praxen gegenüber dem digitalen Ge-sundheitsnetzwerk als medizinische Einrichtung authentifizieren können. In Rheinland-Pfalz wurden mit Stand zum 5. September jedoch erst 1.617 Praxisausweise beantragt; den Be-scheid zur Refinanzierung erhielten

talisierung im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Gottfried Ludewig, im Interview mit der Ärztezeitung. Auch von Kran-kenkassenseite kommen beruhigende Stellungnahmen. „Auf die medizinischen Daten der Versicherten haben zu jedem Zeitpunkt nur sie selbst oder die von ihnen ermächtigte Ärzte Zugriff, niemals die Krankenkasse oder ein von ihr beauftragter

Betreiber“, bestätigte der AOK-Vorstandsvorsitzende Martin Litsch.

BMG (Hrsg.): Digitalisierung als Schlüssel für unser Ge-sundheitswesen von morgen. Zur Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit. Berlin, Mai 2018.

ZUGELASSENE KOMPONENTEN FÜR DIE TELEMATIK-INFRASTRUKTUR

Hersteller und Produktname

Konnektoren

KoCoBox MED+ (KoCo Connector GmbH —> CGM)VSDM-Konnektor (T-Systems International GmbH)Secunet (nicht bekannt)Rise-Konnektor (nicht bekannt)

Stationäre KartenterminalsORGA 6141 online (Ingenico Healtcare GmbH)eGK-Tastatur G87-1505 (Cherry GmbH)

Mobile Kartenterminals

ORGA 930 M online (Ingenico Healtcare GmbH)Cherry ST-1530 (Cherry GmbH)Zemo VML-GK2 (Zemo GmbH)Vorhandene Kartenterminals wie ORGA 930 M und Zemo VML-GK2 werden per Update [Kosten ca. 100 Euro] TI-fähig.Bestandsgeräte können voraussichtlich bis Mitte 2019 weiterverwendet werden.

PraxisausweiseBundesdruckerei GmbHMedisign GmbHT-Systems International GmbH

Heilberufsausweis(noch optional)

Noch nicht verfügbarErst mit medizinischen Anwendungen notwendig, voraussichtlich Mitte 2019

Die Zulassungsliste wird von der gematik regelmäßig aktualisiert.

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13KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

927 Praxen. Bundesweit hat die CompuGroup Medical nach ei-genen Angaben (Stand 13. August 2018) rund 17.500 ärztliche und 7.500 zahnärztliche Praxen mit dem Konnektor ausgestat-tet. Vor diesem Hintergrund ist es weiterhin äußerst fraglich, dass bis Jahresende alle Praxen flächendeckend ausgestattet werden können.

Forderungen nach Verschiebung der Sanktionsfrist stoßen auf Widerhall

Seit Langem fordern die KBV wie auch die KV RLP daher, den Zeitpunkt für die verpflichtende Anbindung aller Praxen und Medizinischen Versorgungszentren an die TI erneut um ein hal-bes Jahr zu verschieben. Das E-Health-Gesetz sieht Honorar-kürzungen vor, wenn Praxen ab 2019 nicht die Versichertenda-ten auf der elektronischen Gesundheitskarte online abgleichen können. KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel wies darauf hin, dass es nicht die Schuld der Ärzte und Psychotherapeuten sei, wenn der Termin nicht eingehalten werden kann. Die meis-ten von ihnen hätten bereits Vorbereitungen getroffen, bekä-men jedoch keine Geräte. Aus der Politik kommen inzwischen vereinzelt Stimmen, die auf die Ärzteseite zugehen wollen. Zum Beispiel äußerte der CDU-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Tino Sorge, dass Ärzte vor ungerechtfer-tigten Sanktionen zu schützen seien. „Ab sofort sollte bereits der Zeitpunkt der verbindlichen Bestellung des Konnektors aus-schlaggebend sein für die Erstattung – und nicht erst der Mo-ment der Inbetriebnahme. Sonst werden Ärzte für Verzögerun-gen auf Herstellerseite bestraft, die sie nicht zu verantworten haben.“

Kostenerstattung notfalls per Vertragsklausel garantieren lassen

Zugleich setzt sich die KBV dafür ein, dass die mit den Kranken-kassen ausgehandelten höheren Erstattungsbeiträge alle ent-standenen TI-Kosten abdecken. Die beiden großen Konnektor-Hersteller hätten laut Dr. Kriedel bereits erklärt, ihre Geräte innerhalb der neu vereinbarten Pauschalen liefern zu wollen. Diese Zusage gelte allerdings zunächst für das dritte Quartal 2018. Deshalb hat sich der Vorstand der KBV an den Bundesver-band Gesundheits-IT – bvitg gewandt. Der Branchenverband solle seinen Mitgliedern empfehlen, von ihren Kunden nur die Beiträge zu verlangen, die durch die Zahlungen der Krankenkas-sen gedeckt seien.

Generell rät die KBV, die notwendige TI-Ausstattung jetzt beim PVS-Hersteller oder IT-Betreuer zu bestellen. Sofern von Anbie-terseite nicht gewährleistet, sollten Praxen sich in einer Klausel schriftlich zusichern lassen, dass sie nur so viel bezahlen müs-sen, wie sie von den Krankenkassen erstattet bekommen. An-dernfalls sei es besser, mit der Bestellung noch zu warten.

Telematik: www.kv-rlp.de/442612 KBV-Broschüre „Telematik-Infrastruktur“: www.kbv.de/html/publikationen.php Zulassungsliste: www.fachportal.gematik.de >

Zulassungen > Online-Produktivbetrieb

Telematik-Hotline der KV RLP: Telefon 0651 4603 200

Der Konnektor verbindet die IT-Systeme medizinischer Einrichtungen mit der Telematik-Infrastruktur.

Das mobile Kartenterminal eignet sich zum Beispiel für den Einsatz bei Hausbe-suchen. Ein Abgleich der Versichertenstammdaten ist damit nicht möglich.

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SCHWERPUNKT

14 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

ONLINE-TERMINSERVICE STÄRKT PROFIL DER ARZTPRAXIS

Der Anteil der Praxen mit einer eigenen Internetpräsenz steigt. Da liegt es nahe, als besonderen Service für Patienten mit einem Online-Terminbuchungssystem zu punkten.

Einen Termin per Mausklick beim Haus- oder Facharzt buchen – diese Möglichkeit bietet nur ein kleiner Teil der Praxen an. Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom von 2016 haben erst 13 Prozent der Deutschen die Online-Terminvereinbarung genutzt. Weitere 33 Prozent konnten sich vorstellen, dies in Zukunft zu tun. Immerhin jeder zehnte Ver-braucher hat sich schon einmal per SMS oder E-Mail an Termine oder fällige Vorsorgeuntersuchungen erinnern lassen, 49 Pro-zent sind an diesem Service interessiert. „Patienten sind damit wichtige Treiber der Digitalisierung im Gesundheitswesen“, stellt der Bitkom-Geschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder fest.

Zahl der Anrufe kann sich laut Studie deutlich verringern

Für das Marketing einer Arztpraxis eignet sich die Einführung eines Online-Terminmanagementsystems (OTMS) hervorra-gend, wie schon eine Forschungsarbeit des Karlsruher Instituts für Technologie von 2015 als Fazit zog. Zugleich können OMTS dazu beitragen, das Serviceangebot für Patienten zu verbes-sern und interne Prozesse im Praxismanagement zu optimie-ren. Eine Pilotstudie kam zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der geführten Telefonate in der Rheumatologie (-11 Prozent) und in der Dermatologie (-25 Prozent) deutlich verringerten. Ent-scheidend für den Erfolg sei dabei, dass das Terminbuchungs-formular prominent auf der Praxis-Website verlinkt ist und bei besetzter Leitung oder außerhalb der Sprechstundenzeiten auf dem Anrufbeantworter ein entsprechender Hinweis gegeben wird.

Wenn Arztpraxen kein eigenes Online-Terminmanagement vorhalten wollen, haben Sie die Möglichkeit, mit externen Dienstleistern zu kooperieren, die entsprechende kostenpflich-tige Online-Services anbieten. In der Regel loggen sich Patienten über eine Online-Plattform ein und suchen an ihrem Wohnort nach einem freien Termin. Dieser wird dann in Echtzeit abgegli-chen und entsprechend vergeben. Alle Terminbuchungen lau-

fen in einem zentralen elektronischen Kalender zusammen, die der Arzt bei kurzfristigen Änderungen aktualisieren kann. Viele Anbieter ermöglichen es, dass der Arzt bestimmte Buchungs-regeln anlegen kann. Ein weiteres häufig angebotenes Feature ist, dass Patienten einen Tag vorher eine automatische Termi-nerinnerung erhalten, sei es per E-Mail oder SMS.

Informationspflichten bei Kooperation mit Dienstleistern

Entscheiden sich Praxisinhaber für ein Online-Terminbuchungs-system und greifen dabei auf externe Dienstleister zurück, müssen sie die Nutzer auf ihrer Website darauf hinweisen. Dies ist immer dort der Fall, wo der Webserver nicht selbst durch die und in der Arztpraxis betrieben wird, sondern diese auf soge-nannte Hosting-Provider zurückgreift. Im Kern geht es darum, die Nutzer darüber zu informieren, dass ihre personenbezoge-nen Daten gegebenenfalls anderen Stellen als dem Anbieter der Homepage zur Kenntnis gelangen. Von besonderer Bedeutung ist dies dann, wenn Serviceleistungen wie Terminbuchung oder Rezeptbestellung angeboten werden. Aber auch bei der Erfas-sung und Auswertung der Zugriffe auf die Praxis-Homepage bestehen nach der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 13, 14) nun deutlich ausgeweitete Informationspflichten.

Sinnvollerweise sollten die Informationen daher in einer „Da-tenschutzerklärung“ vorgehalten werden, die analog den An-forderungen an das Impressum leicht erkennbar und unmit-telbar erreichbar sein soll. Werden für die Terminreservierung Online-Formulare zur Übertragung von Daten an die Praxis angeboten, so sollte ein Hinweis auf den Sicherheitsstandard der Übermittlung (verschlüsselte Übertragung) und die Ver-wendung der übermittelten Daten und deren eventuelle Wei-tergabe erfolgen.

www.mit-sicherheit-gut-behandelt.de > Digitale Praxis > Arzt im Internet

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15KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

ZUCKERBROT UND PEITSCHE

Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegte Eckpunktepapier zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist unter Ärzten umstritten. Die KV RLP sieht zwar erste Schritte zur Entbudgetierung, kritisiert aber Eingriffe in die Praxisorganisation.

Der wohl am meisten diskutierte Punkt im Spahn'schen Geset-zesentwurf dürfte die Ausweitung des Sprechstundenange-bots sein. Bereits im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, das Mindestsprechstundenangebot der Vertragsärzte für die Ver-sorgung von gesetzlich versicherten Patienten von 20 auf 25 Stunden zu erhöhen. Dieses Vorhaben findet sich nun eins zu eins im Eckpunktepapier wieder. Hierzu soll die Zulassungs-verordnung für Ärzte entsprechend geändert werden. Die Kas-senärztlichen Vereinigungen werden verpflichtet, die Sprech-stundenzeiten der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zu veröffentlichen.

Offene Sprechstunde mindestens fünf Stunden wöchentlich

Darüber hinaus müssen Arztgruppen der „grundversorgenden und wohnortnahen Patientenversorgung“ mindestens fünf Stunden pro Woche als offene Sprechstunde anbieten. Diese werden „unter bestimmten Voraussetzungen extrabudgetär vergütet“. Bis spätestens 31. März 2019 müssen die Bundes-mantelvertragspartner regeln, inwieweit Besuchszeiten auf die Mindestsprechstundenzeiten angerechnet werden und welche Arztgruppen diese offenen Sprechstunden anzubieten haben.

Ganz nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ setzt das Eck-punktepapier aber auch auf Honoraranreize in Form von extra-budgetären Vergütungen. Im Einzelnen sind folgende Leistungen gemeint:

� Vermittlung von dringlichen Terminen durch den Hausarzt an den Facharzt. Hierzu muss bis zum 1. April 2019 im EBM eine Regelung getroffen werden. Andernfalls können Haus-ärzte für diese Leistung jeweils einen Betrag in Höhe von zwei Euro abrechnen.

� Behandlung von Patienten, die über die Terminservicestelle (TSS) vermittelt wurden

� Versicherten- und Grundpauschale � sowie deren erhöhte Bewertung bei neuen Patienten

der Arztpraxis � in der „zusätzlichen“ offenen Sprechstunde

� Behandlung von Akut- und Notfällen während der Sprech-stundenzeiten

Einen höheren Stellenwert im Sprechstundenangebot sollen die TSS erhalten, die zu „neuen Servicestellen mit zusätzlichen Auf-gaben“ weiterentwickelt werden. Künftig müssen die Termin-servicestellen auch Termine bei Haus- und Kinderärzten vermit-teln. Um diese neue Servicestelle besser erreichen zu können,

ist vorgesehen, dass die bundesweit einheitliche Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117, die bisher außerhalb der üblichen Sprechzeiten galt, nun rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche erreichbar ist. Dabei soll die neue Service-nummer in das Konzept der gemeinsamen Notfallleitstellen des Sachverständigenrats integrierbar sein. Ergänzend zur TSS soll ein Angebot für ein elektronisch gestütztes Wartezeiten-management bei der Terminvermittlung geschaffen werden.

Warnung vor Eingriff in die Praxisorganisation

Dr. Andreas Bartels, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV RLP, kritisiert die angedachte Erhöhung des Mindest-sprechstundenangebotes als „viel zu kurz gedacht“. „Abgese-hen von der fehlenden Finanzierungsfrage wird vollkommen außer Acht gelassen, dass die niedergelassenen Mitglieder schon heute über 50 Stunden arbeiten.“ Zwangsmaßnahmen wie Eingriffe in das Sprechstundenangebot der Praxen würden nur dazu führen, weitere Ärzte von einer Niederlassung ab-zuschrecken. In den extrabudgetären Vergütungskonzepten sieht die KV RLP erste Schritte zur Entbudgetierung.

Ablehnend äußert sich der KV RLP-Vorstandsvorsitzende Dr. Pe-ter Heinz zum Vorhaben, die 116117 mit der 112 zusammen-zulegen. Dies sei eine „folgenschwere Bevormundung“ des Patienten. „Bisher wird dem Patienten zugetraut, selbst ein-zuschätzen, ob in der jeweiligen Krankheitssituation ein be-

Gesetzlich Versicherte sollen schneller Arzttermine bekommen, verspricht der Entwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz.

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POLITIK

16 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

drohlicher Notfall vorliegt. Diese Selbstselektion des Patienten würde bei einer einheitlichen Rufnummer komplett entfallen.“

Auch der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen sieht die Gefahr, dass die Politik viel zu stark in die Abläufe der ein-zelnen Praxis eingreift. Ärzte seien Freiberufler und müssten ihre Arbeit frei gestalten können. Eine Verbesserung der Ver-sorgung sei dadurch nicht zu erwarten – im Gegenteil. Chaos und längere Wartezeiten würden die Folge sein. Angesichts der Personalknappheit in den Praxen warnte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister: „Die offe-nen Sprechstunden werden in der Regel nicht die Kranken nut-zen, die schnell ärztliche Hilfe benötigen. Denn diese Menschen sollen und können nicht stundenlang im Wartezimmer sitzen.“ Das Gleiche gelte für chronisch Kranke, für die die Praxen dann weniger freie Termine hätten. Gleichwohl sieht die KBV als po-sitiven Effekt, dass diese Mehrleistung mit deutlich mehr Geld vergütet werden soll.

Mit dem TSVG sollen zugleich weitere Maßnahmen zur Auf-rechterhaltung der flächendeckenden vertragsärztlichen Ver-sorgung beschlossen werden. Das Gesetz sieht im Einzelnen vor:

Regionale Zuschläge

Sie sind zur Sicherstellung bei eingetretener oder drohender ärztlicher Unterversorgung sowie bei einem zusätzlichen lo-kalen Versorgungsbedarf obligatorisch zur besonderen Unter-stützung von Ärzten zu zahlen. Wann eine Unterversorgung vorliegt oder droht, stellt der Landesauschuss der Ärzte und Krankenkassen fest.

Strukturfonds verbindlicher, finanzstärker und flexibler

Die Bildung eines Strukturfonds wird künftig für alle KVen ver-pflichtend. Die Mittel hierfür werden von mindestens 0,1 Pro-zent auf bis zu 0,2 Prozent der vereinbarten Gesamtvergütung verdoppelt. Die möglichen Verwendungszwecke werden er-weitert, beispielsweise für Investitionskosten bei Praxisüber-nahmen oder die Förderung von lokalen Gesundheitszentren für die medizinische Grundversorgung.

Eigeneinrichtungen durch KVen

Die KVen werden verpflichtet, Eigeneinrichtungen in unterver-sorgten oder in drohend unterversorgten Gebieten zu betrei-ben. Dies kann durch Kooperationen oder gemeinsam mit Krankenhäusern erfolgen. Alternativ können KV-Eigeneinrich-tungen durch Patientenbusse, mobile Praxen oder digitale Sprechstunden betrieben werden.

Medizinische Versorgungszentren

� Die bisherige generelle Möglichkeit zur Nachbesetzung ei-ner Angestellten-Arztstelle wird auf ein sachgerechtes Maß beschränkt.

� Um zu verhindern, dass einem MVZ im Falle des Ausschei-dens aller Gründer eines MVZ die Zulassung entzogen wird, können angestellte Ärzte Gesellschafteranteile überneh-men, solange sie im MVZ tätig sind.

� Der Zulassungsausschuss hat auf einen im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens ausgeschriebenen Vertrags-arztsitz das besondere Versorgungsangebot des MVZ zu berücksichtigen.

� Die Möglichkeit der Gründung eines MVZ durch Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen wird auf fachbezogene MVZs begrenzt.

� Praxisnetzen wird ebenfalls künftig die Möglichkeit gege-ben, in unterversorgten Regionen MVZs zu gründen.

Bedarfsplanung

Zulassungsbeschränkungen für Rheumatologen, Psychiater und Pädiater werden zunächst befristet aufgehoben. In länd-lichen Gebieten sollen Zulassungssperren für die Neunieder-lassung von Ärzten entfallen. Welche Gebiete betroffen sind, werden die betroffenen Bundesländer entscheiden. Sie können trotz Zulassungsbeschränkungen für Planungsbereiche zusätz-liche Arztsitze in den von ihnen bestimmten ländlichen Regio-nen beantragen. Dafür erhalten die Länder gleichzeitig Mitbe-ratungs- und Antragsrecht im Zulassungsausschuss. Generell

Zwangsmaßnahmen

wie Eingriffe in das

Sprechstundenangebot

der Praxen werden

weitere Ärzte von einer

Niederlassung abschrecken.

Dr. Andreas Bartels, stellv.

Vorstandsvorsitzender

Die KV RLP muss nach wie

vor aus einem Strauß an

Sicherstellungsinstrumenten

wählen können, passend

für die jeweilige regionale

Versorgungssituation.

Dr. Peter Heinz,

Vorstandsvorsitzender

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17KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

sollen bis Mitte nächsten Jahres die Bedarfsplanungs-Richtlinie weiterentwickelt und die Regelungskompetenzen des Gemein-samen Bundesausschusses erweitert werden.

Sektorenübergreifende Verträge und EBM-Reform

Das Eckpunktepapier enthält noch weitere Reformansätze. Zu den für die Vertragsärzte relevantesten dürfte zum einen die Aufwertung der zuwendungsorientierten ärztlichen Leistun-gen – sogenannte „sprechende Medizin“ – zählen. Der Bewer-tungsausschuss wird damit beauftragt, dem BMG bis zum 31. März 2019 eine kostenneutrale EBM-Reform vorzulegen. Um die „sprechende Medizin“ im EBM höher zu vergüten, sollen ausgleichend mögliche Über- und Fehlversorgungen in der „technisch-apparativen Diagnostik“ abgebaut und die Bewer-tung der Leistungen aufgrund des technischen Fortschritts ak-tualisiert werden.

Peter Andreas Staub, Mitglied im Vorstand der KV RLP, beurteilt die Überprüfung der technischen und nicht technischen Antei-le der Vergütung mit einer Fristsetzung Mitte 2019 als sinnvoll. Staub: „Gerade die Vorgaben hinsichtlich einer angemessenen Vergütung aller zeitgebundenen psychotherapeutischen und psychiatrischen Leistungen sollten allerdings präziser ausfal-len, so reicht das nicht aus.“ Außerdem sollten diese Leistungen dauerhaft extrabudgetär vergütet werden, um eine bedarfs-gerechte Finanzierung sicherzustellen. Die im TSVG vorgesehe-nen finanziellen Anreize zur Aufnahme neuer Patienten sollten auch auf die Psychotherapie ausgedehnt werden. Dazu sollten die Bewertungen der sehr zeitaufwendigen psychotherapeu-tischen Sprechstunde und der Akutbehandlung angehoben werden.

Eine weitere relevante Änderung betrifft die sektorenübergrei-fende Versorgung: Bei dreiseitigen Verträgen zwischen KBV, GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft

entscheidet im Konfliktfall ein eigenständiges sektorenüber-greifendes Schiedsgremium. „Mit dem neuen sektorenüber-greifenden Entscheidungsgremium zur Konfliktlösung werden Kompetenzen gebündelt und eine sachgerechte, interessenge-rechte und zügige Konfliktlösung sichergestellt“, so der Wort-laut im Eckpunktepapier.

Vorstand der KV RLP: Umfassende Entbürokratisierung ist erforderlich

Beim Vorstand der KV RLP lösen die geplanten Reformansätze ein geteiltes Echo aus. Ausdrücklich wird begrüßt, dass zumin-dest für einzelne Fachgebiete die Zulassungsbeschränkun-gen in ländlichen Gebieten aufgehoben werden sollen. Damit fühlt sich der Vorstand in seiner Forderung nach einer Reform der als Niederlassungsverhinderungsinstrument eingeführten Bedarfsplanung bestätigt. Grundsätzlich offen zeigt sich der Vorstand für neue Versorgungsformen wie KV-Eigeneinrich-tungen. Entscheidend sei, dass diese in ärztlicher Hand blieben. Langfristiges Ziel sei es, Eigeneinrichtungen so zu konstruieren, dass sie später wieder an selbstständig tätige Ärzte übergeben werden könnten.

Auf ein klares Nein stößt beim Vorstand der Spahn'sche Geset-zesvorstoß, dass KVen Eigeneinrichtungen in unterversorgten oder in drohend unterversorgten Gebieten gründen müssen. „Unerlässlich für uns ist, dass die KV RLP nach wie vor aus einem Strauß an Sicherstellungsinstrumenten wählen kann, passend für die jeweilige Versorgungssituation in der Region“, unter-streicht Dr. Heinz. Auch gebe es bei der Finanzierung des laufen-den Betriebs einer solchen Einrichtung noch Klärungsbedarf.

Insgesamt bedarf es zur Bekämpfung des Ärztemangels deut-lich mutigerer Weichenstellungen wie eine umfassende Entbü-rokratisierung und eine finanzielle wie unternehmerische und vor allem medizinische Handlungsfreiheit innerhalb des freien Arztberufs.

Die im TSVG geplanten

finanziellen Anreize

zur Aufnahme neuer

Patienten sollten auch

auf die Psychotherapie

ausgedehnt werden.

Peter Andreas Staub,

Mitglied des Vorstandes

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POLITIK

18 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

JOBSHARING-URTEIL HAT FOLGEN FÜR GEMEINSCHAFTSPRAXEN

In seinem Urteil vom 24. Januar 2018 fordert das Bundessozialgericht (BSG), die bisherige arztbezogene Berechnung beim Jobsharing auf die gesamte Praxis auszuweiten. Das macht Jobsharing vor allem für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) unattraktiv.

Beim Jobsharing teilen sich zwei Ärzte derselben Fachrichtung einen Arztsitz. Dadurch besteht auch in gesperrten Pla-nungsbereichen für den Jobsharing-Junior die Möglichkeit, vertragsärztlich tätig zu werden. Allerdings ist die Praxis in ihrem Leistungsumfang durch eine Punktzahlobergrenze ein-geschränkt. Diese Obergrenze wird auf Basis der letzten vier Abrechnungsquartale vor Beginn des Jobsharings berechnet. Wird die Obergrenze durch Ausweitung des Leistungsumfangs überschritten, werden die zusätzlichen Leistungen nicht ver-gütet. Jobsharing eignet sich daher vor allem als Form einer mittelfristigen Praxisübergabe oder um Beruf und Familie besser miteinander zu vereinbaren. In Rheinland-Pfalz bilde-ten bisher zwei Ärzte ein Jobsharer-Paar. Diese beiden Ärzte mussten sich mit der vom Zulassungsausschuss festgelegten Punktzahlobergrenze einverstanden erklären. Einige Leistun-gen blieben bei der Punktzahlobergrenze unberücksichtigt, sodass die Ärzte diese Leistungen ohne Begrenzung erbringen konnten. Sowohl für die Bildung des Jobsharings als auch für die zu berücksichtigenden Leistungen gibt es mittlerweile prä-zisierende Urteile des Bundessozialgerichts.

Bestehende Jobsharing-Konstellationen genießen Vertrauensschutz

Das aktuelle BSG-Urteil von Anfang dieses Jahres stellt nun klar, dass die Punktzahlobergrenze als Begrenzungsmaßnahme für die gesamte Praxis gilt. Bisher konnte in Rheinland-Pfalz ein Jobsharer-Paar mit einer Punktzahlobergrenze praktizieren, während weitere Ärzte derselben Praxis ohne Einschränkung

abrechnen konnten. Dieses BSG-Urteil wird mittlerweile in den Beschlüssen des Zulassungsausschusses für neue Jobsharing-Konstellationen umgesetzt. Bereits bestehende Jobsharing-Konstellationen und die bislang nicht begrenzten Partner der Praxis genießen Vertrauensschutz und sind zunächst durch das BSG-Urteil nicht betroffen.

Erst bei einer Änderung der Jobsharing-Konstellation wird der Zulassungsausschuss eine neue Punktzahlobergrenze für die Gesamtpraxis festlegen. Für Einzelpraxen, die ein Jobsharing eingehen möchten, hat dies keine Auswirkungen. Für Gemein-schaftspraxen macht das BSG-Urteil das Jobsharing zukünftig jedoch weniger attraktiv, da jetzt die gesamte Praxis der Punkt-zahlobergrenze und damit einer Leistungsbegrenzung unter-liegt. Daher scheidet das Jobsharing für viele Gemeinschafts- praxen in gesperrten Planungsbereichen als Möglichkeit aus, neue Ärzte in das KV-System zu integrieren.

Auch extrabudgetäre Leistungen fallen unter die Punktzahlobergrenze

In einem älteren Urteil vom 15. Juli 2015 hatte das Bundessozi-algericht außerdem festgestellt, dass keine vertragsärztlichen Leistungen von der Punktzahlobergrenze ausgenommen wer-den dürfen. Dies gilt selbst dann, wenn diese Leistungen von den Krankenkassen extrabudgetär vergütet werden. In Rhein-land-Pfalz galt die Punktzahlobergrenze bisher nicht für das ambulante Operieren gemäß Kapitel 31 EBM, belegärztliche Leistungen, kurative Koloskopie, Hautkrebsscreening, Pallia-

bisherige Regelung

FREIPUNKTZAHL- OBERGRENZE

ARZT A ARZT B ARZT C

neue Regelung

PUNKTZAHLOBERGRENZE

ARZT A ARZT B ARZT C

JOBSHARING – ÄNDERUNG AUFGRUND AKTUELLER BSG-RECHTSPRECHUNG

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19KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

tivversorgung, Früherkennung U7a, MRSA, künstliche Befruch-tung und Notfallleistungen. Auch diese Ausnahmeregelungen kann die KV RLP nicht mehr aufrechterhalten.

Um den Praxen ausreichend Zeit zu geben, sich auf diese verän-derte Ausgangslage einzustellen, wird die KV RLP die Einbezie-hung aller vertragsärztlichen Leistungen in die Leistungsbe-schränkung erst mit dem ersten Quartal 2019 umsetzen. Da mit Ausnahme der belegärztlichen Leistungen auch die bislang aus-genommenen Leistungen bei der Festsetzung der Punktzahl-obergrenze berücksichtigt wurden, behalten die mitgeteilten Punktzahlobergrenzen der Praxen ihre Gültigkeit. Für Praxen, die belegärztliche Leistungen erbringen, werden die Punkt-zahlobergrenzen auf Basis der abgerechneten belegärztlichen Leistungen des Jahres 2017 angehoben. Hierzu stellt die KV RLP einen entsprechenden Antrag an den Zulassungsausschuss.

KV RLP bedauert BSG-Urteil

Die KV RLP sieht diese Urteile insbesondere mit Blick auf die negativen Auswirkungen für die Gewinnung neuer Ärzte für die vertragsärztliche Versorgung in gesperrten Planungsbereichen sehr kritisch. Da es sich aber um eine höchstrichterliche und damit bindende Rechtsprechung handelt, müssen diese Urteile in der beschriebenen Form umgesetzt werden. Die betroffe-nen Praxen wurden bereits Ende Juni 2018 in einem Sonder-rundschreiben über die Auswirkungen auf die jeweilige Praxis informiert. Die Praxen haben damit ausreichend Vorlauf, um mögliche Alternativen mit den Zulassungs- und Kooperations-beratern der KV RLP zu besprechen.

Zulassungs- und Kooperationsberatung: Telefon 06131 326-304

ARZNEIMITTELKOSTEN MIT ZUNEHMENDER TENDENZ

Das mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte Ausgabenvolumen könnte 2018 gesprengt werden.

In Rheinland-Pfalz stiegen die Arzneikosten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 zwischen 4,7 und 6,6 Prozent gegen-über dem Vorjahreszeitraum. Sollte sich diese Entwicklung fort-setzen, ist im Jahr 2018 mit einer Überschreitung des zwischen der KV RLP und den Krankenkassenverbänden vereinbarten Aus-gabenvolumens und infolgedessen mit Wirtschaftlichkeitsprü-

fungen – nach Zielquoten beziehungsweise fachgruppenspezi-fischen Fallwerten – zu rechnen. Somit kommt der Beachtung der fachgruppenspezifischen Zielquoten bei der Vermeidung von Prüfungen eine verstärkte Bedeutung zu.

Arzneimittel-Vereinbarung: www.kv-rlp.de/64451-12647

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Arzneimittelkosten ohne Sprechstun-

denbedarf

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Kostenentwicklung der Arznei- und Verbandmittel 2018 im Vergleich zum Vorjahr

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POLITIK

20 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

ARZNEIMITTELSICHERHEIT IN GEFAHR?

Der Rückruf verunreinigter Valsartan-haltiger Arzneimittel auf Apotheken- und Großhandelsebene und der illegale Handel mit onkologischen Arzneimitteln aus Griechenland lassen aufhorchen: Ist die Arznei-mittelsicherheit durch den globalen Handel und die preisregulierenden Maßnahmen der Krankenkassen gefährdet?

Das Arzneimittelgesetz verfolgt den Zweck, „im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbe-sondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu sorgen“ (§ 1 AMG). Die für die nationale Arzneimittelzulas-sung zuständige Bundesoberbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), kann gemäß § 28 AMG vor und nach der Zulassung von Arzneimitteln bestimmte Auflagen anordnen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsi-cherheit erforderlich ist. Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereichs des Arzneimittelgesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Her-stellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen.

Im Falle des Imports aus einem Land außerhalb der Europäi-schen Union, zum Beispiel China, muss der Einführer eine Er-laubnis besitzen, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt (§ 22 Absatz 5 AMG). Die Durchführung der Überwachung der Betriebe und Einrichtungen, in denen Arzneimittel hergestellt, geprüft, ge-lagert, verpackt oder in den Verkehr gebracht werden, oder die Arzneimittel einführen, unterliegt der Überwachung der zu-ständigen Behörde (§ 64 AMG).

Landesbehörden überwachen Herstellungsbetriebe und Einrichtungen

In Deutschland dürfen Arzneimittel nur in den Verkehr ge-bracht werden, wenn sie gemäß den Vorschriften des AMG zum Verkehr zugelassen oder wie zum Beispiel als homöopathische Arzneimittel registriert sind. Folglich dürfen solche Arzneimit-tel ohne Zulassung oder Registrierung nicht nach Deutschland eingeführt werden (§ 73 Abs. 1 AMG). Dieses Verbringungsver-bot dient dem Schutz des Verbrauchers vor Gesundheitsschä-den. Auch Ausnahmen wie zum Beispiel Arzneimittel für den persönlichen Bedarf für maximal drei Monate bei Einreise be-ziehungsweise der Versandhandel sind im AMG geregelt.

Die Überwachung der Vorschriften des AMG ist Ländersache und obliegt in Rheinland-Pfalz dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV). Dazu gehören unter anderem Inspektionen der Herstellungsbetriebe und Einrichtungen vor Ort, ob die Vorschriften der Arzneimittel- und Wirkstoffher-

stellungsverordnung sowie die europaweit gültigen „GMP-Vor-schriften“ (Good Manufacturing Practice) eingehalten werden.

Die Frage stellt sich, wie die jüngsten Verunreinigungen über so lange Zeit unentdeckt bleiben konnten. Anscheinend reichten die Prüfungsmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebe-ne nicht aus, um die Verunreinigungen festzustellen.

Preisregularien als Risiko für die Arzneimittelsicherheit?

Nach dem im Sozialgesetzbuch V verankerten Wirtschaftlich-keitsgebot müssen die Leistungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Gesetzgeber lässt dazu Hersteller-, Apothekenrabatte, Importquoten und Rabattverträge zwi-schen Krankenkassen und Herstellern zu. Die Bemühungen der Krankenkassen um Kosteneinsparungen – beispielsweise durch Import-Arzneimittel – können zur Arzneimittelknappheit in anderen (Entwicklungs-)Ländern führen. Aber auch in Deutsch-land resultieren Lieferengpässe, wenn nur wenige pharmazeu-tische Unternehmen bei den Rabattvertrags-Ausschreibungen der Krankenkassen den Zuschlag erhalten und andere Unter-nehmen ihre Produktion entsprechend reduzieren (müssen). Da verwundert es nicht, wenn Generika-Firmen ihre Arzneimittel-produktion ganz oder teilweise ins Ausland verlagern und Wirk-stoffe oder fertig konfektionierte Arzneimittel aus weltweiten Quellen beziehen, um Produktionskosten zu senken und Ge-winne zu steigern.

Mittlerweile ist bekannt, welche Valsartan-haltigen Arzneien nicht vom Rückruf betroffen sind. Das BfArM rät, Patienten auf ein solches Präparat umzustellen.

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21KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

Bei Parallel- und Reimporten besteht durch komplexe Ver-triebswege und das Umpacken/Umportionieren zugelassener parallel importierter Arzneimittel die Gefahr, dass Fälschungen eingeschleust werden.

Erhöhte Anfälligkeit für Lieferengpässe durch Rabattverträge

Naturkatastrophen oder menschliches Versagen wie Produktions-fehler können zu Produktionsausfällen und weltweiten Versor-gungslücken führen. Die regelmäßige Arzneimittelüberwachung durch deutsche Landesbehörden vor Ort im Herstellungsland, zum Beispiel China, scheint nur schwierig durchführbar zu sein.

Dies lassen die Erfahrungen der vergangenen Wochen erahnen: Genannt sei hier die Einfuhr kanzerogen verunreinigten Val-sartans. Für Schlagzeilen sorgte auch der illegale Handel mit gestohlenen Krebsmitteln aus Kliniken in Griechenland. Lie-ferengpässe gefährden durch vermeidbare Umstellungen von Patienten die Arzneimittelsicherheit. Nicht immer können Patienten zum Beispiel in Krankenhäusern auf therapeutisch gleichwertige Alternativpräparate umgestellt werden. Solche Engpässe führen in Arztpraxen und Apotheken, aber auch in Kliniken und der Verwaltung zu erheblichen organisatorischen und finanziellen Belastungen.

Informationen des BfArM zum Valsartan-Rückruf

Pharmaunternehmen nutzen oft mehrere Wirkstoffquellen für die Arzneimittelproduktion, um bei Produktionsausfällen die Arzneimittelversorgung sicherstellen zu können. Der Wirkstoff Valsartan kann aus unterschiedlichen Wirkstoffquellen mit verschiedenen Verfahren hergestellt werden. Derzeit wird auf europäischer Ebene geprüft, ob bei anderen Syntheseverfahren auch N-Nitrosodimethylamin (NDMA) entstehen kann, wie das mögliche Gesundheitsrisiko zu bewerten ist und ob andere Sar-tane betroffen sein könnten. Bis zum 1. August 2018 lagen dem BfArM hierzu keine Anhaltspunkte vor, auch wenn die Firma Hormosan Pharma GmbH einzelne Irbesartan-Chargen eigen-verantwortlich am 26. Juli 2018 zurückgerufen hat. Nach einer Information der Deutschen Apotheker-Zeitung vom 7. August konnte „nach dem heutigen Stand der Untersuchungen“ keine NDMA-Verunreinigung nachgewiesen werden.

Aufgrund von Tierstudien werden hohe NDMA-Dosen als mög-licherweise kanzerogen für den Menschen eingeschätzt. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde für Lebens- und Arzneimittel FDA hat eine vorläufige theoretische Berechnung des möglichen Krebsrisikos durchgeführt. Unter der Annahme, dass NDMA-ver-unreinigtes Valsartan in der Maximaldosierung von 320 mg ein-genommen wurde, könnte nach der Schätzung der FDA-Wissen-schaftler bei 8.000 solcher Patienten ein zusätzlicher Krebsfall auftreten. Nach Schätzung der europäischen Zulassungsbehör-

de EMA auf Basis vorläufiger Auswertungen könnte ein zusätz-licher Krebsfall pro 5.000 betroffenen Patienten auftreten, die über sieben Jahre täglich das verunreinigte Valsartan in der (höchsten) 320-mg-Dosierung eingenommen haben.

Krankenkassen ohne einheitliches Notfallkonzept

Nachdem inzwischen bekannt ist, welche Valsartan-Präparate nicht vom Rückruf betroffen sind, empfiehlt das BfArM die Um-stellung auf ein solches Arzneimittel. Nach wie vor besteht kein akutes Patientenrisiko. Weil die Vorgehensweise der verschie-denen Krankenkassen sehr unterschiedlich ist und die KV RLP auf ihre gezielte Nachfrage bei den Kassen nur wenige Rück-meldungen erhalten hat, ist es empfehlenswert, dass sich die Patienten an ihre Krankenkasse wenden, um abzuklären, ob und wie die Zuzahlung zurückerstattet wird und welche Unter-lagen dafür vorzulegen sind. Sofern den Vertragsärzten keine eindeutige Handlungsempfehlung vorliegt, sollte die Nachver-ordnung für ein noch vorhandenes Valsartan-Präparat im Zwei-felsfall privat verordnet werden.

Anwendungsgebiete bei alternativem Präparat beachten

Sollte ein Rabattarzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar sein, kann der Apotheker ein anderes identisches Präparat ent-sprechend dem Rahmenvertrag abgeben. Sofern der Arzt statt Valsartan ein therapeutisch vergleichbares Arzneimittel ver-ordnet, zum Beispiel ein anderes Sartan, sind die möglicherwei-se abweichenden Anwendungsgebiete sowie die unterschied-lichen Wirkungen und Dosierungen etwa bei eingeschränkter Nierenfunktion der anderen Sartane zu berücksichtigen. Dieser Ausnahmefall sollte vorsorglich in der ärztlichen Patientenakte dokumentiert werden, um Auffälligkeiten in der Wirtschaft-lichkeit der Arzneiverordnungen begründen zu können.

„Chargenbezogener Rückruf Valsartan-haltiger Arzneimit-tel richtet sich an Apotheken“: www.kv-rlp.de/315594

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POLITIK

22 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

EINSPARPOTENZIALE IN DER INTERSEKTORALEN VERGÜTUNG

Deutschland hat im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich viele Krankenhausfälle. Wie das IGES Institut nun in einem Gutachten ermittelt hat, könnte ein Teil der Patienten im niedergelassenen Sektor kostengünstiger behandelt werden.

Was die ambulante und stationäre Versorgung trennt, wird in erheblichem Umfang durch die Vergütung definiert. Derzeit unterscheiden sich die Kosten für Behandlungen, die prinzi-piell sowohl stationär als auch ambulant möglich wären, teil-weise erheblich. Das IGES Institut hat deshalb im Auftrag des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die be-stehenden Unterschiede in der ambulanten und stationären Vergütungsstruktur genauer analysiert. Dies erfolgte anhand von Fallbeispielen im Bereich Diabetes mellitus, nicht schwere kardiale Arrhythmien, Schlafapnoe/Polysomnographien sowie gastroenterologische Erkrankungen. Die Autoren der Studie weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese Auswahl keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Repräsentativität hat. Eine Hochrechnung auf bundesweite Einsparpotenziale enthält die Studie daher nicht.

Die ermittelten Unterschiede zwischen den ausgewählten Be-reichen variieren allerdings: Das Spektrum der Mehrkosten der stationären gegenüber der ambulanten Behandlung reicht von etwas über 10 Prozent bis zum 16,5-Fachen. Im Vergleich zu anderen Bereichen relativ gering ausgeprägt ist die Kostendif-ferenz zwischen den Sektoren beispielsweise bei gastroente-rologischen Erkrankungen, wenn die stationäre Verweildauer maximal eine Übernachtung enthält. In diesem Fall übersteigt die Vergleichsgröße für die stationäre Vergütung die ambulan-te Vergütung um lediglich rund 13,5 Prozent.

Doch schon die Kosten für die stationäre Behandlung von Schlafapnoe übertreffen bei der gleichen Übernachtungsdauer die Kosten der ambulanten Behandlung um mehr als ein Drittel (34 Prozent). Zum Vergleich: Im niedergelassenen Sektor liegt der finanzielle Aufwand bei 477 Euro, im Krankenhaus dagegen bei 640 Euro. Bei den nicht schweren kardialen Arrhythmien fallen die Abrechnungsunterschiede schon gravierender aus. Die am häufigsten dokumentierte Hauptdiagnose war das an-fallartige Vorhofflimmern (rund 40 Prozent aller Fälle), gefolgt vom persistierenden Vorhofflimmern (knapp 20 Prozent). Pau-schal wurde diese DRG F71b mit 646 Euro bei einer Verweildau-er von einem Tag und mit 1.529 Euro bei zwei Tagen vergütet. Im vertragsärztlichen EBM ist dieses Krankheitsbild mit 289 Euro kalkuliert.

Vergütung von Krankenhausleistungen regional verschieden

Am höchsten erwies sich der Kostenabstand laut Untersu-chung in Fällen mit Diabetes mellitus bei einer Verweildauer von zwei Tagen. Hier wird die ambulante Versorgung konkret mit 139 Euro vergütet, die stationäre mit 2.299 Euro, dem rund 16,5-Fachen. Bei nur einem Tag in der Klinik verringern sich die Kosten auf 520 Euro, was das 3,8-Fache der ambulanten Kosten beträgt. Die Kosten für Patientenschulungen sind dabei in den Kosten für die ambulante Versorgung nicht enthalten; sie wür-den den Abstand jeweils um rund 100 Euro verringern.

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nicht schwere kardiale Arrhytmien

gastroenterologischeErkrankungen

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VERGÜTUNGSUNTERSCHIEDE IN KLINIKEN UND PRAXEN AN AUSGEWÄHLTEN BEISPIELEN

Quelle: IGES Institut

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23KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

Aus Sicht des Zi gelten für Krankenhäuser nicht die mittleren Kostenveränderungen (stationärer Orientierungswert), son-dern die höhere Grundlohnrate (Meistbegünstigungsklausel). Bei der Berechnung des ambulanten Orientierungswertes werden zudem Wirtschaftlichkeitsreserven gegengerechnet. Die Folge ist, dass der Krankenhaus-Basisfallwert systematisch stärker als der Orientierungswert der Vertragsärzte steigt. Die Preisbildung für stationäre Leistungen ist nach Einschätzung des Zi derzeit mehr als kostendeckend.

Regional betrachtet gibt es innerhalb Deutschlands ebenfalls Unterschiede: So liegt die Vergütung von Krankenhausleistun-gen in Rheinland-Pfalz derzeit noch über dem Bundesdurch-schnitt und einzelne betrachtete ambulante Leistungen wer-den innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung aufgrund regionaler Honorarverteilungssystematiken mit we-niger als dem Orientierungswert vergütet.

Grundlegende Unterschiede sowohl in ökonomischer als auch organisatorischer Hinsicht

Ursachen für die aufgezeigten intersektoralen Vergütungsun-terschiede sind die ökonomischen, organisatorischen und regu-latorischen Rahmenbedingungen, wie die Autoren der Studie herausgearbeitet haben. Bezüglich der Kostenstrukturen fallen im stationären Sektor deutlich höhere Gemeinkosten an. So erfüllen Krankenhäuser beispielsweise höhere Anforderungen an die apparative Ausstattung, die auch für die Behandlung schwerer (Not-)Fälle geeignet sein muss. Schließlich ist mehr ärztliches, Pflege- und Funktionspersonal rund um die Uhr und über ein breiteres fachliches Spektrum verfügbar zu halten.

Kostenunterschiede resultieren auch aus unterschiedlichen Vergütungssystemen. Zwar basieren sowohl die Vergütung

nach DRG als auch die Vergütung nach EBM auf dem Prinzip einer Vollkostenrechnung, dennoch gibt es grundlegende Un-terschiede der Kalkulationssystematik. Die DRG-Fallpauschalen resultieren größtenteils aus einer Zuschlagskalkulation, mit der die Gemeinkosten auf die Fallgruppen als Kostenträger nach einem Verrechnungsschlüssel zugeordnet werden. Kostenträ-ger im vertragsärztlichen Vergütungssystem ist dagegen die einzelne EBM-Leistung; ihr werden die einzelnen Kosten direkt zugerechnet. Bei den regulatorischen Aspekten werden als Bei-spiel die budgetbegrenzenden Maßnahmen aufgeführt, die in den beiden Sektoren jedoch jeweils anders ausgestaltet sind.

Katalog prinzipiell ambulant durchführbarer Leistungen als Lösungsansatz

Für Dr. Peter Noack, Vorstandsmitglied im Zi, ist die vertrags-ärztliche Versorgung der maßgebliche Wirtschaftsfaktor in der gesetzlichen Krankenversicherung. Würden überall die im stationären Sektor geltenden Preise angewendet, wäre das derzeitige Gesundheitssystem kaum finanzierbar. „Die beste-henden Vergütungsunterschiede zwischen den Sektoren sind in höchstem Maße ineffizient und kontraproduktiv. Vorschläge für eine Reform der Vergütung müssten insofern an einem Ka-talog prinzipiell ambulant durchführbarer Leistungen ansetzen. Für die Vergütung dieser Leistungen müssen unabhängig vom Leistungsort die in der vertragsärztlichen Versorgung maßgeb-lichen Bestimmungen gelten. Sie müssen damit aus den DRGs ausgegliedert werden“, sagte Dr. Noack auf einer Zi-Tagung am 12. Juni 2018.

Dringenden Reformbedarf in der Vergütungsstruktur sehen die Studienautoren des IGES Instituts ebenfalls. Den Vorteil einer eigenständigen Vergütung für gleichwertige stationäre und ambulante Leistungen sehen sie darin, dass eine solche Reform nicht einen Sektor einseitig und übermäßig finanziell belaste. „Läge das Niveau dieser neuen Honorierung zwischen den der-zeitigen Vergütungshöhen in den jeweiligen Sektoren, wäre es vor allem für Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen finanziell attraktiver, ambulant behandelbare Fälle auch ambu-lant zu behandeln. Umgekehrt verringert dies bei niedergelas-senen Ärzten Anreize, Patienten ins Krankenhaus einzuweisen“, lautet ihr Fazit. Ein solches Vergütungssystem setze jedoch voraus, grundlegende konzeptionelle Fragen zu klären. Dazu gehörten Fragen der Abgrenzung der Behandlungsanlässe, die orts- beziehungsweise sektorenunabhängig zu vergüten wä-ren, und die Frage, welche Kostenstrukturen als Referenz für eine einheitliche Vergütung herangezogen werden sollen.

Ausführliches Gutachten zum Herunterladen: www.zi.de > Startseite > Veranstaltungen > Zi-Forum >

12. Juni 2018: Sektorenübergreifende Vergütung – Chimäre oder bald schon Realität?

Schon die Kosten für die stationäre Behandlung von Schlafapnoe übertreffen bei gleicher Übernachtungsdauer die der ambulanten Therapie um über ein Drittel.

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SERVICE

24 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

ZUR WEITERBILDUNGSFÖRDERUNG SCHRITT FÜR SCHRITT

Die Anstellung von Ärzten in Weiterbildung eignet sich hervorragend, um später Mitarbeiter für die Praxis zu gewinnen. Voraussetzung dafür sind eine Weiterbildungsbefugnis des Praxisinhabers und eine Genehmigung zur Beschäftigung. KV PRAXIS erläutert das genaue Antragsprozedere.

Nach der derzeit gültigen Weiterbildungsordnung für Rhein-land-Pfalz werden Befugnisse zur Weiterbildung nur noch be-fristet vergeben. Bei Antrag auf eine vorläufige Befugnis ist diese auf zwei Jahre befristet, bei einer endgültigen Befugnis auf sieben Jahre. Will eine Praxis eine Weiterbildungsbefug-nis beantragen, muss sie sich zunächst an die zuständige Be-zirksärztekammer wenden. Der Antrag besteht zum einen aus dem allgemeinen Erhebungsbogen und zum anderen aus dem speziellen Erhebungsbogen. So müssen beispielsweise der be-rufliche Werdegang des Praxisinhabers, eine Geräteliste und das gegliederte Programm der Weiterbildung dokumentiert werden. Wird nur eine vorläufige Befugnis gewünscht, sind der Lebenslauf und der allgemeine Erhebungsbogen ausreichend.

Auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin ist es außerdem erfor-derlich, dass zwei aktuelle KV-Statistiken (Anlage 6a) vorgelegt werden. Aber auch für alle anderen Fachrichtungen kann die Bezirksärztekammer diese Statistiken anfordern. Die KV RLP erstellt für die Praxis eine sogenannte Gebührennummern-statistik aus den zuletzt abgerechneten zwei Quartalen. Diese Statistik dient dem Praxisinhaber als Nachweis der von ihm erbrachten Leistungen in den Fachgebieten. Die Statistik lässt sich übrigens auch bequem aus dem Praxisverwaltungssystem heraus erstellen.

Mit Weiterbildungscurriculum das Profil der Praxis schärfen

Die Bezirksärztekammer legt großen Wert darauf, dass die Pra-xis ein Weiterbildungscurriculum vorlegt, in dem die Weiter-bildung strukturiert ist und dargelegt wird, in welchen Ab-schnitten welches Wissen vermittelt werden soll. Ebenso muss aufgeführt werden, welche Weiterbildungsinhalte gegebenen-falls extern in Hospitationen oder Rotationen unter wessen An-leitung vermittelt werden. Das Curriculum ist eine Chance, die eigenen Besonderheiten der Praxis im Hinblick auf die Weiter-bildung herauszustellen. Beispielsweise kann erwähnt werden, ob Ärzte in Weiterbildung für externe Kurse freigestellt und ob die anfallenden Kosten übernommen werden.

Grundsätzlich nimmt die Bearbeitung für die Weiterbildungs-befugnis einige Zeit in Anspruch. Es hängt davon ab, wie rasch die Unterlagen vollständig bei der Kammer vorliegen und wann die nächste Sitzung des Weiterbildungsausschusses stattfin-det, in der der Antrag besprochen wird. Durchschnittlich dau-ert die Erteilung einer Befugnis etwa drei Monate. Befugnisse sind immer gebunden an die Weiterbildungsstätte und an die Person. Wechselt der Befugte beispielsweise die Praxis, dann erlischt die Befugnis.

Unterlagen sollten vier Wochen vor Beschäftigungsbeginn vorliegen

Sobald die Weiterbildungsbefugnis vorliegt, stellt die Praxis den Antrag auf Genehmigung zur Beschäftigung eines Arztes in Weiterbildung und finanzielle Förderung bei der KV RLP. Ent-sprechende Musterformulare können auf der Website herun-tergeladen werden. Die Anträge werden zügig bearbeitet; die Unterlagen sollten jedoch rund vier Wochen vor geplantem Be-schäftigungsbeginn bei der KV RLP eintreffen, damit bei even-tuell fehlenden Unterlagen oder Daten noch genügend Zeit zur Klärung vorhanden ist. Die Genehmigung erfolgt befristet, wobei sich die Dauer nach der benötigten Weiterbildungszeit richtet.

Nach Ablauf der eigentlichen Weiterbildung besteht die Mög-lichkeit, bei der KV RLP einen Antrag auf Weiterbeschäftigung als Arzt in Weiterbildung bis zur Facharztprüfung zu stellen. Die Genehmigung kann auf Antrag bis zur Sitzung des Zulassungs-ausschusses (ZA) verlängert werden. Bedingung ist jedoch für beide Genehmigungen, dass eine ärztliche Tätigkeit in der Pra-xis geplant ist.

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Die Anstellung eines Arztes in Weiterbildung kann sich für Praxen durchaus rechnen. Um die Befugnis dafür zu erlangen, müssen zahlreiche Unterlagen eingereicht werden.

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25KV PRAXIS SEPTEMBER 2018 25

Die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin wird maximal 42 Monate in der ambulanten Versorgung für eine Vollzeitkraft von bis zu 4.800 Euro monatlich gefördert. Die Zahl der ge-förderten Stellen ist dabei unbegrenzt. Gebiete der fachärzt-lichen Grundversorgung wie Augenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie werden gemeinsam von der KV RLP und den Krankenkassen zum genannten Be-trag bezuschusst. Neu hinzu kam die Förderung für Chirurgie

und Nervenheilkunde mit jeweils bis zu vier beziehungswei-se fünf Stellen in bestimmten Planungsbereichen (siehe KV PRAXIS JUNI 2018). Alle weiteren Gebiete der fachärztlichen Weiterbildung unterstützt die KV RLP alleine mit ihrem För-deranteil in Höhe von bis zu 2.400 Euro monatlich für eine Vollzeitstelle.

Anträge zur Weiterbildung: www.kv-rlp.de/544451-6350 Weiterbildungsbefugnisse: www.laek-rlp.de Ärzte >

Weiterbildung > Befugnisse

SCHWANGER – UND DANN?

Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung haben Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach der Elternzeit

Zum Zweck der Weiterbildung sind Arbeitsverträge in der Regel befristet. Werden angehende Ärztinnen während ihrer Weiter-bildung schwanger, so sind Zeiten eines Beschäftigungsverbo-tes und die Elternzeit auf die Vertragsdauer nicht anzurechnen. Somit hat die Ärztin in Weiterbildung auch nach Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages einen Anspruch auf Weiterbe-schäftigung für die Dauer des Beschäftigungsverbots und der Elternzeit. Dies gilt im Übrigen auch für die männlichen Kolle-gen, die eine Elternzeit nehmen. Rechtliche Grundlage ist das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Wei-terbildung (ÄArbVtrG).

Praxisinhaber sollten die beschäftigte Ärztin in Weiterbildung darauf hinweisen, dass sie frühzeitig über eine eventuelle

Schwangerschaft informiert werden. Erst dann greifen die gesetzlichen Schutzregelungen. Die Schwangere ist über das Mutterschutzgesetz aufzuklären. Außerdem sollten die Schwangerschaft und der voraussichtliche Tag der Entbindung der KV RLP schriftlich (nicht telefonisch) mitgeteilt werden.

Unterbricht die angehende Fachärztin ihre Weiterbildungszeit aufgrund von Beschäftigungsverbot oder der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, wird nach der Richtlinie zur För-derung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V der Förderbetrag nur dann weitergezahlt, wenn die weiterbildende Praxis einen Nachweis darüber erbringt, dass Arbeitgeberaufwendungen hierfür nicht von anderer Seite erstattet werden. Förderzu-schüsse werden für den Monat, in dem der Anspruch endet, anteilig gezahlt.

Nach der Entbindung tritt laut § 3 Mutterschutzgesetz eine achtwöchige Schutzfrist ein, in der ein absolutes Beschäfti-gungsverbot besteht. Diese Frist kann sich auf zwölf Wochen verlängern, beispielsweise bei einer medizinischen Frühgeburt oder Mehrlingsgeburt. Entscheidet sich die Ärztin in Weiterbil-dung für eine Teilzeittätigkeit beziehungsweise will Elternzeit in Anspruch nehmen, muss sie dies bis sieben Wochen vor Be-ginn mitteilen – das heißt, in der Regel bereits eine Woche nach der Geburt. Es ist aber auch möglich, nach Ablauf der Schutz-frist an den Arbeitsplatz zurückzukehren und die Elternzeit zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten.

Für die Wiederaufnahme der KV-Förderung ist eine Vorlaufzeit von rund vier Wochen nötig. Verlängert sich durch die Unter-brechung die Weiterbildungszeit, gilt dies auch entsprechend für den Zeitraum der Förderung. Zur Wiederaufnahme der Weiterbildung nach Ablauf eines ersten befristeten Vertrages müssen Arbeitgeber und Ärztin beziehungsweise Arzt in Wei-terbildung einen Anschlussvertrag schließen.

Über eine eventuelle Schwangerschaft von Ärztinnen in Weiterbildung sollten Praxischefs frühzeitig informiert sein.

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SERVICE

26 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

SO KLAPPT ES MIT DER PRAXISÜBERGABE

Wer seine Praxis abgeben möchte, sollte rechtzeitig Vorkehrungen treffen und vor allem viel Zeit einplanen. Unterstützung erhalten Ärzte von der Zulassungs- und Kooperationsberatung der KV RLP.

Der Fall schlug bundesweit hohe mediale Wellen: Weil er kei-nen Nachfolger für seine Hausarztpraxis fand, inserierte der Allgemeinarzt Dr. Günter Theis mit Sitz in Pirmasens in meh-reren ärztlichen Fachzeitschriften mit dem Titel „Praxis zu ver-schenken!“ Seine Beweggründe für diesen ungewöhnlichen Schritt erläuterte Dr. Theis im Juni 2018 gegenüber der Rhein-pfalz: „Neben der Nachfolgersuche wollte ich (…) darauf auf-merksam machen, dass das ganze Gesundheitssystem krankt, die Politik mit ihrem eingeschlagenen Weg bei der medizini-schen Versorgung falsch liegt“. Inzwischen hat sich eine Inte-ressentin gemeldet, die den Sitz von Dr. Theis in eine ländliche Region verlegen will.

Werbung im Anzeigenmarkt und über „Ort sucht Arzt“

Das Beispiel von Dr. Theis zeigt, wie wichtig es ist, beim Thema Praxisabgabe schon frühzeitig nach einem geeigneten Nachfol-ger zu suchen und dafür mindestens zwei Jahre – idealerweise fünf Jahre – vor dem Eintritt in den geplanten Ruhestand einzu-planen. Die KV RLP empfiehlt, mit der Zulassungs- und Koopera-tionsberatung rechtzeitig Kontakt aufzunehmen. Sie berät und koordiniert die formalen Erfordernisse bei Praxisübernahme beziehungsweise -abgabe, berät bei der Anstellung von Ärzten mit beziehungsweise ohne Leistungsbegrenzung. Gerade in der Übergangsphase vor der Praxisabgabe ist es sinnvoll, Struktu-ren zu schaffen, die den Wünschen der nachfolgenden Genera-tion entgegenkommen. Die Zulassungs- und Kooperationsbera-

tung hält eine Vermittlungsliste für Interessenten und Abgeber vor, in die sich die abzugebende Praxis aufnehmen lassen kann.

Sinnvoll ist es, zunächst die betreffende Gemeinde zu informie-ren. Im darauffolgenden Schritt können Gemeindevertreter über die Website „Ort sucht Arzt“ für ihre Region werben und die hiesigen Vorzüge bei einer Niederlassung herausstellen. Der Online-Anzeigenmarkt bietet eine zusätzliche Möglichkeit, auf Pläne zur Praxisabgabe aufmerksam zu machen.

Befindet sich die Praxis in einer ausgewiesenen Förderregion, besteht die Möglichkeit über die Förderung nach dem Struk-turfonds. Eine Praxisneugründung und -übernahme wird mit einmalig bis zu 60.000 Euro bezuschusst, die Einrichtung einer Nebenbetriebsstätte mit einmalig bis zu 20.000 Euro. Auch die Anstellung eines Arztes rentiert sich: Hier gibt es bis zu 1.000 Euro monatlich bei einem vollen Versorgungsauftrag für längs-tens 60 Monate.

Nicht nur der Kaufpreis entscheidet über die Zulassung

Verlaufen die Gespräche zwischen dem abzugebenden Praxis-inhaber und dem zu übernehmenden Praxisinhaber erfolg-reich, ist dies allerdings noch keine Garantie, dass der Inter-essent am Ende auch tatsächlich den Zuschlag erhält. „Ärzte sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie mit allen Bewer-bern verhandeln. Der Kaufpreis alleine entscheidet nicht über die Zulassung“, betont Harald Allmendinger, Leiter des Ressorts Beratung. Im Auswahlverfahren bestimmt der Zulassungsaus-schuss über die Vergabe der Vertragsarztpraxis. Vor dem Aus-schreibungsverfahren richtet der Arzt zuerst einen Antrag auf Ausschreibung der Vertragsarztpraxis an den Zulassungsaus-schuss. Dieser entscheidet, ob ein Nachbesetzungsverfahren überhaupt umgesetzt werden kann. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Ver-sorgungsgründen nicht erforderlich ist. Mit dem Antrag auf Ausschreibung erklärt der Vertragsarzt zugleich seinen Verzicht auf die Zulassung.

Vor einer Praxisabgabe sollten Praxisinhaber daran denken zu prüfen, inwiefern bestehende Verträge wie der Mietvertrag für die Praxisimmobilie und gegebenenfalls vorhandene Versi-cherungen vom Nachfolger übernommen werden können oder müssen. Bei der Übergabe ist auch zu klären, ob der Nachfolger das vorhandene Praxispersonal übernimmt. Erklärt sich dieser dazu bereit, müssen die Mitarbeiter schriftlich informiert wer-den. Sie haben dann das Recht, dem Übergang des Arbeitsver-

Damit die Übergabe der eigenen Praxis an die jüngere nachfolgende Ärztegene-ration erfolgreich verläuft, sind im Vorfeld zahlreiche Gespräche notwendig.

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27KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

hältnisses auf den neuen Praxischef innerhalb eines Monats schriftlich zu widersprechen.

Den Nachwuchs bereits frühzeitig an die Praxis binden

Um die Praxisnachfolge sicherzustellen, ist immer die beste Lö-sung, den jungen Kollegen oder die Kollegin in die Praxis früh-zeitig einzuarbeiten. Hier bietet es sich beispielsweise an, mit einem Partner in Kooperation zusammenarbeiten. In einem offenen Planungsbereich kann der Partner eine eigene Zulas-sung beantragen und gegebenenfalls eine Berufsausübungsge-meinschaft (BAG) mit dem potenziellen Abgeber gründen. Eine Variante besteht darin, dass sich der neue Partner zunächst anstellen lässt; alternativ wäre es auch möglich, dass sich der bisherige Praxisinhaber vom neuen Partner anstellen lässt.

In einem gesperrten Planungsbereich kann der potenzielle Pra-xisnachfolger keine reguläre Zulassung im Rahmen der Exis-tenzgründung erhalten. Hier gibt es die Option der Jobsha-ring-Zulassung, die sowohl an den Praxisinhaber als auch den Praxissitz gebunden ist. Zusätzlich darf hierbei der Leistungs-umfang der bisherigen Praxis nicht ausgeweitet werden. Al-

lerdings hat diese Variante den Vorteil, dass im Falle einer Öff-nung des Planungsbereichs die Jobsharing-Zulassung Vorrang vor einer regulären Zulassung hat. In einem späteren Nachbe-setzungsverfahren hat die Konstellation des Jobsharings gute Aussichten, dass der Zulassungsausschuss bei der Auswahl der Bewerber um die Praxisnachfolge des Senior-Partners die ge-meinsame Tätigkeit bevorzugt berücksichtigt.

Noch besser zur Nachwuchsgewinnung eignet sich die Anstel-lung eines Weiterbildungsassistenten. Bereits jungen Me-dizinern kann man über eine Famulatur die Niederlassung schmackhaft machen und unverbindlich testen, ob man gut zusammenpasst. Sowohl die Weiterbildung als auch die Famu-latur werden von der KV RLP finanziell gefördert.

Zulassungs- und Kooperationsberatung der KV RLP: Service-Center, Telefon 06131 326-326

Online-Anzeigenmarkt: www.kv-rlp.de/37552 Ort sucht Arzt: www.kv-rlp.de/859291 Beratungsservice für Ärzte | 02, Abgabe und Übernahme

einer Praxis. Deutscher Ärzteverlag Köln 2017

RETTUNGSANKER BEI ENGPÄSSEN

Praxen können bei Ausfällen über die ärztliche Vertreterliste Hilfe anfordern.

Unverhofft kommt oft, heißt es im Volksmund. Das kann auch Praxisinhabern passieren – sei es, weil sie plötzlich erkranken, sich um einen kranken Elternteil oder Verwandten kümmern müssen oder aus anderen Gründen vorübergehend an der Pra-xisausübung verhindert sind. In solchen Fällen bietet die KV RLP allen ärztlichen Fachgruppen eine Vertretervermittlung an. Aber auch im Todesfall kann von den Hinterbliebenen zur Inanspruchnahme des sogenannten Gnadenvierteljahres der Vermittlungsservice in Anspruch genommen werden.

Basis dafür ist eine Vertreterliste, in die sich ärztliche und psy-chotherapeutische Kollegen kostenfrei eintragen lassen kön-nen. Die Liste wird von Mitarbeitern der KV RLP regelmäßig gepflegt und den Vertragsärzten und Medizinischen Versor-gungszentren bei Bedarf zur Verfügung gestellt. Die Ärzte kön-nen dann anhand der übermittelten Daten unmittelbar mit den potenziellen Vertretern Kontakt aufnehmen.

Der Vertragsarzt kann sich durch einen anderen Vertragsarzt oder durch einen Arzt vertreten lassen, der die Voraussetzun-gen für die Eintragung in das Arztregister erfüllt (Approbation und erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung). Der Vertreter

muss über eine mit der Zulassung des Vertretenen identische oder zumindest fachverwandte Facharztanerkennung verfü-gen, da sonst die Abrechnungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Genehmigungspflichtige Leistungen darf der Vertreter nur erbringen, wenn er selbst auch die dafür notwendigen Qualifikationen besitzt. Genehmigungspflichtige Leistungen, für die der Vertragsarzt oder angestellte Arzt keine Qualifikati-on nachgewiesen hat, dürfen auch von dem Vertreter – unab-hängig von dessen eigener Qualifikation – nicht erbracht und abgerechnet werden. Vertretungen ab einer Woche müssen gegenüber der KV RLP angezeigt werden.

Informationen rund um den Vertreterservice mit Formular Listeneintrag Praxisvertretung: www.kv-rlp.de/963006

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SERVICE

28 KV PRAXIS SEPTEMBER 2018

TSS ERWEITERT DIENSTE

Ab Oktober 2018 werden auch probatorische Sitzungen vermittelt.

Die Terminservicestelle (TSS) der KV RLP muss ab dem 1. Okto-ber 2018 Termine für probatorische Sitzungen bei Psychothera-peuten vermitteln. Jeder Patient bekommt zum Abschluss der psychotherapeutischen Sprechstunde eine individuelle Patien-teninformation auf dem Formular PTV 11. Diese enthält einen Befundbericht mit Ergebnissen und Empfehlungen für das wei-tere Vorgehen. Für den neuen, angepassten Vordruck gilt eine Stichtagsregelung. Ab Oktober 2018 müssen die neuen Vor-drucke eingesetzt werden, alte Formulare dürfen nicht aufge-braucht werden. Alle psychotherapeutisch tätigen Mitglieder der KV RLP erhalten Mitte September eine Erstausstattung des neuen Vordrucks.

Jeder gesetzlich Versicherte hat ab Oktober Anspruch auf die Vermittlung von probatorischen Sitzungen innerhalb einer Wartezeit von höchstens vier Wochen. Voraussetzung dafür ist, dass der Psychotherapeut auf dem Formular PTV 11 „am-bulante Psychotherapie“ und „zeitnah erforderlich“ ankreuzt und einen Überweisungscode ausstellt. „Es ist wichtig, diese probatorischen Sitzungen verantwortungsbewusst und nur in wirklich psychotherapeutisch begründeten dringenden Fällen zu empfehlen“, betont Peter Andreas Staub, Vorstandsmitglied der KV RLP, der ansonsten die Ausdehnung der TSS auf probato-rische Sitzungen für wenig sinnvoll hält. Dennoch habe die KV RLP hier einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen und werde dem auch nachkommen.

Die KV RLP bittet in diesem Zusammenhang darum, freie Ter-mine für psychotherapeutische Sprechstunden, ambulante psychotherapeutische Akutbehandlungen und nun auch von Terminen für probatorische Sitzungen frühzeitig mitzuteilen. Psychotherapeuten können freie Termine direkt selbst im eTer-minservice einstellen und verwalten.

Anleitung eTerminservice: www.kv-rlp.de/340580

KV-TV ist das Web-TV der KV RLP für die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Rheinland-Pfalz.

Alle Videos finden Sie online in der Filmothek unter www.kv-rlp.de/393400

FILMOTHEK

www.kv-rlp.de/601384

www.kv-rlp.de/491302

www.kv-rlp.de/530940

www.kv-rlp.de/784420

2:11 Minuten

2:22 Minuten

2:58 Minuten

5:55 Minuten

KompetenzzentrumDas Kompetenzzentrum Wei-terbildung Allgemeinmedizin will mehr Ärztinnen und Ärz-te in die ambulante medizini-sche Versorgung bringen.

ZukunftswerkstättenDie Landesregierung unter-stützt Projekte zu den The-men ärztliche Kooperation, Gesundheitszentren, Dele-gation, Mobilität und Nach-wuchsförderung.

Fachärzte gesucht In KV-TV zeigen Fachärzte, warum sich die Niederlassung lohnt. In der ersten Folge der neuen Serie erzählt der Main-zer Psychiater Dr. Siegfried Stephan von seiner Arbeit.

KV initiativTreffpunkt der KV RLP mit Kommunalpolitikern und Ex-perten zur Zukunft der wohn-ortnahen ambulanten Versor-gung in Rheinland-Pfalz.

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29KV PRAXIS SEPTEMBER 2018 29

MIT HAUTSCHUTZ INFEKTIONEN VERMEIDEN

Oft kommen durch Stress im Praxisalltag Schutz und Pflege der Haut zu kurz. Im Interesse der Gesundheit sollten alle Praxismitarbeiter vorbeugende Maßnahmen ergreifen.

Hautschutz und Hautpflege dienen vorrangig dem Arbeits-schutz, sind aber zugleich Voraussetzung für eine effektive Händedesinfektion, da bereits kleinste Risse beziehungsweise Mikrotraumen zu Eintrittspforten für Krankheitserreger und zum Erregerreservoir werden können.

Händewaschen ist grundsätzlich hautbelastend und daher auf ein Minimum zu reduzieren. Eine hygienische Händedesin-fektion ist – ohne sichtbare Verschmutzung der Haut – einer Reinigung grundsätzlich vorzuziehen. Dennoch führen auch mehrmals täglich vorgenommene Händedesinfektionen zur Entfettung der Haut. Daher sind intensive Hautschutz- und Hautpflegemaßnahmen zur Kompensation der Hautbelastung und damit auch zur Erzielung eines sicheren Desinfektionser-gebnisses zwingend notwendig.

Hautschutzmittel als wichtiger Hygienefaktor

Hautschutzmittel sind spezielle Produkte, welche die Wider-standsfähigkeit der Haut stärken.Bei der Auswahl von Hautschutzmitteln sind duftstoff- und konservierungsfreie Produkte zu bevorzugen, um mögliche Hautreizungen und Allergien zu vermeiden. Hautschutzmittel sollten angewendet werden

� vor Arbeitsbeginn, � vor Feuchtarbeiten, � vor dem Tragen von Handschuhen, � nach den Pausen.

Darum ist die Hautpflege so wichtig

Hautpflegemittel regenerieren die Haut, indem sie ihr ausge-waschene Fette zurückgeben. Feuchtigkeitsbindende Sub-stanzen verringern die erneute Austrocknung der Haut und diese gewinnt einen Teil ihres natürlichen Schutzes zurück. Eine gepflegte, glatte Haut bietet eine intakte Schutzfunktion, wodurch Keime und Schadstoffe nur erschwert durchdringen können. Auch bei den Pflegemitteln sollten vorzugsweise duft-stoff- und konservierungsfreie Produkte ausgewählt und ange-wendet werden

� zu Beginn der Pausen, � nach Arbeitsende und in der Freizeit.

Auf die Auswahl geeigneter Handschuhe achten

Handschuhe bieten Schutz vor Feuchtigkeit, infektiösen Mate-rialien und aggressiven Substanzen. Einerseits bleiben die Hän-de in Handschuhen sauber und müssen weniger gewaschen werden. Andererseits stellt das Tragen derselben auch eine Be-lastung für die Haut dar. Nach längerem Tragen bildet sich ein Feuchtigkeitsfilm auf der Haut, der die Hornschicht aufquellen lässt. Bestimmte Materialien können Allergien auslösen. Daher ist darauf zu achten, Handschuhe nur so lange wie nötig zu tra-gen und für die unterschiedlichen Einsatzzwecke das richtige Material zu wählen.

Laut dem Leitfaden „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheits-wesen“ sollten die Handschuhe im Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen folgende beide Nummern aufweisen:

� DIN EN 455 Teile 1 bis 3 „Medizinische Handschuhe zum einmaligen Gebrauch“

� DIN EN 374-1: „Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen“

Der Arbeitgeber muss � geeignete Hautschutz- und Pflegemittel bereitstellen, � einen Hautschutzplan zur Auswahl von Präparaten für die

Hautreinigung, den Hautschutz und die -pflege erstellen, � die Mitarbeiter in deren regelmäßige und richtige Anwen-

dung unterweisen; � bei beginnenden Hautschäden ist eine betriebsärztliche

Vorstellung anzuraten.

KRINKO-Empfehlung: www.rki.de > Infektionsschutz > Infektions- und Krankenhaushygiene > Themen A – Z > Händehygiene

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Grundsätzlich sollte eine hygienische Händedesinfektion einer üblichen Reinigung der Hände vorgezogen werden..

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SERVICE

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TERMINE IM ÜBERBLICK

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Weitere Seminare Termin Standort Informationen

Aktuelles zu Verordnungen – Konkret & Kompakt

17. Oktober 2018 Mainz 35 Euro | zertifizierte Fortbildung

Sonographie der Säuglingshüfte 7. November 2018 Koblenz 85 Euro | zertifizierte Fortbildung

Online-Anmeldung und weitere Termine: www.kv-rlp.de/358728

Praxismanagerin – rechte Hand der Praxisinhaber Ärzte haben immer weniger Zeit, sich im Arbeitsalltag neben der Patientenbehand-lung auch noch um die Organisation der Praxis zu kümmern. Eine Praxismanagerin kann viele dieser Aufgaben übernehmen. Mittwoch, 14. November 2018 | KV RLP in Koblenz | 85 Euro je Teilnehmer | zertifizierte Fortbildung | Online-Anmeldung

Qualitätsmanagement (QM) für Fortgeschrittene Ein individuelles einrichtungsinternes QM sichert die kontinuierliche Verbesserung der Patientenversorgung. Neben der aktuellen QM-Richtlinie und anderen neuen Gesetzen werden Fallbeispiele vorgestellt und Tipps zur Umsetzung gegeben.

Mittwoch, 14. November 2018 | KV RLP in Mainz | 95 Euro je Teilnehmer | zertifizierte Fortbildung | Online-Anmeldung

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ARZT HAT FÜRSORGEPFLICHT AUCH NACH DER ÜBERWEISUNG

Kommt ein Hausarzt gegenüber dem Patienten seinen Informationspflichten auch nach einer Über-weisung nicht nach, kann dies im Ernstfall als grober Behandlungsfehler gewertet werden.

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte, hat der Hausarzt sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit be-drohlichen Befunden – und gegebenenfalls von der an-geratenen Behandlung – Kenntnis erhält. Dies gelte auch dann, wenn diese Befunde nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen.

Ein Patient hatte seine langjährige Hausärztin wegen eines Behandlungsfehlers verklagt. Der Mann litt zunächst an Schmerzen im linken Bein und Fuß, woraufhin er von sei-ner Hausärztin in fachärztliche Behandlung und von dort weiter in ein Krankenhaus überwiesen wurde. Die Kranken-hausärzte stellten in der linken Kniekehle eine Geschwulst fest, die mikrochirurgisch entfernt wurde. Eine Gewebe-untersuchung ergab, dass es sich bei der Geschwulst um einen malignen Nervenscheidetumor handelte. Der Patient sollte in einem onkologischen Spezialzentrum vorstellig

werden. Das Schreiben der Klinik mit dieser Aufforderung ging nur an die Hausärztin, nicht jedoch an den Patienten. In den folgenden eineinhalb Jahren passierte zunächst nichts. Als der Patient wegen einer Handverletzung noch-mals die Hausärztin aufsuchte, kam das Gespräch auf die Bösartigkeit der entfernten Geschwulst. Schließlich musste der Patient im Krankenhaus weiterbehandelt werden. Dort wurde festgestellt, dass sich im Bereich der linken Kniekeh-le ein Rezidiv des Nervenscheidentumors gebildet hatte.

Nach Ansicht des BGH war die Hausärztin verpflichtet, dem Patienten die Diagnose des Krankenhauses mitzuteilen, da der zweite Arztbrief alleine an sie gerichtet gewesen sei. Aus dem Behandlungsvertrag ergebe sich eine nachwirken-de Schutz- und Fürsorgepflicht.

Urteil vom 26. Juni 2018, Az. VI ZR 285/17

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ZEIT SPAREN BEI FORTBILDUNGEN

Die KBV bietet in ihrem Fortbildungsportal im Sicheren Netz der KVen zertifizierte Fortbildungen zu unterschiedlichen Themen.

Regelmäßige Fortbil-dungen für Ärzte und Psychotherapeuten sind Pflicht. Eine zeit- und kostenspa-rende Alternative zu Präsenzveran-staltungen sind die zertifizierten Online-Fortbildungen des

KBV-Fortbildungsportals. Diese befinden sich im Sicheren Netz der Kassenärztlichen Vereinigungen. Um an der Fortbildung teilzunehmen, melden sich Vertragsärzte in ihrem KV-Portal an und wählen aus der Übersicht der Anwendungen das Fortbil-dungsportal aus.

Punktzertifizierte, unabhängige Fortbildung

Die KBV-Online-Schulungen für Vertragsärzte und -psychothe-rapeuten sind unabhängig, zertifiziert und kostenfrei. Sie beste-hen aus den jeweiligen Lerninhalten und zehn Multiple-Choice-Fragen. Die Ärztekammer Berlin hat die Fortbildungen mit zwei CME-Punkten zertifiziert, die auf Wunsch des Arztes elektro-nisch an die zuständige Ärztekammer übermittelt werden.

Alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten müssen innerhalb von fünf Jahren mindestens 250 Fortbildungspunkte bei ihrer KV nachweisen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie niedergelassen, ermächtigt oder angestellt sind. Zur Bestätigung reicht zum Beispiel ein Zertifikat der Ärztekammer. Nach der Rehabilitations-Richtlinie (§ 11) beispielsweise sollen Vertragsärzte und Psychotherapeu-ten mindestens einmal jährlich ihre Kenntnisse erweitern und vertiefen.

Aktuell angebotene Fortbildungsthemen: � Arzneimittel I Publikation Wirkstoff Aktuell: Sitagliptin � Diagnostik und Therapie I Methicillin-resistenter Staphylo-

coccus-aureus-Keim (MRSA) � Nationale Versorgungsleitlinie I Nicht-spezifischer Kreuz-

schmerz � Rehabilitation I Online-Fortbildung Rehabilitation

Fortbildungsportal der KBV: www.kbv.de/html/7703.php Nur für KV-SafeNet*-Nutzer: https://cme.kbv.kv-safenet.de/AIS-CME?IDP=51

Den Informationsflyer zur Darmkrebsfrüherkennung gibt es nicht mehr – wie können die Patienten informiert werden?Eine Patienteninformation zur Darmkrebsfrüherkennung stellt die KBV auf ihrer Website als Download zur Verfügung.

www.kbv.de/media/sp/Patienteninfo_Darmkrebsfrue-herkennung_iFOBT_mit_Formularfeld.pdf

Ein Patient mit Europäischer Krankenversichertenkarte kommt in die Praxis. Was ist zu beachten und wie muss vorgegangen werden?Die ehemaligen Vordruck-Muster 80/81 sind seit 2017 ent-fallen. Bei Vorlage einer Europäischen Krankenversiche-rungskarte (EHIC) muss diese zweifach kopiert und mit Da-tum, Unterschrift und Stempel versehen werden.

Das im Praxisverwaltungssystem zur Verfügung stehende Formular „Patientenerklärung Europäische Krankenversi-cherung“ wird dem Patienten in der gewünschten Sprach-fassung ausgehändigt. Diese füllt der Patient aus und un-terschreibt sie.

Die Kopie der EHIC sowie das Original der Patientenerklä-rung werden umgehend an die vom Patienten gewählte Krankenkasse gesendet. Die Zweitkopien sind für zwei Jah-re in der Praxis aufzubewahren:

Weitere Informationen: www.kv-rlp.de/588897

Service-Center Telefon 06131 326-326 Fax 06131 326-327 [email protected]

MO | DI | DO 8–18 Uhr MI 8–17 Uhr FR 8–16 Uhr

* KV-SafeNet steht nicht mit der Firma SafeNet, Inc., USA, in firmenmäßiger oder vertraglicher Verbindung.

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� IMPRESSUM

HERAUSGEBER

Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP)Körperschaft des öffentlichen RechtsIsaac-Fulda-Allee 14D-55124 Mainz

REDAKTION

verantwortlich (i. S. d. P.)Dr. Peter Heinz, Vorsitzender des VorstandesDr. Andreas Bartels, Stellvertretender Vorsitzender des VorstandesPeter Andreas Staub, Mitglied des Vorstandes

Dr. Rainer Saurwein (Redaktionsleitung), Stefan HollerFachabteilungen der KV RLP

KONTAKT

Telefon 06131 326-326Fax 06131 [email protected]

BILDNACHWEIS

KV RLP© BfArM© BMG© Fotolia© istockphoto© KBV

AUFLAGE

7.000 Exemplare

ERSCHEINUNGSWEISE

viermal im Jahr

UMSETZUNG

NINO Druck GmbHIm Altenschemel 2167435 Neustadt/Wstr.www.ninodruck.de

HINWEISE

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten auf die gleichzeitige Verwen- dung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die männliche Form schließt die weibliche mit ein. Für den – auch teilweisen – Nachdruck von Texten, Grafiken und dergleichen ist das schriftliche Einverständnis der KV RLP Voraussetzung.

HOTLINES FÜR VIELE THEMEN

Die KV RLP führt landesweit neue Rufnummern ein.

Ab dem 15. Oktober 2018 sind alle Mitarbeiter der KV RLP unter einer neuen Telefonnummer erreichbar. Alle vier Standorte werden einheitlich mit der Mainzer Vorwahl (06131) und den ersten drei Nummern (326) ausgestattet. Darüber hinaus wer-den die Hotline-Nummern der KV RLP neu geordnet.

Die landesweite Nummer des Service-Centers bleibt nach wie vor die gleiche. Während der Einführungsphase kann es daher zu einer erhöhten Zahl an Anrufen bei den Mitarbeiterinnen des Service-Centers kommen. Die KV RLP bittet um Verständ-nis, wenn Anrufer in den nächsten Wochen mit längeren War-tezeiten rechnen müssen, bevor das Gespräch entgegenge-nommen werden kann.

Neue Hotlines der KV RLP: Service-Center: Telefon 06131 326-326 Fax 06131 326-327 Alle Standorte: 06131 326- DMP 3701 Honorar 2400 Kommunikation 2800 Qualitätsmanagement 3700 Qualitätszirkel 3800 Telematik 2700 Terminservice Praxen 3000 Verordnung 4200

Die Rufnummer des Service-Centers bleibt gleich.©

RIDO

/FOTO

LIA