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GEZEICHNETE LITERATUR - Graphic Novels im Deutschunterricht der Sekundarstufe II Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Caroline WIELAND am Institut für Germanistik Begutachterin: Mag. a Dr. in phil Sabine Fuchs Graz, 2016

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GEZEICHNETE LITERATUR -

Graphic Novels im Deutschunterricht der Sekundarstufe II

D i p l o m a r b e i t

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Caroline WIELAND

am Institut für Germanistik

Begutachterin: Mag.a Dr.in phil Sabine Fuchs

Graz, 2016

1

EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende

Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die

angegeben Quellen nicht verwendet und die den benützten

Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche

kenntlich gemacht habe.

Graz, 2016

2

DANKSAGUNG

Mein aufrichtiger Dank gilt…

… meiner Diplomarbeitsbetreuerin Frau Mag.a Dr.in

phil Sabine Fuchs, die mich stets tatkräftig unterstützt hat

und ohne deren Zuspruch und Einwand diese Arbeit wohl

nie ein Ende gefunden hätte.

…meinen Eltern Karin und Werner, die mich

emotional und finanziell gestärkt haben und ohne die ich

heute nicht das wäre, was ich bin.

…meinen Freunden Märy, Sarah, Christian und der

Murtaler Fraktion, die mich durch meine Studienzeit

begleitet haben und mit denen ich so manch lustigen

Abend verbringen durfte.

…meinen Geschwistern Christian, Katrin, Stefan

und Simone, die mein Leben so bereichert haben und die

immer für mich da sind, egal wie weit wir voneinander

entfernt sind.

…Gertrude und Kevin für ihren Humor, ihren Geist

und ihren guten Rat.

…Pascal, der mich stets unterstützt hat und dem ich

meine Dankbarkeit niemals mit Worten ausdrücken

könnte.

3

INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung................................................................................................................................................... 6

2 Die Graphic Novel ..................................................................................................................................... 8

2.1 Unterschied Graphic Novel - Comic ................................................................................................ 10

2.2 Narration und Ästhetik der Graphic Novel...................................................................................... 13

3 Literaturdidaktische Grundlagen ............................................................................................................ 36

3.1 Das Handlungsfeld Literatur ............................................................................................................ 36

3.2 Literatur und Literaturdidaktik ........................................................................................................ 39

3.2.1 Arbeitsbereiche der Literaturdidaktik ...................................................................................... 41

3.3 Aufgaben und Ziele des Literaturunterrichts .................................................................................. 42

3.3.1 Unterstützung von Individuation, Sozialisation und Enkulturation .................................... 42

3.3.2 Die Leseförderung ..................................................................................................................... 47

3.4 Comic, Graphic Novel und Literaturunterricht ............................................................................... 49

4 Unterrichtskonzepte für die Sekundarstufe II ........................................................................................ 53

4.1 Grundlagen ...................................................................................................................................... 53

4.1.1 Werkzeuge der Graphic Novel .................................................................................................. 54

4.1.2 Farbe in der Graphic Novel ....................................................................................................... 55

4.1.3 Raum und Bewegung in der Graphic Novel ............................................................................. 58

4.2 Irmina ............................................................................................................................................... 60

4.2.1 Titelbild ..................................................................................................................................... 74

4.2.2 Das Standbild-Panel .................................................................................................................. 75

4.2.3 Die eigene Graphic Novel ......................................................................................................... 77

4.2.4 Onomatopoetika in „Irmina“ .................................................................................................... 79

4.2.5 Farbgestaltung in „Irmina“ ....................................................................................................... 82

4.2.6 Textanalyse und -interpretation ............................................................................................... 84

4.3 Der Traum von Olympia ................................................................................................................... 87

4.3.1 Vorentlastungsprojekt ............................................................................................................ 100

4.3.2 Szenische Darstellung ............................................................................................................. 102

4.3.3 Perspektivenwechsel .............................................................................................................. 104

4.3.4 Das Interview .......................................................................................................................... 105

4.3.5 Tagebuch ................................................................................................................................. 108

5 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................................................... 110

4

6 Literaturverzeichnis .............................................................................................................................. 113

6.1 Primärliteratur ............................................................................................................................... 113

6.2 Sekundärliteratur .......................................................................................................................... 113

6.3 Abbildungsverzeichnis................................................................................................................... 120

7 Anhang (Arbeitsblätter) ........................................................................................................................ 125

5

If a comic is a melody,

a graphic novel can be a symphony.

(WILL EISNER)

6

1 EINLEITUNG

„Wenn ein Comic eine Melodie ist, so kann die Graphic Novel eine Symphonie sein.“

Was Will Eisner damit ausdrücken will, ist, dass eine Graphic Novel enorm viel

Potenzial besitzt, was im Deutschunterricht bislang größtenteils ignoriert wurde. Diese

Arbeit widmet sich daher eingehend der Verwendung von Graphic Novels im

Deutschunterricht der Sekundarstufe II.

Das Hauptziel dieser Arbeit liegt in der Legitimierung der Verwendung von Graphic

Novels im regulären Unterricht. Zu diesem Zweck werden zwei Werke untersucht,

analysiert und verschiedene Arbeitsaufträge präsentiert, die sich für Heranwachsende

zwischen 14 und 19 Jahren gut eignen. Bei den Graphic Novels handelt es sich

einerseits um „Irmina“ von Barbara Yelin sowie um „Der Traum von Olympia“ von

Reinhard Kleist. Mithilfe verschiedenster Zugänge soll den Lehrenden und Lernenden

die Auseinandersetzung mit diesem Format näher gebracht werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird sich die Arbeit zunächst mit dem Begriff der Graphic

Novel auseinandersetzen. Dabei soll abgegrenzt werden, was eine Graphic Novel ist

und was nicht, welche Unterschiede sie zum Comic aufweist und warum der Begriff

nicht ganz unproblematisch ist. Im nächsten Schritt wird die Narration und Ästhetik

dieses Mediums erläutert. Hierbei werden der Zeichenstil und die Farbgebung ebenso

analysiert wie die Seite und der Raum, den sie einnimmt. Auch wie es diesem Format

gelingt, Bewegung darzustellen, wird ausführlich erläutert. Ein herausragender Faktor

ist die Text-Bild-Beziehung von Comics und Graphic Novels, welche ebenfalls genau

analysiert wird.

Darauf aufbauend werden die literaturdidaktische Grundlage und die Berechtigung für

diese Arbeit zu finden sein. In diesem Zusammenhang ist es vor allem die

Literaturdidaktik von Ulf Abraham und Matthis Kepser 1 , die in dieser Arbeit den

Vorrang hat, da sie mir und meiner Auffassung von Literaturdidaktik am nächsten

stehen und ich ihre Arbeit als am ausführlichsten und brauchbarsten empfunden habe.

Somit wird zunächst das Handlungsfeld Literatur erklärt, darauffolgend die

Literaturdidaktik erklärt und ihre Arbeitsbereiche wiedergegeben. Im Anschluss

werden die Aufgaben und Ziele genannt, zu denen auch die Leseförderung zählt, die in

1 vgl. Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidth GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.).

7

der Literaturdidaktik einen besonderen Stellenwert einnimmt. Auch Arbeiten über

Comics und Graphic Novels im Unterricht werden eingebaut, die als zusätzliche

Rechtfertigung für die Arbeit fungieren sollen.

Im Anschluss folgt der Hauptteil der Arbeit, dessen Augenmerk auf der Darbietung der

zwei Graphic Novels liegt, die sich für eine Auseinandersetzung im Literaturunterricht

als äußerst brauchbar erweisen werden. Zunächst werden zwei Unterrichtsvorschläge

präsentiert, die vor der eigentlichen Beschäftigung mit den Graphic Novels insofern

sinnvoll sind, als dass sie den Lernenden eine Einblick in die Terminologie und die

Farbenlehre geben, womit sie zukünftig der Narration und Ästhetik solcher Werke mit

dem richtigen Werkzeug begegnen können. Im Anschluss werden die Werke

vorgestellt und analysiert, ehe Unterrichtsvorschläge folgen, die sich erneut auf Ulf

Abraham und Matthis Kepsers Auffassung eines Literaturunterrichts stützen. Die

einzelnen Methoden sind dabei sowohl vor, als auch während und nach der

Textrezeption eingeordnet und bieten stets einen Überblick über die

Kompetenzbereiche, die damit angesprochen werden und vom „bifie“ 2

zusammengestellt wurden.

2 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens.

8

2 DIE GRAPHIC NOVEL

Der Begriff der „Graphic Novel“ wurde 1964 erstmals von Richard Kyle in einem News-

letter verwendet, der in der „Comic Amateur Press Alliance“ veröffentlicht wurde.

Richtig durchsetzen konnte sich dieser Begriff allerdings erst durch Will Eisner im

Jahre 1978, der diesen Begriff einsetzte, um zu verdeutlichen, dass es sich bei seinem

Werk (A Contract with God and Other Tenement Stories) nicht bloß um ein weiteres

Comic-Buch handle.3 Die ersten Versuche, die zumeist an Kinder gerichteten Comics

auch an Erwachsene (oder zumindest anspruchsvolle Jüngere) zu richten, waren It

Rhymes with Lust von Arnold Drake und Leslie Waller aus dem Jahre 1950 aber auch

His Name is... Savage von Gil Kane und Archie Goodwin von 1963. Gemeinsam ist ihnen,

dass sie für ein erwachsenes Publikum geschaffen wurden. Dies meint hierbei jedoch

nicht sexuell expliziten oder extrem brutalen Inhalt, sondern dass ihr Inhalt erfordert

zwischen den Zeilen zu lesen und unter die Oberfläche zu sehen.4

Hinsichtlich einer Definition herrscht bei der Graphic Novel ebenso wenig Konsens wie

beim Comic. Allerdings sei eine generelle Definition ohnedies nicht wünschenswert, da

es vermutlich weder eine einzige noch eine endgültige gebe.5 Worüber sich die Wissen-

schaftlerinnen und Wissenschaftler einig zu sein scheinen, ist, dass die Graphic Novel

vielmehr ein Format und kein Genre beschreibe.6 Dieter Wrobel fügt dieser Ansicht

hinzu, dass sie sich zu einer eigenständigen literarischen Gattung entwickle und sich

zudem äußerst schnell ausdifferenziert habe. Außerdem sei sie eine „bemerkenswerte

Weiterentwicklung des Comics in Richtung zunehmender erzählerischer und bildlicher

Komplexität.“7 Diese Komplexität weise darauf hin, dass die Graphic Novel mehr als

nur die Summe ihrer Teile beinhalte. Die Bilder und die Text-Bild Verknüpfungen seien

ein „unverzichtbares Element der Narration“.8

Eder zählt sieben Merkmale der Graphic Novel auf, wenngleich auch sie hier keinen

Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit erhebt. So sei eine Graphic Novel

3 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 3. 4 vgl. ebd. S. 16. 5 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S.2. 6 vgl. Lukas Plank: Comic, Graphic Novel & Co. URL: https://lukasplank.files.wordpress.com/2013/10/comic-journalismus-comic-graphic-novel-co.pdf. [23.04.2016] S.23. 7 Dieter Wrobel: Graphic Novels. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht. Hrsg. von Dieter Wrobel. Velber: Friedrich 2015. (Bd. 252). S. 4. 8 ebd.

9

zunächst ein Comic im Buchformat und an ein erwachsenes Publikum adressiert. Des

Weiteren erhebe die Graphic Novel einen literarischen Anspruch und kann sowohl

fiktional als auch nichtfiktional sein. Seiten- und Panelgestaltung werden aufgebrochen

und können vielfältig gestaltet werden und die Distribution laufe stets über einen

Buchhandel.9

Das Wort „graphic“ bedeute, dass die Werke sequenzielle Kunst beinhalten. Zusätzlich

zu den Bildern, die jeden beliebigen Stil aufgreifen können, bestehe eine Graphic Novel

auch aus einer Geschichte, die vergleichbar sei mit einer Kurzgeschichte oder einer

Novelle. 10 Inhaltlich steht ihnen dabei jedes beliebige Thema zur Verfügung.

Biografien, wie Maus von Art Spiegelmann können ebenso aufgegriffen werden wie

aktuelle politische Themen (z.B. Waltz with Bashir von Ari Folman und David

Polonsky). Auch werden des Öfteren Romane oder Gedichte zum Gegenstand gemacht

und als Graphic Novel neu realisiert.11

Stephen Weiner schließt sich den Definitionen weitestgehend an und ergänzt, dass sich

der Ruf des Comics erst dank der Einführung der Graphic Novel verbessert habe.12 Mit

Beginn der 2000er stieg das öffentliche Interesse an Graphic Novels rapide an, was

darauf zurückzuführen ist, dass man um diese Zeit begann, viele Comics und Graphic

Novels zu verfilmen. Man erkannte schnell, dass sich die Zuseherinnen und Zuseher

vor allem dann ins Kino setzten, wenn als Vorlage des Films eine Graphic Novel diente,

selbst dann, wenn sie mit dem Inhalt derselbigen nicht vertraut waren. 13 Was die

Zukunft der Comics und der Graphic Novels betrifft, so spricht sich Weiner durchwegs

positiv aus. Vor allem die anhaltende Begeisterung der Filmemacher und das

zunehmende Interesse von Institutionen, welche sich nicht primär mit dem Verlegen

von Comic-Büchern beschäftigen, seien dafür ein klares Zeichen.14

9 vgl. Barbara Eder: Graphic Novels. In: Comics und Graphic Novels. Eine Einführung. Hrsg. von Julia Abel; Christian Klein. Stuttgart: J.B. Metzler 2016. S. 156f. 10 vgl. ebd. 11 vgl. Eva Burwitz-Melzer; Jürgen Quetz: Shaun Tan’s Arrival als graphic novel für alle Fremdsprachen. In: Drei Schritte vor und manchmal auch sechs zurück. Internationale Perspektiven auf Entwicklungslinien im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Hrsg. von Barbara Schmenk; Nicola Würffel. Tübingen: Narr Francke Attempo: 2011.(= Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik.) S. 137. 12 vgl. Stephen Weiner: Faster than a speeding bullet. The rise of the Graphic Novel. New York: NBM 2012. S. XI. 13 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 59ff. 14 vgl. Stephen Weiner: Faster than a speeding bullet. The rise of the Graphic Novel. New York. NBM 2012. S. XI.

10

2.1 Unterschied Graphic Novel - Comic

„Jede Graphic Novel ist ein Comic, aber nicht jeder Comic eine Graphic Novel“15

Dieses Zitat beschreibt den ersten Schritt hin zur Unterscheidung zwischen dem Comic

und der Graphic Novel, nämlich den, dass eine Graphic Novel zwar wesentliche

Diskrepanzen zu einem Comic aufweise, dennoch unter dieses Genre subsummiert

werde.16

Die Graphic Novel werde von vielen Seiten als eine Weiterentwicklung des Comics

wahrgenommen. Sie habe die Betrachtung als „hybrider Text“ inne, der Bilder mit den

erzählerischen Möglichkeiten des Romans verknüpft und somit mehr Ausdrucks-

möglichkeiten und Formen bietet, als eine Bildergeschichte oder ein Comic.17

Obwohl Art Spiegelmann die Bezeichnung „Graphic Novel“ als nicht ganz unproble-

matisch empfindet, so war er dennoch der Ansicht, dass eine Graphic Novel „a comic

book that you need a bookmark for“ ist. Er versuchte mit diesem Zitat aufzuzeigen, dass

eine Graphic Novel, anders als die meisten Comics, nicht an eine vorgegebene

Seitenanzahl gebunden sei (zumeist 32 Seiten).18

Bei genauerer Betrachtung lassen sich vier Ebenen festmachen, die die Besonderheiten

in Abgrenzung zum Comic deutlich machen. Diese sind die Form, der Inhalt, das

Publikationsformat sowie die Produktion und der Vertrieb.

Die Ebene der Form kann kaum klare Linien in der Unterscheidung zwischen Comic

und Graphic Novel ziehen, da einige Graphic Novels erstmals als Comic erschienen und

erst bei der erneuten Veröffentlichung den Begriff der Graphic Novel erhielten, so z.B.

Alan Moores und Dave Gibbons’ Watchmen oder Frank Millers Batman. Dennoch gibt

es hinsichtlich des Seitenlayouts und der Narration differenzierbare Wesensmerkmale,

die beobachtet werden können. Fast ein gesamtes Jahrhundert lang folgten Comics

einer fundamentalen Struktur: Die Bilder stehen nebeneinander in einem Gitter, und

werden in einer horizontal und vertikal festgelegten Struktur gelesen. Der Graphic

Novel stehen nun in Abgrenzung dazu weit mehr Türen offen. Sie kann sich einerseits

15 Hans Ebert: 5 Fragen an die Buchhandlung Strips & Stories, Hamburg. URL: http://www.mein-literaturkreis.de/5-fragen-an-comic-graphic-novel-buchhandlung-strips-stories-hamburg/. [08.04.2016]. 16 vgl. Sebastian Oehler: Was sind Graphic Novels? – Deutsche und internationale Comic-Produktionen im Überblick. 08. 2010. URL: http://www.goethe.de/kue/lit/prj/com/ccs/csz/de5711244.htm [03.04.2016]. 17 vgl. Dieter Wrobel: Graphic Novels. In: Praxis Deutsch. Zeitschrift für den Deutschunterricht. Hrsg. von Dieter Wrobel. Velber: Friedrich 2015. (Bd. 252). S. 4. 18 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 59ff.

11

genau an diese Abfolge halten aber auch neue Regeln erkunden und das Medium bis an

seine Grenzen zwingen, um dieses auszutesten. Dasselbe gilt ebenso für die Narration,

indem sie entweder abgelehnt wird oder sich auf die Rolle eines Erzählers stützt.

Letzteres steht in starker Abgrenzung zum Comic, wo die Geschichte sich zumeist

selbst zu erzählen scheint – ohne Eingreifen eines Erzählers oder einer Erzählerin.

Auch auf der Ebene des Inhalts kann die Diskrepanz zwischen Comics und Graphic

Novels veranschaulicht werden. Autorinnen und Autoren von Graphic Novels

versuchen sich besonders in diesem Bereich vom Comic (insbesondere von den

Superheldencomics) zu distanzieren. Erwachsene sind das anvisierte Ziel und dieser

Gruppe sollen anspruchsvolle Texte geliefert werden, die für ein jugendliches

Publikum unter Umständen zu langweilig wären. Des Weiteren muss der Inhalt der

Graphic Novels nicht notwendigerweise fiktional sein. Wie weiter oben bereits

erwähnt wurde, können Graphic Novels auch (auto)biographisch sein, sie können

Geschichtliches behandeln oder eine Dokumentation wiedergeben (etc.).

Zudem muss dem Bereich des Publikationsformats hinsichtlich einer Divergenz

zwischen Comic und Graphic Novel Beachtung geschenkt werden. Es wird schnell

deutlich, dass Graphic Novels besonders häufig im Buchformat erscheinen und zudem

eine serielle Erscheinung eher der Ausnahmefall ist. Die Graphic Novel verwendet also

ein Format, das die Nähe zum traditionellen Roman deutlich macht (hinsichtlich der

Länge, dem Cover etc.) und sich hierbei ebenfalls vom klassischen Comic-Buch abhebt.

Vor allem die Tatsache, dass die Graphic Novel bewusst auf Serialität verzichtet (was

im englischen Sprachgebrach als „one-shot“ bezeichnet wird), macht deutlich, dass sich

die Autorinnen und Autoren dieses Mediums bewusst von Comics distanzieren. Zudem

entgehen Graphic Novels damit der allgemeinen Auffassung, dass ein in Serie

entstandenes Werk den Zweck verfolgt, kommerziell alle Möglichkeiten

auszuschöpfen.

Zuletzt gilt es, die Inkongruenz der Graphic Novel und des Comics in der Produktion

und im Vertrieb zu konkretisieren. Um eine Graphic Novel erfolgreich herausbringen

zu können, benötigte man lange Zeit unabhängige Verlegerinnen bzw. Verleger und

spezielle Buchhandlungen. Heutzutage ist dies zwar nicht mehr der Fall, was vor allem

an der Arbeit einiger weniger Verlagshäuser liegt (z.B. Pantheon, der Maus I von Art

12

Spiegelmann publizierte, u.v.a.), die durch das Publizieren bekannter Werke einen

großen Erfolg verzeichnen konnten.

Während diese vier Ebenen recht einleuchtend erscheinen, sind viele Wissenschaftler-

innen und Wissenschaftler nicht der Ansicht, dass man Graphic Novels und Comics so

eindeutig voneinander trennen könne. Die Produktion der Graphic Novel ließe sich

nicht so einfach vom wirtschaftlichen Kontext des Comics trennen, der vielerorts die

finanziellen Mittel für die Graphic Novel bereitstelle. Zudem sei durch eine solche

Abwertung des Comics dasselbige in Gefahr, verbannt zu werden,19 weswegen sich ein

Blick auf die Begriffsproblematik zu lohnen scheint.

Die Graphic Novel wird vielerorts als literarischer oder seriöser Comic in Buchlänge

angesehen.20 Auch Eddie Campbell argumentiert, dass die Graphic Novel die Form des

Comics nahm und ihn auf ein bedeutsameres und anspruchsvolles Niveau hob.

Einerseits ist hierbei anzuprangern, dass Campbell mit seiner Meinung den Comic

recht harsch abwertet, andererseits wollte er damit ebenfalls womöglich zum

Ausdruck bringen, dass die Graphic Novel eine neue und kreative Umgangsweise mit

dem Medium biete und nicht bloß den Comic und dessen typische Heldengeschichte

aufwärme.21

Selbst die bekanntesten Graphic Novel-Autorinnen und Autoren stehen dieser Bezeich-

nung kritisch gegenüber. So meint Art Spiegelman (Autor von Maus), dass durch den

Begriff „Graphic Novel“ bereits angedeutet werde, es handle sich hierbei um ein

herausragendes Werk, was aber de facto nicht der Realität entspreche. Viele Comic-

Bücher in glänzendem Cover hätten so den Sprung in die Bibliothek geschafft, obwohl

sie in Wahrheit jedoch bloß langweilig seien. Auch Alan Moore (Watchmen) schließt

sich Spiegelman durchaus an und hebt hervor, dass Graphic Novel nichts anderes

bedeute, als „teures Comic-Buch“ und es sei daher nicht von Belang, wie man sie nennt.

22

19 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S.8ff. 20 vgl. Hillary Chute; Marianne Dekoven: Comic books and graphic novels. In: The Cambridge Companion to Popular Fiction. Hrsg. von David Glover; Scott McCracken. Cambridge: Cambridge University Press 2012. S 189. 21 vgl. Dany Fingeroth: The rough guide to Graphic Novels. London, New York: Rough Guides 2008. S. 6. 22 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S.2.

13

2.2 Narration und Ästhetik der Graphic Novel

Graphic Novels erzählen ihre Geschichten mithilfe von Text und Bildern, genauer

gesagt bestehen sie aus bewusst gewählten narrativen Bildfolgen. Dabei gelten Text

und Bild sehr häufig als gleichberechtigt, und es herrscht eine Synthese zwischen den

Bild- und Wortinformationen. Betrachtet man deshalb die „Kunstform“ Graphic Novel

genauer, kann man eine eigenständige Narration und Ästhetik feststellen, die eine

spezielle Rezeption benötigt:23

Bildgeschichten […] muß man lesen: buchstäblich, weil sie mit dem Medium der Schrift

agieren, und übertragen, weil sie eine sequentielle Wahrnehmung erfordern, die

strukturell der Lektüre eines Buches entspricht24

Hinsichtlich der Rezeption lässt sich festhalten, dass die Rolle des Leser-Betrachters25

beim Lesen einer Graphic Novel markante Unterschiede im Vergleich zum Lesen eines

rein geschriebenen Textes aufweist. Da der Autor oder die Autorin nämlich nicht im

herkömmlichen Sinne erzählt, sondern vielmehr „vor die Augen stellt“, zwingt er seine

Leser-Betrachter in die Rolle von Augenzeuginnen und Augenzeugen oder Voyeur-

innen und Voyeure. Die Künstlerinnen und Künstler der Graphic Novel wissen um das

von ihnen verwendete verweisende Zeichensystem und können davon ausgehen, dass

die Rezipierenden mit ihrem Erfahrungswissen in der Lage sind, die Bilder adäquat zu

deuten. Diese Zeichen können sowohl ikonisch, indexikalisch und symbolisch sein und

der Leser-Betrachter ist dazu aufgefordert, diese Zeichen so zu deuten, sodass er den

Zusammenhang herstellen und angemessen interpretieren kann. Anders als im Film

muss der Leser-Betrachter der Graphic Novel die Bewegungen und Handlungen

konstruieren. Durch den Prozess des Lesens und Betrachtens wird die Bildfolge

inhaltlich und emotional konstruiert und man versteht das Gezeigte als Handlung.26

Das Verstehen von Bildern gelingt jedoch nicht „von selbst“. Der Leser-Betrachter muss

ebenso über einen gewissen Bildhorizont und Erfahrung verfügen, um die Handlung

nachvollziehen zu können. Auch spielen Kultur und Zeitgeschichte eine Rolle und nicht

23 vgl. Dietrich Grünewald: Die Kraft der narrativen Bilder. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in der Graphic Novel. Hrsg. von Susanne Hochreiter; Ursula Klingenböck. Bielefeld: transcript 2014. S. 19f. 24 Andreas Platthaus: Im Comic vereint. Eine Geschichte der Bildgeschichte. Berlin: Alexander Fest 1998. S7. 25 Bitte beachten Sie: Da das Gendern dieses Wortes den Lesefluss unnötig behindern würde, bitte ich Sie, die weibliche Form ausnahmsweise mitzudenken. 26 Dietrich Grünewald: Die Kraft der narrativen Bilder. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in der Graphic Novel. Hrsg. von Susanne Hochreiter; Ursula Klingenböck. Bielefeld: transcript 2014. S. 37ff.

14

selten wird ein gewisses Kontextwissen verlangt. 27 Während Comics die Lesenden

permanent fesseln müssen, um sie bei der Stange zu halten, können es sich Graphic

Novels durchaus erlauben, größere Auslassungen vorzunehmen, um so eine

intensivere Auseinandersetzung mit dem Gezeigten zu erzeugen.28

2.2.1 Farbgestaltung und Zeichnen

Das Zeichnen von Graphic Novels unterscheidet sich laut Baetens und Frey ganz

erheblich von dem, was Künstlerinnen und Künstler für Comics erstellen. So versuche

der Autor einer Graphic Novel, die dem Comic inhärente Trennung zwischen dem

Zeichnen und dem Erzählen sowie das Ignorieren vom individuellen Stil des Künstlers

aufzulösen. Die Autoren der Graphic Novels sind es häufig selbst, die sowohl die

Geschichte erzählen als auch die Bilder dazu gestalten, mit dem Ziel größtmöglicher

Individualität und Persönlichkeit.29

Auf dieser Seite spielt Farbe eine sehr zentrale Rolle.

Der Protagonist hat sich in einen Käfer verwandelt und

sieht sich in seinem Zimmer um. Die Farben, die

verwendet wurden, wirken trist und langweilig, als

wäre das Leben des Käfers genauso eintönig wie sein

Zimmer.

Abb. 1: Die Verwandlung, S.2.

Um dem Zeichenstil einer Graphic Novel adäquat zu begegnen, scheint der Begriff der

„graphiation“ laut Baetens und Frey besonders hilfreich zu sein. Damit meinen sie die

Sichtbarkeit des Künstlers oder der Künstlerin in all seinen oder ihren Zeichnungen. Es

erlaube ihm oder ihr, sich auf einer Ebene zu bewegen, die von zwei Extremen ausgeht:

einerseits die subjektive Darstellung des Erlebten, mit dem Fokus auf der Subjektivität

und nicht auf dem Objekt der Repräsentation, andererseits der objektive Stil, in dem

27 vgl. ebd. S. 42ff. 28 vgl. ebd. S. 66ff. 29 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S. 135.

15

der Autor oder die Autorin so neutral und unsichtbar wie möglich erscheinen will und

der Fokus auf dem Objekt der Repräsentation liegt. Baetens und Frey erheben den

Anspruch, diesen Faktor der „graphiation“ stets als ein Interpretationswerkzeug bei

Graphic Novels zu verwenden, um den Zeichenstil des Künstlers oder der Künstlerin

zu interpretieren. So kann ein unpersönlicher Stil kann zum Ziel haben, sich von den

anderen Künstlerinnen und Künstlern desselben Feldes abheben zu wollen, während

das Kopieren von anderen häufig mit Bewunderung oder Angst vor Versagen mit dem

eigenen Stil zusammenhängen kann.30

Der Zeichenstil eines Graphic-Novellisten ist in aller Regel ausschlaggebend für die

Bewertung seines Werkes durch die Lesenden, da die Zeichnungen sofort wahr-

genommen werden. Darin liegt aber sehr häufig auch ein Problem für die Autorinnen

und Autoren, da es ihnen unter Umständen schwer fallen könnte, ihren Stil zu ändern.

Außerdem wird das Zeichnen für die Graphic Novel von ihnen häufig als anstrengend

und monoton empfunden, womit es nicht weiter verwunderlich ist, dass sich die

meisten Stile nicht besonders voneinander unterscheiden. Grundsätzlich folgen die

Autoren einer der folgenden drei Strategien:

1. interne Variationen innerhalb des eigenen Stils.

2. Kombination aus verschiedenen Stilen: Die Verbindung kann sowohl

verschiedene Zeichenstile meinen, als auch die Integration von z.B. Fotografien

o.Ä.

3. Verwendung eines existierenden Stils in Verbindung mit der Suche nach einem

eigenen.31

Ebenso vielfältig wie der Zeichenstil sind die Möglichkeiten der Farbgebung in der

Graphic Novel. Zwar müssen sie nicht zwangsläufig Farbe verwenden, um eine

bestimmte, intendierte Wirkung zu erzeugen, dennoch gibt es zahlreiche Funktionen,

die Farbe in diesem Zusammenhang erfüllen kann. So kann sie durchaus eine gewisse

Stimmung erzeugen, eine Atmosphäre darstellen oder eine Empfindung hervorrufen

(rot kann für Gefahr, blau für Kälte oder Bequemlichkeit stehen, etc.), durch

Farbnuancen kann räumliche Tiefe erzeugt werden. Während Schwarz-Weiß-Comics

die Idee der Kunst direkter vermitteln und sich damit näher an der Sprache platzieren,

30 vgl. ebd. S. 136f. 31 vgl. ebd. S. 140.

16

spiele bei farbigen Werken die Form selbst eine entscheidende Rolle. Zudem wirken

farbige Comics realer als schwarz-weiße.32 Diese beiden Graphic Novels (Abb. 2 und 3)

haben die Farbgestaltung bewusst (nicht) gewählt, um Akzente damit zu setzen.

Abb. 2: Flughunde, S. 142.

Abb. 3: Persepolis, S. 3.

Zu beachten gilt hier auch, dass die Farbgestaltung durchaus auch von verschiedenen

Kontextbedingungen abhängt. So spielen die Möglichkeiten der Technik eine ebenso

wichtige Rolle wie die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Vor allem Graphic

Novels nutzen die Farbgestaltung, um sich von den Comics abzuheben, indem sie damit

den Kunstaspekt betonen.33

2.2.2 Seite

Grundsätzlich kann das allgemeine Seitenlayout auf vier verschiedene Arten

dargestellt werden. Dieses „Verhältnis von Seitenarchitektur und Erzählung“ 34 teilt

sich in vier mögliche Darstellungsformen. Peeters, dem diese Theorie zugrunde liegt,

nennt das typische Wechselverhältnis zwischen Handlung und Layout, bei der die

Sequenz dominiert, rhetorisch. Das Layout akzentuiert hierbei die Handlung und kann

die Gestaltung der Sequenzen sowohl Bewegungen als auch Inhalte rhetorisch unter-

stützen. Diese chronologische Panelfolge überwiegt und ist ohne weiteres darstellbar.

Auch die Möglichkeiten der Illustrierung der Dauer in einer Graphic Novel sind äußerst

zahlreich. Um Länge erzeugen zu können, kann das gutter zwischen den Panels

32 vgl. Scott McCloud: Comics richtig lesen. Hamburg: Carlsen 1995. S. 193ff. 33 vgl. Julia Abel; Christian Klein: Leitfaden zur Comicanalyse. In: Comics und Graphic Novels. Eine Einführung. Hrsg. von Julia Abel; Christian Klein. Stuttgart: J.B.Metzler 2016. S. 83. 34 vgl. ebd. S.89f.

17

vergrößert werden, ein Panel kann mehrfach gezeigt werden oder größer dargestellt

sein (ein großes Panel zwischen zwei kleinen kann ebenso einen Verlängerungseffekt

erzielen).

Wenn von Vervielfachung des Panels die Rede ist, so ist damit im selben Moment nicht

mehr von einer rhetorischen Handhabung des Layouts die Rede, sondern von einer

regelmäßigen. Zwar dominiert noch immer die Sequenz, allerdings akzentuiert das

Layout die Handlung nicht mehr. Alle Panels haben dieselbe Form (häufig bei

Comicstrips in Zeitungen), was für viele Autorinnen und Autoren den Vorteil hat, den

Fokus auf die Handlung selbst zu lenken und die mediale Vermittlungsform in den

Hintergrund treten zu lassen.

Bei diesen beiden Formen der Layout-Gestaltung (rhetorisch und regelmäßig)

dominiert die Sequenz. Nun beschreibt Peeters noch zwei weitere Arten, bei denen das

Gesamttableau dominiert. Auch hier gibt es die Variante, in der es eine Interdependenz

zwischen dem Layout und der Handlung gibt, die als „produktiv“ bezeichnet wird.

Gemeint ist damit, dass das Gesamtlayout der Seite maßgeblichen Einfluss auf den

Inhalt hat. Die Künstlerinnen und Künstler legen also besonderen Wert auf dessen

Gestaltung, so dass die Handlung dadurch mitgetragen wird.

Wird weder die Handlung durch das Tableau, noch das Tableau durch die Handlung

bestimmt, spricht man von einer dekorativen Gestaltung. Hierbei kann das Tableau

sehr vielfältig gestaltet werden (muss also nicht konform mit der Regelmäßigkeit des

Seitenlayouts auftreten).35

Während sich diese vier Gestaltungsmöglichkeiten auf das Seitenlayout beziehen, darf

die kleinste gestaltbare Einheit eines Comics und einer Graphic Novel nicht außer Acht

gelassen werden, nämlich das Panel. Es ist die kleinste komplexe Einheit des

Zeichensystems „Comic“ und besteht aus dem Bild und dem Rahmen, der es umgibt.36

Zwar ist es möglich, dass bereits ein einzelnes Panel eine gesamte Geschichte erzählt,

Graphic Novels bestehen aber zumeist aus einer Vielzahl von Panels. Unabhängig vom

Kontext sind Panels in einer Graphic Novel entweder als strip, als Seite (page), oder als

35 vgl. Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Hrsg. von Knut Hickethier; Ansgar Nünning. Trier: WVT 2008. (=WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft. 1.) S. 210ff. 36 vgl. Monika Schmitz-Emans: Literatur-Comics. Adaptationen und Transformationen der Weltliteratur. Berlin: Walter de Gruyter 2012. S77.

18

Buch (book) angeordnet. Die Panels können hierbei sowohl horizontal als auch vertikal

arrangiert sein, das Format und die Größe der Panels sind ebenso Variablen. Die

Unterteilung in die unterschiedlichen „level“ strip/page/book sei laut Baetens und

Frey in gewisser Hinsicht jedoch ungenügend, da die Beziehung zwischen den Bildern

und dem „level“ nie konstant sei. Die meisten Graphic Novels existieren bereits in Serie,

bevor sie in Buchform erscheinen. Zudem sei auch das Format von einer Ausgabe zur

nächsten häufig Änderungen unterworfen. So erschien Marjane Satrapis Persepolis

zweimal in unterschiedlicher Länge, was das Lesen der einzelnen Panels von Grund auf

verändert. Häufig bieten Verlage auch Graphic Novels in „pocket book“ Format an, was

das originale Layout verändert, wenn nicht gar zerstört. Doch selbst wenn das originale

Layout beibehalten wird, seien die Ergebnisse nicht immer erfolgreich. Als Milton

Caniffs Terry and the Pirates, ein täglich in einer Zeitung erschienener Strip in

Buchform erschien, war das Ergebnis enttäuschend, da Caniff dem Strip beinahe täglich

„Cliffhanger“ anfügte, die in Buchform jedoch seltsam wirken.37 Was Baetens und Frey

hier jedoch außer Acht lassen ist, dass Caniffs Werk ein Comic und keine Graphic Novel

ist, wodurch sich dieses Beispiel nur bedingt dazu eignet, die inkonstante Beziehung

zwischen den Bildern und dem „level“ aufzuzeigen. Zudem ist auch die in dieser Arbeit

behandelte Graphic Novel zunächst teilweise in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“

erschienen und als man dieser „strips“ in Buchform publizierte, war das Ergebnis

beeindruckend.

Das Panel wird grundsätzlich vom Rahmen, dem „gutter“ eingegrenzt. Dieser erfüllt

jedoch nicht nur den Zweck das Panel einzufassen, sondern ist auch Bestandteil der

ikonographischen Struktur, d.h. der Rahmen kann sich verschiedener nonverbaler

Sprachmöglichkeiten bedienen. Da es in Comics und Graphic Novels beispielsweise

keine explizite Erzählzeit gibt, fungiert laut Schmitz-Emans der Rahmen als Indikator

für das Präsens. Diese Behauptung stimmt mit der Wahrnehmung des Menschen

überein, der etwas Gesehenes nicht als vergangen oder zukünftig empfindet, sondern

als gegenwärtig. So müssen laut Eisner die Panels, die auf etwas in der Vergangenheit

oder Zukunft verweisen, stets zusätzlich codiert werden, um verstanden zu werden.

Hierbei würden sich wellen- oder wolkenförmige Rahmen eignen, als weitverbreitetes

37 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S. 103ff.

19

Zeichen für etwas, das in der Vergangenheit liegt. Somit trägt auch der Rahmen für die

Graphic Novel eine essentielle narrative Funktion.38

Werden Panelgrenzen aufgelöst, hat das einen inhaltsübertragenden Effekt. Dittmar

spricht hierbei von einem „Metabild“, da alle Bilder zusammen zu sehen sind und

gemeinsam wirken und damit sowohl eine Stimmung transportieren und eine eigene

Wirkung erzeugen.39

Flughunde, von Lust und Beyer, besteht, wie oben auf dem

Bild (Abb. 4) veranschaulicht, aus mehreren Bildern, wo

einzelne Panelgrenzen erkennbar sind, jedoch nicht als

Einzelbilder wirken wollen, sondern erst

panelübergreifend eine adäquate Interpretation der

Geschehnisse ermöglichen.

Abb. 4: Flughunde, S. 133.

2.2.3 Bewegung

Wie gelingt es nun Comics und Graphic Novels, Bewegung zu imitieren, die dynamisch

wirkt? Zunächst erscheint es geradezu unmöglich eine Bewegung auf einem unbewe-

glichen Bild darzustellen. Grundsätzlich herrscht laut Schüwer im Einzelpanel

entweder eine Pose vor, die die Einfühlung in das Geschehen erleichtern soll oder der

Momentschnitt, der einen einzelnen Moment der Gesamtbewegung heraushebt und

fokussiert.40

38 vgl. Monika Schmitz-Emans: Literatur-Comics. Adaptationen und Transformationen der Weltliteratur. Berlin: Walter de Gruyter 2012. S82ff. 39 vgl. Ludwig Lohmann: Die Graphic Novel als Medium des Widerstandes. M. Satrapis „Persepolis“ im Vergleich zu „Zahra’s Paradies“ von Amir u. Khalil. Norderstedt: Grin 2012. [Vorher: Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Sem.-Arb 2012.] S. 11f 40 vgl. Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Hrsg. von Knut Hickethier; Ansgar Nünning. Trier: WVT 2008. (=WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft. 1.) S. 41ff.

20

Momentschnitt Pose

Abb. 5: Der Boxer, S. 102.

Abb. 6: Der Boxer, S. 61.

Während das Bild links einen Momentschnitt wiedergibt, also einen Moment von einer

Vielzahl an Bewegungen herausnimmt, ist das zweite Bild eine Pose, da hier keinerlei

Bewegung hineingelesen wird, obwohl sie zweifelsohne stattgefunden hat.

In Bewegungssequenzen (ab zwei Panels) unterscheidet man grob zwischen Moment-

to-Moment- und Action-to-Action-Sequenzen. Im Übergang von Moment zu Moment

geschieht keinerlei nennenswerte Bewegung, während jedoch bei „Action-to-Action“

eine klare Bewegungsveränderung wahrgenommen werden kann. Die Grenzen

zwischen diesen beiden Möglichkeiten sind jedoch fließend, denn ob das Schließen des

Auges oder das Öffnen des Mundes bereits als Bewegung gilt, ist vermutlich bei den

Rezipierenden stets unterschiedlich.41

41 vgl. ebd. S. 51ff.

21

Moment-to-moment Action-to-action

Abb.7: Aufzeichnungen aus Birma, S. 88. Abb.8: Aufzeichnungen aus Birma, S. 171.

Der Unterschied zwischen den beiden Bildern (Abb. 7 und 8) ist recht offensichtlich,

denn während in der linken Panelsequenz kaum eine Bewegung bemerkbar ist und

sich bloß die Hand die Position ändert, ist auf der rechten Seite schon eindeutig ein

Erheben des Mönchs vom mittleren zum letzten Panel und damit eine augenfällige

Veränderung seiner lokalen Position festmachbar.

Ebenfalls ein geeignetes Mittel zur Darstellung von Bewegung sind die

Bewegungslinien. Zwar wirken solche Linien stets artifiziell (schließlich sind sie mit

freien Auge in der Realität nicht wahrnehmbar), sie helfen jedoch, die Richtung einer

Bewegung nachzuvollziehen.42

Sehr gut ersichtlich sind die

Bewegungslinien in diesem Beispiel n

der Hertzko zum Schlag ausholt. Die

Linien machen dem Leser-Betrachter

deutlich, woher der Schlag kam und

somit kann die Bewegung und ihr

Verlauf nachvollzogen werden.

Diese Bahnen sind nicht nur in den Panels positioniert, sondern weisen auch eine

Richtung in einem Raum auf. Hierbei kommt die Leserichtung zum Tragen, die den

42 vgl. ebd.

Abb. 9: Der Boxer, S. 136.

22

Rezipierenden stets von links nach rechts trägt. Ist die Bewegungslinie mit der

Leserichtung kongruent, erleben wir die Darstellung als dynamisch, verläuft sie

hingegen konträr, stößt man beim Lesen auf einen gewissen Widerstand.

2.2.4 Raum

Comics müssen neben der Darstellung der Bewegung auch den dreidimensionalen

Raum auf die zweidimensionale Seite bringen. Zentral für die Gestaltung des Raums

sind zwei unterschiedliche Aspekte:

1. Perspektivität unserer Wahrnehmung: Auch der eigene Körper wird

wahrgenommen und empfunden und ist somit ebenso ein Bild. Das Bild im

Comic definiert ein räumliches Verhältnis zwischen den Betrachtenden und der

dargestellten Welt.

2. Differenziertheit unserer Wahrnehmung: Grundsätzlich nehmen wir den

homogenen Raum wahr und die Dinge, die sich in ihm befinden. Das Bild im

Comic definiert ein Verhältnis zwischen dem dargestellten Körper und dem

Raum, der ihn umgibt.

Die Frage, welche Perspektive für welche Szene am besten verwendet wird, ist in der

Raumdiskussion zentral, da sich mithilfe dieser narrativ einiges ausdrücken lässt.

Grundsätzlich unterscheidet Schüwer drei Perspektiven: die Einfluchtpunkt-

Perspektive sowie die Zwei- und Dreifluchtpunkt-Perspektive.43

Die Perspektive, die sich auf einen einzelnen Fluchtpunkt konzentriert stammt aus der

Renaissance und konstruiert den Raum so, dass alle Kanten parallel oder senkrecht zur

Projektionsebene verlaufen, wodurch ein einziger Fluchtpunkt entsteht, der mit dem

Zentrum der Perspektive übereinstimmt. Positiv bei dieser Perspektive ist das enge

Wechselverhältnis, das er mit dem Betrachter oder der Betrachterin eingeht. Wenn die

Hauptachse des Bildes mit der Sichtlinie den Betrachtenden übereinstimmt, wirkt das

Bild kontinuierlich und ruhig. Zudem unterstützt diese Betrachtungsweise den Verlauf

einer Bewegung, nämlich immer dann, wenn die Tiefenlinien parallel zu den

Fließlinien verlaufen. Da jedes Panel ein starres Bild darstellt, unterstreicht die

Frontalperspektive diese Starrheit, da das Auge des Betrachters oder der Betrachterin

auf einen Punkt hingelenkt wird. Auf zwei Punkte im Horizont ist die Zweifluchtpunkt-

Perspektive gerichtet, das nicht so stark betont wird. Diese Art der Darstellung ist recht

43 vgl. ebd. S. 83ff.

23

unauffällig und eignet sich besonders gut für die Darstellung seitwärts gerichteter

Bewegungen. Während bei dieser Perspektive waagerecht noch ein Halt für die Augen

erkennbar ist, wird dieser bei der Dreifluchtpunkt-Perspektive vollends aufgegeben,

wodurch diese häufig zur Darstellung der Dimensionen eingesetzt wird.

Jenseits dieser drei Möglichkeiten existieren noch weitere Perspektiven, die im Comic

eingesetzt werden können. Dabei handelt es sich zum einen um die Parallel-

perspektive, die Fluchtpunkte für das Auge aufhebt und den Raum somit objektiviert.

Daneben findet man außerdem den planimetrischen Raum, der keine Kanten mehr

erkennen lässt und das Perspektivzentrum nicht wie die Parallelperspektive negiert,

sondern verschleiert.44

Im zweiten Aspekt wird von einer Differenziertheit der Wahrnehmung gesprochen, die

nichts anderes meint, als die Beziehung zwischen dem Raum und dem Körper.

Grundsätzlich unterscheidet man hier zwischen raumzentriert und körperzentriert,

die in verschiedenen Abstufungen auftreten können. So kann der Raum im Panel

dominieren, der Körper sich allmählich an den Raum annähern (und vice versa) und

der Raum und der Körper können verschmelzen.45 Die folgenden Beispiele (Abb. 10-

14) sollen diese Möglichkeiten veranschaulichen.

Raumzentriert Raum nähert sich an Körper an

Abb. 10: Aufzeichnungen aus Birma, S. 72.

Abb. 11: Persepolis, S. 256.

44 vgl. ebd. 45 vgl. ebd. S. 140ff.

24

Körperzentriert Körper nähert sich an Raum an

Abb. 12: Persepolis, S. 3. Abb. 13: Aufzeichnungen aus Birma, S. 169.

Verschmelzung zwischen Raum und Körper

Abb. 14: Persepolis, S. 311.

Das sind jedoch nicht die einzig möglichen Raumdarstellungen im Comic und in der

Graphic Novel. So kann der Raum invariant dargestellt werden, wo gewisse Sequenzen

über mehrere Panels hinweg unverändert bleiben (vgl. Die Peanuts). Des Weiteren ist

es möglich, das Geschehen durch raumorientierte Aktionssequenzen zu dynamisieren.

Dies geschieht, wenn ein Raumausschnitt oft hintereinander, jedoch aus verschiedenen

Perspektiven gezeigt wird.46

Neben der Perspektive und der Differenziertheit unserer Wahrnehmung, bieten die

Translinearität und die Intertextualität Möglichkeiten, dem Raum im Comic und in der

Graphic Novel noch anderen Bedeutungen zuzuweisen.

46 vgl. ebd.

25

Wenn nämlich Relationen zwischen Panels und Panel-Sequenzen entstehen, die durch

mehrere Seiten voneinander getrennt sind, spricht man von Translinearität. Der Leser-

Betrachter muss für das Verständnis eine Beziehung zwischen Panels herstellen, die

nicht auf derselben Seite zu finden sind. Dadurch ist die Struktur „translinear“, d.h. man

schaut durch die Bilder hindurch zu früheren (oder späteren) Zeichnungen.47

Diese Panelsequenz veranschaulicht diesen

Effekt. Der Protagonist befindet sich

momentan in einem Boxkampf, erinnert sich

jedoch daran, wie er damals im KZ völlig

ausgehungert ebenfalls an einem Kampf

beteiligt war, dargestellt durch ein Panel,

welches einige Seiten davor bereits

verwendet wurde. Somit ist eine Relation

hergestellt, die der Leser-Betrachter jedoch

schnell entschlüsseln kann.

Abb.15: Der Boxer, S. 154.

Der Begriff der Intertextualität hingegen geht über die Grenzen des Einzeltextes

hinaus. Beziehungen werden nun nicht länger zwischen texteigenen Elementen

hergestellt, sondern mit „fremden“ Texte. Einerseits kann hierbei ganz explizit mit

Zitaten gearbeitet werden, andererseits gibt es auch zahlreiche Möglichkeiten der

impliziten Aufnahme. Jedoch muss dabei beachtet werden, dass der Verweis einen

hohen Wiedererkennungswert besitzen muss, damit die Aufnahme erkannt wird.48

2.2.5 Text-Bild-Beziehung

Die Sprache einerseits und die Bilder andererseits sind zwei primäre Elemente einer

Graphic Novel. Umso fataler wäre es, die beiden stets separat voneinander zu

betrachten und ihnen somit jedwede Verbindung streitig zu machen. Baetens und Frey

postulieren, dass sowohl die Bilder als auch der Text künstlerisch gestaltet sein

müssen, was sie als „grammatextuality“ bezeichnen.49 Dasselbe Phänomen greift auch

Grünewald auf, indem er sagt, Comics erzählen eine Geschichte mithilfe narrativer

47 vgl. ebd. S. 238ff. 48 vgl. ebd. S. 259ff. 49 vgl. Jan Baetens; Hugo Frey: The Graphic Novel: An Introduction. New York: Cambridge University Press 2015. S. 122.

26

Bildfolgen, also „eine[r] Folge statischer Einzelbilder, die mit Text (Schrift) eine

inhaltliche und formale Einheit bilden können, aufeinander bezogen sind und als

Ganzes wirken.“ 50 Dass diese beiden Elemente jedoch auch im Widerspruch

zueinander stehen können, macht Mikkonen klar, indem er die „picture function“ und

„story (narrative) function“ auch als sich widersprechenden Dimensionen bezeichnet.

Die Aufmerksamkeit des Leser-Betrachters wird hierbei also entweder auf das Bild

oder auf den Text gelenkt und die jeweils andere Dimension rückt in den

Hintergrund.51

Graphic Novels arbeiten also grundsätzlich mit zwei Zeichensystemen: Bildelemente

und verbale Elemente, die in Panelfolgen dargestellt sind und miteinander in

Beziehung treten. Die Bildelemente sind prototypisch ikonische Zeichen, die zumeist

in „Ähnlichkeitsbeziehung zu ihrem Referenzobjekt“ stehen. Die Wahrnehmung dieser

Zeichen erfolgt einerseits „holistisch-simultan“, also ganzheitlich, andererseits kann

auch eine sukzessive Wahrnehmung stattfinden, da Linien, Farben, Perspektiven etc.

die Aufmerksamkeit unterschiedlich lenken können. Das zweite Zeichensystem, der

verbale Code, konstituiert sich bei alphabetischen Schriften aus prototypisch

symbolischen Zeichen, die in einer zumeist konventionsgebundenen Beziehung zum

Referenzobjekt stehen. Hinsichtlich der Narrativität dieser beiden Systeme lässt sich

festhalten, dass ikonische Zeichen räumlich-visuelle Phänomene darstellen können,

während sich sprachliche Zeichen zur Darstellung von Zeit, Figurenrede, Gedanken

und Gefühlen eignen.52

Zwar findet man auch außerhalb dieser Textsorte Kombinationen von Bild und Text.

Was den Comic und die Graphic Novel im Besonderen ausmachen, ist die ihnen eigene

„semiotische Konvergenz“ der Systeme. Das bedeutet, dass ikonische Zeichen eine

symbolische Funktion annehmen können und vice versa. Erwähnenswert in diesem

Zusammenhang ist die Konvergenz der Onomatopöien im Comic und in der Graphic

Novel. Diese nehmen, zusätzlich zu der herkömmlichen Verwendung als Darstellung

50 Dietrich Grünewald: Comics. In: Grundlagen der Medienkommunikation. Hrsg. von Erich Straßner. Tübingen: Niemeyer 2000. (=Grundlagen der Medienkommunikation. 8) S.28. 51 vgl. Kai Mikkonen: Remediation and the Sense of Time in Graphic Narratives. In: The rise and reason of comics and graphic literature: critical essays on the form. Hrsg. von Joyce Goggin. Jefferson: McFarland 2010. S. 82ff. 52 vgl. Nathalie Mälzer: Taxonomien von Bild-Text-Beziehungen im Comic. In: Comics – Übersetzungen und Adaptionen. Hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin: Frank & Timme 2015. (=Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens. 76.) S. 47f.

27

der klanglichen Ebene, die eine Ähnlichkeit zum Referenzobjekt darstellt, noch eine

weitere Funktion auf der visuell-grafischen Ebene an, indem ein Onomatopoetikum

ikonische und/oder indexikalische Funktionen erfüllt, womit aus ihnen ein Bild wird,

das ebenfalls ganzheitlich wahrgenommen wird.53

In diesem Panel ist die

Onomatopöie zunächst typisch

lautmalerisch die Imitierung eines

Polizeiautos (wiiiiuuuuwiiiuuu). In

weiterer Folge ist dieses Geräusch

auch indexikalisch klassifiziert, da

man durch die Anordnung der

Buchstaben den Ursprung und den

Verlauf des Geräuschs ausmachen

kann. Somit sind solche

„soundwords“ auf den ersten Blick zwar ein verbales Konstrukt, bei genauerer Analyse

jedoch semiotisch sehr komplex, da mehrere Funktionen übernommen werden

können. In der Graphic Novel sind sie zwischen dem Wort und dem Bild einzuordnen,

die sowohl sequentiell als auch holistisch wahrgenommen werden können und deshalb

als „Kippfiguren“ zwischen dem Ikon, dem Symbol und dem Index gelten können.54

Dasselbe Prinzip ist auch umgekehrt möglich, nämlich dann, wenn das Bildelement

eines Panels auch gelesen werden kann. Häufig zu finden ist dieses Phänomen bei

Piktogrammen, die für einen speziellen Sprechakt stehen.55 So wird Verliebtheit häufig

durch ein Herz oder Flammen in den Augen ausgedrückt, eine Glühbirne meint zumeist

einen klugen Einfall und ein Blitz steht häufig für Wut.56 Da diese Zeichen zumeist nicht

Teil des diegetischen Raums sind und von den Figuren somit auch nicht

wahrgenommen werden, wird ihr diegetischer Status aus der Handlung heraus

gedeutet und erst durch weitere Zeichen im Panel bzw. in den nächsten Panels

bestätigt oder falsifiziert. Diese Art der Betrachtung ist charakteristisch für Comics und

53 vgl. ebd. 54 vgl. ebd. S. 49f. 55 vgl. ebd. S. 50. 56 vgl. Nicole Mahne: Transmediale Erzähltheorie. Eine Einführung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. (= UTB. 2913.) S. 49.

Abb. 16: Castro, S. 20.

28

Graphic Novels, die den semiotischen Status eines Zeichens nicht bereits in einem

Einzelpanel preisgeben.57

In Art Spiegelmans Graphic Novel

„Maus“ findet sich ein ebensolches

Bildelement, welches gelesen wird.

Die Sterne und vertikalen Wellen

stehen in diesem Zusammenhang für

das extreme Unwohlsein, das die

beiden verspüren, als sie zum ersten

Mal wieder etwas Anständiges zu

essen bekommen. Diese Zeichen sind

nicht Teil des diegetischen Raums und

erst durch andere Panels wird klar, worum es sich bei diesen Symbolen handelt.

Da Comics und Graphic Novels stets monomodal sind, (also sowohl dem Bild als auch

dem Text denselben Raum des Panels zuweisen) werden Besonderheiten wie die

Konvergenz oder die schwankende Deutungsgrundlage erst möglich gemacht. Laut

Mälzer liegt der Reiz aber genau darin, dass „die in Konventionen verankerten

Annahmen des Leser-Betrachters fortlaufend unterminiert werden“.58

Hierbei liegt aber ein Problem der Bild-Text-Beziehungen in Comics und Graphic

Novels. Wenn nämlich keine Trennlinie zwischen den beiden Zeichensystemen

existiert, ist eine Definition und Kategorisierung dieser Beziehungen äußerst

schwierig. Häufig wurde versucht, das Miteinander von Bild und Text zu analysieren,

jedoch scheitern die meisten Taxonomien daran, dass die Begrifflichkeiten nicht

einheitlich sind, weil sie aus unterschiedlichen Disziplinen stammen. Ein gelungener

Versuch einer Klassifizierung ist die von Kaindl aus dem Jahre 2004. Dabei führt er

verschiedene Kategorien an, die für die Bild-Text-Beziehung in einem Panel stehen

können, wobei jedes Panel durchaus auch mit mehreren Kategorien analysiert werden

kann.59

57 vgl. Nathalie Mälzer: Taxonomien von Bild-Text-Beziehungen im Comic. In: Comics – Übersetzungen und Adaptionen. Hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin: Frank & Timme 2015. (=Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens. 76.) S. 50ff. 58 ebd. S. 50. 59 vgl. ebd. S. 51.

Abb. 17: Maus 2, S. 111.

29

Die erste von ihm genannte Kategorie ist die visuell-verbale Parallelität, bei der beide

Zeichensysteme unabhängig voneinander Informationen zur Narration liefern. Eine

vollkommene Beziehungslosigkeit ist aber nur selten zu finden. Häufiger zu finden sind

Sequenzen, die teilweise parallel verlaufen.60

In diesem Panel scheint das erste

zunächst keine Beziehung zwischen

Bild und Text zuzulassen. Erst durch

das Lesen und Betrachten weiterer

Panels wird klar, wie die beiden in

Verbindung stehen.

Abb. 18: Maus 2, S. 11.

Visuell-verbale Bestätigung liegt dann vor, wenn ein

Element durch ein weiteres Bestätigung findet. Wie in

diesem Panel zu sehen ist, wird einerseits schriftlich das

Reparieren der Schuhsohlen erklärt, während bildlich

genau dieser Vorgang veranschaulicht wird.61

Abb. 19: Maus 2, S. 60.

Von visuell-verbaler Ergänzung spricht man dann, wenn ein Zeichensystem

Informationen liefert, die aus dem anderen nicht ableitbar sind. 62

60 Vgl. Klaus Kaindl: Übersetzungswissenschaft im interdisziplinären Dialog. Am Beispiel der Comicübersetzung. Tübingen: Stauffenberg 2004. (=Studien zur Translation.) [Vorher: Wien, Habil.-Schr. 1999] S. 258. 61 vgl. ebd. 62 vgl. ebd. S. 259.

30

Gut veranschaulicht wird diese Kategorie bei Reinhard

Kleists „Der Boxer“, nämlich dann, als dem Protagonisten

bewusst wird, dass man ihn auf der Straße erkennt. Die

Textblase liefert nur Details über die Zeitungen und

Fernsehsender, während das Bild zeigt, dass er auch auf der

Straße (insbesondere vom weiblichen Geschlecht)

wahrgenommen wird.

Abb. 20: Der Boxer, S. 137.

Hebt ein Zeichensystem bestimmte Elemente des anderen hervor, ist das die Kategorie

der visuell-verbalen Fokussierung.63 In „Aufzeichnungen aus Birma“ wird über drei

Panels hindurch die Müdigkeit des Protagonisten und seines Babys fokussiert (Abb.

21).

Abb. 21: Aufzeichnungen aus Birma: S. 8.

Liefert ein Element eine Information, die die Aussage des anderen Codes negiert oder

aufhebt, besteht ein visuell-verbales Widerspruchsverhältnis.64

63 vgl. ebd. 64 vgl. ebd.

31

Auf dieser Seite wird der tragische Fluchtversuch von

zwei Menschen gezeigt, bei dem beide offenbar von

Soldaten erschossen werden. Während uns der Text

suggeriert, beide wären tot, sehen wir in den Panels,

dass nur einer der beiden tatsächlich tödlich getroffen

wurde.

Abb. 22: Der Boxer, S. 86.

Zu guter Letzt spricht Kaindl vom visuell-verbalen Identitätsverhältnis. In diesem,

selten in Reinform vorkommenden Phänomen, liefert die bildliche und sprachliche

Ebene dieselbe Information. Diese Identität muss sich nicht über ein gesamtes Panel

erstrecken, sondern kann bereits auf kleinere Elemente anspielen. 65

Diese Kategorie lässt sich gut mit einem Panel aus

„Aufzeichnungen aus Birma“ veranschaulichen.

Während die erste Sprechblase (ganz oben) das

wiedergibt, was auch das Bild zeigt und auch die

Reaktion der Ehefrau noch zum Bild passt, hängt

die nächste Frage (rechts unten) bereits nicht

mehr unmittelbar mit dem Bild zusammen, womit

klar ersichtlich ist, dass ein Identitätsverhältnis

häufig auch nur einzelne Elemente meinen kann.

Abb. 23: Aufzeichnungen aus Birma, S. 84.

Was Kaindl jedoch außer Acht lässt, ist, auf welchen Ebenen eine Analyse ansetzen

kann. Mälzer hat deshalb drei Beschreibungsparameter benannt, die auf den

unterschiedlichen Ebenen ansetzen:

65 vgl. ebd. S. 260.

32

räumlich-syntaktische Ebene

deiktische Ebene

logisch-semantische Ebene

Die räumlich-syntaktische Ebene meint als kleinste Einheit das Panel, als größte, die

auf einen Blick wahrnehmbare Comic(doppel)seite. Befinden sich nun sowohl das

bildliche als auch das verbale Element im Panel, spricht man von Raumkonkurrenz.

Eine Raumdivergenz hingegen herrscht dann vor, wenn sich ein Element außerhalb

des Panels befindet. Ragt ein Element aus dem Panel heraus oder hinein, spricht man

von einer Expansion bzw. Intrusion des Panelraums, bei dem der Unterschied nicht

immer leicht ersichtlich ist. Wird das Gutter überbrückt und ein Element zieht sich

über mehrere Panels, ist von einer Raumbrücke die Rede.66 Die folgenden Beispiele

sollen dies genauer veranschaulichen (Abb. 24-27):

Raumkonkurrenz Raumdivergenz

Abb. 24: Der Boxer, S. 26.

Abb. 25: Flughunde, S. 344.

66 vgl. Nathalie Mälzer: Taxonomien von Bild-Text-Beziehungen im Comic. In: Comics – Übersetzungen und Adaptionen. Hrsg. von Nathalie Mälzer. Berlin: Frank & Timme 2015. (=Arbeiten zur Theorie und Praxis des Übersetzens und Dolmetschens. 76.) S. 56ff.

33

Expansion/ Intrusion Raumbrücke

Abb. 26: Aufzeichnungen aus Birma, S. 88. Abb. 27: Maus, S. 61.

Die deiktische Ebene beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Element über eine

Verweisfunktion verfügt und wenn ja, wo sie sich befindet. Aus diesen Überlegungen

resultieren laut Mälzer vier mögliche Verweistypen. Der erste Typ beschreibt den

Verweis auf einen nicht sichtbaren Teil des Raums, den der Leser-Betrachter erst

konstruieren muss. Des Weiteren gibt es den Verweis auf sichtbare Zeichen im Panel,

einen panelübergreifenden sowie einen intertextuellen Verweis, der aus dem Comic

hinaus auf andere Texte verweist.

Zu guter Letzt nennt Mälzer die logisch-semantische Ebene, die auch bei der

Taxonomie Kaindls im Mittelpunkt steht. Sie nennt in diesem Zusammenhang drei

Aspekte, die wichtige Unterscheidungsmerkmale zwischen den Kategorien darstellen:

Autonomie des Zeichensystems: Ist die Bedeutung durch ein Zeichensystem

ausreichend oder wird das andere zur Verdeutlichung herangezogen?

Darstellungspotenzial des Zeichensystems: Ist die Verwendung des einen

Zeichensystems obligatorisch oder fakultativ?

Grad der Redundanz: Ist die Verwendung beider Zeichensysteme

(teil)redundant?67

Während hier nun stets die Rede war von einem Zusammenspiel aus Bild und Text, gibt

es laut Lohmann auch die Möglichkeiten, dass „bildliche Zeichen Informationen […]

ohne Sprache [vermitteln].“ 68 Das heißt, dass vereinzelt Panels zu finden sind, die

67 vgl. ebd.. S. 56ff. 68 Ludwig Lohmann: Die Graphic Novel als Medium des Widerstandes. M. Satrapis „Persepolis“ im Vergleich zu „Zahra’s Paradies“ von Amir u. Khalil. Norderstedt: Grin 2012. [Vorher: Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Sem.-Arb 2012.] S. 8.

34

vollkommen ohne Text auskommen, dennoch eine durchgängige Geschichte erzählen

und der Leser-Betrachter demnach auch ohne Text kombinieren und deduktieren

muss. Die Autorinnen und Autoren nutzen diese Sprachlosigkeit häufig als „narrative

Chance“, um etwas ausdrücken zu können, was jenseits der Sprache liegt. Zudem

werden vor allem Gefühle gerne nur durch Bilder dargestellt, da eine verbale

Darstellung zu einer Reduktion führen könnte.69

Neben dieser Vielzahl an möglichen Text-Bild-Beziehungen, ist die Frage ungeklärt,

wie Sprache und Schrift im Comic integriert werden können, denn Sprache wird in

Comics und Graphic Novels auf vielfache Art und Weise sehr bewusst und

abwechslungsreich eingesetzt. Sehr bekannt ist dabei zunächst die Sprechblase zur

Darstellung von Dialogen, deren Dorn zumeist zum Sprecher zeigt. Die Sprechblase

selbst kann dabei ebenfalls Bedeutung tragen: ist sie gezackt, deutet das auf schreien

hin, ist sie gestrichelt, wird geflüstert etc. Die Denkblase erfüllt den Zweck der Auf-

nahme des wörtlichen Gedankenzitats, wird aber für „ernste Comics“ nicht gerne ver-

wendet. Daneben findet man Blocktexte, die sämtliche Spielarten der geschriebenen

Literatur aufgreifen können: auktoriale Erzähläußerungen, Tagebucheinträge etc. Die

Funktionen des Blocktexts können auch durch Inserts übernommen werden, die ohne

Umrandung ins Panel eingesetzt werden, wodurch ihnen kein eigener Bereich

zugewiesen wird.

Auch ist in diesem Zusammenhang die Frage zentral, ob die Schrift innerhalb oder

außerhalb der erzählten Welt liegt. Wird die Schrift von den Figuren in der Erzählung

nicht wahrgenommen, so hat man es mit nicht diegetischer Schrift zu tun (Textbox,

Gedankenblase), wohingegen diegetische Schrift sowohl vom Leser-Betrachter als

auch von den Figuren registriert werden kann (Brief, Zeitungsbericht etc.). Wird die

Geschichte von einem auktorialen Erzähler getragen, so ist diese Schrift

extradiegetisch. 70

69 vgl. ebd. S. 8ff. 70 vgl. Martin Schüwer: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Hrsg. von Knut Hickethier; Ansgar Nünning. Trier: WVT 2008. (=WVT-Handbücher und Studien zur Medienkulturwissenschaft, Bd. 1.) S. 327ff.

35

Graphic Novels sind äußerst komplex aufgebaut und um sie vollständig analysieren

und interpretieren zu können, müssen unterschiedliche Faktoren beachtet werden. So

besteht dieses Medium sowohl aus Text als auch aus Bildern, die erst gemeinsam eine

vollständige Geschichte erzählen. Die Integration dieser verbalen und bildlichen

Elemente lässt sich auf vielfache Weise gestalten und ist nicht bloß von Werk zu Werk,

sondern auch von Seite zu Seite, von Panel zu Panel höchst unterschiedlich. Daher ist

auch das Layout der Seite ein maßgeblicher Faktor für die Analyse und Interpretation

dieses Mediums. Die Gestaltung des Panels, dessen Integration in das Gesamtlayout

und die Strukturierung des Werks tragen wesentlich zur Narration und Ästhetik der

Graphic Novels bei. Auch die Bewegung und der Raum, in dem diese stattfindet, geben

Aufschluss darüber, was der Autor oder die Autorin bezwecken möchte. Die Graphic-

Novellisten können dabei auf eine Vielzahl von Möglichkeiten der Darstellung

zurückgreifen, um Bewegung authentisch darzustellen und den Raum erlebbar zu

machen. In diese Kategorie fallen Überlegungen wie die Frage nach der Perspektive

oder nach der Möglichkeit des Übergangs von Panel zu Panel. Durch diese zahlreichen

Mittel der Darstellung, ist auch der Rezipierende gefragt. Graphic Novels müssen

nämlich sowohl gelesen als auch betrachtet werden, um ihre Narration und Ästhetik

vollständig erfassen zu können.

36

3 LITERATURDIDAKTISCHE GRUNDLAGEN

Die vorliegende Diplomarbeit stützt sich grundsätzlich auf die Literaturdidaktik von

Ulf Abraham und Matthis Kepser, jedoch wird im Zuge dieser Arbeit auch auf andere

Literaturdidaktinnen und -didakten verwiesen.

3.1 Das Handlungsfeld Literatur

Das Augenmerk der Literaturdidaktik liegt auf dem gesamten Handlungsfeld

„Literatur“. Dabei geht es in erste Linie nicht nur darum, zu fragen, wie Literatur

beschaffen ist, sondern vor allem auch darum, wie Menschen mit ihr umgehen und

warum. Abraham und Kepser führen drei Funktionen an, die Literatur innehaben kann:

die Individuation, die Sozialisation und die Enkulturation.71

Abb. 28: Abraham, Kepser: Literaturdidaktik, S. 19.

Als erster Bereich wird die individuelle Bedeutsamkeit angeführt, wo man sich die

Frage stellt, welche Menschen tendenziell zu welchen Büchern greifen und warum sie

ein gewisses Medienangebot wählen. Neben der Lesemotivation und den vielfältigen

Lesemotiven, spiele auch der Zeitpunkt, wann sie vermehrt zu Literatur greifen, um

kognitive, soziale oder emotionale Entlastung zu erlangen, eine entscheidende Rolle.

Abraham und Kepser sind der Auffassung, Lesen führe dazu, dass man für eine

begrenzte Zeit dem Alltag entfliehe (Eskapismus), in eine Welt abtauche, die

71 vgl. Ulf Abraham; Matthis Kepser: Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.) S. 13. In der Folge zitiert als: Abraham, Kepser: Literaturdidaktik.

37

grenzenlos erscheint (Floating-Erlebnis) und seine Probleme und Wünsche auf die

medialen Figuren projiziere. Zudem erlaube die Lektüre, dass man in ein längst

überwundenes Entwicklungsstadium zurückfalle (Regression) oder durch Empathie

eine Entlastung der eigenen Lebensumstände erfahre (Katharsis). Bei Kindern und

Jugendlichen bestehe zudem die Möglichkeit, dass die Begegnung mit Literatur die Ich-

Entwicklung fördere, weil sie in der Literatur mit zahlreichen Lebensentwürfen

konfrontiert werden, die ihre Suche nach einer eigenen Ich-Identität vorantreiben

kann. Zumeist sei die Begegnung mit Literatur auch mit einem individuellen

ästhetischen Genuss verbunden.72

Um diese zahlreichen sogenannten Gratifikationen erhalten zu können, müssen

gewisse Voraussetzungen erfüllt werden. Zunächst erscheint die Lesefähigkeit dabei

als primär, dem muss jedoch entgegen gehalten werden, dass auch durch Vorlesen der

Erhalt von Gratifikationen möglich ist. Des Weiteren muss der Inhalt des

Medienangebots der Lebenserfahrung sowie den momentanen Bedürfnissen

entsprechen, andernfalls würde der Dialog mit dem Text abbrechen oder gar nicht erst

stattfinden. Außerdem erweist es sich als sinnvoll, dass Literatur erreichbar sein muss,

sei es im Haushalt oder in einer Bibliothek (etc.), damit eine Begegnung stattfinden

kann.73 Kepser ergänzt, dass Literatur vor allem auch dann individuelle Bedeutsamkeit

erlangen kann, wenn selbst etwas verfasst, ein Hörspiel produziert oder ein Film

gedreht werde.74

In der zweiten Kategorie wird bei Abraham und Kepser von sozialer Bedeutsamkeit

gesprochen, in der ein literarischer Text häufig im Mittelpunkt eines Dialoges steht. Die

Medien, die für diesen Dialog in Frage kommen, können dabei sowohl mündlich als

auch schriftlich sein, zudem sind Bilder und Musik ebenso möglich. Die Notwendigkeit,

dass alle am Dialog Beteiligten mit demselben Medienangebot in Kontakt kommen, ist

dabei keineswegs eine notwendige Prämisse. Der Zeitpunkt der Rezeption kann

ebenso divergieren wie der Wissenstand der einzelnen Gesprächsteilnehmerinnen

bzw. –teilnehmer. Damit der Dialog gelingt, sind jedoch pragmatische Kompetenzen

72 vgl. ebd. S. 13ff. 73 vgl. ebd. S. 14. 74 vgl. Matthis Kepser: Anmerkungen zur Kompetenzorientierung in der Literaturdidaktik. In: Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Perspektiven und Probleme. Hrsg. von: Daniela Frickel; Clemens Klammer; Gerhard Rupp. Freiburg in Breisgau: Herbert-Jürgen Welke Fillibach 2012. (=Arbeitskreis Literaturdidaktik im Symposium Deutschdidaktik. 1.) S. 76.

38

der Beteiligten ausschlaggebend, wie grundlegende Fähigkeiten der Kommunikation,

d.h. sich affektiv und kognitiv mitteilen zu können, zuzuhören oder andere Meinungen

zu akzeptieren sowie die korrekte Verwendung des Stilregisters, entsprechend der

Situation. Überdies erscheint ein Fundus an literaturbezogenen Fachtermini ebenso

vorteilhaft wie spezielle rhetorische Fähigkeiten. Wird erfolgreich an solch einem

Austausch teilgenommen, erfährt das soziale Handlungsfeld Literatur Erweiterung,

Bestätigung und/oder Umstrukturierung sowie den Aufbau von Werturteilen und die

Anerkennung in der Gruppe.75

Mithilfe der kulturellen Bedeutsamkeit der Literatur kann es großen Gemeinschaften

gelingen, eine kollektive Identität herzustellen. Literatur dient laut Abraham und

Kepser hierbei als Teil des kulturellen Gedächtnisses einer Großgruppe, die bestimmt,

was erinnert werden soll (Tradition), wie gegenwärtige Bedürfnisse abgegrenzt

werden (Innovation) und welche Zukunftsperspektiven entwickelt werden können

(Utopie). Welche Angebote Teil der Aktualisierung werden, hängt allerdings nicht nur

mit den direkten Lesenden zusammen, sondern wird vor allem durch Massenmedien

als „Beobachter zweiten Grades“ nachhaltig mitbestimmt. Sie filtern dabei ständig die

schier unendlich wirkende Quelle kulturrelevanter Produkte, womit nur ein kleiner

Teil ins öffentliche Bewusstsein gerückt wird. 76 Dennoch laden vor allem die

Feuilletons der Zeitung, das Internet und andere Massenmedien täglich zum aktuellen

Kulturdiskurs ein.77

Um an diesen gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen zu können, muss der Einzelne

und die Einzelne dazu fähig sein, die literarischen Angebote auch auf eine kollektive

Bedeutsamkeit hin zu überprüfen. Ebenso wie im sozialen Bereich benötigt er dafür

basale Fähigkeiten der Kommunikation sowie Kenntnisse über unterschiedliche

Stilregister, Rituale und Fachtermini. Als Gratifikation erfahren die Menschen

Sicherheit und Geborgenheit, indem sie sich einer größeren Konsensgemeinschaft

zugehörig fühlen.78

75 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 15f. 76 vgl. ebd. S. 17. 77 vgl. Matthis Kepser: Anmerkungen zur Kompetenzorientierung in der Literaturdidaktik. In: Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Perspektiven und Probleme. Hrsg. von: Daniela Frickel, Clemens Klammer und Gerhard Rupp. Freiburg in Breisgau: Herbert-Jürgen Welke Fillibach 2012. (=Arbeitskreis Literaturdidaktik im Symposium Deutschdidaktik, 1.) S. 77. 78 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S.18

39

Das Besondere am Literaturunterricht liegt nun darin, dass er nicht nur auf dieses

Handlungsfeld vorbereitet, sondern selbst ein Teil davon ist. Die meisten Werke, die im

Unterricht behandelt werden, leben nur durch eben diesen Unterricht. Selten greifen

Lernende in ihrer Freizeit zu Texten von Goethe oder Keller, sodass vor allem die

kulturelle Kohärenzbildung einen wesentlichen Aspekt des Literaturunterrichts

darstellt.79

3.2 Literatur und Literaturdidaktik

Der Fokus der Literaturdidaktik liegt auf den Zielen, Inhalten und Verfahren des

Literaturunterrichts. Als relativ junge Disziplin gelang es ihr, sich „als eigenständige

Wissenschaftsdisziplin zu emanzipieren“. 80 Grundsätzlich beschreibt die Literatur-

didaktik die „Theorie des Lehrens und Lernens von Literatur in Lernkontexten“ 81 .

Paefgen schließt sich dieser Formulierung an und versucht, den Begriff des Lernkon-

textes genauer zu erläutern. So meine der Lernkontext in den meisten Fällen den

Deutschunterricht, wenngleich eine Übertragung der didaktischen Konzepte in andere

Lernverhältnisse durchaus möglich sei.82

Ähnlich formulieren Leubner, Saupe und Richter, denn laut ihnen ist die Literatur-

didaktik „die Wissenschaft vom Lehren und Lernen der Literatur.“ Des Weiteren stellen

sie die Literaturdidaktik „als Teil der Literaturwissenschaft“83 dar, wobei „die Eigen-

ständigkeit der Literaturdidaktik mit eigenen Forschungsinteressen und – methoden

durch diese Zuordnung aber nicht infrage gestellt [wird].“ 84 Bezüglich der

österreichischen Situation ist es Werner Wintersteiner, der eine Betrachtung als

eigenständige Disziplin sogar für notwendig hält, um ein Nachdenken über die Didaktik

überhaupt erst zu ermöglichen.85

79 vgl. Matthis Kepser: Anmerkungen zur Kompetenzorientierung in der Literaturdidaktik. In: Literaturdidaktik im Zeichen von Kompetenzorientierung und Empirie. Perspektiven und Probleme. Hrsg. von: Daniela Frickel; Clemens Klammer; Gerhard Rupp. Freiburg in Breisgau: Herbert-Jürgen Welke Fillibach 2012. (=Arbeitskreis Literaturdidaktik im Symposium Deutschdidaktik, 1.) S. 77f. 80 Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 29. 81 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 13. 82 vgl Elisabeth K. Paefgen: Einführung in die Literaturdidaktik. 2. akt. u. erw. Aufl. Stuttgart: Metzler 2006. (=Sammlung Metzler. 317.) S. IX. 83 Martin Leubner; Anja Saupe; Matthias Richter: Literaturdidaktik. Berlin: Akademie 2010. S. 11. 84 ebd. S. 12. 85 vgl. Werner Wintersteiner: Praktische Wissenschaft. Zum heutigen Selbstverständnis der Deutschdidaktik. In: Wir sind, was wir tun. Deutschdidaktik und Deutschunterricht vor neuen Herausforderungen. Hrsg. von Manuela Glaboniat; Eva Maria Rastner; Werner Wintersteiner. Innsbruck: StudienVerlag 2007. (=ide-extra. 13.) S. 19.

40

Im Kontext der gesamten Deutschdidaktik ist die Literaturdidaktik laut Lange und

Weinhold neben der Sprach- und der Mediendidaktik ein Teil des Deutschunterrichts.

Sie bezeichnen diese drei Lernbereiche als grundlegend für den Unterricht. 86 Von

Gerhard Rupp stammt die Formulierung, die Deutschdidaktik „untersucht, wie Texte,

Themen und Fragestellungen aus der deutschen Sprache und Literatur und aus den

Medien gelehrt und gelernt […] werden“.87

Leubner, Saupe und Richter teilen die Disziplin grundsätzlich in drei Hauptaufgaben

unterteilt. Die erste besteht darin, Konzeptionen für den Literaturunterricht zu ent-

wickeln, um den Unterricht kritisch analysieren zu können. Das Zusammenspiel der

Entwicklung didaktischer Theorien sowie die empirische Forschung konstituiert die

zweite Aufgabe der Literaturdidaktik. Die Selbstreflexion stellt die dritte Funktion des

Literaturunterrichts dar. Dabei hinterfragt die Literaturdidaktik die eigene Disziplin.88

Die weitverbreitete Auffassung, Literaturdidaktik beschäftige sich ausschließlich mit

praxisbezogenen Fragestellungen, wird von Bredella negiert und durch seine Theorie

ergänzt:89

„Literaturdidaktik als Theorie literarischer Erziehung und Bildung hat ihre Aufgabe

darin, daß sie die in jeder Praxis immer schon in Anspruch genommenen Vorstellungen,

Prinzipien und Normen ins Bewußtsein hebt. [...] Sie kann sich aber nicht damit

begnügen, nur Theorie vom Literaturunterricht zu sein, sondern sie ist auch Theorie für

den Literaturunterricht.“90

Das bedeutet, dass die Vorstellungen, Prinzipien und Normen die Praxis nicht

unmittelbar bestimmen, sondern von Lehrenden und Lernenden vermittelt werden

müssen, womit der angestrebten Praxis folglich stets eine theoretische Entlastung

vorausgehen muss.91

86 vgl. Günter Lange: Vorwort. In: Grundlagen der Deutschdidaktik. Sprachdidaktik – Mediendidaktik – Literaturdidaktik. Hrsg. von Günter Lange; Swantje Weinhold. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2005. S. VII. 87 Gerhard Rupp: Was ist Deutschdidaktik. URL: http://www.ruhr-uni-bochum.de/lidi/Downloads/was_ist_deutschdidaktik5_rvl_251007.pdf [04.05.2016] S.2. 88 vgl. Martin Leubner; Anja Saupe; Matthias Richter: Literaturdidaktik. Berlin: Akademie 2010. S. 12. 89 vgl. Lothar Bredella: Einführung in die Literaturdidaktik. Stuttgart: Kohlhammer 1976.(= Urban Taschenbücher. 80.) S.20. 90 Lothar Bredella: Einführung in die Literaturdidaktik. Stuttgart: Kohlhammer 1976.(= Urban Taschenbücher, 80) S.23. 91 vgl. ebd. S. 20ff.

41

3.2.1 ARBEITSBEREICHE DER LITERATURDIDAKTIK

Während bereits von den Aufgaben der Literaturdidaktik gesprochen wurde, gilt es

nun, die Arbeitsbereiche der Literaturdidaktik zu erläutern. Da Abraham und Kepser

sich diesem Bereich nicht ausdrücklich zuwenden, eine Behandlung in dieser

Diplomarbeit aber als notwendig erscheint, wird in diesem Kapitel auf dieses Thema

eingegangen. Hierbei wird vor allem die Arbeit von Leubner, Saupe und Richter

herangezogen. Sie untersuchen dabei fünf Faktoren, die Lehr- und Lernprozesse

positiv oder negativ beeinflussen, woraus sich verschiedene Tätigkeitsbereiche

ergeben.92

Die erste Einflussgröße der Lehr- und Lernprozesse wird durch die Ziele des Litera-

turunterrichts repräsentiert. Der Erwerb von Wissensbeständen, Fertigkeiten,

Fähigkeiten und Haltungen der Schülerinnen und Schüler wird hierbei angestrebt.

Besonders viel Wert wird dabei auf eine großzügige Teilnahme an der literarischen

Kommunikation, auf die unterschiedlichen Arten der Produktion und Rezeption

literarischer Texte sowie auf das Verstehen der Texte gelegt.

Inhalte und Gegenstände des Literaturunterrichts stellen das zweite Arbeitsgebiet der

Literaturdidaktik dar. Dabei soll genau reflektiert werden, welche Texte man zur

Erreichung der angestrebten Ziele heranziehen kann. In diesem Gebiet stellt sich auch

die Frage nach der sinnvollen Integration von Comics, Graphic Novels und Film im

Deutschunterricht.

Als dritter Arbeitsbereich werden die Methoden und Medien genannt. Genauer gesagt

wird die Entscheidung über mögliche Methoden, Sozialformen, Lernprozessstruk-

turierungen sowie Aufgabenstellungen diskutiert. Hinsichtlich der Medien stellt man

sich die Frage, wie Lernmedien (z.B. Lesebücher) für Lernprozesse vorteilig genutzt

werden können.

Als vierter Faktor werden die Lernvoraussetzungen der Lernenden genannt. Dabei

spielen individuelle Aspekte, wie Interesse und Motivation genauso eine essenzielle

Rolle wie Alter und verschiedene Fähigkeiten.

Der letzte Arbeitsbereich besteht aus institutionellen und normativen Rahmen-

bedingungen. Während institutionelle Voraussetzungen auf die äußere Organisation

92 vgl. Martin Leubner; Anja Saupe; Matthias Richter: Literaturdidaktik. Berlin: Akademie 2010. S. 13.

42

von Unterricht abzielen (Schultypen, Dauer der Schulzeit etc.) liegt das Haupt-

augenmerk der normativen Bedingungen auf den Zielen und den Verfahren des

Unterrichts (Bildungsstandards, Lehrpläne).93

3.3 Aufgaben und Ziele des Literaturunterrichts

3.3.1 UNTERSTÜTZUNG VON INDIVIDUATION, SOZIALISATION UND ENKULTURATION

Literatur kann die Individuation fördern, indem sie dazu befähigt, Fremdperspektiven

zu übernehmen oder die Ich-Entwicklung zu unterstützen. Zudem kann sie die

Entwicklung der Sozialisation unterstützen, da sie dazu beiträgt, sich mit Werten und

Normen in einer Gruppe auseinanderzusetzen und zu guter Letzt kann sie die

Enkulturation ermöglichen, weil sie einen Beitrag zur kulturellen Kohärenzbildung

leistet.94

Die Unterstützung der Lernenden im Unterricht hinsichtlich der Individuation, der

Sozialisation und der Enkulturation ist laut Abraham und Kepser jedoch mit unter-

schiedlichen Spannungen verbunden. Zunächst ergibt sich das Problem, dass die

Auseinandersetzung mit Literatur jedweder Art (Buch, Film etc.) stets etwas sehr

Privates darstellt. Ob darüber diskutiert wird oder nicht, ist außerhalb institutioneller

Bildung jedem und jeder freigestellt. Der Literaturunterricht hingegen drängt die

Lernenden geradezu dazu, Stellung zu beziehen und womöglich etwas preiszugeben,

was sie außerhalb der Schule niemanden erzählt hätten. Die schulische Diskussion

über ein Werk kann sich auch einfacher gestalten, wenn über Texte gesprochen wird,

die den Schüler oder die Schülerin unberührt lassen oder Aspekte eines Werkes im

Zentrum der Diskussion stehen, die ohnehin keine persönliche Involvierung zur Folge

haben (Textsortenanalyse, sprachliche Mittel etc.). Einer der wichtigsten Aspekte der

Literatur geht in diesem Fall jedoch verloren, nämlich sich von dem Text berühren und

bewegen zu lassen. Die Literaturdidaktik beschäftigt sich bereits seit längerem damit,

diesen Aspekt wieder in den Unterricht zu integrieren, was vor allem mit einem

vielseitigen Medienangebot erreicht werden soll.95

93 vgl. ebd. S. 14f. 94 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 53. 95 vgl. ebd. S. 74f.

43

Das zweite Spannungsfeld bezieht sich bei Abraham und Kepser auf die Soziali-

sationsliteratur. Sehr lange galten gewisse Werke (vornehmlich aus dem Bereich der

Kinder- und Jugendliteratur) als defizitär und gefährlich.96 Auch Comics und Graphic

Novels galten lange Zeit als ungeeignet für die Anforderungen des Literaturunterrichts,

da sie unter anderem die Kriminalität fördere und eine intensive Auseinandersetzung

des Menschen mit seiner Wirklichkeit verhindere.97 Während diese Dichotomie heute

als aufgehoben gilt, ist die Differenz zwischen schulischer und außerschulischer

Lektürepraxis laut Abraham und Kepser trotzdem vorhanden. 98 Der österreichische

Lehrplan setzt sich dieser Auffassung jedoch teilweise entgegen. So sieht er zwar die

intensive Beschäftigung mit österreichischer Literatur vor, gleichzeitig fordert er aber

die Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Medien verschiedenster Kulturen.

Zudem strebt der Lehrplan an, dass Werke gewählt werden, die das Interesse der

Schülerinnen und Schüler wecken.99 Somit kann es den Lehrenden und Lernenden

durchaus gelingen, Werke zu wählen, die sowohl dem Lehrplan als auch dem

jugendlichen Lebenshorizont entsprechen.

Das dritte Spannungsfeld wird bei Abraham und Kepser als das zwischen dem

individuellen Genuss präferierter Texte und den gesellschaftlichen Erwartungen an die

Lektüre als kulturellen „Ritus“ definiert. Damit ist das Arbeiten am Kanon und der

Höhenkammliteratur gemeint, das selten im Einklang ist mit den Werken, zu denen die

Jugendlichen bevorzugt greifen.100

Während bislang von einer literarischen Rezeptionskompetenz gesprochen wurde,

ergänzen Abraham und Kepser zum gängigen Kompetenzbegriff noch die literar-

ästhetische Produktionskompetenz. Der Literaturunterricht widmet sich nämlich fast

ausschließlich der Auseinandersetzung mit literarischen Produkten, während eine

literarische Produktion von Lernenden keine Rolle spielt. Das zeigt sich einerseits in

der Ausbildung der Lehrkräfte (die für die Zulassung zum Beruf bloß die allgemeine

Hochschulreife benötigen, während beispielsweise Musiklehrerinnen und Musiklehrer

durchaus ihr Können in diesem Bereich unter Beweis stellen müssen), andererseits

96 vgl. ebd. S. 76. 97 vgl. Günter Lange: Comic. In: Textarten – didaktisch. Grundlagen für das Studium und den Literaturunterricht. Hrsg. von Günter Lange und Leander Petzoldt. 6. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2011. S. 40. 98 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 76f. 99 vgl. https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_neu_ahs_01_11853.pdf?4dzgm2 [02. 06.2016]. S. 2. 100 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 78.

44

auch hinsichtlich der Forderungen im Deutschunterricht. So gibt es zwar poetische

Textsorten (Erzählung), diese werden aber sehr stark formal und inhaltlich

restringiert und selbst Schreibformen, die noch subjektive Selbstäußerungen erlauben,

lassen nur wenig Spielraum für literarisches Schreiben. Die Gründe, warum literarische

Produktionen in den Schulen nicht gelehrt werden, sind zum einen, dass es eine

Überforderung des Lernenden wäre, würde man versuchen, aus ihnen Dichterinnen

und Dichter zu machen und zum anderen würde sich die Benotung literarischer

Produktionen nur schwierig objektiv gestalten lassen. Dem muss man jedoch

entgegenhalten, dass trotz der im 18. Jahrhundert eingeführten Genieästhetik der

Dichterberuf zum Teil erlernbar ist. Außerdem wird auch im Kunstunterricht mit den

verschiedensten Materialen auf unterschiedlichste Weise gearbeitet, ohne dass die

Lehrkraft die Forderung nach absoluten Meisterwerken stellt. Obwohl das Argument

der schweren Durchführbarkeit einer objektiven Beurteilung zulässig erscheint, ist

dennoch nicht jede Leistung des Schülers oder der Schülerin automatisch zu bewerten.

Zusätzlich wäre es fatal zu argumentieren, Lehrkräfte würden stets objektiv benoten,

was de facto nicht einmal in einem „harten“ Fach wie Mathematik der Fall ist. Während

Lernende also keine objektiven Noten erwarten können, sind sie dennoch in der Lage,

zumindest transparente Bewertungsmaßstäbe zu fordern, die durchaus literarische

Schreibaufgaben integrieren könnten.101

Bevor nun eine eingehende Beschäftigung mit den Zielen des Literaturunterrichts

stattfinden kann, gilt es noch, den Kompetenzbegriff zu erläutern. Ein sehr weit

gefasstes Verständnis von Kompetenz stammt von Habermas, der er unter Kompetenz

„anthropologische Grundfähigkeiten“102 versteht. Der Mensch verfügt laut ihm über

kognitive, interaktive und sprachliche Fähigkeiten, die er im Zuge seiner Ich-

Entwicklung erwirbt. Die „angemessene Auseinandersetzung des Menschen mit seiner

außersozialen Umwelt“ beschreibt die kognitive Kompetenz. Die sprachliche

Kompetenz, angelehnt an Noam Chomsky, meint die Sprachfähigkeit und

Sprachverwendung während die interaktive Kompetenz die Auseinandersetzung des

Ichs mit der Gesellschaft schildert. Obwohl es sich theoretisch um drei unterschiedliche

101 vgl. ebd. S. 63ff. 102 ebd. S. 54.

45

Fertigkeiten handelt, fließen sie laut Habermas dennoch in jedem Äußerungsakt

zusammen.103

Fritsche hat Habermas‘ Modell um die ästhetische Kompetenz erweitert, die ebenso

fundamental für das „Menschsein“ ist. Wie wichtig die ästhetische Kompetenz ist, führt

Abraham weiter aus, indem er postuliert, dass weder Individuation noch Sozialisation

oder Enkulturation stattfinden kann, wenn der Mensch keine ästhetischen Fähigkeiten

besitzt. Daher fordert er auch eine Gleichberechtigung der ästhetischen mit der natur-

, gesellschafts- und sprachbezogenen Bildung.104

Hinsichtlich der österreichischen Bildungsstandards wird der Kompetenzbegriff von

Weinert als Bezugspunkt für den Kompetenzbegriff herangezogen. Dieser definiert die

Kompetenz als

die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und

Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen

motivationalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösung in

variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.105

In diesem Zusammenhang werden Kompetenzen als das Ergebnis von schulischen

Lernprozessen verstanden, die in der kontextunabhängigen Auseinandersetzung mit

der Umwelt oder der Schule erworben werden und mit deren Hilfe die verschiedensten

Aufgaben bewältigt werden können. Die österreichischen Bildungsstandards

unterscheiden zwischen diesen allgemeinen und weiteren fachbezogenen Kompeten-

zen, die inhaltliche Bereiche eines Gegenstandes umfassen. Der Erwerb dieser beiden

Kompetenzbereiche soll das Wissen der Lernenden verbessern und sie handlungsfähig

machen. Zusätzlich dienen sie als Basis für den Erwerb weiterer Fähigkeiten und

Fertigkeiten.106

103 vgl. ebd. S. 54ff 104 vgl. ebd. S. 56. 105 Franz E. Weinert: Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – Eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Leistungsmessungen in Schulen. Hrsg. von F. E. Weinert. Weinhein; Basel: Beltz 2001. S. 27f. 106 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): Kompetenzen und Modelle. URL: https://www.bifie.at/node/49 [05.04.2016].

46

Vielfach wird die Definition Weinerts unkritisch übernommen. Abraham und Kepser

konnten bei näherer Betrachtung jedoch zahlreiche Schwächen und Probleme auf-

decken:

Kompetenzen werden als Form einer Leistung definiert, die zwar unverzichtbar

ist, aber nicht das einzig mögliche Bildungsziel der Schule. Kompetenzen alleine

reichen also nicht aus, um schulische Bildung adäquat zu erfassen.

Nicht alle Kompetenzmerkmale sind empirisch auch überprüfbar. Ob Lernende

die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch außerhalb der Schule, wie

erwartet und „verantwortungsvoll“ nutzen, ist schwer bis gar nicht feststellbar.

Die Frage ist, inwieweit den Lernenden die Norm, die ihnen auferlegt wird,

akzeptieren. Es ist als mündige Staatsbürgerinnen bzw. Staatsbürger schließlich

ihr Recht, bestimmten Anforderungen Widerstand zu leisten.

Kompetenzerwerb ist stark mit Erfolg verbunden. Gerade aber die kulturelle

Bildung hat vielmehr mit Befriedigung, Genuss und Reichhaltigkeit zu tun als

bloß mit Erfolg.

Da kognitive Fähigkeiten in den Vordergrund gerückt werden, sind affektive

und emotionale Kompetenzen automatisch sekundär. Völlig ausgeblendet in

seiner Definition werden zudem psychomotorische Fähigkeiten.

Die reine Konzentration auf Wissen, um gewissen Aufgaben und Problemen zu

begegnen, greift ebenso zu kurz.107

Ungeachtet dieser Schwächen wurde für den Deutschunterricht ein so genanntes

„Kompetenzmodell“ entwickelt, das den Lernstand in den verschiedenen Schulstufen

für die unterschiedlichen „Hauptfächer“ (Deutsch, Englisch, Mathematik) anzeigen soll.

In der folgenden Abbildung (Abb. 29) wird das Modell für die 13. Schulstufe im

Unterrichtsfach Deutsch angezeigt, die auch für die vorliegende Diplomarbeit von

Belang ist:

107 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 60f.

47

Abb. 29: bifie: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach

Deutsch, S. 12.

Dieses Modell beschreibt jene Kompetenzbereiche, die für das Verfassen schriftlicher

Klausurarbeiten im Rahmen der Reife- und Diplomprüfung notwendig sind und sich

zudem überprüfen lassen. Die Teilkompetenzen werden:

explizit und systematisch [...] [akzentuiert], [es] berücksichtigt aber auch die fallweise

Integration von nichtlinearen Texten (Fotos, Karikaturen, anderen künstlerischen

Darstellungen) zu einem Thema und trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Information

heute selten nur sprachlich-linear kodiert ist. Das Reflektieren über Sprache und die Rolle

von Sprachbewusstsein werden verstärkt berücksichtigt. Es geht nicht um das Abprüfen

deklarativen Wissens z. B. über Grammatik, sondern um eine Leistung, die eingebunden ist

in die Lese- und Schreibprozesse beim Lösen der Aufgaben, wenn die Textvorlagen noch

anders als nur inhaltlich beschrieben, analysiert und kommentiert werden sollen.108

3.3.2 DIE LESEFÖRDERUNG

Eine der wichtigsten Aufgaben des Deutschunterrichts besteht darin, Heranwachsende

an das Lesen schriftlicher Literatur heranzuführen.109 Hurrelmann führt an, dass das

108 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12. [29.05.2016]. 109 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 60f.

48

Buch sowohl orts- als auch technikfrei sei, es zu jeder Tages- und Nachtzeit gelesen

werden könne und es genügend Zeit biete, über das Gelesene lange und gründlich

nachzudenken. Zudem schule es das Vorstellungsvermögen, fördere die Sprache und

sei Teil des kulturellen Gedächtnisses.110 Nicht jedes Argument trifft heutzutage noch

in der Form zu. So machen es moderne Techniken möglich, auch unterwegs stets auf

Medien zurückgreifen zu können und das Ansehen von Filmen, Videos (etc.) ist durch

Laptops mittlerweile ebenso ortsunabhängig wie das Lesen. Zudem wird die Sprache

nur dann gefördert, wenn aus dem passiven Lesen eine aktive Übung entsteht.

Abraham und Kepser sehen nutzbringende Argumente für literarisches Lesen

ohnedies als sinnfrei, denn Zweckfreiheit sei schließlich ein zentrales Argument der

Kunst:111

Leseförderung sollte in erster Linie als Generationenvortrag gesehen werden: der

kommenden Generation die Freuden des Lesens zu eröffnen, die uns die

vorangegangene Generation geschenkt hat.112

Da Lesen eine Fähigkeit ist, die nicht nur im Deutschunterricht benötigt wird, empfiehlt

sich eine fächerübergreifende Leseförderung. Diese systemische Förderung

berücksichtigt alle Sozialisationsinstanzen und arbeitet mit allen Schulfächern. Auch

von Belang in diesem Zusammenhang ist die institutionsübergreifende Leseförderung,

die die Konzepte zur Leseförderung vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II

zusammenführt.113

Die Frage ist nun aber, wie Leseförderung in der Praxis des Unterrichts (vor allem der

Sekundarstufe II) idealerweise auszusehen hat. Abraham und Kepser formulieren

sieben Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt:

1. Zunächst ist es essenziell, zu verstehen, dass der Aufbau der Lesekompetenz

nicht in der Primarstufe beendet ist. Vielmehr ist eine ständige Schulung dieser

Fähigkeit unverzichtbar für die Freude am Lesen.

110 vgl. Gerhard Rupp; Petra Heyer; Helge Bonholt: Folgefunktionen des Lesens – Von der Fantasie-Entwicklung zum Verständnis des sozialen Wandels. In: Lesesozialisation in der Mediengesellschaft: Ein Forschungsüberblick. Hrsg. von Norbert Groeben; Bettina Hurrelmann. Weinheim; München: Juventa 2004. S. 105. 111 vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 79ff. 112 ebd. S. 82. 113 vgl. ebd. S. 85.

49

2. Zu häufig stützt sich der Literaturunterricht auf Kurztexte, wohingegen gerade

aber die lange Rezeptionszeit einen medienspezifischen Genuss ermöglicht,

weswegen „Ganztexte“ mindestens zweimal pro Schuljahr im Fokus des

Unterrichts stehen sollten.

3. Da bekanntlich das Interessensgebiet von männlichen und weiblichen

Schülerinnen und Schüler auseinanderklafft, empfiehlt sich die

Berücksichtigung aller Leseinteressen.

4. Vielfach wird übersehen, dass Lernende auch in ihrer Freizeit zu Literatur

greifen. Da das Spektrum der Texte (vor allem in der Sekundarstufe I) ohnedies

eher gering ist, erscheint eine Zusammenführung von schulischem und

freizeitlichem Lesen als nutzbringend.

5. Abraham und Kepser empfehlen für die Literatur der Sekundarstufe II die

Berücksichtigung von intentionaler Jugendliteratur sowie Literatur für junge

Erwachsene, damit die deutsche Höhenkammliteratur durch Werke ergänzt

wird, in denen die Heranwachsenden ihre Lebenswelt wiedererkennen.

6. Die Verwendung von offenen Unterrichtskonzepten und die freie Textauswahl

sind wichtige Zugänge, die im Literaturunterricht zu oft außer Acht gelassen

werden.

7. Leselust und Lesearbeit sollen zu gleichen Teilen Einzug in den Unterricht

halten. Dabei empfiehlt es sich, vor allem auf handlungs- und

produktorientierte Verfahren zurückzugreifen.114

3.4 Comic, Graphic Novel und Literaturunterricht

Um begeisterte Leserinnen und Leser heranziehen zu können, stellt sich die Frage,

welche Medien im Unterricht verwendet werden. Abraham und Kepser bezeichnen alle

Gegenstände des Deutschunterrichts (Bücher, Zeitschriften, Hefte, verbale und

nonverbale Äußerungen, etc.) als Medien. 115 Eine grobe Unterscheidung der im

Unterricht verwendbaren Medien sind akustisch-auditiv (z.B. Hörspiele), visuell

(Comic) und audiovisuell (Film). Da für diese Arbeit vor allem der visuelle Bereich eine

große Rolle spielt, wird er in den folgenden Zeilen näher ausgeführt.

114 Vgl. Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 85 115 vgl. ebd. S. 185.

50

Frederking, Krommer und Maiwald subsummieren den Comic unter die

Bildgeschichte. Auch sie sind der Ansicht, dass Comics ein stückweit Bestandteil

legitimierter Literatur geworden sind. Diese Auffassung hängt stark mit der im Jahre

1970 stattgefundenen Verschiebung des Fokus‘ weg von hochkulturellen Gegen-

ständen hin zum Erwerb kommunikativer Kompetenzen zusammen. Durch die damit

verbundene Zuwendung zu massenkulturellen Texten fand auch der Comic Eingang in

den Unterricht. Heutzutage gilt der Comic als „ergiebiger Gegenstand für ein

literarisches Lernen im Sinne von Literatur als kultureller Praxis“.116 Er bietet vielfach

Möglichkeiten für literarisches Lernen. Einerseits können komplexe literarische

Phänomene herausgearbeitet werden, andererseits auch universelle epische

Handlungsmuster („happy end“). Zudem fördert es neben dem literarischen Lernen

auch die „visual literarcy“, indem sich damit das Bilderlesen und die kulturellen

Konventionen erarbeiten lassen.117

Längst schon ist der Comic im Deutschunterricht angekommen. Gegenüber der immer

größer werdenden Masse dieses Mediums steht dazu der signifikant geringe Anteil an

didaktischen Auseinandersetzungen mit diesem Phänomen.118

Die Diskussion, die aktuell ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist, stellt den

Versuch dar, das Phänomen „Comic“ zu beschreiben und zu analysieren und

Wertungsfragen rücken zunehmend in den Hintergrund.119 Dabei wäre es jedoch fatal,

anzunehmen, dass Comics tatsächlich von allen Lernenden im Moment der

Unterrichtsplanung präferiert werden. Zudem ist das Format Comic bereits so

vielfältig gestaltet, dass nicht angenommen werden kann, jedes Werk stoße bei den

Schülerinnen und Schülern auf Interesse. Folglich unterscheidet sich diese Situation

kaum noch von den Voraussetzungen im „normalen“ Literaturunterricht.120

116 Volker Frederking; Axel Krommer; Klaus Maiwald: Mediendidaktik Deutsch. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2008. S.131. 117 vgl. ebd. S. 126ff. 118 vgl. Michael Baum: Bild-Text-Didaktik und –Ästhetik: Lesen und Verstehen piktoraler Texte. In: Literatur- und Mediendidaktik. Hrsg. von Volker Frederking; Axel Krommer; Christel Meier. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. (=Taschenbuch des Deutschunterrichts. 2.) S. 213. 119 vgl. Günter Lange: Comic. In: Textarten – didaktisch. Grundlagen für das Studium und den Literaturunterricht. Hrsg. von Günter Lange und Leander Petzoldt. 6. Aufl. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2011. S. 40. 120 vgl. Michael Baum: Bild-Text-Didaktik und –Ästhetik: Lesen und Verstehen piktoraler Texte. In: Literatur- und Mediendidaktik. Hrsg. von Volker Frederking; Axel Krommer; Christel Meier. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2013. (=Taschenbuch des Deutschunterrichts. 2.) S. 214.

51

Will man den Comic sinnvoll in den Unterricht integrieren, gibt es einige Lernziele, die

berücksichtigt werden müssen. Zunächst sollten sich die Lernenden mit den

Besonderheiten der Comics (oder Graphic Novels) auseinandersetzen. 121 Bereits

Pforte plädierte 1974 dafür, der comic-spezifischen „Wort-Bild-Synechie“ mehr

Beachtung zu schenken, die meint, dass ein Comic weder auf Bilder noch auf Text

beschränkbar ist, sondern das Zusammenspiel der beiden Elemente adäquat erfasst

werden soll. 122 Außerdem erscheint eine Abgrenzung zu ähnlichen Gattungen als

zielführend. So kann bei der Bildgeschichte der Text auch ohne Bild für sich alleine

stehen und die Karikatur ist als Einzelbild auf die Wiedergabe einer einzelnen Situation

beschränkt. Des Weiteren sollte das spezifische Zeichensystem von Comic-strips und

Comic-Books Gegenstand des Unterrichts werden.123

Da Comics jedoch nicht unabhängig von den Bedingungen der Produktion und

Rezeption betrachtet werden können, ist als zweites Lernziel „das Verständnis der

Comics und ihrer strukturellen wie inhaltlichen Eigentümlichkeiten im Zusammen-

hang der für sie charakteristischen Produktion, Distribution und Rezeption“ 124 zu

nennen. Als Möglichkeit der Integration ergibt sich die Analyse des Erfolgs gewisser

Comics unter Miteinbeziehung der strukturellen Merkmale.

Anknüpfend an dieses Lernziel reiht sich das nächste, nämlich die Fähigkeit zur

kritischen Betrachtung und Bewertung von Comics. Die Lernenden sollen die Fertigkeit

erlernen, die Faszination, die von den Comics ausgeht zu durchbrechen und eine

kritische Distanz zu gewinnen. Sie sollen in der Lage sein, qualitativ hochwertige,

einfallsreiche Lektüre von stereotypischen, ausdruckslosen zu unterscheiden. Zu solch

einer Bewertung zählen ferner die Betrachtung auf inhaltlicher Ebene sowie der

Vergleich mit anderen Medien.125

121 vgl. Alfred Clemens Baumgärnter: Comics im Unterricht. In: Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach-und Literaturdidaktik. Hrsg. von: Günter Lange; Karl Neumann; Werner Ziesenis. Baltmannsweller: Schneider Verlagen Hohengehren GmbH 1994. (=Literaturdidaktik: Klassische Form, Trivialliteratur, Gebrauchstexte. 2.) S. 784f. 122 Dietger Pforte: Plädoyer für die Behandlung von Comics im ästhetischen Unterricht. In: Comics im ästhetischen Unterricht. Frankfurt am Main: Athenäum Fischer Taschenbuch 1974. S. 9ff. 123 vgl. Alfred Clemens Baumgärnter: Comics im Unterricht. In. Taschenbuch des Deutschunterrichts. Grundfragen und Praxis der Sprach-und Literaturdidaktik. Hrsg. von: Günter Lange, Karl Neumann, Werner Ziesenis. Baltmannsweller: Schneider Verlagen Hohengehren GmbH 1994. (=Literaturdidaktik: Klassische Form, Trivialliteratur, Gebrauchstexte. 2.) S. 785f. 124 ebd. S. 786. 125 vgl. ebd. S. 787.

52

Das Lesen häufig auch mit einem ästhetischen Genuss verbunden ist, gilt besonders für

Comics und Graphic Novels, die sich, wie jede andere Kunst auch, einer Produktion

nach Rezept entzieht. Vielmehr sollen die Leser-Betrachter sensibel vorgehen, um den

künstlerisch-ästhetischen Wert des Werkes zu erfassen. Die Emotionen, die der Autor

bzw. die Autorin auslösen will, können nicht bloß dargestellt werden, sondern muss in

den Rezipierenden erzeugt werden. Sie müssen die unbewegten Bildfolgen

„verlebendigen“ und damit die dargestellten Emotionsverweise als Gefühle erleben. In

weiterer Folge ist nicht handwerkliche Perfektion maßgeblich für den ästhetischen

Genuss, „sondern ihr Vermögen, die der Erzählung angemessenen Emotion im

Rezipienten zu erregen und ihn eingebunden teilhaben zu lassen“.126

126 vgl. Dietrich Grünewald: Comics. In: Grundlagen der Medienkommunikation. Hrsg. von Erich Straßner. Band 8. Tübingen: Max Niemeyer 2000. S: 85ff.

53

4 UNTERRICHTSKONZEPTE FÜR DIE SEKUNDARSTUFE II

4.1 Grundlagen

Dieses Kapitel setzt sich mit dem Einsatz zweier Graphic Novels im Deutschunterricht

der Sekundarstufe II auseinander. Dabei handelt es sich um die Werke „Irmina“ von

Barbara Yelin sowie um „Der Traum von Olympia“ von Reinhard Kleist. Die

Arbeitsblätter sind allesamt im Anhang zu finden, bei der Erklärung zur Durchführung

wird auf das entsprechende Blatt verwiesen. Zunächst werden die Graphic Novels

inhaltlich und interpretatorisch vorgestellt, anschließend werden die

Unterrichtskonzepte präsentiert. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass hinsichtlich der

Organisation des Literaturunterrichts mit den Mikromodellen von Abraham und

Kepser gearbeitet wird. Das folgende Makromodell des Literaturunterrichts ist

ebenfalls in sämtliche Überlegungen miteinbezogen worden. Dabei wird bei Abraham

und Kepser der Literaturunterricht folgendermaßen systematisiert127:

Vor der Textrezeption

o Vorwegnehmen (Antizipieren)

o Erschließen

Während der Textrezeption

o Vergleichen

o Beobachten

o Kontextuieren

o Spielen

Nach der Textrezeption

o Verändern

o Rekonstruieren

o Montieren

o Ko-Produzieren

Es erscheint empfehlenswert die Aufgabenstellungen, die allgemein die Graphic Novel

betreffen, vor der eigentlichen Beschäftigung mit dem Thema anzusiedeln. Somit sind

127 Abraham, Kepser: Literaturdidaktik. S. 219.

54

die folgenden beiden Aufgabenstellungen jeweils vor „Irmina“ bzw. „Der Traum von

Olympia“ zu bewältigen.

4.1.1 WERKZEUGE DER GRAPHIC NOVEL

Diese erste Aufgabenstellung zielt darauf ab, die Schülerinnen und Schüler mit den

zahlreichen Fachtermini einer Graphic Novel vertraut zu machen. Dabei sollen die

Lernenden im Internet die auf dem Arbeitsblatt vorhandenen Begriffe finden und die

Definition daneben zu notieren. Danach wird ihnen eine Seite aus einer beliebigen

Graphic Novel zur Verfügung gestellt und die Begriffe aus der Box sollen in die leeren

Felder eintragen werden. Nicht alle Begriffe sind dabei auf dem Bild auch zu finden,

weswegen die Lernenden die Begriffe, die sich nicht finden ließen, erklären sollen und

eventuell auch zeichnen (eine Gedankenblase oder ein spezielles Onomatopoetikum ist

nicht allzu schwierig zu zeichnen). Die Ergebnisse werden im Anschluss im Plenum

mithilfe des Beamers verglichen. Im Makromodell ist die Aufgabenstellung „vor der

Textrezeption“, genauer bei „erschließen“ einzuordnen.

Diese Einheit ist besonders wichtig, wenn man plant, der Lektüre viel Zeit zu widmen.

Die Lernenden können bei den anschließenden Aufgabenstellungen viel besser auf

etwas verweisen und können sich souveräner ausdrücken, wenn sie die Begriffe dafür

parat haben. Dieses Arbeitsblatt kann auch während des gesamten Arbeitens immer

wieder zu Rate gezogen und ergänzt werden.

Eröffnungsphase

(EP)

Plenum (P) Begrüßung, Vorstellen des neuen Themas,

Näherbringen des heutigen Arbeitsauftrages

Motivationsphase

(MP)

Plenum (P) Provokation: Aussage der Lehrperson: „Graphic

Novel und Comics unterscheiden sich in keiner

Weise von geschriebener Literatur!“

Erstbegegnung

(EB)

Einzelarbeit

(E)

Vorentlastung: Die Lernenden arbeiten mit dem

Internet, finden die Bedeutungen der Termini

heraus und notieren die Ergebnisse in

Stichworten. (Anhang, S. 126)

Herstellen einer gemeinsamen Ausgangsbasis: Die

Ergebnisse werden verglichen und eventuell

offene Fragen geklärt.

55

Erarbeitungsphase

(ErarbP)

Einzelarbeit

(E)

Vorgehen nach induktivem Prinzip: Versucht nun,

die Fachtermini den einzelnen Kästchen

zuzuordnen! (Anhang S. 127)

Ergebnissicherung

(ES)

Plenum (P) Festhalten der Ergebnisse: Vergleichen wir nun

unsere Ergebnisse gemeinsam!

Betrachtet man die Anforderungen an den Unterricht laut der „Unterrichts- und

Schulqualität“, so findet sich in dieser Einheit ein hoher Anteil echter Lernzeit und

angemessener Praxisorientierung. Zudem ist der Unterricht kognitiv aktivierend und

herausfordernd und die Lernenden erhalten die Möglichkeit, selbstständig und

eigenverantwortlich zu lernen.128

In dieser Einheit werden zudem verschiedene Kompetenzen geschult. Unter dem

Bereich der Lesekompetenz fällt das sprachliche Analysieren und Reflektieren der

Textvorlage, da sie fachliche Termini angemessen verwenden müssen. Zudem steht

auch die Sachkompetenz im Vordergrund, da die Lernenden dazu angehalten werden,

spezifisches Sachwissen zu aktivieren und zu selektieren. Genauer gesagt sollen sie

relevante Begriffe wiedergeben und angemessen einbetten können.129

4.1.2 FARBE IN DER GRAPHIC NOVEL

Diese Einheit ist der symbolischen Wirkung von Farbe auf die Rezipierenden

gewidmet. Der Lehrende verwendet das im Anhang zu findende Spiel, das auch „Tabu“

genannt wird. Dabei müssen die Lernenden den obersten Begriff erklären, dürfen dabei

aber keines der fünf Wörter darunter verwenden. Es werden drei Runden gespielt, bis

plötzlich die Farbe „rot“ erklärt werden muss, jedoch kein Wort verwendet werden

darf, das rot am ehesten beschreiben würde. Der Lernende ist in einer Patt-Situation,

die die Lehrperson auflöst, indem sie sagt, dass es zwar unmöglich sei, eine Farbe zu

beschreiben, sie sehr wohl aber Stimmung transportieren könne, was im Folgenden

dann auch erprobt wird. Dazu teilt sich die Klasse in Gruppen zu drei oder vier

128 vgl. Herbert Altrichter; Christoph Helm; Anna Kanape-Willingshofer: Unterrichts- und Schulqualität. Erstellt am 13.10.2012. URL: http://www.sqa.at/pluginfile.php/988/coursecat/description/qualitaet_von_unterricht_und_schule.pdf [01.05.2016]. 129 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].

56

Personen auf. Nach der „Placemate“-Methode130 erhält jeder Lernende eine andere

Farbe (farbigen Zettel austeilen) und sie notieren alles, was ihnen zu dieser Farbe

einfällt auf ein gemeinsames Blatt Papier. Danach vergleiche sie ihre Ergebnisse. Die

Resultate sollen in den Köpfen der Lernenden bleiben, wenn es um die zweite Aufgabe

geht. Hierbei sollen die Lernenden die Seite einer Graphic Novel (Anhang S. 129)

ausmalen. Genaue Überlegungen und Begründungen müssen diesem Prozess

vorausgehen und im Anschluss werden die Ergebnisse vorgestellt. Die Lernenden

können und sollen dabei mithilfe des Internets arbeiten. Hinsichtlich des

Makromodells ist diese Aufgabenstellung ebenfalls bei „Vor der Textrezeption“

einzuordnen, da es auch hier um das „Erschließen“ von Textinhalten geht.

EP P Begrüßung, Vorstellen des neuen Themas,

Näherbringen des heutigen Arbeitsauftrages

MP P Thematisch passendes Spiel: „Diese Einheit beginnen

wir heute mit einem Spiel, das einigen von euch sicher

bekannt sein wird: Tabu“. (Anhang S. 128)

EB P Eventuell erste Diskussion: „Es ist vielleicht unmöglich,

Farbe zu beschreiben, sie transportiert aber dennoch

gewisse Stimmungen und kann verschiedene Gefühle

in uns auslösen, oder?“

Anwendungs-

phase (AP)

3er oder 4er

Gruppe

„Schreibt alles auf, was euch zu eurer Farbe einfällt.

Ganz egal, ob es ein Adjektiv, ein Substantiv, ein Gefühl

oder gar eine Redewendung ist. Vielleicht hilft es auch

einigen, kurz die Augen zu schließen und sich die Farbe

intensiv vorzustellen“.

ES 3er oder 4er

Gruppe

Festhalten der Ergebnisse: „Vergleicht nun eure

Ergebnisse!“

2. AP E Lösung von Aufgaben: „Überlegt euch, wie ihr diese

Seite aus einer Graphic Novel ausmalen könnt, damit

eine gewisse Stimmung transportiert wird. Wie soll

diese Situation wirken?“ (Anhang S. 129)

130 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].

57

ES P Präsentation der Ergebnisse: „Präsentiert nun eure

Ergebnisse! Erläutert uns auch, warum ihr euch für

diese Farbe entschieden habt und welche Stimmung

ihr transportieren wollt.

Phase des

Ausklangs

und Haus-

übung

(AusP, HÜ)

P Zusammenfassung: Die Lernenden fassen die Einheit

zusammen.

Hausübung: „Recherchiert im Internet zur

psychologischen Wirkung von Farben. Sucht euch eine

beliebige Farbe aus und erläutert, wie diese auf

Menschen wirkt, wofür sie stehen kann und welche

psychologische Bedeutung sie für den Menschen

haben kann“.

Betrachtet man hier die Aspekte erfolgreichen Lernens, die von Salner-Gridling

formuliert wurden, so lässt sich für diese Einheit ein hoher Anteil an Kooperation und

Kommunikation feststellen. Außerdem werden die Gefühle der Schülerinnen und

Schüler aktiviert, da sie beschreiben sollen, was die unterschiedlichen Farben für sie

bedeuten. Außerdem sollen sie aktiv am Unterricht teilnehmen, da die Lehrperson

vorwiegend als Beobachter fungiert.131

Hinsichtlich der Kompetenzen wird in dieser Einheit die Sachkompetenz überprüft. Die

Lernenden müssen mithilfe der „Placemate-Methode“ sachlich relevante

Informationen auswählen und wiedergeben. Zudem müssen sie ihr Welt- und

Sachwissen aktivieren, um die Aufgabenstellung bewältigen zu können.

In Zusammenhang mit der Hausübung, müssen sie ebenfalls ihre Sachkompetenz unter

Beweis stellen und zudem wird ihre schriftliche Kompetenz überprüft. Dafür müssen

die Lernenden neben den Textualitätskriterien (Kohäsion, Kohärenz, Intertextualität,

Informativität), einen angemessenen Wortschatz verwenden, den sie formal richtig

anwenden. Darüber hinaus müssen sie sowohl Adressaten als auch die Situation

abwägen und die richtigen sprachlichen Mittel verwenden.132

131 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 132 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].

58

4.1.3 RAUM UND BEWEGUNG IN DER GRAPHIC NOVEL

In dieser Einheit werden Raum und Bewegung in der Graphic Novel thematisiert. Zu

diesem Zweck teilt die Lehrperson die Klasse auf und zeigt den Lernenden unabhängig

voneinander zwei Videos. Im Anschluss finden sich die Schülerinnen und Schülern

wieder zusammen und erzählen sich, was sie gerade gesehen haben, sodass alle über

dieselben Informationen verfügen.

In der ersten Anwendungsphase suchen die Lernenden in Gruppen im Internet die

verschiedenen Begriffe heraus. Dabei erhält jede Gruppe einen der sieben Wörter.

Neben den einzelnen Termini, recherchieren sie ebenfalls nach geeignetem

Bildmaterial, das den Begriff ideal darstellt. In der Ergebnissicherung werden dann die

Resultate auf einer „Ergebniswand“ 133 präsentiert. Jede Gruppe erläutert die

Bedeutung ihres Begriffs und woran man dieses Phänomen an ihrem Bildmaterial

erkennen kann.

Für die zweite Anwendungsphase werden die Lernenden in Zweiergruppen eingeteilt.

Jedes Paar erhält eine Graphic Novel (von insgesamt drei) und versucht, sämtliche

Begriffe in dieser zu finden. Im Anschluss finden sich die Schülerinnen und Schüler zu

sechst zusammen (sodass jede Graphic Novel in den Gruppen einmal vertreten ist) und

präsentieren sich gegenseitig ihre Ergebnisse. Im Anschluss daran teilt die Lehrperson

die Zusammenfassung aus, die alle wichtigen Bestandteile einer Graphic Novel

zusammenfasst. Diese sollen die Lernenden lesen und die vergangenen Einheiten dabei

Revue passieren lassen. Im Makromodell ist die Aufgabenstellung „vor der

Textrezeption“, genauer bei „erschließen“ einzuordnen.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP

P Visueller Impuls:

https://www.youtube.com/watch?v=zHAjSicWWpo

https://www.youtube.com/watch?v=96ieq9MKdwY

1. AP G Anhang S. 130.

„Sucht euren Begriff mithilfe des Internets heraus. Findet eine passende

Definition und auch ein Bild, welches euren Begriff am besten

veranschaulicht. Begründet, inwiefern das Bild euren Begriff darstellt.“

133 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].

59

ES P Festhalten der Ergebnisse: „Ergebniswand“134

2. AP 2 „In euren Händen haltet ihr eine Graphic Novel. Eure Aufgabe ist es nun,

diese sieben Begriffe, die wir nun auf der Ergebniswand vor uns sehen,

in diesem Werk zu finden. Auch hier müsst ihr eure Entscheidung

wieder begründen!“

ES 6 Präsentieren der Ergebnisse; Lesen der Zusammenfassung: Anhang. S.

131.

Betrachtet man Salner-Gridlings Aspekte erfolgreichen Lernens, so fällt auf, dass das

Klima in dieser Stunde äußerst lernfreundlich gestaltet ist. Der Inhalt weckt die

Neugierde der Lernenden, die zudem gemeinsam kooperieren und kommunizieren. Sie

sind außerdem aktiv beteiligt und ihre Gefühle stehen im Vordergrund. Außerdem

haben sie genügend Zeit für die Verarbeitung, sodass sie ohne Druck arbeiten

können.135

Diese Aufgabenstellungen schulen eine Vielzahl von Kompetenzen. Hinsichtlich der

Sachkompetenz sollen die Lernenden ihr Welt- und Sachwissen aktivieren und zudem

sachlich relevante Informationen auswählen und wiedergeben. Darüber hinaus wird

die Lesekompetenz trainiert, da sie spezielle Darstellungsmöglichkeiten in der Graphic

Novel auffinden und beschreiben sollen. Bei der Präsentation der Ergebniswand und

der Graphic Novels wird die Hörverstehenskompetenz ebenso geschult wie die

mündliche Kompetenz.136

134 vgl. ebd. 135 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 136 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].

60

4.2 Irmina

Die Graphic Novel „Irmina“ von Barbara Yelin erschien 2014 im Reprodukt Verlag. Sie

erzählt die teilweise biographische Geschichte Irminas, der Großmutter der Autorin,

zur Zeit des dritten Reichs.

Das Werk ist in drei Teile gegliedert und jeder Teil spielt an einem anderen Ort. Im

ersten Kapitel befindet sich Irmina in London, da sie die Gelegenheit erhielt, eine

Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin zu absolvieren. Dort lernt sie auf einer Party

Howard kennen, der in Oxford studiert und dem sie sich von Beginn an sehr verbunden

fühlt. Sie verbringen viel Zeit miteinander und Irmina lernt durch den klugen Barbadier

die Welt mit anderen Augen kennen. Durch ihre finanzielle Misslage sieht sich Irmina

jedoch alsbald gezwungen, nach Deutschland zurückzukehren. Hier beginnt der zweite

Abschnitt, dessen Handlung in Berlin stattfindet. Irmina arbeitet für das Deutsche

Reich, zunächst jedoch nur, um sich die Rückkehr nach London und zu Howard

finanzieren zu können. Als ein Wiedersehen mit Howard unmöglich wird, entscheidet

sie sich, in Deutschland zu bleiben, wo sie den Architekten Gregor Meinrich heiratet.

Nachdem sie gemeinsam ein Kind bekommen, bricht der Krieg aus und Gregor muss an

die Front, wo er durch einen Granatensplitter ums Leben kommt. Irmina hat sich zu

diesem Zeitpunkt längst mit ihrem Leben abgefunden, ist opportunistisch und

linientreu, wodurch sie auch enge Bekanntschaften verliert. Nach dem Ende des

Krieges und dem Ableben des Ehemannes beginnt der dritte und letzte Teil der Graphic

Novel, der den Titel „Barbados“ trägt. Irmina arbeitet mittlerweile als Sekretärin in

einer Schule und steht kurz vor ihrer Pensionierung, als sie ein Brief aus Barbados

ereilt. Der Verfasser schreibt im Auftrag von Howard, der mittlerweile Gouverneur

seiner Heimat ist und sie zu sich einlädt. Voller Hoffnung reist sie in die Karibik und

trifft dort auf ihre Jugendliebe. Neben seiner erfolgreichen Karriere ist Howard

verheiratet und Vater von zwei Kindern. Auf der Geburtstagsfeier von Howards

Tochter erfährt Irmina, dass er seine Tochter nach ihr benannt hat, da er sie stets für

mutig hielt und wollte, dass seine Tochter ebenso furchtlos agiert wie einst Irmina.

Bedingt durch einen Schwächeanfall begleitet Howard Irmina zu ihrem Zimmer, wo sie

ihm erzählt, dass sie nicht so mutig war, wie alle immer dachten. Wortlos geht Howard

weg und Irmina fliegt wieder nach Hause.

61

Yelin zeigt in dieser Graphic Novel das Streben einerseits nach Freiheit,

Unabhängigkeit und Liebe und andererseits nach dem Drang, gesellschaftlich und

beruflich aufzusteigen. 137 Langsam zeigt sie die Veränderung Irminas von einer

eigensinnigen und sympathischen Kosmopolitin zu einer Unterstützerin des Nazi-

Regimes. Yelin betrachtet Irmina aber keineswegs als Opfer des Regimes oder unter

Zwang stehend. Sie unterstützt die Diktatur zwar nicht vollends, stellt aber ihr Handeln

auch nicht infrage. So kauft sie wegen der Judenverfolgungen nicht mehr in jüdischen

Läden ein und zum Ende hin unterstützt sie die Judenpolitik sogar, indem sie ihrer

Freundin Gerda, die Zweifel äußert, harsch den Mund verbietet. Selbst als Irmina ihren

inneren Schaden erkennt, gibt sie dafür den Juden die Schuld. Ihr berufliches

Vorankommen wird durch Heirat und Kind just unterbrochen. Ganz im Sinne der

Ideologie der Nazis, wird sie Mutter und Hausfrau. Yelin offenbart hier ein wichtiges

Spannungsfeld, nämlich zwischen freier Wahl und Fügung. Obwohl sie in ihrer Arbeit

in der Rangordnung weit unten steht, geben ihr ihr Können und ihre Möglichkeiten

zum Aufstieg Selbstbewusstsein. Durch die Heirat entscheidet sie sich jedoch, Hausfrau

und Mutter zu werden. Einerseits trifft sie diese Wahl freiwillig, andererseits fließen

verschiedene Faktoren in diese Entscheidung mit ein (das „Ehestandsdarlehen“, der

Wunsch des Gatten). Unter der Nazi-Führung verhärmt Irmina zusehends. Ihre

schlechten Seiten scheinen zum Vorschein zu kommen, da sie auch in den schlimmsten

Zeiten nur auf sich bedacht ist und sich, trotz ihrer privilegierten Position als

Leidtragende empfindet.

Irminas Leben verläuft der Zeit entsprechend sehr typisch. Die Abwendung von

Feminismus und Individualität und die Hinwendung zur nationalsozialistischen

Bewegung sind charakteristisch für diese Zeit. Auch dass sie ihr Glück im Faschismus

schlussendlich nicht findet, ist für diese Zeit üblich.138

Nicht nur der Leser bzw. die Leserin macht sich über die Möglichkeiten Irminas

Gedanken. Yelin inszeniert auch das Hadern und Überlegen der Protagonistin über ihre

Entscheidungen. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie nach England gegangen

wäre? Wäre sie mit Howard nach Barbados gegangen und hätte sie dort Liebe und

137o.A.: Barbara Yelin auf der Buch Wien 2014. Erstellt am 07.11.2014. URL: http://www.graphic-novel.info/?tag=barbara-yelin [03.06.2016]. 138 KORB, Alexander: Irmina. Leben in der Zeitgeschichte. Ein Nachwort. In: Irmina von Barbara Yelin. Berlin 2014. Reprodukt. S. 275ff.

62

Glück gefunden? Sowohl die Rezipierenden als auch Irmina selbst stellen sich diese und

ähnliche Fragen. Offen hingegen bleibt die Frage nach Irminas Verantwortung im

Naziregime. Nie reflektiert sie über die deutsche und ihre eigene Schuld am Geschehen,

was jedoch auch während der Zeit Hitlers nie geschah. Sie entzieht sich, wie viele

andere ihrer Generation der Schuld und lebt in einer Welt des Verdrängens und

Vergessens. Da Yelins Großmutter, die ja teilweise die Inspiration für Irmina lieferte,

bereits verstorben ist, konnte die Autorin nur den Versuch einer Rekonstruktion

wagen.139

Im Folgenden soll nun auf die Narration und Ästhetik dieser Graphic Novel

eingegangen werden. Dabei werden dieselben Parameter zu Rate gezogen, die in

Kapitel 2.4 verwendet wurden. Zunächst lässt sich demnach festhalten, dass in

„Irmina“, jedes der drei Teile eine andere Farbgestaltung aufweist. So ist der erste Teil

eher bläulich bis grau gehalten, der zweite Teil bräunlich und rot und der letzte ist

durchzogen von Türkistönen. Diese folgenden drei Seiten (Abb. 30-32) stehen

stellvertretend für jeden Teil in Irmina.

Abb. 30: Irmina, S. 8.

Abb. 31: Irmina, S. 131.

139 vgl. Alexander Korb: Irmina. Leben in der Zeitgeschichte. Ein Nachwort. In: Irmina von Barbara Yelin. S. 275ff.

63

Abb. 32: Irmina, S. 261.

Mit jeder Veränderung der Farbgestaltung geht auch eine Veränderung in Irminas

Leben einher. Zunächst ist sie die etwas ängstliche, doch neugierige junge Frau im

kalten England, was durch die Grau- und Blautöne sehr gut symbolisiert wird. Im

nächsten Kapitel ist sie die brave Angestellte zur Zeit des NS-Regimes, die nicht

hinterfragt und nur tut, was sie tun soll, wozu das „langweilige“ beige und braun gut

passt. Auch Rottöne finden sich in diesem Kapitel sehr oft, vor allem dann, wenn sich

Irmina in der Nähe von Nationalsozialisten aufhält, die allesamt stets etwas Rotes an

sich haben, sei es die Krawatte, die Blume am Kleid etc., was bezüglich der

Farbgestaltung stets an den Banner mit dem Hakenkreuz erinnert. Die folgenden

Panels (Abb. 33-36) sollen genau diesen Effekt wiedergeben, auf vier unterschiedliche

Weisen. Wir sehen das rot geblümte Kleid, das symbolisiert, dass man sich den

Nationalsozialismus tagtäglich überwirft, weil es alle tun, ebenso wie der Lippenstift

der Freundin Irminas, die ihn trägt, weil sie muss und nicht, weil sie die Gesinnung

innerlich genauso teilt. Auch die Blumen symbolisieren, dass der Nationalsozialismus

in den Wohnungen der Leute angekommen ist, sie ihn drapieren und präsentieren,

damit die Gäste keinen Zweifel über die Gesinnung hegen.

64

Abb. 33: Irmina, S. 158. Abb. 34: Irmina, S. 128.

Abb. 35: Irmina, S. 131. Abb. 36: Irmina, S. 143.

Die Zeichnungen Yelins wirken äußerst individuell, beinahe wie Skizzen. Durch diese

Form des Zeichnens wirkt das Geschehene viel realer, es wirkt tatsächlich wie ein

Erlebnisbericht, wie viele bildhafte Gedanken der Großmutter Yelins. So muss es den

Leser-Betrachter nicht weiter stören, dass sie häufig „über den Rand malt“ oder den

Hintergrund kreuz und quer ausfüllt, weil es dadurch eben lebensecht und

naturalistisch scheint.

Frühere Arbeiten Yelins weisen einen anderen Stil auf, sodass man davon ausgehen

kann, dass ihr stets das Subjektive ihrer Zeichnungen wichtig ist und nicht Objektivität.

Außerdem ist sie somit eine der wenigen Graphic Novellisten, die sich zutrauen, ihren

eigenen Stil immer wieder neu zu erfinden, ohne dass die Qualität darunter leidet.

Die Umsetzung von Bewegung in Yelins Werk ist ebenso beachtenswert. So lassen sich

sehr häufig typische Bewegungslinien ausfindig machen, die ebenso wie der Rest sehr

skizzenhaft gezeichnet sind. Die Bewegungslinien zeigen aber stets die Richtung von

65

Gegenständen an (der Dampf des heißen Getränks, der Rauch der Zigarette), die

Menschen selbst führen ihre Bewegungen ohne visuelle Hilfe aus. Wie die Abbildungen

(Abb. 37-38) zeigen, sind nur solche Bewegungslinien vorhanden, die auch von den

Figuren in der Graphic Novel wahrgenommen werden können, solche, die nur der

Leser-Betrachter wahrnehmen kann, fehlen komplett, was erneut sehr naturalistisch

und lebensecht wirkt.

Abb. 37: Irmina, S. 61. Abb. 38: Irmina, S. 134.

Auch ein gewisser Rhythmus kann

beim Lesen und Betrachten dieses

Werkes festgestellt werden. So wird

Irmina auf dieser Seite klar, dass es

sehr ernst wird mit Gregor, was

Yelin mit verschiedenen Bewe-

gungen aufzeigt, die, obwohl sie

eigentlich recht kurz aufeinander

folgen, auf den Leser-Betrachter

sehr lange, fast schon schwermütig

wirken. Der Text untermauert diese

Auffassung, da Irmina sich nicht

wirklich zu freuen scheint.

Abb. 39: Irmina, S. 168.

66

Ganz anders ist der Rhythmus in Abbildung 40, als die Cousine Irminas um sie umher-

schwirrt und sich scheinbar überall gleichzeitig aufhalten möchte. Irmina verharrt

dabei ständig auf dem Sofa, während die Cousine nie auch nur ein Panel lang zu stehen

scheint. Yelin erzeugt für den Leser-Betrachter damit den gewünschten Effekt: Eine

Gastgeberin, die mit allen Gästen im Gespräch sein will und dadurch sehr gehetzt ist.

Abb. 40: Irmina, S. 130-131.

Die Gestaltung der einzelnen Panels ist ebenso interessant, denn keines dieser

komplexen Einheiten ist durch einen Rahmen eingegrenzt, was ebenfalls das

Skizzenhafte, das „Sich-Erinnern“ verstärkt. Durch das Fehlen des Rahmens wird die

Gesamtszenerie realistisch und unterstreicht somit den Eindruck des Textes. Das

gesamte Seitenlayout kann als rhetorisch betrachtet werden. Dabei dominieren die

einzelnen Sequenzen, während das Layout dazu dient, die Handlung zu akzentuieren.

67

Auf dem ersten Panel ist ein Tumult auf der

Straße bei Nacht bemerkbar. Das Panel ist

langezogen und durch Datums- und

Monatsangabe erhält das Ganze den

Eindruck eines Fotos. Im nächsten Panel ist

ein Zeitungsausschnitt zu sehen und der

Leser-Betrachter wird über die Zeitung in

die Wohnung von Irmina geführt. Auch das

folgende Panel, als Gregor seinen Sohn hält

ist etwas länger und es erscheint ebenfalls

wie ein Foto aus früherer Zeit. Die letzten

vier Panels sind etwas kürzer und erwecken

den Eindruck, als würde Gregor gerade sehr

schnell mit Irmina sprechen, nervös und

aufgeregt sein, sodass Irmina ihn zuletzt etwas beruhigen muss. Somit trägt die

Sequenz die maßgebliche Bedeutung, das Layout der Seite hilft jedoch, den Inhalt zu

transportieren.

Hinsichtlich der Raumdiskussion lässt sich zunächst feststellen, dass sehr häufig mit

der Einfluchtpunkt-Perspektive gearbeitet wird, wodurch der Leser-Betrachter den

Inhalt deutlicher erfährt und empathischer reagiert. Die Frage, ob diese Graphic Novel

raum- oder körperzentriert arbeitet, lässt sich nicht eindeutig beantworten, da sich

Yelin in dieser Hinsicht stets unterschiedlicher Möglichkeiten bedient hat, um so die

verschiedenen Aspekte herauszuarbeiten. Diese Doppelseite (Abb. 42) ist insofern

interessant, da sie gleich mehrere Möglichkeiten der Wahrnehmung abdeckt. Während

auf der linken Seite die Situation noch körperzentriert dargestellt wird, findet auf der

nächsten Seite allmählich eine Annäherung des Raums an den Körper statt, nämlich

dann, wenn plötzlich das Zimmer verlassen wird und nur noch von außen einzusehen

ist. Das nächste Panel verweigert die Sicht ins Zimmer bereits komplett, obwohl noch

vernehmbar ist, was gesprochen wird. Das letzte Panel schließlich wandert bereits

weiter weg vom Haus und nur das noch brennende Licht im Zimmer verweist auf den

Ort der Beiden. Somit verweigert Yelin den Blick auf die folgenden Szenen, will damit

in gewisser Form die Privatsphäre wahren und erzielt diesen Effekt geschickt mithilfe

der Veränderung der Perspektive.

Abb. 41: Irmina, S. 198.

68

Abb. 42: Irmina, S. 62-63.

Während Yelin visuelle Phänomene sehr gut über Bilder vermittelt, sind Gefühle,

Gespräche und Gedanken zumeist mithilfe des verbalen Codes dargestellt. Eine

besondere Rolle nehmen die Onomatopöien ein, die äußert frequentiert auftreten und

dabei neben ihrer Darstellung der klanglichen Ebene auch visuell eine Funktion

erfüllen.

Abb. 43: Irmina, S. 178-179.

69

Abb. 44: Irmina, S. 212.

Abb. 45: Irmina, S. 169.

Abb. 46: Irmina, S. 207.

Das erste Beispiel (Abb. 43) streckt sich über eine gesamte Doppelseite. Irmina wacht

nachts durch den Lärm von Autos auf und sieht aus dem Fenster. Als sie den Vorhang

zur Seite zieht, dringt erneut ein „WRRRRR“ durch und erweckt den Eindruck eines

äußerst lauten und unangenehmen Geräuschs. Dieses penetrante Motorengeräusch ist

auf den folgenden Panels ebenso häufig zu finden und markiert auch die Richtung, aus

der diese Autos kommen. Die letzten beiden Panels sind insofern interessant, da man

nun kein Auto mehr sieht, sie aber noch hören kann, was die Vermutung nahelegt, dass

diese Geschehnisse, welche Irmina gerade mitansehen musste, noch an weiteren Orten

in der Stadt passiert. Das „WRRRRR“ wirkt dabei unglaublich durchdringend und laut.

Eine nicht weniger interessante Darstellung des Geräuschs ist auf Abbildung 44 zu

sehen. Irmina ist zu Hause und versucht ein Glas Eingemachtes vom Boden zu wischen.

70

Plötzlich ertönt der Bombenalarm, der alles andere überdeckt und Irmina

aufschrecken lässt. Dieses Onomatopoetikum zieht sich über zwei Panels, ist sehr groß

gezeichnet und auch die Richtung ist beim Betrachten eindeutig. Das „uuuiiiii“ wird

auch nicht unterbrochen durch das eher leise wirkende „klapp“ der Türe, als die

schockierte Gerda die Wohnung verlässt. Die nächste Abbildung (45) zeigt das häufig

vorkommende Onomatopoetikum „Klack“, welches für die Schreibmaschine steht, die

Irmina für ihre Arbeit als Sekretärin benötigte. Auf der einen Seite ist das Geräusch

aber insofern interessant, da noch keine Schreibmaschine zu sehen ist. Das bedeutet,

dass beim Betrachten des Bildes durch den Beginn des Geräuschs hingedeutet wird,

dass auf der nächsten Seite ein neuer Abschnitt beginnt. Die Szene beginnt also bereits

für den Leser-Betrachter auf der auditiven Ebene. Das letzte Panel (Abb. 46) zeigt

Irmina in der Küche, als sie gerade das Essen zubereitet. Obwohl sie sich zunächst

wehrte, „nur“ Köchin und Hausfrau zu sein, hat sie sich offenbar damit abgefunden,

sodass das „Klack“ nun nicht mehr die von der mittlerweile abgedeckten

Schreibmaschine erzeugt wird, sondern vom Messer auf dem Schneidebrett. Diese

Beispiele machen deutlich, dass die Onomatopöien in „Irmina“ über die Ebene der

Darstellung von Geräuschen hinausgeht und wichtige Informationen zur Narration

liefern.

Neben der soeben beschriebenen semantischen Kongruenz, gilt es nun, auf die

Möglichkeiten der Bild-Text-Beziehung zu blicken. Dabei werden die von Kaindl 140

genannten Optionen zu Rate gezogen. Im Folgenden werden einige wichtige Szenen,

die unterschiedliche Darstellungsformen verwenden, genauer betrachtet. Zunächst

findet sich in Abbildung 47 eine visuell-verbale Parallelität, in welcher der verbale

Code andere Informationen liefert, als auf dem Bild zu sehen ist. Wir sehen Irmina, wie

sie gerade in einer Zeitung blättert und eine Stimme aus dem „Off“, die mit Gregor

spricht. Somit liefert uns das Bild Informationen über Irmina, während der Text in

kaum einer Beziehung mit der Protagonistin steht. Yelin zeigt in dieser Szene, wie

wenig Interesse Irmina verspürt, neue Menschen kennenzulernen. Sogar auf einer

Party liest sie lieber Zeitung, die Geräusche und das Gespräch mit dem soeben

eingetroffenen Gregor hört sie zwar, sie nimmt sie aber nicht (oder kaum) wahr.

140 vgl. Klaus Kaindl: Übersetzungswissenschaft im interdisziplinären Dialog. Am Beispiel der Comicübersetzung. In. Studien zur Translation. Hrsg. von Mary Snell-Hornby. Stauffenberg Tübingen 2004. Wien, Univ. Habil Schreiben 1999.

71

Abb. 47: Irmina, S. 131.

In der folgenden Abbildung (48) liegt eine visuell-verbale Bestätigung vor. Irmina ist

vertieft in das Lesen des Briefs und bemerkt gar nicht, dass sie das Bügeleisen bereits

eingeschalten hat. Auf der bildlichen Ebene ist der Qualm zu sehen, der darauf

hindeutet, dass ein Wäschestück unter dem Bügelbrett bereits zu verbrennen beginnt.

Im Panel ganz rechts wird diese These bestätigt, da Irmina, sich an das Bügeleisen

erinnernd, aufschreckt und ins Nebenzimmer läuft.

Abb. 48: Irmina, S. 231.

72

Auf diesem Panel ist der Leser-Betrachter bereits

bei Howard in Barbados angelangt. Irmina freut

sich, den Abend mit Howard verbringen zu dürfen,

ist jedoch enttäuscht, als sie sieht, dass sie die

gemeinsame Zeit mit dem Sohn vor dem

Fernseher verbringen. Das Bild liefert die

Information, dass Irmina sich erhebt und den

Raum verlässt, während verbal einerseits durch

die Pause zwischen dem „Ich“ und dem „bin

müde“, gekennzeichnet durch die

Auslassungspunkte und das verächtlich

schnaubende „Cricket pff“ andererseits, klar wird, dass Irmina sehr verärgert über

diesen Tagesausklang ist. Durch diese visuell-verbale Bestätigung wird ihre zerstörte

Hoffnung bezüglich dieser Reise ersichtlich, und ihr wird langsam bewusst, dass sie die

Zeit nicht einfach zurückdrehen und mit Howard da weitermachen kann, wo sie bei

ihrer Abreise aufgehört hat.

Diese vier Panels arbeiten mit der

visuell-verbalen Fokussierung.

Irmina fordert Howard auf, den

Whisky in einem Zug zu trinken,

was auf dem folgenden Panel

fokussiert wird. Auf dem nächsten

Bild bemerkt Howard plötzlich,

dass der letzte Zug bereits

abgefahren ist und Irmina somit bei

ihm übernachten muss. Der Fokus

liegt also bei Howard, der durch das

Wort „Zug“ daran erinnert wird,

dass er Irmina eigentlich hätte nach Hause bringen sollen. So scheinen sie keine Wahl

zu haben, als die Nacht gemeinsam zu verbringen, was ihre Beziehung in weiterer Folge

stark beeinflusst.

Abb. 49: Irmina, S. 251.

Abb. 50: Irmina, S. 62.

73

In diesem Panel liegt ein visuell-verbales

Widerspruchsverhältnis vor. Irmina trifft

Gerda zufällig in einer Menschenmasse

wieder, die überrascht ist, sie zu sehen,

da sie Irmina eigentlich in London

vermutet hat, wofür sie ihr damals ihre

gesamten Ersparnisse überlassen hat.

Dieses Panel zeigt auf der verbalen Ebene

eine Beglückwünschung zur Hochzeit,

während das Bild vollkommen anderen

Informationen liefert. Gerda sieht weg, ist

offenbar böse und verletzt, was verständlich ist, da sie sich von Irmina betrogen fühlt.

Zu guter Letzt findet sich auch das

visuell-verbale Identitätsverhältnis. Wie

auf diesem Panel zu sehen ist, treffen

sich Irmina und Howard das erste Mal

seit Jahrzehnten wieder, sie gehen auf

der visuellen Ebene aufeinander zu und

sprechen dabei, wie üblich bei

Begrüßungen zwischen Menschen, die

sich lange nicht gesehen haben, nur den

Namen des jeweils anderen aus.

Nun stellt sich noch die Frage, wie der Text in das Bild bei „Irmina“ integriert ist. Im

Grunde verwendet Yelin Sprechblasen, um Äußerungen wiederzugeben, die mit einem

Richtungspfeil auf den Sprecher oder die Sprecherin hindeuten. Soll etwas lauter

wirken, so sind die Wörter fett gedruckt, wenn etwas leise geflüstert wird, sind die

Sprechblasen und die Worte darin strichliert. Das einzig Außergewöhnliche in der

Textintegration ist das völlige Fehlen der Blocktexte als Hinweise für die Lesenden.

Stattdessen fungieren Briefe, die Irmina erhält oder selbst verfasst als Informations-

träger, wie die Abbildung darunter verdeutlicht. Der Brief zieht sich dabei häufig über

mehrere Panels, in denen eine andere Handlung stattfindet, die mit dem Inhalt des

Briefs in keinem Zusammenhang steht.

Abb. 51: Irmina, S. 190.

Abb. 52: Irmina, S. 238.

74

4.2.1 TITELBILD

Ziel dieser Einheit ist das Hineintauchen in die Lektüre. Die Lernenden sollen mit dem

Werk erstmals in Berührung kommen, d.h., diese Einheit ist ganz zu Beginn durch-

zuführen.

Eine Hälfte der Lernenden erhält die obere Hälfte des Titelblatts, während die andere

Hälfte den unteren Teil bekommt. Sie überlegen zunächst für sich, wovon die Graphic

Novel handeln könnte, wenn sie das Bild ansehen. Die Fragen auf dem Arbeitsblatt

sollen dabei als Unterstützung dienen. Zusätzlich findet sich unter dem Bild noch etwas

Platz, um die wichtigsten Erkenntnisse zu notieren. Im Anschluss setzt sich stets

jeweils ein Lernender der Gruppe A mit einem Lernenden der Gruppe B zusammen.

Nun erzählen sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig, was sie in ihrem Bild

sehen und wie die Geschichte aussehen könnte. Im Anschluss werden die Ergebnisse

im Plenum zusammengeführt und die Lehrperson klärt auf, dass es sich um ein

Titelbild handelt (es wäre demnach hilfreich, wenn das gesamte Bild z.B. auf die Wand

projiziert wird). Gemeinsam kann dann weiter darüber sinniert werden, welche

Bedeutung es haben könnte, dass beide Bilder auf dem Titelblatt zu sehen sind. Die

Lehrperson tritt in dieser Einheit in den Hintergrund und ist Beobachter und eventuell

eine helfende Hand, falls der Schüler oder die Schülerin beim Grübeln ins Stocken gerät.

Im Makromodell befindet sich diese Aufgabenstellung unter „Vor der Textrezeption“

im Bereich „Erschließen“.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP

ErabP

E Vorstellen des neuen Werkes: Anhang S. 132-133.

„Überlege, wovon die Geschichte erzählen könnte und bearbeite unter

anderem auch die Fragen, die auf dem Arbeitsblatt zu finden sind.“

AP 2 „Arbeite mit deinem Sitznachbarn oder deiner Sitznachbarin zusammen

und erzähle ihm oder ihr von deinen Ergebnissen.“

ES P Festhalten der Ergebnisse: Karussell141

EB P Herstellen einer gemeinsamen Ausgangsbasis: „Welches Werk würdet ihr

interessanter finden?“ (Diskussion)

141 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].

75

„Was, wenn beide Bilder das gesamte Titelblatt ausmachen? Was würde

das für die Geschichte bedeuten?“ (Diskussion)

Im Hinblick auf die Kompetenzen, die in dieser Einheit im Mittelpunkt stehen, lassen

sich in den verschiedensten Bereichen Resultate erzielen. So müssen sie, um eine

verbesserte Lesekompetenz zu erlangen, kritische und differenzierende Kommentare

formulieren. Um die schriftlichen Fähigkeiten weiter auszubauen, sollen sie dazu in der

Lage sein, deskriptive Textelemente angemessen zu verwenden. Auch die

Interpretationskompetenz ist in dieser Einheit vordergründig. So müssen die

Schülerinnen und Schüler teilweise bereits Interpretationshypothesen formulieren

und in der Vorlage (dem Bild) Belege dafür finden. Darüber hinaus sollen die

Lernenden dazu befähigt werden, ihr Welt- und Sachwissen zu aktivieren, um Bezüge

zum eigenen Wissens- und Erfahrungssystem herstellen zu können.142

Neben den Kompetenzbereichen lohnt sich auch ein Blick auf Salner-Gridlings Aspekte

erfolgreichen Lernens. Diese Einheit dient dazu, die Schülerinnen und Schüler

neugierig zu machen und sie für die folgende Lektüre zu interessieren. Die Zeit der

Verarbeitung ist angemessen und durch das gemeinsame Arbeiten haben die

Lernenden das Gefühl, wahrgenommen und akzeptiert zu werden.143

4.2.2 DAS STANDBILD-PANEL

Zunächst projiziert die Lehrperson zwei Panels auf den Beamer. Im Anschluss wird

zwischen den beiden Panels das Wort „Leerstelle“ erscheinen. Die Lernenden

überlegen im Plenum, was damit gemeint sein könnte. Sobald ein Konsens herrscht,

wird zum Arbeitsauftrag übergeleitet. In Dreier- oder Vierergruppen wählen die

Schülerinnen und Schüler eine Schlüsselszene des bisher Gelesenen aus und

versuchen, eine Leerstelle zu füllen. Die Lernenden können kreativ tätig werden, da sie

alles präsentieren dürfen, was für sie eine denkbare Handlung darstellt. Sie können,

wie alle anderen Rezipientinnen und Rezipienten, nur mutmaßen, was im

Zwischenraum der Panels geschieht. Sie müssen überlegen, was sie gerade tun, wo sie

142 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 143 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

76

sich befinden, welche Personen involviert sind und im Anschluss das Standbild

kreieren. Dabei müssen sie darauf achten, dass sie ein Panel inmitten von „Irmina“ sind,

sie sprechen also nicht, beziehungsweise nur dann, wenn der Lehrende auf sie zugeht

und sie leicht auf der Schulter berührt. Dann äußern sie sich und geben Informationen

preis. Möglicherweise ist eine Person die Textbox und gar keine agierende Person, oder

jemand symbolisiert ein Geräusch oder einen Gegenstand. Erst durch das Antippen

wird klar, was sie darstellen möchten.

Jedes Standbild-Panel wird einmal präsentiert. Im Anschluss an jede Präsentation folgt

sowohl die Begründung als auch eine kurze Rücksprache, ob jeder und jede verstanden

hat, welche Leerstelle gerade aufgefüllt wurde.

Diese Aufgabenstellung unterstützt die Lernenden dabei, schon während des

Leseprozesses über das Gelesene zu reflektieren. Damit wird der Weg für

Arbeitsaufträge nach dem Lesen geebnet und die Schülerinnen und Schüler erkennen

womöglich Zusammenhänge, die ihnen zunächst noch entgangen sind. Zudem ist diese

Einheit dem handlungs- und produktorientierten Unterricht zugeordnet, der den

Schülerinnen und Schülern kreative Wege zur Literatur ermöglicht.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Impuls: Anhang S. 134.

ErarbP 3

(4)

„Sucht euch eine beliebige Leerstelle aus „Irmina“ aus und gestaltet

daraus ein Standbild. Ihr müsst euch überlegen, wer welche Rolle

übernimmt und welche Informationen ihr uns preisgeben wollt.“

ES Festhalten der Ergebnisse: Präsentieren der Standbilder. Lehrperson

fotografiert die Resultate der Lernenden.

Hinsichtlich der Abdeckung einzelner Kompetenzen, ist der Bereich der

Lesekompetenz ausschlaggebend, um diese Aufgabenstellung überhaupt erst beginnen

zu können. Die Lernenden sollen den Text (zum Teil) bereits sinnerfassend gelesen

haben. In weiterer Folge ist auch die Interpretationskompetenz von Belang, da die

Schülerinnen und Schüler die Inhalte analysieren müssen und in gewisser Hinsicht

77

eigene Interpretationshypothesen formulieren sollen und diese im Anschluss auch

begründen.144

Zu guter Letzt folgt nun noch die Überprüfung, ob die Heranwachsenden in dieser

Einheit erfolgreich lernen können. Durch den spielerischen Zugang können die

Lernenden mit anderen gut und gerne gemeinsam arbeiten. Zudem werden durch die

dramapädagogische Aufarbeitung die Gefühle angesprochen und sich die Anstrengung

durch das gelungene Standbild auch lohnt.145

4.2.3 DIE EIGENE GRAPHIC NOVEL

Um einer literarästhetischen Produktionskompetenz im Sinne von Abraham und

Kepser gerecht zu werden, bietet sich vor allem in Bezug auf diese Graphic Novel an,

dass die Lernenden selbst aktiv Literatur kreieren. Im Internet finden sich zahlreiche

Internetseiten, die das Erstellen von Comic(sequenzen) extrem einfach aber kreativ

und beeindruckend ermöglichen.

Der Lehrperson schreibt als Impuls „Was wäre, wenn ...“ auf die Tafel und bittet die

Lernenden, diesen Satz in Hinblick auf Irminas Leben zu Ende zu führen. Im Anschluss

finden sich die Schülerinnen und Schüler zu dritt/oder zu viert zusammen und

überlegen sich gemeinsam ein alternatives Ende für die Geschichte. Im Sinne einer

„Was wäre, wenn ...“ Überlegung sollen sie gewisse Entscheidungen Irminas revidieren

und durch andere ersetzen. Was wäre, wenn Irmina nach London geflogen wäre? Was

wäre, wenn Irmina Georg nicht geheiratet hätte? Was wäre, wenn Irmina London nie

verlassen hätte? Das sind nur drei von vielen möglichen Szenarien, die sich die

Lernenden überlegen können. Diesen zunächst mündlichen Überlegungen sollte dann

ein schriftlicher Schritt folgen, indem sie die wichtigsten Änderungen in ihrer

Geschichte festhalten. Dabei sollen sie jedoch nicht ihre gesamte Geschichte in

schriftlicher Form verfassen, sondern vielmehr wichtige Eckpunkte festhalten. Der

Hauptteil der Arbeit wird in der Gestaltung der Graphic Novel liegen (dement-

sprechend ist mit viel Zeit innerhalb und außerhalb der Unterrichtsstunden zu

rechnen). Sie müssen auf alles bisher Gelerntes Rücksicht nehmen und die vielen

144 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 145 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

78

verschiedenen Punkte in ihre Arbeit miteinbeziehen. Diese Punkte müssen sie

zunächst in der Gruppe gemeinsam reflektieren und anschließend im Plenum teilen,

sodass kein wichtiger Aspekt vergessen wird. Die Punkte, auf die die Lehrperson bei

„Irmina“ abzielt sind:

Farbgestaltung

Panelstruktur

Textdarstellung (Großschreibung, Fettschreibung, Interpunktionen etc.)

Werkzeuge, wie Textbox, Sprech- und Gedankenblase, Onomatopoetika

Sollten die Schülerinnen und Schüler auf einen dieser Punkte in ihrer Diskussion

vergessen, so sollte die Lehrperson unbedingt darauf aufmerksam machen. In der

Ergebnissicherung werden die Graphic Novels reihum von jeder Gruppe gelesen, die

sich ein kurzes Feedback notiert. Im Anschluss begründen die Autorinnen und Autoren

ihr Werk und nehmen das Feedback entgegen.

Auf dem Makromodell ist diese Aufgabenstellung bei „Nach der Textrezeption“ unter

„Verändern“ zu finden.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Impuls: „Was wäre, wenn ... „

Erarb.P

AP

3 (4) siehe Arbeitsblatt S. 135: „

2. AP 3

(4)

siehe Arbeitsblatt S. 135.

ES P Festhalten der Ergebnisse: Lesen der Graphic Novels und

Begründung, Feedback

Die Schülerinnen und Schüler arbeiten hier handlungs- und produktorientiert. Sie

können kreativ sein und etwas Neues ausprobieren. Es schult das gemeinsame

Arbeiten und wiederholt bereits Gelerntes. Zudem ist es ein anderer Zugang zur

Interpretation, da sie sich nicht über etwas von jemand anders Geschriebenes

retrospektiv Gedanken machen sollen, sondern selbst für etwas sorgen müssen, das

gut interpretierbar ist.

79

Folgt man Salner-Gridlings Aspekten erfolgreichen Lernens, so ist in dieser Einheit

gegeben, dass die Lernenden für die Verarbeitung genügend Zeit haben und ihre

Anstrengung sich durch das Resultat einer eigens erstellten Graphic Novel (wenngleich

sie eher kurz ausfällt) lohnt. Zudem können sie sich an Mustern orientieren, die sie

bereits erlernt haben und sie können aktiv und mit anderen arbeiten.146

Wenn die Schülerinnen und Schüler die Resultate ihrer Kolleginnen bzw. Kollegen

lesen, so sind sie dazu in der Lage, dies sinnerfassend mit dem Ziel der inhaltlichen

Texterfassung zu tun. Um diese Graphic Novel erstellen zu können, haben die

Lernenden die Textvorlage analysiert und verstanden und somit einen Teilbereich der

Interpretationskompetenz trainiert.

4.2.4 ONOMATOPOETIKA IN „IRMINA“

Ein wichtiges Gestaltungsmittel von Comics und Graphic Novels sind Onomatopoetika.

Da sie besonders in „Irmina“ eine herausragende Rolle spielen und den Leser bzw. der

Leserin während der gesamten Lektüre begleiten, lohnt sich eine Sequenz zu dieser

Thematik.

Der Lehrende spielt den Schülerinnen Schülern ein Video vor. Auf diesem sind nur

Geräusche zu hören (der Beamer darf also nicht verwendet werden – es geht hier rein

um den Ton), welche die Lernenden verbal notieren sollen. Hören sie also das Niesen

eines Menschen, so schreiben sie „Hatschi“ o.Ä. auf ihr Blatt Papier. Im Anschluss

werden die Ergebnisse verglichen und es wird erkannt, dass sich die Einheit um Ono-

matopoetika drehen wird. Es empfiehlt sich zudem, das Wort „Onomatopoetikum“ zu

erklären.

Die Lernenden bilden hierzu Gruppen zu je drei oder vier Personen (abhängig von der

Klassengröße) und versuchen nun, in der Graphic Novel so viele Onomatopoetika zu

finden, wie möglich. Diese sollen sie dann auf einem Blatt Papier festhalten. Falls ein

Onomatopoetikum öfter als einmal auftritt, so vermerken sie auch die Anzahl. Sinnvoll

wäre es zudem, vor allem in Anbetracht an die anschließende Aufgabenstellung, wenn

sich die Lernenden zudem die Seitenzahlen, auf denen sie die Wörter gefunden haben,

notieren, sodass sie diese leichter wiederfinden.

146 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

80

Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, vergleichen die Lernenden ihre Ergebnisse.

Dazu erhebt sich eine Gruppe und liest ihre Wörter vor, während die anderen

aufmerksam zuhören und Wörter, die sie nicht fanden, auf ihrem Blatt notieren. Die

zweite Gruppe liest nun bloß noch die Wörter vor, die noch nicht genannt wurden usw.

Nun, da alle Onomatopoetika gefunden wurden, sucht jeder Schüler und jede Schülerin

sich eines dieser Wörter aus und untersucht es auf seine Funktion in der speziellen

Szene. Dabei müssen sie einerseits die Szene adäquat beschreiben und andererseits

sollen sie das lautmalerische Wort und seine Verwendung interpretieren. Dabei sucht

sich jeder Lernende ein anderes Wort aus, sodass ein Gesamtüberblick der

lautmalerischen Wörter gegeben werden kann. Die Funktion, die Wirkung und die

Position des „soundwords“ soll dabei untersucht und interpretiert werden.

Hier empfiehlt es sich die Ergebnisse anschließend im Plenum zu sammeln, damit eine

Gesamtinterpretation des Werkes für alle Lernenden möglich ist. Sollte ein

Schüler/eine Schülerin ein Wort gewählt haben, das öfter als einmal vorkommt, so

steht ihm/ihr die Auswahl frei, welches Beispiel sie wählen möchte.

Im Makromodell befinden wir uns bei „Nach der Textrezeption“ unter „Montieren“:

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Akustischer Impuls: https://www.youtube.com/watch?v=c4iUjPtX-s0 Erklärung „Onomatopoetikum“: „Das Wort Onomatopoetikum stammt

aus dem Griechischen und setzt sich aus dem Wort ‚onoma‘, was ‚Name‘

bedeutet und ‚poietikos‘ – was ‚dichterisch‘ bedeutet, zusammen. Das

Onomatopoetikum ist ein klangnachahmendes, lautmalendes Wort.147

AP 3

(4)

„Sucht alle Onomatopoetika in „Irmina“. Notiert sie euch und vermerkt,

auf welcher Seite ihr sie gefunden habt!“

ES P Vergleichen der Ergebnisse: „Ich bitte nun jede Gruppe, ihre Ergebnisse

zu präsentieren. Die erste Gruppe startet und nennt jedes gefundene

Onomatopoetikum, während die restlichen Gruppen anschließend nur

noch das präsentieren, was wir noch nicht gehört haben“.

2. AP E „Jeder Schüler und jede Schülerin sucht sich nun eines dieser vielen

lautmalerischen Wörter aus und analysiert und interpretiert es

147 vgl. Bentfeld, Anne [u.a.]: Schülerduden Literatur 4. neu bearb. Aufl. Hrsg. von der Redaktion Schule und Lernen. Mannheim [u.a.]: Dudenverlag 2005. Stichwort: onomatopoetische Dichtung. S. 286.

81

hinsichtlich der Funktion, der Wirkung und der Position im Text.

Verfasst einen kohärenten Text!“

ES 2 Präsentation der Ergebnisse: Interview: „Vergleicht nun zu zweit eure

Ergebnisse! Gestaltet dazu ein fiktives Interview, in dem jeder einmal

der Interviewer und einmal der Interviewte ist. Fragt, welches

Onomatopoetikum ausgewählt wurde und warum und notiert euch

stichworthaltig die wichtigsten Ergebnisse“.

Ziel dieser Aufgabenstellung ist das Interpretieren von speziellen Teilen der Graphic

Novel, die eine essentielle Funktion erfüllen und die typisch für dieses Medium sind,

aber nicht für andere Textsorten. Die Schülerinnen und Schüler können hier ein Stück

weit experimentieren, da sie das (vermutlich) in dieser Form noch nie gemacht haben

und sie aber somit im selben Moment ein weitaus besseres Textverständnis erlangen

können. Zudem ist der akustische Impuls eine der seltenen Gelegenheiten im

Deutschunterricht das „Hören“ und weniger das „Zuhören“ zu schulen, da kein Text

verstanden, sondern ein Geräusch erkannt werden muss.

Hinsichtlich der einzelnen Kompetenzen lässt sich zunächst eine Schulung der

Hörverstehenskompetenz feststellen, da die Schülerinnen und Schüler dazu

angehalten werden, ein bestimmtes Geräusch zu erkennen. Die Lesekompetenz ist vor

allem dann relevant, wenn die Lernenden Informationen im Text ermitteln müssen –

nämlich das Suchen von Onomatopoetika. Darüber hinaus können sie die Textvorlage

sprachlich analysieren und reflektieren, da sie bestimmte sprachliche Mittel auffinden

und erkennen müssen. Da von den Schülerinnen und Schüler eine kohärente

Interpretation eines lautmalenden Wortes verlangt wird, ist auch die Schulung der

schriftlichen Kompetenz ein Teil dieser Einheit. Die Lernenden sollen dazu in der Lage

sein, einen situationsangemessenen Textaufbau zu wählen und sprachliche Mittel

anmessen einzusetzen. Des Weiteren können sie ihren Text sowohl kohäsiv als auch

kohärent gestalten, der eine angemessene Balance zwischen Komplexität und

Redundanz der Informationen enthält. Eine adäquate Verwendung des Wortschatzes

ist ebenso notwendig wie die formale Richtigkeit des Textes. Da die Schülerinnen und

Schüler das „soundword“ auch interpretieren müssen, ist es essenziell, dass sie eine

82

Interpretationshypothese formulieren und diese in einem die Textvorlage

überschreitenden Kontext begründen.148

Diese Einheit ist hinsichtlich des Lernerfolgs der Schülerinnen und Schüler insofern

wertvoll, da sie in Kommunikation und Kooperation und in einer entspannten Atmos-

phäre arbeiten können sowie Muster erkennen, an denen sie sich orientieren

können.149

4.2.5 FARBGESTALTUNG IN „IRMINA“

Die farbliche Gestaltung in „Irmina“ scheint für Yelin ein besonders wichtiges Mittel

der Darstellung gewesen zu sein. Daher ist es für die Lernenden auch von großer

Bedeutung, der Intention der Farbgebung zu begegnen.

Die Lehrperson projiziert verschiedene Schwarz-Weiß-Bilder (die eigentlich bunt

gestaltet wurden) an die Wand und fragt die Schülerinnen und Schüler, was sie sehen.

Zunächst beschreiben sie die Bilder und es fällt ihnen bestimmt auch auf, dass

sämtliche Bilder ohne Farbe dargestellt sind.

Nach einer kurzen Diskussion über die Wirkung solcher farblosen Bilder, leitet die

Lehrperson zur Anwendungsphase über. Dabei arbeiten die Schülerinnen und Schüler

zu zweit zusammen und erhalten eine Doppelseite aus Irmina, die jedoch in schwarz-

weiß abgedruckt wurde. Insgesamt gibt es drei verschiedene Seiten, sodass der

Vergleich anschließend effektiver funktionieren kann. Nun müssen sie gemeinsam

versuchen, sich zu erinnern, welche Farbe Yelin hier verwendet hat und warum. In

weiterer Folge sollen sie darüber diskutieren, welche Informationen verloren geht,

wenn die Farbe weggelassen wird und gleichzeitig, welche Wirkung und Stimmung die

Farbe, die verwendet wurde, erzeugte.

Im Anschluss finden sich die Schülerinnen und Schüler zu sechst zusammen und zwar

immer so, dass jede Doppelseite nur einmal vorkommt. Dann präsentieren die

Zweiergruppen ihre Ergebnisse und diskutieren bei Unklarheiten oder Fragen. Die

148 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 149 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

83

Lehrperson sollte sich in dieser Einheit zurückhalten und als Beobachter fungieren, der

nur dann einschreitet, wenn die Lernenden eine kleine Hilfestellung benötigen.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Visueller Impuls: „Wie wirken solch farblose Bilder auf euch?“

AP 2 Anhang S. 136-141.

„Interpretiert diese Doppelseite aus „Irmina“.

Welche Farben sind im Original verwendet worden?

Welche wichtigen Informationen zur Narration sind verloren gegangen, als

ich die Bilder in schwarz-weiß ausgedruckt habe?

Notiert eure Ergebnisse!“

ES Festhalten der Ergebnisse: „Setzt euch zu sechst zusammen. In jeder

Sechsergruppe sollte jede Doppelseite genau einmal vorkommen und

präsentierte eure Ergebnisse!

Ziel dieser Einheit ist das Auseinandersetzen mit wichtigen Faktoren einer Graphic

Novel – hier der Farbgestaltung. Indem sie mit dem schwarz-weiß-Druck konfrontiert

werden, erkenn sie, dass die Farbe eine bedeutende Rolle in der Interpretation der

Geschehnisse hatte, die nun verloren gegangen ist. Ein weiteres Ziel ist daher ebenfalls

das Interpretieren und Analysieren des Textinhalts.

Diese Aufgabenstellung dient vor allem der Schulung der mündlichen Produktion und

Rezeption, als der Hörverstehenskompetenz sowie der mündlichen Kompetenz. Die

Schülerinnen und Schüler können dabei die Kernaussage ihrer Kolleginnen und

Kollegen identifizieren und verstehen. Zudem sind sie dazu in der Lage, Ergebnisse frei

und adressatengerecht vorzutragen. Hinsichtlich der Interpretationskompetenz ist das

Erfassen und Reflektieren der Textintention sowie das Formulieren von

Interpretationshypothesen notwendig.150

Das Klima in dieser Stunde ist äußerst lernfreundlich gestaltet. Der Inhalt weckt die

Neugierde der Lernenden, die zudem gemeinsam kooperieren und kommunizieren. Sie

150 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].

84

sind aktiv beteiligt und ihre Gefühle stehen im Vordergrund. Außerdem haben sie

genügend Zeit für die Verarbeitung, sodass sie ohne Druck arbeiten können.151

4.2.6 TEXTANALYSE UND -INTERPRETATION

Da die Interpretation von literarischen Texten auch Teil der Zentralmatura ist, lohnt

sich eine Sequenz, die eine solche vorsieht. Das Besondere an dieser Einheit wird

jedoch sein, dass die Lernenden nicht bloß eine Interpretation der Geschehnisse

liefern, sondern auch auf die Narration und Ästhetik der Graphic Novel eingehen. Dabei

sollen sie in einem durchgängigen Text die Intention des Textes ergründen, um somit

zu „einem möglichst umfassenden Textverständnis“152 zu gelangen.

Die Lehrperson liest aus dem Nachwort aus „Irmina“ eine Textstelle vor und lässt die

Schülerinnen und Schüler zu zweit darüber nachdenken, was Dr. Korb damit gemeint

haben könnte. Die Lernenden verfassen anschließend eine Interpretation, in der sie die

Intention der Autorin in einem durchgängigen Text sowohl inhaltlich als auch formal

wiedergeben. Sie achten dabei also auf die Frage, was Yelin damit ausdrücken wollte –

und zwar sowohl auf der Ebene des Textes als auch des Bildes. Die Ergebnisse der

Analyse verknüpfen sie anschließend geschickt mit der Gesamtinterpretation.

Da es sich hier, wie bereits erwähnt, um eine Textsorte der Zentralmatura handelt,

wird nun im Folgenden erläutert, nach welchen Maßstäben die Textinterpretation zu

bewerten ist. Grundsätzlich teilen sich die Beurteilungskriterien in zwei Bereiche auf:

inhaltliche und textstrukturelle Evaluationspunkte sowie die normative

Sprachrichtigkeit. Erstere meint den Grad der Erfüllung der Arbeitsaufträge sowie das

Einbauen des Inputtextes. Für „Irmina“ würde das bedeuten, dass die Schülerinnen und

Schüler sowohl den Inhalt analysieren als auch die Werkzeuge der Graphic Novel. Eine

klare Strukturierung ist ebenso wichtig wie eine ausreichende Verknüpfung, sodass

sich der Text flüssig lesen lässt. Die normative Sprachrichtigkeit teilt sich in Stil und

Ausdruck und in grammatische und orthographische Richtigkeit und verlangt nahezu

151 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 152 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): Textsortenkatalog. URL https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_d_textsortenkatalog_2014-02-19_0.pdf [09.04.2016].

85

fehlerfreie und durchgehend variantenreiche Wortwahl.153 Diese Punkte sind mit den

Lernenden vor dem Verfassen der Hausübung zu besprechen.

Die vom bifie aufgestellten Kriterien zur Bewertung lassen sich ohne Probleme auch

auf diese Interpretation übertragen)154:

Einleitung: Zusammenfassung der Basisinformation des zu interpretierenden

Textes

Nachvollziehbarkeit der Entwicklung des Themas des Inputtextes

(notwendige) Formanalyse [...]

(notwendige) Sprachanalyse

Überprüfung einer (vorgegebenen) Interpretationshypothese

Absicherung oder Hinterfragen der Interpretationshypothese durch die

wiederzugebenden Inhalte und Analyse-Ergebnisse

Erkennen des Symbolgehalts (vor allem bei literarischen Texten)

Kontextualisierung, Intertextualität (soweit es die Aufgabenstellung verlangt)

Verknüpfung der formalen und sprachlichen Analyse mit der

Interpretationshypothese

Wirkung bzw. mögliche Intention des Textes

Gliederung: leserfreundliches Verhältnis der Explikation einzelner Aspekte und

Verschränkung mit dem Ganztext

Ausdruck: eigenständiges, vom Text gelöstes Vokabular

Einsatz von Fachtermini

korrekte direkte und indirekte Wiedergabe von Textteilen (Zitieren)

Keine dieser Kriterien schließt das Interpretieren einer Graphic Novel aus, da

sämtliche Punkte auch bei „Irmina“ anwendbar sind.

Im Makromodell von Abraham und Kepser befinden wir uns auf der Ebene „Nach der

Textrezeption“ unter dem Punkt „Re-Produzieren“.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP 2 Anhang S. 142.

153 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_us_beurteilungsraster_2014-11-14.pdf [15.04.2016]. 154 ebd.

86

AP und

E „Verfasst eine Textinterpretation! Zu diesem Zweck sollt ihr die

Intention der Autorin in einem durchgängigen Text wiedergeben.

Achtet dabei sowohl auf formale als auch auf inhaltliche Kriterien.

Verwendet die Fachtermini, die ihr bereits kennengelernt habt und

arbeitet intensiv mit dem Text – zitiert also auch, falls es notwendig ist.

Achtet bei der Analyse und der Interpretation sowohl auf die Ebene des

Textes als auch des Bildes und erstellt dann eure

Interpretationshypothesen, die ihr mit eurer formalen und

sprachlichen Analyse geschickt verknüpft!“

ES Rückgabe der Interpretation: Da die Textinterpretation Teil der

Zentralmatura ist, erscheint es sinnvoll, diesen Arbeitsauftrag zu

korrigieren.

Für die Textinterpretation werden spezifische Kompetenzen überprüft, die vom bifie

genau formuliert werden. So bedarf es zunächst spezifischen „Sach- und

Fachkompetenzen“, d.h. die Lernenden müssen den Inhalt des Ausgangstextes

verstehen. Darüber hinaus brauchen sie die Kompetenzen, die sie dazu befähigen, den

Ausgangstext zu erfassen, also Lesen, Textverstehen, Analyse und Interpretation.

Zudem benötigen die Schülerinnen und Schüler sprachreflexive Kompetenzen, um den

Text adäquat analysieren zu können und schließlich werden die Fähigkeiten überprüft,

die für das Verfassen eines Textes notwendig sind, also Schreib- und

Textkompetenzen.155

155 vgl. Kompetenzorientierte, teilzentrale schriftliche Reifeprüfung im Unterrichtsgegenstand Deutsch an AHS. Erstellt am 04.2010. URL: http://www.uni-klu.ac.at/deutschdidaktik/downloads/Informationspapier.pdf [17.04.2016] S. 5.

87

4.3 Der Traum von Olympia

Die Graphic Novel „Der Traum von Olympia“ von Reinhard Kleist stammt aus dem Jahre

2015 und handelt von der Olympionikin Samia Yusuf Omar aus Somalia, die 2012 auf

der gefährlichen Überfahrt von Libyen nach Malta im Mittelmeer ertrank.

Samia Yusuf ist in Peking bei den Olympischen Sommerspielen und vertritt ihr Heimat-

land Somalia im 200-Meter-Lauf. Ihre Familie sitzt stundenlang gebannt vor dem

Fernseher, nur um sie beim Laufen sehen zu können. Obwohl Samia Yusuf sehr

eindeutig verliert, ist ihre Familie dennoch stolz, allen voran ihre Mutter. Als die

Rennläuferin wenig später wieder auf dem Weg nach Hause ist, wird sie freudig von

ihrer Mutter begrüßt und gemeinsam fahren sie in ihr Heimatdorf. Dort beginnt rasch

wieder der Alltag für Samia, die ihrer Familie stets unter die Arme greift, vor allem seit

ihre Schwester Hodan in Europa ist, um mehr Geld zu verdienen. Somit kann sie nur

wenig Zeit für das Training aufbringen, was ihr missfällt, da sie plant, bei den

Olympischen Sommerspielen in London anzutreten. Als sie sich ein lustiges

Wettrennen mit einem kleinen Nachbarsmädchen liefert, werden die beiden von der

Al-Shabaab, der Terrormiliz in Somalia aufgehalten und zurechtgewiesen, da es sich als

Frau nicht gehöre, zu rennen. Auch ihr Vater ist dieser Gruppierung bereits zum Opfer

gefallen, da er ihnen als gemäßigter Moslem bereits längere Zeit ein Dorn im Auge

gewesen ist. Etwas verängstigt kommt Samia schließlich auf der Laufbahn an, wo sie

freudig von ihrem Trainer empfangen wird. Sie versucht hier mit allen Mitteln, ihre Zeit

zu verbessern, was jedoch nur mäßig gelingt, da die Strecke in einem verheerenden

Zustand ist und sie somit nicht optimal trainieren kann. Samia begibt sich des Öfteren

in ein Internetcafé, damit sie ihren Freunden und Fans via Facebook von ihrem Leben

und ihrem Trainingsfortschritt berichten kann. Die Miliz lässt Samia niemals aus den

Augen, bedroht sie sogar über das Telefon, was ihr große Angst und Sorge bereitet.

Dennoch läuft sie fleißig weiter und erzählt auch ihrem Trainer von ihren Plänen für

London, der sie jedoch darauf hinweist, dass sie in Mogadischu niemals die optimale

Vorbereitung bekommen kann und sie besser nach Äthiopien gehen soll. Sie

unterbreitet diesen Plan ihrer Mutter, die zwar verärgert ist, aber einsieht, dass es der

Traum ihrer Tochter ist, Profisportlerin zu sein. In Addis Abeba will sie dem Trainer

dort sogleich von ihren Fertigkeiten überzeugen, der zwar ihre Leistung anerkennt, sie

aber als Frau nicht ausbilden möchte und ihr empfiehlt, nach Dschibuti zu gehen. Da zu

allem Übel auch ihre Papiere ungültig sind, entschließen sich Samia und ihre Tante

88

Mariam aus Äthiopien nach Europa zu fliehen. Sie bezahlen dubiose Menschenhändler

für die gefährliche Reise und besteigen kurze Zeit später einen Bus, der das Land

verlassen soll. Als sie an der äthiopische Grenze ohne Papiere aufgegriffen werden,

kann Samia fliehen, ihre Tante wird festgehalten und wieder zurückgebracht. Nach

einer langen und beschwerlichen Reise erreicht sie schließlich ihr Ziel Libyen. Doch da

auch dort bereits ein Krieg herrscht, ist sie auch hier nicht in Sicherheit. Samia muss

ihre Schwester bitten, ihr Lösegeld zu schicken, andernfalls würde sie ihre Reise nicht

fortsetzen können. Schließlich ist sie in Tripolis angekommen, wo sie in ein

Flüchtlingscamp der UNHCR einquartiert wird und zu ihrer Überraschung und

Erleichterung ihre Tante Mariam wiedertrifft. Schließlich besteigen sie gemeinsam ein

Schlauchboot, das sie nach Malta bringen soll. Da jedoch der Benzintank reißt und sie

sich somit nicht vom Fleck bewegen, ertrinkt Samia im Mittelmeer.

Kleist greift mit dieser Graphic Novel die wahre Geschichte der Olympionikin Samia

Yusuf Omar auf, die tragischerweise während eines Fluchtversuchs im Mittelmeer

ertrank. Er porträtiert hierbei jedoch nicht eine „überlebensgroße Heldenfigur“156, die

stets tapfer voranschreitet, sondern erzählt von einem normalen Mädchen, das sich

eine internationale Sportkarriere herbeisehnt und für ihren Traum viel riskiert. Die

Graphic Novel schildert Samias Kampf ohne übertriebenen Gefühlsausdruck, wodurch

ihre Geschichte lebensechter wirkt und die Empathie des Leser-Betrachters verstärkt

wird. Kleist versucht, mit dieser Geschichte nicht nur Samias Einzelschicksal zu

fokussieren, sondern auch den Blick zu öffnen für alle Menschen, die beinahe täglich

im Mittelmeer ertrinken, weil sie die gefährliche Überfahrt in Kauf nehmen, um ein

besseres Leben führen zu können. Er hebt Samia hervor, eine durchaus berühmte

Persönlichkeit, doch selbst ihr gelingt es nicht, auf die „sichere“ Seite zu gelangen. Eine

möglicherweise viel versprechende Sportlerin ertrinkt, weil sie ihren Traum

verwirklichen wollte. Dadurch, dass er diesen tragischen Vorfällen ein Gesicht gibt, holt

er alle Opfer aus der Anonymität und gibt den Europäern und Europäerinnen ein

Gesicht, dass sie sich einprägen können.

Beachtenswert ist außerdem, wie die Graphic Novel strukturiert ist. Kleist

rekonstruiert Samias Facebook-Postings und strukturiert damit die gesamte

156 Elias Bierdel: Nachwort. In: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 144.

89

Geschichte. Es wirkt, als würde er damit bewusst in den Hintergrund treten wollen und

Samia selbst erzählen lassen, was mir ihr geschah.

Die Geschichte Samias wurde von Reinhard Kleist als Graphic Novel realisiert. Deshalb

soll im Folgenden nun die Narration und Ästhetik, mit der er gearbeitet hat, erläutert

werden. Beginnt man mit dem Zeichenstil und der Farbe, so fällt ins Auge, dass die

Graphic Novel zwar ein buntes Cover verwendet, ansonsten aber die Geschichte in

Schwarz-Weiß darstellt.

Kleist arbeitet vermehrt mit

Grautönen. In dieser Panelsequenz

dient die graue Farbe zur Darstellung

einer Erinnerung, in der die

Gesichter verschwommen gezeigt

werden.

Abb. 53: Olympia, S. 78.

Der Stil Kleists in diesem Werk ähnelt (anders als bei Yelin) sehr seinen früheren

Werken, wie z.B. „Der Boxer“. In diesem Zusammenhang verwendet Kleist zwar stets

eine Art des Zeichnens, die ihn erkennbar macht und daher nicht in großem Ausmaß

abändert, der er jedoch häufig eigene Variationen beifügt, um eine gewisse Stimmung,

eine Wirkung oder eine Intention zu erzeugen. Durch eben diesen realistischen Stil

erfährt der Leser-Betrachter sehr genau, wie es Samia ergangen ist und wie sie gefühlt

haben muss.

90

Diese Panelsequenz zeigt Samia in Gefangenschaft der

Erpresser, die sie erst nach der Zahlung des Lösegelds

freilassen wollen. Die Finsternis des Raums und die

Angst und Verzweiflung Samias wird gezeigt, die sich

buchstäblich und metaphorisch an das letzte Licht

klammert und die Hoffnung dennoch bereits ein

stückweit aufgegeben hat.

Abb. 54: Olympia, S. 98.

Auch beachtenswert erscheint, wie Kleist in seinem Werk Bewegung erzeugt. So finden

wir zunächst sowohl Momentschnitte als auch Posen, die zumeist wichtige Informa-

tionen zur Narration liefern. Die Pose in dem Panel darunter (Abb.55) erzeugt auf den

Leser-Betrachter eine besondere Wirkung, da durch diese Darstellung der Bewegung

die Länge und Beschwerlichkeit der Reise besonders hervorgehoben wird. Den

Moment-schnitt verwendet Kleist sehr häufig, um Brutalität zum Ausdruck zu bringen,

die diese Form der Bewegungsdarstellung unterstreicht. Wenn ein Mitreisender mit

dem Maschinengewehr geschlagen wird (Abb. 56), verstärkt der Momentschnitt die

Brutalität, wobei die Raumgestaltung den Leser-Betrachter involviert.

Abb. 55: Olympia, S. 67. Abb. 56: Olympia, S. 93.

Während die Bewegung zwischen den Panels wenig spezielle Informationen zur

Narration liefert, werden häufig Bewegungslinien, die Aufschluss über die Intention

91

des Autors bieten, eingesetzt. Solange Samia glücklich und zufrieden ist, sind ihre

Bewegungen ohne Linien dargestellt und erheben somit den Eindruck völliger

Normalität und Ruhe. Wenn sie sich jedoch in Gefahr befindet oder Angst hat,

verwendet Kleist Bewegungslinien, um damit zu unterstreichen, dass die Bewegung

nun nicht länger harmlos und gewöhnlich ist. Wie in den Abbildungen (57-60)

darunter zu sehen ist, unterstreichen die Linien die Angst Samias und die Gefahr, in der

sie sich befindet. In der letzten Abbildung sieht man die Protagonistin, der vor lauter

Furcht der Schweiß vom Gesicht fliegt. Das Wasser spritzt dabei in alle Richtungen und

verstärkt somit das Gefühl der Gefahr und des Unbehagens.

Abb. 57: Olympia, S. 128.

Abb. 58: Olympia, S. 97.

Abb. 59: Olympia, S. 88 Abb. 60: Olympia, S. 35.

Hinsichtlich des Seitenlayouts lässt sich festhalten, dass Kleist (ebenso wie Yelin) auf

eine rhetorische Darstellung zurückgreift, in der die Sequenz dominiert und das

Gesamtlayout zur Narration beiträgt.

92

Auf dieser Seite ist eine klassische

Realisierung der rhetorischen Darstellung zu

finden. Die erste Reihe wirkt auf den Leser-

Betrachter durch die Wiederholung sehr

lange, durch die Verkleinerung wird dieser

Effekt zusätzlich verstärkt, denn da die

beiden Panels rechts auf die gleiche Größe

minimiert wurden, zeigt Kleist die schier

unendlich wirkende Reise Samias. Das Panel

in der Mitte sticht beim Lesen-Betrachten

sofort ins Auge. Ohne Panelrahmen wird der

Inhalt größer und bedeutender, auch die

Tatsache, dass der eigentliche Rand der Seite

überschritten wird, wirkt, als wäre dieses

Bild eigentlich viel größer und nur durch die Panels

oben und unten begrenzt. Die Panels der letzten Reihe

sind form-technisch mit denen der ersten Reihe ident. Auch verwendet Kleist hier

sowohl für das Auto als auch für Samia dieselbe Perspektive. Zunächst wird die Sicht

auf die Front geboten, dann weiter weg auf die Hinterseite und das letzte Bild, sowohl

oben als auch unten, zeigt die Situation bereits aus einer gewissen Distanz, ebenfalls

mit Blickrichtung auf die Kehrseite. Die Panels der letzten Reihe wirken zudem

ebenfalls langwierig und so, als hätte Irmina große Mühe, sich zurechtzufinden. Sie

scheint für einen größeren Zeitraum planlos umherzuirren und wie auf den Panels der

ersten Reihe, scheint kein Ziel in Sichtweite zu sein.

In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, einen Blick auf das Panel und dessen

Rahmen zu legen. Am häufigsten finden wir die klassische Panelform und den ihn

umgebenden Rahmen (siehe Abb. 62) Nicht alle Panels jedoch verfügen über eine Ein-

grenzung, die dadurch während des Lesen-Betrachtens ins Auge stechen und wichtiger

erscheinen, als die „gewöhnliche“ Form. In Abbildung 63 verfasst Samia einen Eintrag

auf Facebook, der sich über mehrere Panels erstreckt. Das Panel, das dabei aus der

Reihe tanzt, ist das mittlere, welches nicht begrenzt ist und somit auf den Leser-

Betrachter wirkt, als hätte Samia diese Situation am besten in Erinnerung behalten.

Eine dritte Form der Paneldarstellung findet sich immer dann, wenn sich eine Figur in

Abb. 61: Olympia, S. 71.

93

der Graphic Novel an Vergangenes erinnert. Die Abbildung unten rechts (64), zeigt die

Geschichte eines Mitreisenden, der erzählt, wie er hierherkam und dass er bereits öfter

versucht hat, nach Europa zu fliehen. Dabei haben die Panels keinen Rahmen und der

Panelrand wirkt verschwommen, wodurch der Eindruck einer Erinnerung verstärkt

wird.

Abb. 62: Olympia, S. 31.

Abb. 63: Olympia, S. 39

Abb. 64: Olympia, S. 80.

Die Darstellung des Raums in „Der Traum von Olympia“ ist ebenso ein zentraler Faktor.

Am häufigsten stößt man beim Lesen-Betrachten auf die klassische Einfluchtpunkt-

Perspektive, die sich als gut geeignet erweist, um realistische Begebenheiten adäquat

darzustellen. (vgl. Abb. 62).

94

Diese Seite zeigt die von Kleist häufig verwendete

Dynamisierung durch raumorientierte Aktions-

sequenzen. Dabei wird dieselbe Situation aus

verschiedenen Perspektiven dargestellt, wodurch

es ihm gelingt, die Dauer einer Handlung zum

Ausdruck zu bringen.

Abb. 65: Olympia, S.60.

Neben der Perspektive, ist es ebenfalls notwendig, einen Blick auf die Differenziertheit

der Wahrnehmung zu werfen, also zu untersuchen, ob Kleist eher raum- oder eher

körperzentriert gearbeitet hat. Grundsätzlich findet man häufiger die körperzentrierte

Darstellung, was darauf hindeutet, dass Kleist Samia in den Vordergrund rücken wollte

und nicht ihre Umgebung. Zumeist also ist der Blick des Leser-Betrachters ganz auf die

Figuren der Graphic Novel fixiert, wie die Beispiele darunter veranschaulichen (Abb.

66 und 67). In jedem dieser Beispiele ist kaum ein Raum wahrnehmbar, der Fokus liegt

beinahe vollständig auf den agierenden Personen.

Abb. 67: Olympia, S. 44.

Abb. 66: Olympia, S.25.

95

Die Raumzentrierung wird von Kleist vor

allem dann verwendet, wenn er auf die

Dauer der Reise aufmerksam machen will.

Wie in dem Beispiel darunter ersichtlich,

ist Samia sehr lange in diesem

gefängnisartigen Raum eingesperrt. Dies

wird erkennbar durch die Sonnenstrahlen

auf der Türe, deren Wanderung man genau

nachgehen kann. Auch werden die

einzelnen Panels stetig kleiner, wodurch

ebenfalls die lange Dauer dieser Sequenz

unterstrichen wird. Diese Beobachtung

wird vollkommen ohne einen menschlichen Körper dargestellt, weswegen hier von

Raumzentrierung gesprochen werden kann.

Eine Annäherung des Körpers an den Raum ist immer dann gegeben, wenn große

Menschenansammlungen zugegen sind. In diesen Sequenzen ist ein einzelner Körper

nicht mehr ganz ausmachbar und langsam verschwimmen diese zu einem

vollständigen Bild, das panelfüllend ist und somit mehr einen Raum darstellt, als einen

Körper (Abb. 69 und 70).

Abb. 69: Olympia, S. 64.

Abb. 70: Olympia, S. 69.

Auch die Beziehung, die Kleist zwischen dem Bild und dem Text herstellt, ist

beachtenswert. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die semiotische Konvergenz

einer Graphic Novel, so fällt auf, dass Kleist Onomatopoetika nicht in demselben

Ausmaß verwendet, wie Yelin in „Irmina“. Die folgende Abbildung zeigt Samia auf

Abb. 68: Olympia, S. 99.

96

einem der Schlauchboote, die für den Transport über das teilweise raue Mittelmeer

vollkommen ungeeignet sind. Der Motor des Bootes ist unglaublich laut und

durchdringt jedes andere Geräusch vollkommen. Niemand unterhält sich und somit ist

auf den Weiten des Meeres nur das „Brooo“ des Motors zu hören. Als ein Reisender es

plötzlich nicht länger aushält, entsteht ein Gerangel und der Tank nimmt Schaden,

sodass die Menschen nun hilflos auf dem Boot herumtreiben. Das charakteristische

„soundword“ bleibt aus und lässt die hilflosen Menschen alleine in der Finsternis (Abb.

71-74).

Abb. 71: Olympia, S. 122. Abb. 72: Olympia, S. 123.

97

Abb. 73: Olympia, S. 124. Abb. 74: Olympia, S. 129.

Betrachtet man demnach die von Kaindl genannten Möglichkeiten der Bild-Text-

Beziehung, so fällt auch in diesem Werk auf, dass Kleist die Beziehung zwischen Text

und Bild je nach Intention anders gestaltet hat.

Ein visuell-verbaler Widerspruch ist in

diesem Panel dargestellt. Hier wird das gute

Verhältnis zwischen Samia und ihrem Vater

beschrieben, der seine Tochter hier

eigentlich für ihre Faulheit bestrafen

müsste, es aber nicht tut. Während also der

Text weismachen will, Samia würde gerade

Prügel beziehen, liefert das Bild den

Schwindel, den sie der Mutter gerade

auftischen.

Abb. 75: Olympia, S. 30.

98

Visuell-verbale Fokussierung ist in diesem

Panel zu sehen, als Samia via Facebook

beschreibt, was sie alles einpackt und wo sie ihr

Geld versteckt. Der Text liefert dabei die

Information, was alles in ihre Tasche kommt

und die Bilder veranschaulichen diese

Aufzählung. Es wirkt, als würde Samia auf

nichts vergessen wollen, weswegen sie alles vor

sich ausbreitet, um sicher zu gehen, dass sie

nichts Wichtiges zurücklässt.

Abb. 76: Olympia, S. 59.

Wenn Samia läuft, kann sie ihren Gedanken freien

Lauf lassen und alles vergessen, was sie bedrückt.

Während bildlich gezeigt wird, wie Samia ihren

Lauf absolviert, wird mit dem verbalen Code

wiedergegeben, worüber sie sich Sorgen macht

und warum sie diese gerne „wegläuft“. Diese

Panelsequenz zeigt demnach eine visuell-verbale

Ergänzung.

Visuell-verbale Parallelität liegt in

diesem Panel vor. Samia liegt auf einer

Matratze im Flüchtlingscamp und wirkt

niedergeschlagen. Doch ihre Gedanken

verraten, dass sie noch immer nur an

die nächsten Olympischen Spiele denkt

und daran, dass sie mehr essen müsste,

um mitzulaufen.

Abb. 78: Olympia, S. 109.

Abb. 77: Olympia, S. 33.

99

Kleist nutzt auch die Möglichkeit, nur mit

Bildern zu erzählen. So verzichtet er häufig auf

Text, als sich Samia auf der gefährlichen Reise

befindet und es keinerlei Worte bedarf, um ihre

Verzweiflung aber auch ihren Mut zu

beschreiben. Er lässt die Bilder die Situation

erklären, denn verbale Informationen würden

hier bei der empathischen Einfühlung stören.

Abb. 79: Olympia, S. 82.

Neben diesen recht kurzen

Sequenzen der wortlosen Darstell-

ung, ist besonders die Art und

Weise, wie er den Text in das Bild

integriert maßgebend. Einerseits

sind die klassischen Sprechblasen

zu finden, deren Dorn zu der Person

führt, die gerade spricht,

andererseits ist es vor allem die Verwendung der

Textbox, die genauerer Untersuchung bedarf. Durch das

autodiegetische Erzählen, lässt uns Kleist via Samias Profil bei Facebook an ihrem

Leben und ihrer Reise teilhaben. Hier gilt zu erwähnen, dass Kleist diese Einträge

größtenteils rekonstruierte, da diese nach Samias Tod gelöscht wurden, dennoch ist es

die Protagonistin, die uns die einzelnen Sequenzen erklärt. Ihre Facebook-Einträge

erstrecken sich häufig über mehrere Seiten und unterstützen dabei den Leser-

Betrachter beim Verstehen und Interpretieren (siehe auch Abb. 81).

Abb. 80: Olympia, S. 29.

100

Abb. 81: Olympia, S. 102.

4.3.1 VORENTLASTUNGSPROJEKT

Diese Einheit eignet sich gut für den Einstieg in diese Graphic Novel. Nachdem die

wichtigsten Werkzeuge und Farbgestaltung behandelt wurden, stellt sich die Frage

nach der aktuellen Flüchtlingssituation, bei der man davon ausgehen kann, dass die

Schülerinnen und Schüler über recht unterschiedliche Wissensstände verfügen. Daher

erscheint eine gewisse Vorentlastung notwendig.

Die Lehrperson schreibt das Wort „Flucht“ an die Tafel und bittet die Lernenden

herauszukommen und Wörter, die sie damit assoziieren, hinzuzufügen. Gemeinsam

bespricht der Lehrende mit den Heranwachsenden die Wörter und macht darauf

aufmerksam, dass viele Begriffe von den Menschen dieses Landes gar nicht gekannt

werden und dass es deshalb notwendig ist, die Schülerinnen und Schüler zu Experten

zu machen.

Die Lernenden werden in vier Gruppen aufgeteilt und erhalten einen eigenen Arbeits-

auftrag. Die Ergebnisse präsentieren sie im Anschluss auf Plakaten, wobei diese

während der gesamten Auseinandersetzung mit dieser Graphic Novel auf den Wänden

bleiben sollten, damit man stets darauf zurückgreifen kann.

Laut dem Makromodell von Abraham und Kepser ist diese Einheit bei „Vor der

Textrezeption“ unter „Erschließen“ einzuordnen.

101

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Impuls: „Was assoziiert ihr mit diesem Wort? Welche Begriffe fallen

euch ein, wenn ihr darüber nachdenkt? Kommt raus und schreibt sie

auf die Tafel!“

ES P „Was bedeuten all diese Begriffe? Wie verläuft wohl ein

Asylverfahren? Wer ist Asylwerber, wer Asylant? Wovon fliehen

diese Menschen denn genau?“

„Am besten ist es, wenn ihr euch selbst zu Experten macht, was dieses

Thema betrifft!“

Erarb.P 3

(4)

Anhang S. 143. „Arbeitet in Gruppen zusammen und erledigt den

Arbeitsauftrag. Geht auf alle Punkte genau ein und macht euch zu

Experten! Gestaltet ein Plakat, auf dem ihr die wichtigsten Ergebnisse

eures Themas festhaltet!“

ES P Präsentieren der Ergebnisse: Galerie157

Das Ziel dieser Einheit ist das Sensibilisieren der Schülerinnen und Schüler für dieses

sehr heikle Thema. Außerdem erleichtert es die spätere Auseinandersetzung mit der

Graphic Novel, da die Schülerinnen und Schüler genau verstehen, warum das alles

geschieht.

Da der Hauptaspekt dieser Aufgabenstellung auf dem Präsentieren der Ergebnisse

liegt, lohnt sich ein Blick auf die Fähigkeiten, die dafür benötigt werden. Für das freie

Sprechen im Unterricht hat das bifie die Präsentationskompetenz in mehrere

Einzelschritte zergliedert, die man sowohl als Lehrender als auch als Lernender

beachten muss. Zu-nächst müssen sämtliche Anforderungen an die Präsentation

geklärt werden (Zeit-vorgabe, Art der Präsentation, Medieneinsatz, Quellen). Des

Weiteren muss das Thema festgelegt und von allen Beteiligten verstanden werden. Die

Lernenden sollen genau verstehen, was zu tun ist und was nicht. Die Lehrperson hat

für Rechercheorte zu sorgen und die Lernenden beim Aufbau zu unterstützen. Zu guter

Letzt sollen die Lernenden genau überlegen, wie sie ihr Plakat, das während der

gesamten Lektüre hängen bleibt, gestalten wollen.

157 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016].

102

Für das anschließende Präsentieren sollte darauf Wert gelegt werden, dass das

Präsentieren nicht zum Selbstzweck wird, sondern stets eine Aufbereitung von

Inhalten für die Lernenden darstellt, idealerweise im Team.158

Dass gesellschaftspolitische Themen, die auch mitunter Gewalt beinhalten, in der

Schule thematisiert werden, ist für Kesser und Strohmeier äußerst sinnvoll. Denn

wenn die Schülerinnen und Schüler besser Bescheid wissen, nimmt es ihnen die Angst

und sie lernen angemessen damit umzugehen und offen darüber zu reden. Durch die

Sensibilisierung wird die Wahrnehmung geschult und die Lernenden werden sozial

kompetenter.159

4.3.2 SZENISCHE DARSTELLUNG

Diese Sequenz eignet sich gut als Einheit für die Aufarbeitung „während der

Textrezeption“ und befindet sich unter „spielen“. Zunächst zeigt die Lehrperson zwei

Videos und fragt die Lernenden, was sie gerade gesehen haben. Da die Serie (The

Walking Dead) mittlerweile sehr bekannt ist, wird sie bestimmt erkannt werden. Der

Lehrende macht dann darauf aufmerksam, dass das zwei Arten sind, die Geschehnisse

darzustellen und leitet damit zum Arbeitsauftrag über. Hierbei suchen sich die

Lernenden, in Gruppen aufgeteilt (zu dritt oder zu viert), eine Szene aus der Graphic

Novel aus, die sie bereits gelesen haben und stellen diese szenisch dar. In diesem

Zusammenhang müssen sie sowohl als Regisseure und Schauspielende agieren, d.h. sie

schreiben das Drehbuch und spielen im Anschluss den Mitschülerinnen und

Mitschülern ihre Aufarbeitung vor. Auch für Requisiten sollen sie sorgen, damit die

Szene so überzeugend wie möglich dargestellt werden kann. Ihrer Fantasie ist keine

Grenzen gesetzt: Sie können die Szene als „Stummfilm“ präsentieren, mit Handpuppen

(etc.), ganz wie sie sich am wohlsten fühlen. Da die Vorbereitung bestimmt etwas Zeit

in Anspruch nehmen wird, empfiehlt es sich, für diese Sequenz mindestens zwei

Einheiten einzuplanen.

Diese Aufgabenstellung soll den Schülerinnen und Schülern dabei helfen, das bereits

Gelesene zu reflektieren und spielerisch einen neuen Zugang zu finden. Diese Form der

158 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens (bifie): Praxishandbuch für „Deutsch“ 5.-8. Schulstufe. Bd. 2. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/bist_d_praxishandbuch_d8_2_2011-11-11.pdf [06.04.2016]. 159 vgl. Doris Kesser; Dagmar Strohmeier: Gewaltprävention an Schulen. Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. URL: http://www.oezeps.at/wp-content/uploads/2011/07/Onlineversion_Gewaltpraevention.pdf [06.04.2016]. S. 58.

103

Auseinandersetzung begünstigt zudem anschließende Interpretationen, Analysen u.Ä.

Zudem wird die Kreativität der Lernenden gefördert, denn sie dürfen frei und auf ihre

spezielle Art eine Textstelle präsentieren.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Impuls: https://www.youtube.com/watch?v=3kmz4Z-P-Bw https://www.youtube.com/watch?v=HYunfCZr2e8

„Was habt ihr hier gesehen? Worin unterscheiden sich diese beiden

Videos?“

ErarbP 3

(4)

„Findet euch in Gruppen zu drei (bzw. 4) Personen zusammen und

wählt eine Szene aus „Der Traum von Olympia“ aus, die ihr gerne

szenisch darstellen möchtet. Seid Regisseure und Schauspielende und

verfasst ein Drehbuch. Da die Ergebnisse erst in der nächsten Einheit

präsentiert werden, könnt ihr auch Requisiten besorgen. Eurer

Phantasie ist keine Grenzen gesetzt – stellt die Szene so dar, wie ihr

möchtet!“

ES P Darstellen: Präsentieren der Ergebnisse, die Lehrperson filmt die

einzelnen Darstellungen.

Durch diesen dramapädagogischen Zugang bekommen die Schülerinnen und Schüler

die Möglichkeit aus der Passivität herauszutreten und selbstständig zu handeln. Weil

viele Kompetenzen der Lernenden gleichzeitig gefördert werden, kann durchaus von

ganzheitlichem Lernen gesprochen werden. Das Kreative wird mit dem Lerninhalt

verbunden und dadurch wird die Motivation der Heranwachsenden gestärkt.

Hinzugefügt werden kann hier ebenfalls, dass auch viele soft skills trainiert werden,

also soziale Schlüsselqualifikationen.160

Salner-Gridlings Aspekte erfolgreichen Lernens findet hier ebenfalls Bestätigung, da

die Schülerinnen und Schüler gemeinsam kooperieren und zusammen etwas schaffen.

Ihre Gefühle sind gefordert und sie können aktiv teilnehmen. Auch ein gewisser

160 Yvonne Monyer: Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Lernen durch Spielen. URL: http://www.theaterwerkstatt-heidelberg.de/uploadverzeichnisse/downloads/AA_Y_MonyerTP10-2.pdf [07.04.2016].

104

Freiheits-grad wird ihnen gewährt, da sie selbst entscheiden können, welche Szene sie

wie darstellen möchten.161

4.3.3 PERSPEKTIVENWECHSEL

Da „Der Traum von Olympia“ die Biografie Samias ist, werden die Geschehnisse aus

ihrer Perspektive geschildert. Interessant wäre es jedoch, die Sichtweise von jemand

anderen zu hören – nämlich von Samias Mutter. Die Lehrperson beginnt diese Einheit,

indem sie ein Bild auf die Wand projiziert und die Schülerinnen und Schüler dazu

auffordert, zu beschreiben, was sie sehen. Nach einer Diskussion über „Sichtweisen“

und „Perspektiven“ leitet der Lehrende zum nächsten Arbeitsauftrag über. Zu diesem

Zweck sollen die Schülerinnen und Schüler sich in die Lage der Mutter versetzten und

die Geschehnisse aus ihrer Sicht schildern. Dabei sollen sie sich einerseits an der

Graphic Novel orientieren und andererseits rekonstruieren, da ab einem gewissen

Zeitpunkt die Mutter nicht mehr vorkommt. Die Ergebnisse werden in Vierergruppen

vorgetragen und verglichen. Einerseits kann diese Aufgabenstellung im Makromodell

bei „Während der Textrezeption“ angesiedelt werden, sie kann aber auch erst „Nach

der Textrezeption“ bei „Verändern“ absolviert werden.

Das Ziel dieser Einheit ist das Hineintauchen in die Lektüre. Da die Schülerinnen und

Schüler eine andere Perspektive übernehmen müssen, gelingt ihnen ein globaleres

Verständnis des Inhalts. Zudem erreichen sie eine umfassendere Empathie, wenn sie

erkennen, dass nicht nur Samia stirbt, sondern auch andere unter diesem Verlust

leiden. Zugleich werden die Geschehnisse zusammengefasst, wodurch man sich das

Gelesene erneut vor Augen führen kann.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP P Visueller Impuls: Anhang S. 144.

„Was seht ihr auf diesem Bild?“

AP E „Versetzt euch in Samias Mutter. Verfasst die Geschichte Samias neu, indem

ihr sie aus der Perspektive der Mutter erzählt. Das meiste werdet ihr aus

der Graphic Novel erfahren, das Ende hingegen müsst ihr selbst

rekonstruieren.

161 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

105

Wie hat sich Samias Mutter gefühlt, als sie vom Tod ihrer Tochter erfuhr?

Wie geht es ihr heute? Wie meistert sie ihr Leben ohne die Hilfe ihrer

Töchter und ihres Ehemannes?“

ES 4 Vergleichen der Ergebnisse: „Setzt euch zu viert zusammen und lest euch

eure Ergebnisse vor. Könnt ihr Gemeinsamkeiten entdecken? Ist die

Perspektive der Mutter jedes Mal eine andere?“

Auch in dieser Einheit werden verschiedene Kompetenzbereiche abgedeckt. Damit sie

diesen Arbeitsauftrag absolvieren können, müssen die Lernenden den Text

sinnerfassend gelesen und die Kernaussagen identifiziert haben. Zudem steht die

schriftliche Kompetenz im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler müssen dazu in

der Lage sein, den Text adressatenorientiert zu verfassen, d.h. sie müssen Textaufbau

und sprachliche Mittel so wählen, dass der Text sowohl adressaten- als auch

situationsangemessen ist. Darüber hinaus müssen sie verschiedene Textualitäts-

kriterien, wie Kohärenz, Kohäsion, Informativität und Intertextualität beachten.

Ebenso sollen sie ihren Stil und Ausdruck der Textsorte angemessen verwenden und

den Text formal richtig gestalten. Auch die Interpretationskompetenz wird in dieser

Einheit trainiert. Die Lernenden müssen Interpretationshypothesen formulieren und

in einem die Textvorlage überschreitenden Kontext begründen.162

Laut Salner-Gridlings herrscht hier eine optimale Voraussetzung für erfolgreiches

Lernen, da die Atmosphäre entspannt ist, die Neugier der Lernenden geweckt ist und

sie zudem genügend Zeit für die Verarbeitung zur Verfügung haben. Durch den

anschließenden Vergleich und das Zusammenführen der Ergebnisse haben sie das

Gefühl, dass sie von den anderen wahrgenommen und akzeptiert werden.163

4.3.4 DAS INTERVIEW

Diese Unterrichtseinheit soll die Lernenden auf die Schicksale der Menschen im

Mittelmeer aufmerksam machen. Als Impuls erhalten die Lernenden ein Interview das

sie zu zweit lesen und analysieren. Die Heranwachsenden notieren sich ihre Ergebnisse

162 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 163 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

106

und diese werden dann in Vierergruppen verglichen. Im Anschluss leitet die

Lehrperson zur Erarbeitungsphase über.

Dazu führen die Schülerinnen und Schüler zu zweit ein Interview, bei dem einer die

Fragen stellt und der andere antwortet. Der Interviewer arbeitet hierbei für eine

österreichische Tageszeitung und befragt zu diesem Zweck Asylwerberinnen und

Asylwerber, die in Österreich leben und über das Mittelmeer zu uns gekommen sind.

Die Reise, die dieser Mensch auf sich genommen hat, verlief zu einem Teil gemeinsam

mit Samia, worauf die Lernenden ebenfalls Bezug nehmen sollen. Die Fragen können

im Grunde frei gestellt werden, sie sollen sich aber auf das bisherig Erlebte des/der

Geflohenen beziehen. Die Fragen können sich auf die Herkunft und das Leben im

Heimatland beziehen, auf die Flucht oder auf die Ankunft in Europa. Wo der Interview-

ende auf Samia traf, wird ebenfalls den Lernenden überlassen. Da dies ein sehr emotio-

naler Zugang zu diesem Thema ist, empfiehlt es sich, keine großen Vorgaben bezüglich

der Länge zu geben, da der Prozess nur dann abgeschlossen ist, wenn die Lernenden

keine Fragen mehr haben und nicht dann, wenn die Minimumvorgabe erreicht ist.

Die Lernenden sollen in dieser Sequenz darüber reflektieren, warum Menschen fliehen

und diese gefährliche Überfahrt auf sich nehmen. Sie sollen verstehen, dass sie

dasselbe wollen wie die Menschen in Europa und in weiterer Folge sensibler mit dieser

Thematik umgehen. Das laute Lesen fremder Interviews zum Abschluss der Sequenz

dient vor allem dazu, eine Anonymität zu wahren (so weiß niemand, von wem das

Interview stammt). Außerdem bekommen so alle Lernenden einen Eindruck von den

anderen Arbeiten und hören, welche Fragen wie beantwortet wurden.

EP P Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

MP 2 Impuls: Anhang S. 145.

„Lest euch zu zweit dieses Interview durch und geht dabei auf die

folgenden Fragen ein:

Wie wirken die Interviewer und der Flüchtling auf die Leserinnen und

Leser? Wie sind die Fragen gut gestellt? Was bleibt offen? Was macht es

zu einem guten bzw. schlechten Interview?“

ES 4 Vergleich der Ergebnisse

ErarbP 2 „Nun seid ihr an der Reihe! Arbeitet zu zweit und erstellt ein Interview!

Eine Person stellt die Fragen, die andere antwortet.

107

Der Interviewte ist dabei ein Flüchtling aus Afrika, der auf seiner Reise

auf Samia stieß und einen Teil des Weges mit ihr gemeinsam floh.

Geht auf die verschiedenen Aspekte der Flucht und des Lebens eines

Flüchtlings ein. Darüber hinaus, ist es interessant, zu erfahren, wann,

wo und wie der Flüchtling auf Samia traf.

Das Interview ist schriftlich auszuarbeiten!“

ES P Festhalten der Ergebnisse: Wandgalerie164

Da die Schülerinnen und Schüler das Impulsinterview lesen müssen, wird die

Lesekompetenz in dieser Einheit trainiert. Sie müssen die Kernaussagen identifizieren

können und die Informationen verarbeiten. Darüber hinaus müssen sie kritische und

differenzierende Kommentare zu den Positionen der Textvorlage formulieren. Auch

gewisse Aspekte der schriftlichen Kompetenz müssen von den Lernenden beherrscht

werden. Das Interview, welches sie selbst gestalten, muss adressaten- und

situationsangemessen verfasst werden und sie müssen verschiedene

Textualitätskriterien beachten. Ihr Wortschatz muss angemessen sowie ortho-

graphisch und grammatisch korrekt wiedergegeben werden. Darüber hinaus steht

auch die Argumentationskompetenz in dieser Einheit im Vordergrund. Die Lernenden

sind dazu angehalten, eine eigenständige Argumentationslinie zu entwickeln und die

eigenen Positionen mit Argumenten und Informationen zu stützen. Außerdem sollen

die Lernenden hinsichtlich der Sachkompetenz relevante Informationen wiedergeben

und angemessen einbetten.165

Salner-Gridling formuliert verschiedene Aspekte, die ein erfolgreiches Lernen

ermöglichen und auch in dieser Einheit zu finden sind. Den Lernenden wird genügend

Zeit zur Verfügung gestellt und durch das Thema sind sie aktiv beteiligt und

empathisch eingebunden. Sie arbeiten zudem gemeinsam und kooperieren und die

Atmosphäre ist entspannt und vertrauensvoll.166

164 Reich, K. (Hg.): Methodenpool. In: URL: http://methodenpool.uni-koeln.de [02.06.2016]. 165 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016]. 166 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21.

108

4.3.5 TAGEBUCH

Diese Aufgabenstellung befindet sich laut dem Makromodell von Abraham und Kepser

auf der Ebene „Nach der Textrezeption“, insbesondere bei „Rekonstruieren“. Zunächst

liest die Lehrperson den Tagebucheintrag vor und fragt die Lernenden, woran sie

dieser Text erinnert hat und um welche Textsorte es sich handelt. Auch sollen die

Lernenden wissen, wann dieser Tagebucheintrag verfasst wurde,

Das Hauptaugenmerk der Stunde liegt auf der Panelsequenz, die sich die Schülerinnen

und Schüler aus der Graphic Novel aussuchen, welche sie für besonders

ausdrucksstark halten. Daraufhin sollen sie einen Tagebucheintrag verfassen, der die

Gefühle der Person veranschaulicht und die Situation schildert, in der sie sich gerade

befindet. Ob es der erste Eintrag in ein neues Tagebuch ist, oder die Person bereits

lange ihre Gedanken schriftlich festhält, spielt dabei absolut keine Rolle. Einzelne

Lernende können im Anschluss auf freiwilliger Basis ihre Ergebnisse präsentieren.

Wünschenswert wäre eine Diskussion im Anschluss, bei der die Lernenden

untereinander darüber diskutieren, ob jeder und jede die Panels auf dieselbe Weise

interpretiert hätte. Sollte die Diskussion nicht von selbst starten oder abreißen, kann

der Lehrende mit den folgenden Fragen unterstützen:

Wie habt ihr die Szene empfunden?

Welche anderen Möglichkeiten gibt es, auf das Geschehen zu blicken?

Was macht diesen Eintrag so besonders?

Wie würdest du dich in dieser Situation verhalten?

Warum hat diese Person diese Gefühle? Warum hat sie das gemacht?

Eröffnungsphase Begrüßung, Einleitung in die heutige Stunde

Motivationsphase Vorlesen des Tagebucheintrags: Anhang S. 146.

„Worum geht es in diesem Text? Um welche Textsorte handelt es

sich? Wann fand dieser Eintrag statt?“

Anwendungsphase

und Hausübung

„Wählt eine Panelsequenz aus, die ihr für besonders

aussagekräftig haltet. Verfasst nun einen Tagebucheintrag, den

diese Person verfasst haben könnte.

Achtet darauf, dass ihr nur das schildert, was zu diesem Moment

geschah und dass ihr nicht vorgreift auf etwas, was die Person zu

diesem Zeitpunkt noch gar nicht gewusst haben konnte. Schildert

109

die Geschehnisse und geht dabei auch auf Gefühle ein, die diese

Person an diesem Tag womöglich hatte. (Anhang S. 147)

Ergebnissicherung Festhalten der Ergebnisse: Vortrag und Diskussion.

Ziel dieser Aufgabenstellung ist vordergründig das Schulen der Schreibfähigkeit. Die

Einheit ermöglicht es zudem, kreativ tätig zu sein und regt die Schülerinnen und

Schüler dazu an, über eine gewisse Handlung/eine gewisse Person genau

nachzudenken, was den allgemeinen Verstehensprozess hinsichtlich Analyse und

Interpretation unterstützt. Außerdem müssen sich die Lernenden eine aussagekräftige

Szene aussuchen, die sowohl im verbalen als auch im visuellen Bereich hervorsticht.

So sollen sie die Informationen sowohl aus dem Bild als auch aus dem Text herauslesen

und damit arbeiten.

Orientiert man sich hier an Saldner-Gridlings Aspekten erfolgreichen Lernens, so kann

man erkennen, dass die Lernenden genügend Zeit für die Bearbeitung haben, sie

können zudem aktiv mitbestimmen, wie ihre Arbeit genau aussehen wird. Dieser

Freiheitsgrad wird vor allem dadurch bedingt, dass die Aufgabe klar strukturiert ist

und den Schülerinnen und Schülern dafür auch genügend Raum gelassen wird. Das

bedeutet, dass sie aus einer Vielzahl von Möglichkeiten selbstständig etwas auswählen

sollen, was die intrinsische Überzeugung der Heranwachsenden stärken soll.167

Wenn die Lehrperson den Tagebucheintrag vorliest, sind die Schülerinnen und Schüler

dazu angehalten, aufmerksam zuzuhören. Sie schulen also ihre

Hörverstehenskompetenz, die sie mit den anschließenden Fragen sogleich unter

Beweis stellen können. Da diese Aufgabenstellung das Verfassen eines Tagebuch-

eintrags in den Vordergrund stellt, wird auch die schriftliche Kompetenz der

Lernenden überprüft. Der Eintrag muss adressatenorientiert und situations-

angemessen verfasst werden. Darüber hinaus sind verschiedene Textualitätskriterien

zu berücksichtigen, wie Kohäsion, Kohärenz, Intertextualität und Informativität. Der

verwendete Wortschatz muss angemessen verwendet werden und der Text sollte

formal richtig verfasst sein.168

167 vgl. Ingrid Salner-Gridling: Querfeldein: individuell lernen – differenziert lehren. Hrsg. von: Österreichisches Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. Wien: oezeps 2009. S. 21. 168 vgl. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens: Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach Deutsch. URL: https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-04-19.pdf S. 12ff. [29.05.2016].

110

5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Im Zuge dieser Diplomarbeit hat eine intensive Auseinandersetzung mit Graphic

Novels und den Möglichkeiten der Verwendung im Unterricht stattgefunden. Es wurde

versucht, die Arbeit mit diesem Format im Deutschunterricht der Sekundarstufe II zu

rechtfertigen.

Im ersten Kapitel wurde die Problematik erläutert, die der Begriff der Graphic Novel

mit sich bringt. Bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herrscht

keineswegs Einigkeit über die Definition dieses Begriffs, sodass viele Versuche zu

finden sind, aber keine eindeutigen Ergebnisse. Auch wird häufig daran gezweifelt, ob

es sich bei der Graphic Novel tatsächlich um eine eigenständige Kunstform handelt,

oder ob sie doch bloß ein Comic ist, der es mit diesem „Marketingbegriff“ in die Regale

der Buchläden geschafft hat. Da sich diese Art der Literatur hinsichtlich ihrer

Beschaffung von geschriebener Literatur unterscheidet, wurde im Anschluss die

Narration und Ästhetik erläutert, mit der die Autorinnen und Autoren arbeiten. So sind

die Entscheidungen, die diese Künstlerinnen und Künstler treffen nicht bloß als trivial

abzutun, vielmehr stecken Überlegungen hinter den Entscheidungen, welcher

Zeichenstil gewählt und welche Farbwahl für den Transport der Botschaft verwendet

wird. Auch die Art, wie Bewegung dargestellt wird und wie sich diese auf der Seite oder

im Raum bemerkbar macht, sind wichtige Grundbausteine im Prozess der Schaffens

einer Graphic Novel. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Text-Bild-Beziehung, die

vor allem bei diesen Formaten eine herausragende Rolle spielt und die sich auf vielen

unterschiedlichen Ebenen bemerkbar macht. Die Entscheidung, wie der Text in das

Bild integriert wird und wie diese beiden Codes zusammenspielen, ist für das

Textverständnis, vor allem aber für die Textinterpretation von enormer Bedeutung.

Nicht vergessen werden darf dabei die Rolle der Rezipientin und des Rezipienten, die

durch das Lesen und Betrachten die Graphic Novel erst zum Leben erwecken.

Es folgte eine intensive Auseinandersetzung mit der Literaturdidaktik, wobei vor allem

mit dem Werk von Ulf Abraham und Matthis Kepser 169 gearbeitet wurde, die sich

gründlich mit der Literaturdidaktik im Fach Deutsch beschäftigt haben.

Bezugnehmend auf ihre Arbeit wurde zunächst das Handlungsfeld Literatur erläutert,

169 vgl. Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidth GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.)

111

das sich aus der Individuation, der Sozialisation sowie der Enkulturation

zusammensetzt und sich der Frage widmet, wie Literatur beschaffen ist und wie

Menschen mit ihr umgehen. Darauffolgend wurde der Fokus auf die Literaturdidaktik

gesetzt, die gemeinsam mit der Sprach- und der Mediendidaktik die gesamte

Deutschdidaktik konstituiert. Hierbei wurden die Arbeitsbereiche dieser Didaktik

erläutert, die sich aus den Zielen, den Inhalten, den Medien und Methoden sowie den

notwendigen Rahmenbedingungen zusammensetzen. In weiterer Folge wurden die

Ziele des Literaturunterrichts angeführt, die sich äußerst vielfältig gestalten. Zunächst

unterstützen sie den Ausbau der Individuation, der Sozialisation und der

Enkulturation, helfen folglich der Etablierung eines Handlungsfelds Literatur. Des

Weiteren ist die Leseförderung ein wichtiger Bestandteil des Literaturunterrichts, da

das Lesen für den gesamten Unterricht von immanenter Bedeutung ist.

Graphic Novels in den Deutschunterricht der Sekundarstufe II zu integrieren, war der

wichtigste Aspekt dieser Arbeit. Zunächst wurden zwei Unterrichtskonzepte

vorgeschlagen, die sinnvollerweise vor der eigentlichen Beschäftigung mit einer

Graphic Novel umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um Aufgabenstellungen, die

sich einerseits mit den verschiedenen Termini beschäftigen, die eine Analyse von

Graphic Novels möglich machen und andererseits mit der Farbgestaltung, die für die

Autorinnen und Autoren stets eine entscheidende Rolle spielt und die Narration und

Ästhetik beeinflussen.

Im Anschluss an diese beiden Unterrichtsvorschläge, wurden zwei als besonders gut

rezensierte Werke herangezogen und präsentiert. Dabei handelte es sich einerseits um

„Irmina“ von Barbara Yelin sowie um „Der Traum von Olympia“ von Reinhard Kleist.

Beide Werke sind äußerst aktuell und liefern einen hohen Gegenwartsbezug. Zu Beginn

wurde der Inhalt sowie die Narration und Ästhetik dieser beiden Arbeiten präsentiert

und mit ausreichend Bildmaterial verständlich gemacht. Anschließend wurden

mithilfe den Makro- und Mikromodells von Abraham und Kepser verschiedenste

Unterrichtsvorschläge präsentiert. Sämtliche Einheiten fordern dabei eine hohe aktive

Beteiligung der Schülerinnen und Schüler und der Lernerfolg wurde stets mit den

Kompetenz-bereichen des bifie verglichen, um zu beweisen, dass die Arbeit mit

Graphic Novels ebenso ertragreich ist, wie die mit rein geschriebener Literatur.

Schlussendlich ist die Arbeit mit Graphic Novels eine herausragende Chance, um den

Literaturunterricht zu beleben und anders zu gestalten. Diese Arbeit hat gezeigt, dass

112

man auch mit wenig Text hervorragend arbeiten kann und dass die Schülerinnen und

Schüler durch Graphic Novels eine wahrhafte Bereicherung erfahren können.

Es gilt hier zu beachten, dass es Aspekte gibt, die in dieser Arbeit keinen Platz mehr

finden konnten. So wäre es sehr interessant, diese Methoden in einer Deutschklasse

auszuprobieren und die Ergebnisse festzuhalten. Auch weitere Unterrichtsvorschläge

könnten beleuchtet zu werden. Zudem erfahren viele Graphic Novels Verfilmungen

(vgl. hierzu „Waltz with Bashir“, „The Walking Dead“, „Persepolis“ etc.), weswegen

Unterrichtssequenzen, die das Thema Graphic Novel und Film untersuchen, ebenso

beachtenswert wären.

113

6 LITERATURVERZEICHNIS

6.1 Primärliteratur

CORBEYRAN Eric; HORNE Richard; WILKSEN, Kai: Die Verwandlung von Franz Kafka. 5.

Aufl. München: Knesebeck 2014.

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KLEIST, Reinhard: Castro. Hamburg: Carlsen 2010.

KLEIST, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft. Hamburg: Carlsen

2012.

KLEIST, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar.

Hamburg: Carlsen 2015.

LUST, Ulli; BEYER Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus. Berlin: Suhrkamp

2013.

SATRAPI, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008.

SPIEGELMAN, Art: Maus. Die Geschichte eines Überlebenden. Reinbek bei Hamburg:

Rowohlt 1989.

SPIEGELMAN, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier begann mein

Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992.

YELIN, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014.

6.2 Sekundärliteratur

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Hrsg. von Julia Abel; Christian Klein. Eine Einführung. J.B. Stuttgart: Metzler 2016.

ABRAHAM, Ulf; KEPSER Matthis: Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 3., neu

bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt GmbH 2009. (=Grundlagen

der Germanistik. 42.)

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Schulqualität. Erstellt am 13.10.2012. URL:

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https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_d_textsortenkatalog_2014-02-19_0.pdf

[09.04.2016].

EBERT, Hans: 5 Fragen an die Buchhandlung Strips & Stories, Hamburg. URL:

http://www.mein-literaturkreis.de/5-fragen-an-comic-graphic-novel-buchhandlung-

strips-stories-hamburg/. [08.04.2016].

KESSER Doris; STROHMEIER Dagmar: Gewaltprävention an Schulen.

Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen. S. 58. URL: http://www.oezeps.at/wp-

content/uploads/2011/07/Onlineversion_Gewaltpraevention.pdf [06.04.2016].

Kompetenzorientierte, teilzentrale schriftliche Reifeprüfung im

Unterrichtsgegenstand Deutsch an AHS. Erstellt am 04.2010. URL: http://www.uni-

klu.ac.at/deutschdidaktik/downloads/Informationspapier.pdf [17.04.2016].

MONYER, Yvonne: Dramapädagogik im Fremdsprachenunterricht. Lernen durch

Spielen. URL: http://www.theaterwerkstatt-

heidelberg.de/uploadverzeichnisse/downloads/AA_Y_MonyerTP10-2.pdf

[07.04.2016].

119

o.A.: Barbara Yelin auf der Buch Wien 2014. Erstellt am 07.11.2014. URL:

http://www.graphic-novel.info/?tag=barbara-yelin [03.06.2016].

OEHLER, Sebastian: Was sind Graphic Novels? – Deutsche und internationale Comic-

Produktionen im Überblick. 08. 2010. URL:

http://www.goethe.de/kue/lit/prj/com/ccs/csz/de5711244.htm [13.04.2016].

PLANK, Lukas: Comic, Graphic Novel & Co. URL:

https://lukasplank.files.wordpress.com/2013/10/comic-journalismus-comic-

graphic-novel-co.pdf. [23.04.2016].

RUPP, Gerhard: Was ist Deutschdidaktik. URL: http://www.ruhr-uni-

bochum.de/lidi/Downloads/was_ist_deutschdidaktik5_rvl_251007.pdf [04.05.2016].

120

6.3 Abbildungsverzeichnis

Abbildung Seite Quelle

Abb. 1 14 Corbeyran Eric; Horne Richard; Wilksen, Kai: Die Verwandlung von

Franz Kafka. 5. Aufl. München: Knesebeck 2014. S. 2.

Abb. 2 16 Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus.

Berlin: Suhrkamp 2013. S. 142.

Abb. 3 16 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 3.

Abb. 4 19 Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus.

Berlin: Suhrkamp 2013. S. 133.

Abb. 5 20 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 102.

Abb. 6 20 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 61.

Abb. 7 21 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.

88.

Abb. 8 21 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.

171.

Abb. 9 21 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 136.

Abb. 10 23 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.

72.

Abb. 11 23 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 256.

Abb. 12 24 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 3.

Abb. 13 24 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.

169.

Abb. 14 24 Satrapi, Marjane: Persepolis. London: Vintage 2008. S. 311.

Abb. 15 25 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 154.

Abb. 16 27 Kleist, Reinhard: Castro. Hamburg: Carlsen 2010. S. 20.

Abb. 17 28 Spiegelman, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier

begann mein Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. S. 111.

Abb. 18 29 Spiegelman, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier

begann mein Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. S. 11.

121

Abb. 19 29 Spiegelman, Art: Maus 2. Die Geschichte eines Überlebenden. Und hier

begann mein Unglück. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1992. S. 60.

Abb. 20 30 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 137.

Abb. 21 30 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S. 8.

Abb. 22 31 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 86.

Abb. 23 31 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.

84.

Abb. 24 32 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 26.

Abb. 25 32 Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus.

Berlin: Suhrkamp 2013. S. 344.

Abb. 26 33 Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009. S.

88.

Abb. 27 33 Spiegelman, Art: Maus. Die Geschichte eines Überlebenden. Reinbek

bei Hamburg: Rowohlt 1989. S. 61.

Abb. 28 36 Ulf Abraham; Matthis Kepser: Literaturdidaktik Deutsch. Eine

Einführung. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Erich

Schmidth GmbH 2009. (=Grundlagen der Germanistik, 42.) S. 19.

Abb. 29 47 Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung

des österreichischen Schulwesens: Standardisierte

kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung im Klausurfach

Deutsch. URL:

https://www.bifie.at/system/files/dl/srdp_de_positionspapier_2012-

04-19.pdf S. 12. [29.05.2016].

Abb. 30 62 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 8.

Abb. 31 62 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 131.

Abb. 32 63 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 261.

Abb. 33 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 158.

Abb. 34 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 128.

Abb. 35 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 131.

Abb. 36 64 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 143.

122

Abb. 37 65 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 61.

Abb. 38 65 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 134.

Abb. 39 65 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 168.

Abb. 40 66 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 130-131.

Abb. 41 67 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 198.

Abb. 42 68 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 62-63.

Abb. 43 68 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 178-179.

Abb. 44 69 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 212.

Abb. 45 69 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 169.

Abb. 46 69 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 207.

Abb. 47 71 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S.131.

Abb. 48 71 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 231.

Abb. 49. 72 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 251.

Abb. 50 72 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 62.

Abb. 51 73 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 190.

Abb. 52 73 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 238.

Abb. 53 89 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 78.

Abb. 54 90 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 98.

Abb. 55 90 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 67.

Abb. 56 90 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 93.

Abb. 57 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 128.

Abb. 58 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 97.

Abb. 59 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 88.

Abb. 60 91 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 35

123

Abb. 61 92 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 71.

Abb. 62 93 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 31.

Abb. 63 93 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 39.

Abb. 64 93 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 80.

Abb. 65 94 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 60.

Abb. 66 94 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 25.

Abb. 67 94 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 44.

Abb. 68 95 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 99.

Abb. 69 95 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 64.

Abb. 70 95 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 69.

Abb. 71 96 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 122.

Abb. 72 96 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 123.

Abb. 73 97 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 124.

Abb. 74 97 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 129.

Abb. 75 97 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 30.

Abb. 76 98 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 59.

124

Abb. 77 98 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 33.

Abb. 78 98 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 109.

Abb. 79 99 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 82.

Abb. 80 99 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 29.

Abb. 81 100 Kleist, Reinhard: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia

Yusuf Omar. Hamburg: Carlsen 2015. S. 102.

Abb. 82 126 http://www.tagesspiegel.de/images/bild2/7084964/2-format43.jpg

Abb. 83 127 Alle Begriffe außer „rot“ wurden dem Brettspiel „Tabu XXL“

entnommen.

Abb. 84 128 Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft.

Hamburg: Carlsen 2012. S. 23.

Abb. 85 134 Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 139.

Abb. 86 135-

136

Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 158-159.

Abb. 87 137-

138

Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 164-165.

Abb. 88 139-

140

Yelin, Barbara: Irmina. Berlin: Reprodukt 2014. S. 256-257.

Abb. 89 143 http://de.webfail.com/e4fd4fa28ad

125

7 ANHANG (ARBEITSBLÄTTER)

Auf den folgenden Seiten sind die Arbeitsblätter für die Beschäftigung mit „Irmina“ und

„Der Traum von Olympia“ zu finden sowie die beiden Aufgabenstellungen, die vor der

Auseinandersetzung mit den beiden Graphic Novels empfehlenswert sind. Die

Nummerierung der Arbeitsblätter stimmt mit der Nummerierung der Methoden

überein, wodurch das Finden erleichtert wird.

126

Werkzeuge von Comics und Graphic Novels

Im Laufe der nächsten Einheiten wirst du sehr häufig mit neuen Fachbegriffen

konfrontiert sein. Dieses Arbeitsblatt soll dir dabei helfen, die wichtigsten Termini

kennenzulernen.

Suche im Internet nach Erklärungen für die Begriffe im Kästchen darunter. Notiere

diese Erläuterungen und lies sie durch, bis du sie verstanden hast.

Termini:

Bild, Gedankenblase, Onomatopoetikum, Panel, Panelrahmen (gutter), Sprechblase,

Textbox, Zwischenräume

Auf der nächsten Seite findest du eine Seite aus einer Graphic Novel! Versuche nun, die

Fachtermini den einzelnen Kästchen zuzuordnen.

Lässt sich jeder Begriff zuordnen? Wenn nein, füge eine Zeichnung hinzu, wie der

Begriff in einem Comic oder einer Graphic Novel aussehen könnte.

127

Abb. 82

128

Abb. 83

Abb.

129

Abb. 84: Der Boxer, S. 23.

130

Die Begriffe für die Gruppenarbeit:

1. Einfluchtpunktperspektive

2. Zweifluchtpunktperspektive

3. Dreifluchtpunktperspektive

4. Momentschnitt

5. Pose

6. Moment-to-Moment Übergang

7. Action-to-Action Übergang

Graphic Novels für die zweite Anwendungsphase:

Kleist, Reinhard: Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft. Hamburg: Carlsen

2012

Delisle, Guy: Aufzeichnungen aus Birma. Berlin: Reprodukt 2009

Lust, Ulli; Beyer Marcel: Flughunde. Hrsg. von Andreas Platthaus. Berlin: Suhrkamp

2013

131

Graphic Novels sind äußerst komplex aufgebaut und um sie vollständig analysieren

und interpretieren zu können, müssen unterschiedliche Faktoren beachtet werden. So

besteht dieses Medium sowohl aus Text als auch aus Bildern, die erst gemeinsam eine

vollständige Geschichte erzählen. Die Integration dieser verbalen und bildlichen

Elemente lässt sich auf vielfache Weise gestalten und ist nicht bloß von Werk zu Werk,

sondern auch von Seite zu Seite, von Panel zu Panel höchst unterschiedlich. Daher ist

auch das Layout der Seite ein maßgeblicher Faktor für die Analyse und Interpretation

dieses Mediums. Die Gestaltung des Panels, dessen Integration in das Gesamtlayout

und die Strukturierung des Werks tragen wesentlich zur Narration und Ästhetik der

Graphic Novels bei. Auch die Bewegung und der Raum, in dem diese stattfindet, geben

Aufschluss darüber, was der Autor oder die Autorin bezwecken möchte. Die Graphic-

Novellisten können dabei auf eine Vielzahl von Möglichkeiten der Darstellung

zurückgreifen, um Bewegung authentisch darzustellen und den Raum erlebbar zu

machen. In diese Kategorie fallen Überlegungen wie die Frage nach der Perspektive

oder nach der Möglichkeit des Übergangs von Panel zu Panel. Durch diese zahlreichen

Mittel der Darstellung, ist auch der Rezipierende gefragt. Graphic Novels müssen

nämlich sowohl gelesen als auch betrachtet werden, um ihre Narration und Ästhetik

vollständig erfassen zu können.

132

(Schüler/in A)

Du hälst das Titelbild unserer nächsten Klassenlektüre in den Händen. Überlege,

wovon die Geschichte erzählen könnte. Geh vor allem auf die folgenden Fragen näher

ein:

Welche Personen sind zu sehen?

Wie ist das Bild hinsichtlich der Farbgebung gestaltet und welchen Aufschluss könnte das für die Stimmung des Gesamtgeschehens geben?

Wo und zu welcher Zeit könnte die Geschichte stattfinden und sind im Bild dafür Hinweise zu finden?

Raum für deine Notizen:

133

(Schüler/in B)

Du hälst das Titelbild unserer nächsten Klassenlektüre in den Händen. Überlege,

wovon die Geschichte erzählen könnte. Geh vor allem auf die folgenden Fragen näher

ein:

Welche Personen sind zu sehen?

Wie ist das Bild hinsichtlich der Farbgebung gestaltet und welchen Aufschluss könnte das für die Stimmung des Gesamtgeschehens geben?

Wo und zu welcher Zeit könnte die Geschichte stattfinden und sind im Bild dafür Hinweise zu finden?

Raum für deine Notizen:

134

Abb. 85: Irmina, S. 139.

135

Irmina anders

(Teil 1):

Überlegt euch, wie Irminas Geschichte anders hätte verlaufen können. Was hätte sie

erlebt, wenn sie einen anderen Weg gewählt hätte?

Verfasst einen kurzen Abriss, wie Irminas Geschichte ausgegangen wäre, wenn ihr die

Autoren gewesen wärt.

(Teil 2):

Da „Irmina“ kein rein geschriebener Text ist, sondern eine Graphic Novel, ist euer

nächster eine alternative Geschichte als Graphic Novel zu gestalten. Da das mit der

Hand sehr mühsam und schwierig sein kann, gibt es im Internet zahlreiche

Möglichkeiten, eine Graphic Novel zu erstellen. Entscheidet euch für eine der folgenden

Seiten:

https://www.pixton.com/de/

https://www.bitstrips.com/create/comic/

http://www.comicmaster.org.uk/

Wie ihr bereits wisst, haben der Comic und die Graphic Novel spezielle Mittel der

Darstellung. Auch in „Irmina“ hat die Autorin besondere Werkzeuge und Tricks

eingesetzt, um Stimmung zu erzeugen oder dem Leser etwas mitzuteilen.

Überlegt nun gemeinsam, welche Werkzeuge gemeint sind und was ihr auf keinen Fall

verzichten dürft, wenn ihr eine eigene Graphic Novel verfassen wollt!

136

(Bitte beachten Sie, dass hier die Doppelseiten etwas verkleinert wurden.)

Gruppe 1: Abb. 86: Irmina, S. 158-159.

Gruppe 2: Abb. 87: Irmina, S. 164-165.

Gruppe 3: Abb. 88: Irmina, S. 256-257.

137

138

139

140

141

142

Textstelle:

„Barbara Yelins Comic über da Leben einer jungen Frau während der Nazizeit bewegt,

weil wir uns als Leser stets die ihr möglichen Alternativen Wege vor Augen führen, die

ihr gestattet hätten, glücklicher zu sein und zugleich eine größere Distanz zum

Nationalsozialismus zu wahren. Irmina bewegt auch gerade deshalb, weil wir

vermeintlich viel über das Leben der Deutschen während der Nazizeit wissen, uns

ihren Alltag letzten Endes doch nicht vorstellen können. Denn im Raum steht die Frage,

warum gewöhnliche Menschen mit ihren Träumen, Nöten, Sorgen und Momenten des

Glücks sich auf ein mörderisches System einließen und diese damit erst

ermöglichten.“170

170 vgl. Alexander Korb: Irmina. Leben in der Zeitgeschichte. Ein Nachwort. S. 275.

143

Asylwerber, Asylant, Asyl... Erklärt diese und weitere wichtige Begriffe der

Flüchtlingsthematik ausführlich und so, dass sie jeder versteht.

Geht auch auf das Asylverfahren ein, das die Menschen erwartet, die nach

Österreich kommen und gestaltet ein Plakat!

Al-Shabaab, Boko Haram, IS, Salafismus… Recherchiert, was diese Namen

bedeuten, woher sie kommen, was sie fordern/anrichten etc.

Vielleicht findet ihr noch weitere, ähnliche Gruppierungen und gestaltet

mithilfe eines Plakates eine kurze Übersicht!

Aktuelle Situation in der Flüchtlingskrise: Lest euch die aktuellen Texte zu

diesem Thema durch und fasst sie zusammen: Woher kommen die Flüchtlinge?

Wovon flüchten sie? Wie ist die Situation in ihren Herkunftsländern? Wie ist die

Situation in Österreich? Gestaltet ein Plakat!

Der gefährliche Weg der Flucht: Beschreibt, wie die Flüchtlinge nach Europa

kommen! Welchen Weg wählen sie? Warum haben sie keine Alternative? Mit

welchen Transportmitteln sind sie unterwegs? Wie viel Geld kostet es etc.

(Zeichnet populäre Flüchtlingswege auf einer Karte ein!)

Gestaltet ein Plakat!

144

Abb. 89: http://de.webfail.com/e4fd4fa28ad

145

Warum sind Sie geflüchtet? In Syrien gibt es viele politische Probleme mit Kurden – und da ich Kurde bin, habe ich

mir gesagt: „Ich muss nach Europa!“ und da bin ich nach Österreich gegangen.

Weshalb gerade nach Österreich? Ich habe mich erkundigt, welches Land in Ordnung ist. Im Grunde genommen war es

mir egal – Hauptsache weg von Syrien.

Gab es bei der Flucht Schwierigkeiten? Es war sehr schwierig von Syrien wegzukommen! Ich bin zu einem Flughafen in den

Libanon gefahren, weil mit meinem Pass hätte ich nicht einfach zum syrischen

Flughafen gehen können. Es hätte zu viele Probleme gegeben. Vom libanesischen

Flughafen aus bin ich nach Minsk geflogen. Dort war ich drei Tage und dann bin ich weiter nach Wien geflogen.

Was war Ihr erster Eindruck von Österreich? Zuerst war ich im Flüchtlingsheim Traiskirchen in Niederösterreich. Dort habe ich nicht

sehr viel gesehen, aber in Wien finde ich alles sehr gut und die Leute sind sehr nett!

Wie fühlen Sie sich in diesem Heim? Ich finde Einrichtungen wie dieses Caritas-Flüchtlingsheim sehr gut und Wien gefällt

mir auch sehr. Außerdem habe ich jetzt Asyl bekommen – das heißt, dass ich jetzt in ganz Europa herumfahren kann, aber ich verlasse Österreich nicht. Österreich

empfinde ich als sehr positiv.

Haben Sie Angehörige in Österreich oder im Ausland? Meine Eltern und der Großteil meiner Familie sind in Syrien, aber zwei Brüder und eine

Schwester von mir sind in Deutschland.

Wollen Sie die österreichische Staatsbürgerschaft haben? Ich habe jetzt einen Reisepass und positives Asyl - was soll ich mir noch wünschen?

Aber natürlich möchte ich gerne österreichischer Staatsbürger werden, doch das

dauert noch lange – mindestens vier Jahre.

Sind Sie mit der Einstellung der Österreicher gegenüber Flüchtlingen zufrieden? Alle Österreicher, die ich bis jetzt getroffen habe, waren sehr nett, aber ich habe noch

nicht sehr viele Kontakte außerhalb

des Heims.

Haben Sie Kontakt zu anderen Kurden in Österreich? Ich habe natürlich zu allen möglichen Österreichern Kontakt, aber vor allem zu

Kurden, weil Kurdisch ist meine Muttersprache. Als ich hergekommen bin, konnte ich überhaupt kein Deutsch, aber ich habe neun Monate lang einen Deutschkurs gemacht

und auch hier im Caritas-Heim lerne ich Deutsch.

Vielen Dank für das Interview.

Jakob Andraschek, Judith Engel, Amon Maly171

171 URL: http://www.gedenkdienst.at/index.php?id=480 [31.05.2016].

146

Tagebucheintrag (die Lehrperson liest vor):

Ich bin endlich wieder zu Hause. Es ist merkwürdig, weil Peking so viel anders war als

Mogadischu. Die Menschen, die Häuser, die Straßen – ich fühlte mich irgendwie

verloren, doch ich war glücklich. Jetzt weiß ich nicht, was mich erwartet. Werde ich

weiter laufen können?

Mutter ist stolz auf mich, obwohl ich Letzte war, das tut gut! Es ist ihr scheinbar egal –

sie hat den olympischen Gedanke wohl besser verstanden als ich. Wieder zu Hause zu

sein ist ganz eigenartig. Die Party zu meinen Ehren war zwar nett und ich war auch

dankbar für ihr Kommen, aber andererseits – es war mir alles zu viel. Die

beschwerliche Reise, die Niederlage... ich wäre am liebsten sofort ins Bett gegangen.

Als mich alle fragten, ob ich denn nun für immer hierbleiben würde, stockte ich kurz –

will ich das?

147

(Arbeitsblatt)

Stell dir vor, du bist eine der vielen Personen in Reinhard Kleists

„Der Traum von Olympia“.

Versuche, dich in sie hineinzuversetzen, indem du dir eine aussagekräftige

Panelsequenz aus der Graphic Novel heraussuchst und mithilfe dieser einen

Tagebucheintrag erstellt.

Es steht dir frei, jede Person der Graphic Novel zu sein. Ob es der erste Eintrag in ein

neues Tagebuch ist, oder du bereits seit langer Zeit schon schreibst, ist vollkommen

dir überlassen. Du kannst schreiben, was immer du empfunden hast, als du die Szene

erlebt hast, falls du Hilfe brauchst, könnten die folgenden Fragen eine geeignete

Stütze sein:

Was ist an dem Tag alles geschehen? Was war erfreulich, anstrengend,

enttäuschend?

Wie hast du dich gefühlt?

Wen hast du getroffen?/ Mit wem hast du gesprochen?

Was erwartet dich morgen?