Diuretika Meriten und Gefahren

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Diplomarbeit Diuretika Meriten und Gefahren eingereicht von Christina Daniela Reinelt zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ.-Prof. i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler Graz, am 09.03.2016

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Diplomarbeit

Diuretika – Meriten und Gefahren

eingereicht von

Christina Daniela Reinelt

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der gesamten Heilkunde

(Dr. med. univ.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt am

Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie

unter der Anleitung von

Univ.-Prof. i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler

Graz, am 09.03.2016

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde

Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den

benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich

gemacht habe.

Graz, am 09.03.2016 Christina Reinelt eh

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Danksagungen

Bedanken möchte ich mich insbesondere bei Herrn Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr.

Eckhard Beubler für die unkomplizierte Betreuung während der gesamten Arbeit und die

große Geduld, die er walten ließ.

Außerdem bedanke ich mich bei meinen Eltern, Nicole und Helmut, die mir das Studium

überhaupt ermöglicht und mich unentwegt gefördert haben.

Ein besonderer Dank gilt meinem Freund Stephan Ziegler, der mich während des gesamten

Studiums unterstützt hat. Mit seiner geduldigen und liebevollen Art hat er mir jederzeit zur

Seite gestanden und mir immerzu neue Kraft verliehen.

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Zusammenfassung

Diuretika werden schon seit sehr langer Zeit eingesetzt, die Entdeckungsgeschichte ihrer

Wirkung geht sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bei allen Krankheiten, welche durch

die vermehrte Ausscheidung von Flüssigkeit behandelt werden können, sind Diuretika bis

heute nützliche Pharmaka. Sie greifen alle direkt oder indirekt an der Niere an und führen

so zur gesteigerten Wasserausscheidung.

Es gibt unterschiedliche Diuretikagruppen, wie unter anderem Carboanhydrasehemmer, die

am proximalen Tubulus wirksam sind, Schleifendiuretika, die an der Henle-Schleife

angreifen, oder auch Thiazide, die am distalen Tubulus ihre Wirkung entfalten. Aufgrund

ihres Wirkmechanismus kommt es allerdings nicht nur zu einer erhöhten Ausscheidung

von Wasser, sondern auch von Elektrolyten. Dies ist beispielsweise zur Behandlung einer

Alkalose, wie auch einer Hyperkalzämie nützlich und gewollt. Ist der Stoffwechsel des

Patienten/der Patientin allerdings beeinträchtigt, oder werden die Diuretika unsachgemäß

angewendet, kann es zu starken Elektrolytverschiebungen mit zum Teil verheerenden

Folgen kommen. Die gefürchtete Hypokaliämie kann beispielsweise zu Herzrhythmus-

störungen bis hin zum Kammerflimmern führen. Kaliumsparende Diuretika, wie

Aldosteronantagonisten, Triamteren oder Amilorid, bewirken das genaue Gegenteil. Die

entstehende Hyperkaliämie hat allerdings ähnlich schwerwiegende Auswirkungen wie die

Hypokaliämie. Aber auch Verschiebungen des Natrium-, Magnesium- oder

Kalziumhaushaltes können gastrointestinale, muskuläre, kardiale sowie neurologische

Symptome nach sich ziehen.

Trotz ihrer möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen sind Diuretika jedoch in der

Therapie der arteriellen Hypertonie, der Herzinsuffizienz und bei vielen weiteren

internistischen Erkrankungen heutzutage nicht mehr wegzudenken.

Da gerade ältere Patienten/Patientinnen von diesen Krankheiten betroffen sind, ihre

Körperkomposition im Vergleich zu jungen allerdings verändert ist, die Organfunktionen

eingeschränkt und die Adaptationsmechanismen vermindert sind, muss besonders bei

dieser Gruppe auf die genaue Indikationsstellung, Anwendung und auf die

Nebenwirkungen geachtet werden. Oft liegen auch mehrere Krankheiten vor, sodass

verschiedene Arzneimittel gleichzeitig eingenommen werden, was wiederum zu

Interaktionen, wie die Verstärkung oder Verminderung der Wirkungen und

Nebenwirkungen, führt.

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Zudem darf der genderspezifische Aspekt nicht vernachlässigt werden, da Männer und

Frauen in jeglicher Lebensphase unterschiedlich auf einzelne Pharmaka ansprechen.

Ein weiteres Phänomen ist die sogenannte Diuretikaresistenz, dessen Ursachen erkannt und

beseitigt werden müssen.

Letztendlich kann festgehalten werden, dass Diuretika trotz ihrer möglichen negativen

Auswirkungen sehr gute und effiziente Arzneimittel bei der Therapie vieler internistischer

Krankheiten sind. Diese unerwünschten Wirkungen können auch weitestgehend vermieden

bzw. vermindert werden, wenn zum einen die Indikation richtig gestellt und die Diuretika

richtig angewendet werden. Zum anderen sollte sowohl der Flüssigkeits- und

Elektrolythaushalt als auch das Serumkreatinin und die glomeruläre Filtrationsrate

regelmäßig kontrolliert werden, um eine erfolgreiche Diuretikatherapie zu garantieren.

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Abstract

Diuretics are already in use for a very long time, the history of discovery with their effects

even dating back to the 19th

century. Of all illnesses which can be treated by the increased

excretion of fluids, diuretics have proven to be useful pharmaceuticals to date. They all

directly or indirectly attack the kidney and thus lead to an enhanced fluid excretion.

There are different diuretics groups, such as carbonic anhydrase inhibitor which are

effective at the proximal tubule, loop diuretics which attack at the Henle´s loop or thiazides

showing their effects at the distal tubule. Owing to their working mechanism there,

however, is not only an enhanced excretion of fluids, but also of electrolytes. This for

example is useful and desired with regard to the treatment of an alkalosis as well as a

hypercalcaemia. If, however, the patient´s metabolism is encroached upon or the diuretics

are applied improperly, this could result in strong electrolyte displacements with partly

devastating consequences. For instance, the feared hypokalaemia could lead to cardiac

arrhythmia up to ventricular fibrillation. Potassium-sparing diuretics such as aldosterone

antagonist, triamterene or amiloride cause exactly the opposite. It must be emphasized that

hyperkalaemia has similar serious effects as hypokalaemia. Also displacements of the

sodium-, magnesium- or calcium balances could result in gastrointestinal, muscular,

cardiac as well as neurological symptoms.

Despite their possible unexpected adverse drug reactions diuretics are nowadays

indispensable for the therapy of arterial hypertonia, heart failure and many other internal

medical illnesses.

Especially elderly people are affected by these illnesses, their body composition - in

comparison to younger people - however, is changed, their organ functions limited and

their adaptive mechanisms reduced. It is therefore particularly important that accurate

indication, application and the prevention of possible adverse effects must be given high

priority with this group of patients. Rather often several illnesses have to be dealt with, so

that different medicines have to be taken simultaneously which on the other hand could

lead to interactions such as the increase or decrease of impacts and side effects.

Besides, the gender specific aspect should not be neglected, since men and women in any

stage of life respond differently to various medicines.

Another phenomenon is the so-called diuretics resistance whose causes have to be

discovered and eliminated.

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Last but not least, it can be stated that diuretics are very good and efficient medicines in the

therapy of many internal illnesses despite their possible negative effects. These undesired

effects can to a large extent be avoided or reduced if on the one hand the indication is

correctly given and on the other hand the diuretics are correctly applied. Apart from that, in

order to ensure a successful diuretics therapy, liquid and electrolyte balances as well as the

serum creatinine and the glomerular filtration rate should be regularly controlled.

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Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................ i

Danksagungen .................................................................................................................. ii

Zusammenfassung .......................................................................................................... iii

Abstract ............................................................................................................................... v

Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................... vii

Glossar und Abkürzungen ............................................................................................ ix

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................... x

Tabellenverzeichnis ........................................................................................................ xi

1 Einleitung ........................................................................................................................ 1

2 Material und Methoden ................................................................................................ 2

3 Allgemeiner Teil ............................................................................................................. 3

3.1 Anatomie der Niere ................................................................................................ 3

3.1.1 Makroskopischer Aufbau ............................................................................. 3

3.1.2 Mikroskopischer Aufbau .............................................................................. 3

3.2 Aufgaben und funktioneller Aufbau der Niere ............................................... 5

3.2.1 Die Niere als Ausscheidungs- und Regulationsorgan ......................... 5

3.2.2 Funktioneller Aufbau und Harnbereitung ................................................ 6

3.3 Elektrolythaushalt und –verschiebungen ....................................................... 8

3.3.1 Hyponatriämie ............................................................................................... 10

3.3.2 Hypernatriämie .............................................................................................. 10

3.3.3 Hypokaliämie ................................................................................................. 11

3.3.4 Hyperkaliämie ................................................................................................ 11

3.3.5 Hypokalzämie ................................................................................................ 12

3.3.6 Hyperkalzämie ............................................................................................... 12

3.3.7 Hypomagnesiämie ........................................................................................ 13

3.3.8 Hypermagnesiämie ...................................................................................... 13

4 Spezieller Teil ............................................................................................................... 14

4.1 Diuretika als Medikamentengruppe ................................................................ 14

4.1.1 Allgemeines und Historie ........................................................................... 14

4.1.2 Einteilung ........................................................................................................ 16

4.1.2.1 Osmodiuretika ........................................................................................ 18

4.1.2.2 Carboanhydrasehemmer ..................................................................... 19

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4.1.2.3 Schleifendiuretika ................................................................................. 20

4.1.2.4 Thiaziddiuretika ..................................................................................... 22

4.1.2.5 Kaliumretinierende Diuretika ............................................................. 24

4.1.2.5.1 Aldosteronrezeptorantagonisten ............................................... 25

4.1.2.5.2 Amilorid und Triamteren .............................................................. 27

4.2 Meriten und Gefahren der Diuretika in der praktischen Anwendung .... 29

4.2.1 Diuretikaanwendung bei internistischen Krankheiten ....................... 29

4.2.1.1 Arterielle Hypertonie ............................................................................ 29

4.2.1.2 Herzinsuffizienz ..................................................................................... 31

4.2.1.3 Weitere Internistische Erkrankungen .............................................. 34

4.2.2 Diuretikaanwendung bei unterschiedlichen Personengruppen ...... 36

4.2.3 Arzneimittelinteraktionen ........................................................................... 40

4.2.4 Diuretikaresistenz ......................................................................................... 42

5 Fazit ............................................................................................................................ 44

6 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 46

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Glossar und Abkürzungen

ACE-Hemmer Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer

ADH Antidiuretisches Hormon

AT Angiotensin

ATPase Adenosintriphosphatase

BMI Body Mass Index

Ca2+

Kalzium

Cl- Chlorid

GFR glomeruläre Filtrationsrate

H+ Wasserstoff

H2CO3 Kohlensäure

HCO3- Hydrogencarbonat

HDL High Density Lipoprotein

i.v. intravenös

ICH The International Council for Harmonisation of Technical

Requirements for Pharmaceuticals for Human Use

K+ Kalium

KHK Koronare Herzkrankheit

LDL Low Density Lipoprotein

Mg2+

Magnesium

Na+ Natrium

NaCl Natriumchlorid

NSAR Nichtsteroidales Antirheumatikum

NYHA New York Heart Association

PGE2 Prostaglandin E2

prox. proximal

RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron-System

SCUF Slow Continuous Ultrafiltration

SIADH Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion

USA United States of America

VLDL Very Low Density Lipoprotein

ZNS zentrales Nervensystem

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schematische Darstellung eines Nephrons mit Nierenkörperchen und

Tubulussystem (9) ................................................................................................................. 4

Abbildung 2: Prox. Tubulus mit Na+- Rücktransport (11) ................................................... 6

Abbildung 3: Prox. Tubulus mit HCO3- -Rücktransport (11) .............................................. 6

Abbildung 4: Transportprozesse im distalen Tubulus, Verbindungstubulus und

Sammelrohr (11) .................................................................................................................... 7

Abbildung 5: Angriffsorte der Diuretika (16) .................................................................... 16

Abbildung 6: Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Dosis und diuretischem Effekt (19) 17

Abbildung 7: Strukturformel von Acetazolamid (22) ........................................................ 19

Abbildung 8: Wirkmechanismus der Carboanhydrase im proximalen Tubulus (17) ........ 19

Abbildung 9: Strukturformel von Furosemid (22) ............................................................. 21

Abbildung 10: Wirkmechanismus der Schleifendiuretika im aufsteigenden Schenkel der

Henle-Schleife (17).............................................................................................................. 21

Abbildung 11: Strukturformel von Chlortalidon (22) ........................................................ 22

Abbildung 12: Wirkmechanismus der Thiazide im frühdistalen Tubulus (17) ................. 23

Abbildung 13: Wirkmechanismus von Spironolacton, Amilorid und Triamteren im

spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr (17) ................................................................... 25

Abbildung 14: Strukturformeln von Aldosteron, Spironolacton und Eplerenon (22) ....... 26

Abbildung 15: Strukturformeln von Amilorid und Triamteren (19) .................................. 27

Abbildung 16: Empfohlene Antihypertensivakombinationen (25) .................................... 30

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ionenkonzentrationen in den Flüsssigkeitsräumen des Körpers (12) .................. 8

Tabelle 2: Elektolytentgleisungen (13) ................................................................................. 9

Tabelle 3: Pharmakokinetik der Diuretika und Salurese wichtiger Ionen (↑ Ausscheidung

erhöht, ↓ Ausscheidung erniedrigt) (6) ................................................................................ 28

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1 Einleitung

Immer mehr Menschen werden immer älter. Und je älter eine Person ist, desto eher ist sie

multimorbide und desto komplexer ist diese Multimorbidität. (1) Mit eingeschlossen sind

auch die kardiovaskulären Erkrankungen. Laut Daten aus den USA entfallen circa 77% der

stationären Aufnahmen als Folge einer Herzinsuffizienz, 62% infolge eines Herzinfarktes

und 80% der kardiovaskulär bedingten Todesfälle auf die über 65-Jährigen. (2) Häufige

Ursache bzw. Vorbote ist die eigentlich gut therapierbare arterielle Hypertonie, die eine

weit verbreitete Krankheit darstellt. (3) Wird dieser Vorbote erkannt und diagnostiziert

kann er und auch einige andere internistische Erkrankungen, wie die akute und chronische

Herzinsuffizienz, Aszites bei Leberzirrhose oder auch das akute Hirnödem, sehr gut mit

Diuretika behandelt werden. (4)

Auf der anderen Seite können Diuretika auch häufig und vor allem bei älteren Personen zu

Krankenhauseinweisungen führen. Sowohl auf orthopädischen Stationen, nach Stürzen

wegen orthostatischer Hypotonie, als auch auf internistischen Stationen, nach einem

Herzinfarkt oder Schlaganfall infolge Dehydratation, und auch wegen Herzrhythmus-

störungen durch Hypo- oder Hyperkaliämie, liegen Patienten/Patientinnen aufgrund der

diuretika-induzierten Nebenwirkungen. (5)

Trotz ihres häufigen Einsatzes gibt es demnach nicht nur positive Aspekte der

Diuretikaanwendung. Ob nun eine Diuretikatherapie notwendig und sinnvoll ist, oder ob

sie aufgrund ihrer möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu gefährlich ist wird

nun anhand der vor- und nachteiligen Auswirkungen ihrer Anwendung erörtert.

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2

2 Material und Methoden

Diese Diplomarbeit ist eine Literaturrecherche, welche den aktuellsten Stand der

Wissenschaft zusammenfassen soll. Unter Einbezug von Fachbüchern, wissenschaftlicher

Artikel, Studien und Forschungsarbeiten sollen die Meriten und Gefahren der Diuretika

von allen Seiten her beleuchtet werden.

Die Recherche der Fachbücher wurde hauptsächlich in der Bibliothek der Medizinischen

Universität Graz durchgeführt. Weiters wurden Artikel aus den E-Journals der

elektronischen Zeitschriftenbibliothek der Medizinischen Universität Graz verwendet.

Als wissenschaftliche Datenbanken wurden Google Scholar und Pubmed herangezogen. Es

wurde unter anderem nach Begriffen wie ‚loop diuretics‘, ‚Diuretika in der Geriatrie‘,

‚heart failure‘, ‚Diuretikaresistenz‘ oder auch ‚diuretics arterial hypertension‘ gesucht.

Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Publikationen als Volltext vorlagen und nicht vor

2010 veröffentlicht wurden.

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3

3 Allgemeiner Teil

Diuretika sind Medikamente, die direkt oder indirekt an der Niere angreifen und zu einer

vermehrten Wasser- und Elektrolytausscheidung führen. (6) Um ihre Funktionsweise

besser verstehen zu können, werden anfangs die anatomischen und funktionellen

Grundlagen der Niere besprochen. Anschließend werden mögliche Elektrolyt-

verschiebungen mit ihren Auswirkungen beschrieben.

3.1 Anatomie der Niere

Um einen Überblick über die Niere zu gewinnen, soll zunächst auf den makro- und

mikroskopischen anatomischen Aufbau eingegangen werden.

3.1.1 Makroskopischer Aufbau

Die Nieren sind paarig angelegte, bohnenförmige Organe, die beidseits der Wirbelsäule

retroperitoneal im Bindegewebsraum hinter der Bauchhöhle liegen. Die Länge einer Niere

eines Erwachsenen beträgt 10-12 cm, sie ist 4-6 cm breit und ca. 4 cm dick. Außerdem

wiegt sie 120-300 g und wird mit Blut über die A. renalis direkt aus der Aorta versorgt.

Schneidet man sie im Längsdurchmesser auf, sieht man makroskopisch von außen nach

innen die Nierenkapsel (Capsula fibrosa renalis), die Nierenrinde (Cortex renalis), das

Nierenmark (Medulla renalis) und das Nierenbecken (Pelvis renalis) mit dem Harnleiter

(Ureter). Die sogenannten Pyramides renales bilden das Nierenmark, wobei die Basis in

Richtung Cortex und die abgerundeten Spitzen, die Papillae renales, in Richtung Hilum

zeigen, wo der Endharn gesammelt wird und über den Ureter abfließt. (7) (8)

3.1.2 Mikroskopischer Aufbau

Jede menschliche Niere enthält etwa eine Million ihrer kleinsten morphologischen und

funktionellen Baueinheit, dem Nephron. Es setzt sich aus einem Nierenkörperchen

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4

(Corpusculum renale) mit Glomerulus und Bowman-Kapsel, sowie dem Tubulussystem

(Tubulus renalis) zusammen.

Die Nierenkörperchen befinden sich alle im Cortex, entweder als kortikale Glomeruli in

der äußeren Rinde, oder als juxtamedulläre Glomeruli an der Grenze zum äußeren Mark.

Der Glomerulus ist ein Kapillarknäuel, welches von einem zuführenden Gefäß, der Vas

afferens, gespeist wird und dessen Blut über das abführende Gefäß, die Vas efferens,

abfließt. Diese Region am Nierenkörperchen wird als Gefäßpol bezeichnet.

Die Bowman-Kapsel umgibt mit ihrem inneren Blatt die Glomeruluskapillaren,

wohingegen das äußere Blatt den Kapselraum nach außen hin begrenzt und am dem

Gefäßpol gegenüberliegenden Harnpol in den proximalen Tubulus übergeht.

Hier schließt sich der Tubulusapparat, ein langes Röhrensystem, an, indem folgende

Abschnitte unterschieden werden (siehe Abbildung 1) (9):

Abbildung 1: Schematische Darstellung eines Nephrons mit Nierenkörperchen und Tubulussystem (9)

Vom Harnpol des Corpusculum renale ausgehend befindet sich zunächst der proximale

Tubulus mit der gewundenen Pars convoluta und der gestreckten Pars recta, welche den

dicken, absteigenden Teil der Henle-Schleife bildet.

Hieran schließt das Überleitungsstück mit der Pars descendens und der Pars ascendens, die

den dünnen Teil der Henle-Schleife darstellen.

Der folgende Abschnitt wird vom distalen Tubulus gebildet, wobei dieser mit seiner

dicken, aufsteigenden Pars recta der Henle-Schleife angehört und zusätzlich eine Pars

convoluta aufweist.

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5

Diese wird über den Verbindungstubulus in ein Sammelrohr geführt, welches um die zehn

Nephrone aufnimmt, in einen Ductus papillaris mündet und den Harn so bis zur

Papillenspitze und schließlich in die Nierenkelche leitet. (8) (9)

3.2 Aufgaben und funktioneller Aufbau der Niere

Die Niere hat viele verschiedene Aufgaben. Aufgrund ihres speziellen funktionellen Baus

ist sie für die Harnbereitung verantwortlich und stellt somit ein wichtiges Ausscheidungs-

und Regulationsorgan dar. (9) (10)

3.2.1 Die Niere als Ausscheidungs- und Regulationsorgan

Als Ausscheidungsorgan besitzt die Niere eine ganze Reihe von Aufgaben. Die wichtigste

ist die Ausscheidung von harnpflichtigen Substanzen, wie beispielsweise Harnstoff,

Harnsäure und Ammoniak. Zusätzlich werden Pharmaka und körperfremde Substanzen,

sogenannte Xenobiotika, eliminiert, wobei für den Körper wertvolle Substanzen

zurückgehalten oder über tubuläre Resorption zurückgewonnen werden.

Neben der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes über die Ausscheidung von H+

- und

HCO3-

-Ionen wird die Mineralisierung des Knochens über die Plasmakonzentration von

Kalzium und Phosphat gesteuert.

Zusätzlich können die Nieren wichtige Hormone, wie beispielsweise Erythropoetin, bilden

und agieren zudem als Erfolgsorgan von extrarenal synthetisierten Hormonen, wie

Adiuretin, Parathormon und auch Aldosteron. Letzteres ist über das Renin-Angiotensin-

Aldosteron-System an der Blutdruckregulation maßgeblich beteiligt.

Des Weiteren wird der Wasser- und Elektrolythaushalt entscheidend beeinflusst. Über die

geregelte Ausscheidung kann die Niere das Ionengleichgewicht (Isoionie), die osmotische

Konzentration (Isotonie) sowie das extrazelluläre Flüssigkeitsvolumen (Isvolämie)

kontrollieren. (9) (10)

Dies wird durch die Gesamtdurchblutung beider Nieren gewährleistet. Pro Tag werden

etwa 150 Liter Plasmaflüssigkeit filtriert, wobei circa 90% der gelösten Substanzen und

99% des filtrierten Wassers im Tubulussystem resorbiert werden, sodass die Menge des

Endharns nur ungefähr 1,5 Liter beträgt. Die glomeruläre Filtrationsrate beschreibt das pro

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6

Zeiteinheit filtrierte Flüssigkeitsvolumen und ist von dem effektiven Filtrationsdruck, der

Fläche und der hydraulischen Leitfähigkeit des Filters abhängig. (10)

3.2.2 Funktioneller Aufbau und Harnbereitung

Wie nun aus den 150 Litern Primärharn die 1,5 Liter Endharn entstehen, soll im Folgenden

erörtert werden.

Anfangs müssen große Flüssigkeitsmengen transportiert und resorbiert werden, wobei es

gegen Ende des Tubulussystems zur Feineinstellung der Urinkonzentrierung kommt. Eine

besondere Rolle spielt dabei die Resorption von NaCl, da circa 80% der filtrierten,

gelösten Substanzen Na+ und Cl

- -Ionen sind. (10)

Das Ultrafiltrat, auch als Primärharn bezeichnet, entsteht in den Glomeruli und wird bereits

im proximalen Tubulus um mehr als die Hälfte reduziert. (11)

Abbildung 2: Prox. Tubulus mit Na+-

Rücktransport (11)

Abbildung 3: Prox. Tubulus mit HCO3- -

Rücktransport (11)

In Abbildung 2 und 3 sind die Vorgänge am proximalen Tubulus bildlich dargestellt.

Zunächst gelangen Na+-Ionen über Transportproteine in die Tubulusepithelzelle, wo sie

aktiv mittels einer Na+/K

+-ATPase ins Interstitium gepumpt werden. Mit diesem Na

+-

Transport ist außerdem eine Wasser- und Chloridresorption gekoppelt, wobei der Körper

hier bereits circa 60% des filtierten Wassers zurückgewinnt.

Über die Carboanhydrase wird Hydrogencarbonat folgendermaßen resorbiert: ein Na+-Ion

gelangt im Austausch gegen ein H+-Ion ins Zellinnere, wobei das Proton im Primärharn

mit HCO3- zu Kohlensäure reagiert. Unter Einwirkung der Carboanhydrase entsteht CO2,

Page 19: Diuretika Meriten und Gefahren

7

das direkt in die Zelle gelangt. Hier kommt es zur entgegengesetzten Reaktion und CO2

wird mittels des gleichen Enzyms wieder zu H2CO3 überführt. Diese intrazellulär

entstandene Kohlensäure dissoziiert in ein H+-Ion, das wiederum zum Austausch gegen ein

Na+-Ion verwendet werden kann, und in ein HCO3

- -Ion, das ins Interstitium abgegeben

wird und somit als alkalische Reserve dem Körper zur Verfügung steht.

Zudem kommt es im proximalen Tubulus zur Resorption von weiteren Kationen, wie K+,

Ca2+

und Mg2+

sowie von Glukose, Aminosäuren und Proteinen. (11)

Die Henle-Schleife hat mit ihren drei Teilabschnitten auch mehrere verschiedene

Aufgaben. Der dicke absteigende Teil gehört zum proximalen Tubulus und ist bereits oben

beschrieben. Im Segment der dünnen Schenkel gelangen einige Kationen und Cl--Ionen in

das Tubuluslumen, ein aktiver Transport findet praktisch nicht statt. (10)

Abbildung 4: Transportprozesse im distalen Tubulus, Verbindungstubulus und Sammelrohr (11)

Im dritten Abschnitt, dem dicken, aufsteigenden Teil, befindet sich ein Na+-K

+-2Cl

- -

Cotransport, wodurch diese Kationen aus dem distalen Tubulus in die Epithelzelle

befördert werden und weiter ins Interstitium gelangen (siehe Abbildung 4). Da der gesamte

aufsteigende Teil der Henle-Schleife wasserundurchlässig ist, steigt in diesem Bereich der

osmotische Druck im Interstitium an und fällt im Tubulussystem ab, was wiederum in den

Sammelrohren die treibende Kraft zur Rückresorption von Wasser darstellt. (11)

Im abschließenden, distalen Konvolut kommt es nun zur Feinjustierung der

Urinzusammensetzung, je nachdem welche Substanzen der Körper benötigt, wobei hier nur

noch geringe Transportleistungen existieren.

Page 20: Diuretika Meriten und Gefahren

8

Wie in Abbildung 4 dargestellt, befindet sich im frühdistalen Konvolut zunächst ein Na+-

Cl--Cotransport, im Verbindungstubulus und im Sammelrohr kommt es in Abhängigkeit

von Aldosteron zu einem Austausch von Na+ aus dem Primärharn gegen K

+ oder H

+ über

sogenannte Kanalproteine. Je höher die Na+-Konzentration im Tubuluslumen dieses

Abschnittes ist, desto mehr Natriumionen werden resorbiert und desto mehr Kaliumionen

und Protonen werden abgegeben.

Ist das antidiuretische Hormon vorhanden, wird das Epithel des Sammelrohrs

wasserdurchlässig und es kommt, aufgrund des hohen osmotischen Gradienten, zur

passiven Wasserresorption und zur weiteren Konzentrierung des Endharns. (11)

3.3 Elektrolythaushalt und –verschiebungen

Die Elektrolytkonzentrationen der einzelnen Flüssigkeitsräume des Körpers sind

charakteristisch und für viele Lebensprozesse eine wesentliche Voraussetzung.

Wie in Tabelle 1 ersichtlich, ist die Ionenzusammensetzung des Blutplasmas und der

interstitiellen Flüssigkeit sehr ähnlich, wobei Na+ das bedeutendste Kation und Cl

- das

wichtigste Anion darstellt. In der intrazellulären Flüssigkeit hingegen überwiegen die

Kaliumionen bei den Kationen und anorganisches Phosphat bei den Anionen. (12)

Tabelle 1: Ionenkonzentrationen in den Flüsssigkeitsräumen des Körpers (12)

Page 21: Diuretika Meriten und Gefahren

9

Die Niere hat mit ihrer Resorptions- und Ausscheidungsfunktion einen beträchtlichen

Einfluss auf die Elektolytzusammensetzung des menschlichen Körpers. Eine Irritation ihrer

physiologischen Arbeitsweise durch Krankheit oder Medikamente zieht somit eine

Verschiebung des Elektrolythaushalts nach sich.

Tabelle 2 bietet einen groben Überblick über die wichtigsten Elektrolyte, welche bezüglich

der Auswirkung ihrer Entgleisungen betrachtet werden. (13)

Tabelle 2: Elektolytentgleisungen (13)

Elektrolytstörung Grenzwert Ursachen Symptome

Hyponatriämie Plasmakonzentration

< 130 mmol/l

Störung der Wasser-

ausscheidung, SIADH,

Herzinsuffizienz,

Diuretika

Übelkeit,

Muskelkrämpfe,

neurologische

Symptome

Hypernatriämie Plasmakonzentration

> 150 mmol/l

Wasserverlust, Natrium-

retention, gesteigerte

orale Natriumzufuhr

Übererregbarkeit,

Ataxie, zerebrale

Krampfanfälle

Hypokaliämie Plasmakonzentration

< 3,5 mmol/l

Verteilungsstörungen,

renale oder gastroinstes-

tinale Kaliumverluste

Schwächegefühl,

Muskelkrämpfe,

kardiale Symptome

Hyperkaliämie Plasmakonzentration

> 5,0 mmol/l

vermehrte K+-Zufuhr,

Verteilungsstörungen,

verminderte

K+-Ausscheidung,

Niereninsuffizienz

neurologische,

muskuläre und kardiale

Symptome

Hypokalzämie Plasmakonzentration

< 2,2 mmol/l

Hypoalbuminämie,

Malnutrition,

Hypoparathyreoidismus

Krampfanfälle,

Parästhesien

Hyperkalzämie Plasmakonzentration

> 2,65 mmol/l

Malignome, primärer

Hyperparathyreoidismus

Erbrechen, Rhythmus-

störungen, Koma

Hypomagnesiämie Plasmakonzentration

< 0,7 mmol/l

Hyperthyreose, Mal-

absorptionssyndrom,

Diuretika

Neurologische

Symptome,

Herzrhythmusstörungen

Hypermagnesiämie Plasmakonzentration

> 1,6 mmol/l

Chronische

Niereninsuffizienz,

Magnesiumsubstitution

Gastrointestinale

Symptome, Hypotonie,

schlaffe Lähmungen

Page 22: Diuretika Meriten und Gefahren

10

3.3.1 Hyponatriämie

Eine Hyponatriämie ist sehr häufig und liegt vor, wenn die Plasmanatriumkonzentration

weniger als 130 mmol/l beträgt. Hyponatriämie bedeutet lediglich, dass die

Natriumkonzentration im Verhältnis zum Extrazellulärvolumen zu gering ist, es muss

jedoch nicht zwingend ein Natriummangel vorherrschen. Je nach Hydratationszustand des

Patienten/der Patientin können folgende Formen unterschieden werden:

Hypervolämische Hyponatriämie: Gesamtkörpernatriumüberschuss bei

Wasserüberschuss

Hypovolämische Hyponatriämie: Gesamtkörpernatriummangel bei

extrazellulärem Volumenmangel

Isovolämische Hyponatriämie: Gesamtkörpernatrium im Normbereich (13)

Die Ursache ist meist eine unausgeglichene Wasserbalance durch eine Störung der ADH –

vermittelten Wasserausscheidung, sprich freies Wasser kann renal nicht ausgeschieden

werden. Dies kann entweder medikamentös durch eine gesteigerte ADH-Freisetzung und –

Wirkung ausgelöst werden, im Zuge des Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion

entstehen oder auch die Folge einer Leberzirrhose, Herzinsuffizienz oder auch von

Volumenmangel sein. (13) (14)

Des Weiteren wird der Natriumhaushalt durch den extrarenalen Natrium- und

Flüssigkeitsverlust bei z.B. Diarrhoe, sowie den renalen Verlust, wie durch

Diuretikatherapie, beeinflusst. (13)

Symptome treten eher bei schwereren oder auch bei schnell eingetretenen Hyponatriämien

auf und reichen von Übelkeit und Muskelschwäche bis zu Bewusstseinstrübung, Grand-

Mal-Anfällen und Koma. (13) (14)

3.3.2 Hypernatriämie

Von einer Hypernatriämie spricht man, wenn die Na+-Konzentration im Plasma mehr als

150 mmol/l beträgt. Schwere Ausprägungen weisen im Gegensatz zu einer schweren

Hyponatriämie eine höhere Morbidität und Mortalität auf, sind allerdings seltener.

Als Ursache kommt zum einen die Natriumretention oder erhöhte -zufuhr in Frage. Zum

anderen kommt es infolge der Dehydratation durch beispielsweise übermäßiges Schwitzen,

Page 23: Diuretika Meriten und Gefahren

11

Verbrennungen oder auch aufgrund eines Diabetes insipidus, zu Flüssigkeits-

verschiebungen vom Intra- in den Extrazellulärraum sowie zu einem Anstieg der

Plasmaosmolalität.

Je nach Ausprägungsgrad können Symptome wie Ruhelosigkeit, aber auch Lethargie,

Übererregbarkeit, Ataxie oder zerebrale Krampfanfälle auftreten. (13)

3.3.3 Hypokaliämie

Unter einer Plasmakaliumkonzentration von 3,5 mmol/l spricht man von einer

Hypokaliämie.

Ursachen hierfür könnten neben der verminderten Kaliumzufuhr auch

Verteilungsstörungen, wie etwa bei metabolischer Alkalose, sein. Des Weiteren spielen

gastrointestinale Kaliumverluste eine große Rolle. Bei Diarrhoe oder Laxantientherapie

kommt es zum direkten K+-Verlust, Erbrechen wiederum führt zu einer metabolischen

Alkalose und somit zum indirekten K+-Verlust.

Eine weitere Ursache ist der renale Kaliumverlust wie beim primären

Hyperaldosteronismus oder unter Diuretikatherapie, wobei hier die verminderte tubuläre

Natriumresorption zu vermehrter Urin-, sowie Kaliumausscheidung führt.

Milde Hypokaliämien verlaufen eher symptomlos, selten kommt es zu Müdigkeit,

Muskelkrämpfen und EKG-Veränderungen. (13)

3.3.4 Hyperkaliämie

Ab einer Plasmakaliumkonzentration > 5,0 mmol/l spricht man von einer Hyperkaliämie.

Als Ätiopathogenese kommen hier folgende Faktoren in Betracht:

vermehrte orale oder venöse K+-Zufuhr

verminderte K+-Ausscheidung, beispielsweise durch Medikamente, wie

kaliumsparende Diuretika, Ciclosporin, Heparin, ACE-Hemmer, oder

auch bei Niereninsuffizienz und Hypoaldosteronismus

Verteilungsstörungen, z.B. durch Medikamente wie ß-Blocker,

Digitalisintoxikation oder Succinylcholin, aber auch durch Azidosen

oder Insulinmangel. (15)

Page 24: Diuretika Meriten und Gefahren

12

Die Klinik besteht, ähnlich wie bei der Hypokaliämie, aus muskulären, neurologischen und

kardialen Symptomen mit Muskelschwäche, Paralysen und Herzrhythmusstörungen. (13)

(15)

3.3.5 Hypokalzämie

Bei der Hypokalzämie beträgt die Plasmakalziumkonzentration weniger als 2,2 mmol/l,

wobei sowohl das proteingebundene als auch das ionisierte Kalzium betroffen sein kann.

Ersteres kann bei Hypoalbuminämie durch nephrotisches Syndrom oder auch bei

Malnutrition entstehen, zweiteres eher durch Nebenschilddrüsenunterfunktion und

Vitamin-D-Mangel.

Hauptsymptom ist die verstärkte Erregbarkeit des kompletten Nervensystems was

Krampfanfälle, Spasmen und Parästhesien nach sich ziehen kann. Dies tritt aber auch eher

bei ausgeprägten Hypokalzämien auf, chronische und milde Formen verlaufen meist

symptomlos. (13) (15)

3.3.6 Hyperkalzämie

Die Ursachen von über 80% der Hyperkalzämien, welche definitionsgemäß eine

Plasmakalziumkonzentration von mehr als 2,65 mmol/l aufweisen, sind auf Malignome mit

osteoklastischen Metastasen und Nebenschilddrüsenüberfunktion zurückzuführen. Seltener

kommen unter anderem Immobilisation bei Osteoporose, Sarkoidose und schwere

Frakturen in Frage.

Als Folge kann die Niere mit Polyurie und Polydipsie, wie auch das Nervensystem mit

Kopfschmerzen, Psychosen und Koma betroffen sein. Zudem kommt es zu gastro-

intestinalen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsabnahme sowie zu

Knochenschmerzen und Herzrhythmusstörungen. (13) (15)

Page 25: Diuretika Meriten und Gefahren

13

3.3.7 Hypomagnesiämie

Von einer Hypomagnesiämie spricht man, wenn die Plasmamagnesiumkonzentration

weniger als 0,7 mmol/l beträgt. Sie kann einerseits durch eine verminderte Zufuhr bei

Malnutrition oder Alkoholismus, andererseits auch durch renale oder intestinale

Magnesiumverluste bedingt sein. Renale Verluste können eine Hyperthyreose,

Diuretikatherapie oder Diabetes mellitus als Ursache haben, intestinale entstehen unter

anderem durch das Malabsorptionssyndrom, Diarrhoe oder Enteritiden.

Meist kommt es ab Plasmamagnesiumwerten von unter 0,5 mmol/l zu Schwindel, Tetanie

und Depression, zusätzlich können kardiale Symptome mit Arrhythmien und

Herzinsuffizienz auftreten. (13)

3.3.8 Hypermagnesiämie

Eine Hypermagnesiämie liegt eigentlich ab einem Serum-Magnesiumspiegel über 1

mmol/l vor, sie wird allerdings erst ab einer Konzentration von über 1,6 mmol/l klinisch

relevant.

Bei akuter und chronischer Niereninsuffizienz, bei Magnesiumsubstitution wie auch bei

Hypothyreose und Morbus Addison findet man erhöhte Magnesiumwerte.

Bei Werten > 2 mmol/l wird das Reizleitungssystem des Herzens sowie die

Erregungsübertragung an der neuromuskulären Endplatte blockiert, was Hypotonie,

Hyporeflexie, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation und schlaffe Lähmungen nach sich zieht.

Steigt der Spiegel auf über 3,5 mmol/l an kommt es zur respiratorischen Insuffizienz, noch

höhere Werte können sogar zur Atemlähmung und zum diastolischen Herzstillstand

führen. (13) (15)

Page 26: Diuretika Meriten und Gefahren

14

4 Spezieller Teil

Nachdem die Grundlagen bezüglich der Niere und des Elektrolythaushaltes behandelt

wurden, soll nun im speziellen Teil die Arzneimittelgruppe der Diuretika mit ihren

positiven und negativen Wirkungen besprochen werden.

4.1 Diuretika als Medikamentengruppe

Zunächst wird auf die Medikamentengruppe der Diuretika allgemein eingegangen und ihre

einzelnen Substanzen dargestellt.

4.1.1 Allgemeines und Historie

Die gesteigerte Harnausscheidung ist das Wirkprinzip aller Diuretika. Wird nur die

Wasserausscheidung erhöht, spricht man von Aquaretika, wie beispielsweise ADH.

Kommt es neben der vermehrten Wasser- zusätzlich zu einer erhöhten

Natriumausscheidung, spricht man von Saluretika oder auch natriuretischen Diuretika. (16)

(17) Diese Hemmung der tubulären Na+-Rückresorption ist der Wirkmechanismus der

meisten Diuretika.

Mannitol und Sorbitol sind Osmodiuretika, welche intravasal Wasser binden. Da sie nach

der glomerulären Filtration nicht rückresorbiert werden, halten sie das Wasser im

Tubuluslumen und steigern so die Harnausscheidung. (16)

Viele glückliche Zufälle prägen die Entdeckungsgeschichte der Diuretika. Coffein stellt

den ersten Vertreter mit wissenschaftlich nachgewiesener diuretischer Wirkung dar. 1884

erhielten die Pflanzeninhaltsstoffe den Namen ‚Purine‘, wobei schon lange vorher die

Wirkung von coffeinhaltigen Zubereitungen von Pflanzen bekannt waren.

Bereits 1887 wurde der zufällig entdeckte ‚diuretische Effekt‘ von dem Pharmakologen

Woldemar von Schroeder in Tierversuchen belegt.

Abgelöst wurden die Purine als Diuretika wiederum durch eine zufällige Entdeckung. Im

Rahmen einer Syphilistherapie mit Quecksilberverbindungen konnte eine urintreibende

Wirkung beobachtet werden. Nach einigen Forschungen gelang 1920 der wissenschaftliche

Page 27: Diuretika Meriten und Gefahren

15

Nachweis des diuretischen Effektes von chemisch komplexeren Quecksilberverbindungen.

In den folgenden 30 Jahren spielten diese Medikamente in der Diuretikatherapie eine große

Rolle, wobei sie bei Daueranwendung viele Nachteile aufwiesen.

So entstanden die ersten rein synthetisch gewonnenen Diuretika, die quecksilberfreien

Sulfonamide. Auch diese wurden per Zufall während der Behandlung einer anderen

Krankheit beobachtet. Der Grund für den bahnbrechenden Erfolg war neben der höheren

Potenz und der geringeren Toxizität der zusätzliche Einsatz bei Herzinsuffizienz,

Hypertonie und zur Ödemausschwemmung.

1950 kam Acetazolamid als erstes peroral applizierbares, sulfonamidhaltiges Diuretikum in

den Handel. Die vielen Nebenwirkungen und die zu geringe NaCl-Ausscheidung forderten

allerdings weitere Forschungen in der Gruppe der Carboanhydrasehemmer.

1957 wurde von Novello und Sprague Chlorothiazid gefunden, welches nun eine Salurese

bewirkte. Ein Thiazid mit deutlich verbesserten pharmakokinetischen Eigenschaften wurde

mit dem Hydrochlorothiazid synthetisiert, das ab dem Jahr 1959 dem Markt zur Verfügung

stand.

Im gleichen Jahr kam es, während den Bestrebungen effektivere Thiazide zu

synthetisieren, erneut zur zufälligen Entdeckung einer Substanz, welche allerdings einen

völlig anderen Wirkmechanismus aufwies. Den Forschenden wurde klar, dass sie ein viel

potenteres Diuretikum hergestellt hatten, welches nicht wie die Thiazide am frühdistalen

Tubulus angreift, sondern an der Henle-Schleife.

Auch innerhalb der bis heute unentbehrlichen Saluretika, den Schleifendiuretika, gab es

weitere Fortschritte. Neben der ursprünglichen Substanz Furosemid weist das Piretanid

eine bessere und zuverlässigere Resorbierbarkeit und das Torasemid eine längere

Halbwertszeit und somit längere Wirkzeit auf.

Alle oben beschriebenen Substanzen hatten trotz der Erfolge das gemeinsame Problem der

hohen Kaliumverluste. Daraufhin wurden die kaliumretinierenden Diuretika, wie

Spironolacton, welches Aldosteron von dessen renalem Rezeptor verdrängt, sowie

Triamteren und Amilorid als Natriumkanalblocker, entwickelt. Letztere werden heute fast

ausschließlich in Kombination mit Sulfonamiddiuretika eingesetzt. (18)

Page 28: Diuretika Meriten und Gefahren

16

4.1.2 Einteilung

Die Arzneimittelgruppe der Diuretika umfasst also viele Substanzen, welche nach

verschiedenen Kriterien eingeteilt werden können. Abbildung 5 zeigt die Einteilung nach

ihrem Angriffspunkt am Tubulussystem bzw. ihrem Wirkmechanismus:

Osmodiuretika

Carboanhydrasehemmer

Thiaziddiuretika

Schleifendiuretika

Kaliumretinierende Diuretika und Aldosteronantagonisten (6)

Abbildung 5: Angriffsorte der Diuretika (16)

Je weiter proximal Diuretika angreifen, desto wirksamer sollten sie sein, da über 2/3 des

Glomerulumfiltrats im proximalen Tubulus, weniger als 1/4 im Bereich der Henle-Schleife

und der Rest aufgeteilt im distalen Tubulus sowie im Sammelrohr resorbiert wird. Die

proximal verminderte Natriumaufnahme kann allerdings weiter distal durch verstärkte

Page 29: Diuretika Meriten und Gefahren

17

Resorption kompensiert werden, sodass sich die Carboanhydrasehemmer klinisch nicht

durchsetzen konnten. Sie wirken aber gut in Kombination mit anderen weiter distal

wirkenden Diuretika, vor allem bei der diuretikabedingten Alkalose. (4)

Betrachtet man den maximalen diuretischen Effekt kann zusätzlich zwischen folgenden

Gruppen unterschieden werden:

„low-ceiling“- Diuretika (Thiaziddiuretika, Aldosteronantagonisten und

kaliumretinierende Diuretika): Sie sind potenter, wirken aber langsamer und

schwächer als Schleifendiuretika

„high-ceiling“- Diuretika (Schleifendiuretika): Die Wirkung steigt nahezu

proportional zur applizierten Dosis an. Sie wirken schneller und der maximal

diuretische Effekt ist 2-3fach stärker als beispielsweise bei Thiaziden (16) (19)

Abbildung 6 zeigt exemplarisch die Dosis-Wirkungs-Beziehung von „high“- und „low-

ceiling“- Diuretika. (19)

Abbildung 6: Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Dosis und diuretischem Effekt (19)

Page 30: Diuretika Meriten und Gefahren

18

4.1.2.1 Osmodiuretika

Vertreter der Osmodiuretika sind die mehrwertigen ‚Zuckeralkohole‘ Mannitol und

Sorbitol, welche zu einer stark erhöhten Wasserausscheidung führen. Einerseits können sie

Wasser intravasal binden. Da sie glomerulär filtriert, aber nicht wieder rückresorbiert

werden, steigt andererseits ihre Konzentration im Tubulus zusätzlich an, wodurch der

osmotische Druck weiter erhöht und noch mehr Wasser gebunden wird.

Des Weiteren kommt es durch die Steigerung der Nierendurchblutung zu einem

Auswascheffekt, wodurch der osmotische Gradient zwischen dem Tubuluslumen und dem

Interstitium abnimmt und in weiterer Folge die Wasserresorption vermindert wird.

Da somit mehr Wasser als Natrium ausgeschieden wird, entsteht eine Hypernatriämie.

Folglich können die Zuckeralkohole nicht zur Ausschwemmung peripherer Ödeme

eingesetzt werden. (20) (21)

Dahingegen finden sie wegen ihrer schnell einsetzenden starken Wirkung ihre Anwendung

in der Akuttherapie, z.B. von Hirnödemen oder auch zur Augeninnendrucksenkung bei

einem Glaukomanfall. Sie können weder die Bluthirnschranke noch die Kapillaren des

Auges passieren und führen so durch die intravasale Bindung von Wasser zur Senkung des

Hirn- bzw. Augendruckes. Nach 48 Stunden kann es allerdings zu Störungen der

Bluthirnschranke kommen, sodass Osmodiuretika nach dieser Zeit nicht mehr appliziert

werden dürfen. Mannitol und Sorbitol könnten so ins Gewebe diffundieren und zu einer

Flüssigkeitsanreicherung im Hirngewebe führen.

Darüber hinaus können sie auch bei Oligurie zur Erhöhung des Harnflusses oder

zusammen mit Furosemid, einem Schleifendiuretikum, zur verstärkten Diurese bei

Vergiftungen eingesetzt werden. (20) (21)

Aufgrund ihrer Volumenverschiebungen dürfen Osmodiuretika weder bei einem akuten

Lungenödem, noch bei Dehydratation oder bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Auch

bei Anurie sind sie kontraindiziert, da sie durch die ausbleibende renale Elimination zur

vermehrten Flüssigkeitsansammlung führen. (20) (21)

Page 31: Diuretika Meriten und Gefahren

19

4.1.2.2 Carboanhydrasehemmer

Die Carboanhydrasehemmer gelten als Vorreiter der heute verwendeten Diuretika. (18)

Neben dem Acetazolamid gehört Dorzolamid oder auch Diclofenamid zu dieser Gruppe.

Wie Abbildung 7 zeigt, ist Acetazolamid ein aromatisches Sulfonamid, welches durch

metabolische Azidose allerdings rasch an Wirkung verliert und somit kaum noch

Bedeutung als Diuretikum hat. (6)

Abbildung 7: Strukturformel von Acetazolamid (22)

Prinzipiell wirken diese Diuretika auf die Carboanhydrase im proximalen Tubulus. Wie

Abbildung 8 zeigt, kommt es durch die Hemmung der Carboanhydrase zu einer

verminderten Bildung von H2CO3 in der Tubuluszelle. Folglich stehen auch weniger H+-

Ionen zum Austausch gegen Na+-Ionen zur Verfügung, wodurch Natrium zusammen mit

Wasser weniger resorbiert und vermehrt ausgeschieden wird.

Die nun im Tubuluslumen fehlenden H+-Ionen führen zur verminderten Bildung von

Kohlensäure mit Bicarbonat. Zusätzlich kann das vorhandene H2CO3 aufgrund der

Hemmung der Carboanhydrase nicht in H2O und CO2 gespalten werden, weswegen auch

Bicarbonat vermehrt ausgeschieden wird. (6) (20)

Abbildung 8: Wirkmechanismus der Carboanhydrase im proximalen Tubulus (17)

Page 32: Diuretika Meriten und Gefahren

20

Neben der Natrium- und Hydrogencarbonatausscheidung kommt es außerdem zum

vermehrten Kaliumverlust, da aufgrund von Gegenregulationen im distalen Tubulus Na+

gegen K+ ausgetauscht und die Na

+-Resorption somit in diesem Abschnitt gesteigert wird.

Zum Ladungsausgleich zu HCO3- führt die geringere Chloridausscheidung. Aufgrund

dieser Kompensationsmechanismen gelten Carboanhydrasehemmer als schwache

Diuretika, da nur circa 5-8% des Glomerulumfiltrats ausgeschieden werden (vgl. Tabelle

3). Außerdem nimmt die glomeruläre Filtrationsrate ab. (6) (20)

Acetazolamid wird sowohl bei der akuten Pankreatitis, bei Makulaödemen oder auch beim

Glaukom eingesetzt, da die Bildung von Pankreassaft und Kammerwasser vermindert wird.

Die Höhenkrankheit führt über eine Hyperventilation zur respiratorischen Alkalose. Ihr

kann mit einem Carboanhydrasehemmer entgegengewirkt werden.

Des Weiteren birgt die durch Carboanhydrasehemmer induzierte azidotische

Stoffwechsellage eine geringere Gefahr eines Krampfes bei Epilepsie. Auch bei

Vergiftungen mit Barbituraten oder Salicylaten kommt die Therapie mit Acetazolamid zum

Einsatz. (6) (20)

Die metabolische Azidose sowie die Hypokaliämie stellen die wichtigsten Neben-

wirkungen dar. Außerdem kann es unter anderem zu Leistungsabfall, Parästhesien,

Depressionen und Leberfunktionsstörungen kommen. (6) (20)

Bei schwerem Natrium- und Kaliummangel wie auch bei Hypovolämie sind Carbo-

anhydrasehemmer kontraindiziert. Weiters dürfen sie unter anderem bei Leberzirrhose,

respiratorischer Insuffizienz sowie schwerer Leber- und Niereninsuffizienz nicht eingesetzt

werden. (6)

4.1.2.3 Schleifendiuretika

Folgt man dem Tubulussystem weiter nach distal, gelangt man zu dem Angriffsort der

Schleifendiuretika, der Henle-Schleife. Der prominenteste Vertreter der Schleifendiuretika

ist Furosemid. Daneben gibt es noch Torasemid und Piretanid, welche beide vom

Furosemid-Typ sind, und Etacrynsäure. Letztere hat allerdings wegen der unerwünschten

Wirkungen, wie Hörschäden, an Bedeutung verloren.

Page 33: Diuretika Meriten und Gefahren

21

Wie Abbildung 9 zeigt, gehört der Furosemid-Typ auch der Gruppe der Sulfonamide an.

(6)

Abbildung 9: Strukturformel von Furosemid (22)

Die Funktion der Schleifendiuretika ist die Hemmung des Na+-K

+-2Cl

- -Symporters (siehe

Abbildung 10). Dadurch verbleiben diese Elektrolyte im Tubuluslumen und werden

ausgeschieden. Weiters wird auch die Mg2+

- und Ca2+

- Ausscheidung gefördert. Mit der

verminderten Resorption von Natrium wird zudem weniger Wasser in die Tubuluszelle

rückresorbiert und somit die Diurese gesteigert. (20)

Abbildung 10: Wirkmechanismus der Schleifendiuretika im aufsteigenden Schenkel der Henle-Schleife (17)

Neben der Hemmung des Cotransporters wird außerdem die Niere verstärkt durchblutet.

Durch die Erweiterung der Vasa afferentia über PGE2 und die Verengung der Vasa

efferentia über Angiotensin II steigt der glomeruläre Filtrationsdruck, was letztendlich in

der vermehrten Bildung von Primärharn resultiert. (6) (21)

So können 30-40% des Glomerulumfiltrats ausgeschieden werden (vgl. Tabelle 3).

Schleifendiuretika sind die am stärksten wirksamen Diuretika und sind auch bei

eingeschränkter Nierenfunktion noch wirksam. Sie gehören zu den „high-ceiling“-

Diuretika, d.h. wenn ihre Dosis erhöht wird, kommt es zu einer Wirkungsverstärkung, da

die Dosis-Wirkungs-Beziehung über einen weiten Bereich nahezu linear verläuft. (6) (20)

Page 34: Diuretika Meriten und Gefahren

22

Aufgrund der sehr schnellen und starken Wirkung werden die Schleifendiuretika vor allem

zur Akuttherapie wie beim Lungenödem, Hirnödem oder auch bei Vergiftungen eingesetzt.

Des Weiteren dienen sie der Behandlung von Hypertonie, Hyperkaliämie und

Hyperkalzämie. Kardiale Ödeme lassen sich mit Schleifendiuretika genauso gut behandeln

wie die drohende Anurie bei Niereninsuffizienz. Bei chronischen Ödemen kommen sie erst

zur Anwendung, wenn die Thiaziddiuretika versagen, da Schleifendiuretika stärker

ausgeprägte unerwünschte Wirkungen haben. (6) (20)

Zu diesen zählen Exsikkose und Hypovolämie mit der Gefahr einer Thrombose oder eines

Kreislaufkollaps sowie reversible Hörschäden bei Furosemid- und irreversible Hörschäden

bei Etancrynsäureanwendung. Zudem kann es zu Hypokaliämien kommen, sodass die

Gefahr für die Entstehung von Herzrhythmusstörungen erhöht wird. Weiters steigt die

Gefahr eines Gichtanfalls durch die Hemmung der Harnsäureausscheidung, die

Glukosetoleranz verschlechtert sich und es entsteht eine erhöhte Neigung zu

Hyperglykämien. Weiters können Magen-Darm-Beschwerden, wie Durchfall, Übelkeit und

Erbrechen auftreten. (6) (20)

Bei Anurie, schweren Elektrolytmangelzuständen und schwerer Leberinsuffizienz sind

Schleifendiuretika kontraindiziert. Auch bei Sulfonamidallergie, Gicht, im Präkoma und

im Coma hepaticum sollten sie nicht angewendet werden. (6) (20)

4.1.2.4 Thiaziddiuretika

Die folgende Diuretikagruppe die besprochen werden soll, ist die der Thiazide. Sie sind

genau wie die Schleifendiuretika, auch Sulfonamidderivate. Die typischen Vertreter sind

Hydrochlorothiazid und Bemetezid sowie die Thiazidanaloga Xipamid, Indapamid und

Chlortalidon, welches folgende Struktur hat (6) (20):

Abbildung 11: Strukturformel von Chlortalidon (22)

Page 35: Diuretika Meriten und Gefahren

23

Durch die Hemmung des Na+/Cl

--Symporters (siehe Abbildung 12) am frühdistalen

Tubulus führen die Thiaziddiuretika zu einer verminderten Natrium- und somit auch zu

einer geringeren Wasserresorption an der luminalen Seite der Tubuluszelle, die Diurese

wird folglich gesteigert. Zusätzlich kommt es durch die Sympoterfunktion zu einer

geringeren Resorption und somit zur erhöhten Ausscheidung von Chlorid. Da nun die

Natriumkonzentration im distalen Tubulus hoch ist, wird hier Na+ im Austausch gegen K

+

verstärkt resorbiert. Dadurch kommt es im Endeffekt zu einer erhöhten

Kaliumausscheidung. Aufgrund der geringen Hemmung der Carboanhydrase am

proximalen Tubulus führen Thiazide auch zu einer gesteigerten HCO3--Ausscheidung.

Zusätzlich wird Magnesium vermehrt und Kalzium, im Gegensatz zu den

Schleifendiuretika, vermindert ausgeschieden, weswegen sie bei Hyperkalzämie zur

Anwendung gebracht werden. (20)

Abbildung 12: Wirkmechanismus der Thiazide im frühdistalen Tubulus (17)

Thiazide und ihre Analoga werden aus dem Darm sehr gut resorbiert, woraus eine hohe

Bioverfügbarkeit resultiert. Bei Chlortalidon beträgt sie 65%, bei Hydrochlorothiazid 70%

und bei Indapamid sogar 95%. Die Wirkung tritt im Vergleich zu den Schleifendiuretika

langsamer ein und hält aufgrund der längeren Halbwertszeit (sie liegt zwischen 7 und 24

Stunden bzw. bei Chlortalidon sogar bei 44 Stunden) länger an. (6)

Da sie mit der Ausscheidung von 10-15% des glomerulären Filtrats aber eine eher

moderate diuretische Wirkung haben eignen sie sich vor allem zur schonenden

Ausschwemmung von chronischen Ödemen, besonders bei Herzinsuffizienz mit normaler

Nierenfunktion (vgl. Tabelle 3).

Neben dem diuretischen Effekt spielt der direkte vasodilatatorische Einfluss eine große

Rolle, sodass Thiaziddiuretika in der Therapie der Hypertonie die Pharmaka der ersten

Wahl darstellen. (6) (20) (21)

Page 36: Diuretika Meriten und Gefahren

24

Sie gehören außerdem der Gruppe der „low-ceiling“-Diuretika an, d.h. dass ihre Wirkung

ab einer gewissen Dosis durch eine Steigerung dessen nicht mehr zunimmt. Ihre Dosis-

Wirkungskurve flacht also rasch wieder ab. (6)

Ihr diuretischer Effekt ist zudem durch die negative Beeinflussung der glomerulären

Filtrationsrate limitiert, wodurch die saluretische Wirkung vermindert, die antihypertensive

Wirkung jedoch aufrechterhalten wird. (20)

Neben dem Einsatz zur Therapie der Hypertonie und von chronischen Ödemen, sowohl

kardialer, hepatischer oder renaler Natur, können die Thiazide bei Diabetes insipidus

eingesetzt werden. Hier kommt es paradoxerweise durch den Einsatz von Diuretika zur

Resorption von Na+ und H2O im proximalen Tubulus und somit zur Abnahme der

Harnmenge. (6)

Als Nebenwirkung steht hier, wie bei allen Diuretika, die Hypovolämie und –kaliämie mit

ihren oben beschriebenen Folgen an erster Stelle. (20) Im Prinzip haben Thiazid- und

Schleifendiuretika ähnliche unerwünschte Wirkungen und Kontraindikationen (siehe

4.1.2.3 Schleifendiuretika).

Als Unterschied kann jedoch festgehalten werden, dass Thiazide wahrscheinlich häufiger

zu Hypokaliämien neigen als Schleifendiuretika und dass sie deswegen oft in Kombination

mit kaliumretinierenden Diuretika angeboten werden. Zusätzlich stellen Schwangerschaft

und Stillzeit sowie die Hyperkalzämie eine Kontraindikation für Thiazide dar. Die

Wirkung auf den Lipidstoffwechsel ist vermutlich gravierender, sprich LDL wird

zusätzlich erhöht und HDL vermindert. Desweiteren kommt es zur Verstärkung der

Hyperglykämien und Antidiabetika-Resistenzen. Mit Hörschäden ist bei der Anwendung

von Thiaziden im Gegensatz zu Schleifendiuretika jedoch nicht zu rechnen. (21)

4.1.2.5 Kaliumretinierende Diuretika

Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich bei dieser Gruppe um Diuretika,

welche im Gegensatz zu allen anderen Substanzen die Kaliumausscheidung senken und

somit anstatt einer Hypo- eine Hyperkaliämie bewirken. Bezüglich des Wirkmechanismus

kann man zwischen zwei Gruppen unterscheiden. Wie Abbildung 13 zeigt, gibt es

Aldosteronrezeptorantagonisten (z.B. Spironolacton), welche die Wirkung von Aldosteron

Page 37: Diuretika Meriten und Gefahren

25

im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr hemmen, sowie Triamteren und Amilorid,

welche unabhängig von Aldosteron an gleicher Stelle die Natriumkanäle hemmen. (20)

Abbildung 13: Wirkmechanismus von Spironolacton, Amilorid und Triamteren im spätdistalen Tubulus und

im Sammelrohr (17)

4.1.2.5.1 Aldosteronrezeptorantagonisten

Zunächst soll auf die Aldosteronrezeptorantagonisten eingegangen werden, zu dessen

Vertretern Spironolacton, Eplerenon und auch Kaliumcanrenoat zählen.

Um die Wirkungsweise besser verstehen zu können, wird eingangs die Funktion von

Aldosteron erörtert.

Aldosteron ist ein in der Nebennierenrinde gebildetes Steroidhormon, das im spätdistalen

Tubulus und im Sammelrohr an nukleäre Mineralkortikoidrezeptoren bindet. Um die

Synthese von aldosteroninduzierten Proteinen, wie unter anderem Natriumkanäle, Na+/K

+-

ATPasen oder auch Na+/H

+-Antiporter, zu steigern, dringt es mit seinem Rezeptor in den

Zellkern ein. So kommt es schließlich zu einer vermehrten Na+-Resorption und H

+- und

K+-Sekretion.

Erfolgt nun eine Blockierung dieses Rezeptors durch z.B. Spironolacton führt dies zu einer

verminderten Synthese der oben genannten aldosteroninduzierten Proteine. Dadurch wird

weniger Natrium (und auch Wasser) resorbiert und folglich mehr Kalium zum

Ladungsausgleich retiniert. (20)

Page 38: Diuretika Meriten und Gefahren

26

Die Wirkstärke von Aldosteronrezeptorantagonisten ist mit 2-4% des Glomerulumfiltrats

allerdings sehr gering (vgl. Tabelle 3). Da ihre Wirkung außerdem verzögert einsetzt,

werden sie häufig mit anderen schneller wirksamen Diuretika, wie Furosemid oder

Hydrochlorothiazid, kombiniert. Des Weiteren wirken sie nur, wenn Aldosteron vorhanden

ist, sprich bei Hyperaldosteronismus erreichen sie ihre maximale Wirkung, während sie bei

Aldosteronmangel keine Wirkung zeigen. (6) (20)

Spironolacton und Eplerenon sind Derivate des Aldosterons. In Abbildung 14 wird die

Ähnlichkeit der Strukturformeln ersichtlich, wobei Eplerenon eine zusätzliche

Epoxidgruppe (roter Kreis) aufweist. Dadurch wirkt es spezifischer an den

Mineralkortikoidrezeptoren und weist somit im Vergleich zu Spironolacton weniger

unerwünschte Wirkungen auf. (20) (22)

Abbildung 14: Strukturformeln von Aldosteron, Spironolacton und Eplerenon (22)

Prinzipiell werden Aldosteronrezeptorantagonisten nach oraler Gabe gut resorbiert und

entfalten ihre Wirkung nach circa zwei bis drei Tagen. Spironolacton und Kaliumcanrenoat

werden zum aktiven Metaboliten Canrenon metabolisiert. Kaliumcanrenoat ist der einzige

Aldosteronrezeptorantagonist der i.v. angewendet werden kann, wobei hierfür

nachgewiesen werden konnte, dass bei der Metabolisierung kanzerogene Epoxide

entstehen und dieses Präparat somit selten verwendet wird. (6) (20)

Page 39: Diuretika Meriten und Gefahren

27

Zur Anwendung kommen die Aldosteronrezeptorantagonisten beim primären

Hyperaldosteronismus, dem Conn-Syndrom. Auch beim sekundären Hyperaldosteronismus

mit Ödemen und/oder Aszites bei Leberinsuffizienz spielen sie eine große Rolle. (6) (20)

Eplerenon ist zusätzlich als Arzneimittel zur Therapie der chronischen systolischen

Herzinsuffizienz ab dem Stadium NYHA II zugelassen. Der Mechanismus für

Spironolacton ist noch nicht sicher bekannt, weswegen es für diese Indikation noch nicht

zugelassen wurde. Da es die Mortalität bei Herzinsuffizienz aber erheblich reduzierte,

wurde es in die kombinierte Pharmakotherapie aufgenommen. (6) (21)

Bei den unerwünschten Wirkungen steht die Hyperkaliämie im Vordergrund. Durch die

Interaktion mit anderen intrazellulären Steroidrezeptoren kann es vor allem bei

Spironolacton zur Impotenz und Gynäkomastie beim Mann sowie zum Hirsutismus und

zur Amenorrhoe bei der Frau führen. Bei Eplerenon sind diese hormonellen

Nebenwirkungen weniger stark ausgeprägt, dafür kann es neben der Hyperkaliämie zu

Hypotonie, Übelkeit und Durchfall kommen. (6) (20)

Kontraindiziert ist diese Gruppe der Diuretika für Mütter und Kinder, bei Hyperkaliämie

und schwerer Niereninsuffizienz. Außerdem sollte es nicht in Kombination mit weiteren

kaliumsparenden Diuretika gegeben werden. (20) (21)

4.1.2.5.2 Amilorid und Triamteren

Abbildung 15: Strukturformeln von Amilorid und Triamteren (19)

Abbildung 15 zeigt die beiden Wirkstoffe Amilorid und Triamteren. Sie sind synthetische

Verbindungen die den Natriumkanal auf der luminalen Seite der Tubuluszelle im distalen

Tubulus und im Sammelrohr hemmen (vgl. Abbildung 13). Das dadurch weniger

resorbierte Natrium fehlt schließlich auf der interstitiellen Seite der Tubuluszelle zum

Page 40: Diuretika Meriten und Gefahren

28

Austausch gegen Kalium, wodurch eine geringere Menge an Kalium auf der luminalen

Seite abgegeben werden kann. (6) (21)

Amilorid und Triamteren haben die gleiche geringe Wirkstärke wie die

Aldosteronrezeptorantagonisten mit 2-4% des Glomerulumfiltrats (vgl. Tabelle 3). Als

Monotherapie haben sie demnach keine Bedeutung. Im Gegensatz dazu sind sie ein

wichtiger Bestandteil der Kombinationstherapie mit Thiazid- oder Schleifendiuretika zur

Prophylaxe einer Hypokaliämie. Ihre Wirkung tritt allerdings bereits nach ungefähr zwei

Stunden ein und erreicht ihr Maximum nach circa fünf Stunden. (6) (20)

Die Nebenwirkungen sind denen der Aldosteronrezeptorantagonisten wiederum sehr

ähnlich. Die Hyperkaliämie steht vor Durchfall, Übelkeit und Erbrechen an erster Stelle.

Weiters können Exantheme und Wadenkrämpfe auftreten. (6) (20)

Die Anwendung von Triamteren führt zur Hemmung der Folsäuresynthese, weswegen es

bei Folsäuremangel nicht angewendet werden darf. (6) (21)

Als weitere Kontraindikation gilt die Kombination mit Aldosteronrezeptorantagonisten und

ACE-Hemmern sowie die Anwendung bei Niereninsuffizienz, da infolgedessen die Gefahr

der Hyperkaliämie steigt. (20)

Nachdem die einzelnen Diuretikagruppen mit ihrer spezifischen Wirkung beschrieben

worden sind, soll Tabelle 3 nochmals einen Überblick über die Pharmakokinetik der

einzelnen Diuretika und über die Salurese der wichtigsten Ionen bieten. (6)

Tabelle 3: Pharmakokinetik der Diuretika und Salurese wichtiger Ionen (↑ Ausscheidung erhöht, ↓

Ausscheidung erniedrigt) (6)

Page 41: Diuretika Meriten und Gefahren

29

4.2 Meriten und Gefahren der Diuretika in der praktischen

Anwendung

Diuretika werden bereits seit langer Zeit erfolgreich zur Behandlung der verschiedensten

Krankheiten eingesetzt. (4) (18)

Welchen Nutzen, aber auch welche Gefahren die Anwendung der einzelnen Diuretika

bringen können soll im Folgenden erörtert werden.

4.2.1 Diuretikaanwendung bei internistischen Krankheiten

Die arterielle Hypertonie, die Herzinsuffizienz, aber auch die Leberzirrhose mit Aszites

und das Nephrotische Syndrom stellen Beispiele für die Anwendung von Diuretika dar.

Die Vor- und Nachteile dieser Therapie werden nun anhand einzelner internistischen

Erkrankungen aufgezeigt. (4)

4.2.1.1 Arterielle Hypertonie

Die arterielle Hypertonie ist zum einen eine der häufigsten Erkrankungen weltweit, zum

anderen auch der wichtigste kardiovaskuläre Risikofaktor, der weltweit für viele

Todesfälle verantwortlich ist. (3)

Ab Blutdruckwerten von über 140/90 mmHg spricht man von einer arteriellen Hypertonie,

welche mit einem individuell angepassten Behandlungsschema therapiert werden sollte.

(23)

Zu den Allgemeinmaßnahmen, welche bei jeder Hypertonietherapie die Basis darstellen,

gehört neben der Behandlung bzw. Beseitigung der Risikofaktoren die Normalisierung des

Gewichts, mediterrane Kost und eine ausgewogene, salz- und cholesterinarme Ernährung.

Als regelmäßige sportliche Bewegung wird dynamisches Ausdauertraining, wie z.B.

Walken oder Schwimmen empfohlen. Bereits durch diese leicht umsetzbaren Lifestyle-

Modifikationen kann der Blutdruck und damit das kardiovaskuläre Risiko signifikant

vermindert werden.

Page 42: Diuretika Meriten und Gefahren

30

Ist die alleinige Basistherapie nicht ausreichend, bzw. ist der Blutdruck ≥180/110 mmHg

so wird eine medikamentöse Therapie empfohlen. Zu den Medikamenten der ersten Wahl

zählen Thiazide, Angiotensin-Rezeptorblocker, die meisten Betablocker, ACE-Hemmer

und langwirksame Kalziumantagonisten. (3) (24) (25) Für diese Substanzklassen gilt die

Senkung der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität als bewiesen. (23) (24) (25)

Nach den europäischen Richtlinien sollte die medikamentöse Monotherapie nur bei

Patienten/Patientinnen mit geringem kardiovaskulären Risiko bei milder Hypertonie

eingeleitet werden. (3) Da bei unzureichendem Erfolg ein weiteres Antihypertensivum

hinzugefügt werden kann, spricht man von der sogenannten Stufentherapie.

Als weitere Strategie steht die primäre Kombinationstherapie zur Verfügung, wobei hier

ein Diuretikum zusammen mit einem Betablocker oder ein Diuretikum mit einem ACE-

Hemmer bevorzugt wird (vgl. Abbildung 16). (24) (25) Laut den kürzlich erschienenen

amerikanischen Richtlinien kann, unabhängig des Schweregrades der Hypertonie, frei

zwischen der Mono- und der Kombinationstherapie entschieden werden. (3)

Eine andere Möglichkeit zur Behandlung des Bluthochdrucks stellt die sequentielle

Monotherapie dar. Bei dieser Methode werden die einzelnen Antihypertensiva als

Monotherapie solange gegeneinander ausgetauscht, bis der gewünschte Effekt erreicht

wird. (25)

Abbildung 16: Empfohlene Antihypertensivakombinationen (25)

Welches Antihypertensivum nun eingesetzt, bzw. mit welchem anderen es am

wirkungsvollsten kombiniert werden kann, hängt von den Begleiterkrankungen ab, wobei

hier hauptsächlich auf die positiven und negativen Auswirkungen der

Diuretikakombinationen eingegangen wird.

Page 43: Diuretika Meriten und Gefahren

31

Bei begleitender Herzinsuffizienz stellen Diuretika aufgrund der Vorlastsenkung ein

günstiges Arzneimittel dar. Herrscht eine schlechte Lipidstoffwechsellage, so kann der

Einsatz von Thiaziden zu einer weiteren Erhöhung der Triglyzeride sowie des VLDL

führen. Bei metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus entsteht durch Diuretikagabe

zusätzlich eine Verminderung der Glukosetoleranz und ein Anstieg der Insulinresistenz.

Auch bei Gicht sind Diuretika aufgrund des Harnsäureanstiegs zu vermeiden. Wegen der

Gefahr der Hyperkaliämie sollten bei Niereninsuffizienz weder Aldosteronantagonisten,

noch kaliumsparende Diuretika eingesetzt werden. Schleifendiuretika sind bei dieser

Indikation, und auch bei Herzinsuffizienz mit Ödemen, allerdings sehr wirksam, auch

wenn die Thiazidtherapie nicht mehr anspricht. (23) (24) (25)

Prinzipiell sind die Nebenwirkungen von Thiaziddiuretika stark dosisabhängig, außerdem

wird trotz Dosissteigerung keine weitere Senkung des Blutdrucks erzielt. Demzufolge

werden sie in niedriger Dosierung angewendet, zumal in einer Metaanalyse aus 2003

gezeigt werden konnte, dass durch eine Dosishalbierung die Nebenwirkungen der

Antihypertensiva wesentlich gesenkt werden, während der blutdrucksenkende Effekt nur

um circa 20% vermindert wird. (3) (24)

4.2.1.2 Herzinsuffizienz

Eine über Jahre bestehende arterielle Hypertonie kann die Entstehung einer

Herzinsuffizienz nach sich ziehen. (23)

Sie ist definiert als das Unvermögen des Herzens die Peripherie, trotz eines ausreichenden

Füllungsdruckes und Blutangebotes, adäquat zu versorgen.

Anhand des Zeitraumes, in welchem sie entsteht, kann prinzipiell zwischen der akuten und

der chronischen Herzinsuffizienz unterschieden werden. Erstgenannte kann die Folge eines

kardiogenen Schocks oder auch eines Lungenödems sein. Die chronische Herzinsuffizienz

kann aufgrund bestimmter Auslöser akut dekompensieren, entsteht aber eher auf dem

Boden einer bereits bestehenden Koronarerkrankung. (26) Je nachdem welcher Ventrikel

betroffen ist, spricht man von einer Links-, oder Rechtsherzinsuffizienz. Sind beide

Ventrikel betroffen besteht eine Globalinsuffizienz. (27)

Grundsätzlich ist die Herzinsuffizienz in Europa und den USA der Hauptgrund der

Krankenhauseinweisungen und stellt folglich ein großes Gesundheitsproblem dar, welches

angemessen behandelt werden muss. (28)

Page 44: Diuretika Meriten und Gefahren

32

Wie bei der arteriellen Hypertonie gelten auch bei der Behandlung der Herzinsuffizienz

einige Therapiegrundsätze. Neben der Reduktion von kardiovaskulären Risikofaktoren, der

Begrenzung der Kochsalzzufuhr und der Flüssigkeitsmenge, sollte das Gewicht

normalisiert und bei stabiler Herzinsuffizienz regelmäßige körperliche Bewegung

angestrebt werden. Im Gegensatz dazu gilt bei der akuten bzw. dekompensierten

Herzinsuffizienz Bettruhe. (25) (27) Auf Reisen und in der Freizeit sollte bei chronischer

Herzinsuffizienz allerdings die Flüssigkeitsaufnahme überwacht und an die Gegebenheiten

angepasst werden. Des Weiteren sollte der Alkoholkonsum eingeschränkt und das Rauchen

gestoppt werden. (29)

Als Therapieziele sind die Steigerung der Herzmuskelkontraktilität wie auch die Senkung

der Vor- und der Nachlast, welche entscheidend durch Diuretika beeinflusst werden, zu

nennen. (27) Da der Diuretikaeinsatz bekannterweise zu einem vermehrten Ausscheiden

von Flüssigkeit führt, wird das im Körper vorhandene Blutvolumen verringert. Daraus

resultiert nun eine Verminderung des venösen Blutrückflusses, des Ventrikel-

füllungsdruckes und der diastolischen Wandspannung, was wiederum den sogenannten

‚preload‘ reduziert. Weil zusätzlich der arterielle Blutdruck und folglich auch die

systolische Wandspannung abnimmt, wird auch der sogenannte ‚afterload‘ gesenkt.

Weiters werden interstitielle Ödeme ausgeschwemmt. (26)

Grundsätzlich wird bei der Behandlung der akuten Herzinsuffizienz ein anderes Vorgehen

gewählt, als bei der chronischen. Bei den ersten Anzeichen einer akuten Herzinsuffizienz

sollten initial Diuretika eingesetzt werden. (30) Wegen ihres starken diuretischen Effekts

und ihrer vasodilatatorischen Wirkung stehen hier die Schleifendiuretika, i.v. als Bolus mit

anschließender kontinuierlicher i.v.-Gabe, an erster Stelle. Führt diese Maßnahme nicht zu

einer Besserung der Symptomatik, können Nitrate oder Dobutamin dazu gegeben werden,

was effektiver als eine Dosissteigerung der Diuretika ist. (5) (25) Zudem steht der Einsatz

von hoch dosierten intravenösen Schleifendiuretika, im Gegensatz zu niedrig dosierten, im

Zusammenhang mit der Entstehung eines Nierenversagens sowie dem erhöhten Risiko der

Mortalität im Krankenhaus. (31)

Prinzipiell werden Diuretika bei jeder Herzinsuffizienz mit Flüssigkeitsstauung eingesetzt.

Liegen nur geringe Ödeme oder eine leichte Dyspnoe z.B. bei chronischer Herzinsuffizienz

vor, reicht oftmals die Gabe von Thiaziden. (5) (25)

Um eine Hypokaliämie zu vermeiden, sollten sie mit den schwach wirkenden kalium-

sparenden Diuretika oder ACE-Hemmern kombiniert werden. Hier muss allerdings auf den

gegenteiligen Effekt, die Hyperkaliämie, besonders geachtet werden. (5) (27) (32) Letztere

Page 45: Diuretika Meriten und Gefahren

33

Kombination wirkt auch der Stimulation des RAAS und des Sympathikus entgegen, wobei

durch eine einschleichende Dosierung einem initialen Blutdruckabfall vorgebeugt werden

soll. (25) Die Thiazide werden vor allem zur langsamen Ödemausschwemmung verwendet

und können unter anderem, wie auch bei der Therapie der arteriellen Hypertonie, eine

Hämokonzentration, Thromboembolien, Hyperkalzämie und auch eine verminderte

Glukosetoleranz sowie eine Hyperlipidämie nach sich ziehen. (27)

Ist die Wirkung der Thiazide, bei beispielsweise Nierenfunktionsstörungen oder auch bei

vermehrter Flüssigkeitsretention, zu schwach, kommen die Schleifendiuretika auch bei der

chronischen Herzinsuffizienz zum Einsatz. Die neueren Präparate Torasemid und

Bumetanid sind effektiver als Furosemid, da sie eine höhere Bioverfügbarkeit, Torasemid

zusätzlich noch eine längere Halbwertszeit aufweisen. (32)

Als Nebenwirkungen kommen bei den Schleifendiuretika allerdings neben der

Hypomagnesiämie und Hypokalzämie auch ein verstärkter Blutdruckabfall und

Hörstörungen wie auch eine verstärkte Nephrotoxizität von beispielsweise Amino-

glykosiden vor. (27) (32) Vor allem bei der kontinuierlichen i.v.-Anwendung wurde zwar

die Diurese gesteigert, die Nebenwirkungsrate war jedoch höher, die Nierenfunktion wurde

verschlechtert und die Hospitalisierung war länger. (32)

Außerdem kann die Anwendung von Schleifendiuretika, genau wie die Thiazidanwendung

auch, zu Hypokaliämien mit folgenden kardialen Rhythmusstörungen und erhöhter

Mortalität führen.

Weiters kommt es durch die Kombination von Spironolacton mit Furosemid eher zu

gastrointestinalen Nebenwirkungen und Gynäkomastie als bei der Gabe von Amilorid mit

Furosemid.

Die Gynäkomastie ist zudem ein Problem bei der Anwendung von Spironolacton, nicht so

bei dem neueren Aldosteron-Antagonisten Eplerenon. (32)

Aufgrund der Verbesserung der Stauungssymptomatik sind Diuretika in der Therapie der

Herzinsuffizienz demnach nicht wegzudenken. Es muss allerdings festgehalten werden,

dass sie rein symptomatisch wirken.(5) (26) Lediglich für Spironolacton und Eplerenon

konnte in den RALES-, EPHESUS- und EMPHASIS-HF-Studien eine Senkung der

Sterblichkeit bzw. eine geringere Hospitalisierungsrate nachgewiesen werden. Durch

diesen additiven Effekt zur Standardtherapie aus Betablockern, ACE-Hemmern und

Diuretika können Aldosteron-Antagonisten gut mit ihr kombiniert werden. Eine besondere

Page 46: Diuretika Meriten und Gefahren

34

Beachtung und Kontrolle des Elektrolythaushaltes ist jedoch obligat, da es unter der

Therapie mit Aldosteron-Antagonisten zur Erhöhung der Morbidität und Mortalität durch

Hyperkaliämien gekommen ist. (25) (32)

4.2.1.3 Weitere Internistische Erkrankungen

Die häufigste Indikation der Diuretika ist zwar die Behandlung der arteriellen Hypertonie

und der Herzinsuffizienz, sie werden unter anderem aber auch bei Leberzirrhose mit

Aszites, bei akutem Hirnödem, bei Nephrotischem Syndrom und Nierenversagen,

Kalziumoxalatsteinen oder bei Hyperkalzämie angewendet. (4)

Bei Leberzirrhose mit Aszites gilt die Natriumrestriktion als first-line Therapie. Als

second-line Therapie werden die absolute Alkoholkarenz und orale Diuretika, wie

Spironolacton, empfohlen. Dieses Arzneimittel ist als Monotherapie genauso effektiv, wie

in Kombination mit Furosemid. Das Problem von Spironolacton ist die als Nebenwirkung

auftretende Gynäkomastie, weswegen als Alternative auf das etwas weniger effektive

Amilorid zurückgegriffen werden kann.

Bei inadäquatem Ansprechen auf die Therapie können Thiazide hinzugegeben werden,

welche bei anhaltendem Versagen durch Schleifendiuretika ersetzt werden sollten.

Bei zusätzlicher Nierenfunktionseinschränkung ist es günstiger öfter geringe Dosen, anstatt

eine einmalige hohe Dosis zu verabreichen.

Liegen hohe Renin- und Aldosteronspiegel vor, ist die Ansprechrate auf Spironolacton

meist höher als auf Furosemid. Eine weitere Reduktion des Plasmareninspiegels kann

durch die Kombination von humanem Serumalbumin und diuretischer Therapie erreicht

werden.

Bei schwerem Aszites löst die therapeutische Parazentese mit Plasmaexpander die

Diuretika ab, wobei diese anschließend zur Rezidivvermeidung gegeben werden sollten.

(32)

Für die Entstehung des Hirnödems sind zwar ausschließlich lokale Faktoren

verantwortlich, dennoch können Diuretika über eine forcierte Diurese zur Abschwellung

des Gehirns mit folgender Drucksenkung führen. Während die meisten Diuretika dem

Extravasalraum indirekt über eine vermehrte Wasserausscheidung Volumen entziehen,

Page 47: Diuretika Meriten und Gefahren

35

greifen hyperosmolare Diuretika hier direkt ein. Die prognostische Wirkung dieser

Therapie ist allerdings nicht eindeutig bewiesen. (4)

Das Nephrotische Syndrom ist definiert durch das Vorhandensein einer Proteinurie,

Hyperlipidämie, Hypalbuminämie und von Ödemen. Der Schlüssel für eine effektive

Therapie ist die Negativierung der Natriumbilanz, was durch eine verminderte

Flüssigkeitszufuhr, Natriumrestriktion und die Einnahme von Diuretika erreicht werden

kann. Um eine zu starke Diurese mit nachfolgenden Elektrolytverschiebungen, akutem

Nierenversagen, Thromboembolisierungen und Hämokonzentration zu vermeiden, sollten

die Ödeme langsam ausgeschwemmt werden.

Prinzipiell wird die gemeinsame Anwendung von Diuretika und Albumin empfohlen. Die

Kombination von Furosemid mit Albumin führt zu einer vermehrten Harn- und

Natriumausscheidung, weswegen diese Verbindung der Behandlung des Nephrotischen

Syndroms bei Diuretikaresistenz und schwerer Hypalbuminämie vorbehalten werden

sollte.

Es gibt Hinweise, dass Thiazide zusammen mit Schleifendiuretika die höchste

Wirksamkeit aufweisen. Die Kombination von Metolazon, einem thiazidähnlichen

Diuretikum, mit Furosemid ist ähnlich wirksam wie die Thiazid-Furosemid-Kombination,

wobei sich Metolazon nur in der längeren Halbwertszeit von den Thiaziden unterscheidet.

(32)

Eine weitere Indikation der Diuretika ist das Nierenversagen, welches über eine Abnahme

der glomerulären Filtrationsrate mit der möglichen Entstehung einer Azidose, Hyper-

kaliämie und einer verminderten Harnausscheidung definiert ist. (5) Das akute Nieren-

versagen sollte nur im Frühstadium bei beeinträchtigender Überwässerung mit

Schleifendiuretika behandelt werden. Hat es einen tubulotoxischen Ursprung, sollte diese

Diuretikagruppe wegen ihres verstärkenden tubulotoxischen Effektes gemieden werden.

(4) (33) Bei intrarenalem akuten Nierenversagen können zusätzlich osmotisch wirksame

Substanzen, wie Mannitol, zur Aufrechterhaltung des tubulären Filtratflusses eingesetzt

werden. Der Nutzen dieser Therapien konnte dagegen noch nicht bewiesen werden. (5)

Für die chronische Niereninsuffizienz sind als Basismaßnahmen unter anderem eine

diätische Eiweiß- und Salzrestriktion, eine geregelte Flüssigkeitszufuhr und das Vermeiden

von Rauchen anzuführen. In der Pharmakotherapie kommen, neben vielen anderen

Medikamenten, auch die Diuretika wieder zum Einsatz. Bei einer GFR < 30ml/min sind

Page 48: Diuretika Meriten und Gefahren

36

Schleifendiuretika indiziert. Muss die Diurese weiter gesteigert werden, können diese mit

Thiaziden kombiniert werden, während kaliumsparende Diuretika kontraindiziert sind. Zur

Senkung der Proteinurie können ferner die Natriumrestriktion und Diuretikatherapie die

antihypertensive und antiproteinurische Wirkung der ACE-Hemmer unterstützen. (5)

Bei absorptiver Hyperkalziurie oder auch bei Normokalziurie kann die Neogenese und das

Wachstum von Kalziumoxalatsteinen wegen der durch Thiazide verminderten

Kalziumausscheidung gehemmt werden. Eine salzarme Ernährung ist dennoch einzuhalten,

da dieser Effekt infolge einer vermehrten Natriumzufuhr reduziert werden kann. Liegt

allerdings eine Neigung zur Hyperkalzämie bzw. eine ‚resorptive Hyperkalziurie‘ vor,

gelten Thiazide als kontraindiziert.

Kommt es nun beispielsweise aufgrund einer Überdosierung mit Thiaziddiuretika, einer

Sarkoidose oder auch eines multiplen Myeloms zu einer Hyperkalziämie erhöhen

Schleifendiuretika, vor allem bei vermehrter Natriumzufuhr, die Kalziumausscheidung. (4)

4.2.2 Diuretikaanwendung bei unterschiedlichen

Personengruppen

Nach der Beschreibung des Anwendungsgebietes der Diuretika bei einigen internistischen

Erkrankungen soll im Folgenden auf die Anwendung bei verschiedenen Personengruppen,

wie ältere und junge Menschen sowie Frauen und Männer, eingegangen werden.

Im Laufe des Lebens verändert sich der menschliche Körper. In Bezug auf die

Pharmakotherapie kommt es im Alter beispielsweise zu Veränderungen in der

Pharmakodynamik, wobei die Pharmakonwirkung zu- oder abnehmen, aber auch paradoxe

Wirkungen hervorrufen kann. Außerdem kann die Pharmakokinetik verändert sein.

Während es bei der Resorption eher zu keinem gravierenden Wandel kommt, kann die

Verteilung eines Arzneimittels aufgrund der anderen Körperfettzusammensetzung von der

ursprünglichen Verteilung in jungen Jahren abweichen. Bezüglich der Elimination muss

besonders auf die verminderte glomeruläre Filtrationsrate und mit ihr die verminderte

renale Clearance eines Pharmakons geachtet werden. (5) (34)

Hinzu kommt, dass viele ältere Personen multimorbide sind. Die Nieren- und

Leberfunktionen nehmen ab, wohingegen Krankheiten wie vor allem die isolierte

Page 49: Diuretika Meriten und Gefahren

37

systolische Hypertonie und Herzversagen mit dem Alter zunehmen. (5) Folglich werden in

dieser Altersklasse auch viele verschreibungspflichtige, aber auch freiverkäufliche

Arzneimittel gleichzeitig eingenommen, wodurch das Problem der Polypharmazie entsteht.

Da die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von unerwünschten Arzneimittelwirkungen mit

der Anzahl der verordneten Medikamente steigt, sind ältere Personen besonders gefährdet.

(2) (5) Zum Teil haben diese Nebenwirkungen gravierende Folgen, wenn es zum Beispiel

durch Psychopharmaka zu einem Autounfall kommt, ein Schlaganfall die Konsequenz

eines zu hoch dosierten Diuretikums ist, oder eine Hyperkaliämie infolge der Gabe eines

ACE-Hemmers zusammen mit einem kaliumsparenden Diuretikum entsteht. Neben den

Analgetika-Antirheumatika gehören die Antihypertensiva, die ZNS-wirksamen Pharmaka,

die Digitalis-Präparate und auch die Diuretika zu den häufigsten Arzneimittelgruppen,

welche aufgrund ihrer Nebenwirkungen zu Krankenhauseinweisungen führen. (5)

Vor allem beim älteren Menschen ist die Anwendung von Diuretika wegen ihrer

Wirkweise, nämlich die Wasserausscheidung zu erhöhen, besonders mit Vorsicht zu

genießen. Als erster Punkt ist das erhöhte Risiko der Dehydratation zu nennen. Im Alter

nimmt zum einen das Durstgefühl ab, was durch beispielsweise Psychopharmaka verstärkt

werden kann. (35) Zum anderen ist das Extrazellulärvolumen geringer, der Körper verfügt

also nur noch über geringe Flüssigkeitsreserven, weswegen die Kompensations-

möglichkeiten bei Volumenverlust begrenzt sind. (5) (35) Zudem verliert die Niere,

aufgrund der Abnahme der voll funktionsfähigen Glomerula, allmählich die

Konzentrationsfähigkeit des Harns. (35) Als Folge dieser Dehydratation kann es nun zur

Exsikkose mit Hypotonie, Bewusstseinstrübung, aber auch zu ischämischen

Komplikationen wie Hirn- und Herzinfarkt oder auch zum Nieren- bis hin zum

Multiorganversagen kommen. (2) (5) Diese Auswirkungen von unkontrolliertem

Diuretikaeinsatz führen bei alten Menschen zu einer erhöhten Mortalität. (35)

Neben dem vermehrten Wasserverlust kann es bekanntlich auch zu

Elektrolytentgleisungen kommen. (2) (5) Bei geriatrischen Patienten/Patientinnen können

diese sehr gefährlich sein, da zunächst nur unspezifische Symptome auftreten. Neben

Verwirrtheit und Somnolenz bei Hyponatriämie, treten bei Hypo- und auch bei

Hyperkaliämie vor allem Muskelschwäche und Obstipation auf. Ist der

Serumkaliumspiegel nicht im Normbereich kann es rasch zum Auftreten von

Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern kommen, was die Mortalitätsrate

bei geriatrischen Patienten/Patientinnen bereits bei milden Störungen ansteigen lässt.

Page 50: Diuretika Meriten und Gefahren

38

Eine seltene Komplikation ist die Gynäkomastie bei Männern unter Spironolactontherapie

und die interstitielle Nephritits mit akutem Nierenversagen, Flankenschmerz und Fieber

unter der Anwendung von Thiaziden, Indapamid und Schleifendiuretika, welche nach

Absetzen aber reversibel ist.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei geriatrischen Personen aufgrund der

veränderten Körperkomposition, des verminderten Adaptationsmechanismus und der

eingeschränkten Organfunktionen mit einer höheren Nebenwirkungsrate zu rechnen ist,

was zu vermehrten Krankenhauseinweisungen und sogar zu Todesfällen führen kann. (35)

Wie bei den geriatrischen Patienten/Patientinnen liegen auch bei Kindern in Bezug auf die

Pharmakodynamik und –kinetik Unterschiede zu den Erwachsenen vor. Insbesondere im

Säuglings- und Kleinkindalter ist die Absorption, wegen der verzögerten Motilität und

Magenentleerung, verlangsamt. Aufgrund des höheren Wasser- und geringeren Fettanteils

ist auch die Verteilung eines Medikaments anders. Da die Nieren- und auch die

Leberfunktion anfangs noch sehr eingeschränkt ist, muss die Dosis an die verminderte

renale und hepatische Elimination angepasst werden. (5)

In der Pädiatrie spielt die Diuretikatherapie ebenfalls bei der Behandlung der arteriellen

Hypertonie eine Rolle. Im Gegensatz zur Behandlungsstrategie bei Erwachsenen gibt es für

Hydrochlorothiazid und Chlortalidon wegen mangelnder Erfahrung keine Anwendungs-

empfehlung für unter 18-Jährige. Auch Eplerenon wird aufgrund negativer

Studienergebnisse nicht für Kinder empfohlen. Spironolacton stellt zwar keine Indikation

bei arterieller Hypertonie dar, wird in der Pädiatrie aber zur Ödemtherapie verwendet. Im

Gegensatz dazu werden die Schleifendiuretika Furosemid (unabhängig von Alter und

Gewicht) und Torasemid (ab 12 Jahren) zur Hypertonietherapie bei Kindern eingesetzt.

Beim Einsatz zur Frühgeborenenbehandlung muss jedoch regelmäßig die Nierenfunktion

mittels Nierensonographie kontrolliert werden, da sich eine Nephrokalzinose bzw. eine

Nephrolithiasis entwickeln könnte. Intravenös sollte Furosemid allerdings nur in

lebensbedrohlichen Situationen, nur zusammen mit anderen Maßnahmen und nur, wenn

die orale Gabe nicht möglich ist, eingesetzt werden. Die Studien zur Blutdrucksenkung bei

Kindern mittels Diuretika sind insgesamt aber eher enttäuschend. Gibt es keinen Anlass zu

einer zusätzlichen diuretischen Therapie, agieren sie nicht als Mittel der ersten Wahl.

Liegen nun weitere Krankheiten, wie eine Herzinsuffizienz vor, werden Diuretika und

Betablocker zusammen mit ACE-Hemmern zur Symptomverbesserung gegeben. Bei

gleichzeitig vorliegender chronischer Niereninsuffizienz stellen wiederum ACE-Hemmer

Page 51: Diuretika Meriten und Gefahren

39

und auch AT1-Rezeptorantagonisten die Mittel der ersten Wahl zur Blutdruckeinstellung

dar. Ist diese Therapie nicht erfolgreich, können zudem Kalziumantagonisten sowie

Diuretika eingesetzt werden. Bei Adipositas, Diabetes mellitus und Metabolischem

Syndrom sollte, genau wie bei Erwachsenen, zunächst eine Lebensstiländerung angestrebt

werden. Falls es so zu keiner Blutdrucksenkung kommt, können Medikamente eingesetzt

werden. Bei diesen Erkrankungen sollten Diuretika, wegen ihres ungünstigen Einflusses

auf den Stoffwechsel, eher vermieden werden bzw. nur in Ausnahmefällen in einer

Dreierkombination eingesetzt werden. (36)

Nachdem die verschiedenen Altersklassen genauer analysiert wurden, wird im Folgenden

die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen betrachtet.

Auch bei diesen Personengruppen gibt es wieder Unterschiede hinsichtlich der

Pharmakokinetik und –dynamik. Einerseits werden sie durch hormonelle Faktoren,

andererseits durch die differente genetische Ausstattung und verschiedene epigenetische

Modifikationen beeinflusst. Hinzu kommt, dass Arzneimittelstudien früher nicht an beiden

Geschlechtern durchgeführt wurden. Erst seit dem Jahr 2011 müssen Frauen gemäß den

ICH-Leitlinien in klinische Studien eingeschlossen werden, um auch für sie zum Erstellen

von Dosis-Wirkungs-Kurven pharmakokinetische Informationen zu gewinnen.

Auch in der Verschreibungspraxis sowie im Einnahmeverhalten besteht ein gewisser

Unterschied zwischen Männern und Frauen. Dass die Behandlung der Herzinsuffizienz

signifikant vom Geschlecht des Mediziners/der Medizinerin und auch vom Geschlecht des

Patienten/der Patientin abhängt, zeigten Recherchen in Deutschland. Darüber hinaus

weisen Frauen und Männer eine unterschiedliche Compliance auf. Weiters neigen Frauen

eher dazu zusätzliche, eventuell interagierende freiverkäufliche Präparate einzunehmen,

was ein Ansatzpunkt zur Erklärung wäre, warum Frauen an mehr unerwünschten

Arzneimittelreaktionen leiden als Männer. Ein weiterer Grund der vermehrt auftretenden

Nebenwirkungen ist die nicht an Frauen angepasste Dosierung. Neben der möglicherweise

verstärkt eingeschränkten Nierenfunktion spielt die Interaktion vieler Arzneimittel mit den

Sexualhormonen eine Rolle. (37)

In Bezug auf die arterielle Hypertonie ist festzuhalten, dass die Prävalenz zwar bei beiden

Geschlechtern mit dem Alter zunimmt, dass sie bei Frauen allerdings häufiger zur

Entstehung einer KHK führt und auch häufiger zusammen mit ihr auftritt. Bei Vorsorge-

untersuchungen wiederum liegt der prozentuale Anteil der Männer mit Bluthochdruck

Page 52: Diuretika Meriten und Gefahren

40

wesentlich höher, was wahrscheinlich auf einen anderen Lebensstil sowie eine andere

Stressbelastung zurückzuführen ist.

Die Prävalenz der Herzinsuffizienz ist bei beiden Geschlechtern ebenfalls gleich, nur, dass

sie bei Frauen erst in höherem Alter auftritt. Ätiologisch spielen bei Frauen die arterielle

Hypertonie, Diabetes mellitus und Herzklappenerkrankungen eine größere Rolle, bei

Männern hingegen ein früherer Myokardinfarkt, eine KHK, Rauchen und die dilatative

Kardiomyopathie. (38)

Therapeutisch werden Diuretika häufiger bei Frauen eingesetzt, wobei sie bei ihnen mehr

Nebenwirkungen, wie Hypokaliämie und Hyponatriämie verursachen. (37) Da die

Hyponatriämie als häufige Komplikation der Thiaziddiuretikatherapie die Morbidität und

Mortalität erhöhen kann, sollte auf die Risikofaktoren, welche eine ernste Hyponatriämie

hervorrufen können, besonders geachtet werden. Zu ihnen zählen unter anderem das Alter,

das weibliche Geschlecht und ein niedriger BMI. (39)

Eine weitere Besonderheit stellt die Schwangerschaft und die Stillperiode dar. Prinzipiell

sollten in beiden Perioden Pharmaka vermieden werden, da viele durch die

Plazentaschranke bzw. in die Muttermilch diffundieren können und die Auswirkungen

weitgehend unerforscht sind. (34) Da Diuretika das zirkulierende Blutvolumen vermindern

und deswegen zur utero-plazentaren Minderperfusion führen, sind diese in der

Schwangerschaft kontraindiziert. (9) Leidet die Mutter jedoch an einer Mitralstenose,

Aorten- oder Mitralinsuffizienz oder an einer dilatativen Kardiomyopathie, so ist die

diuretische Therapie wegen der Ödemneigung oft nicht zu vermeiden und kann mit

Vorsicht zur Symptomlinderung eingesetzt werden. (5) (40)

4.2.3 Arzneimittelinteraktionen

Wie in Kapitel 4.2.1 und 4.2.2 bereits dargestellt, sind in der Therapie von internistischen

Erkrankungen, aber auch bei der Behandlung von älteren multimorbiden Patienten/

Patientinnen, mehrere Arzneimittel notwendig. Bei welchen Arzneimittelkombinationen es

nun zu Interaktionen kommen kann wird im Folgenden beschrieben.

Grundsätzlich gibt es pharmakokinetische sowie pharmakodynamische Interaktionen. Bei

der pharmakokinetischen Interaktion kommt es durch das Arzneimittel A zu einer

Konzentrationsänderung von Arzneimittel B am Wirkort. Hier kann sowohl die

Page 53: Diuretika Meriten und Gefahren

41

Resorption, als auch die Verteilung, der Metabolismus oder auch die Ausscheidung

betroffen sein. Thiaziddiuretika und das Schleifendiuretikum Furosemid können

beispielsweise durch die gesteigerte Lithiumreabsorption zu einem Anstieg des Lithium-

Plasmaspiegels führen. (41)

Greifen nun mehrere Wirkstoffe an einem Erfolgsorgan oder Rezeptor an, kommt es zu

pharmakodynamischen Wechselwirkungen. Im Zuge dieser Interaktionen kommt es zwar

nicht zu einer Konzentrationsänderung von Arzneimittel B, allerdings wird dessen

pharmakologischer Effekt durch Arzneimittel A beeinflusst. (41)

Ein Beispiel hierfür ist die Anwendung von Digitaliswirkstoffen, also Herzglykosiden,

zusammen mit Diuretika. Diese können über die vermehrte Elektrolytausscheidung zu

Kaliumverlusten führen, was eine erhöhte Empfindlichkeit des Herzmuskelgewebes

bezüglich Rhythmusstörungen zur Folge hat. Da Herzglykoside dosisabhängig

Herzrhythmusstörungen auslösen, wird ihre Toxizität durch die thiazid- und

schleifendiuretikainduzierte Hypokaliämie zusätzlich verstärkt. (41) (42) (43)

Insulin, Amphotericin B, ß-Sympathomimetika sowie Laxantien und Corticoide führen

zusätzlich zu einer Verstärkung der Hypokaliämie mit all ihren negativen Auswirkungen.

(43)

Eine weitere wichtige Interaktion ist der verstärkende blutdrucksenkende Effekt, wenn

Diuretika zusammen mit anderen Antihypertensiva eingesetzt werden. Dies kann vor allem

mit ACE-Hemmern, wie beispielsweise Captopril, zu Nierenfunktionseinschränkung sowie

zum Kreislaufversagen und auch zu Hyponatriämie führen. (43) (44)

Auch NSAR können zur Einschränkung der Nierentätigkeit führen, wodurch die Wirkung

von Thiazid- und Schleifendiuretika gehemmt wird. (41) (43)

Diese Diuretika schwächen wiederum die Wirkung von Urikosurika und Antidiabetika ab.

Die durch Thiazide hervorgerufene Hypercalcämie wird durch die Gabe von Vitamin D

und auch von Calciumsalzen gesteigert. (43)

Die schleifendiuretikainduzierte Ototoxizität kann durch Cisplatin und Aminoglykoside

verstärkt werden.

Kaliumsparende Diuretika können, wie oben beschrieben, zu Hyperkaliämie führen. Diese

wird bei zusätzlicher Verabreichung von ACE-Hemmern und auch bei Kaliumsubstitution

noch weiter gefördert. (43) (44)

Die Kombination von ACE-Hemmern und Aldosteronrezeptorantagonisten wird aber zur

Therapie der Herzinsuffizienz angewandt, da sie sowohl die Vor- als auch die Nachlast

Page 54: Diuretika Meriten und Gefahren

42

senkt und durch die hohen Angiotensin-II- und Aldosteronspiegel das kardiale

Remodelling vermindert. (22)

Es können auch die verschiedenen Diuretikaklassen miteinander kombiniert werden.

Hierbei ist zu beachten, dass Schleifen- zusammen mit Thiaziddiuretika einerseits sehr

effektiv eine sequentielle Nephronblockade bei Diuretikaresistenz bewirken, andererseits

aber zu massiver Exsikkose, Hypotonie und Hypokaliämie führen können, weswegen die

Elektrolyte regelmäßig kontrolliert werden müssen. (5) (22) (32)

4.2.4 Diuretikaresistenz

Kommt es vor Erreichen des therapeutischen Ziels zu einem Rückgang der Na+-

Ausscheidung und der Diurese, spricht man von einer Diuretikaresistenz. (45)

Mehrere Ursachen können hierfür verantwortlich sein. Neben der mangelnden Compliance

des Patienten/der Patientin spielt die Hypalbuminämie, Hypoxämie und Hypotonie bei

chronischer Herzinsuffizienz eine Rolle. Die Hemmung der tubulären Sekretion von

Diuretika durch organische Säuren, wie NSAR, Probenecid, oder auch bei Urämie, kann

als weiterer Grund genannt werden. (26)

Der Einsatz von NSAR führt, genauso wie hypertrophierte distale Tubuluszellen und das

sogenannte Rebound-Phänomen, zusätzlich zu einer erhöhten Rückresorption von Natrium.

(26) Durch den Rebound-Effekt kommt es nach Absetzen von Furosemid zu einer

vorübergehend gesteigerten Resorption von Primärharn aus dem Tubulussystem. (22)

Auch das sogenannte Escape-Phänomen trägt zur Diuretikaresistenz bei. Hierbei verliert

das Diuretikum durch die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems an

Wirkung, da Angiotensin II und Aldosteron zu einer Salzrestriktion, zur renalen und

systemischen Gefäßverengung und somit zur Hypervolämie führen. (26) (45) Der gleiche

Effekt wird bei der progredienten Herzinsuffizienz aufgrund des Abfalls der Nieren-

perfusion beobachtet. (45)

Die intraabdominale Druckerhöhung bei einer akut dekompensierten Herzinsuffizienz kann

wegen der entstehenden intraabdominalen Hypertension auch eine Ursache der

Diuretikaresistenz sein. In der Fallbeschreibung der Tulane School of Medicine wird

geschildert, dass hier weder die Bolus- noch die Infusionstherapie mit Schleifen- oder

Thiaziddiuretika angesprochen haben, erst die Senkung des intraabdominalen Drucks hat

zu einer gesteigerten Diurese geführt. (46)

Page 55: Diuretika Meriten und Gefahren

43

Im Zuge des kardiorenalen Syndroms kommt es, wie oben beschrieben, durch die

Aktivierung des RAAS zu einer Volumenüberlastung, welche im Normalfall mit einer

diuretischen Therapie behandelt wird. In ungefähr einem Viertel der Fälle führt diese

Behandlung allerdings nicht zum Ziel, weswegen bei diesen Patienten/Patientinnen auf die

sogenannte SCUF, die ‚slow continuous ultrafiltration‘, zurückgegriffen wird. Die Ultra-

filtration ist bei Linksherzinsuffizienz, aber auch bei isolierter Rechtsherzinsuffizienz mit

ausgeprägter Volumenüberladung wirksam. Als Vorteil gilt auch, dass sowohl der

Natrium-, als auch der Renin-, Noradrenalin- und der Aldosteronspiegel gesenkt wird. (45)

Bevor die Ultrafiltration therapeutisch zum Einsatz kommt, wird zunächst versucht die

Diuretikaresistenz durch die gleichzeitige Gabe von verschiedenen Diuretikagruppen zu

durchbrechen. Die Kombination von Schleifen- und Thiaziddiuretika wird als ‚sequentielle

Nephronblockade‘ bezeichnet, da das Thiazid die Natriumresorption im distalen Tubulus

blockiert und folglich dem Escape-Effekt, welcher durch das weiter proximal wirkende

Schleifendiuretikum ausgelöst wird, entgegenwirkt. Klinisch führt diese Therapie, die auch

bei einer GFR < 30ml/min wirksam ist, zur Abnahme der systemischen Stauung mit

Gewichtsverlust und Symptomlinderung, zu früheren Krankenhausentlassungen sowie zur

Prävention der Rehospitalisierungen. (32) (47) Diese Effekte werden ferner durch die

intravenöse Applikation von Furosemid zusammen mit einer Salzlösung erreicht, wobei so

zusätzlich die Mortalität reduziert werden kann. (32)

Trotz der guten Wirkung sollten diese Therapien, wegen des hohen Kaliumverlustes,

allerdings nur unter engmaschigen Elektolytkontrollen angewandt werden.

Des Weiteren konnten die RALES- und die EPHESUS-Studie den Nutzen von Aldosteron-

Antagonisten zusammen mit Schleifendiuretika zeigen. In niedrigen Dosierungen (bis

50mg pro Tag) senken Aldosteron-Antagonisten, wie beispielsweise Eplerenon oder

Spironolacton, die Sterblichkeit bei Postinfarktpatienten/Postinfarktpatientinnen mit

systolischer Dysfunktion, aber auch bei Patienten/Patientinnen mit schwerster systolischer

Herzinsuffizienz. (32) (47)

Page 56: Diuretika Meriten und Gefahren

44

5 Fazit

Trotz der vielen und zum Teil auch schwerwiegenden unerwünschten

Arzneimittelwirkungen werden Diuretika häufig zur Behandlung von verschiedenen

Krankheiten eingesetzt. (4) Insbesondere bei der Therapie der arteriellen Hypertonie

senken sie als Medikamente der ersten Wahl die Morbidität und Mortalität. (24)

Auch bei der akuten Herzinsuffizienz sind sie schon seit Jahren unverzichtbar und stehen

vor allem zur Symptomlinderung an erster Stelle. Bei der Behandlung der fortgeschrittenen

Herzinsuffizienz mit gleichzeitig vorliegender Nierenfunktionsstörung ist beim Einsatz von

Schleifendiuretika allerdings Vorsicht geboten, da sich, neben den zahlreichen

Nebenwirkungen, eine Diuretikaresistenz entwickeln könnte. (33)

Um nun einen optimalen Therapieerfolg möglichst ohne unerwünschte Wirkungen zu

erzielen, empfiehlt es sich einige Prinzipien zu befolgen.

Zunächst sollte eine genaue Medikamentenanamnese durchgeführt werden, um die,

insbesondere bei älteren Patienten/Patientinnen oft vorliegenden, nicht unbedingt

notwendigen Verordnungen zu streichen und somit eventuelle Interaktionen im Vorhinein

zu unterbinden. (5) Zudem ist hier meist auch eine Dosisanpassung notwendig, da die

Studien nicht direkt vom jungen Patientenkollektiv auf ältere Personen übertragen werden

können. Prinzipiell sollte die Dosis anfänglich eher gering gehalten und langsam gesteigert

werden, sodass möglichst wenig Nebenwirkungen auftreten. (2) (5) Außerdem hat eine

genaue Aufklärung über die Therapieziele eine Erhöhung der Compliance zur Folge,

welche jedoch mit der Anzahl der Verordnungen abnimmt. (5)

Innerhalb der Diuretikatherapie kann beispielsweise durch die Kombination von Thiaziden

mit kaliumsparenden Diuretika der gefürchteten Hypokaliämie vorgebeugt werden. (22)

Trotzdem sollte beim Einsatz von Diuretika einerseits das Albumin im Urin, das

Serumkreatinin und bei chronischer Niereninsuffizienz auch die glomeruläre Filtrationsrate

kontrolliert werden. (36) Des Weiteren muss der Elektrolyt- und Flüssigkeitsstatus sowie

der Blutdruck regelmäßig überprüft werden. Wird die Elektrolytregulation beeinflusst,

bzw. der Flüssigkeitshaushalt belastet, sollte die Diuretikadosis an die jeweilige Situation

angepasst werden. Treten nun unspezifische Symptome auf, ist der behandelnde Arzt/die

behandelnde Ärztin verpflichtet an die unerwünschten Wirkungen und Arzneimittel-

interaktionen, welche während einer Diuretikatherapie auftreten können, zu denken und die

Folgen zu behandeln. (35)

Page 57: Diuretika Meriten und Gefahren

45

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Diuretika bei richtiger

Indikationsstellung und Anwendung zur Behandlung von vielen internistischen

Erkrankungen heute nicht mehr wegzudenken sind. Werden einige Therapieprinzipien

beachtet, können die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen und Arzneimittel-

interaktionen reduziert und der Therapieerfolg weitestgehend gesichert werden.

Page 58: Diuretika Meriten und Gefahren

46

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