DKOU 2012 | Deutscher Kongress für Orthopädie und ......Spezialisierung in der Notfall medizin ein...

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ICC Berlin 23.10.–26.10.2012 DKOU 2012 | Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie Current congress Qualität, Ethik, Effizienz – dies ist das Motto des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Un- fallchirurgie im Jahre 2012. Trotz aller Fort- schritte innerhalb unseres Fachgebietes und trotz aller Einflüsse von außen, insbesondere der öko- nomischen Zwänge, Abstriche an unserem ethi- schen Handeln dürfen wir nicht zulassen. Der Ethik widmen wir daher auch in unserer Eröff- nungsveranstaltung besondere Aufmerksamkeit. Unser Gastredner, Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, wird über das Thema „Ethische Anforderungen an po- litisches Handeln“ referieren – ein Thema, das gesellschaftsübergreifend für Diskussionen sorgt. Selbstverständlich soll der diesjährige Kongress weiterhin zum Zusammenwachsen unseres gro- ßen Fachgebietes „Orthopädie/Unfallchirurgie“ beitragen. Momentan gilt es, uns vordringlich auf die Positionierung der Orthopädie und der Unfallchirurgie im Verhältnis zu den anderen Fachgebieten zu konzentrieren. Dementspre- chend wollen wir über die Schwerpunktthemen des Kongresses und die berufspolitischen Foren mit anderen Fachgesellschaften und Berufsgrup- pen den offenen Dialog pflegen. Entsprechend unseres Leitthemas „Qualität, Ethik, Effizienz“ haben wir auch die Kongress tage jeweils einem Thema zugeordnet. Je einen Kongresstag lang stellen wir Fragen wie Quali- tätsparameter und erfassung, das Spannungs- feld zwischen Innovation und Finanzierbarkeit durch das Gesundheitssystem, aber auch ethi- sche Probleme bei der Indikationsstellung und Therapieausweitung auch unter ökonomischen Aspekten in den Fokus. Einen deutlichen Schwerpunkt legen wir auf die Grundlagenforschung, den Motor der Entwick- lung unseres Fachgebietes. Darüber hinaus sind die allgemeinen Themen umfassend und breit aufgestellt. Damit wollen wir die Möglichkeit bieten, sich den Entwicklungen in der Orthopä- die und Unfallchirurgie zeitnah zu stellen und sich frühzeitig zu informieren. Aktuelle Fragen aus der Gesundheits und Berufs- politik werden selbstverständlich ebenfalls aus- reichend Raum finden. Hier haben Sie die Gele- genheit, mit Meinungsbildnern und auch Ent- scheidern zu diskutieren, möglicherweise auch Einfluss zu nehmen. Denn ein Fachgebiet oder eine Fachgesellschaft können sich nur weiterent- wickeln, wenn sie sich dem internationalen Dia- log und Erfahrungsaustausch öffnen. Deshalb wird es weiterhin internationale englischspra- chige Sitzungen geben, in der anerkannte interna- tionale Referenten, insbesondere aus unseren diesjährigen Gastländern Polen und den latein- amerikanischen Ländern, von ihren Erfahrungen berichten. Selbstverständlich werden wir entsprechend der Traditionen des Kongresses auch andere Berufsgruppen in das Kongressprogramm ein- binden. Die Physiotherapie, der gesamte Pflege- bereich und die Orthopädietechnik werden un- seren Kongress erheblich bereichern. Einen wesentlichen Raum findet auch die medizin- technische Industrie, speziell in der Diskussion um Implantatsicherheit und Innovation. Von entscheidender Bedeutung für die Leben- digkeit eines Kongresses, aber auch einer Fach- gesellschaft ist, dass alle Gruppierungen unse- res Fachgebietes vertreten sind, ob niedergelas- sene oder stationär tätige Ärzte, Kollegen aus Industrie und Öffentlichem Dienst, Kollegen, die ihre Weiterbildung begonnen haben oder schon als Fachärzte tätig sind, gleichgültig ob als Assistenzarzt oder Arzt in leitender Funk- tion. Unverändert ist es ein besonderes Anlie- gen, engagierten Nachwuchs für unser Fachge- biet zu gewinnen und zu begeistern. Persönliche Kontakte und Vertrauen in die offene Diskussion entstehen auch durch den persönlichen Dialog am Rande des Kongresses, eingepasst in das große kulturelle Angebot der Metropole Berlin. Somit hoffen wir, dass die vor- gesehene Programmgestaltung dem wandeln- den Charakter dieses Kongresses als „multifunk- tionale Veranstaltung“ Rechnung trägt und Ih- ren Erwartungen gerecht wird, eine Veranstal- tung zu sein, die nicht nur fortbildet, sondern kritische Fragen diskutiert, Meinungen äußert, Standards setzt und neue Perspektiven aufweist. Unter der Zielsetzung, Qualität und Ethik mit effizientem Handeln zu verbinden, hoffen wir auf Ihr Interesse zu stoßen und begrüßen Sie als Besucher unseres Kongresses. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 10 Hüftarthroskopie Ein relativ kurzer stationärer Aufenthalt und eine vergleichsweise frühe funktionelle Belastbarkeit des Gelenks sind die wesentlichen Vorteile dieses gewebeschonenden minimalinvasiven Verfahrens – und sicherlich der Grund für den sprunghaften Anstieg der Zahl an Hüftarthroskopien in den letzten 10 Jahren. 12 Eine Frage der Ethik Dürfen und sollen wir alles machen, weil wir es können? Sicherlich nicht, vielmehr muss es darum gehen, jedem Patienten eine angemessene Behand- lung zuteil werden zu lassen. Das gelingt, wenn ethische Prinzipien im All- tag gelebt werden und eine Qualitäts- kontrolle der Indikationsstellung deren Beachtung belegt. 23 Berlin Als Schauplatz der wechselvollen deutschen Geschichte ist der Berliner Reichstag weltberühmt. Besucher- magnet ist insbesondere die begehbare Glaskupppel, die mit einem System aus 360 Spiegeln für eine natürliche Beleuchtung sorgt. Foto: Berlin Partner/FTB-Werbefotografie Foto: Messe Berlin GmbH Prof. Dr. Wolfram Prof. Dr. Christoph Dr. Andreas Gassen, Mittelmeier, Rostock Josten, Leipzig Düsseldorf Präsident 2012 Präsident 2012 Kongresspräsident (DGOOC) (DGU) 2012 (BVOU)

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ICC Berlin 23.10.–26.10.2012

DKOU 2012 | Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie

Current congress

Qualität, Ethik, Effizienz – dies ist das Motto des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Un-fallchirurgie im Jahre 2012. Trotz aller Fort-schritte innerhalb unseres Fachgebietes und trotz aller Einflüsse von außen, insbesondere der öko-nomischen Zwänge, Abstriche an unserem ethi-schen Handeln dürfen wir nicht zulassen. Der Ethik widmen wir daher auch in unserer Eröff-nungsveranstaltung besondere Aufmerksamkeit. Unser Gastredner, Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, wird über das Thema „Ethische Anforderungen an po-litisches Handeln“ referieren – ein Thema, das gesellschaftsübergreifend für Diskussionen sorgt.Selbstverständlich soll der diesjährige Kongress weiterhin zum Zusammenwachsen unseres gro-ßen Fachgebietes „Orthopädie/Unfallchirurgie“ beitragen. Momentan gilt es, uns vordringlich auf die Positionierung der Orthopädie und der Unfallchirurgie im Verhältnis zu den anderen Fachgebieten zu konzentrieren. Dementspre-chend wollen wir über die Schwerpunktthemen des Kongresses und die berufspolitischen Foren mit anderen Fachgesellschaften und Berufsgrup-pen den offenen Dialog pflegen.Entsprechend unseres Leitthemas „Qualität, Ethik, Effizienz“ haben wir auch die Kongress­tage jeweils einem Thema zugeordnet. Je einen Kongresstag lang stellen wir Fragen wie Quali-tätsparameter und ­erfassung, das Spannungs-feld zwischen Innovation und Finanzierbarkeit durch das Gesundheitssystem, aber auch ethi-sche Probleme bei der Indika tionsstellung und Therapieausweitung auch unter ökonomischen Aspekten in den Fokus.Einen deutlichen Schwerpunkt legen wir auf die Grundlagenforschung, den Motor der Entwick-

lung unseres Fachgebietes. Darüber hinaus sind die allgemeinen Themen umfassend und breit aufgestellt. Damit wollen wir die Möglichkeit bieten, sich den Entwicklungen in der Orthopä-die und Unfallchirurgie zeitnah zu stellen und sich frühzeitig zu informieren. Aktuelle Fragen aus der Gesundheits­ und Berufs-politik werden selbstverständlich ebenfalls aus-reichend Raum finden. Hier haben Sie die Gele-genheit, mit Meinungsbildnern und auch Ent-scheidern zu diskutieren, möglicherweise auch Einfluss zu nehmen. Denn ein Fachgebiet oder eine Fachgesellschaft können sich nur weiterent-wickeln, wenn sie sich dem internationalen Dia-log und Erfahrungsaustausch öffnen. Deshalb wird es weiterhin internationale englischspra-chige Sitzungen geben, in der anerkannte interna-tionale Referenten, insbesondere aus unseren diesjährigen Gastländern Polen und den latein-amerikanischen Ländern, von ihren Erfahrungen berichten.Selbstverständlich werden wir entsprechend der Traditionen des Kongresses auch andere Berufsgruppen in das Kongressprogramm ein-binden. Die Physiotherapie, der gesamte Pflege-bereich und die Orthopädietechnik werden un-seren Kongress erheblich bereichern. Einen wesentlichen Raum findet auch die medizin-technische Industrie, speziell in der Diskussion um Implantatsicherheit und Innovation.Von entscheidender Bedeutung für die Leben-digkeit eines Kongresses, aber auch einer Fach-gesellschaft ist, dass alle Gruppierungen unse-res Fachgebietes vertreten sind, ob niedergelas-sene oder stationär tätige Ärzte, Kollegen aus Industrie und Öffentlichem Dienst, Kollegen,

die ihre Weiterbildung begonnen haben oder schon als Fachärzte tätig sind, gleichgültig ob als Assistenzarzt oder Arzt in leitender Funk-tion. Unverändert ist es ein besonderes Anlie-gen, engagierten Nachwuchs für unser Fachge-biet zu gewinnen und zu begeistern. Persönliche Kontakte und Vertrauen in die offene Diskussion entstehen auch durch den persönlichen Dialog am Rande des Kongresses, eingepasst in das große kulturelle Angebot der Metropole Berlin. Somit hoffen wir, dass die vor-gesehene Programmgestaltung dem wandeln-den Charakter dieses Kongresses als „multifunk-tionale Veranstaltung“ Rechnung trägt und Ih-ren Erwartungen gerecht wird, eine Veranstal-tung zu sein, die nicht nur fortbildet, sondern kritische Fragen diskutiert, Meinungen äußert, Standards setzt und neue Perspektiven aufweist. Unter der Zielsetzung, Qualität und Ethik mit effizientem Handeln zu verbinden, hoffen wir auf Ihr Interesse zu stoßen und begrüßen Sie als Besucher unseres Kongresses.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

10 HüftarthroskopieEin relativ kurzer stationärer Aufenthalt und eine vergleichsweise frühe funktionelle Belastbarkeit des Gelenks sind die wesentlichen Vorteile dieses gewebeschonenden minimalinvasiven Verfahrens – und sicherlich der Grund für den sprunghaften Anstieg der Zahl an Hüftarthroskopien in den letzten 10 Jahren.

12 Eine Frage der EthikDürfen und sollen wir alles machen, weil wir es können? Sicherlich nicht, vielmehr muss es darum gehen, jedem Patienten eine angemessene Behand­lung zuteil werden zu lassen. Das gelingt, wenn ethische Prinzipien im All­tag gelebt werden und eine Qualitäts­kontrolle der Indikationsstellung deren Beachtung belegt.

23 BerlinAls Schauplatz der wechselvollen deutschen Geschichte ist der Berliner Reichstag weltberühmt. Besucher­magnet ist insbesondere die begehbare Glaskupppel, die mit einem System aus 360 Spiegeln für eine natürliche Beleuchtung sorgt.

Foto: Berlin Partner/FTB-Werbefotografie

Foto: Messe Berlin GmbH

Prof. Dr. Wolfram Prof. Dr. Christoph Dr. Andreas Gassen, Mittelmeier, Rostock Josten, Leipzig Düsseldorf Präsident 2012 Präsident 2012 Kongresspräsident (DGOOC) (DGU) 2012 (BVOU)

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5Current congress | Highlights

Osteoporotische Frakturen sind ein zentrales Problem in unserer alternden Gesellschaft. Al-lein in Deutschland sind derzeit 7,8 Millionen Menschen an einer Osteoporose erkrankt, die insgesamt rund 333 000 osteoporoseindu-zierte Frakturen erleiden und direkte Kosten von etwa 4,5 Milliarden Euro verursachen. Ist die Relevanz einer flächen deckenden Fraktur-prävention unbestritten, so ist der effektivste bzw. effizienteste Präventionsansatz derzeit nicht ausreichend evaluiert.

Den Trainingsstudien fehlt die statistische PowerKörperliches Training gilt als kostengünstiges „Mehrzwecktherapeutikum“, das – selbstbe-stimmt durchführbar – mit positiven psycho-sozialen Effekten behaftet ist. Trotz der be-kannten positiven Auswirkungen des körperli-chen Trainings auf zentrale Risikofaktoren der Fraktur wie die Knochenfestigkeit und die Sturzhäufigkeit wurde sein direkter Effekt auf die Frakturinzidenz bislang kaum mit dem nötigen hohen Evidenzgrad evaluiert. Dies ist wenig erstaunlich, bedenkt man, dass die chro-nisch unterfinanzierten „Trainingsstudien“ nicht ansatzweise in der Lage sind, die nötige „Power“ zur Absicherung statistisch signifikan-ter Effekte zu generieren.Um eine Vorstellung der entsprechenden Di-mension zu vermitteln: Nimmt man einen Gruppenunterschied (Verum versus Kontrolle) von 30 % an – das bedeutet eine „rate ratio“ (RR) von 0,70, einen Typ­I­Fehler von 0,05 und einen Typ­II­Fehler von 0,2 – wären in jeder Gruppe Fallzahlen von etwa 2350 Personen (!) mit einem erhöhten Fraktur risiko nötig, um sig nifikante Effekte des Trainings auf die Inzi-denz von Schenkelhalsfrakturen nachweisen zu können.

Gelingt der Beweis des positiven Trai-ningseffekts über eine Metaanalyse?Um die Power der vorliegenden Einzelstudien im Rahmen einer Metaanalyse aufzusummie-ren, führten wir in den einschlägigen Literatur-datenbanken eine Recherche durch. Als Such-begriffe wählten wir ‚physical activity‘, ‚exer-cise‘, ‚fracture‘, ‚bone‘, ‚falls‘ und ‚bone mineral density‘. In die Metaanalyse eingeschlossen wurden dann klinische Bewegungsstudien („exercise trials“) mit Stichproben über dem 50. Lebensjahr und den Interventionszielen ‚Erhalt bzw. Verbesserung der Knochendichte‘, ‚Sturzreduktion‘ und ‚Sturzimpaktreduktion‘, die zumindest Angaben zur Gesamt­Fraktur-häufigkeit („overall fracture“) in den Trainings­ bzw. Kontrollgruppen machten.Insgesamt ereigneten sich während der ku-mulierten 2994 Teilnehmerjahre bei den 754 Teilnehmern der Trainingsgruppen 36 „Over­all­Frakturen“. In den Kontrollgruppen mit insgesamt 620 Patienten traten dagegen 73 Gesamtfrakturen auf (RR = 0,47; 95 %­Konfi-denzintervall [KI]: 0,31–0,72). Bezogen auf vertebrale Frakturen zeigten sich innerhalb von 926 Patientenjahren 19 Frakturen bei den 103 Personen der Trainingsgruppe und 31 Fraktu-ren bei den 102 Personen der Kontrollgruppe (RR = 0,56; 95 %­KI: 0,30–1,04).

Kann körperliches Training das Frakturrisiko bei älteren Menschen tatsächlich reduzieren?Was ist gesichert, wie sind die Evidenzen?

Generell ergab sich keine wesent-liche Heterogenität zwischen den Studienergebnissen (Q­Test: p = 0,26). Nach der Durchführung der einschlägigen Tests besteht aber durchaus die Möglichkeit ei-nes „publication bias“, also einer einseitigen Verzerrung der Veröf-fentlichungslage – meist zuguns-ten positiver Ergebnisse.

Evidenz bleibt trotz der kumulierten Datenanalyse grenzwertigSomit ist trotz der für die Gesamt-fraktur signifikant positiven, für die vertebrale Fraktur statistisch grenzwertig signifikant positiven Ergebnisse der Nachweis, „dass

körperliches Training insbeson-dere beim älteren Menschen zu einer signifi kanten Reduktion der Fraktur führt“ mit letzter Evidenz (noch) nicht erbracht.

Prof. Dr. Wolfgang Kemmler, Institut für medizinische Physik, Universität Erlangen

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Dass eine flächendeckende Frakturprävention außerordentlich wich-tig wäre, wird heute nicht mehr bezweifelt. Ausreichend evaluiert ist gerade der effektivste bzw. effizienteste Präventionsansatz – das körperliche Training – derzeit jedoch noch nicht, zu diesem Schluss kommt Prof. Wolfgang Kemmler, Erlangen. Denn nicht nur die chronisch unterfinanzierten „Trainingsstudien“ sind statistisch nicht ausreichend „gepowert“, auch zusammengefasst in einer Metaana-lyse lässt sich der Nachweis, dass körperliches Training insbesondere beim älteren Menschen zu einer signifikanten Reduktion der Fraktur führt, nicht mit letzter Evidenz belegen.

Dienstag, 23. Oktober 2012

Rehabilitation: Flexible Antworten auf neue Herausforderungen 09:00–10:30 Uhr, Saal 43 (10:12–10:24 Uhr: Körperliches Training zur Frakturprophylaxe bei älteren Menschen – Systematische Übersicht und Analyse aktueller Studien)

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Die unfallchirurgische und trauma-tologische Versorgung birgt beson-dere Herausforderungen. Patienten aller Altersgruppen werden hin-sichtlich Prellungen, Platzwunden, frischen einfachen und komplexen Frakturen behandelt. Aufgrund der demografischen Veränderungen ist darüber hinaus noch eine Zunahme osteoporotischer und periprotheti-scher Frakturen zu erwarten. Außerdem werden im Schockraum schwerverletzte Patienten behan-delt. Nicht ohne Grund ist daher die Besetzung zentraler Notaufnah-men 24 Stunden und 7 Tage in der Woche mit einem unfallchirurgi-schen Assistenzarzt und einem Oberarzt bzw. Facharzt im Hinter-grund als Standard festgelegt.

In angelsächsischen Ländern, auch in den USA, erfolgt die Ver-sorgung in der Notaufnahme hauptsächlich durch sogenannte „Emergency Physicians“. Diese Fachrichtung soll alle Aspekte der Notfallversorgung (traumatolo-gisch, internistisch, neurologisch usw.) abdecken. Allerdings han-delt es sich um eine im Vergleich zum deutschen System deutlich verkürzte Ausbildung [1]. Dies ist neben der ausgeprägten Spezia lisierung in der Notfall­medizin ein Grund dafür, warum der Facharztstandard in der Pra-xis, wie er in einer Unfallchirurgie in Deutschland erwartet wird, nicht immer eingehalten werden kann.

Unbehandelte Frakturen können schwerwiegende Folgen habenZwar bleiben bis zu 70 % der Pa­tienten in einer interdisziplinären Notaufnahme ambulant und be-nötigen keine fachärztliche Be-handlung, in den restlichen Fällen jedoch – beispielsweise Kinder oder Patienten mit Polytraumata, Pa tienten mit komplexen osteo-porotischen bzw. periprotheti-schen Frakturen – ist eine früh-zeitige klinische Evaluation erfor-derlich. Doch Missinterpretatio-nen der radiologischen und der klinischen Befunde sind nicht sel-ten. Eine hohe Zahl an übersehe-nen Verletzungen, insbesondere im Bereich der unteren Extremi-

täten (Abb. 1), ist jedoch proble-matisch.Denn schwer verletzte Patienten leiden auch 20 Jahre nach dem ei-gentlichen Trauma noch an den psychischen und den körperli-chen Folgen des Polytraumas. Zu spät behandelte oder nicht erkannte Frakturen können die Langzeitergebnisse weiter ver-schlechtern. Zwischen 1,3 und 39 % der Traumapatienten weisen in unterschiedlichen Studien eine nicht erkannte Verletzung auf [2]. Dabei sind die kleinen Ge-lenke an den Händen und den Fü-ßen nicht nur besonders häufig betroffen, sie sind auch beson-ders relevant für die Prognose der Patienten.

Diagnostische und therapeutische Fehler bei kindlichen Frakturen können Fehlstellungen zur Folge haben und unnötige weitere Kor-rekturoperationen nach sich zie-hen. Auch bei älteren Patienten können initial falsche Behand-lungsstrategien gravierende Kon-sequenzen haben.Aus diesen Gründen erscheint die praktizierte unfallchirurgische Versorgung in einer Notaufnahme mit einem unfallchirurgischen As-sistenzarzt im Vordergrund und einem Facharzt bzw. Oberarzt im Hintergrund mehr als sinnvoll.

Prof. Dr. Hans-Christoph Pape, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungs-chirurgie, Universitätsklinikum Aachen

Literatur1 Pape HC. Restricted duty hours and

implications on resident education – are different trauma systems affec-ted in a different way? Injury 2010; 41: 125–127

2 Pfeifer R, Pape HC. Missed injuries in trauma patients: A literature review. Patient Saf Surg 2008; 2: 20

Gestaltung und Struktur der VerletztenversorgungErfahrungen einer zentralen Notaufnahme in den USA aus unfallchirurgischer Sicht

Dienstag, 23. Oktober 2012

Zentrale Notaufnahme: Gestaltung und Struktur der Verletztenversorgung 14:30–16:00 Uhr, Saal 4/5(14:30–14:48 Uhr: Erfahrungen in einer zentralen Notaufnahme in den USA aus unfallchirurgischer Sicht)

In den USA übernehmen in der Regel sogenannte „Emer-gency Physicians“ die Versorgung der Patienten in der Notaufnahme. Zwar sollen Ärzte dieser Fachrichtung alle Aspekte der Notfallversorgung abdecken, ihre Ausbildung ist aber deutlich kürzer als die der deutschen Notfallmedi-ziner. Dementsprechend kann aufgrund der ausgeprägten Spezialisierung in der Notfallmedizin der Facharztstan-dard, wie er in einer Unfallchirurgie in Deutschland er-wartet wird, nicht immer eingehalten werden. Problema-tisch ist insbesondere eine vergleichsweise hohe Zahl an übersehenen Verletzungen bzw. Frakturen, die unbe-handelt durchaus schwerwiegende Konsequenzen (z. B.

Fehlstellungen, unnötige Korrekturoperationen, schlechtere Prognose) nach sich ziehen können, berichtet Prof. Hans-Christoph Pape, Aachen.

H.­C. Pape

Abb. 1 Eine übersehene Fraktur kann gravierende Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Zahl der über 65­Jährigen wird in den nächsten Jahren weiter dra-matisch ansteigen. Bis zum Jahr 2030 werden allein in Deutschland 4,5 Millionen Menschen leben, die älter sind als 80 Jahre. Je älter je-doch unsere Patienten sind, desto größer ist der Anteil multimorbi-der Menschen. Schon bei Patien-ten über 60 Jahren ist im Schnitt mit 5 Krankheiten zu rechnen.Gleichzeitig ist dies die Alters-gruppe, in der die meisten chi­rurgischen Eingriffe erfolgen. 25 % dieser Operationen – große ab-dominelle, thorakale, vaskuläre und natürlich auch orthopädische Interventionen – sind mit signifi-kanten Komplikationen assoziiert.

Ausmaß und Bedeutung dieses Problems werden am Beispiel des perioperativen Herzinfarkts deut-lich, der im Rahmen von 0,2 % der Eingriffe (3,3 % nach Gefäßope-rationen) mit einer Letalität von 30–50 % auftritt.Gleichzeitig steigt der Anspruch an die Durchführbarkeit von Opera­tionen ebenso wie an die Sicherheit und den Komfort für die Patienten.

Prä-, intra- und postoperativ ansetzen!Die Optimierung der perioperati-ven Patientenversorgung muss da-her medizinisch und organisato-risch, prä­, intra­ und postoperativ ansetzen.

Präoperativ kommt der rechtzeiti-gen Identifizierung von Risikopa­tienten mittels kostengünstiger Algorithmen eine große Bedeu-tung zu. Hierfür müssen mit qualifiziertem Personal besetzte Sprechstunden angeboten werden. Anhand der Anamnese, der kör-perlichen Untersuchung und weni-gen technischen Untersuchungen gilt es hier, diejenigen Patienten zu erkennen, die vor der Operation weiterer diagnostischer und/oder therapeutischer Maßnahmen be-dürfen. Zum Einsatz kommen dazu Risikoscores wie zum Beispiel der „cardiac risk index” nach Lee und einfache, aber aussagekräftige Un-tersuchungen wie beispielsweise die Spirometrie bei Patienten mit chronisch­obstruktiver Lungener-krankung (COPD).In enger Absprache mit dem Opera-teur wird dann das für den indivi-duellen Patienten geeignetste Nar-koseverfahren festgelegt. Die Ent-scheidung muss neben dem Patien-tenrisiko und dem Eingriff aber auch den Anforderungen der post-operativen Schmerztherapie Rech-nung tragen. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus logistische Ge-gebenheiten bezüglich der Bereit-stellung und des Transports von Blutkonserven und Untersuchungs-material sowie die Verfügbarkeit von Kapazitäten auf der Intensiv­ bzw. der Intermediate­Care­Station.

Angepasst an das Risikoprofil von Patient und Eingriff wird auch das intraoperative Monitoring gestal-tet. Nur in seltenen Fällen sind auf-wendige Verfahren wie ein Pulmo-naliskatheter, PiCCO – die Messung des Pulskontur­Herzzeitvolumens (engl.: „pulse contour cardiac out-put“) –, oder eine transösophage-ale Echokardiografie (TEE) erfor-derlich.In der postoperativen Phase sind Aufwachraum­ und Intermediate­Care­Kapazitäten unabdingbar, um auftretende Blutungs­ und Kreislaufkomplikationen rechtzei-tig erkennen und therapieren zu können. Natürlich muss das dort tätige Personal entsprechend qua-lifiziert sein, um sowohl anästhesi-ologische wie auch chirurgische Komplikationen bewältigen zu können. Neben der präoperativen Planung ist die postoperative Or-ganisation und Durchführung der Schmerztherapie ausschlaggebend für den medizinischen Erfolg und die Zufriedenheit der Patienten.

Standardisierte Abläufe und klare Verantwortlichkeiten für optimale ErgebnisseDie Bereitstellung von ausreichend qualifiziertem Personal in ausrei-chender Anzahl, eine institutiona-lisierte Kommunikation zwischen Chirurg und Anästhesist, die ge-meinsame realistische Einschät-

zung der patienten­ und eingriffs-bezogen Risiken und die Einbezie-hung der Patientenwünsche (z. B. bezüglich Wartezeiten, Schmerz-therapie) sind wesentliche He­rausforderungen bei der Optimie-rung der perioperativen Versor-gung unserer Patienten.Ein Beispiel für eine gelungene Lö-sung ist die Situation der Klinik für Orthopädie in der Universitätsme-dizin Rostock. Trotz ihrer dezent-ralen Lage – die orthopädische Kli-nik liegt etwa 2,5 km vom zentra-len OP­Bereich der Universitätskli-nik entfernt – besteht eine hoch effektive Patientenversorgung mit geringen Komplikationsraten. Zu-rückzuführen ist dies ist haupt-sächlich auf eine gut organisierte präoperative Sprechstunde, eine sachliche Kommunikationskultur, vor Ort befindliche anästhesiologi-sche Aufwachraum­ und orthopä-dische Intermediate­Care­Kapazi-täten und eine postoperative Schmerztherapie mit klar geregel-ten Verantwortlichkeiten.

Prof. Dr. Jochen Schubert, Klinik und Poli-klinik für Anästhesiologie und Intensiv-therapie, Universitätsklinikum Rostock

Optimierung der perioperativen PatientenversorgungStandardisierte Abläufe und klare Verantwortlichkeiten

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Qualität der Patientenversorgung 09:30–11:00 Uhr, Saal 8 (10:22–10:35 Uhr: Optimierung der perioperativen Patientenversorgung)

Eine optimale perioperative Versorgung unserer Pati-enten beginnt naturgemäß präoperativ mit der Identi-fizierung von Risikopatienten. Denn neben dem Eingriff und den Anforderungen an die postoperative Schmerz-therapie ist das Patientenrisiko ein wesentliches Krite-rium für das individuell geeignetste Narkoseverfahren und das intraoperative Management. In der postopera-tiven Phase sind zum einen ausreichende (personelle) Kapazitäten im Aufwachraum und der Intermediate-Care-Station bereitzustellen, zum anderen ist eine opti-male postoperative Schmerztherapie ausschlaggebend für den medizinischen Erfolg und die Zufriedenheit der

Patienten. Um die optimale Versorgung der Patienten sicherstellen zu können – wie es beispielsweise in der orthopädischen Universitätskli-nik trotz ihrer dezentralen Lage in Rostock gelungen ist – empfiehlt Prof. Jochen Schubert, Rostock, standardisierte Abläufe und klare Verantwortlichkeiten zu definieren.

J. Schubert

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7Current congress | Highlights

Die Qualität der Patientenversor-gung ist ein we-sentliches Anlie-gen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Deshalb hat die DGOOC im Jahre 2009 die Ini-tiative „EndoCert“

ins Leben gerufen, deren Ziel die Zertifizierung von Einrichtungen ist, die sich schwerpunktmäßig mit der Implantation von Endo-prothesen beschäftigen. Schon die Auseinandersetzung mit Fra-gen des Qualitätsmanagements verbessert erfahrungsgemäß die Versorgung der Patienten in ei-nem Zentrum – die Zertifizierung macht diese Anstrengungen auch nach außen sichtbar, konstatiert Dr. Holger Haas, Bonn.

Bekanntermaßen haben mehrere Faktoren einen positiven Einfluss auf die medizinische Versorgungs-qualität. Als zentrale Elemente gel-ten hierbei die interdisziplinäre Gestaltung des Behandlungspro-zesses, in dem die Abläufe ver-bindlich festgelegt sind, und eine kontinuierliche Begleitung des Pa-tienten während der gesamten Be-handlungsepisode. Dazu gehört auch eine umfassende Information des Patienten über seine Behand-lung.Eine strukturierte Aus­ und Wei-terbildung aller beteiligten Berufs-gruppen und die Teilnahme an ex-ternen Qualitätssicherungsmaß-nahmen sowie Forschungsvorha-ben runden diese Maßnahmen ab.

Eine Initiative zur Erhöhung der Versorgungsqualität in EndoprothetikzentrenAls lange belegt gilt die „Volume­Outcome“­Hypothese, nach der die Anzahl durchgeführter Ein-griffe je Operateur und je Ein­richtung die Versorgungsqualität enorm beeinflussen. Ziel eines Zertifikationsverfahrens ist es nun, die Einhaltung dieser Anforderun-gen an die Struktur­ und Prozess-qualität zu überprüfen. Im Endo-Cert­Verfahren der Deutschen Ge-sellschaft für Orthopädie und Or-thopädische Chirurgie (DGOOC) fließen zusätzlich auch Aspekte der Ergebnisqualität mit in die Be-wertung ein.Wesentliches Kennzeichen dieses Zertifizierungsverfahrens ist je-doch, dass unsere Fachgesellschaft – im Gegensatz zur allgemein üb­lichen Vorgehensweise – das Ver-fahren selbst initiiert und erarbei-tet hat. Dadurch stellen wir einen engen Praxisbezug und eine hohe Relevanz für die Versorgung unse-rer Patienten sicher.Die Einführung wurde gründlich vorbereitet. Nachdem eine Exper-tengruppe die Kriterien der Zer-tifizierung erarbeitet hatte, folgte eine Erprobung des Verfahrens in 2 Pilotphasen, in die insgesamt 23 Einrichtungen unterschiedlichster

Organisationsformen eingebunden waren. So konnte der Struktur der Versorgungsrealität in Deutschland Rechnung getragen werden. Die Ergebnisse flossen in die Überar-beitung der Anforderungen durch die Expertengruppe und des Ver-fahrensablaufs selbst ein. Dabei hat sich eine hohe Flexibilität und Lernfähigkeit des Systems gezeigt.Unter der Federführung der DGOOC haben sich auch der Be-rufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), die Arbeitsgemeinschaft für Endoprothetik als Sektion der Deutschen Gesellschaft für Ortho-pädie und Unfallchirurgie (DGOU)

und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) an der Ini­tiative EndoCert beteiligt. Derzeit erfolgt die endgültige Abstim-mung mit den genannten Fach-gruppen und Gesellschaften. Die flächendeckende Freigabe steht somit kurz bevor.

Transparentes Qualitäts- und Risikomanagement – eine Investition in die ZukunftWie bereits für andere Bereiche der Medizin gezeigt, führt eine Zertifizierung zu einer verbesser-ten Patientenversorgung. Dagegen steht der Aufwand bei der Vorbe-reitung und Unterhaltung eines

zertifizierten Zentrums. Die an der Pilotphase beteiligten Einrichtun-gen haben jedoch alle die Erfah-rung bestätigt, dass allein schon durch die Auseinandersetzung mit Fragen des Qualitätsmanagements bereits Verbesserungen im Ablauf erreicht werden können. Die ei-gentliche Zertifizierung macht diese Anstrengungen dann für den Patienten und die Gesellschaft sichtbar.In Zukunft werden Einrichtungen mit transparentem Qualitäts­ und Risikomanagement bei der Versor-gung der Patienten bevorzugt wer-den. Diesen auch von den Kosten-trägern unterstützten Trend be-

gleitet die EndoCert­Initiative transparent und objektivierbar. Dabei gewährleistet die Veranke-rung des Verfahrens unter dem Dach der Fachgesellschaft eine hohe Relevanz für die Patienten-versorgung und Sicherheit vor Missbrauchsmöglichkeiten.

Dr. Holger Haas, Leiter der Evaluierungs-kommission Endo-Cert der DGOOC, Zentrum für Orthopädie, Unfall chirurgie und Sportmedizin, Bonn

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Qualitätsbezogene Zentrenbildung11:30–12:30 Uhr, Saal 10(11:45–12:00 Uhr: EPZ: Versorgung der Zukunft?)

Endoprothetikzentren: Versorgung der Zukunft?Hohe Versorgungsqualität wird auch nach außen sichtbar

H. Haas

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8 Current congress | Highlights

Radikuläre Beinschmerzen als Folge lumbaler Bandscheibenvorfälle tre-ten mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 1 % auf. Versagen konser-vative Therapieformen, ermöglichen Bandscheibenoperationen eine ra-sche Schmerzreduktion, allerdings führen sie langfristig zu keinem bes-seren Ergebnis als konservative Maßnahmen. Generelles Ziel von Diskektomien ist die Entfernung des vorgefallenen Bandscheibengewe-bes, um so die komprimierte Ner-venwurzel wieder zu entlasten. Die Einführung der mikrochirurgischen unilateralen interlaminären trans-flavalen Diskektomie in den 1970er­Jahren verhalf der Prozedur zu einer breiten klinischen Anwendung.

Entwicklung minimalinvasi-ver Verfahren zur Prolapschi-rurgie seit den 1960er-JahrenMinimalinvasive Bandscheiben-behandlungen wurden bereits ab

den 1960er­Jahren entwickelt, um mithilfe einer geringeren Gewe-betraumatisierung die Hospitali-sierungsdauer verkürzen und die Funktionskapazität rascher wie-derherstellen zu können. Hierzu zählen die perkutane chemische (Nukleolyse), thermische (Laser­ oder Radiofrequenzapplikation) und mechanische Dekompressi-onsverfahren. Ihrer Anwendung stehen allerdings die im Vergleich zur mik rochirurgischen Diskek-tomie geringere Effektivität und eine Limitierung auf gedeckte Bandscheibenpathologien im Wege. Dementsprechend wurden weitere minimalinvasive Behand-lungsverfahren entwickelt, unter anderem tubengestützte und en-doskopische Diskektomien.Heute existieren unterschiedliche Techniken, die sich in klassische mikrochirurgische Diskektomien (mikroskopisch assistiert über

subperiostale Mittellinienzugänge oder laterale transmuskuläre Zu-gänge), mikrotubuläre Diskekto-mien (mikroskopisch assistiert und tubengestützt über mediane oder paramediane transmuskuläre Zu-gänge) und vollendoskopische Dis-kektomien (mittels Endoskop über interlaminäre oder transforaminale Zugänge) unterteilen lassen.

Unsicherheiten bezüglich der Indikation und Selektion der PatientenObwohl inzwischen etwa 80 Jahre Erfahrung mit Bandscheibenope-rationen vorliegen, dokumentie-ren die Unterschiede in der Art der Behandlung und deren Anwen-dungshäufigkeit Unsicherheiten bezüglich der Indikationsstellung und der Selektion der Patienten. Dies gilt in Hinblick auf• die klinische Symptomatik

(z. B. Schmerz mit bzw. ohne begleitende Parese),

• die zugrunde liegende Mor-phologie (z. B. gedeckte versus sequestrierte Bandscheiben-pathologie) oder

• den optimalen Zeitpunkt einer Intervention und die am besten geeignete chirurgische Methode.

Outcome – Nur wenig Unterschiede zwischen den MethodenKontrollierte Studien dokumen-tieren für die mikroskopisch as-

sistierte Diskektomie keinen subs tanziellen Vorteil gegenüber makrochirurgischen Eingriffen bezüglich der perioperativen Morbidität der Patienten und des klinischen Ergebnisses des Ein-griffs. Lediglich der perioperative Blutverlust und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes sind bei der mikrochirurgischen Tech-nik geringer. Einschränkend sind allerdings methodische Schwä-chen dieser Untersuchungen zu nennen.Mikrochirurgische und tubenge-stützte Diskektomien unterschei-den sich Metaanalysen zufolge nicht bezüglich der Gewebstrau-matisierung, der Wiederherstel-lung der Funktionskapazität und der Kosteneffektivität. Allerdings besteht ein Trend zu einer höheren Rate an Rezidiv­Bandscheibenvor-fällen nach einem mik rotubulären Vorgehen bei ansonsten vergleich-baren perioperativen Risiken.Auch der Einsatz endoskopischer Verfahren hat hinsichtlich der Kri-terien ‚Gewebstraumatisierung‘, ‚klinisches Ergebnis gemäß Schmerzreduktion und Algofunk-tion‘ sowie ‚Kosteneffektivität‘ kei-nen signifikanten Vorteil gegen-über mikrochirurgischen Techni-ken. Komplikationsprofile und Komplikationsraten zeigen eben-falls keine signifikanten Unter-schiede zwischen den unter-schiedlichen Methoden.

Patientenselektion und Indikationskriterien über weitere Studien definierenEin spezifisches Problem mikrotu-bulärer und endoskopischer Ver-fahren ist die mit ihrer Anwen-dung einhergehende Lernkurve. Hier sind die Schwierigkeit einer korrekten Portalplatzierung, die erschwerte Identifikation anato-mischer Landmarken und die un-gewohnte Handhabung neuartiger Instrumente zu nennen.Dennoch erlauben mikrochirurgi-sche, mikrotubuläre und endosko-pische Diskektomien gemäß der aktuellen Datenlage in vergleich-barer Weise eine effektive Behand-lung aller Formen lumbaler Band-scheibenpathologien. Von großer Bedeutung wären allerdings wei-tere vergleichende Untersuchun-gen, die – basierend auf den spezi-fischen Vor­ und Nachteilen dieser Verfahren – differenzierte Aussa-gen zur Selektion der Patienten und zu spezifischen Indikations-kriterien ermöglichen.PD Dr. Wolfram Käfer, Abteilung für Wirbelsäulenchirurgie, Westpfalz-Klinikum GmbH, Kusel

Mini-open versus endoskopische Bandscheibenchirurgie: Pro und ContraNach aktueller Datenlage sind die Verfahren ähnlich effektiv

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Wirbelsäule – Komplikationen vermeiden 09:30–11:00 Uhr, Saal 2 (09:45–10:00 Uhr: Mini­open versus endoskopische Bandscheibenchirur­gie: Techniken, Pro und Contra)

Wenn konservative Maßnahmen versagen, ermöglichen Bandscheibenoperationen eine rasche Schmerzreduktion bei einem Bandscheibenprolaps. Ob dabei die mikrochi-rurgische, eine mikrotubuläre oder eine endoskopische Diskektomie zum Einsatz kommt, hat laut der derzeitigen Studienlage keinen Einfluss auf die perioperative Mor-bidität der Patienten und das klinische Ergebnis. Unsi-cherheiten bestehen jedoch noch immer bezüglich der Indikationsstellung und der Patientenselektion, berichtet PD Wolfram Käfer, Kusel. Um hierzu jedoch differenzierte Aussagen treffen zu können, sind seiner Meinung nach weitere vergleichende Untersuchungen notwendig.

W. Käfer

Minimalinvasive Operationsver-fahren in der Orthopädie und Un-fallchirurgie lassen in der Regel nur eine eingeschränkte Sicht auf das Operationsfeld zu. Als zusätzliche Informationsquelle bezüglich der Orientierung und Implantatposi­tionierung ist man daher auf eine gute intraoperative Bildgebung an-gewiesen.In den letzten Jahren hat sich da-bei insbesondere im Bereich der Wirbelsäulen­ und Beckenchirur-gie die Kombination aus einer int-raoperativen 3­dimensionalen (3D) Bildgebung in Verbindung mit einem Navigationssystem als sehr vorteilhaft erwiesen. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt greift man dabei auf die mobile C­Bo-

gen­Technologie zurück, deren Limitationen in einem einge-schränkten Bildfeld sowie einer aufgrund der Dosisleistung nur eingeschränkten Bildqualität be-stehen.

Robotisch gesteuerter C-Bo-gen: größerer Bildausschnitt und höhere BildqualitätModerne Angiografieanlagen – und hierbei handelt es sich um ei-nen robotisch gesteuerten C­Bo-gen mit Flatpanel­Technologie – bieten neben ihrer 3­dimensiona-len Bildgebung einen deutlich größeren Bildausschnitt und eine bessere Bildqualität. Somit lag es auf der Hand, im Rahmen einer Neuausstattung eines chirurgi-

schen Zentral­OPs eine Kombina-tion aus einer derartigen 3D­robo-tischen Bildgebungseinheit und eines Navigationssystemes zu ent-wickeln.Die Installation besteht aus einem robotisch gesteuerten C­Bogen, der es ermöglicht, 3­dimensio-nale Bilder durch Rotation um einen Carbon­OP­Tisch zu erstel-len. Aufgrund der direkten Anbin-dung an das Navigationssystem erkennt dieses die Startposition des C­Bogens, sodass der erzeugte 3­dimensionale Datensatz auto-matisch registriert ist und in das Navigationssystem überspielt werden kann. Zum einen kann dies steril vom Operateur, zum anderen über die Steuerung steril vom OP­Feld erfolgen. Somit steht dem operierenden Chirurgen während des ganzen Eingriffs eine cockpitähnliche Steuerung der Bildgebung wie auch der Na-vigation im sterilen Umfeld zur Verfügung.Im Bereich Orthopädie und Unfall-chirurgie wird das System schwer-punktmäßig im Bereich der Wir-belsäulenchirurgie oder auch zur minimalinvasiven Versorgung von Beckenfrakturen eingesetzt. Durch die Zusatzoption der Bilddatenfu-sion präoperativer Planungskern-

spinbilder eignet sich das System aber auch für die chi rurgische Ent-fernung von Tumoren.

Positive klinische Erfahrun-gen – keine Komplikationen oder ImplantatfehllagenSeit der Inbetriebnahme des neuen Systems am 20. Juni dieses Jahres konnte damit an 19 Wirbelsäulen-eingriffen und 4 Beckeneingriffen sowie 10 Tumoroperationen Er-fahrung gesammelt werden. Gene-rell hat sich das Setup dabei her-vorragend bewährt. Es ist eine stö-rungsfreie 3­dimensionale Bildge-bung möglich, deren Bilder im An-schluss in einem sehr großen Bild-ausschnitt im Navigationssystem zur Verfügung stehen. Sämtliche bislang durchgeführten operativen navigationsgestützten minimalin-vasiven Verfahren konnten ohne Komplikationen und ohne Implan-tatfehllage zu Ende gebracht wer-den.Die Nutzung der Anlage für mini-malinvasive Herzklappenimplan-tationen, für die gefäßchirurgische Platzierung von Stents sowie für Eingriffe aus dem Bereich der Neurovaskularchirurgie garantiert eine hohe Auslastung des OP­Saa-les und damit eine rasch einkeh-rende Routineanwendung eines

derartigen Hybrid­OPs. Speziell für den Bereich der Neurovas­kularchirurgie verfügt die Anlage über ein integriertes Opera­tionsmikroskop, sodass mikrosko-pisch unterstützte navigierte Ope-rationen bei Gefäßmalformatio-nen im Neurokranium, aber auch bei Tumoren möglich sind.Die präoperativen Planungsdaten stehen durch die direkte Anbin-dung an das PACS­System („pic-ture archiving and communication system“) ebenso zu Verfügung wie die simultane intraoperative Visu-alisierung der 3D­Bilddaten. Zu-sammen mit der integrierten Na-vigation hat sich das System als perfekte Plattform für orthopä-disch­unfallchirurgische Eingriffe bewährt.

Univ. Prof. Dr. F. Gebhard, Klinik für Unfallchirurgie, Hand-, Plastische und Wiederherstellungs-chirurgie, Zentrum für Chirurgie, Ulm

Erste Erfahrungen mit Bildgebung und Navigation im Hybrid-OPPerfekte Plattform – nicht nur für orthopädisch-unfallchirurgische Eingriffe

Dienstag, 23. Oktober 2012

Minimalinvasive OP­Verfahren – Planung, Visualisierung und Navigation11:00–12:30 Uhr, Saal 10(11:45–12:00 Uhr: Erste Erfahrungen mit Bildgebung und Navigation im Hybrid­OP)

Das Zentrum für Chirurgie der Universitätsklinik Ulm hat im Juni dieses Jahres eine neue 3-dimensionale robotisch gesteuerte Bildgebungseinheit plus Navi-gationssystem installiert. Bislang hat sich das System insbesondere als Plattform für orthopädisch-unfallchi-rurgische Eingriffe hervorragend bewährt, berichtet Prof. Florian Gebhard, Ulm. 19 Wirbelsäuleneingriffe, 4 Beckeneingriffe sowie 10 Tumoroperationen konnten bisher ohne Komplikationen oder Implantatfehllagen durchgeführt werden. Darüber hinaus ist eine hohe Auslastung des neuen Hybrid-OPs eingetreten, der natürlich auch für Herzklappenimplantationen oder ge-

fäßchirurgische Eingriffe – auch in der Neurochirurgie – genutzt wird.

F. Gebhard

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10 Current congress | Highlights

Die Arthroskopie des Hüftgelenks hat sich in den vergangenen Jah-ren als weichteilschonendes mi-nimalinvasives Verfahren zu ei-nem etab lierten Standard entwi-ckelt. Durch die rasante Weiter-entwicklung der Operationstech-nik und die zunehmende Erfah-rung in den anwendenden Zentren konnten die Indikations-stellung und die Behandlungser-gebnisse wesentlich verbessert werden.

Die erfolgreichste Indikation: die Entfernung freier GelenkkörperDie Entfernung freier Gelenkkör-per und damit die Beseitigung der Blockierungssymptome (Abb. 1) ist eine der erfolgreichsten Indika-tionen der Hüftarthroskopie. Die Anlage eines dorsalen Zugangs vereinfacht die vollständige Aus-räumung der Fossa acetabuli. Be-steht gleichzeitig eine Koxarth-rose, ist durch die Entfernung freier Gelenkkörper häufig ein Teilerfolg zu erzielen.

Labrumläsion – oft mehrere Eingriffe notwendigPosttraumatische Labrumläsionen sind selten. Häufiger finden sich de-generative Labrumläsionen (Abb. 2) bei initialen Koxarthrosen oder dysplastischen Hüften. Trotz ei­ ner zuverlässig durchzuführenden arthros kopischen Resektion der in-stabilen degenerativen Labruman-teile bleibt die ursächliche Hüftpa-thologie bestehen und fordert häu-fig zeitnah einen weiteren Eingriff.Bei der Abtragung von knöchernen Überständen am Pfannenrand er-möglicht die Ablösung und eine nachfolgende Refixation des La­brums mit Nahtankern bessere Er-gebnisse als die Labrumresektion. Offenbar ist die versiegelnde und stabilisierende Funktion des La­brum azetabulare ein wichtiger Bestandteil der Hüftmechanik.

Blockierung oder Druckschmerzen durch LCF-Läsionen lindernEbenfalls einen wichtigen Einfluss auf die Stabilität des Hüftgelenks

hat augenscheinlich das Ligamen-tum capitis femoris (LCF). Auf-grund von arthroskopischen und offenen Gewebeproben weiß man heute um den hohen Anteil sensi-tiver Typ­IV­Nervenfasern im Liga-ment, wobei das Band vermutlich propriozeptive Eigenschaften be-sitzt. Bei LCF­Läsionen oder Ver-narbungen nach Bandrupturen können durch die arthroskopische Stumpfresektion ein bestehendes tiefes Druckschmerzgefühl oder Blockierungen zuverlässig behan-delt werden (Abb. 3).

Knorpelschäden arthroskopisch behandelnIn der kranialen oder ventrokra-nialen Hauptbelastungszone des Hüftgelenks finden sich häufig fokale azetabuläre Knorpelschä-den – insbesondere als Folge ei-ner chronischen Druckschädi-gung beim femoroazetabulären CAM­Impingement (CAM = „com-puter aided manufacture“). Freie oder instabile Knorpelanteile las-sen sich arthroskopisch aber zu-

verlässig entfernen. Mithilfe ei-ner Mikrofraktur (Abb. 4) kann darüber hinaus analog zu ande-ren Gelenken eine Auffüllung des Defekts mit Faserknorpel erreicht werden.

Femoroazetabuläres Im-pingement – offener Eingriff nur noch in Ausnahmefällen2003 hat Prof. Reinhold Ganz, Bern (Schweiz), das Konzept des fe-moroazetabulären Impingements (FAI) als präarthrotische Deformi-tät vorgestellt. Seit diesem Zeit-punkt hat es eine rasante Verschie-bung von der offenen Behandlung der Deformität über eine Hüftluxa-tion mit der Trochanterosteotomie zur gewebeschonenden arthrosko-pischen Offsetkorrektur gegeben. Dank der verbesserten arthros-kopischen Techniken ist das Kor-rekturergebnis dem des offenen Eingriffs gleichwertig. Dement-sprechend ist das offene Verfahren nur noch in Ausnahmefällen und bei komplexen Deformitäten erfor-derlich.

Insbesondere bei jüngeren Patien-ten kann man mithilfe der arthros-kopischen Offsetkorrektur beim femoroazetabulären Impingement die Beweglichkeit verbessern und die Schmerzsymptomatik verrin-gern (Abb. 5). Inwiefern sich da-durch die Entwicklung der Kox­arthrose abwenden oder verzö-gern lässt, ist mit den bislang vor-liegenden Daten allerdings nicht zuverlässig zu prognostizieren.

Koxarthrose – keine unrealistischen Erwartungen bei den Patienten weckenAktuellen retrospektiven Arbei-ten zufolge sind die klinischen Ergebnisse der Hüftarthroskopie bei einer manifesten Arthrose schlechter als bei einem intakten Gelenkknorpel. Trotzdem hat sich die Hüftarthroskopie in einigen In-dikationen bei einer Koxarthrose als gutes Verfahren herausgestellt. So kann die Entfernung freier

Die Hauptindikation für die Arth-rodese des oberen Sprunggelenks (OSG) ist eine schmerzhafte, kon-servativ ausbehandelte Arthrose bei Patienten, bei denen kein gelenkerhaltender Korrekturein-griff mehr möglich und eine Implan tation einer Endoprothese (TEP) kontraindiziert ist. Wäh-rend einer Umstellungsosteoto-mie in frühen Arthrosestadien generell der Vorzug gegeben wer-den sollte, ist die Alloarthro­ plastik in fortgeschrittenen Sta-dien gerade im hohen Alter auf-grund der primären Vollbelast-barkeit und des Funktionserhalts eine hervorragende Therapieop-tion.

Die Differenzialindikation zum fusionierenden Vorgehen ergibt sich aus dem klinischen und radiologischen Bild. Während monokompartimentelle Arthro-sen eine Domäne der Umstellung sind, sind trikompartimentelle Arthrosen im hohen Alter eine ideale Indikation für eine Endo-prothese. Bei bikompartimentel-len OSG­Arthrosen wird bei einer noch gut erhaltenen Beweglich-keit des Gelenks und eher gerin-gen Schmerzen eine Osteotomie zu erwägen sein, während ein ho-her Schmerzlevel und vorbeste-hende artikuläre Kontrakturen gegen eine gelenkerhaltende Pro-zedur sprechen.

Daher ist die fortgeschrittene bi­ bzw. trikompartimentelle Arth-rose oder eine rheumatische Des­truktion des oberen Sprungge-lenks bei Patienten, bei denen eine Kontraindikation zur Implantation einer Endoprothese besteht, die Domäne der OSG­Fusion – also die OSG­Arthrose mit folgenden Be-gleitfaktoren:• eine schwere knöcherne Zer-

störung bzw. Defektsituation des tibialen Plafonds mit weitgehender Beteiligung der kortikalen Tragestrukturen oder des kompletten Talus-korpus,

• ein kompletter Verlust des Au-ßen­ oder Innenknöchels mit den inserierenden ligamentä-ren Strukturen und persistie-render OSG­Instabilität,

• ein persistierender bzw. rezi-divierender Gelenkinfekt mit chronischer aktiver Osteitis,

• eine ausgedehnte nicht rekons­truierbare Zerstörung der extrinsischen Muskulatur,

• komplette Ischiadikusparesen,• eine neuropathische Gelenk-

destruktion und

• schwerste Weichteilschäden mit einer ausgedehnten chi­rurgisch nicht lösbaren extra-artikulären Kontrakturkom-ponente.

Eine weitere elektive, immer häufi-ger gestellte Indikation für eine Arthrodese des oberen Sprungge-lenks ist die gelockerte OSG­Endo-prothese mit ausgedehnten Defek-ten an den Tragestrukturen. In sel-tenen Fällen kann auch eine nicht rekonstruierbare Fraktur bzw. eine Zerstörung des Gelenks insbeson-dere bei pathologischen Frakturen oder arthropathischen Gelenkdes­truktionen in der Akutsituation ein fusionierendes Vorgehen erfordern.

Allgemeine Prinzipien bei der Anlage einer OSG-ArthrodeseBei einer isolierten Arthrose des oberen Sprunggelenks ist eine Single arthrodese angezeigt. Die Anschlussgelenke, insbesondere das untere Sprunggelenk, sollten in jedem Fall geschont werden. In-terne Stabilisierungen mit Schrau-ben und Platten sollten bei infekt-

freien OSG­Arthrosen bevorzugt werden. Externe Fixateure eignen sich dagegen bei einer Osteitis – insbesondere dann, wenn gleich-zeitig eine schlechte Weichteil­situation vorliegt und die Kno-chenqualität reduziert ist.Nach der kompletten Entknorpe-lung und der Anfrischung der Skle-rose bzw. der Resektion der Osteo-nekrose wird die Arthrodese in anatomischer Neutral­0­Position hergestellt. Generell wird ein knö-chelerhaltendes Vorgehen ange-strebt, da so die höchste Stabilität erzielt, und der Talus zudem leich-ter anatomisch positioniert wer-den kann. Bei Valgusarthrosen mit einer lateralen Facettendestruk-tion und bei einer Instabilität des distalen Tibiofibulargelenks wird die Knöchelgabel mit in die Fusion einbezogen. Häufig sind auch eine autologe oder eine allogene Kno-chenanlagerung notwendig.

Welche Zugangswege in welcher Situation?Der ventrale mediane Zugang zwi-schen der Tibialis­anterior­ und der Extensor­hallucis­longus­Sehne ist

Zahl der Hüftarthroskopien in den letzten 10 Jahren sprunghaft gestiegenPatienten mit unterschiedlichsten Hüftpathologien profitieren

Arthrose des oberen Sprunggelenks – Welche Arthrodese für wen und wann?Wenn die konservativen Methoden versagen – auch bei betagten Patienten

D.­H. Boack

Von der Entfernung freier Gelenkkörper bis hin zu Beschwerden durch eine implantierte Hüftendopro-these – inzwischen lassen sich zahlreiche Hüftpatho-logien zuverlässig arthroskopisch behandeln. Die gewebeschonende Methode ermöglicht einen kurzen stationären Aufenthalt und häufig eine frühfunktionel-le Belastbarkeit des Gelenks. Dadurch ergibt sich der hohe sozioökonomische Stellenwert des Verfahrens gegenüber offenen Techniken, erklärt Prof. Michael Bohnsack, Bremen, wodurch sich der sprunghafte Anstieg der Zahl an Hüftarthroskopien in den letzten 10 Jahren erklären lässt.

Die achsengerecht ausgerichtete Arthrodese des obe-ren Sprunggelenks ist auch im hohen Alter das Mittel der Wahl zur Behandlung einer fortgeschrittenen Arthrose mit Begleitpathologie, wenn ein gelenk- bzw. funktionserhaltendes Vorgehen nicht mehr möglich ist, konstatiert Dr. D.-Henrik Boack, Berlin. Denn mit der OSG-Arthodese lässt sich eine stabile, achsenge-rechte Situation unter Ausschaltung des artikulären Arthroseschmerzes zuverlässig und komplikationsarm erreichen.

Abb. 2 Degenerative Labrumläsion bei einer 39­jährigen Patientin mit rezidivierenden Blockierungen und Belastungsschmerzen. Nach der arthros­kopischen Labrumteilresektion waren keine Blockierungen mehr auszulö­sen, gleichzeitig verringerte sich die Schmerzsymp tomatik deutlich.

Abb. 1 Multiple freie Gelenkkörper am Übergang der Kapsel zum Schenkelhals bei einem 43­jährigen Patienten mit rezidivierenden Blockierungen. Durch die vollstän­dige arthroskopische Entfernung der Gelenkkörper waren alle klinischen Symptome zu beseitigen.

M. Bohnsack

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11Current congress | Highlights

Zahl der Hüftarthroskopien in den letzten 10 Jahren sprunghaft gestiegenPatienten mit unterschiedlichsten Hüftpathologien profitieren

Gelenkkörper Blockierungen be-seitigen und in vielen Fällen per-sistierende Belastungsschmerzen bessern. Wichtig ist es allerdings, beim Arthrosepatienten keine un-realistischen Erwartungen zu we-cken. Denn lassen sich durch die Hüftarthroskopie die Beschwer-den tatsächlich nur geringfügig lindern, kann dies für den Betrof-fenen dann äußerst unbefriedi-gend sein.

Arthroskopische Spülung ist Standard bei entzündlichen ErkrankungenZum Therapiestandard bei bakte-riellen Hüftinfekten haben sich in den vergangenen Jahren die arth-roskopische Spülung und Synov­ektomie entwickelt. Denn mit die-sem Verfahren lassen sich nicht nur alle Gelenkbereiche zuverläs-sig erreichen. Häufig gelingt auch der Keimnachweis über diverse Gewebeproben, und eine tempo-räre Einlage einer Drainage er-möglicht den extrakorporalen

Ablauf der Spülflüssigkeit. Die arth roskopische Gewebeproben-entnahme bei chronisch verlau-fenden Minimalinfekten („Low­grade“­Infekten) nach dem Einsatz einer Hüftprothese hat sich eben-falls bewährt.

Bei manchen post- operativen Beschwerden durch die EndoprotheseIn seltenen Fällen ergibt sich eine Indikation zum arthroskopischen Vorgehen auch bei postopera­tiven Beschwerden nach einer Implan tation einer Hüftprothese. Als Beispiele seien hier das per-sistierende Weichteilimpinge-ment, die Entfernung störender freier Fragmente, Zementreste oder gelenknaher heterotoper Ossifikationen und die Psoaste-notomie genannt.

Prof. Dr. Michael Bohnsack, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Evangeli-sches Diakoniekrankenhaus Bremen

Freitag, 26. Oktober 2012

Hüftarthroskopie – Präoperative Diagnostik, Behandlungsmöglich­keiten und Nachbehandlung14:30–16:00 Uhr, Saal 2a(14:40–14:50 Uhr: Der sprunghafte Anstieg der Zahl arthroskopischer Hüftoperationen war in den letzten 10 Jahren nicht zu übersehen – Indikationen zur Hüftarthroskopie)

Abb. 4 Mikrofraktur eines typischen Knorpeldefekts in der azetabulären Belastungszone bei einem 45­jährigen Patienten mit CAM­Impingement. Die Rekonturierung des Übergangs zwischen dem Hüftkopf und dem Schenkelhals führte zusammen mit der Mikrofraktur ebenfalls zu einer wesentlichen Verbesserung der Belas­tungsschmerzen und der Hüftbeweg­lichkeit.

Abb. 3 Verdicktes Ligamentum capitis femoris bei einer 26­jährigen Tänzerin mit dumpfen Belastungsschmerzen und Blockierungen. Nach einer arthroskopi­schen Resektion des Ligamentum capitis femoris war die Patientin beschwerdefrei.

Abb. 5 Femoroazetabuläres CAM­Impingement mit einer deutlichen Bumpformation am Übergang zwischen dem Hüftkopf und dem Schenkelhals bei einem 42­jährigen Patienten mit schmerzhafter Beugung und Innenrota­tion (a). Durch die Offsetrekonstruktion unter arthroskopischer Abtragung des Bump konnten die Belastungsschmer­zen insbesondere in der Beugung und der Innendrehung wesentlich reduziert und die Beweglichkeit der Hüfte verbes­sert werden (b).

(a)

(b)

derzeitiger Standard. Bestehen al-lerdings bereits Zugänge aus vorhe-rigen Eingriffen, werden möglichst die alten Narben (anterolateraler

bzw. ­medialer Zugang) benutzt. Liegt ein Knöchelverlust bzw. eine Knöcheldestruktion vor, eignet sich auch ein epimalleolärer medialer

oder lateraler Zugang durch das „Knöchelfenster“.Der dorsale – meist posterolate-rale – Zugang bietet sich wiede-rum für Revisionsfälle an, wenn im ventralen OSG­Areal schlechte Weichteile kein sicheres Vorgehen und insbesondere keine Implan-tatbedeckung ermöglichen. Ein minimalinvasives (arthroskopi-sches) Verfahren ist bei einer In­situ­Arthrodese möglich.

Fixation mit Schrauben oder mit Platten?Die Fixation mit Schrauben ist bei allen Arthrosen ohne Knochen­defekt die Methode der Wahl. Be-nutzt werden dazu Großfragment-schrauben in gekreuzter, antegra-der Positionierung (Abb. 1) – auch in der Kombination mit Kleinfrag-mentschrauben insbesondere zur Stabilisierung der Knöchelgabel.Die Indikation für Platten sind ossäre Strukturdefekte und eine schlechte Knochenqualität. In die-sem Fall kommen winkelstabile Kleinfragmentplatten nahezu im-mer in Kombination mit Großfrag-ment­Zugschrauben zum Einsatz.

Seltener werden bei ausgedehnten Defekten auch reine winkelstabile Doppel­Platten­Osteosynthesen verwendet.Großfragmentsysteme sind nur selten, insbesondere aber bei ei-nem dorsalen (Revisions­)Vorge-hen indiziert. Bevorzugtes exter-nes System zur Fixatur bei Infekt-situationen ist der Ilizarov­Fixa-teur mit seinen Modifikationen.

Meist wird er mit einem Doppel­Ringsystem benutzt.

Dr. D.-Henrik Boack, Fuß- und Sprunggelenk Zentrum Berlin

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Die OSG­Fraktur im hohen Alter16:30–18:00 Uhr, Dachgarten(17:30–17:45 Uhr: Welche Arthrodese für wen und wann?)

Abb. 1 Zu sehen ist eine OSG­Destruktion mit einer Osteonekrose und einem Substanzdefekt des gesamten Taluskorpus (a, b) bei einem hochbetagten Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus mit Polyneuropathie. Auf den Kontrollbildern 6 Monate nach der Operation zeigt sich die achsengerechte Konsolidierung der OSG­Schrauben­Arthrodese (c, d).

(a)

(c) (d)

(b)

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12 Current congress | Highlights

Der ethische Handlungskorridor, dem jeder Arzt jeden Tag im Rahmen der Ausübung sei-ner klinischen Tätigkeit verpflichtet ist, ist um-fassend niedergelegt – zum Beispiel im Eid des Hippokrates, im Genfer Gelöbnis oder in der Berufsordnung der Ärzte. Dennoch ist die Ant-wort auf die Frage „Wann dürfen oder sollen wir alles tun, was wir können?“ nicht trivial.

Therapieausweitung in GrenzsituationenHilfreich in diesem Zusammenhang sind der Ansatz der sogenannten prinzipienorientier-ten Medizin ethik [1] und eine strukturierte Falldiskussion, bei der durch die Interpreta-tion, die Konkretisierung und die Gewichtung von 4 medizinischen Prinzipien eine stimmige ethische Begründung gesucht wird – etwa bei der Ausweitung der Therapie in Grenzsituatio-nen, wie die Fortsetzung der Reanimation im Schockraum oder die Ausweitung intensivme-dizinischer Maßnahmen.Dabei wird nach der Darlegung der medizini-schen Fakten die ethische Verpflichtung gegenüber dem Patienten anhand der 3 Prinzi-pien des ‚Wohltuns und Nutzens‘ („salus ae-groti suprema lex“), des ‚Nichtschadens‘ („pri-mum nil nocere“) und der ‚Patientenautono-mie‘ interpretiert. Als viertes Kriterium wird dann das ‚Gerechtigkeitsprinzip‘, zum Beispiel eine Verpflichtung gegenüber Dritten, einbe-zogen. Nach der begründeten Abwägung aller

Dürfen und sollen wir alles machen, weil wir es können?Indikationsstellung und Therapieausweitung unter ethischen Aspekten

Natürlich dürfen und sollen wir nicht alles machen, nur weil wir es können – so wird die wohl einhellige spontane Antwort auf die (vorgegebene) rhe-torische Frage lauten. Schließlich sind wir dem ethischen Hand-lungskorridor unserer ärztlichen Tätigkeit – umfassend niederge-legt zum Beispiel im

Eid des Hippokrates, dem Genfer Gelöbnis und der Berufsordnung für Ärzte – ver-pflichtet. „Wann dürfen oder sollen wir alles tun, was wir können?“ ist die präzisere und praxisrelevante Fragestellung, die Prof. Wolf Mutschler anhand von 3 Beispielen aufgreift.

W. Mutschler

Dass muskuloskelettale Infektio-nen an Häufigkeit und Krankheits-schwere zunehmen, ist mehreren

aktuellen Entwicklungen geschul-det. Zum einen sehen wir immer mehr Patienten mit einer Indika-

tion für knochen­ und gelenkchi­rurgische Maßnahmen, zum ande-ren hat sich die Zahl an Patienten mit Risikofaktoren für kompli-zierte Verläufe deutlich erhöht. Da-rüber hinaus ist die Intensität der heute durchgeführten orthopä-disch­traumatologischen Behand-lungen unter Verwendung von Im-plantaten sowie anderen Fremd-materialien deutlich angestiegen.Gleichzeitig stellt die Zunahme resistenter Bakterien neue Anfor-derungen an das antimikrobielle Management. Sahen wir uns in un-serer klinischen Praxis zunächst vor allem mit multiresistenten Sta-phylokokken konfrontiert, so sind nun multiresistente gramnegative Erreger und Enterokokken eine viel größere therapeutische Heraus­

forderung, da für diese kaum neue Antibiotika zur Verfügung stehen.

Multiresistente Erreger erfordern eine hoch individualisierte TherapieFür die erfolgreiche antibiotische Behandlung muskuloskelettaler Infektionen ist sowohl die Zugäng-lichkeit des Infektionsortes für eine lokale sanierende Interven-tion und eine wirksame antimik-robielle Chemotherapie unter Ein-beziehung pharmakodynamischer und ­kinetischer Charakteristika (PK/PD) der jeweils eingesetzten Antibiotika notwendig. Sind mul-tiresistente Erreger die Ursache der Infektion, ist eine hoch indivi-dualisierte antimikrobielle Che-motherapie zu initiieren.

Dabei ist es unabdingbar, die biolo-gischen Eigenschaften des Erregers im jeweiligen Kompartiment mit den pharmakokinetischen und ­dy-namischen Eigenschaften der je-weiligen Substanzen abzugleichen. Eine Therapie anhand der Sensibili-tätstestung mit den Ergebnissen ‚sensibel‘, ‚intermediär‘ und ‚resis-tent‘ ist in diesem Fall unzulänglich.Empirische und gezielte Therapie-konzepte sind ergänzend einzu-

Antibiotikatherapie muskuloskelettaler InfektionenEvidenz versus Empirie

Muskuloskelettale Infektionen werden immer häufiger durch multiresistente Bakterien verursacht. Daher ist die initiale mikrobiologische Diagnostik obligat, sie wird aber durch eine antimikrobielle Vorbehandlung und das Vorhandensein von Biofilmen erschwert. Zu-nächst ist in der Regel eine empirische antimikrobielle Therapie indiziert, die sich an den Wahrscheinlichkei-ten hinsichtlich der Lokalisation und dem möglichen Erreger orientiert. Die Wahl der anschließenden geziel-ten Antibiotikatherapie, die nach der Identifizierung der Erreger zum Einsatz kommen muss, ergibt sich nicht nur aus der exakten In-vitro-Empfindlichkeit des

Erregers, sondern auch aus den spezifischen Substanzeigenschaften. Unter diesen Aspekten ist eine enge Kooperation zwischen dem Ope-rateur und dem klinischen Infektiologen notwendig und erfolgreich, rät Prof. Bernhard R. Ruf, Leipzig.

B. R. Ruf

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13Current congress | Highlights

Dürfen und sollen wir alles machen, weil wir es können?Indikationsstellung und Therapieausweitung unter ethischen Aspekten

Dienstag, 23. Oktober 2012

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf – Septische Chirurgie im Spiegel von Ethik, Effizienz und Qualität09:00–10:30 Uhr, Saal 10(09:40–10:00 Uhr: Antibiotikatherapie muskuloskelettaler Infekte: Evidenz versus Empirie)

setzen. Erstere sollten ausschließ-lich nach der Gewinnung von Materialien zur mikrobiologischen und molekularbiologischen Diag-nostik zum Einsatz kommen – aber nur so lange, bis der Erreger identifiziert ist. Danach sollten ge-zielt Antibiotika mit einem mög-lichst schmalen Wirkungsspekt-rum verwendet werden.Die einzige Ausnahme dieser Regel besteht bei Patienten mit einem floriden systemischen inflamma­torischen Responssyndrom (SIRS), bei denen ein unverzüglicher Behandlungsbeginn mit parente-

ral applizierten antimikrobiellen Subs tanzen zu fordern ist. Ins-besondere bei chronischen In-fektionen ist darüber hinaus das Problem der Entwicklung eines Biofilms auf Implantaten bzw. Fremdkörpern zu berücksichtigen: Veränderte biologische Erreger­eigenschaften (sog. dormante Er-regerformen) können in diesem Fall die Penetration antimikrobi-eller Substanzen und deren Wirk-samkeit einschränken und damit einer bakteriellen Erregerpersis-tenz den Weg bereiten.

Lokale Antibiotika-therapie eher zurück-haltend einsetzenTrotz ihrer weiten Verbreitung wird der Stellenwert einer lokalen

antimikrobiellen Therapie immer noch kontrovers diskutiert. Der Einsatz lokaler Antiinfektiva (antibiotikabeladende Beads, an-tibiotikagetränkte Schwämme) ist umstritten. Studienergebnisse kleinerer und mittlerer Fallserien sind widersprüchlich, größere randomisierte Untersuchungen fehlen.Theoretische Implikationen wie eine mögliche Selektion multi­resistenter Erreger an Gentamicin-ketten und pharmakologische Überlegungen sprechen eher für ein zurückhaltendes Vorgehen. Eine Ausnahme sind die mit Anti-biotika beladenen Zemente, die insbesondere bei Patienten mit multiresistenten Erregern hilf-reich sein können, um die lokale

Konzentration der eingesetzten Substanzen zu erhöhen.

Krankenhaushygienische Maßnahmen von großer BedeutungAufgrund der beschriebenen Limi-tationen der antimikrobiellen Chemotherapie bei multiresisten-ten Erregern kommt der Beach-tung krankenhaushygienischer Prinzipien eine besonders hohe Bedeutung zu. Dabei handelt es sich nie um eine Einzelmaßnahme, sondern um eine Bündelung ver-schiedener Prinzipien.Ein Screening bei der Aufnahme in das Krankenhaus und Isolierungs-maßnahmen sind nur bei dem Nachweis von multiresistenten Staphylokokkus­aureus­Stämmen

etabliert. Für grampositive Keime, die Breitsprektrum­Betalaktama-sen (EBSL; „extended­spectrum beta­lactamase) produzieren, und andere multiresistente Erreger fehlt hierfür derzeit die Evidenz.

Prof. Dr. Bernhard R. Ruf, Klinik für Infektiologie, Tropenmedizin und Nephrologie, Klinikum St. Georg, Leipzig

Aspekte im konkreten Konflikt, wobei die 4 Prin-zipien keine hierarchische Ordnung erfahren, wird dann in der sogenannten kritischen Refle-xion der stärkste Einwand gegen die präferierte Entscheidung sorgfältig geprüft und schließlich die definitive Entscheidung getroffen.Dieses methodische Vorgehen wird an vielen deutschen medizinischen Fakultäten gelehrt und ist daher auch jüngeren Mitarbeitern im Prinzip vertraut. Problematisch in der täglichen Praxis ist vor allem der Zeitdruck, der durch die Natur der Erkrankung oder Verletzung entsteht. Darauf jedoch kann ein Behandlungsteam durch eine präventive Simulation analoger Situationen vorbereitet werden.

Orthopädie und Unfallchirurgie: „Which rate is right“?Orthopäden und Unfallchirurgen behandeln zu-sammen mehr als 4 der insgesamt 18 Millionen sta tionären Patienten in der Bundesrepublik Deutschland und liegen auch in der Hitliste der häufigsten Operationen ganz vorne. Dass die anerkannte Leistungsbreite und ­dichte der bei-den Fachgebiete unter gesundheitsökonomi-schen Gesichtspunkten durchaus kritisch be-leuchtet wird, bleibt daher nicht aus.„Which rate is right“? So lässt sich die aktuelle Diskussion in den USA, aber auch bei uns auf den Punkt bringen, die Qualität und Quantität von Indikationen für diag nostisches und therapeuti-sches Handeln in der Orthopädie und der Unfall-chirurgie hinterfragt, weil sie alleine mit der demo grafischen Entwicklung und den Fort-schritten in der Medizin nicht hinreichend zu erklären sind. Beispielsweise werden gravie-rende regionale Unterschiede beim Einsatz der Computer­ bzw. Magnetresonanztomografie bei der konservativen oder operativen Behandlung von Wirbelsäulen erkrankungen oder bei der In-dikation zum Gelenkersatz als Indizien dafür ge-wertet, dass die von uns angebotene konserva-tive und operative Diagnostik und Therapie sowohl evidenzbasiert als auch verfügbarkeits­ und anreizgesteuert erfolgt.Ein ethisch begründeter 4­stufiger kostenbe-wusster Lösungsansatz, der wiederum auf der prinzipienorientierten Medizinethik basiert, könnte so aussehen:• die Unterlassung ineffektiver Maßnahmen

im Sinne einer evidenzbasierten Medizin nach den Prinzipien ‚Nutzen‘ und ‚Nicht-schaden‘,

• die Berücksichtigung der Patientenpräferenz nach dem Prinzip ‚Respekt der Autonomie‘,

• ein adäquater diagnostischer und therapeu-tischer Aufwand für das Erreichen eines de-finierten Therapieziels, wiederum nach dem Prinzip ‚Nichtschaden‘ und

• ein Verzicht auf teuere Maßnahmen mit ei-nem geringen oder fraglichen Nutzen für den Patienten nach dem Gerechtigkeitsprinzip.

Voraussetzung für ein solches Vorgehen sind Kenntnisse, die Akzeptanz und eine Aufwer-tung der evidenzbasierten Medizin.

Bremst die Ethik die Forschungs- und Berufsfreiheit der Ärzte aus?Der Standard von morgen gründet auf der wis-senschaftlichen Arbeit von heute. Bremst die Ethik nicht die Forschungs­ und Berufsfreiheit des Arztes und den medizinischen Fortschritt? Ja und Nein. Ja, weil die Garantie der Menschen-würde und der Persönlichkeitsschutz eine Ver-langsamung der Forschung hinnehmen [2]. Nein, weil unter Einhaltung der vielfältigen Re-gelungen und Gesetze und Einbeziehen ein-schlägiger Gremien bei uns sehr wohl eine qua-lifizierte und erfolgreiche innovative medizini-sche Forschung etabliert ist.

Jedem Patienten das Angemessene„Jedem Patienten das Angemessene“ ist die glo-bale Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Zur Konkretisierung des „Wann – Was – Wa-rum“ können die genannten ethischen Prinzi-pien beitragen, sofern sie als Ethik des Alltags verstanden und gelebt werden und eine Quali-tätskontrolle der Indikationsstellung deren Be-achtung belegt.

Prof. Dr. Wolf Mutschler, Chirurgische Klinik – Standort Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität München

Literatur1 Beauchamp TL, Childress JF. Princi ples of Biomedi-

cal Ethics (6th edi tion). Oxford: Oxford University Press, 2008

2 Maio G. Mittelpunkt Mensch – Ethik in der Medizin. Stuttgart: Schattauer Verlag, 2012

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Ethik bei Indikationsstellung und Therapieausweitung14:30–16:00 Uhr, Saal 8(14:45–15:00 Uhr: Dürfen und sollen wir alles machen, weil wir es können?)

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14 Current congress | Highlights

Vernachlässigung, Misshandlung oder Unfall?Prävention im Kontext früher Hilfen

Verletzungen von Kindern durch Gewalt und durch Unfälle werden hierzulande traditionell als 2 getrennte Bereiche behandelt und sind in nur wenig miteinander kommunizierenden Fachszenen angesiedelt. Doch zwi-schen gewalt- und unfallbedingten Verletzungen gibt es ein hohes Maß an gemeinsamen Risikokonstella-tionen, Schnittstellen und übergreifenden Handlungs-ansätzen. Unfälle und Gewalt finden an den gleichen Orten und in ähnlichen Kontexten und Gefährdungs-situationen statt. Dr. Stefanie Märzheuser plädiert daher für eine Vernetzung beider Bereiche – denn es gilt, Kinder vor jeglichen Verletzungen zu schützen!

S. Märzheuser

Das TraumaNetzwerk DGU® ist ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) mit dem Ziel, die Qualität der Schwerver-letztenversorgung durch die Ver-netzung geprüfter Krankenhäuser einer Region zu verbessern. Darin eingebunden sind• Rettungsdienste,• Ärzte und Pflegepersonal so-

wie• Einrichtungen zur Behand­

lung spezieller Verletzungsfol-gen (Schwerbrandverletzte, Rü-ckenmarksverletzte, Replantati-onszentren und Rehabilitation).

In einem Traumanetzwerk arbei-ten Kliniken unterschiedlicher Kapazitäten und Kompetenzen in der Schwerverletztenversorgung als überregionale, regionale und

lokale Traumazentren zusam-men. Die Standards im Pro-zessablauf, die Ausstattung der Zentren und die Indikatoren der Struktur­, Prozess­ und Ergebnis-qualität sind anhand vorhande-ner Evidenzen definiert und zuletzt in der 2. Auflage des Weißbuches zur Schwerverletz-tenversorgung der DGU [1] publi-ziert.Ein externes Zertifizierungsver-fahren berücksichtigt dabei so-wohl die vorgegebenen Qualitiäts­ und Sicherheitsindikatoren als auch die Zusammenarbeit der Kli-niken im jeweiligen Netzwerk.

Rund 80 % der Fläche der Bundesrepublik über Traumanetze abgedecktDas Projekt wurde im Jahr 2006 initiiert. Im Sommer des Jahres 2012 waren bereits 580 Kliniken vor Ort besichtigt worden. Im Rah-

men dieses Auditbesuchs wurde geprüft, ob die Kliniken die im Weißbuch gelisteten Vorausset-zungen erfüllen. Derzeit existieren 34 vollständige Traumanetzwerke. Damit sind etwa 80 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland mit zertifizierten Traumanetzwer-ken abgedeckt (Abb. 1) [2].Ersten Untersuchungen zufolge setzten die Kliniken bereits vor ihrer erfolgreichen Auditierung erhebliche strukturelle (z. B. Röntgenanlage), organisatorische (z. B. interdisziplinäre Leitlinien) und personelle (z. B. Hintergrund-dienste) Verbesserungen um. Gleichzeitig dokumentieren die Kliniken ab dem Audit die Be-

handlung aller Schwerverletzten zum Zwecke der externen Quali-tätssicherung im TraumaRegister DGU®.

Hohe Versorgungsqualität – insbesondere in über-regionalen TraumazentrenDie Versorgungsqualität in den geprüften Kliniken der Jahre 2008–2011 wurde nun im Trau-maRegister DGU® anhand einer Analyse der Daten von 25 249 schwerverletzten Patienten („in-jury severity score“ ≥ 9) erstmals untersucht. Erwartungsgemäß waren in den 86 überregionalen Traumazentren deutlich schwerer verletzte Patienten behandelt worden als in den 174 regionalen bzw. 177 lokalen Traumazentren. Auch hinsichtlich der Fallzahlen hatten die überregionalen Zent-

ren mit 62 % (15 757 Patienten) den größten Anteil an der Versor-gung.Gleichzeitig schnitten beim Ver-gleich der beobachteten mit der berechneten Letalität (RISC1­Me-thode) die überregionalen Trau-mazentren am besten ab (Abb. 2). Hier verstarben weniger Patienten als entsprechend der Verletzungs-schwere prognostiziert worden war (–2,5 Prozentpunkte). In den lokalen Traumazentren betrug dieser Unterschied dagegen nur 0,7 Prozentpunkte.Auch die für das frühe klinische Ma-nagement benötigte Zeit variierte in den 3 unterschiedlichen Versor-gungsstufen. In den überregionalen Zentren wurden die Patienten deutlich schneller versorgt. Hier war die sonografisch­radiologische Diagnostik im Schockraum früher

Traumazentren unterschiedlicher Versorgungsstufen mit unterschiedlicher Qual ität?Versorgungsqualität der Zentren im TraumaRegister DGU®

Jedem Schwerverletzten muss rund um die Uhr die bestmögliche Versorgung unter standardisierten Qua-litätsmaßstäben zur Verfügung stehen – dies hat sich das TraumaNetzwerk DGU® zum Ziel gesetzt. Für weite Teile Deutschlands steht derzeit bereits eine qualitativ hochwertige Schwerverletztenversorgung in zertifi-zierten Traumanetzwerken zur Verfügung. Die höchste Qualität bieten dabei erwartungsgemäß überregionale Traumazentren. Lokale Zentren dagegen, die jedoch insbesondere in Flächenländern mit großen intrahospi-talen Distanzen ein relevanter Bestandteil der Netz-werke sind, weisen eher eine nur durchschnittliche

Ergebnisqualität auf, berichtet Prof. Steffen Ruchholtz, Marburg, von einer Analyse des TraumaRegisters DGU®.

S. Ruchholtz

1 Revised Injury Severity Classification

Abb. 2 Vergleich der beobachteten und der nach dem RISC­Score berechneten Letalität in den verschiedenen Traumazentren in den Jahren 2008–2011.

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20

15

10

5

0 lokale Trauma- regionale Trauma- überregionale Trauma- zentren zentren zentren (n = 177) (n = 174) (n = 86)

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[%]

10,3 13,1 15,0

■ beobachtete Letalität■ berechnete Letalität (RISC-Score)

Abb. 1 TraumaNetzwerk DGU®: Zertifi­zierte Traumazentren in Deutschland.

■ überregionalesTraumazentrum■ regionales Traumazentrum■ lokales Traumazentrum

Verletzungen sind die häufigste Todesursache im Kindesalter und der zweithäufigste Grund für Kran-kenhauseinweisungen von Kindern. Dabei kann eine Verletzung entwe-der eine Folge eines unbeabsichtig-ten Ereignisses (Unfall) oder durch eine Gewaltanwendung (Misshand-lung) verursacht sein. Beides sollte unter dem Begriff Kindeswohlge-fährdung gemeinsam betrachtet werden, wie es auch im interna-tionalen Kontext Usus ist. Sowohl im „World Injury Report“ der Welt-gesundheitsorganisation WHO als auch im Europabericht von Euro-safe, um nur 2 Beispiele zu nennen, gelten Verletzungen durch Gewalt und durch Unfälle als eine Entität.

In Deutschland dagegen werden Verletzungen durch Unfälle und Misshandlungen traditionell ge-trennt behandelt und sind bisher nur in wenig miteinander kommu-nizierenden Fachszenen angesie-delt. Von Ausnahmen abgesehen befasst sich die Jugendhilfe mit gewaltbedingten und das Gesund-heitswesen mit unfallbedingten Verletzungen.

Frühe Hilfen – Gewaltanwen-dung bei Kindern erkennenIm Januar 2012 trat das neue Kin-derschutzgesetz und damit auch das Programm „Frühe Hilfen“ in Kraft. Dieses Programm zielt auf eine zunehmende Qualifizierung

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von Fachkräften und lehrt diese, Zeichen der Gewaltanwendung bei Kindern zu erkennen. Der Bereich der Unfallprävention, also ein si-cherer unfallgeschützter Lebens-raum, wird in diesem Kontext nicht beachtet.Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder e. V.“ hat mit der Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums zwar ein Fachnetzwerk und eine Lobby gegen Unfallverletzungen aufgebaut. Familienorientierte An-gebote, gerade für die Hochrisiko-gruppe der Säuglinge und Klein-kinder, konnten aber bisher nicht geschaffen werden.

Risikofaktoren für Verletzungen im KindesalterFaktoren, welche die Gefährdung für ein Kind steigern, schwer ver-letzt zu werden – und zwar sowohl im Hinblick auf Unfälle als auch auf Gewaltanwendung – sind Ge-genstand aktueller Untersuchun-gen. Eine gestörte Eltern­Kind­Be-ziehung, eine geringe Erziehungs-kompetenz, Überforderung, Sucht-probleme, ein niedriger sozialer Status und psychische Erkrankun-gen der Eltern erhöhen Studien­

ergebnissen zufolge das Risiko, dass ein Kind in der Familie ver-letzt wird.Neben gemeinsamen Risikofakto-ren gibt es fließende Übergänge zwischen einer unzureichenden elterlichen Aufsicht, einem billi-genden in Kauf nehmen gefähr-licher Situationen und einer ge-zielten Aggression gegenüber Kin-dern. Das Wissen um spezifische Unfall­ und Gewaltmechanismen und über diagnostische Unter-scheidungsmöglichkeiten ist für die Prävention elementar.Risikofaktoren für Verletzungen im Kindesalter sind bekannt (Tab. 1). Zwar gibt es Präventions-programme gegen Kinderunfälle und gewaltbedingte Verletzungen, es fehlt aber an der Vernetzung beider Bereiche. Für beide Verlet-zungsursachen gibt es ein hohes

Maß an gemeinsamen Risikokons-tellationen, Schnittstellen und übergreifenden Handlungsansät-zen. Unfälle und Gewalt finden an den gleichen sozialen Orten und in ähnlichen Kontexten und Gefähr-dungssituationen statt.

Schutz vor beabsichtigten und unbeabsichtigten VerletzungenDaher wird versucht, eine Syn-these beider Felder und Empfeh-lungen für einen Multi­Issue­An-satz zu entwickeln. Das Projekt soll in 4 Stufen umgesetzt werden:• Stufe1: Bestandsaufnahme der

Bedingungszusammenhänge von beabsichtigten und unbe-absichtigten Verletzungen

• Stufe 2: Analyse von Koopera-tionsstrukturen bei der Unfall­ und Gewaltprävention und wirksame integrierte Präven­tionsansätze

• Stufe 3: bundesweite Fachver-anstaltung zum Thema „Ver-letzungen durch Gewalt und Unfälle – Gemeinsamkeiten und Unterschiede“

• Stufe 4: Empfehlungen zu op­timierten Handlungsverläufen und Vernetzungsformen

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15Current congress | Highlights

Tab. 1 Risikofaktoren für Verletzungen im Kindesalter.

familiäre Faktoren

soziale Faktoren

elterliche Faktoren

kindliche Faktoren

Minderjährigkeit der Eltern

Armut, Arbeitslosigkeit, Verschuldung

Drogen-, Alkohol- oder Medikamentenabusus eines Elternteils

Temperament

mehr als ein Kind bei Eltern unter 20 Jahren

soziale oder sprachliche Isolierung

häusliche Gewalt (unter den Partnern)

chronische Erkrankungen, Behinderung, lange Krankenhaus-aufenthalte

zwei oder mehr Kinder unter 5 Jahren

verminderter Zugang zu Unter-stützungs- und Hilfsangeboten

psychiatrische Erkrankung eines Elternteils

psychische Besonderheiten

unerwünschte bzw. verdrängte Schwangerschaft

unzureichender Wohnraum

Traumatisierung eines Elternteils

allein erziehender Elternteil

Lernbehinderung, geistige Behinderung eines Elternteils

ablehnende Hal-tung gegenüber dem Kind

Misshandlung, Vernachlässigung, Missbrauch in der Ge-schichte der Eltern

mindestens 1 Kind der Mutter in Pflege bzw. Adoption

eingeschränkte Stress- und Frustrationstoleranz

Hauptziel ist es, Kinder vor beab-sichtigten und unbeabsichtigten Verletzungen zu schützen. Da-bei fokussiert das Projekt auf die besonders gefährdete Gruppe der 0­ bis 3­Jährigen. Strategisches Ziel ist die Zusammenführung getrennter Präventionsaktivi-täten und die Entwicklung in­ tegrierter Interventionen für die Gewalt­ und die Unfallpräven-tion.

Dr. Stefanie Märzheuser, Klinik für Kinderchirurgie, Charité, Berlin

Traumazentren unterschiedlicher Versorgungsstufen mit unterschiedlicher Qual ität?Versorgungsqualität der Zentren im TraumaRegister DGU®

abgeschlossen, und die Patienten wurden nicht nur einer Ganzkör-per­Computertomografie, sondern auch einer lebensrettenden Opera-tion an Bauch und Schädel deutlich früher zugeführt als in lokalen oder regionalen Zentren.Inwieweit diese Daten die Wir-kung des Projektes auf eine Opti-mierung der Versorgung reflektie-ren, wird in weiteren Studien zu prüfen sein.

Es gilt, die Behandlungsqua-lität weiter zu optimierenIm TraumaNetzwerk DGU® besteht damit durch die Leistung der ein-gebunden Kliniken für große Teile Deutschlands eine hohe Qualität der Schwerverletztenversorgung. Die anteilig weniger stark einge-bundenen lokalen Traumazentren können jedoch lediglich eine durchschnittliche Ergebnisqualität vorweisen, die sich deutlich von den Zentren höherer Stufen unter-scheidet.Somit sind solche lokalen Zentren zwar ein relevanter Bestandteil der Traumanetzwerke – insbesondere in Flächenländern mit großen in-terhospitalen Distanzen. Im Sinne der weiteren Optimierung der Be-handlungsqualität ist in Zukunft jedoch kritisch zu prüfen, inwie-weit in Regionen, in denen auch Traumazentren der höheren Ver-sorgungsstufen (überregionale und regionale Traumazentren) zeitlich gut zu erreichen sind, die lokalen Traumazentren ihre Funk-

tion als Primärversorger im Rah-men von Traumanetzwerken auf-grund ihrer nachweislich schlech-teren Ergebnisdaten wirklich er-füllen können.

Prof. Dr. Steffen Ruchholtz, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederher-stellungschirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Marburg– für die AKUT-Lenkungsgruppe: Catrin Dankowski (Marburg), PD Dr. Christian Kühne (Marburg), Ulrike Nienaber (Köln), Birgit Primps (München), Prof. Dr. Steffen Ruchholtz (Marburg), Prof. Dr. Hartmut Siebert (Schwäbisch-Hall), Prof. Dr. Johannes Sturm (Detmold)

Literatur1 Deutsche Gesellschaft für Unfall-

chirurgie e.V. Weißbuch Schwer-verletzten-Versorgung (2. Auflage). Orthopädie und Unfallchirurgie Mit-teilungen und Nachrichten 2012; (Suppl) 1: 9ff

2 www.traumanetzwerk-dgu.de

Dienstag, 23. Oktober 2012

Die neuen stationären BG Heilverfahren: Kompatibel mit dem DGU­TraumaNetzwerk?09:00–10:30 Uhr, Dachgarten

Dienstag, 23. Oktober 2012

Versorgungsbericht 2012 11:00–12:30 Uhr, Saal 43 (11:15–11:30 Uhr: Traumaregister)

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Rehabilitation im TraumaNetzwerk09:30–11:00 Uhr, Saal 6

Freitag, 26. Oktober 2012

TraumaNetzwerk07:45–09:15 Uhr, Dachgarten

Die aktuelle Tendenz zur Spezi-alisierung ist auch im Fachgebiet der Ortho-pädie und Unfallchirur-gie nicht zu übersehen. Geschuldet

ist sie unter anderem dem rasan-ten medizinischen Fortschritt mit einer immer kürzer werdenden Halbwertszeit des medizinischen Fachwissens. Ein deutschland-weit flächendeckendes Netz an Spezialisten lässt sich aber allein schon aus Kostengründen, aus Gründen der mangelnden Ver-fügbarkeit und aus logistischen Gründen nicht aufbauen. Trotz aller notwendigen Spezialisierung muss daher eine breite fachliche Qualifikation gewährleistet sein. Es gilt Strukturen zu schaffen oder wiederzubeleben, die eine „generalistische“ orthopädisch-unfallchirurgische Ausbildung er-möglichen. Nur so lässt sich eine flächendeckende und kompetente Basisversorgung sicherstellen, so PD Michael Oberst, Aalen.

Brauchen wir in unserer zuneh-mend spezialisierten Welt noch Generalisten? Gibt es noch eine Verwendung für einen breit ausge-bildeten Allrounder in der Orthopä-die und der Unfallchirurgie? Wohl kaum, wenn man den Trend der vergangen Jahre betrachtet, der eine eindeutige Tendenz zur Spezialisie-rung dokumentiert. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig.Einerseits ist sie sicher dem rasan-ten medizinischen Fortschritt ge-schuldet, wobei die Halbwertszeit des fachlichen Wissens immer kür-zer wird. Dementsprechend schwie-rig ist es, Fachwissen stets auf dem aktuellen Stand zu halten. Darüber hinaus sind positive Darstellungen in der Öffentlichkeit und den Me-dien die Basis dafür, warum Spezia-listen ein hohes fachliches und per-sönliches Ansehen genießen.Andererseits scheint es aber auch nicht unbequem zu sein, sich auf ein einzelnes spezielles Unterge-biet zu konzentrieren. Dies redu-ziert nicht nur den notwendigen Einsatz und Aufwand hinsichtlich der Fort­ und Weiterbildung oder das eigene chirurgische Trainings-pensum, sondern auch die persön-liche Erreichbarkeit bzw. Präsenz. So öffnen Spezialisten ihre Praxen üblicherweise nur wochentags von 07:00–17:00 Uhr. Außerhalb die-ser Zeiten verweisen sie hingegen in der Regel auf den Generalisten im nächstgelegenen Krankenhaus.

Ein flächendeckendes Netz an Spezialisten ist unmöglichGenau hierin besteht das Prob-lem: Vor dem Hintergrund der

zunehmenden Verknappung an Ressourcen im Gesundheitswesen ist es schlechterdings undenkbar, Deutschland flächendeckend mit einem Netz von Spezialisten zu überziehen, die jeweils „24/7/365“ – also 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche und an 365 Tagen pro Jahr – erreichbar sind. Dies ist aus Kostengründen, aus Gründen der mangelnden Verfügbarkeit und auch aus logistischen Gründen nicht möglich [1].Die in diesem Zusammenhang vielfach geforderte Zentralisierung von bestimmten „Spezialisten­Leistungen“ (z. B. Endoprothetik) ist jedoch nicht nur hinsichtlich der künftigen Ausbildung unse-res Nachwuchses zu hinterfragen. Denn hoch frequentierte Spezial-abteilungen arbeiten „im Akkord“, Ausbildungseingriffe sind dann nicht vorgesehen. Auch ethisch­moralisch ist diese Zentralisierung diskussionswürdig: Sollen künftig reiseunwillige oder ­unfähige Pa-tienten – insbesondere Alten­ und Pflegeheimbewohner – tatsächlich mit einer schlechteren Versorgung vor Ort vorlieb nehmen müssen, nur weil Sie nicht willens oder in der Lage sind, Hunderte von Kilo-metern zu einem Spezialisten zu reisen?

Generalisten für die zeit- und wohnortnahe Versorgung unabdingbarBundesweitweit gibt es über 900 Kliniken der Grund­ und Regelver-sorgung [2]. Dort ist nach wie vor der breit ausgebildete Generalist für die zeit­ und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung unab-dingbar. Er ist außerdem – als Facharzt für Orthopädie und Un-fallchirurgie mit einem Schwer-punkt ‚Spezielle Unfallchirurgie‘ – derjenige, der fachübergreifende und praktische Kenntnisse in der Versorgung des Polytraumas besit-zen muss und deshalb der „Küm-merer des Schwerverletzten“ ist.Die Deutsche Gesellschaft für Un-fallchirurgie bezieht diesbezüglich in der aktuellen Auflage des „Weißbuch Schwerverletztenver-sorgung“ eindeutig Stellung: „Es wird auf Dauer nicht möglich sein, für jede Verletzung den jeweiligen ‚Spezialisten‘ im Bereitschafts­ oder Rufdienst vorzuhalten, oft-mals mehrere für einen Patienten. Die Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie und insbesondere in der vertiefen-den Zusatzweiterbildung zum spe-ziellen Unfallchirurgen muss trotz aller Spezialisierung den Erwerb einer fachlich breiten Qualifikation gewährleisten“ [3].Wir brauchen Generalisten also nicht nur nach wie vor – wir wer-den sie auch in Zukunft brauchen. Es ist höchste Zeit, dass nicht nur den Spezialisten Anerkennung gezollt wird, sondern auch den ortho pädisch­unfallchirurgischen „Allroundern“. So wie der Zehn-

kämpfer der Leichtathletik, der als „König der Athleten“ verdienter-maßen höchsten Respekt und An-erkennung genießt, muss auch der Generalist in der Orthopädie und Unfallchirurgie anerkannt und wertgeschätzt werden.

Jetzt gegen aktuelle Spezialisierungstendenzen ansteuernVor dem Hintergrund des zuneh-menden Chirurgenmangels einer-seits sowie der deutlich veränder-ten Ansprüche des ärztlichen Nachwuchs hinsichtlich der soge-nannten „work­life­balance“ bzw. der Vereinbarkeit von Familie und Beruf andererseits, wird es aller-dings zunehmend schwieriger, junge Kollegen für den Weg des Generalisten zu begeistern. Auch die „Verschlankung“ des Weiter-bildungskataloges, bedingt durch die Vereinigung der beiden Fach-gebiete, hat logischerweise zu ei-ner geringeren Breite der Ausbil-dung geführt. Der faktische Weg-fall der konservativen Orthopädie in den Akutkrankenhäusern ist nur ein Beispiel für diesen Prozess.Dies zwingt unseren Nachwuchs geradezu, eine frühe operative Spezialisierung anzustreben, um wenigstens innerhalb eines Berei-ches der verdichteten Weiterbil-dung „zu etwas zu kommen“. All-rounder werden hierdurch aller-dings nicht ausgebildet.Wenn wir also auch in Zukunft noch Generalisten in Orthopädie und Unfallchirurgie benötigen, müssen wir Strukturen etablieren (oder wiederbeleben?), die es der kommenden Generation ermögli-chen, sich „generalistisch“ ausbil-den zu lassen. Nur so können wir auch künftig wichtige Schlüssel-positionen, wie beispielsweise die Schwerverletztenversorgung oder die flächendeckende orthopä-disch­unfallchirurgische Basisver-sorgung, kompetent wahrnehmen.PD Dr. Michael Oberst, 1. Vorsitzender Generalisten in der Chirurgie e.V., Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbel-säulenchirurgie, Ostalb-Klinikum Aalen

Literatur1 Stürmer KM, Raschke MJ, Burger

C et al. Konvent der unfallchirurgi-schen Lehrstuhlinhaber. Eckpunkte zur unfallchirurgischen Aufgaben-stellung an den Universitäten – Strukturüberlegungen zu Kranken-versorgung, Forschung und Lehre. Unfallchirurg 2010; 113: 957–959

2 Lob G, Lob T, Bauer H et al. Gibt es einen Wandel in der Struktur chi-rurgischer Kliniken in Deutschland? Unfallchirurg 2009; 112: 439–443

3 Deutsche Gesellschaft für Unfall-chirurgie e. V. Weißbuch Schwer-verletzten-Versorgung (2. Auflage). Orthopädie und Unfallchirurgie Mit-teilungen und Nachrichten 2012; (Suppl 1): 9ff

Generalisten in Orthopädie und Unfallchirurgie: noch oder wieder gebraucht?Nur mit Generalisten lässt sich eine flächendeckende Basisversorgung sicherstellen

M. Oberst

Dienstag, 23. Oktober 2012

Spezielle Orthopädie – spezielle Un­fallchirurgie: Chance oder Sackgasse? 11:00–12:30 Uhr, Dachgarten (11:00–11:20 Uhr: Generalisten in Orthopädie und Unfallchirurgie: Noch oder wieder gebraucht?)

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Prävention in Orthopädie und Unfallchirurgie09:30–11:00 Uhr, Saal 9(10:30–10:45 Uhr: Vernachlässigung, Misshandlung oder Unfall? Prävention im Kontext Früher Hilfen)

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16 Current congress | Highlights

Funktionelle Nachbehandlung nach einer SprunggelenksendoprothetikPhysiotherapie ist unverzichtbar!

Die Historie der Sprunggelenks­prothesen beginnt in den 1970–1980er­Jahren mit einem neuen OP­Ver fahren von Lord und Marrott. Deren „Pionierleistung“ zeichnete sich durch eine zemen-tierte Tibiakomponente mit lan-gem Stiel (vergleichbar der Femur-komponente bei Hüftgelenkser-satz) und eine erforderliche, sub-talare Arthrodese aus. Nach ersten überzeugenden Kurzzeitergebnis-sen waren jedoch die Ergebnisse der Langzeitstudien (bis 15 Jahre) eher unbefriedigend, worauf das Verfahren in dieser Form einge-stellt wurde.Die nächste Generation der Pro-thesen für das obere Sprungge-lenk (OSG), die sogenannten

3­Komponenten­Prothesen, wies einen deutlichen Fortschritt auf. Hinsichtlich der biomechani-schen Forschung und des daraus resultierenden Verständnisses der Materie waren diese Prothe-sen deutlich vielversprechender als ihre Vorgänger. Den Ausschlag gaben dabei eine biologische, sprich zementfreie Fixation, die kongruentere Form und die bes-sere chirurgische Instrumentie-rung.

Welche Patienten eignen sich für den Einsatz einer OSG-Prothese?Als „ideale Patienten“ für den Ein-satz einer Sprunggelenksprothese gelten ältere, nicht übergewich-tige Personen mit noch guter Kno-chenqualität und geringen kör-perlichen Ansprüchen. Denn bei den zukünftigen Prothesenträ-gern muss klar sein, dass die Im-plantation vorwiegend eine Schmerzbehandlung darstellt, in der Regel aber keine signifikante Bewegungsverbesserung mit sich bringt.Wer dagegen im Berufsleben stark körperlich gefordert war, dabei verunfallt ist und auch wieder bestmöglichst eingegliedert wer-den soll, wird um die kritische Auseinandersetzung mit einer Gelenkversteifung nicht umher-kommen. Auch Patienten mit de-

generativen Neuroarthropathien, aktiven oder erst kürzlichen In-fektverläufen, neurologischen Dys-funktionen des Fußes und nicht mehr korrigierbaren Fehlstellun-gen (Varus/Valgus) – um nur einige Beispiele zu nennen – eignen sich nicht für die Versorgung mit einer Prothese.

Physiotherapie – Ziel ist die frühestmögliche Selbst-ständigkeit des PatientenDie funktionelle physiotherapeu-tische Nachbehandlung hat im Akutstadium – sprich in der akut postoperativen Phase – folgende Schwerpunkte: Nach der Aufklä-rung des Patienten durch den Phy-siotherapeuten hinsichtlich der Belastung, dem Verhalten und der Nachsorge nach dem Eingriff stehen vor allem notwendige prophylaktische Maßnahmen im Fokus. Die Atemtherapie mit ihren passiven und aktiven Techniken, auch zur Eigenübung gedacht, sowie die dosierte aktive und pas-sive Mobilisierung des betroffe-nen sowie der angrenzenden Ge-lenke bilden dabei die Grundlage der Therapie.Die Hauptaufgabe bzw. das Hauptanliegen des Physiothera-peuten ist es jedoch, den Patien-ten frühestmöglich zur Selbst-ständigkeit zu verhelfen, um eine Bettlägerigkeit zu vermeiden.

Sogar noch vor der ärztlichen Freigabe der aktiven Dorsalex-tensions­ und Plantarflexions­bewegung kann mit einem Fuß-gewölbetraining im Sitzen an der Bettkante begonnen werden. Die Versorgung mit Unterarm­gehstützen und einem VACOped­Schuh sowie die Compliance des Patienten und eine anfängliche Teilbelastung nach ärztlicher Vorgabe sind die Basis der inten-siven Gehschule mit dem Prothe-senträger.

In der Rehabilitationsphase soll der Patient seine Alltags-fähigkeit wiedererlangenIn der Rehabilitationsphase liegt der Fokus auf einer bestmöglichen Beweglichkeit des Gelenks unter minimalen Schmerzen. Auch die damit einhergehende Gehschule ist über längere Zeit ein wichtiger Bestandteil der Physiotherapie. Verschiedenste Maßnahmen – be-ginnend mit manuellen Techni-ken, Teilen der funktionellen Be-wegungslehre, physikalischen An-wendungen und das Ganzkörper-training unter propriozeptiven Aspekten – werden unter Einbe-ziehung der Zielvorstellung des Patienten durchgeführt. All dies bewirkt einen Abbau der Hilfsmit-tel und ebnet den Weg zu einer Wiedererlangung der Alltagsfä-higkeit.

Der Physiotherapeut Simon Löffler, Murnau, sieht die Sprunggelenksendoprothetik als eine gute Alterna-tive zur Gelenkversteifung. Die Indikation ist natür-lich stets sehr individuell und nach den Anforderun-gen an das Sprunggelenk im Alltag des Betroffenen zu treffen. Ideale Patienten für den Einsatz einer Sprunggelenks prothese sind ältere, nicht überge-wichtige Personen mit noch guter Knochenqualität und geringen körperlichen Ansprüchen. Solche Pati-enten können mithilfe einer funktionellen physiothe-rapeutischen Nachbehandlung – angefangen von der dosierten aktiven und passiven Mobi lisierung des

betroffenen sowie der angrenzenden Gelenke bis hin zu manuellen Techniken, physikalischen Anwendungen und dem Ganzkörpertrai-ning unter propriozeptiven Aspekten – nicht nur ihre Selbststän-digkeit, sondern auch ihre Alltagsfähigkeit wiedererlangen.

S. Löffler

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Trotz einer guten Korrektur des 1. Strahls und zusätzlicher Eingriffe an den Kleinzehen bleibt in einigen Fällen postoperativ eine Metatarsalgie bestehen. Um das Risiko für ein solches Schmerz-bild schon im

Vorfeld möglichst gering zu halten, ist nach Ansicht von Prof. Christina Stukenborg-Colsman, Hannover, eine genaue klinische Diagnostik unabdingbar. Denn das Beschwerde bild der Metatar-salgie ist durch eine Vielzahl dif-ferenter Ätiologien gekennzeich-net. Mit der für den individuellen Fall am besten geeigneten Technik lassen sich jedoch gute klinische Ergebnisse erzielen und persistierende Metatarsalgien vermeiden.

Die Metatarsalgie beschreibt ein Schmerzbild im Bereich des Mit-telfußes in Höhe der Metatarsal-köpfchen II–IV. Sie tritt insbeson-dere bei Patienten auf, die an ei-nem Spreizfuß, einem Hallux val-gus oder einem Digitus quintus

varus leiden. Der Begriff ist jedoch ungenau und entspricht keiner Di-agnose, sondern vielmehr einem Beschwerdebild, das durch eine Vielzahl differenter Ätiologien ge-kennzeichnet ist. Eine weitere diag nostische Spezifizierung ist daher in jedem Fall erforderlich, um die Betroffenen gezielt zu be-handeln und so gute klinische Er-gebnisse erzielen zu können.

Erst wenn konservative Therapien nicht fruchten, ist eine Operation notwendigDie Therapie sollte zunächst kon-servativ in Form von Einlagen mit retrokapitaler Pelotte, Schuhzu-richtung und individuellen Orthe-sen erfolgen. Hierdurch können bestehende Schmerzen in vielen Fällen zufriedenstellend reduziert werden. Bleibt die Schmerzsymp-tomatik allerdings weiterhin be-stehen, kann eine operative Thera-pie notwendig werden.Spätestens dann stellt sich die Frage, welche Operationstechnik sich im individuellen Fall am bes-ten eignet, um das Schmerzbild ‚Metatarsalgie‘ zu therapieren. Reicht die alleinige Korrektur des Hallux valgus, um die Metatarsal-gie zu beheben? Benötigt der Pa­tient zusätzlich eine Korrektur des Digitus qiuntus varus? Wann

reichen diese Eingriffe aus und wann sollte man weitere Inter-ventionen an den Kleinzehen und/oder den Mittelfußknochen vornehmen?Um sich für die richtige Opera­tionstechnik entscheiden zu kön-nen, ist eine genaue Diagnose der zugrunde liegenden Ätiologie not-wendig. Wo liegt der Schmerz plantarseitig? Liegen Zehendefor-

mitäten im Sinne von Krallen­ oder Hammerzehen vor? Handelt es sich in diesen Fällen um eine flexi-ble oder kontrakte Deformität? Be-steht eine Instabilität im Metatar-sophalangealgelenk? Weicht die Zehe nach mediolateral ab?

Deformität und Beschwerdebild bestimmen das TherapieverfahrenAbhängig von der Deformität und dem Beschwerdebild werden heute gezielte Therapieverfahren eingesetzt, um die Zehen wieder zu zentrieren und die Metatarsalia zu entlasten. Zur Druckentlastung der Metatarsalköpfchen eignen sich distale und proximale Osteo-tomien. Ziele eines solchen Ein-griffs sind die Verkürzung und ge-gebenenfalls eine Elevation des Metatarsale aus der Überlastungs-zone sowie in vielen Fällen die Re-position der Zehe im Metatarso-phalangealgelenk.Proximale Osteotomien haben ein höheres Korrekturpotenzial, benö-tigen jedoch eine sehr stabile Osteosynthese. Eine der häufigs-ten distalen Osteotomien zur Be-handlung der Metatarsalgie ist die Weil­Osteotomie. Trotz der in der Regel guten klinischen Ergebnisse dieser Intervention treten post-operativ in einigen Fällen Kompli-

kationen auf [1] – wie zum Bei-spiel• Rezidive (15 %),• „floatings toes“ (36 %) und• Transfermetatarsalgien (7 %).

In den meisten Fällen wird je-doch eine zusätzliche operative Kor rektur der Kleinzehendefor-mität notwendig und mit der dis-talen Metatarsalosteotomie kom-biniert. Neben einer Arthrodese des pro ximalen Interphalangeal-gelenks (PIP­Arthrodese) oder einer Resektionsarthroplastik werden Weichteileingriffe zur Korrektureinstellung der Zehe eingesetzt. Neben der korrekten Stellung der Zehe soll so vor al-lem ein Hochstehen der Zehe („floating toe“) postoperativ ver-mieden werden. Häufig ange-wandt wird auch die Trans­position der Flexor­digitorum­longus­Sehne auf die dorsalsei-tige Extensorsehne.

Rekonstruktion der plantaren Platte – eine neue OptionIn den letzten Jahren ist neben diesen Techniken vermehrt über die Rekonstruktion der plantaren Platte diskutiert worden. Cough-lin et al. veröffentlichten erst im letzten Jahr erstmals eine Stadien­

Persistierende Metatarsalgie nach VorfußchirurgieWie kann man dies verhindern?

C. Stukenborg­Colsman

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17Current congress | Highlights

Freitag, 26. Oktober 2012

Management von Patienten mit Sprunggelenksbeschwerden13:00–14:00 Uhr, Saal 4/5(13:25–13:50 Uhr: Physiotherapeuti­sche Behandlung bei Sprunggelenks­endoprothetik)

Die Arthrex Medizinische Instru-mente GmbH, Karlsfeld bei Mün-chen, stellt im Rahmen der DKOU 2012 – des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirur-gie – in Berlin das neue SynergyHD3 System vor. Dieses Bildgebungs-system vereint eine 1080p­HD­Kamerakonsole (HD = „high defi-nition”), eine leistungsstarke LED­Lichtquelle (LED = „light emitting device“) und ein Dokumentations-

system in einer einfach zu bedie-nenden 3­in­1­Lösung.

Kamera, Lichtquelle und Dokumentationssystem – eine intelligente 3-in-1-LösungDie HD­Optiken des Systems bieten dem Orthopäden außer-gewöhnliche Tiefenschärfe und Kont rast. Alle Funktionen lassen sich problemlos über einen Tablet­PC aktivieren und steuern. Da­

rüber hinaus kann jeder Chirurg über das Tablet seine individuel-len Präferenzen einstellen. Auto-risierte User können Live­Abläufe potenziell von jedem Computer auf der Welt verfolgen.Verwendet man das System zur arth roskopischen Bildgebung in Verbindung mit der Synergy­iPad®­App erleichtert dies die Ver-waltung von Bildern und Video-aufnahmen und unterstützt die

Ärzte bei der Aufklärung ihrer Pa-tienten. Auf dem iPad können die Bilder und Videoaufnahmen ange-sehen und überprüft, bearbeitet, mit Anmerkungen versehen und markiert werden. Bilder, Videos und postoperative Reports können erstellt und sofort an den Patien-ten per E­Mail versendet werden.

Quelle: nach Informationen der Arthrex Medizinische Instrumente GmbH, Karlsfeld bei München

Die Zukunft der arthroskopischen Bildgebung

Forum der Industrie

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Vorfußchirurgie09:30–11:00 Uhr, Saal 2a(09:48–09:58 Uhr: Persistierende Metatarsalgie nach Vorfuß­ chirurgie – Ursachen und Therapie­optionen)

Endoprothese oder Arthrodese? Es bleibt eine individuelle Entscheidung!Die Frage, ob die Arthrodese oder doch die OSG­Endoprothetik das Mittel der Wahl ist, lässt sich nur schwer beantworten. Die Wahl des Verfahrens muss sich verstärkt an den Anforderungen an das Sprung-gelenk im Alltag ausrichten und ist sehr individuell zu treffen. Eine aktuelle schwedische Studie [1] hat ergeben, dass nach 10 Jah-ren etwa zwei Drittel der implan-tierten OSG­Prothesen noch voll funktionsfähig sind. Daher kann die OSG­Prothetik schon jetzt als gute Alternativbehandlung zur Gelenkversteifung angesehen wer-den. Simon Löffler, Abteilung für Physiotherapie und Sport-therapie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

Literatur1 Henricson A, Nilsson JA, Carlsson

A. 10-year survival of total ancle ar-throplasties: a report on 780 cases from the Swedish Ankle Register. Acta Orthop 2011; 82: 655–659

einteilung der Ruptur der planta-ren Platte [2]. In einer prospek­tiven Studie konnten inzwischen gute klinische Ergebnisse mit ei-ner Weil­Osteotomie in Kombina-tion mit der Rekonstruktion der plantaren Platte erreicht werden [3].

Prof. Dr. Christina Stukenborg-Colsman, Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift, Hannover

Literatur1 Highlander P, VonHerbulis E, Gonza-

lez A et al. Complications of the Weil osteotomy. Foot Ankle Spec 2011; 4: 165–170

2 Coughlin MJ, Baumfeld DS, Nerv C. Second MTP joint instability: gra-ding of the deformity and descrip-tion of surgical repair of capsular insufficiency. Phys Sportsmed 2011; 39: 132–141

3 Nery C, Coughlin MJ, Baumfeld D, Mann TS. Lesser metatarsophalan-geal joint instability: prospective evaluation and repair of plantar plate and capsular insufficiency. Foot Ankle Int 2012; 33: 301–311

Studien in der operativen Medizin und insbesondere in der Untersu-chung von Medizinprodukten ha-ben eine eigene Komplexität, die sie deutlich von klinischen Studien mit Arzneimitteln unterscheidet (Abb. 1) [1]. Denn ihr Ergebnis hängt eindeutig vom Anwender und vom perioperativen Manage-ment ab – 2 wesentliche Faktoren, die sich zum einen in der Lern-kurve und zum anderen in der Expertise des Operateurs wider-spiegeln. Insbesondere in multi-zentrischen Studien ist daher eine größtmögliche Standardisierung der Eingriffe erforderlich [2].Im Themenfeld der Endoprothetik kommen hierzu noch die Einflüsse der Rehabilitation und ein in der Regel langfristiger Nachuntersu-chungszeitraum von bis zu 20 Jah-ren bei bestimmten Endpunkten. Bei den grundsätzlich guten Lang-zeitergebnissen in der Endopro-thetik sind bei Vergleichsstudien sogenannte Deckeneffekte („cei-ling effects“) zu erwarten [3]. Da-her ist zu diskutieren, ob die Ansprüche auf Überlegenheits­

designs zu halten sind oder nicht auch Äquivalenz­ und Nicht­Un-terlegenheitsstudien zunehmende Akzeptanz finden könnten [4].

Welchen Anforderungen müssen Studien zur Nutzenbewertung genügen?Als Studienanforderungen sind eine möglichst umfangreiche Stan-dardisierung des OP­Ablaufes und der perioperativen Prozeduren in-klusive der Rehabilitation und im Falle einer randomisierten kont-rollierten Studie eine verblindete Untersuchung der Pa tienten im postoperativen Untersuchungs-zeitraum zu fordern [5]. Außer-dem sollte ein Training und die Schulung der relevanten Studien-fragen und Studiendokumente sämtlicher Studienteilnehmer vor dem Start der Studie im Rahmen von Studientreffen erfolgen [6].Hinsichtlich der Besonderheit der Endoprothetik sind, insbesondere auch aufgrund der notwendigen langen Nachbeobachtungsperio-den, moderne Studiendesigns zu entwickeln. Denkbar ist zum Bei-

spiel die Weiterführung von Pa­tientenkohorten aus Zulassungs-studien in Registern. Andere aktu-elle Diskussionen in diesem Zu-sammenhang sind, ob die CE­Kennzeichnung eine hinreichende Pa tientensicherheit gewährleistet und ob die Forderung nach einer zeitlich begrenzten Einführung von neuen Produkten unter Studi-enbedingungen sinnvoll ist.

Voraussetzung ist eine klare Definition des Begriffs ‚Nutzen‘Die Frage, ob eine Nutzenbewer-tung tatsächlich notwendig ist, setzt nicht nur eine klare Definition des Begriffs ‚Nutzen‘ voraus. Insbe-sondere ist auch eine Abgrenzung zwischen einem Nutzenaspekt für das Gesundheitssystem, für den Anwender und dem Nutzen für die Patienten zu differenzieren. Vor allem den Patientennutzen gilt es vielschichtig und differenziert zu betrachten, da sowohl ein kurzfris-tiger Nutzen (z. B. schnellere Rekon-valeszenz, Wiedereingliederung in das Berufsleben) als auch ein lang-fristiger Nutzen (z. B. Standzeit und damit „Lebensdauer“ der Endopro-these) zu evaluieren ist.Um eine entsprechende Aussage-kraft in der Nutzenbewertung zu erreichen, ist daher eine klar defi-nierte Frage zu formulieren, ohne die es schwierig sein wird, die richtige Antwort zu finden. Das Wissen, welcher Nutzen bewertet werden soll, impliziert daher ein grundsätzliches Produktverständ-nis und eine definierte, möglichst standardisierte Intervention. In diesem Umfeld sind auch der mög-liche Einfluss auf die Qualität ba-sierend auf einem Preisverfall in

der Endoprothetik und das „no­train, no­use“­Konzept im Rah-men der Einführung neuer Im-plantate zu diskutieren.

Medizintechnik und Arzneimittel sind „zwei Paar Stiefel“Die Nutzenbewertung in der Me-dizintechnik lässt sich mit der Nutzenbewertung in der Welt der Arzneimittel nicht vergleichen, da die schon oben aufgeführten Ein-flussgrößen wie der Operateur, der Patient selbst und weitere Va-riablen vorhanden sind. Die große Varianz der vorhandenen Pro-dukte hinsichtlich ihres Anwen-dungsgebiets, ihrer technischen Grundl agen und ihres Indikati-onsspektrums wird eine klare Standardisierung des Nutzenbe-griffes im Bereich der Endopro-thetik zusätzlich erschweren. Dies macht klinische Studien zwar nicht unmöglich, stellt jedoch spezifische Anforderungen an die verschiedenen Fragestellungen, welchen man in der Planung, der Durchführung und der Auswer-tung chirurgischer Studien Rech-nung tragen muss.

Prof. Dr. Hanns-Peter Knaebel, Aesculap AG, Tuttlingen

Literatur1 Wente MN. Hürden bei Studien mit

Medizinprodukten. Z Evid Fortbild Qual Gesundh 2012; 106: 315–319

2 Cook JA. The challenges faced in the design, conduct and analysis of sur-gical randomised controlled trials. Trials 2012; 10: 9

3 Kirschner S. Studien zum thera-peutischen Nutzen von Medizin-produkten in O + U: Kommentierte Praxisbeispiele. Z Evid Fortbild Qual Gesundh 2012; 106: 342–346

4 Stengel D. The changing landscape of product development and rando-mized trials. J Bone J Surg Am 2012; 94 (Suppl 1): 85–91

5 Poolman RW, Struijs PA, Krips R et al. Reporting of outcomes in orthopae-dic randomized trials: does blinding of outcome assessors matter? J Bone J Surg Am 2007; 89: 550–558

6 Knaebel HP, Kirschner MH, Reidel MA et al. Operative Standardisie-rung bei randomisiert kontrollierten Studien in der Chirurgie. Chirurg 2006; 77: 267–272

Nutzenbewertung in der EndoprothetikNotwendigkeit, Studienanforderungen, Aussagekraft?

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Ist neu gleich besser? Pro und Contra zu Innovationen in der Endoprothetik14:30–16:00 Uhr, Saal 8(14:30–14:40 Uhr: Nutzenbewertung in der Endoprothetik – Notwendigkeit, Studienanforderungen, Aussagekraft?)

Eine Nutzenbewertung von Medizinprodukten ist äußerst komplex – so ist eine Placebokont-rolle nur in Einzelfällen möglich, die Lernkurven der Operateure sind unterschiedlich ausgeprägt, und die Zeiträume für das Follow-up sind mit bis zu 20 Jahren ausgesprochen lang. Die große Va-rianz der vorhandenen Produkte wird eine klare Standardisierung des Nutzenbegriffes im Bereich der Endoprothetik zusätzlich erschweren. Dies macht klinische Studien nach Ansicht von Prof. Hanns-Peter Knaebel und Prof. Moritz Wente aus Tuttlingen zwar nicht unmöglich,

stellt jedoch spezifische Anforderungen an die verschiedenen Frage-stellungen, welchen man in Planung, Durchführung und Auswertung chirurgischer Studien Rechnung tragen muss.

H.­P. Knaebel

Abb. 1 Zwischen Studien mit Medizinprodukten und Arzneimittel studien bestehen große Unterschiede.

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18 Current congress | Highlights

S3-AWMF-Leitlinie: Nichtspezifische, funktionelle und somatoforme Körperbesch werdenSchicken Sie Betroffene nicht mit einem „Ich kann nichts finden“ nach Hause!

Der Umgang mit Patienten, die unter nichtspezifischen, funktio nellen und somatoformen Körperbeschwerden leiden, ist bei

ärztlichen wie psychothera-peutischen Kollegen oftmals

wenig beliebt. Häufig führt dies zu unbefriedigenden und gleicher-

maßen schwerwiegenden Krank-heitsverläufen, was unter ande-rem auch daher rührt, dass es nach wie vor erhebliche Lücken in der Grundlagen­, Therapie­ und Ver-sorgungsforschung gibt.

Neue S3-Leitlinie verabschiedetMit dem Ablaufen der bisherigen nationalen S2­Leitlinien „Somato-forme Störungen“, entstand unter der Federführung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (Koordination: PD Cons-tanze Hausteiner­Wiehle und Prof. Peter Henningsen, München) die Initiative, eine erweiterte und fun-dierte Leitlinie auf S3­Niveau he­rauszugeben. Hierzu hat sich eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus 28 medizinischen wie psycho-logischen Fachgesellschaften, Ver-tretern von Patientenverbänden sowie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaft lichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Konsensbildung zusammengefun-den.Eine repräsentative Leitlinien-gruppe analysierte 3900 Veröf-fentlichungen einer systemati-schen Literaturrecherche. Daraus wiederum wurden 784 Publikatio-nen berücksichtigt. Empfehlun-gen, klinische Konsenspunkte und Statements wurden in 2 Online­Delphirunden und 3 Konsensus-

konferenzen (mit zumeist starkem Konsens) verabschiedet. Die Leit­linie wurde am 15.04.2012 von der AWMF angenommen und ist 5 Jahre gültig.

Früherkennung durch bio-psychosoziale Simultan- und somatische Stufendiagnostik„Nichtspezifische, funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden“ (NFS) betreffen 4–10 % der Bevölke-rung und 20 % der Hausarztpatien-ten. Komplexe Wechselwirkungen von psychobehavioralen, sozialen, kulturellen, biologischen, medi-zinsystemischen, iatrogenen und interpersonellen Faktoren ergeben ein multifaktorielles Störungsmo-dell, was im Rahmen der Disposi-tion, der Auslösung und dem Ver-lauf relevant ist.Die Leitlinien empfehlen den Auf-bau einer partnerschaftlichen Ar-beitsbeziehung und eine symp-tom­ und bewältigungsorien-tierte Grundhaltung, die subjekti-ves Leiden annimmt. Dabei ist eine eher tagentiale, nicht kon-frontative und nicht vorschnell psychologisierende Gesprächs-führung („Sowohl­als­auch­Hal-tung“) sinnvoll. Eine biopsychoso-ziale Simultandiagnostik, die Hin-weise auf psychosoziale Belastun-gen behutsam aufgreift, und eine somatische Stufendiagnostik er-möglichen die Früherkennung

nichtspezifischer funktioneller und somatoformer Körperbe-schwerden einschließlich komor-bider Erkrankungen und verrin-gern das Risiko einer iatrogenen Schädigung durch ungerechtfer-tigte Maßnahmen.

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Nichtspezifische, funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden sind, unabhängig von der Lokalisa-tion, dem Fachgebiet und der Versorgungsstufe, für rund 20 % aller Arztbesuche verantwortlich. Mit einer neuen S3-Leitlinie erhält der Behandler jetzt – in der Nachfolge der bisherigen nationalen S2-Leitlinien – praktikable und verständliche sowie evidenz- und konsensusbasierte Informationen und Handlungs-empfehlungen an die Hand, um die Betroffenen nicht mit einem „Ich kann bei Ihnen nichts finden“ nach Hause schicken zu müssen, aber auch keinen unnöti-gen, potenziell iatrogen schädigenden Aktionismus zu entwickeln, so Dr. Joram Ronel, München.

J. Ronel

Die Orthopädie hat in den ver-gangenen Jahren und Jahrzehnten zunehmend ihre konservativen Inhalte verloren. Als primär nicht-operatives Fachgebiet in der ers-ten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Andry begründet, vollzog vor allem die operative Orthopädie eine fulminante Entwicklung, die sicherlich zu einem großen Teil der wachsenden Erkenntnisse in der Hygiene und der Anästhesie geschuldet ist.In den 1970er­Jahren des letzten Jahrhunderts bezeichneten sich die Orthopäden noch als „Organ-fachärzte“ der Bewegungsorgane,

und an den Universitäten wurde den Studenten das 3­Säulen­Prinzip der Orthopädie gelehrt: Orthopädie – Physiotherapie/ Ergotherapie – Orthopädietech-nik.Mit der letzten Novelle der Wei-terbildungsordnung wurde die Orthopädie dann dem chirurgi-schen Fachgebiet untergeordnet. Die Richtzahlen konservativer Weiterbildungsinhalte sind heute rudimentär und bedienen noch nicht einmal ansatzweise die Er-fordernisse nichtoperativer ortho-pädischer Kompetenzen, wie sie vor allem im niedergelassenen Be-

reich schon seit Jahren angewen-det werden.

Die konservative Orthopädie wurde „aus den Augen verloren“Dementsprechend haben sich Or-thopäden zusätzliche Qualifika-tionen aneignen müssen, um den Erfordernissen in der Diagnose und Therapie ihrer Patienten mit komplexen Krankheitsbildern ge-recht werden zu können. In der klinischen Ausbildung war es nämlich wichtiger, die Migrations-rate zementierter Hüftpfannen zu erforschen, als sich mit myofas­zialen Verkettungsreaktionen zu beschäftigen. In der nichtopera-tiven Orthopädie stehen aber ge-rade die funktionspathologischen Fragestellungen an erster Stelle, quasi auf gleicher Höhe mit einer schmerztherapeutischen Kompe-tenz.An der Professionalisierung dieser Bereiche, die überwiegend in den letzten 10–15 Jahren stattfand, hat sich die Orthopädie jedoch nicht beteiligt. Anästhesisten, die in vielen Fällen noch nicht einmal ein Gelenk untersuchen können, dominieren heute die Schmerz-therapie, spezielle funktionelle Untersuchungen sind wiederum die Domäne der manuellen Me-

dizin bzw. der Osteopathie. Die Verschärfung der Richtlinien der Strahlenschutzverordnung limi-tiert für den Orthopäden darüber hinaus den Zugang beispielsweise zu interventionellen Schmerzthe-rapieverfahren, wenn sie ihnen nicht überhaupt erst die Möglich-

keit nimmt, eine Röntgenanlage selbstständig betreiben zu dürfen.Dem stehen jedoch steigende Pa­tientenzahlen gegenüber, die ei-ner multimodalen funktionellen Analyse und Therapie, schmerz-therapeutischer – auch interven-tioneller – Kompetenz und ver-

ANOA-Kliniken: Ein Markenzeichen?Neues Bewusstsein für die konservative Orthopädie

Das Fach der Orthopädie hat sich fulminant gewan-delt – und zwar vom primär nichtoperativen Fachge-biet in den Anfängen seiner Geschichte bis zu seiner heutigen Unterordnung unter die Chirurgie. Die konservativen Inhalte der Orthopädie sind im Laufe dieser Entwicklung immer mehr verloren gegangen. Eine immer größer werdende Zahl an Patienten, die eine multimodale funktionale Therapie, schmerz-therapeutische Kompetenz sowie reflextherapeuti-sche Verfahren benötigen, haben jedoch erneut ein Umdenken in Gang gesetzt. Insgesamt 16 Kliniken und Fachabteilungen bieten heute unter dem Dach

der ANOA, der Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädisch manualmedizinischer Akutkliniken, eine multimodale, nichtope-rative Komplexbehandlung des Bewegungssystems an. Sie stehen damit für ein neues Bewusstsein für die konservative Orthopädie, meint Dr. Hans-Christian Hogrefe, Bad Bergzabern.

H.­C. Hogrefe

Abb. 1 www.anoa­kliniken.de – mehr Informationen.

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19Current congress | Highlights

Viele Patienten mit Beschwerden im muskuloskelettalen Bereich stellen sich direkt in einer ortho-pädisch­unfallchirurgischen Pra-xis vor. Prinzipiell können die Ur-sachen ihrer Beschwerden funk­tioneller oder degenerativer, aber auch entzündlicher Art sein.Zwar machen die entzündlichen rheumatischen Erkrankungen mit einem Anteil von weniger als 10 % in der Regel nur einen sehr kleinen Teil in orthopädischen Sprechstunde aus, allerdings sind die Folgen dieser Krankheitsbilder außerordentlich problematisch und reichen von einer aggressiven Zerstörung von Gelenkstrukturen bis hin zur Entwicklung von Sys­temerkrankungen, wenn auch in-nere Organe betroffen sind.Dementsprechend müssen nieder-gelassene Orthopäden entzündli-che rheumatische Erkrankungen frühzeitig erkennen und diagnos-tizieren, um sie entweder selbst frühzeitig behandeln oder im Zweifelsfall eine qualifizierte Überweisung zu einem Rheumato-logen veranlassen zu können.

Sensibilisierung für rheumatische Erkrankungen notwendigDie Aktion „Qualitätsoffensive Or-thopädische Rheumatologie“ hat sich zum Ziel gesetzt, Orthopäden für die Früherkennung entzündlich rheumatischer Erkrankungen zu sensibilisieren. In diesem Sinne richtet die Sektion Orthopädische Rheumatologie aus dem Berufsver-band der Fachärzte der Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) Fort-bildungskurse aus, die von der „Akademie Deutscher Orthopä-den“ zertifiziert sind.

So informieren sich beispielsweise die Teilnehmer des Kurses „Früh­arthritis in Orthopädischer Hand“ über die Früherkennungsmerk-male der häufigsten entzündlichen rheumatischen Erkrankungen – angefangen bei der rheumatoi-den Arthritis (Prävalenz etwa 1 %) über die Spondyloarthritiden mit der Psoriasisarthritis, der axialen Spondyloarthritis bzw. der anky-losierenden Spondylitis und der reaktiven Arthritiden (Prävalenz zirka 0,8 %) sowie der Polymyalgia rheumatika (Prävalenz ungefähr 0,6 %).

Eine einfache Frage verweist auf eine potenzielle entzündliche KomponenteAuch der Orthopäde sollte daran denken, dass ein junger Patient mit Rückenschmerzen eine axiale Spondyloarthritis hat oder entwi-ckeln kann. Allein mit der Frage, wann der Rückenschmerz auftritt, ist es in der Regel möglich, zwi-schen entzünd lichen und nichtent-zündlichen Varianten zu differen-zieren. So tritt der entzündliche Rückenschmerz fast immer in der zweiten Nachthälfte auf und bes-sert sich bei sofortiger Bewegung. Ein Bechterew patient beispiels-weise steht nachts auf und bewegt sich, um seine Schmerzen zu unter-drücken.Ähnlich unkompliziert ist die Dif-ferenzierung bei Gelenkbeschwer-den. Morgendliche Schmerzen, häufig verbunden mit einer Stei-figkeit der Gelenke, und eine Bes-serung der Beschwerden durch Bewegung weisen auf eine ent-zündliche Genese hin. Auch die entzündlich­muskulären rheuma-tischen Erkrankungen haben ihren

Schmerzgipfel in den frühen Morgenstunden. Heftige Muskel-schmerzen eines Patienten im Al-ter über 60 Jahren in der Schulter­ bzw. Beckenregion beispielsweise sind hochverdächtig auf eine Poly-myalgia rheumatika.

Dr. Uwe Schwokowski, Leiter der Sektion Orthopädische Rheumatologie im BVOU, Praxis für Orthopädie, Schwerpunkt Rheumatologie, Ratzeburg

Literatur1 Sieper J, van der Heijde D, Ladewé R

et al. New criteria for inflammatory back pain in patients with chronic back pain: a real patient exercise by experts from the Assessment of SpondyloArthritis international So-ciety (ASAS). Ann Rheum Dis 2009; 63: 784–788

S3-AWMF-Leitlinie: Nichtspezifische, funktionelle und somatoforme Körperbesch werdenSchicken Sie Betroffene nicht mit einem „Ich kann nichts finden“ nach Hause!

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Nach Schweregraden abgestuftes Versorgungs-modell und -strukturenGenerell sind leichtere und schwe-rere Verläufe zu unterscheiden. Bei leichteren Verläufen stehen eine körperliche und soziale Aktivie-rung sowie das schrittweise Er­arbeiten eines biopsychosozialen Erklärungsmodells im Vorder-grund. Zusätzliche regelmäßige, beschwerdeunabhängige Termine, eine Psychotherapie, gegebenen-falls auch Zusatzmaßnahmen in-klusive einer befristeten Medika-tion bis hin zur multimodalen Therapie sind bei schwereren Ver-läufen indiziert.Die Versorgungssituation Betroffe-ner kann durch die Anwendung der Leitlinienempfehlungen in ei-nem nach Schweregraden abge-stuften, kooperativen und koordi-nierten Versorgungsmodell ver-bessert werden, für das geeignete Strukturen geschaffen und finan-ziert werden sollten.

Von der Kitteltaschenversion bis zur Buchform – für jeden das RichtigeDie neue Leitlinie zu nichtspezi-fischen, funktionellen und soma-toformen Körperbeschwerden in unterschiedlichen Kurz­ und Langfassungen sowie zusätzlich eine Vielzahl konkreter Praxis-tipps sind im Internet unter

www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/051­001.html sowie www.funktionell.net einzusehen. Pub-likationen in Buchform sowie eine Zusammenfassung der Leit-linienempfehlungen im Deut-schen Ärzteblatt werden in Kürze erscheinen [1, 2].

Dr. Joram Ronel, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München

Literatur1 Hausteiner-Wiehle C, Schäfert R,

Sattel H et al. Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionel-len und somatoformen Körperbe-schwerden. S3 Leitlinie, Quellentexte und Materialien. Schattauer Verlag, Stuttgart [im Druck]

2 Schäfert R, Hausteiner-Wiehle C, Häuser W et al. Klinische Leit-linie: Nicht-spezifische, funktio-nelle und somatoforme Körperbe-schwerden. Deutsches Ärzteblatt [im Druck]

Rheuma erkennen, bevor es andere tunRheumatologie in der täglichen orthopädischen Praxis

Freitag, 26. Oktober 2012

Rheumatologie von Orthopäden – für Orthopäden 14:30–16:00 Uhr, Saal 9 (14:30–14:40 Uhr: Rheumatologie in der täglichen orthopädischen Praxis – „Rheuma erkennen, bevor es andere tun“)

Rheuma erkennen, bevor es andere tun – das ist schon mit nur wenigen Kriterien möglich. Zwar haben die entzündlichen rheumatischen Erkran-kungen mit rund 10 % einen nur geringen Anteil an den Beschwerden, mit denen sich die Patien-ten in orthopädisch-unfallchirurgischen Praxen vorstellen. Aber die Orthopäden können das Schicksal vieler Patienten mit einem nur geringen Aufwand positiv beeinflussen. Denn in den meis-ten Fällen gibt schon die einfache Frage, wann die Schmerzen denn auftreten, einen Hinweis auf eine frühe Differenzierung zwischen ent-

zündlichen und nichtentzündlichen Schmerzen. Dr. Uwe Schwokowski, Ratzeburg, ruft daher alle Orthopäden auf, genauer hinzusehen und frühzeitig zu handeln – gegebenenfalls in Kooperation mit einem Rheu-matologen. Denn das Ziel müsse sein, eine Remission zu erreichen.

U. Schwokowski

Tab. 2 Entzündliche Rückenschmerzen – ASAS1­Experten­Kriterien. nach [1]

• Alter bei Beginn unter 40 Jahre

• langsamer Beginn

• Besserung bei Bewegung

• keine Besserung in Ruhe

• nächtliche Schmerzen (mit Besserung durch Aufstehen)

Ein entzündlicher Rückenschmerz liegt vor, wenn mindestens 4 dieser 5 Kriterien erfüllt sind.

Tab. 1 Klinisch richtungsweisender Befund für die Verdachtsdiagnose ‚rheumatologische Arthritis‘.

• mehr als 2 betroffene Gelenke seit mehr als 6 Wochen

• polyartikuläres symmetrisches Verteilungsmuster

• Morgensteifigkeit der Gelenke von 60 Minuten oder mehr

1 Assessment of SpondyloArthritis international Society

schiedensten reflextherapeuti-schen Verfahren bedürfen, um vorhandenen Chronifizierungs-tendenzen entgegenzuwirken. Diesen Patienten kann auch in den klassischen orthopädischen Kliniken meist nicht adäquat ge-holfen werden.

Komplexe orthopädische Krankheitsbilder rücken wieder in den FokusAus diesem Grund hat sich Anfang 2002 zunächst als „Arbeitsgemein-schaft Nichtoperativer Orthopädi-scher Akutkrankenhäuser“, jetzt „Arbeitsgemeinschaft nicht operati-ver orthopädisch manualmedizini-scher Akutkliniken“, die ANOA ge-bildet (Abb. 1). Heute gehören dieser Gemeinschaft bundesweit 16 Klini-ken bzw. Fachabteilungen an.Die ANOA ist verantwortlich für die Entwicklung des OPS 8­977 „Multimodal­nichtoperative Kom-plexbehandlung des Bewegungs-systems“, der in Verbindung mit dem vereinbarten Zusatzentgelt eine kostendeckende Vergütung der akutmedizinischen Versor-gung des indizierten Patienten­klientels ermöglicht. Unter hohem personellem Aufwand können somit Patienten auch mit kom-plexen Krankheitsbildern des Bewegungssystems diagnostisch

und therapeutisch interdisziplinär akutmedizinisch adäquat versorgt werden.Die ANOA­Klinken stehen somit für eine neue Bewusstseinsbil-dung für die konservative Ortho-pädie. Sie vereinen die orthopädi-schen Kernkompetenzen mit den diagnostischen und therapeuti-schen Möglichkeiten der manuel-len Medizin bzw. der Osteopathie, der speziellen Schmerz therapie, den interventionellen Schmerz-therapieverfahren, der physikali-schen Medizin, der Psychosomatik bzw. Psychologie sowie weiteren komplementärmedizinischen, so-zialmedizinischen und reflexthe-rapeutischen Verfahren im akut-medizinischen Bereich – und sind damit durchaus als Markenzeichen wahrzunehmen.

Dr. Hans-Christian Hogrefe, Konservative Orthopädie, Klinikum Landau – Südliche Weinstraße GmbH, Bad Bergzabern

Freitag, 26. Oktober 2012

Konservative Orthopädie / Rücken09:30–11:00 Uhr, Saal 8(09:42–09:54 Uhr: Neue Bewusst­seinsbildung für die konservative Orthopädie – ANOA­Klinik: ein Markenzeichen?)

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Chronischer Rückenschmerz14:30–16:00 Uhr, Saal 6(14:50–15:25 Uhr: Vorstellung der S3­Leitlinie „Umgang mit Patienten mit nicht­spezifischen, funktio­nellen und somatoformen Körper­beschwerden)

ImpressumRedaktionsleitung Günther Buck (V.i.S.d.P.) Tel. 0711/8931-440Redaktion Stephanie Schikora Tel. 0711/8931-416Herstellung & Layout Christine ListVerantwortlich für den Anzeigenteil Thieme.media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Conny Winter (Anzeigenleitung) Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 08 80, 70448 Stuttgart Tel. 0711/8931-509 Fax. 0711/8931-563 [email protected] Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 11, gültig seit 1.10.2012Druck Grafisches Centrum Cuno, CalbeVerlag Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 StuttgartDie Beiträge unter der Rubrik „Forum der Industrie“ stehen nicht in Zusam-menhang mit den wissenschaftlichen Inhalten der Kongress zeitung. Die Rubrik „Forum der Indus trie“ enthält Beiträge, die auf Unternehmens-informationen basieren und erscheint außerhalb der Verantwortung des Kongresspräsidiums.

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20 Current congress | Highlights

Mit der Frage „Iliosakralgelenk – Terra Incognita?“ erregte die Sig-nus Medizintechnik GmbH, Alze-nau, vor 2 Jahren während des Deutschen Kongresses für Ortho-pädie und Unfallchirurgie (DKOU) großes Aufsehen. Inzwischen ist die korrekte Bezeichnung ‚Sakro­ilialgelenk‘ (SIG) in der Unfallchi­rurgie allerdings gebräuchlicher – Operationen der Sakroilialgelenke werden hier meist im Rahmen von Beckenring­ und Sakrumverlet-zungen durchgeführt.

Degenerative SIG-Erkrankung – lange Zeit ein „Stiefkind“Dass bis zu 25 % aller lumbalen Rückenschmerzen den Sakroilial­gelenken entspringen, ist mittler-weile anerkannt. Die Schmerzen sind von „normalen“ Rücken-schmerzen kaum zu unterscheiden, einen diagnostischen „Goldstan-dard“ gibt es ebenso wenig wie standardisierte Behandlungsme-thoden. Der chirurgische Zugang

war aufgrund der anatomischen Lage der Sakroilialgelenke mit ei-nem hohen Morbiditätsrisiko ver-bunden – dies führte zur Vernach-lässigung der schweren SIG­Erkran-kungen bei der Indikationsstellung.

Risikoarmes Verfahren hält die Knochen in der richtigen PositionEinen völlig neuen Ansatz [1] ent-deckte der US­amerikanische Or-thopäde Dr. John Stark, Minneapolis (Minnesota, USA), der sich zum

Grundsatz gemacht hat, orthopädi-sche Erkrankungen nach orthopädi-schen Prinzipien zu behandeln. Seine Entwicklung der Distraktions­Interferenz­Arthrodese (DIANA) er-möglicht es, den extraartikulären SIG­Rezessus über einen dorsalen Zugang – wie bei einem „normalen“ Eingriff an der Lendenwirbelsäule – schonend zu eröffnen und als groß-volumigen Fusionsraum zu nutzen.Dabei wird dem Patienten in der lasttragenden Achse des Becken-

knochens ein Implantat einge-setzt, um das instrumentell repo-nierte Gelenk bis zur Durchbau-ung der Fusion auf Distanz zu hal-ten. So bleiben die Knochen dau-erhaft in der richtigen Position, die Spannung des Beckengürtels nähert sich dem Zustand vor der Erkrankung an. Bei Bedarf ist der Eingriff komplikationslos revidier-bar.

Weltweite Erfahrung mit fast 2000 PatientenSeit Januar 2010 wurden weltweit beinahe 2000 Patienten, davon al-lein in Deutschland mehr als 800 Patienten, erfolgreich behandelt. 300 Ärzte aus dem In­ und Aus-land wurden in dem Verfahren ausgebildet, eine Expertengruppe international anerkannter Medi­ziner trifft sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch. Derzeit ver-wenden 60 Kliniken in Deutsch-land die neue Operationsmethode, weitere 30 Anwender aus dem eu-

ropäischen Ausland bieten ihren Patienten das Verfahren nach er-folgter Ausbildung an.In einer deutschen multizentri-schen Studie wurden bis zum Juni 2012 200 Patienten erfasst. Mit-telfristige Ergebnisse hieraus be-stätigen die positiven Ergebnisse aus der Autorenklinik. Sowohl im Plenum als auch im Rahmen ei-nes Lunchsymposiums wird hie­rüber auf dem DKOU 2012 be-richtet.

Michael Dierks, Alzenau

Literatur1 Stark JG, Fuentes JA, Fuentes TI,

Idemmili C. The history of sacroiliac joint arthrodesis: a critical review and introduction of a new tech-nique. Current Orthopaedic Practice 2011; 22: 545–557

Quelle: nach Informa-tionen der Signus Medizintechnik GmbH, Alzenau

Distraktionsarthrodese des Sakroilialgelenks – Ein neues Operations- verfahren etabliert sich

Forum der Industrie

Abb. 1 Verschleiß der Iliosakralgelenke. Abb. 2 Position des DIANA­Implantats.

Eine Arthrose lässt sich laut den Daten des ersten Gesundheits­surveys [1] bei über 20 Millionen Deutschen, das heißt bei 27,7 % der erwachsenen Bevölkerung, an mindestens einer Gelenkregion feststellen. Sie ist damit bereits jetzt die häufigste Gelenkerkran-kung, und es ist davon auszuge-hen, dass sich die Zahl der Arthro-sepatienten in den nächsten Jah-ren noch stark erhöhen könnte. Schon heute leidet über die Hälfte der Bevölkerungsgruppe der über 60­Jährigen an einer Arth-rose.

Der Arthrose „biologisch“ entgegenwirkenNeuere Studien bestätigen, dass der Schweregrad der Arthrose mit der Entzündung der Synovial-membran, die das Gelenk über-zieht, in Verbindung steht. Ein höherer Entzündungsgrad hängt hierbei mit einem größeren Ver-lust an Knorpelgewebe und stärke-ren Schmerzen sowie dem daraus folgenden raschen Voranschreiten der Erkrankung zusammen. Die Applikation von Chondroitinsulfat, wie zum Beispiel mit kronosan® arthro der Bioiberica GmbH, Mün-

chen, kann dieser Reaktion jedoch entgegenwirken und somit die Entzündung verringern [2].Mit diesem diätetischen Lebens-mittel für besondere medizinische Zwecke ist hochreines Chondroi-tinsulfat (CSbBIO­ACTIVE®) nun auch in deutschen Apotheken zur nutritiven Basisversorgung bei Arth rose erhältlich. Neben einer gesunden Ernährung und ausrei-chend Bewegung kann die tägliche Einnahme der Chondroitinsulfat-tabletten helfen,• das Fortschreiten der Arthrose

zu verlangsamen,

• die Gelenkbeweglichkeit zu verbessern und

• den Bedarf an Schmerzmitteln zu verringern.

Literatur1 Schneider S, Schmitt G, Mau H et al.

Prävalenz und Korrelate der Osteo-arthrose in der BRD. Orthopäde 2005; 34: 782–790

2 Lambert C, Mathy-Hartert M, Dubuc JE et al. Characterization of synovial angiogenesis in osteoarthritis pa-tients and its modulation by chon-droitin sulfate. Arthritis Res Ther 2012; 14: R58 [Epub ahead of print]

Quelle: nach Informationen derBioiberica GmbH, München

Gelenkbeschwerden bei Arthrose? Mehr Vitalität dank Mobilität!

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Über BioibericaBioiberica ist eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich Gelenk gesundheit. Seit über 35 Jah­ren erforscht, entwickelt, produziert und vermarktet das Unternehmen Arzneimittel und Lebensmittel für medizinische Zwecke von höchster Qualität. Gegründet wurde das Unternehmen 1975 in Barcelona, Spanien, heute ist es weltweit in über 70 Ländern vertreten. In Deutschland ist das Unternehmen seit 2011 von seiner Niederlassung in München aus tätig. Mehr Infor­mationen zum Unternehmen und den Produkten finden Interessierte unter www.bioiberica.de.

Eine Veränderung der Gefäß­innenwände, eine Verlangsamung des Blutflusses aufgrund von Krampfadern, einer Herzinsuffizi-enz oder einer Verletzung und Veränderungen der Blutgerinnung können eine Thrombose auslösen – mit zum Teil fatalen Folgen. Zurückbleiben können beispiels-weise eine Venenklappenstörung oder eine verschlossene Vene, die bekanntermaßen einen erhöhten Venendruck auslösen. Darüber hi-naus kann sich ein Blutgerinnsel lösen und eine Lungenembolie oder auch ein akutes Herzversa-gen bzw. eine Hypoxämie aller Or-gane verursachen. Jedes Jahr ster-ben in Deutschland 25 000–30 000 Patienten an einer Lungenembo-lie.

Thromboseprophylaxe durch eine apparative Kompressions- therapieDie Thromboseprophylaxe ist also für Patienten mit einem erhöhten Thromboserisiko von wesentlicher Bedeutung. Neben einer medika-mentösen Thromboseprophylaxe können dabei auch eine manuelle mechanische Unterstützung bzw. eine Förderung der lokalsystemi-schen Durchblutung und Lymph­aktivität durch die apparative Kompres sionstherapie bzw. pneu-matische Kompressionspumpen zum Einsatz kommen.Zur Verfügung steht dazu bei-spielsweise der SCD Express™, ein Mehrkammer­Kompressionsgerät mit „vascular refill detection“ (VDR), das über seine doppelwan-

digen Behandlungsmanschetten einen intermittierenden Druck auf die Extremität abgibt. Mithilfe der sogenannten VDR­Technik erfasst das Gerät zum einen die Venen-rückfüllzeit, also den venösen Rückfluss, zum anderen erzielt es einen optimalen Blut­ bzw. Lymphzufluss und reduziert so die Gefahr der Entwicklung einer Venen thrombose oder einer Lun-genembolie.Eine weitere Variante der ap­parativen Kompressionstherapie zur Thromboseprophylaxe ist die forcierte Impulstherapie (FIT) mit A­V­Impulsen (A­V­Impulse Sys-tem™). Diese gegen die Fußsohle gerichteten Impulse, die eine in-termittierende Kompression auf den plantaren Venenplexus aus-

üben, verbessern den Blutrückfluss und tragen so zur Rückbildung von Ödemen und Schwellungen bei. Diese sogenannte Fußpumpe kann selbst bei Patienten mit Gips oder Operationswunden einge-setzt werden. Auch die Wund­heilung wird um bis zu 30 % ver-bessert.

Als physikalische Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe aner-kannt und verschreibungsfähigBeide Therapieoptionen gehören zu den physikalischen Maßnamen zur Thromboseprophylaxe – ins-besondere im Rahmen der prä­, intra­ und postoperativen Versor-gung von chirurgischen Patienten – und sind unter den Begriffen ‚intermittierende pneumatische

Kompression‘ (IPK) oder ‚appara-tive intermittierende Kompres-sion‘ (AIK) medizinisch anerkannt und nach den S2­Leitlinien [1] ver-schreibungsfähig. Kontraindiziert sind diese Systeme bei Patienten mit • dekompensierter Herzinsuffi-

zienz,• ausgedehnter Thrombophlebi-

tis, Thrombose oder Thrombo-severdacht oder

• Erysipel.

Literatur1 Wienert V, Partsch H, Gallenkemper

G et al. Leitlinie: Intermittierende pneumatische Kompression (IPK oder AIK) – Entwicklungsstufe 2. Phlebologie 2005; 34: 176–180

Quelle: nach Informationen derOxyCare GmbH, Bremen

Apparative Kompressionstherapie zur Thromboseprophylaxe

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22 Current congress | Highlights

Frakturheilungsstörungen sind immer noch ein großes klini-sches Problem. Ihre Ursachen sind vielfältig und basieren bei-spielsweise auf der Komplexität der Verletzung, auf einer unzu-reichenden mechanischen Stabi-lisierung, auf Infektionen oder auf diversen Begleiterkrankun-gen. Eine besondere Herausfor-derung sind schlecht heilende Frakturen bei alten und osteo­porotischen Patienten. Aber auch andere Störgrößen, wie zum Bei-spiel die systemische Inflamma-tion, die bei schwer verletzten Pa tienten regelhaft auftritt, kön-nen die Knochenheilung emp-findlich beeinträchtigen.Die den verschiedenen Heilungs-störungen zugrunde liegenden Mechanismen sind jedoch noch immer nur sehr unvollständig ver-standen. Ziel muss es sein, die Ur-sachen der gestörten Frakturhei-lung durch den Einsatz geeigneter Forschungsmethoden aufzuklären,

um effektive Therapien entwi-ckeln zu können.

Methoden entwickeln sich rasant und erlauben neue ErkenntnisseIn den letzten Jahren haben sich die Methoden, die in der Fraktur-heilungsforschung eingesetzt wer-den, rasant entwickelt. Zur Ana-lyse der Frakturheilung steht heute ein großes Portfolio an Methoden zu Verfügung. Verbesserte bildge-bende Verfahren und physikali-sche Messmethoden (z. B. Mess­implantate) erlauben ein umfas-sendes Monitoring des Heilungs-verlaufs bei Mensch und Tier.Die Einführung moderner zell­, molekularbiologischer und bio­metrischer Verfahren ermöglicht es, Regulationsstörungen bis in die molekulare Ebene hinein zu analy-sieren. Ein prominentes Beispiel hierfür sind Transkriptom­ und Proteomanalysen, die dazu dienen, Kandidatenmoleküle einer gestör-

ten Frakturheilung zu identifizie-ren.Biomechanische Analysen auf der Makro­ und Mikroskala liefern da-rüber hinaus Informationen über die mechanischen Gewebeeigen-schaften des Knochenregenerats. Moderne numerische Verfahren erlauben die Simulation von Hei-lungsvorgängen und können hel-fen, den Beitrag verschiedener Pa-rameter bei der gestörten Kno-chenbruchheilung zu ermitteln.

Genetisch veränderte Tier-modelle helfen, Frakturhei-lungsstörungen zu verstehenAuch die Entwicklung relevanter Tiermodelle ist erheblich vorange-schritten. Während in früheren Jahren fast ausschließlich mit Großtieren gearbeitet wurde, ha-ben sich dank der enormen Ent-wicklung der Molekulargenetik auch Mausmodelle in der Fraktur-heilungsforschung etabliert. Durch eine Überexpression oder das Aus-schalten einzelner Gene lässt sich deren Bedeutung für die Knochen-heilung selektiv ermitteln.Aufgrund des kleinen, fragilen Skeletts sind Frakturheilungsstu-dien in Mausmodellen allerdings technisch sehr anspruchsvoll. Auch in der Maus sind zwingend standardisierte Frakturmodelle mit einer kontrollierten Fraktur­fixation anzuwenden, um die mo-lekularen Mechanismen der Frak-turheilung exakt analysieren zu können. Inzwischen sind entspre-

chende Techniken und damit ge-netisch veränderte Mausmodelle für die Frakturheilungsforschung vorhanden.Monogenetische Mausmodelle ha-ben zwar einen hohen Stellenwert für die Grundlagenforschung, den-noch muss immer wieder der Brü-ckenschlag zur Klinik erfolgen. Nur so gelingt es sicherzustellen, dass die beschriebenen Veränderungen auch für die komplexen Heilungs-störungen im Patienten von Be-deutung sind.Nach wie vor von zentraler Bedeu-tung sind daher auch Großtier­modelle. Sie haben den zusätzli-chen Vorteil, dass mit ihrer Hilfe neue Implantate und Osteosyn­thesematerialien erprobt werden können. Auch krankheitsspezifi-sche Modelle werden entwickelt, um die klinische Situation besser zu simulieren. Inzwischen gibt es auch Großtiermodelle, bei denen durch eine genetische Manipula-tion oder durch eine chirurgische Intervention Osteoporose indu-ziert werden kann.

Interdisziplinarität ist unverzichtbar für den ForschungserfolgDas sich rasant entwickelnde und anspruchsvolle Methodenspekt-rum muss beherrscht und sinnvoll eingesetzt werden. Dies wird in Zukunft eine noch stärkere inter-disziplinäre Vernetzung der Grundlagenforscher und Kliniker erfordern. Unerlässlich ist die enge Zusammenarbeit von Forschern und Klinikern, um zum einen kli-nikrelevante Fragestellungen zu bearbeiten und zum anderen den Transfer der Forschungsergebnisse in die Klinik zu gewährleisten.

Prof. Dr. Anita Ignatius, Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik, Universität Ulm

Aktuelle Trends in der FrakturheilungVon Mäusen zu Menschen ...

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Neue Methoden in der muskulo­skelettalen Forschung 09:30–11:00 Uhr, Dachgarten(10:15–10:30 Uhr: Aktuelle Trends in der Frakturheilung)

Nicht nur schlecht heilende Frakturen bei hochbetag-ten und osteoporotischen Patienten sind ein großes klinisches Problem. Die Ursachen von Frakturheilungs-störungen sind vielfältig und die zugrunde liegenden Mechanismen sind noch immer nicht ausreichend verstanden – obwohl sich das Spektrum der Methoden in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt hat. Prof. Anita Ignatius, Ulm, fordert daher eine sehr enge inter-disziplinäre Vernetzung der Grundlagenforscher und der Kliniker, zum einen um klinikrelevante Fragestellun-gen zu bearbeiten, zum anderen um den Transfer der Forschungsergebnisse in die Klinik zu gewährleisten.A. Ignatius

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Als innovatives Unternehmen, das 10 % seines Umsatzes in Forschung und Entwicklung investiert, ist die Medtronic GmbH, Meerbusch, Weltmarktführer im Bereich Wir-belsäulenchirurgie. Mit den Sys­temen für die Stabilisierung der Wirbelsäule, wie dem minimalin-vasiven Verfahren der Ballon­Ky-phoplastie, Stab­Schrauben­Syste-men oder künstlichen Bandschei-ben, werden kontinuierlich um-fangreiche Studien durchgeführt.Um die Eingriffe an der Wirbel-säule – sei es minimalinvasiv oder offen – noch sicherer zu gestalten, bietet das Unternehmen Lösungen aus einer Hand: Mit der Kombina-tion von intraoperativer Bildge-bung, Navigationssystemen sowie des spinalen Neuromonitorings eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Sicherheit in der Wirbel-säulenchirurgie.

Individuelle und innovative FusionssystemeModerne Fusionssysteme wie das Stab­Schrauben­System Solera™ eignen sich beispielsweise zur Be-handlung der Skoliose. Dank des auch in der Endoprothetik einge-setzten Materials Chromalloy las-sen sich stabile Systeme mit mini-malen Durchmessern von beispiels-

weise nur 4,75 mm bereitstellen – ein besonderer Vorteil bei jüngeren und schlankeren Patienten. Spezi-elle Pedikelschrauben mit dem Osteogrip®­Gewinde verringern die Gefahr einer Lockerung der Implan-tate. Auch der minimalinvasive Ein-satz des Systems ist möglich.Dynamische Systeme wie BalanC™, das aus medizinischem Kunststoff und Silikon besteht, können bei de-generativen Bandscheibenerkran-kungen implantiert werden (Abb. 1). 82 verschiedene Formen und Größen der Stäbe machen es möglich, an allen Abschnitten der lumbalen Wirbelsäule die sagittale Balance wiederherzustellen. Das dynamische Element verringert die Belastung auf benachbarte Seg-

mente. Künstliche Bandscheiben und Knochenersatzmaterialien runden das „Spine­Portfolio“ ab.

Aufrichtung von WirbelkörperbrüchenAufgrund der demografischen Entwicklung und der steigenden Anzahl von Osteoporosepatien-ten wird die Ballon­Kyphoplastie immer wichtiger. Im Rahmen von minimalinvasiven Eingriffen wer-den frakturierte Wirbel wieder aufgerichtet und mit Knochen­zementen der neuesten Genera-tion stabilisiert (Abb. 2) – ein gut verträgliches Verfahren, das eine schnelle Schmerzlinderung bei Wirbelköperfrakturen ver-spricht.

Navigation, Bildgebung und Neuromonitoring – das „Sicherheitsnetz“ im OPIntraoperativ abgebildet wird die Stabilisierung der Wirbelsäule durch das Bildgebungssystem O­arm®, das Navigationssystem StealthStation S7™ und das spi­ nale Neuromonitoring­System NIM Eclipse® (Abb. 3). Sie sorgen für die Sicherheit des Patienten sowie für kürzere Operationszeiten.Der O­arm® ist ein digitales 3­di-mensionales Röntgengerät mit einer hohen Bildqualität im 2­di-mensionalen Fluoro­ und im 3­di-mensionalen Scan­Modus. Navi-giertes Operieren ist bereits nach 55 Sekunden mit aktuellen, int-raoperativ angefertigten Bildern

möglich. Als modernes System zum Neuromonitoring ermöglicht der NIM­Eclipse® dem Operateur die Lokalisation der Nerven sowie kontinuierliche Messungen ihrer Funktionsfähigkeit. Akustische und optische Signale warnen di-rekt vor der Schädigung der Ner-ven.Bildgebung, Navigation und Neuro-monitoring, zusammen mit zuver-lässigen und bewährten OP­Metho-den aus einer Hand bedeuten, dass es zu geringeren Komplikations­raten und zu niedrigeren Revisions-raten kommt – und davon profitie-ren der Patient und die Klinik.

Quelle: nach Informationen derMedtronic GmbH, Meerbusch

Wirbelsäulenchirurgie aus einer Hand!

Forum der Industrie

Abb. 2 Ballon­Kyphoplastie: Stabilisierung frakturierter Wirbel mit Knochenzement.

Abb. 1 Herstellung der sagit­talen Balance durch BalanC™.

Abb. 3 Navigation, Bildgebung und Neuromonitoring: das Sicherheits­netz im OP.

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23Current congress | Kulturelles

Berlin – immer eine Reise wert

Sehenswertes

Berliner DomUnbedingt besuchen sollte man den Berliner Dom. Seine Geschichte reicht bis ins Mittel­alter zurück. Sehenswert sind heute v. a. die Tauf­ und Traukirche, das Kaiserliche Treppen-haus, die Hohenzollerngruft, das Dommu-seum und die Predigtkirche mit ihrer impo-santen Kuppel.

Brandenburger TorDas Brandenburger Tor am Pariser Platz war bis zum Jahre 1989 ein Symbol für die Teilung Berlins und Deutschlands. Heute steht es als Nationalsymbol für die Einheit und ist somit eines der berühmtesten Wahrzeichen der Stadt Berlin.

SiegessäuleDie Siegessäule wird von den Berlinern ein-fach nur „Goldelse“ genannt. Das bekannte Wahrzeichen der Stadt hat eine Aussichts-plattform, die über 285 Stufen zu Fuß erreicht werden kann. Von oben blickt man über den Tiergarten und die umliegende Stadt.

ReichstagBesuchermagnet schlechthin ist der Reichstag mit seiner gläsernen Kuppel.

Schloss BellevueDas erste Schloss in Berlin wurde 1785/86 im klassizistischen Stil errichtet. Diente es seit dem 19. Jahrhundert verschiedenen Zwecken (Lustschloss, königlicher Landsitz, Kunstmu-seum, Besprechungsort der Regierung und der Obersten Heeresleitung im Ersten Welt-krieg, Büro, Volksküche etc.), so hat das Schloss heute eine ganz bestimmte Funktion: es ist Amtssitz des Bundespräsidenten.

Checkpoint CharlieIn der Zeit von 1961–1990 war der Check-point die einzige Grenzübergangstelle zwi-schen Ost­ und Westberlin. Heute erinnert nur noch ein kleines Häuschen und ein Grenz-schild an die damalige Funktion. Das Museum „Haus am Checkpoint Charlie“ zeigt die Ge-schichte der Mauer.

FernsehturmDer Fernsehturm in Berlin ist 368 m hoch und damit das höchste Bauwerk in Deutschland.

East-Side-GalleryKünstler aus aller Welt bemalten nach dem Ende der Teilung (1990) die Mauer entlang der Mühlenstraße. Entstanden ist das längste Mahnmal (1,3 Kilometer) für Frieden und Ver-söhnung in Berlin.

MuseumsinselDie Museumsinsel (Weltkulturerbe) zählt zu den bedeutendsten Museumskomplexen Eu-ropas und liegt mitten in Berlin. Zu diesem Ensemble gehört auch das Neue Museum, das am 16. Oktober 2009 wiedereröffnet wurde.

Besuchermagnet ist vor allem die Büste der ägyptischen Königin Nofretete (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung).

NikolaiviertelDas Nikolaiviertel liegt zwischen Spree, Berli-ner Rathaus und Mühlendamm. Beherrschen-der Anziehungspunkt im Viertel ist die Niko-laikirche, das älteste erhaltene Bauwerk der Stadt (ursprünglicher Bau aus dem Jahr 1230). Heute ist dort ein Museum zum mittelalterli-chen Berlin untergebracht

AlexanderplatzHier pulsiert der öffentliche Nahverkehr: U­Bahn­Linien, Straßenbahn und S­Bahn bringen jeden Tag mehrere hundert Tausend Menschen zum „Alex“, die dort in eine andere Linie umsteigen oder sich zu Fuß aufmachen.

MüggelseeBerlins größter See, lädt zum Verweilen ein. Wer gerne zu Fuß unterwegs ist, findet in den Müggelbergen viele Wandermöglichkeiten.

Berliner RathausDas Berliner Rathaus, auch das „Rote“ Rathaus genannt (wegen seiner roten Klinkersteinfas-sade), ist Sitz des Regierenden Bürgermeisters und des Senats von Berlin.

DDR MuseumMit jährlich über 300 000 Besuchern zählt es zu den meistbesuchten Museen der Stadt Berlin und Deutschlands. Die interaktiv konzi-pierte Ausstellung veranschaulicht dem Besu-cher das Leben im Sozialismus. Öffnungszeiten: Mo–So 10:00–20:00 Uhr, Sa 10:00–22:00 Uhr.

Genießenswertes

Feuer und Flamme – Das Fondue RestaurantAm Comeniusplatz 1, 10243 Berlin Tel.: 030/29776595, Fax: 030/29776590 Öffnungszeiten: Mo–Fr 11:00–24:00 Uhr; Sa 18:00–24:00 Uhr, So 10:00–24:00 Uhr

Traube Berlin – Restaurant und WeingartenReinhardtstraße 33, 10117 Berlin Tel.: 030/27879393, Fax: 030/27879395 Öffnungszeiten: Mo–Fr 11:30–15:00 Uhr; Mo–Sa u. Feiertage ab 18:00 Uhr, So Ruhetag

Paris-MoskauAlt­Moabit 141, Nähe Bundeskanzleramt und Hauptbahnhof, 10557 Berlin Tel.: 030/3942081, Fax: 030/3942602 Öffnungszeiten: Mo–Fr 12:00–15:00 Uhr, Mo–So ab 18:00 Uhr

Akiko SushiAhornstr. 32, 12163 Berlin Tel.: 030/79744564 Öffnungszeiten: Mo–Sa 11:00–22:00 Uhr; So/Feiertag 12:00–22:00 Uhr

MeymanKrossener Straße 11a, 10245 Berlin Tel.: 0163/8061636 Öffnungszeiten: So–Do 12:00–2:00 Uhr, Fr–Sa 12:00–3:00 Uhr

Restaurant Borsig BAm Borsigturm 1, 13507 Berlin Tel.: 030/43036000, Fax: 030/43036001 Öffnungszeiten: Mo–Fr ab 12:00 Uhr, Sa–So ab 17:00 Uhr

Maxx Bar im Cinemaxx Potsdamer PlatzBerlin­Mitte Tel.: 030/25942840 Happy Hour tgl. 12:00–21:00 Uhr

Araya ThaiKurfürstendamm 131, 10711 Berlin Tel.: 030/44721836, Fax: 030/7891821 Öffnungszeiten: Di–Fr 12:00–15:00, 17:00–23:00 Uhr, Sa 17:00–23:00 Uhr, So 12:00–23:00 Uhr

CafésCafé LietzowAlt­Lietzow 7 (U Richard­Wagner­Platz)

Café siebenFritz­Erler­Allee 57 (U Johannisthaler Chaussee)

Barcomi’s DeliSophienstraße 21 (2. HH), Mitte (S Hackescher Markt)

Café EinsteinKurfürstenstraße 58, Tiergarten (U Nollendorfplatz)

LebensArtUnter den Linden 69a, Mitte (S Unter den Linden)

Café im LiteraturhausFasanenstraße 23, Wilmersdorf (U Uhlandstraße)

ImbissZur Bratpfanne Nr. 1Schloßstr./Ecke Kieler Str. (U Schloßstraße)

Biers 195Kurfürstendamm 195

Charlottenburg(U Adenauerplatz)

Fritz & CoWittenbergplatz, Schöneberg (U Wittenbergplatz)

KonnopkeSchönhauser Allee 44

Prenzlauer Berg(U Eberswalder Straße)

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Brandenburger Tor Museumsinsel Berliner Rathaus

Nikolaiviertel Alexanderplatz Müggelsee

Erlebenswertes

Dennis Hopper – The Lost Album (Vintage Fotografien aus den 1960er-Jahren)20.09.–17.12.2012; Mi–Mo 10:00–19:00 UhrMartin­Gropius­Bau, Niederkirchnerstraße 7

Dali – die Ausstellung am Potsdamer PlatzMo–Sa 12:00–20:00 Uhr, So 10:00–20:00 UhrDie Ausstellung am Potsdamer Platz, Eingang: Leipziger Platz 7

Show Me – Glamour is back23.10. und 25.10.2012; 19:30 UhrFriedrichsstadt­Palast, Friedrichstraße 107

2012 – Planet paradox (Kabarett)23.10. und 25.10.2012; 20:00 UhrDie Stachelschweine, Tauentzienstraße 9–12

Olli Dittrich – „Das wirklich wahre Leben“ (eine Leseschau)23.10.2012; 20:00 UhrKulturforum, Matthaikirchplatz

Mathias Richling: Der Richling Code23.10.–26.10.2012; 20:00 UhrDie Wühlmäuse am Theo, Pommernallee 2–4

Madness (Ska, Pop, Punk mit der britischen Kultband)24.10.2012; 20:00 UhrC­Halle – Columbiahalle, Columbiadamm 12–21

Parsifal – Oper von Richard Wagner25.10.2012; 17:00 UhrDeutsche Oper Berlin, Bismarckstraße 35

Hamlet – Schauspiel von William Shakespeare25.10. und 26.10.2012; 19:30 UhrSchaubühne am Lehniner Platz, Kurfürstendamm 153

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