Download (2 MB, pdf)

26
Polymere Einleitung 1 Einleitung, Stand 01.08.2013 1 Polymere / Makromoleküle: die Riesen unter den Molekülen Makromoleküle sind „Riesenmoleküle“, die aus kovalent, also mittels chemi- scher Bindung verknüpften, gleichen oder verwandten Einheiten aufgebaut sind. Bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein haben sich Chemiker darüber gestrit- ten, ob es solche Riesenmoleküle überhaupt geben könne oder ob es sich dabei nicht eher um Assoziate (micellare Kolloide), also nur physikalisch wechselwirkende kleinere Einheiten handle. Das „makromolekulare Konzept“ wurde 1917 von Hermann Staudinger (1881-1965, Nobelpreis 1953, s. Abb. 1) eingeführt, den man daher auch als Begründer der Makromolekularen Chemie betrachten kann. Warum hatten sich die Chemiker so schwer getan, sich aus langen Ketten be- stehende Moleküle vorzustellen? Hatten sie zu wenig mit ihren Kindern gespielt? Oder sind ineinandersteckbare Elemente, die man zu langen, heute oft bunten Plastikketten verbinden kann, eine Erfindung, die durch die Entdeckung der Makromoleküle erst inspiriert wurde? Abb. 1 Hermman Staudinger (1881-1965), 1917 in Zürich (www.ethistory.ethz.ch/.../vitrine43) Der synonym verwendete Begriff Polymer besagt, dass hier einzelne Grund- bausteine (das Monomer, das Einfache) über kurze (Dimer: das Zweifache, Trimer: das Dreifache, usw.) zu langen Ketten (dem Polymer) miteinander verknüpft werden. Die Architekturen der entstehenden Gebilde sind vielfältig und bestimmen ganz wesentlich die Eigenschaften. Die Natur folgt hier einem ökonomischen Prinzip: einem hierarchischen Auf- bau von „klein“ zu „groβ“, vergleichbar dem Bau eines Fertighauses aus vor gefertig- ten Bauteilen. Die Elementarteilchen bilden die Atome, aus den Atomen kann man verschiedene Moleküle aufbauen, und geeignete Moleküle lassen sich zu Makromo- lekülen verknüpfen (vergl. Abb. 2). Und auch dann ist noch nicht Schluss. Große Moleküle nehmen „bequeme“ (energetisch günstige) Konformationen ein (z.B. Helix der Amylose, Sekundärstrukturen von Proteinen). Darüber hinaus organisiert sich die Materie zu komplexeren (supramolekularen) Strukturen, wie wir sie in der Natur, aber

Transcript of Download (2 MB, pdf)

Page 1: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

1

Einleitung, Stand 01.08.2013 1 Polymere / Makromoleküle: die Riesen unter den Molekülen

Makromoleküle sind „Riesenmoleküle“, die aus kovalent, also mittels chemi-

scher Bindung verknüpften, gleichen oder verwandten Einheiten aufgebaut sind. Bis

in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein haben sich Chemiker darüber gestrit-

ten, ob es solche Riesenmoleküle überhaupt geben könne oder ob es sich dabei

nicht eher um Assoziate (micellare Kolloide), also nur physikalisch wechselwirkende

kleinere Einheiten handle. Das „makromolekulare Konzept“ wurde 1917 von

Hermann Staudinger (1881-1965, Nobelpreis 1953, s. Abb. 1) eingeführt, den man

daher auch als Begründer der Makromolekularen Chemie betrachten kann.

Warum hatten sich die Chemiker so schwer getan, sich aus langen Ketten be-

stehende Moleküle vorzustellen? – Hatten sie zu wenig mit ihren Kindern gespielt?

Oder sind ineinandersteckbare Elemente, die man zu langen, heute oft bunten

Plastikketten verbinden kann, eine Erfindung, die durch die Entdeckung der

Makromoleküle erst inspiriert wurde?

Abb. 1 Hermman Staudinger (1881-1965), 1917 in Zürich (www.ethistory.ethz.ch/.../vitrine43)

Der synonym verwendete Begriff Polymer besagt, dass hier einzelne Grund-

bausteine (das Monomer, das Einfache) über kurze (Dimer: das Zweifache, Trimer:

das Dreifache, usw.) zu langen Ketten (dem Polymer) miteinander verknüpft werden.

Die Architekturen der entstehenden Gebilde sind vielfältig und bestimmen ganz

wesentlich die Eigenschaften.

Die Natur folgt hier einem ökonomischen Prinzip: einem hierarchischen Auf-

bau von „klein“ zu „groβ“, vergleichbar dem Bau eines Fertighauses aus vorgefertig-

ten Bauteilen. Die Elementarteilchen bilden die Atome, aus den Atomen kann man

verschiedene Moleküle aufbauen, und geeignete Moleküle lassen sich zu Makromo-

lekülen verknüpfen (vergl. Abb. 2). – Und auch dann ist noch nicht Schluss. Große

Moleküle nehmen „bequeme“ (energetisch günstige) Konformationen ein (z.B. Helix

der Amylose, Sekundärstrukturen von Proteinen). Darüber hinaus organisiert sich die

Materie zu komplexeren (supramolekularen) Strukturen, wie wir sie in der Natur, aber

Page 2: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

2

auch im Labor immer wieder bewundern können, z.B. die Stärkeketten in einem

kunstvoll geschichteten Stärkekorn. Makromoleküle bringen für solche Strukturbil-

dungen besondere Voraussetzungen mit.

Abb. 2 Das Konzept: Hierarchisches Bauprinzip vom Atom zu Polymerketten, die räumlich vernetzt

werden können. Der Aufbau einer „komplexeren Struktur“ aus den Gliedern einer Fahrradkette

1.1 Biopolymere

Die Natur hat ja schon ein wenig länger „Chemie betrieben“ als die Menschen.

So ist es nicht verwunderlich, dass zuerst einmal die natürlichen Polymere da waren:

die „Biopolymere“. Zu ihnen zählt z.B. die Cellulose (Polysaccharid), eine Kette aus

Traubenzuckerbausteinen (Glucose), die den Zellwänden aller Pflanzen mechani-

sche Festigkeit verleiht. Ein Beispiel aus dem Bereich der Proteine, der Eiweiβstoffe,

ist das Kollagen, aufgebaut aus Aminosäuren. Und der Kautschuk (Polyterpen) aus

dem Milchsaft (Latex) des Baumes Hevea brasiliensis, in dem kleine Kohlenwasser-

stoffmoleküle zu Riesenmolekülen zusammengesetzt sind, kommt den Kohlenwas-

serstoffketten des Erdöls am nächsten (Abb. 3). Dieses natürliche Gummi wurde

schon seit 100en von Jahren im Amazonasgebiet in Mittelmamerika verwendet,

bevor es die Profitgier der weiβen Eroberer weckte. - Häufig wurden diese Bio-

polymere nicht als solche, sondern in Form der von ihnen geprägten Werkstoffe wie

Holz, Leder oder Knochenleim verwendet.

Cellulosefasern, links: aus

Baumwolle, rechts: aus Holz Kollagenfasern

www.filkfreiberg.de/de/03_ leder_biopolymere

Kautschukmatten, Thailand www.umdiewelt.de

Abb. 3 Beispiele von Biolpolymeren

n

O

HO

OH

OHO

HO

OH

O

OH

O

HO

OH

O

OH

O

HO

OH

OH

O

OOHO

OH

OH

O

Page 3: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

3

Auch die universelle „Erbsubstanz“, die DNA (Desoxyribonuleinsäure) ist ein

Biopolymer, dessen Strukturaufklärung nach langem Rätseln schlieβlich 1953 durch

Watson und Crick den Durchbruch fand. Hier dient die Phosphorsäure als Kit zwi-

schen den einzelnen Bausteinen. Die vier verschiedenen DNA-Basen werden gern

als „Buchstaben“ bezeichnet, die DNA wird „abgelesen“. Auch dieses Beispiel macht

wieder die Genialität eines hierarchischen Bauprinzips deutlich. Aus Buchstaben

werden Wörter, aus Wörtern kann man Sätze gestalten und die Aneinanderreihung

von Sätzen wird zu einer Geschichte, deren Informationsgehalt mehr ist als die Sum-

me von Einzelsätzen. Die Chemie bedient sich gern dieses „Baukastenprinzips“.

Y L

O M POLYMER

U I

S B BAUSTEIN

R P

E KETTE

T K A

POLYMERE SIND KETTEN AUS MONOMER- BAUSTEINEN

www.calabriadna.com

Basen-Code der DNA Stufenweiser Aufbau von Information aus Grundbausteinen

Abb. 4 Informationsgenerierung aus chemischen Bausteinen (Adenin, Thymin, Guanin, Cytosin) und und symbolischen Buchstaben

Auch das Erdöl könnte man näherungsweise zu den natürlichen Polymeren

zählen: Aus der gewachsenen Biomasse, vor allem dem abgestorbenen Plankton der

Meere, ist es in Millionen Jahren, abgeschlossen von der Atmosphäre, unter groβem

Druck und bei erhöhter Temperatur entstanden. Es ist ein sehr kompliziertes Ge-

misch aus ca. 17.000 Substanzen, enthält aber vor allem Kohlenwasserstoffketten

unterschiedlicher Länge. Das Erdöl dient neben seiner Bedeutung als Energieträger

als Rohstoff, um Bausteine für ganz neue Polymere herzustellen, und ist somit die

Basis für die synthetischen Polymere oder Kunststoffe.

Das erste synthetische Polymer war das 1907 vom aus Belgien stammenden

Leo Baekeland (USA) durch Polykondensation von Phenol und Formaldehyd

hergestellte "Bakelit“, ein Duroplast oder Thermoset-Material. 1911 wurde durch

Matthews (UK) erstmals Polystyrol dargestellt, aber es dauerte fast 20 Jahre, bevor

es kommerziell genutzt wurde (IG Farben).

1.2 Synthetische Polymere / Kunststoffe / Plastik

Erdöl ist im Gegensatz zu den meisten Biopolymeren, aus denen es entstan-

den ist, viel einfacher gebaut. Von der groβen funktionellen Vielfalt der Proteine und

der Polysaccharide (makromolekulare Kohlenhydrate), deren Ketten vergleichsweise

reich „geschmückt und dekoriert“ sind, sind im Laufe der Millionen Jahre dauernden

Metamorphose unter Luftausschluss und Druck vor allem Kohlenwasserstoffketten

Page 4: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

4

entstanden (d.h. bestehend aus Kohlenstoff = C, und Wasserstoff = H). Nimmt man

den Wasserstoff auch noch weg, erhält man Kohle (Graphitstruktur) oder Diamant,

die ebenfalls in der Erde lagern (Abb.59). Die Ketten sind im Mittel deutlich kürzer.

(z.B. Paraffine aus Erdöl: 18-32 CH2-Gruppen)

Kohlenwasserstoffe (Erdöl, Paraffin) http://en.academic.ru/pictures/enwiki/79/ Octane-3D-balls-B.png

Graphitstruktur http://www.cumschmidt.de/bilder/ m_graphit01.gif

Diamantgitter http://www.guidobauersachs.de/ anorg/diamant.gif

Abb. 5 Kohlenwasserstoffe und Kohlenstoffmodifikationen ( Erdöl, Kohle, Diamant)

Und da sind wir bei einem ganz grundlegenden Punkt angelegt, warum es

diese Vielfalt organischer Makromoleküle gibt. Es ist vor allem und zuallererst der

Kohlenstoff, der mit seinen in alle Raumrichtungen greifenden vier „Armen“ Gesell-

schaft suchend auch gut und gern mit seinesgleichen Händchen hält und dabei lange

Ketten, Schichten und Raumgitter bilden kann. Die Ketten sind dabei die Grund-

struktur unserer Polymere, da die beiden verbleibenden Arme (Valenzen) unter-

schiedlichen Elementen die Hand reichen können. – Aus eigener Erfahrung wissen

wir jedoch, dass wir nur mindestens 2 Arme brauchen, um uns zu Ketten zu

verbinden. Darum finden sich durchaus auch Sauerstoffatome (O, 2 Arme), Stick-

stoffatome (N, 3 Arme) und andere Elemente als Kettenhauptglieder zwischen den

C-Atomen, wie wir bei den Beispielen sehen werden.

Aus diesen Kohlenwasserstoffen lassen sich nun verschiedene Sorten kleiner

Bausteine, die oft nur 2 – 6 C-Atome enthalten, herstellen, die dann zu neuen Poly-

meren, den wegen ihrer künstlichen Herstellung sogenannten Kunststoffen, ver-

knüpft werden können.

Staudingers in den 1920er Jahren in Wissenschaftlerkreisen noch kritisch dis-

kutiertes Konzept von Makromolekülen wurde in der Industrie in den 30er und 40er

Jahren als höchst tragfähig aufgegriffen. So entstanden viele neue Kunststoffe wie

Polyamid (Nylon®) oder Polyethylen, die aus der heutigen Zeit nicht mehr weg-

zudenken sind. Die Namen neuer Kunstfasern, -stoffe und -produkte wie

Nylons(trümpfe), Perlonkleider, Treviraröcke (Polyester, 1956) und Helancapullover

(Polyamid) wurden so in den 50er und 60er Jahren geradezu zu Synomymen des

Fortschritts und eines einfacheren (da bügelfreien) Lebens (Abb. 6).

Page 5: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

5

Perlonkleid Nylonstrümpfe Struktur von Nylon (Polyamid)

Abb. 6 Eroberung des Textilbereichs durch Polyamidfasern

Aber diese erdölbasierten Produkte stellen nicht die ersten künstlichen

Produkte dar. Als „Kunststoffe“ hatte man bereits durch Bearbeitung natürlicher

Produkte wie dem Casein der Milch (1897, „Kunsthorn“ Handelsname Galalith®) oder

der Cellulose des Holzes gewonnene künstliche Stoffe wie Cellulosenitrat („Schieβ-

baumwolle“, 1846) bezeichnet. Auch das durch das 1839 eingeführte Vulkanisieren

von Naturkautschuk gewonne Gummi kann man dazu rechnen (Abb. 7).

Knopf aus Kunsthorn Stricknadeln aus Galalith®

Luftballons aus vulkanisiertem Kautschuk

(mit Formaldehyd gehärtetes Casein aus Milch)

(Kautschuk, vernetzt durch Schwefelbrücken)

Spielzeugboot aus

Celluloseacetatnitrat (1890) Film aus Celluloid®

(Cellulosenitrat/Campfer))

Damenstrümpfe aus "Bembergseide"

Celluloseacetat, 1920er Jahre Abb. 7 Erste halbsynthetische Kunststoffe auf Biopolymerbasis

Dabei ist nicht nur die chemische Struktur von Bedeutung, sondern auch das

Verarbeitungsverfahren bestimmt die Eigenschaften. Kunstseiden wie die Chardon-

netseide (aus Cellulosenitrat, 1890) oder Kupferseide (aus in CuO/Ammoniak gelös-

ter Cellulose, 1899) kamen erst Jahre nach Entdeckung des verwendeten Materials

Page 6: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

6

auf den Markt, da das Problem des Verspinnens zu Fäden gelöst werden musste.

Weitere Kunstseiden auf Cellulosebasis sind Viscose® und Celluloseacetat.

Kunststoffe bereicherten folglich die Palette der natürlich vorkommenden oder

traditionell verwendeten Werkstoffe wie Holz, Metall, Papier oder Glas, Seide, Wolle

und Leder um preiswertere oder leistungsfähigere Materialien. Der Erfolg dieser syn-

thetischen Stoffe beruht auf einer Reihe von Vorteilen wie u. a. niedriges spezifi-

sches Gewicht, hohe Beständigkeit gegen Korrosion und Verrottung, Wärmeschutz-

wirkung und Dämmwirkung, leichte Formbarkeit und wirtschaftliche Verarbeitbarkeit

sowie Färbbarkeit. Aufgrund dieser bemerkenswerten Vorteile stieg der Kunststoff-

einsatz stark an, was jedoch „den Stoff des letzten Jahrhunderts“ auch zu einem

ökologischen Problem werden ließ, da die Entsorgung der häufig nahezu unverrott-

baren Kunststoffabfälle zu klären ist. ( Belastung der Meere; Recycling, Kom-

postierung)

Zusammenfassung

Zu den organischen makromolekularen Stoffen zählen (Tabelle 1):

Tabelle 1: Kategorien organischer makromolekularer Stoffe

Kategorie Beispiele Stoffklasse

Makromolekulare

Naturstoffe

(Biopolymere)

Cellulose, Stärke

Seide, Wolle

Lignin (im Holz)

Kautschuk

DNA (Träger d. Erbinformation)

Polysaccharide (Kohlenhydrate)

Proteine (Eiweiβ)

Phhenylpropane

Polyterpen

Nucleinsäuren

Halbsynthetische

Kunststoffe

(modifizierte

Biopolymere)

Celluloid (Cellulosenitrat) Vulkanfieber

(pergamentierte Cellulose)

Kunsthorn (mit Formaledhyd vernetztes

Casein)

Gummi (vulkanisierter Kautschuk)

Polysaccharide (Kohlenhydrate)

Proteine (Eiweiβ)

Polyterpen

(Voll)synthetische

Kunststoffe*

(de-novo-Synthese-

i.d.R. auf Erdölbasis)

Polyethylen

Polystyrol

PVC, Polyvinylchlord

Polyamide (z.B. Perlon, Nylon)

Polyester (Helanca; Polyethylen-

terephthalat = PET, Polycarbonat)

Polyacrylat (Plexiglas, Acrylfasern)

gesättigter Kohlenwasserstoff

aromatischer Kohlenwasserstoff

chlorierter Kohlenwasserstoff

Amide

Ester

Polycarbonsäure

* Aus der Abgrenzung zu den „halbsynthetischen Kunststoffen“ und dem Weglassen des „voll“ erklärt sich der eigentlich einen Pleonasmus darstellende, aber häufig verwendete Begriff des „synthetischen Kunststoff“

Tabelle 2 gibt einen Überblick über die offiziellen Abkürzungen für gängige Polymere

und einige Anwendungsbeispiele.

Page 7: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

7

Tabelle 2: Bezeichnungen gängiger Polymere gemäβ DIN

Abkürzungen DIN 7728 Bezeichnung Anwendungsbeispiel

CA

HDPE

LDPE

MC

PA

PC

PE

PET

PP

PS

PVC

Celluloseacetat

Polyethylen hoher Dichte

Polyethylen niedriger Dichte

Methylcellulose

Polyamid

Polycarbonat

Polyethylen

Polyethylenterephthalat

Polypropylen

Polystyrol

Polyvinylchlorid

Polyacrylate

Verpackungsfolien

Baustoffe, Tapetenkleister

Textilien, technische Fasern

CDs

Tragetaschen

Getränkeflaschen, mit Al/PE:

dichte Verbundfolien für Lbm.

Verpackungen, Folien,

Hohlkörper (auch PE,

PET,PVC)

Verpackungen (Becher)

Schrumpffolie

z.B. Superabsorber (Hygiene-

produkte), Kosmetika

Page 8: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

8

2 Wie sind die Monomerbausteine miteinander verbunden? - Die chemi-

sche Bindung in Polymeren

Polymere lassen sich nach verschiedenen Kriterien „sortieren“, nach Eigen-

schaften, die insbesondere für ihre Verwendung von Bedeutung sind, nach Gröβe,

dem Herstellungsprozess oder nach ihrer chemischen Struktur, insbesondere dem

Verknüpfungsprinzip der Monomerbausteine. Bereits in Kapitel 1 wurde auf die

verschiedenen Stoffklassen, zu denen Polymere gehören können, hingewiesen.

Je nach Funktionalität der Monomere (Alken, Alkohol, Amin, Säure, etc.)

kommen bei der chemischen Synthese von Kunststoffen verschiedene Reaktions-

typen zum Einsatz: die Polykondensation, die radikalische Polymerisation, die

Polyaddition, die unter 2.2 erläutert werden.

Zur Veränderung ihrer Eigenschaften können Polymere weiter chemisch ver-

ändert werden: an den Ketten selbst – das nennt man eine polymeranaloge Um-

setzung – oder durch Vernetzung der Ketten miteinander. Ein Beispiel hierfür ist die

Vulkanisation, bei der wie z.B. beim Naturkautschuk, ein Stoff mit Schwefel oder

Schwefelverbindungen erhitzt wird, wodurch sogenannte Elastomere entstehen.

2.1 Einteilung der Polymere nach ihren Eigenschaften

Diese synthetischen Polymere unterteilt man aufgrund ihrer Eigenschaften in:

Thermoplaste: Sie gehen beim Erwärmen in einen plastischen (verformba-

ren) Zustand über und behalten nach dem Erkalten ihre neue Form. Strukturell han-

delt es sich um fadenförmige, gering verzweigte Molekülketten, zwischen denen

schwache Wechselwirkungen (z.B. Van der Waals-Kräfte) herrschen und deren Er-

weichungspunkt oberhalb der Gebrauchstemperatur liegt. Bei Wärmeeinwirkung wer-

den die Ketten so beweglich, dass sie sich gegeneinander verschieben können bzw.

lassen, im festen Zustand sind sie jedoch „eingefroren“. Die Verzweigungen ver-

hindern, dass sich die Ketten zu geordneten Kristallen zusammenlagern (Abb. 8).

Thermoplaste werden z.B. für die Herstellung von Jogurtbechern verwendet.

Aus einer PS-Scheibe wird nach dem Erweichen ein Becher geformt, in dem die

Moleküle aus ihrer „Lieblingsposition“ herausgezerrt sind. Aus dieser in der Kälte im

harten Becher fixierten Lage schnurrt der Becher bzw. die ihn bildenden Moleküle

wieder in seine/ihre Ausgangsform zurück, wenn man ihn/sie erneut erwärmt (bei ca.

80°C). So funktionieren auch Schrumpffolien.

Duroplaste: Sie sind nach ihrer Formgebung auch unter Wärmeeinwirkung

nicht mehr plastisch verformbar. Struktureller Hintergrund ist eine engmaschige

Vernetzung der Makromoleküle in allen Raumrichtungen, so dass ein einziges Rie-

senmolekül entsteht, in dem die Kettensegmente bei Energiezufuhr bestenfalls noch

„zappeln“, aber ihre Lage nicht mehr verändern können (Abb. 8). Sie werden z.B. für

Steckdosen verwendet. Wenn dieser Charakter durch Vernetzung eines Prepoly-

mers, ausgelöst durch Hitze oder Strahlung erzielt wird, spricht von Thermosets

(Klebstoffe, Elektrobereich).

Page 9: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

9

Thermoplaste Duroplast

amorph teilkristallin amorph

transparent milchig trueb transparent

lineare (leicht verzweigte) Ketten, unvernezt stark vernetzte Ketten können sich bei Erwärmen gegeneinander verschieben können sich nur lokal bewegen, aber nicht gegeneinander verschieben

Abb. 8 Schematische Darstellung von Struktur-Eigenschaftsbeziehungen am Beispiel von Thermo- und Duroplasten/Thermosets

Elastomere: Sie besitzen in einem breiten Temperaturbereich elastische Ei-

genschaften, d.h. nach einer Verformung/Dehnung nehmen sie ihre ursprügliche

Form wieder an. Dieser Prozess ist nicht unendlich oft wiederholbar: Die Elastizität

lässt nach („Ausleiern“). Als „Rückstellfedern“ wirken relativ wenige Querverbindun-

gen, die die Kettenmoleküle zu einem lockeren dreidimensionalen Netz vernetzen.

Sie finden z.B. für Schwämme Verwendung. Überdehnung verändert die die Struktur

irreversibel.

Neben dem Vernetzungsgrad spielt auch die Ordnung eine Rolle. Amorphe,

also ungeordnete Polymere sind i.d.R. transparent (glasartig). Das gilt sowohl für

thermplastische Materialien wie PVC oder Polydimethylmethacrylat (PMMA) als auch

für Duroplaste wie das 1907 von Baekeland entwickelte Bakelit. Allerdings wird hier

die Transparenz durch die tief-dunkle Eigenfärbung dieses Phenol-Formaldehydhar-

zes, das einer der ersten vollsynthetischen Kunststoffe war, meist überdeckt (Abb.

9).

Page 10: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

10

Bakelit: Strukturelement http://en.wikipedia.org/wiki/File:Bakelit_Struktur.png

Typisches Produkt aus Bakelit http://www.seilnacht.com/Lexikon/k_bakel.JPG

Abb. 9

Kristalline oder teilkristalline, also Materialien, in denen die Moleküle (hoch)

geordnet vorliegen, sind hingeben milchig trüb, da das Licht an den Kristallflächen in

alle Richtungen gestreut wird. Dieser Effekt tritt auch auf, wenn man transparente

Folien stark verstreckt und die Moleküle dadurch ordnet. Auch Fasern sind (teil)-

kristallin; erst durch die parallele Anordnung der Molekülketten, oft auch in hierarchi-

scher Weise, wird die fasertypische Festigkeit erzielt. Eine „amorphe Faser“, etwa

eine Spagetti, bricht (in trockenem Zustand) oder reiβt (im gekochten Zustand, in

dem Wasser als Weichmacher fungiert). Beispiele für die Härte und glasartige Trans-

parenz im ungeordneten und die „weiβe Farbe“ im geordneten, kristallinen Zustand

sind auch Eis und Schnee (Abb. 10).

Eis Schnee

Abb. 10 Modifikationen von festem Wasser: transparentes, da amorphes Eis und „weiβer“, da kristalliner Schnee

Page 11: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

11

2.2 Einteilung der Polymere nach dem Reaktionstyp der Polymerisation

Im Folgenden werden die einzelnen Reaktionstypen vorgestellt, nach denen

sich die Makromoleküle bilden. Die Reaktionen unterscheiden sich mechanistisch

nicht von den entsprechenden Reaktionen niedermolekularer Verbindungen mitein-

ander. Voraussetzung für die Bildung einer Polymerkette ist lediglich, dass die

Reaktionspartner mindestens zwei funktionelle Gruppen einbringen, also mindestens

bifunktional sind.

Polykondensation: In diesem Verfahren bilden zwei Monomere (bzw. die

wachsende Polymerkette und ein Monomer) unter Abpalung eines kleinen Moleküls

(i. d. R. Wasser) eine Bindung aus (s. Abb. 11).

Abb. 11 www.chemie.fu-berlin.de/chemistry/kunststoffe

Zum Typ der Kondensation gehören die (Poly)esterbildung (Veresterung) zwi-

schen Carbonsäuren und Alkoholen und die (Poly)amidbildung zwischen Carbon-

säuren und Aminen. Als bifunktionelle Verbindungen kommen Hydroxy- bzw. Amino-

carbonsäuren infrage (→A-B→A-B→A-B→A-B) oder aber die Kombination von

Dihydroxy- bzw. Diaminoalkanen mit Dicarbonsäuren (→A-A→B-B→A-A→B-B),

s.u.. Beispiele für Ester sind Polymilchsäure (Polylactic Acid, PLA), die z.B. für bioab-

baubare Verpackungen oder in der Operationsmedizin („selbstauflösende Fäden“)

verwendet wird, oder der hochwertige Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET), der

beim Recycling von PET-Flaschen u.a. zu Fasern (Fleecepullover) verarbeitet wird.

Beispiele für Polyamide, die v.a. Fasern bilden, sind sowohl Wolle und Seide (Pro-

teine) als auch Nylon® bzw. Perlon® (s. Abb. 6).

Mechanismus: Ein Ester bildet sich, wenn ein Alkohol und eine Carbonsäure unter

Abspaltung von Wasser miteinander reagieren, wobei die Reaktion katalysiert wer-

den muss. Dies ist z.B. mit Säure möglich, die die Protonierung des Carbonylsauer-

stoffs und damit eine höhere Reaktivität des Carbonyl C gegenüber dem Alkohol

bewirkt (s. Abb. 12).

Page 12: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

12

Abb. 12 Mechanismus der Polykondensation (www.chemie.fu-berlin.de/chemistry/kunststoffe)

Bitte beachten, dass der Sauerstoff des abgespalenen Wassers aus der Säure, nicht aus dem Alkohol stammt“

Polyester sind also Stoffe, bei denen viele Monomere durch Esterbindungen

miteinander verknüpft sind. Aus diesem Grund sind Monomere mit nur jeweils einer

funktionellen Gruppe nicht zur Polyesterbildung befähigt, da sie nur eine Esterbin-

dung ausbilden können. Zur Ausbildung eines Polyesters müssen die Monomere

also mindestens über zwei funktionelle Gruppen verfügen. Man kann zwei Typen von

Polyestern unterscheiden (Abb. 13):

1. Polyester-Typ I: die Monomere sind Hydroxycarbonsäuren

2. Polyester-Typ II: die Monomere sind Dicarbonsäuren und Dialkohole

Abb. 13 Polyester vom AB-AB- und vom AA-BB-Typ (www.chemie.fu-berlin.de/chemistry/kunststoffe)

Die Polyamidbildung verläuft entsprechend. Amidbindungen sind stabiler als

die entsprechenden Esterbindungen. Grundsätzlich können beide – Ester und amide

- durch saure Hydrolyse wieder in die Monomere gespalten werden.

Page 13: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

13

Radikalische Polymerisation: Dieses Verfahren beruht darauf, dass zwei

kleine Moleküle (Monomere) mit C=C Doppelbindungen unter Einwirkung eines Akti-

vators Radikale bilden, wodurch eine Kettenreaktion ausgelöst wird. Das Wachsen

der Kette kann durch Kombination zweier Radikale oder Disproportionierung ab-

gebrochen werden. Es bilden sich bei diesem Verfahren eher lineare und wenig ver-

zweigte Makromoleküle, die zum Strukturaufbau von thermoplastischem Kunststoff

benötigt werden. Stoffe, deren Entstehung auf diesen Reaktionstyp zurückgeht, wer-

den Polymerisate genannt.

Mechanismus der Radikalischen Polymerisation am Beispiel PS (Polystyrol):

Typisch fuer Radikalkettenreaktionen sind:

(1) die Startreaktion

(2) die Kettenfortpflanzungsreaktion(en)

(3) die Kettenabbruchreaktion(en).

(1) Benzoylperoxid (1) dient als Starter. Im ersten Schritt wird das Peroxid so

gespalten, dass beide Sauerstoffatome jeweils ein Elektron des Bindungselektronen-

paares bekommen. Man nennt eine solche „faire“ Teilung eine homolytische Spal-

tung. Die dabei entstehenden ungepaarten Elektronen sind sehr reaktiv. Dieses

Radikal ist allerdings nicht stabil und zerfällt unter Abgabe von Kohlenstoffdioxid in

ein Phenylradikal (Startreaktion).

(1, Aktivator oder Radikalstarter)

(2) Anschließend reagiert ein Radikal mit einem Styrolmolekül. Dabei spaltet

sich ein Elektronenpaar der externen Doppelbindung im Styrolmolekül (Styrol =

Vinylbenzol). Ein Elektron bildet mit dem einzelnen Elektron des Radikals ein Bin-

dungselektronenpaar aus, das andere Elektron bleibt allein an dem Kohlenstoffatom,

das mit dem Benzolring im Styrolmolekül verbunden ist, und bildet dort erneut ein

Radikal.

Dieses Radikal kann sich mit einem weiteren Styrolmolekül verbinden

(Kettenfortpflanzung). Genau wie bei der vorherigen Reaktion spaltet sich ein Elek-

tronenpaar der Doppelbindung und bildet zum einen eine neue Bindung zu dem

Kohlenstoffatom mit dem einzelnen Elektron, zum anderen bildet sich wieder ein

Page 14: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

14

Radikal. Das um ein Styrolmolekül verlängerte Radikal kann erneut mit einem

Styrolmolekül reagieren und auf diese Art und Weise kommt es zum Aufbau eines

Polymers aus Styrol, dem Polystyrol.

Die Reaktion wird beendet, wenn alle Monomere verbraucht sind, wenn zwei

Radikale aufeinandertreffen und eine Elektronenpaarbindung ausbilden oder wenn

ein H-Radikal von einem Kettenende auf ein anders übertragen wird (Disproportio-

nierung) (Kettenabbruchreaktionen).

[aus: Prof. Blumes Medienangebot]

Polyaddition: Dieses Verfahren setzt voraus, dass die Monomere in ihrem

Molekül sowohl C=C Doppelbindungen als auch funktionelle Gruppen besitzen. Auf

diese Weise lassen sich die Monomere addieren, ohne dass ein Rest übrig bleibt. Es

entstehen bei bifunktionellen Gruppen lineare, thermoplastische Polymere, bei tri-

funktionellen Gruppen vernetzte, duroplastische Makromoleküle. Die entstandenen

Kunststoffe werden als Polyaddukte bezeichnet.

Mechanismus der Polykondensation am Beispiel Polyurethan:

Bei der Reaktion der Monomere Ethylenglycol und eines Diisocyanats entste-

hen Makromoleküle, die aus den sich abwechselnden Monomeren aufgebaut sind:

Aufgrund des zur Mischung gegebenen Wassers, wird ein Teil der Isocyanate

unter Bildung von Kohlenstoffdioxidgas gespalten, welches den Kunststoff auf-

schäumt, ähnlich wie Backpulver beim Kuchenbacken. Auch Montageschaum, der in

Baumärkten in Spritzflaschen verkauft wird, ist ein Polyurethankunststoff. Der

Aktivator wird automatisch erst direkt beim Öffnen der Spritzdüse zum oberen Teil

der Reaktionsmischung gefügt, damit der Kunststoff direkt entsteht und mit dem bei

der Reaktion entstehenden Treibgas (Kohlenstoffdioxid) aus der Düse tritt.

[aus: Prof. Blumes Medienangebot]

Page 15: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

15

(Hinweis: Diesen Versuch haben wir auf Grund der Toxizität der zu verwendenden Chemikalien nicht mit in unser Versuchsprogramm aufgenommen)

3 Warum Polymere als Thema im SchülerInnenlabor?

Nachdem nun einiges über die Geschichte, das Bauprinzip, die Struktur und

Eigenschaften von Makromolekülen vorgestellt worden ist, soll kurz erläutert werden,

warum uns Polymere als Objekt für das experimentelle Entdecken von „Chemie“ so

geeignet erscheinen. – Einwenden könnte man, dass es sich hier nicht um definierte

einheitliche Verbindungen wie etwa Glucose oder Citronensäure handelt, denen man

eine exakte Formel und physikalische Daten zuschreiben kann. Wir haben es hier

vielmehr fast immer mit komplexen Gemischen von Molekülen zu tun, die sowohl hin-

sichtlich der Gröβe (Molmasse, Kettenlänge), als auch ihrer Struktur (Verzweigungs-

grad, funktionelle Gruppen, Endgruppen) eine gewisse Verteilungsbreite aufweisen.

Diese Heterogenität bedingt, dass z.B. Stärke nicht gleich Stärke ist und kann die

Reproduzierbarkeit von Versuchen beeinträchtigen. – Doch trotzdem! – Bei den Ma-

kromolekülen sind viele der durch die chemische Struktur bedingten Eigenschaften

makroskopisch, also mit bloβem Auge sichtbar oder nachvollziehbar. So etwa die

Viskosität (Zähigkeit, Dickflüssigkeit) oder Elastizität, die Ausbildung von Filmen, Ge-

len oder Fasern, das Verkleistern oder das Verhaken von Stärke, die Trübung von

Gläsern u.a.m. Man kann die Umwandlung von kleinen Bausteinen in ein Riesenmo-

lekül an dem Auftreten von solchen Eigenschaften verfolgen, ebenso den Abbau

durch das Verschwinden polymertypischen Verhaltens. Diese im Gegensatz zu klei-

nen Molekülen direkter erkennbaren und so leichter vorstellbaren Struktur-Eigen-

schaftsbeziehungen ermöglichen es, auf der Ebene der Polymerarchitektur mit Mo-

dellen zu arbeiten.

Dies ist für Kinder ohne Kenntnisse der Natur der chemischen Bindung und

der Bindungsgeometrie, auch für Jugendliche mit noch wenig vertieftem Verständnis

von Reaktionsmechanismen und Spektroskopie eine ideale Voraussetzung, auf dem

Weg von „Groβ“ zu „Klein“, vom sichtbaren und (an)fassbaren Gegenstand/Materie

zur atomaren Ebene hin, einen ersten Schritt zu gehen. Während Atomaufbau,

Ionen- und kovalente Bindung, Bindungswinkel und Stöchiometrie ein relativ hohes

Abstraktionsvermögen fordern, ermöglicht es der umgekehrte Weg gerade Kindern,

mittels Experiment und Beobachtung in das Verständnis der molekularen Welt einzu-

tauchen, ohne gleich den Kontakt zu ihrer Erfahrungswelt zu verlieren. Die makro-

skopischen Materialeigenschaften, etwa die (Über)dehnung eines Gummibandes

lässt sich relativ leicht auf die makromolekulare Ebene übertragen. Struktur-Eigen-

schaftsbeziehungen sind so unmittelbarer erkenn- und nachvollziehbar. Als Modelle

kann man sowohl makroskopische Fäden als auch Kinderspielzeug entlehnen

(s. Abb. 14), mit dem man sowohl verschiedene Verknüpfungsordnungen, etwa die

o.g. AB-AB-AB- oder AA-BB-AA-Polykondensate, als auch Polymerarchitekturen

(linear, verzeigt, 2D- und 3D-vernetzt) demonstrieren kann. Die Kinder können so die

Moleküle, die sie im Reagenzglas synthetisiert haben, nachbauen, so als wären sie

wie Nils Karlson Däumling – „Killevips“ – ganz klein geworden.

Page 16: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

16

de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/784097

Abb. 14 Kinderspielzeug als Modellbau für Makromoleküle und Modell einer Tripelhelix von Kollagen

Ein weiteres Argument für das Thema Polymere/Makromoleküle im Schü-

lerInnenlabor ist ihre enge Verbindung zu Rohstoff- und Energiefragen, Recycling,

Abbaubarkeit, Substituierbarkeit erdölbasierter Materialien durch sogenannte „nach-

wachsende Rohstoffe“, also Biopolymere, usw.

Page 17: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

17

4 Beispiele für Polymere

Im folgenden sollen einige Polymere, die in den Versuchen zu Polymeren eine

Rolle spielen, vorgestellt werden.

4.1 Biopolymere

4.1.1 Stärke

Stärke ist ein Polysaccharid, d.h., es ist aus Zuckerbausteinen aufgebaut, ge-

hört also zu den Kohlenhydraten. Stärke kommt in Pflanzenzellen in Form von Stär-

kekörnern vor, insbesondere in Samenkörnern (Getreide) oder Knollen (z.B. Kartof-

feln). Traubenzuckermoleküle (Glucose), die bei der Entwicklung neuer Pflanzen als

Energiequelle dient, ist in den Polymerketten deponiert. So werden aus vielen klei-

nen Moleülen ein groβes, was noch einen weiteren Effekt hat: Der osmotische Druck

in der Zelle hängt von der Zahl der gelösten Teilchen (Ionen, Moleküle) ab

(sogenannte „kolligative Eigenschaft“). Enthielte die Zelle soviel Zucker, wie sie in

der Stärke stecken, würde sie platzen. Wir machen es übrigens ähnlich, indem wir

Traubenzucker in Form von Glycogen in der Leber speichern. Glycogen ist sehr ähn-

lich gebaut wie ein Bestandteil der Stärke, das Amylopektin. In den Stärkekörnern

findet man nämlich zwei Komponenten, die zu einem kunstvoll geschichteten Korn

arrangiert sind: die Amylose, in der bis zu 6000 Glucosebausteine zu einer langen,

schraubenförmigen Kette (Helix) verknüpft sind, und das Amylopektin, das zusätzlich

noch verzweigt ist wie ein Weihnachtsbaum und aus 60.000 bis 600.000 Glucose-

einheiten besteht (Abb. 15).

Abb. 15 Aufbau des Stärkekorns und Struktur der Komponenten Amylose und Amylospektin

Da in die schraubenförmigen Ketten der Amylose gut kettenförmige Polyiod-

Iodid-Ionen eingelagert werden können und dieser Komplex eine tief blau-violette

Farbe zeigt, kann Stärke mit Iod-Kaliumiodid-Lsg. (Lugollsche Lsg.) nachgewiesen

werden (Abb. 16).

O

HO

O

OH

O

O

OH

O

HO

O

O

O

OH

OH

O

O

OH

OH

HO

O

O

HO

OH

OH

O

O

OH

OH

HO

O

H

amorpher Wachstumsring

H

H

H

O

HO

O

O

OH

O

OH

HO

O

O

O

O

HO

OH

O

Amylose

kristallinerWachstumsring

Amylopektin

kristallineLamelle

amorpheDomäne

H

O

HO

O

OH

O

O

OH

O

HO

O

O

O

OH

OH

O

O

OH

OH

HO

O

O

HO

OH

OH

O

O

OH

OH

HO

O

H

amorpher Wachstumsring

H

H

H

O

HO

O

O

OH

O

OH

HO

O

O

O

O

HO

OH

O

Amylose

kristallinerWachstumsring

Amylopektin

kristallineLamelle

amorpheDomäne

H

Page 18: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

18

Abb. 16 Nachweis von Stärke durch Iod-Stärke-Reaktion: Die Einlagerung von Polyiod-Iodid-Molekülen in die helixartig gebaute Amylose verursacht eine intensive blau-violette Färbung

Verwendung findet Stärke v.a. wegen ihrer dickenden Wirkung (Suppen,

Soßen) und der Ausbildung fester Gele (Pudding). Stärke kann auch zum Kleben

verwendet werden (Stärkekleister). Folgeprodukte von Stärke werden z.B. in großen

Mengen in der Papierherstellung verwendet. Weiterhin werden sie zu Stärkechips

verarbeitet. Diese bestehen aus chemisch oder physikalisch modifizierter Stärke,

Spezialstärken oder stärkehaltigen Rohstoffen wie Mehl oder Maisgrieß. Die Herstel-

lung erfolgt in einem Extruder. Im Extruder sorgen Schnecken für die Durchmischung

und Erwärmung der eingefüllten plastischen Masse. Während der Verarbeitung wird

der Stärke nicht nur Wasser und Treibmittel (Backpulver) beigemengt, sondern auch

Mittel, die die Chips wasserabweisend machen (z.B. Öl, Polyvinylalkohol), Flexibili-

sierungsmittel (z.B. Polycaprolacton) und Fließhilfsmittel. Die Masse tritt über Düsen-

platten mit runden, profilierten oder schlitzartigen Öffnungen als Schaum aus. Dieser

Schaum lässt sich zu den Chips formen. Der wesentliche Vorteil der Stärkechips

gegenüber denen aus Polystyrol liegt in ihrer Kompostierbarkeit.

Stärke kommt in Versuchen zum Aufbau von Polymeren in seinem Bausteine

zum Einsatz (mittels im Speichel enthaltener Enzyme), beim „magischen Brei“ kann

man das „Verkanten“/gegenseitige Blockieren der kantigen Maisstärkekörner bei zu

schneller Belastung und Herauspressens des Gleitmittels Wasser zwischen den

Kontaktflächen der Stärkekörner spüren, und die Verkleisterung von Stärke(körnern)

beim Erhitzen mit Wasser macht deutlich, was den Pudding steif macht.

4.1.2 Hydroxypropylmethylcellulose – ein Cellulosederivat

Cellulose, die Ausgangssubstanz für Cellulosederivate wie Hydroxypropyl-

cellulose, ist wie die Stärke aus 1,4-verknüpften Glucosebausteinen aufgebaut. Den-

noch hat sie völlig andere Eigenschaften. Dies liegt an der räumlichen Orientierung

der Bindung zwischen den Zuckern, die in Amylose zu einer spiraligen (helicalen), in

Cellulose aber zu einer gestreckten linearen Kette führt. Diese Struktur ist ideal für

das Zusammenlagern der Ketten zu Fibrillen und Fasern, zwischen denen Wechsel-

wirkungskräfte ungestört zur Geltung kommen können (kooperatives Wasserstoff-

brückenbindungs-Netzwerk), was letztlich zu der bekannten mechanischen Festigkeit

Page 19: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

19

führt, wie wir sie besonders von Holz kennen. Cellulose („Zellstoff“) wird v.a. aus

Baumwolle und Holz gewonnen (Abb. 17).

Abb. 17 Struktur von Cellulose, einem -1,4-Glucan, und ihre hierarchische Strukturbildung in Holz

Nun sind es gerade diese Festigkeit, ihre Unlöslichkeit in allen gängigen

Lösungsmitteln sowie ihr universelles Vorkommen, die Chemiker früh dazu veran-

lasst haben, Cellulose chemisch zu verändern. Da diese an den OH-Gruppen des

Polyalkohols Cellulose ansetzt, entstehen typische Alkoholderivate: Ether und Ester

(organische wie Acetat und anorganische wie Nitrat, s.o.). Hier soll ein Mischether,

Hydroxypropyl-methyl-cellulose, vorgestellt werden (R = CH3):

In Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) sind ein groβer Teil der OH-Grupen

mit Methylresten und mit 2-Hydroxypropylresten verethert. Sie findet in Lebensmitteln

Verwendung als Verdickungsmittel (E 464), in pharmazeutischen Präparaten als

Feuchthaltemittel, Verdickungsmittel, Emulsionsstabilisator und Filmbildner (z.B. in

Depot-/Retardprodukten). Die Kosmetikindustrie nutzt ihre verdickenden und stabili-

sierenden Eigenschaften sowie ihre Hautverträglichkeit in Emulsionen, Zahnpasten,

Shampoos, Seifen, Crémes und Lotions. In Tabakwaren wird HPMC als Bindemittel

und Filmbildner bei der Verarbeitung von Tabakblättern und -flocken sowie als Kleb-

stoff für Zigarettenpapier verwendet. Besonders groβe Bedeutung haben diese Cellu-

loseether im Baustoffbereich, z.B. für Zement, Fliesenkleber und Füllmassen

(Abb. 18).

O

HO

OH

OHO

HO

OH

O

OH

O

HO

OH

O

OH

O

HO

OH

OH

O

OOHO

OH

OH

O

O

OCH3

O

OCH3

HOO

O

HO

OH

O OHO

OCH3

O

OOCH3

R

OH

O

HO

OH

OH

Page 20: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

20

Abb. 18 Anwendung von Celluloseethern im Baubereich (Quelle: Dow Wolff Cellulosics, dwc.com)

Im Labor wird die Kinetik der Ascorbinsäurefreisetzung aus mit HPMC

beschichteten Retard-Produkte untersucht.

4.1.3 Alginat

Auch Alginat gehört zu den Polysacchariden. Im Gegensatz zur aus Neutral-

zuckern aufgebauten Stärke besteht es aus Zuckersäuren, den sogenannten Uron-

säuren und kann daher Salze bilden. Alginate sind folglich die Salze der Alginsäure

(Algin), die von Braunalgen (z.B. Macrocystis pyrifera, Pazifik) und von einigen Bak-

terien (z. B. Acotobacter) gebildet wird. So wie Cellulose für die mechanische Festig-

keit von Pflanzenzellen sorgt, stellt das Alginat das strukturgebende Element der

Algenzellwände dar. Es wird aus den Braunalgen extrahiert und findet für Lebens-

mittel, Kosmetika sowie Pharmaka Verwendung (Abb. 19).

Braunalgen Natriumalginat (E401) Alginat als Abformmasse

Abb. 19 Alginat (E400: Alginsäure, E402-404: Kalium, Ammonium- und Calciumsalz)

Außenbereich: (1) Mörtel, Zementputze (2) WDVS-Kleber (3) Baukleber Innenbereich: (4) Zementestrich Ausgleichsmasse (5) Tapetenkleister (6) Gipsmaschinenputz (7-10) Zement-Fliesenkleber (11) Gipsfugenfüller (12) Fugenfüller

Page 21: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

21

In der Lebensmittelindustrie werden Alginate als Emulgator, Gelier-, Über-

zugs- oder Verdickungsmittel eingesetzt. In der EU sind Alginsäure sowie deren

Natrium-, Kalium-, Ammonium, und Calciumsalze als Lebensmittelzusatzstoff mit den

Nummer E 400–405 für alle Produkte, in denen Zusatzstoffe erlaubt sind – als

Biopolymere auch für „Bio-Produkte“ – zugelassen. Alginate werden vom Körper

nicht verstoffwechselt, liefern daher keine Energie und gelten als unbedenklich. Sie

finden sich vielfach in Diät- und Lightprodukten, Backwaren, Tiefkühlprodukten,

Mayonnaisen, Salatsaucen, Speiseeis, in Fleisch- und Gemüsekonserven sowie

Suppen. Alginate finden auch Verwendung in der sogenannten molekularen Küche,

wo sie z.B. zur Herstellung von Kaviarersatz benutzt werden. Prominent sind/waren

sie in „Bubble-Teas“. Außerdem werden sie in Kosmetikprodukten, beim Abformen

von Zahnreihen und von Künstlern im Bereich der Körperabformungen eingesetzt.

OHO

HO

OHHOOC

OH

O

HO

OH

HO

OH

HOOC

β-D-Mannuronsäure (ManA); M α-L-Guluronsäure (GulA), G

Wie schon erwähnt, besteht Alginat aus Zucker- oder Uronsäuren. In der

Biosynthese wird zuerst eine lange Kette aus -1,4-verknüpften D-Mannuronsäuren

(ManA, M) aufgebaut, die mit ihrer linearen gestreckten Struktur der Cellulose stark

ähnelt. Dann „klappt“ ein Enzym an manchen dieser Bausteine die Carboxylgruppe

(COOH) am Zuckerring in die entgegengesetzte Richtung um. Infolge dieser nach-

träglichen Modifizierung entstehen α-L-Guluronsäure-Bausteine (GulA, G). Passiert

dies an einer Reihe benachbarter Uronsäuren, entstehen zick-zack-förmige Ketten

und damit eine Art Faltstruktur, die bei der Gelierung eine wesentliche Rolle spielt.

Polymannuronat-Sequenz (MM)

Polyguluronat-Sequenz (GG)

Zur Gelierung kommt es durch Einlagerung von Calciumionen in die Zickzack-

Strukturen der GG-Blöcke, wodurch zwei Polymermoleküle miteinander vernetzt wer-

den. Es kommt hierdurch zur Ausbildung dreidimensionaler Strukturen. Da das

Calcium in dieser Struktur wie ein Ei in der Schachtel liegt wird dieses Modell auch

als „Eierschachtel-Modell“ oder „Eggbox-model“ bezeichnet, das in Abb. 20 sehr

Page 22: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

22

vereinfacht dargestellt ist (es gibt z.b. auch Bündel von Ketten, die zu steiferen

Elemente assoziieren; auch GM-Blöcke sind an der Gelbildung beteiligt).

Abb. 20 Eierkartonmodell für die Calciumionen-vermittelte Gelierung von Alginat

In den SchülerInnen-Experimenten wird die Abhängigkeit dieses Effekts von

verschiedenen Faktoren wie der Calciumkonzentration untersucht und dabei Alginat-

spagettis und andere Gebilde produziert.

4.2 Kunststoffe

4.2.1 Polycarbonat

Polycarbonate sind Kunststoffe aus der Familie der Polyester, genauer poly-

mere Ester der Kohlensäure mit Diolen (zweiwertigen Alkoholen). Die Herstellung

kann durch Polykondensation von Phosgen (dem Dichlorid der Kohlensäure, COCl2)

mit Diolen (s. Abb. 21) oder durch Umesterung von Kohlensäurediestern statt des

hochgefährlichen Phosgens erfolgen. Die Base (NaOH) dient der Deprotonierung

des Alkohols, um das nucleophilere Alkoholatanion zu erhalten.

Abb. 21 Polykondensation von Bisphenol A (Diolkomponente) und Phosgen (aktivierte Kohlensäure)

zu Polycarbonat

O O O O O

O O O O O

O O O

Ca2+ -ions

O O O O O

O O O O O

O O O

Ca2+ -ions

Page 23: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

23

Polycarbonate (z.B. Makrolon®) sind transparent und farblos. Sie können je-

doch in beliebigen Farbtönen eingefärbt werden. Polycarbonat ist ein relativ teurer

Kunststoff. Es wird daher fast nur dort eingesetzt, wo andere Kunststoffe zu weich,

zu zerbrechlich, zu kratzempfindlich, zu wenig formstabil oder nicht klar genug sind,

beispielsweise für CDs und DVDs, hochwertige Elektro- und Apparateteile, Brillen-

gläser, Schutzhelme und Visiere. Polycarbonat wird außerdem zur Herstellung von

langlebigen Ausweisdokumenten wie Identitätskarten (ID) und Datenseiten in Pass-

büchern (sog. Datapages) verwendet.

In einem Versuch des Polymerprojektes lösen die Kinder das Polycarbonat

aus CDs ab und recyclen den Kunststoff durch thermoplastische Verformung zu

neuen Produkten.

4.2.2 Polyethylenterephthalat (PET)

Polyethylenterephthalat (PET) ist ein durch Polykondensation von 1,2-Ethan-

diol (Ethylenglykol) und Benzol-1,4-dicarbonsäure (Terephthalsäure) hergestellter

thermoplastischer Kunststoff aus der Familie der Polyestern (Typ II: A-A→B-B→):

Abb. 22 Synthese von Polyethylenterephthalat (PET) aus Terephtahlsäuredichlorid und 1,2-Ethandiol

Die Synthese kann mit Hilfe der als Dichlorid aktivierten Säure und dem Diol

erfolgen (s. Abb. 22). Üblicher ist jedoch die Umesterung des entsprechenden

Dimethylesters der Terephthalsäure. Man erhält eine zähflüssige Schmelze, die in

dünne Stangen gepresst (extrudiert), abgekühlt und zu Granulat geschnitten wird.

Dieses wird dann weiter verarbeitet.

PET ist linear und unvernetzt gebaut. Zwischen den Ketten können sich infol-

ge Dipol-Dipol- (C=O) und -Wechselwirungen (Aromat) starke zwischenmolekula-

re Kräfte ausbilden, die wie bei einem Klettverschluss kooperativ wirken, so dass der

Effekt der vielen schwachen Wechselwirkungen stärker ist als die Summer der Ein-

zelkräfte ( Abb. 23).

Dies ist eine der Voraussetzungen für die Verwendung als Textilfaser, die

auch ein Produkt des Recyclings von PET-Flaschen ist. Weiterhin ergibt sich daraus

eine hohe Bruchfestigkeit und Formbeständigkeit bei einer Temperatur über 80 °C.

Der Schmelzpunkt liegt zwischen 235 und 260 °C (abhängig vom Kristallisationsgrad,

d.h. der Ordnung der Ketten, und von der Zahl der Monomere, also der Kettenlänge).

Die Dichte des kristallinen PET ist mit 1,455 g/cm3 deutlich höher als die des amor-

phen (1.335 g/cm3), in dem die Ketten ungeordneter und daher weniger dicht liegen.

Page 24: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

24

Abb. 23 Kooperative schwache Kräfte, das Verhaken einzelner Schlaufen, halten den Klettverschluss

zusammen (www.allesplanen.de/html/klettverschlusse.html)

Die Produktion von PET liegt weltweit bei 40 Millionen Tonnen im Jahr. Es hat

vielfältige Einsatzbereiche, so z.B. zur Herstellung von Kunststoffflaschen (PET-

Flasche, Abb. 24), Folien und Textilfasern, wofür es einige nützliche Eigenschaften

mitbringt. - Es ist knitterfrei, reißfest, witterungsbeständig und nimmt nur sehr wenig

Wasser auf. Letzteres prädestiniert PET als Stoff für Sportkleidung, die schnell

trocknen muss.

Wegen seiner hohen Lichtdurchlässigkeit wird das farblose Material gern für

Lebensmittelverpackungen und Getränkeflaschen eingesetzt. Metallisiertes PET wird

vor allem für Rettungsdecken verwendet, hierfür wird eine dünne Aluminiumschicht

auf eine dünne PET-Folie gedampft.

www.varioform.at

Formlinge aus PET für die Produktion von Getränkeflaschen

www.chemapedia.de Abb. 24 Anwendungsbeispiele für PET

Auch PET wird für Recycling-Experimente eingesetzt. Dabei werden Rettungs-

decken auf ihre Bestandteile untersucht und PET-Flaschen thermisch verformt.

4.2.3 Polystyrol (PS)

Polystyrol ist ein weit verbreiteter, thermoplastischer Kunststoff. Hergestellt

wird es durch radikalische Polymerisation von Styrol (Vinylbenzol), das aus Erdöl ge-

wonnen wird. Die radikalische Polymerisation läuft auch spontan beim Stehen ab,

wobei die Zähigkeit der Flüssigkeit allmählich zunimmt.

Page 25: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

25

Styrol (Vinylbenzol)

Monomer für die Herstellung von Polystyrol

Styrol-Dämpfe reizen Augen und Atemwege, es wird als mutagen (erbgutver-

ändernd) eingestuft. Bei der technischen Polymerisation fällt das Polystyrol jedoch in

so großer Reinheit an, dass es sogar für Lebensmittelverpackungen verwendet wer-

den kann. Ansonsten wird es z.B. für Kleiderbügel, Wäscheklammern und CD-Hüllen

verwendet. Reines PS ist hart, farblos und spröde, beständig gegen verdünnte Säu-

ren, Laugen und Alkohol. Angegriffen wird es z.B. von Essigsäureethylester oder

Aceton, in denen man es ganz oder teilweise lösen kann, was man im SchülerInnen-

labor zur Umformung in transparente Folien nutzen kann.

Sogenanntes geschäumtes Styropor weist eine geringe Dichte auf (s. Abb 25)

und wird z.B. im Baubereich als hervorragender Wärmedämmstoff genutzt (

Experimente zur Wärmedämmung). Als Verpackungsmaterial oder in Sturzhelmen

soll es zum Schutz gegen Krafteinwirkungen dienen. Zu seiner Herstellung (z.B.

Styropor® von BASF) werden PS-Perlen, in denen das Treibmittel Pentan ein-

gearbeitet ist, durch Wärme aufgeschäumt (Expansion des Pentan, Sdp. 36 °C).

Druck und Wärme bewirken, dass die in einer Form befindlichen Perlen miteinander

verschweißen. Die Volumenvergrößerung kann hierbei mehr als das fünfzigfache

betragen. Dieser Versuch kann auch im Schülerlabor durchgeführt werden.

Abb. 25 Geschäumtes Polystyrol (Styropor®), rechts bei 200facher Vergröβerung; die Dichte ist von 1,04-1,09 g/cm

3 auf 0,02 (Verpackungsmaterial) bis 0,09 (Skihelm) herabgesetzt. (Quelle:

wikipedia.de)

4.2.3 Polyacrylat (PA)

Polyacrylat ist das Salz der Polyacrylsäure und ist wie Alginat und DNA ein

Polyelektrolyt, d.h. ein Polymer mit sehr vielen geladenen Gruppen. Es wird wie

zahlreiche Derivate durch radikalische Polymerisation aus Acrylsäure bzw. Acrylaten

oder Acrylamiden gewonnen und kann zusätzlich quervernetzt sein (Abb. 26).

Page 26: Download (2 MB, pdf)

Polymere Einleitung

26

Polyacrylat, R= H, Na+, Alkyl

Abb. 26 Polyacrylat (PA) und vernetztes Polyacrylat-Na www.daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/kun...

Acrylate finden in Farben und Lacken (Acryllacken), Kosmetika, Hygiene-

produkten und in vielfältigen Anwendungen in Landwirtschaft, Treibstofftrockung, Öl-

förderung, wo ihre starke Wasserbindungsf’ähigkeit genutzt wird. Dieser Effekt und

die Salzempfindlichkeit von Polyelektrolyten sind Gegenstand eines Versuches im

Labor (Abb. 27).

Maskierung der negativen Ladungen durch Salzionen führt zur Schrumpfung und Entquellung des Polymernetzwerkes (links)

Abb. 27 Salzempfindlichkeit von Polyacrylaten

5 Anhang

Einfluss der Kristallinität auf die Dichte

Polymer Kurzz. r(kristallin) r(amorph) in g/cm3

Polyethylen PE 1,000 0,852 0,148

Polypropylen PP 0,937 0,854 0,083

Polystyrol PS 1,111 1,054 0,057

Polyvinylalkohol PVOH 1,345 1,269 0,076

Polyethylenterephthalat PET 1,455 1,335 0,120

Bisphenol-A-Polycarbonat PC 1,300 1,200 0,100

Polyamid 66 PA66 1,220 1,069 0,151

trans-1.4-Polybutadien BR 1,020 0,926 0,094

chemie.fb2.fh-frankfurt.de/KKC-Vorlesung/23St...(Prof. Häberlein)