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2017 Bernd Baumgarten h_da – Hochschule Darmstadt FB Informatik Winter 2017/18 Logik (nicht nur) für Informatiker Dr. Bernd Baumgarten [email protected] http://bernd-baumgarten.de/ Folien, Skript, PVL, Aufgaben, Lösungen Zur Lernmethodik: : Schubladen-Bild, Kaffee-Lemma, Sportschau-Gleichnis Arbeitsmoral-Mantra: ISBN 978-3936973204 Aufschieb-Problem: Später ist meist noch weniger Zeit.

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2017 Bernd Baumgarten

h_da – Hochschule Darmstadt FB Informatik Winter 2017/18

Logik (nicht nur) für Informatiker

Dr. Bernd Baumgarten

[email protected] http://bernd-baumgarten.de/ � Folien, Skript, PVL, Aufgaben, Lösungen

Zur Lernmethodik:

: Schubladen-Bild, Kaffee-Lemma, Sportschau-Gleichnis Arbeitsmoral-Mantra: ISBN 978-3936973204 Aufschieb-Problem: Später ist meist noch weniger Zeit.

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Mathematische Werkzeuge 2

2017 Bernd Baumgarten

Was ist und was nützt Logik?

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Mathematische Werkzeuge 3

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Was ist und was nützt Logik? Logik ist die Wissenschaft von den

• Regeln, • Methoden und • Grenzen

des Schlussfolgerns. Anwendung: beim ...

• Argumentieren, • Folgern, • Beweisen, • Widerlegen,

• Berechnen, • Entwerfen, • Prüfen.

Anwendungsweisen:

• produktiv oder • nachprüfend

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Mathematische Werkzeuge 4

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Übersicht über die Vorlesung

Themen • Mathematische Werkzeuge • Aussagenlogik (AL) • andere Logiken (hier nur auf AL-Basis),

teilweise selbstständig zu erarbeiten • Prädikatenlogik (PL)

Aspekte • Grundlagen, • Algorithmen, • Anwendungen.

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Mathematische Werkzeuge 5

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Mathematische Werkzeuge

• Mengen, Relationen, Funktionen

• Induktion und Rekursion

• Sprachen und Grammatiken

• Graphen und Bäume

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Mathematische Werkzeuge 6

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Metasprachliche Symbole

(Objekt-)Sprache: Hallo, wie geht’s? AA ¬→ Metasprache: „Hallo“ hat 6 Buchstaben. AA ¬→ ist immer falsch

Die Vermischung von Meta- und Objektsprache ist – zusammen mit zyklischen Definitionen – die Hauptquelle von Paradoxien (z.B. „Neunzehn Buchstaben sind zwanzig Buchstaben.“ – „Dieser Satz ist gelogen.“)

⇔ genau dann, wenn Die Sonne geht unter. ⇔ Die Nacht beginnt.

⇒ wenn, dann / daraus folgt Die Erde ist eine Scheibe. ⇒ Ich fresse einen Besen.

⇔: ist dadurch definiert, dass / definitionsgemäß genau dann, wenn Die Spielerin hat ihr Skatspiel gewonnen.

:⇔ Sie hat mehr als 60 Punkte in ihren Stichen erzielt.

=: ist definiert als max(a,b) =: wenn a > b dann a, sonst b.

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Mathematische Werkzeuge 7

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Mengen (1)

Eine Menge ist eine „Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die ‚Elemente‘ von M genannt werden) zu einem Ganzen.“

Georg Cantor 1895 Aa ∈ ⇔: a ist Element von A

Aa ∉ ⇔: a ist kein Element von A

},,{ cba =: Menge mit den Elementen a, b und c (= },,{ bac = },,,{ cbaa )

}{ , ∅ =: leere Menge

{ }...,,, 321 aaa =: Menge mit den Elementen 1a , 2a und 3a „usw.“

{ }zcba ,...,,, =: Menge mit den Elementen a, b und c „usw. bis“ z

{ })(| xPx =: Menge aller Objekte mit der Eigenschaft P

(Existenz durch Komprehensionsaxiom garantiert)

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Mathematische Werkzeuge 8

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Mengen (2) Wichtige Mengen:

NI natürliche Zahlen ohne 0 = ...},3,2,1{

0NI natürliche Zahlen mit 0 = ...},2,1,0{ Achtung: Manche Autoren (z.B. DIN 5473) verwenden NI = ...},2,1,0{ !

RI reelle Zahlen ZZ ganze Zahlen IQ rationale Zahlen

⇔= BA Für alle x gilt: BxAx ∈⇔∈ . Extensionalitätsaxiom ⇒ Es gibt nur eine leere Menge.

⇔⊆ :BA Für alle Ax ∈ gilt Bx ∈ . Teilmenge

{ }AMMA ⊆= |:)(P (auch A2 ) Potenzmenge

=∩ :BA { }BxAxx ∈∈ und| Durchschnittsmenge

=∪ :BA { }BxAxx ∈∈ oder| Vereinigungsmenge

A \ B { }BxAxx ∉∈= und|: Mengendifferenz

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Mathematische Werkzeuge 9

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Mengen (3)

nAA ×× ...1 bzw. ∏ =ni iA1 :=

{ }niAaaa iin ,...,1für|)...,,( 1 =∈ (kartesisches) Produkt

U mit: Für alle x gilt Ux ∈ . Allmenge

A := U \ A Komplement

Die Naive Mengenlehre ist widersprüchlich (s.u.) – aber ganz brauchbar. Komprehensionsaxiom auf P(x) xx ∉⇔: anwenden:

Sei N := { })(| xPx . Dann ist NNNPNN ∉⇔⇔∈ )( . (Bertrand Russell 1903)

Trotzdem: „Aus dem Paradies, das uns Cantor geschaffen,

soll uns niemand vertreiben können.“ David Hilbert 1926 Und wie? Axiomatische Mengenlehre (zumindest theoretisch)

Def. N Def. P

Ü1

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Mathematische Werkzeuge 10

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Relationen (1) nAAR ××⊆ ...1 (n-stellige) Relation R zwischen Mengen nAA ,...,1 , 0NIn ∈

)...,,( 1 naaR ⇔: (Schreibweise für …) Raa n ∈)...,,( 1

aRb ⇔: (Schreibweise für …) R(a,b)

Ein AAR ×⊆ , also eine zweistellige Relation R auf einer Menge A ist …

symmetrisch ⇔: für alle Aba ∈, gilt: aRb ⇒ bRa; antisymmetrisch ⇔: für alle Aba ∈, gilt: aRb und bRa ⇒ a=b; transitiv ⇔: für alle Acba ∈,, gilt: (aRb und bRc) ⇒ aRc; reflexiv ⇔: für alle Aa ∈ gilt: aRa.

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Mathematische Werkzeuge 11

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Relationen (2)

Eine zweistellige Relation R auf einer Menge ist …

Äquivalenzrelation ⇔: R symmetrisch, transitiv und reflexiv (entspricht Partition)

Halbordnung ⇔: R antisymmetrisch, transitiv und reflexiv Sei 21 AAR ×⊆ zweistellige Relation ...

R linkstotal ⇔: für jedes 1Aa ∈ existiert ein 2Ab ∈ mit aRb

R rechtseindeutig ⇔: für alle 1Aa ∈ , 221, Abb ∈ gilt:

aR 1b und aR 2b ⇒ 21 bb =

Äquivalenzklassen

A1 A2

A1 A2

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Mathematische Werkzeuge 12

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Funktionen (1)

f (totale) Funktion oder Abbildung von A in B, kurz

BAf →: ⇔: BAf ×⊆ , f linkstotal und rechtseindeutig AB =: Menge aller Abbildungen von A in B

(Eine partielle Funktion / Abbildung ist ... nicht unbedingt linkstotal.)

Totale Funktionen sind spezielle partielle Funktionen!

|{:Def Aaf ∈= es ex. }),(: fbaBb ∈∈ Definitionsbereich partielles BAf →:

BAf →: total ⇒ Af =Def . )

AMMf ⊆],[ =: }|)({ Mxxf ∈ = |{ Bb ∈ es ex. }),(: fbaAa ∈∈ Bildmenge

Funktionsbeschreibung (total), Beispiel: →

20:

xx

NIf

a

ZZ

Ü2

Ü3

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Mathematische Werkzeuge 13

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Funktionen (2)

Für BAf →: , CBg →: ist ...

CAfg →:o =: die Abbildung mit ))((:)( afgafg =o , die

Hintereinanderausführung von f und g

f injektiv ⇔: f linkseindeutig, für alle Aba ∈, gilt: babfaf =⇒= )()( ,

f surjektiv ⇔:

f rechtstotal, bzw. BAf =][ , für alle Bb ∈ existiert ein Aa ∈ mit baf =)(

f bijektiv ⇔: f sowohl injektiv als auch surjektiv

xx

AAidA

a

: identische Abbildung

ABf →− :1 =: Umkehrabbildung zu bijektivem BAf →:

bf(a)abf =⇔=− :)(1 , und ⇒ BA idffidff == −− 11 , oo

Ü4

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Mathematische Werkzeuge 14

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Sprachen Alphabet: { }naaA ,,1 K= , auch unendlich möglich (z.B. zweistufige Sprachen)

Zeichen: Aai ∈ (auch „Symbol“)

Wort: { }AzkiNIkzzAAw ik ∈≤≤∀∈=∈ ∗∗ :1,),,(, 01 K , meist ohne Komma und Klammern geschrieben als kzz K1

Sprache (über A): eine Menge von Wörtern, ∗⊆ AL

leeres Wort: ε (=( kzz ,,1 K ) mit k = 0) ■

Verkettung: vu o := „uv“ (hintereinandergeschrieben)

Wiederholung: ka := a … a (k-mal)■

Kleene-Stern: * “null-■, ein- oder mehrmals”

Spezialfälle L Sprache L* := } 1, { 01 Ln: wi IN| nww in ∈≤≤∀∈… ■

w Wort w* := {w}*

a Zeichen a* := {a}* ( = }...,1,0|{ =kak )■ ■) 01 zz K = 0a = ww 01… = ε (weil kein iz bzw. a bzw. iw darin steht)

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Mathematische Werkzeuge 15

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Induktion (1)

Induktion dient ...

• zur Definition • zum Beweis von Eigenschaften P

aller Elemente

Definitionsbeispiel:

Neandertaler-Zahlen NZ

1. | ist eine NZ.

2. Ist n eine NZ, dann auch n | (Nachfolger von n, "1"),( +nnsucc ).

3. Jede NZ entsteht durch endlich häufige Anwendung der Regeln (1) und (2).

gewisser, meist unendlicher, Mengen

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Mathematische Werkzeuge 16

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Induktion (2)

Neandertaler-Zahlen NZ ...

Heutige Schreibweise | = 1, || = 2, ..., |||||||||| = 10, usw.

� natürliche Zahlen, NI Ferner: kein Strich = 0; 1 ist Nachfolger von 0; 0NI Wozu braucht man Regel (3)?

• Auch { |, O }* erfüllt die Regeln (1)+(2) ! Wir wollen aber nur nach Regeln (1) und (2) Gebildetes zulassen!

• Unendlichfache Anwendung der Regel (2) � |||... (unendliche Folge)? Wir wollen aber nur endlich häufige Anwendung!

Regel (3) gehört stillschweigend zu „induktiv“.

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Mathematische Werkzeuge 17

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Induktive Mengendefinition

Induktive Definition bestimmter Teilmengen einer (Grund-)Menge U

Seien UM ⊆0 Basis- bzw. Ausgangsmenge,

UUf kmk →: (k = 1,2, ..., evtl. partiell) Induktionsschritte.

Dann existiert eine kleinste Teilmenge M von U mit den Eigenschaften

1. MM ⊆0

2. MMf kmk ⊆][

Beispiele

Arithmetische Terme, Minibeispiel: (1) a,b sind (ab+ ⋅)-Terme. (2) x,y (ab+ ⋅)-Terme ⇒ (x+y) und (x⋅y) (ab+ ⋅)-Terme – z.B. ((a+(b+a))⋅b)

Neandertalerzahlen als Strichlisten: (1) | ist natürliche Zahl (2) n natürliche Zahl ⇒ n| ist natürliche Zahl

– Was sind hier jeweils die U, 0M , kf ? –

Durchschnitt aller ..., Vereinigung aller …

Ü5

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Mathematische Werkzeuge 18

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Induktiver Beweis

Induktionsprinzip (für induktive Beweise) auf induktiv definiertem M: Gilt Eigenschaft P

(1) „auf 0M “ (d.h. für alle Elemente von 0M ) und

(2) wenn auf }...,,{ 1 kmxx , dann auch für )...,,( 1 kmk xxf (sofern def.),

so gilt P auf ganz M. … weil jedes Element

• entweder „von vornherein“ die Eigenschaft P hat (da es aus 0M ist)

• oder von seinen „Bausteinen“ aus der vorigen „Generation“ bei seiner Entstehung die Eigenschaft P „erbt“.

Ü6ad

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Mathematische Werkzeuge 19

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Rekursive Definition von Funktionen – Idee

... auf induktiv definiertem M:

Man baut quasi das Bild parallel mit den Aufbauschritten des Urbilds auf.

f2

G1

G2

F V M

f1

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Mathematische Werkzeuge 20

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Rekursive Definition von Funktionen (1)

... auf induktiv definiertem M:

Seien • ein Wertebereich V und

• für jede Erweiterungsregel k ein VVG kmk →:

gegeben.

Dann definiert man durch

• VxF ∈)( für alle 0Mx ∈ festlegen. – Basisfälle

• ))(...,),((:))...,,(( 11 kk mkmk xFxFGxxfF = – Rekursion

(rekursiv) eine Abbildung VMF →: , Geht das immer gut?

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Mathematische Werkzeuge 21

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Rekursive Definition von Funktionen (2)

... auf induktiv definiertem M:

Seien • ein Wertebereich V und

• für jede Erweiterungsregel k ein VVG kmk →:

gegeben.

Dann definiert man durch

• VxF ∈)( für alle 0Mx ∈ festlegen. – Basisfälle

• ))(...,),((:))...,,(( 11 kk mkmk xFxFGxxfF = – Rekursion

(rekursiv) eine Abbildung VMF →: , Aber das geht nur dann sicher gut, wenn ...

• jedes Element von M eine „eindeutige Entstehungsgeschichte“ hat, • oder ein Beweis der Wohldefiniertheit gelingt.

interferenzfrei, ambivalenzfrei,

eindeutig parsebar

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Mathematische Werkzeuge 22

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Entstehungsgeschichten Eindeutige Entstehungsgeschichte – Beispiel ☺

Neandertaler-Zahlen NZ

(A) | ist NZ. (B) n ist NZ ⇒ n| ist NZ-Z.

Eindeutige Entstehungsgeschichte – Gegenbeispiel �

Australopithecus-Zahlen:

(A) | ist APZ. (B) n APZ ⇒ n| APZ. (C) n APZ ⇒ |n APZ.

|| hat 2 Entstehungsgeschichten:

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Mathematische Werkzeuge 23

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Entstehungsgeschichten sind Bäume

z.B. (ab+ ⋅)-Terme, gebildet aus

• 2 Basisfällen: ‚a’ und ‚b’

• 2 Erweiterungsregeln: ‚+’-Regel und ‚•’-Regel

Beispiel:

b a b a

+ •

a b

oder kurz:

( (a + b) • (b • a) )

(a + b)

(b • a)

+ •

b a

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Mathematische Werkzeuge 24

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Rekursive Definition von Funktionen (3)

Wie kann rekursive Abbildungsdefinition bei Australopithecus-Zahlen schiefgehen?

Gegenbeispiel zur Wohldefiniertheit: Links(|) := 0; Links(n|) := Links(n); Links(|n) := Links(n)+1; nicht wohldefiniert, d.h. führt zu widersprüchlichen Zuweisungen:

0 = Links(||) = 1 ?? keine eindeutige Entstehungsgeschichte … … aber wohldefiniert auf Australopithecus-Zahlen

LorR(|) := 0; LorR(n|) := LorR(n) +1; LorR(|n) := LorR(n)+1;

Übung: Beweis der Wohldefiniertheit

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Mathematische Werkzeuge 25

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Rekursive Definition von Eigenschaften Eigenschaft = Spezialfall von Abbildung, nämlich � {W,F} ! Beispiel: Eigenschaft Gerade auf Neandertalerzahlen Gerade(|) := F Gerade(n|) := Wenn Gerade(n)=W, dann F, sonst W = ¬Gerade(n)

Ü6bc

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Grammatiken Eine Grammatik ist ein Quadrupel G = ( N, T, S, R) mit

• einem Alphabet N von Nichtterminalzeichen, • einem Alphabet T von Terminalzeichen, ∅=∩TN , • einen Startzeichen S ∈ N,

• einer endlichen Menge ∗∗ ∪×∪⊆ )()( TNTNR von Regeln. Schreibweisen (v,w) ∈ R: v → w (v,w),(v,w') ∈ R: v → w | w'. G definiert („erzeugt“) eine Sprache von Terminalzeichenwörtern, L(G) := H(G) ∩ T*, wobei die Hilfssprache H(G) ⊆ (N ∪ T)* induktiv gegeben ist durch

• S∈H(G) • r v s ∈ H(G) ∧ v → w ⇒ r w s ∈ H(G).

Ü7

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Graphen (1) Gerichteter Graph =: zweistellige Relation über einer Menge

(i.a. graphisch dargestellt).

entspricht {(a,b), (b,c), (c,a), (b,d), (c,c), (d,b)} über {a,b,c,d,e}.

a, b, ..., e sind Knoten (mit angeben! Sonst e unbekannt.) (a,b), (b,c), usw. sind Kanten.

a

d c

b e

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Mathematische Werkzeuge 28

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Graphen (2)

Ungerichteter Graph 1. Definitionsmöglichkeit: Paar-&Single(!)mengenmenge

2. Definitionsmöglichkeit: symmetrische Relation

über einer Menge (mit angeben! Sonst e unklar.) entspricht { {a,b}, {b,c}, {c,a}, {c}, {b,d} }

bzw. { (a,b), (b,a), (a,c), (c,a), (b,c), (c,b), (b,d), (d,b), (c,c) } .

über {a,b,c,d,e}

a

d c

b e

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Mathematische Werkzeuge 29

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Bäume

Baum zahlreiche Definitionsmöglichkeiten

geordnet / ungeordnet endlich / unendlich viele Knoten endlich verzweigt / nicht als spezielle ungerichtete/gerichtete Graphen, spezielle Halbordnungen usw. *) vgl. Äquiv.-Relation ~ Partition

a ist die Wurzel

b, c, d sind Kinder von a (Grad von a ist 3)

c, d, e, f sind die Blätter

a – b – e ist ein Zweig (Pfad Wurzel–Blatt)

Ast(b)

a

d c b

e f

Kinder haben Reihenfolge?

Ü8

Kinderzahl

unterschiedl. Bäume

untersch. Ansätze*

. Bäume

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Mathematische Werkzeuge 30

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Kőnigs Lemma

Welche dieser 3 Bäume mit unendlich vielen Knoten sind als Gegenbeispiel für welche Hypothese geeignet?

• Pfade sind immer endlich lang. • Jeder Baum mit unendlich vielen Knoten hat einen unendlichen Pfad. • Jeder Baum mit unendlich vielen Knoten hat endliche Pfade „beliebiger Länge.“ • Sind in einem Baum alle Pfade endlich so ex. eine maximale Pfadlänge. • Sind in einem Baum alle Pfade endlich so hat er endlich viele Knoten. • Sind in einem Baum die Grade beschränkt, hat er endlich viel Knoten.

Jeder Baum mit unendlich vielen Beweisidee Knoten allesamt endlichen Grades besitzt einen unendlichen Pfad. Dénes Kőnig (1936) � Gilt auch wenn die Grade unbeschränkt sind!

/\ /|\ /|\

/\ | \

/\ \

Knotenzahl des Astes 5 19 ∞

usw.

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Mathematische Werkzeuge 31

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Anwendungen von Königs Lemma

A. Ein Solitaire-Spiel Voraussetzung: Du bist unsterblich. Material: Du hast einen Kartenvorrat, der zu jeder natürlichen Zahl n beliebig viele Karten enthält, auf denen „n“ steht (bzw. sie sind grenzenlos lieferbar). Spielablauf: 1. Nimm eine Karte „n“ nach Wunsch aus dem Vorrat. 2. Wiederhole, solange möglich:

Lege eine Deiner Karten, „m“, ab und ersetze sie aus dem Vorrat durch beliebig aber endlich viele Karten mit (evtl. unterschiedlichen) „k“, k<m.

Ziel: Spiele unendlich lange (d.h. unendlich oft Spielzug 2)! Geht das? König’s Lemma ⇒ nein!

B. Anwendung in der Logik Kompaktheitssätze (� später)

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Mathematische Werkzeuge 32

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Beschriftete Graphen und Bäume (1) In gewöhnlichen Graphen und Bäumen gibt es jeden Knotennamen nur einmal, der Name identifiziert den Knoten. In knotenbeschrifteten Graphen und Bäumen sieht man nur die Knotenanschriften, die sich auch wiederholen dürfen. Die Namen werden meist ignoriert, so wie hier Mathematisch: + Abbildung Knotenmenge → Anschriftenmenge Anwendung: Syntaxbäume (geordnet) von Termen Beispiel: ((1+(a+1))+b) (vgl. Entstehungsgeschichten bei Induktion)

a

d a

b d

+ b +

+ 1

1 a

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Mathematische Werkzeuge 33

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Beschriftete Graphen und Bäume (2) Es gibt auch kantenbeschriftete sowie gleichzeitig knoten- und kantenbeschriftete Graphen und Bäume. Mathematisch: + Abbildung Kantenmenge → Anschriftenmenge Spezialfall: Automaten (deterministisch/nicht-deterministisch) Mathematisch: kantenbeschrifteter Graph + spezielle Eigenschaft der Kantenbeschriftung (falls determ.) + ausgezeichnete(r) Anfangsknoten + ausgezeichnete Menge akzeptierender Knoten � Theoretische Informatik: Anwendung auf formale Sprachen

a

d a

b d 1

1 2

3

1 3