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Dr. med. vet. Alexandra Nadig Heilpflanzen für Hunde Wirkungsweise, Rezepturen und Anwendung K

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Dr. med. vet. Alexandra Nadig

Heilpflanzen für HundeWirkungsweise, Rezepturen und Anwendung

K

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Mit einem Geleitwort von

Wolf-Dieter Storl 4

Zu diesem Buch 6

Bedeutung & Wirkstoffe 8

Heilpflanzen im Tierreich 10

Heilpflanzen in der Tiermedizin 13

Heilpflanzen und ihre Wirkstoffe 18

Frühling 36

Frühjahrskuren für den Hund 38

Pflanzen selber sammeln & anwenden 44

Die Haut von innen heilen 50

Ektoparasiten 58

Sommer 62

Reiseapotheke für den Hund 64

Haut und Haar 76

Magen und Darm 93

Herbst 120

Harnwegserkrankungen 122

Immunsystem 128

Atmungstrakt 132

Pflanzliche Antibiotika 136

Winter 140

Mit Heilpflanzen fit durch den Winter 142

Bewegungsapparat 150

Herz 158

Graue Schnauzen 161

Service 165

Rezepte auf einen Blick 166

Nützliche Adressen 167

Zum Weiterlesen 168

Register 170

Inhalt

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Zum GeleitKulturanthropologen sind sich sicher, dass sich die Vor- oder Früh-menschen, noch ehe sie Werkzeuge erfanden oder das Feuer ge-zähmt hatten, mit Kräutern, Rinden und Wurzeln geheilt haben. Pollenanalysen von Ausgrabungen von Bestattungen, deuten an, dass auch die Neandertaler vor rund 60.000 Jahren profundes Heil-pflanzenwissen besaßen. Dass man Haustiere mit Pflanzen heilen kann, sollte selbstverständlich sein. Tiere, insbesondere die Säuge-tiere, sind uns physiologisch so ähnlich, dass pflanzliche Stoffe und Energien auf sie nicht viel anders wirken als auf uns Menschen. Aber nicht nur das, Pflanzen und Tiere haben eine gemeinsame Ko-Evo-lution von hunderten Millionen Jahren durchlaufen. Eine ständige, wechselseitige Interaktion fand (und findet) dabei statt. Sie sind füreinander gemacht. Pflanzen geben den Tieren nicht nur den Sau-erstoff zum Atmen, sondern sie ernähren die Tiere (letztlich auch die fleischfressenden). Dabei kann keine strenge Unterscheidung zwischen Nahrungs- und Heilpflanzen getroffen werden. Die Gren-zen sind fließend. So etwas konnten wir als biodynamische Land-wirte bei unseren Kühen beobachten; sorgfältig suchen sie dieses oder jenes Kraut, weil sie instinktiv wissen, was ihr Organismus zur jeweiligen Zeit braucht. Das haben Hirten in Südamerika bei ihren Schafen entdeckt; diese fressen am aromatisch bitteren Boldo-Strauch, wenn sie an Darmstörungen oder Leberparasiten leiden. Bären wurden beobachtet, wie sie Verdauungsprobleme mit der Madaun-Wurzel (Ligusticum) heilen; bei Hautpilz zerkauen sie die Wurzel und spucken den feinen Brei auf die befallenen Stellen. Es gibt viele solcher Beispiele. Lange hat man das als Aberglaube ab-getan, aber inzwischen ist es durch Ethologen, die das Verhalten von Tieren ins Visier nehmen, wissenschaftlich bestätigt.

Die Träume der HundeAuch unseren Haustieren sollte man diese ursprünglichen, natür-lichen Heilmittel nicht verwehren. Ich bin sehr froh, dass sich die Tierärztin Dr. Alexandra Nadig die Mühe gemacht hat, wertvolles Wissen zur Anwendung der Phytotherapie den Tierfreunden zu vermitteln. Insbesondere bin ich froh, dass sie sich den Hunden zuwendet. Wie kein anderes Tier, haben Hunde ihr Schicksal mit den Men-schen verbunden. Sie sind unsere besten Freunde. Ich kann mir ein Leben ohne Hunde gar nicht vorstellen. In Indien erfuhr ich,

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dass man Hunde nicht wecken soll, auch wenn sie mitten auf der Straße schlafen und den Verkehr behindern, denn sie träumen von den Göttern. Durch ihre intensiven Träume bringen sie uns die Götter und deren Segen näher. Die Cheyenne Indianer, mit denen ich viel Zeit verbrachte, glauben ähnliches. Sie sagen, die Hunde träumen von Fleisch. Und da sie starke Träumer sind, werden ihre Träume wahr, und „dann haben auch wir Indianer genügend Fleisch zu essen“. Aus dem Mahabharata-Epos: Als der große Held Bhima starb und mit seinem Hund vorm Himmelstor stand, sagte der Torwächter: „Willkommen großer Held, tritt ein. Aber dein Hund muss draußen bleiben, der ist unrein.“ Da kehrte Bhima um und sagte: „Das kann nicht der Himmel sein, wo Hunde nicht erlaubt sind!“ Da rief ihm der Torwächter nach: „Das war deine letzte Prüfung! Selbstver-ständlich kommen Hunde mit in den Himmel.“ Hunde beobachten und studieren ihre Menschen genauestens. Das ist – sagen die Hindus – weil Hunde im nächsten Leben als Menschen wiedergeboren werden, und sie wollen genau wissen, wie man sich als Mensch zu verhalten hat.Und zu guter Letzt aus meiner eigenen Erfahrung: Oft nehmen Hunde die Krankheiten oder das Leid des Menschen auf, den sie lieben. Sie ziehen Flüche oder Leid ab, auch wenn sie selber da - ran sterben müssen.

Ihr Wolf-Dieter StorlKulturanthropologe und Ethnobotaniker

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6 Heilpflanzen für Hunde

Heilpflanzen für Hunde„Hunde stammen vom Wolf ab und dieser ernährt sich ausschließlich von Fleisch.“

Eine Aussage, die so nicht ganz richtig ist. Fast alle wilden Tiere nut-zen ab und zu Pflanzen, um sich gesund zu erhalten oder um Befind-lichkeitsstörungen zu lindern. Pflanzen scheinen in ihrem Ernäh-rungs- und Überlebensplan eine nicht unwichtige Rolle zu spielen. Auch für den Wolf gilt das. Wölfe und erst recht unsere Haushunde sind keine reinen Karnivoren (Fleischfresser), pflanzliche Bestand-teile sind immer schon Teil ihrer Ernährung. Wölfe und Wildhunde fressen den mit Pflanzen gefüllten Magen ihrer Beutetiere und un-sere seit hunderttausend Jahren domestizierten Haushunde haben sich organisch sehr an eine pflanzenreiche Kost angepasst.Wer hat nicht einmal seinen Hund genüsslich Gras fressen sehen? Wildhunde und verwilderte Hunde fressen hauptsächlich Aas, menschliche Abfälle und jagen, wenn nötig, kleinere Beutetiere. Die Tiere, die sie dabei zu sich nehmen, sind Pflanzenfresser, und deren Mageninhalt wird gerne gefressen. Vorverdautes Grünzeug gehört also zur gesunden Ernährung unserer Haushunde. Somit passte sich der Verdauungsapparat auch an pflanzliche Kost an.

Zu diesem Buch

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Natürlich heilenEs gibt Hunde, die scheinbar regelrecht bewusst an bestimmten Heilpflanzen knabbern. Warum tun sie das?Wir leben heute teilweise sehr eng mit unseren Hunden zusammen, sie sind Familienmitglieder und Freunde und somit automatisch unserem Lebensstil stark angepasst. Dadurch sind auch sie von den vielen Krankheiten der Industriegesellschaft betroffen und wir möchten für sie, ebenso wie für uns, nur die allerbeste medizinische Versorgung. Wirken soll sie und dabei nicht schaden. Gut verträglich soll sie sein und gerne natürlichen Ursprungs. Hunde sprechen sehr gut auf eine Therapie mit Heilpflanzen an und die Erfolge einer phy-totherapeutischen Behandlung sind beim Hund oft ganz außerge-wöhnlich.Sie können Ihren Hund vorbeugend und bei leichten Erkrankungen wunderbar selber mit Heilpflanzen therapieren. Das hilft Ihrem Hund und gibt Ihnen ein sicheres Gefühl zu wissen, wie Sie ihm helfen können.

Alte HausmittelViele alte Hausmittel, die Sie aus Ihrer Kindheit kennen und viel-leicht bei Ihren eigenen Kindern anwenden, bewähren sich auch für unsere Hunde, und sie sind häufig nicht weniger wert als die Spritze vom Tierarzt. Den guten, altbewährten Kamillentee, Dampf-inhalationen, Wickel und Heilsalben können Sie auch bei Ihrem Hund anwenden. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen und Ihnen Tipps, Anregungen und auch Rezepte an die Hand geben. Vielleicht haben Sie selber Interesse an Heilpflanzen, gehen gerne in die Na-tur und wollen sammeln, oder Sie haben einen Kräutergarten. Auch wenn Sie einen chronisch kranken Hund haben und einige Anregun-gen suchen, dann ist dieses Buch genau das richtige für Sie. Lassen Sie sich anstecken von der wunderbaren Welt der Heilpflanzen, von deren unermesslichen Möglichkeiten, traditionellen Anwendungen ebenso wie der neuen, rational-wissenschaftlichen Phytotherapie, nutzen Sie dieses Wissen auch für Ihren Hund.Ich wünsche meinen Lesern viel Spaß und hoffe, Ihr Interesse für die Phytotherapie zu wecken. Sprechen Sie Ihren Tierarzt darauf an – vielleicht motiviert es ihn auch, sich mit dieser wichtigen, alt - bewährten und wundervollen Therapieform zu beschäftigen.

Ihre Alexandra Nadig

Zu diesem BuchAlexandra Nadig mit Kater Soja und ihrer treuen Begleiterin Leni, die sie seit 15 Jahren begleitet.

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8 Abenteuer „Stallkaninchen“

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Bedeutung & Wirkstoffe

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Bedeutung & Wirkstoffe10

Heilpflanzen im Tierreich

Tiere nutzen Heilpflanzen instinktiv, das ist heute bekannt und viel-fach untersucht und belegt. So haben Wissenschaftler herausgefun-den, dass einige Vogelarten ihre Nester mit speziellen Pflanzen aus-füllen. Diese Pflanzen wurden untersucht und es stellte sich heraus, dass sie verschiedene antibiotisch wirksame Wirkstoffe enthalten. Eine von den Vögeln häufig verwendete Pflanze ist beispielsweise die Schafgarbe. Diese wird von ihnen immer wieder frisch ins Nest gelegt, um die Jungtiere vor schädlichen Erregern zu schützen.

Blätterkur gegen DarmparasitenAuch der gezielte Gebrauch von Heilpflanzen bei Menschenaffen wie den Gorillas, Schimpansen oder Bonobos ist heute wissenschaft-lich belegt. Bekannt ist beispielsweise, dass Schimpansenweibchen ihre Jungen dazu zwingen, schlecht schmeckende und sonst ge-miedene Blätter zu schlucken. Es stellte sich bei Untersuchungen heraus, dass diese Blätter z.T. Inhaltsstoffe enthalten, die gegen Darmparasiten wirken. Einige Blätter werden unverdaut, voller an-haftender Würmer, wieder ausgeschieden und es scheint, als ob sie mechanisch den Darm reinigen und somit regelrecht die Darm-wände ausputzen. Dieses Verhalten haben Sie sicher schon bei Ihrem Hund beobachten können. Wissenschaftler haben häufiger

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Heilpflanzen im Tierreich   11

Heilpflanzen im Tierreich

beobachten können, wie Schimpansen leicht giftige Pflanzen zu sich nehmen, um damit Darmparasiten zu „behandeln“. Viele ande-re Tierarten schlucken ebenfalls verschiedene raue, unverdauliche Blätter ungekaut, die dann mit dem Kot wieder ausgeschieden wer-den und bei ihrer Passage durch den Darm Parasiten mechanisch entfernen. Dies erscheint wie eine gezielte „Blätterkur“ gegen Darmparasiten. Hunde fressen ebenfalls öfter Gräser, wel che sie nicht unmittelbar erbrechen, sondern über den Darm quasi unver-daut wieder ausscheiden. Vielleicht ist auch dies eine natür liche Darmreinigung? Aber nicht nur mechanische Parasitenbekämp-fung wird von den Tieren genutzt. Von einigen Primaten weiß man, dass sie Pflanzen wie z.B. eine bestimmte Vernonienart aufnehmen, deren Wirkstoffe gegen Darmparasiten wirken. Außerdem verwen-den die Primaten verschiedenste Pflanzen gegen Durchfall. In der Bossou-Region im westafrikanischen Guinea gehört Polycephalium capitum zur traditionellen Durchfall-Medizin. Die Schimpansen kennen die Wirkung, es finden sich immer wieder unzerkaute Poly-cephalium-Blätter in ihrem Kot. Das Beobachten der Natur und ihrer Bewohner hat den Menschen schon viele Erkenntnisse gebracht.

Weitere Beispiele aus dem TierreichGorillas verbauen einen ganz bestimmten Farn in ihren Nestern. Den gleichen Farn setzen Menschen ein, um Ungeziefer zu vertrei-ben. Eine ausgeprägte Vorliebe entwickeln Gorillas für Pflanzen, die Koffein oder Theobromin (Wirkstoffe von Kaffee und Schokolade) enthalten, wie z.B. die Colanuss. Möglicherweise dient das natür-liche Aufputschmittel den Primaten, sich besser an die Bergregion mit ihrer sauerstoffarmen Atmosphäre anzupassen. Jane Goodall hatte eine regelrechte „Heilkräutersammelkultur“ bei Schimpansen entdeckt und dies auch niedergeschrieben. Auch an-dere Tiere nutzen die Wirksamkeit der Pflanzen, um sich zu heilen oder vor Krankheiten zu schützen. Der arktische Zodiakbär bei-spielsweise zerkaut Blätter der Pflanze Ligusticum, spuckt den Brei in seine Pfoten, verreibt ihn in seinem Fell und bekämpft so seine Hautparasiten. Auch von Gibbons ist bekannt, dass sie einen zer-kauten Pflanzenbrei auf ihre Wunden schmieren. Hirsche und Bä-ren in Nordamerika reiben ihre Wunden an bestimmten Baumar-ten, deren Harz eine desinfizierende Wirkung hat. Bisons, Elefanten, Bären essen hin und wieder von einer Baumart, von deren Alkaloid man weiß, dass es gegen Parasiten wirksam ist. Europäische Stare

Mensch und Tier

Interessant ist, dass in den Re-gionen, in denen Affen sich scheinbar selber behandeln, auch die dort lebenden Men-schen die gleichen Pflanzen gegen dieselben Erkrankungen nutzen. Beim Volk der Wa-tongue in den Mahale-Bergen Tansanias wird die Vernonien-art ebenfalls als Mittel gegen Parasitenbefall und Darmer-krankungen angewendet. Auch im Bwindi-Nationalpark nut-zen Menschen und Gorillas dieselben Medizinalpflanzen.

Info

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bespicken ihr Nest mit pharmakologisch aktiven Pflanzen, deren Wirkspektrum sich gegen Bakterien, Insekten und Milben richtet.Schäfer und Hirten haben schon immer beobachtet, wie sich Schafe oder Hirsche in bestimmten Pflanzen wälzen, um ihre Wunden zu heilen. So wälzen sich beispielsweise Gämsen im Alpenwegerich, wenn sie verwundet sind. Auch Hunde- und Katzenhalter kennen ein instinktives Nutzen von Heilpflanzen. Nicht nur Katzen nutzen Gras, um ihren Verdauungstrakt von zu vielen Haaren zu befreien, auch Hunde grasen teilweise intensiv, um Magenprobleme zu behe-ben. Es gibt sogar Hunde, die ganz gezielt Gewürz- und Heilpflan-zen fressen oder nach Wurzeln graben.

Pflanzen als ProphylaxeEgal ob Wild- und Haustiere dieses Verhalten bewusst an den Tag legen, oder ob es ein rein instinktives Verhalten ist. Fakt ist, dass Tiere ihre Befindlichkeitsstörungen durch gezielten Einsatz von Heilpflanzen „behandeln“. Sie „wissen“, welche Pflanze sie zu sich nehmen müssen, um ihr Wohlbefinden zurückzuerlangen. Interes-sant ist, dass sie auch Pflanzen zu sich nehmen, die eine gewisse Prophylaxe vor Erkrankungen bewirkt. So ist die geringe Aufnahme von Giftstoffen, wie es einige Tierarten praktizieren, nicht logisch zu erklären. Man weiß aber, dass diese dazu führt, das Immunsys-tem zu stärken. Ob die wilden Tiere dies auch wissen oder spüren, bleibt eine offene Frage. Heute beschäftigt sich die Zoopharma- ko logie intensiv mit diesem Thema, und sie bietet uns Menschen nicht nur einen besonderen Zugang zur Behandlung und Therapie unserer Haustiere. Das Beobachten der Selbstmedikation unserer Tiere kann auch für uns Menschen von großer Bedeutung sein. Cindy Engel hat ein wunderbares Buch zu diesem Thema geschrie-ben: Wild Health – Gesundheit aus der Wildnis.

Auch Dalmatiner-Hündin Leni weiß um die Wirkung frischer Gräser und Kräuter im Frühling.

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Heilpflanzen in der Tiermedizin   13

Die Heilpflanzenkunde ist der Beginn jedes medizinischen Systems auf der ganzen Welt, und sie ist die älteste Therapieform der Men-schen überhaupt. Das Heilen mit Pflanzen beginnt mit der Mensch-heit und lässt sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen. Der älteste Fund ist ca. 60.000 Jahre alt und auch „Ötzi“ trug eine gut sortierte Heilpflanzenapotheke bei sich. Seit der Mensch Schriften hat, gibt es Aufzeichnungen über das Nutzen von Heilpflanzen. Eine sehr frü -he Aufzeichnung ist das Papyrus Ebers. Es ist eine Schriftrolle aus dem Jahr 1600 v. Chr., die zahlreiche Rezepte mit Heilpflanzen be-schreibt. In allen Regionen der Welt bildeten sich eigene Heil syste-me, dessen Grundlage immer die Heilpflanzen waren. Dabei spiel-ten vor allem die regionalen Pflanzen eine wichtige Rolle.

Historie der TiermedizinAuch die Tiermedizin war in ihrem Ursprung eine Heilpflanzenme-dizin. Zu Beginn waren es Hirten und Schäfer, später Schmiede und Stallmeister, die tiermedizinisch tätig wurden. In China begann schon sehr früh (16. bis 11. Jh. v. Chr. / Shang Dynastie) ein Boom der Tiermedizin. Besonders Pferde waren wichtige Tiere für das chine-sische Reich, denn sie wurden für Kriege und zur Arbeit benötigt. Somit begann sich in der traditionellen chinesischen Medizin schon

Heilpflanzen in der Tiermedizin

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Bedeutung & Wirkstoffe14

in den frühesten Anfängen, ein tiermedizinischer Zweig zu entwi-ckeln, und bereits ab 475 v. Chr. gab es in China spezialisierte Tier-ärzte. Aus der Han Dynastie (206 bis 220 v. Chr.) existieren erste tier-medizinische Rezepturen, die auf Bambus geschrieben wurden.Aber auch in der westlichen Welt begannen die Menschen früh, ihre wichtigen Haustiere medizinisch zu versorgen. So gibt es schon ein altägyptisches Schriftzeugnis der Tierheilkunde, der sogenannte Ve terinärpapyrus von El-Lahun (um 1850 v. Chr.). Dieser beschreibt vor allem die Anwendung von Heilpflanzen bei Rindern.Im 4. und 5. Jh. n. Chr. entsteht eine regelrechte pferdeheilkundli -che Literatur durch Gelehrte wie Apsyrtos, Theomnestos, Hierokles und Pelagonius. Auch hier werden pflanzliche Therapien in Form von Pflastern, Umschlägen, Tränken, Eingüssen und Einläufen be-schrieben. 1250–1750 n. Chr. ist die Zeit der Stallmeister und deren Verbreitung und literarischer Überlieferungen von Heilpflanzenan-wendungen beim Pferd. 1250 n. Ch. verfasst ein Schmied das erste Rossarzneibüchlein in deutscher Sprache. Pflanzliche Heilmittel wurden zu dieser Zeit in jeder Stallapotheke vorrätig gehalten.Erst Ende des 14. Jh. n. Chr. wird in verschiedenen Jagdbüchern die Behandlung von Hunden beschrieben. Vor allem Verletzungen, die pflanzlich behandelt wurden, innerlich wie äußerlich, waren Thema dieser Bücher.

Industrialisierung1850 wurde von einem Pharmakologen ein „Lehrbuch der Arznei-mittellehre für Tierärzte“ verfasst, welches dazu führte, dass nach und nach ein Umstellen auf chemisch-synthetische Arzneistoffe stattfand. Lange Zeit war die Pflanzenheilkunde aus der Tierme-dizin verschwunden, galt als veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Lange Zeit war sie geprägt vom industriellen Fortschritt und die - ser prägt auch heute noch das Bild der Tiermedizin. Massentier-haltung verlangt schnell wirksame und preisgünstige Methoden und Arzneien. Das Tier als Produkt, als Lebensmittellie ferant, aber auch als Sportgerät muss in erster Linie funktionieren und Leis - tung bringen. Da muss Heilung schnell gehen, da darf es keine krankheitsbedingten Ausfälle geben. Hinzu kommt ein bei nahe panischer Umgang mit dem sogenannten Verbraucherschutz, der weit entfernt von jeglicher Realität und Vernunft dazu führt, dass Tiere unnötig gequält werden und sie zu einem äußerst un-natürlichen Leben zwingt.

Diese glückliche Kuh darf die Sonne genießen und mit ihren von der Natur gegebenen Hörnern leben. Leider dürfen nicht viele Rinder ein solch natürliches und artge-mäßes Leben führen.

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Heilpflanzen in der Tiermedizin   15

Zurück zur NaturErst viel später als in der Humanmedizin, seit ca. 1980, beginnt ein ganz langsames Umdenken. Angeregt durch die gesellschaftliche Entwicklung (zurück zur Natur, Bio-Welle) und das Interesse der Menschen an natürlichen Heilmethoden, entsteht auch in der Tier-ärzteschaft ein Wiederentdecken der alten und lang bewährten Methoden. Homöopathie, chinesische Medizin und einige neue Alternativverfahren, wie z. B. die Homotoxikologie und Organothe-rapie, finden in der heutigen Tierärzteschaft immer mehr Anhänger. Die Pflanzenheilkunde, oder Phytotherapie, wird zunächst in die Ecke der Alternativmedizin gesteckt und lässt sich bis zum heutigen Tag nur schwer wieder in die klassische Lehrmedizin eingliedern. Dabei wird vor allem an den Universitäten ignoriert, dass gerade die Phytotherapie die Basis aller medizinischen Lehren und eigentlich reine Schulmedizin ist.Obwohl Tierbesitzer heute ihren Schützlingen dieselben medizini-schen Möglichkeiten anbieten möchten, die sie auch selber nutzen, und besonderen Wert auf natürliche oder ganzheitliche Heilverfah-ren legen, müssen sie oft lange nach einem Tiermediziner suchen, der ihren Wünschen nachkommt. Daher wenden sich viele Tierbe-sitzer an Tierheilpraktiker. Angeregt durch diese moderne Welle, sprießen überall selbsternannte „Heilpflanzenkundige“ aus dem Boden, und nicht alle sind tatsächlich in der Lage, eine sinngemäße und vernünftige phytotherapeutische Behandlung durchzuführen.

Pferde begleiten Menschen schon lange. Früher waren sie überlebens-wichtig für uns. Heute haben sie Glück, wenn sie unsere Freunde und Freizeitgefährten sein dürfen und nicht als Sportgeräte missbraucht werden.

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Aber auch klassische Tierärzte erfahren in ihrer Ausbildung keine Spezialisierung in diese Richtung. Daher ist es für Sie als Hundehal-ter wichtig, sorgsam bei der Auswahl Ihres Therapeuten zu sein.

Heilpflanzen in den SchlagzeilenHeute herrscht noch immer die Ansicht, dass Heilpflanzen in ihrer Wirkung nicht einschätzbar oder gar schädlich sind. In regelmäßi gen Abständen bringen die Medien ihre Angst einflößenden Schlagzeilen zum Thema „Gefahr durch Pflanzen“. Einmal ist es der Zimt, dann die Kamille, die durch entsprechend reißerische Medien in schlech-tes Licht gerückt werden. Man kann sich denken, woher solch eine Angstpropaganda kommt. Auch wird die Wirksamkeit der Heilpflan-zen (vor allem in der Tiermedizin) noch stark angezweifelt, trotz-dem warnen zweifelnde Kritiker vor Nebenwir kungen!

Humanmedizinischer MarktIn einer Zeit, in der die evidenzbasierte (nachweisorientierte) Medi-zin mehr Aussagekraft hat als über Jahrtausende – ja sogar Jahrmil-lionen – entstandene Erfahrungswerte, ist es besonders schwierig, den Stellenwert der Phytotherapie ins rechte Licht zu rücken. In der Humanmedizin stellt sich heute weniger die Frage nach der Wirk-samkeit. Man braucht sich nur einmal die riesige Auswahl an frei verkäuflichen Phytopräparaten in der Apotheke ansehen. Vielen Menschen ist dabei gar nicht bewusst, dass sie ein rein pflanzliches Präparat zu sich nehmen. Viele dieser Präparate sind heute allge-mein bekannt, erfreuen sich größter Beliebtheit und ihre Wirksam-keit wird nicht in Frage gestellt. Einige Beispiele sind z. B. Corodin®-Tropfen, Iberogast®-Tropfen, Sinupret®, Mucosolvan®-Hustensaft, Echinacea- und Kytta®-Salbe. Es gibt Heilpflanzen, die stark bis giftig wirken, wie Tollkirsche, Stechapfel, Herbstzeitlose, Nieswurz und Fingerhut. Diese gehören immer in die Hände erfahrener Therapeuten und werden meist in Form standardisierter Therapeutika angewendet. Vielen ist heute gar nicht mehr bewusst, dass einige sehr wichti ge Wirkstoffe der Schulmedizin aus Pflanzen gewonnen wurden und zum Teil noch werden. Gerade die Giftpflanzen sind aus der Medizin nicht wegzu-denken, sie werden in der Anästhesie eben so eingesetzt wie in der Tumorbekämpfung oder Herztherapie. Daneben gibt es annähernd nebenwirkungsfreie Pflanzen wie Ringelblume, Weißdorn, Kamille und Melisse, die vom Tierbesitzer angewendet werden können.

Klinische Studien

Moderne Phytotherapeutika werden heute aus definier - ten, standardisierten oder nor -mier ten Pflanzen und nach offiziellen Herstellungsleitlini-en produziert. Für viele liegen klinische Studien und Anwen-dungsbeobachtungen vor. Sie zeichnen sich außerdem durch ihre hervorragende Verträglichkeit aus.

Info

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Heilpflanzen in der Tiermedizin   17

Tiermedizinischer MarktDer tiermedizinische Markt bietet leider noch immer sehr wenige Phytotherapeutika an. Heute geht die Tendenz aufgrund erschwer-ter Zulassungsverfahren (politisch und bürokratisch), zur Ver-breitung von Pflegeprodukten und Nahrungsergänzern als einzige Möglichkeit zur Anwendung von Heilpflanzen am Tier. Leider ist bei diesen Präparaten keine Sicherheit auf Qualität und Quantität der genutzten Pflanzen und Wirkstoffe gegeben. Viele Firmen und Unternehmen nutzen den Trend und produzieren wilde Heilpflan-zenmischungen ohne Sinn und Sachverstand. Oft enthalten diese Präparate nicht die gewünschten Wirkstoffe, oder sie sind völlig un-terdosiert und so gut wie nie auf ihre Unbedenklichkeit getestet. Auch hier sind Sie als Hundehalter gefragt. Seien Sie kritisch und aufmerksam und befragen Sie im Zweifel Ihren Phytothera peuten, bevor Sie einem solchen, eventuell unwirksamen Präparat vertrau-en. Immer wieder erlebe ich in der Praxis, dass Tierbesitzer auf-grund schlechter Erfahrungen mit solchen Mitteln der gesam ten Heilpflanzentherapie misstrauen. Das ist schade und wird einer sinnvollen und sachgemäßen Phytotherapie nicht gerecht.

Die wunderschöne und sehr heil-kräftige Kamille kennt fast jeder. Doch wie viele Menschen erkennen sie, wenn sie an einem Feld an ihr vorbeilaufen?

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Heilpflanzen und ihre Wirkstoffe

Viele Pflanzeninhaltsstoffe sind heute bekannt und es werden auch weiterhin immer wieder neue entdeckt und erforscht. Über die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe weiß man gut Bescheid, und häufig war oder ist die Natur Vorreiter und Beispiel für neu entwickelte synthetische Medikamente. Vor allem der Regenwald ist im Fokus der Forscher und Pharmaunternehmen, man erhofft sich, in noch unentdeckten Waldgebieten dieser Erde, Wirkstoffe gegen die gro-ßen Zivilisationskrankheiten dieser Zeit zu finden. Dies führt zu Raubbau und zur Unterdrückung der Menschen vor Ort. Es werden hohe Investitionen auf der Suche nach neuen pflanzlichen Wirk-stoffen getätigt, man weiß um das Potential der Heilpflanzen. Den-noch möchte man uns heute den Umgang mit ihnen verbieten, man verbreitet Angst und versucht, den Patienten und Tierbesitzer unmündig zu machen. Eigenverantwortung, Mitdenken und die Möglichkeit, sich selbst mit pflanzlicher Medizin zu versorgen, ist nicht erwünscht. Hierbei ist es egal, ob es sich um menschliche oder tierische Patienten handelt, am Ende geht es doch nur ums Geld.Bis der Mensch vor ungefähr 200 Jahren begann, seine Medizin syn-thetisch herzustellen, waren es Pflanzeninhaltsstoffe, die er extra-hierte und nutzte. Noch heute ist vielen Menschen bekannt, dass beispielsweise das berühmte Aspirin® pflanzlichen Ursprungs ist.