Drug Report - ipsen-pharma.de · Drug Report Nr. 10, 2017 Cabozantinib...

12
Drug Report Nr. 10, 2017 Cabozantinib Multi-Target-Kinase- Inhibitor mit neuarti- gem Wirkspektrum zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms nach vorangegangener antiangiogener Therapie

Transcript of Drug Report - ipsen-pharma.de · Drug Report Nr. 10, 2017 Cabozantinib...

Drug ReportNr. 10, 2017

Cabozantinib Multi-Target-Kinase-Inhibitor mit neu arti-gem Wirkspektrum zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms nach vorangegangener antiangiogener Therapie

Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

Impressum

Drug ReportHeft 10, 11. Jahrgang, Juni 2017, ISSN 1865-2875

Dieser Drug Report ist der Zeitschrift Tumor Diag-nostik & Therapie beigelegt. Diese Ausgabe des Drug Report entstand mit freundlicher Unterstüt-zung der Ipsen Pharma GmbH, Ettlingen.

AutorenProf. Dr. med. Carsten BokemeyerPD Dr. med. Gunhild von AmsbergUniversitätsklinikum Hamburg-EppendorfO24, Etage 2, Martinistraße 52 20246 HamburgE-Mail: [email protected]@uke.de

Für den VerlagJoachim Ortleb, Claudia SchöllmannLisa RosenbeckerE-Mail: [email protected]

VertriebMalik ZighmiE-Mail: [email protected]

LayoutFotosatz Buck, KumhausenE-Mail: [email protected]

TitelbildIpsen Pharma GmbH

VerlagGeorg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkRüdigerstr. 14, 70469 StuttgartPostfach 30 11 20, 70451 StuttgartTel. 07 11 / 89 31-0, Fax 07 11 / 89 31-2 98www.thieme.de

DruckPrinted in Belgium Kliemo AGHütte 53, 4700 Eupen

ManuskripteAlle Manuskripte sind direkt an den Verlag zu sen-den. Grundsätzlich werden nur solche Manu-skripte angenommen, die frei von Rechten Dritter sind. Für unaufgefordert eingesandte Manu-skripte wird keine Haftung übernommen. Mit der Annahme des Manuskripts erwirbt der Verlag für die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist (§ 64 UrHG) die ausschließliche Befugnis zur Wahrneh-mung der Verwertungsrechte im Sinne der §§ 15 ff. des Urheberrechtsgesetzes, insbesonde-re auch das Recht der Übersetzung, der Verviel-fältigung durch Fotokopie oder ähnliche Verfah-ren und der EDV-mäßigen Verwertung.

CopyrightDer Report und alle in ihm enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. Jede Verwertung au-ßerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti-gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektro-nischen Systemen.

FotokopienFotokopien für den persönlichen und sonstigen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen davon als Einzelkopien hergestellt werden. Die Aufnahme des Reports in Lesezirkel ist nicht gestattet.

Wichtiger HinweisWie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und kli-nische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamen-töse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Heft eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Reports ent-spricht.

Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch kei-ne Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezia-listen festzustellen, ob die dort gegebene Emp-fehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Report abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präpa-raten oder solchen, die neu auf den Markt ge-bracht wurden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

GebrauchsnamenDie Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handels-namen, Warenbezeichnungen und dgl. in diesem Report berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann be-nutzt werden dürfen; oft handelt es sich um ge-setzlich geschützte eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht als solche gekennzeichnet sind.

2

Drug Report10/2017

Editorial | Inhalt

Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer, Hamburg

PD Dr. med. Gunhild von Amsberg,Hamburg

Multi-Target-Kinase-Inhibitor mit neuartigem Wirkspektrum zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms nach vorangegangener antiangiogener Therapie

Die Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms (NZK) hat sich im vergan-genen Jahrzehnt erheblich weiterentwickelt und befindet sich durch die Einfüh-rung immer neuer Subs tanzen weiterhin im Wandel. Für die moderne Behandlung des fortgeschrittenen NZK stehen heute zielgerichtet wirkende Subs tanzen – Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), Antikörper und mTOR-Inhibitoren – und seit Kurzem auch Immuncheckpoint-Inhibitoren zur Verfügung, die im Behandlungs-verlauf sequenziell eingesetzt werden. Die neuen medikamentösen Behandlungs-optionen haben das Bild der Krankheit erheblich verändert und die Prognose der Pa tien ten deutlich verbessert. So können mit den heute neu verfügbaren Medika-menten mittlere Gesamtüberlebenszeiten von teilweise mehr als zwei Jahren ab der zweiten Therapielinie erzielt werden. Dies entspricht mehr als einer Verdopp-lung der Überlebenszeiten in den letzten 15 Jahren. Doch gibt es trotz allen Fort-schritts auch ungelöste Herausforderungen: Unklar ist etwa, in welcher Abfolge die verfügbaren Therapeutika für ein optimales Therapieergebnis eingesetzt wer-den sollen. Zudem konnten bislang keine molekularen Marker für eine individuel-le Therapieauswahl identifiziert  werden. Ungeachtet dessen macht die stetige Er-weiterung des therapeutischen Repertoires beim fortgeschrittenen NZK Hoffnung auf eine weitere Verbesserung der Überlebenszeiten bei den betroffenen Pa tien­ten. Einen Beitrag dazu könnte der seit Kurzem für die Zweitlinientherapie des fort-geschrittenen NZK verfügbare Multi-Target-TKI Cabozantinib leisten. Die überzeu-genden Wirksamkeitsdaten aus klinischen Studien zeigen, dass Cabozantinib mit seinem neuartigen Wirkmechanismus eine sinnvolle Bereicherung der therapeu-tischen Möglichkeiten beim NZK darstellt.

2 Impressum3 Editorial

4 Cabozantinib9 Literatur

Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12 3

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

Schwerpunkt

CabozantinibMulti-Target-Kinase-Inhibitor mit neuartigem Wirkspektrum zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms nach vorangegangener antiangiogener Therapie

Cabozantinib – molekulare Grund-lagen der Wirksamkeit des neuen Multi-Target-Kinase-InhibitorsIn der aktuellen Therapie des fortgeschrittenen NZK spielen Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) als kleinmole-kulare kompetitive Hemmstoffe von Rezeptortyrosin-kinasen (RTK) eine zentrale Rolle. RTK bestehen aus extrazellulären Ligandenbindungsdomänen und einer intrazellulären Domäne, die die Tyrosinkinase beinhal-tet. Diese ist verantwortlich für die Phosphorylierung und Aktivierung verschiedener intrazellulärer Signal-proteine, die nachgeschaltet in der Signaltransduk-tionskaskade wirken. Die Aktivierung von RTK durch Angiogenesefaktoren wie VEGF steigert die proangio-genen Eigenschaften des Tumormilieus. Folge ist eine vermehrte Neoangiogenese. Dies ermöglicht sowohl die lokale Ausbreitung des Tumors als auch die Metas-tasenbildung.

Somit spielt die VEGF-induzierte Aktivierung der An-giogenese eine zentrale Rolle für das Voranschreiten von Tumorerkrankungen. Auch beim klarzelligen NZK ist die Hochregulation von VEGF maßgeblich an der Krankheitsprogression beteiligt [5]. Die VEGF-indu-zierte Angiogenese wird durch verschiedene spezi-

fische RTKs – die VEGF­Rezeptoren (VEGFR) 1–3 – ver-mittelt. Entsprechend wurden TKI mit Aktivität gegen diese Zielproteine entwickelt. Alle TKI, die aktuell für die Therapie des fortgeschrittenen NZK verfügbar sind, zeigen eine hohe Aktivität gegen VEGFR. Obwohl diese Subs tanzen die Prognose von NZK-Pa tien ten in den letzten Jahren erheblich verbessert haben, kommt es im Behandlungsverlauf häufig zu einer Resistenz-entwicklung gegen die Wirkstoffe und damit zu einem erneuten Progress der Erkrankung. Neue Behandlungs-ansätze werden daher dringend benötigt, um neben der VEGF-vermittelten Neoangiogenese auch mög-liche Resistenzmechanismen der Nierentumorzellen effektiv angreifen zu können.

„Multiple Targets“ im VisierCabozantinib ist eine Subs tanz, die sich gleichzeitig gegen verschiedene zelluläre Zielstrukturen richtet und wird deswegen als „Multitarget-TKI“ bezeichnet. Neben den VEGFR 1–3 Tyrosinkinasen hemmt Cabozantinib auch die Aktivität von MET (Mesenchymal-Epithelial Transition Factor) und AXL (RTK, die nach dem griechi-schen Wort anexelekto = unkontrolliert benannt ist). Die Überexpression dieser beiden Proteine wird mit

Autoren: Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer PD Dr. med. Gunhild von Amsberg

ZUSAMMENFASSUNG

Der Multi-Target-Kinase-Inhibitor (MTKI) Cabozantinib (Cabome-tyx®) ist seit September 2016 in Europa zur Behandlung des fort-geschrittenen Nierenzellkarzinoms (NZK) nach Therapie mit einer gegen den Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) gerichteten Subs tanz zugelassen. Cabozantinib erweitert damit das Behand-lungsspektrum an zielgerichtet wirkenden Medikamenten, die in den vergangenen Jahren nach und nach Eingang in die Therapie des fortgeschrittenen NZK gefunden haben. Unter den Therapie-optionen ab der 2. Behandlungslinie ist Cabozantinib bislang die einzige Monosubstanz, die in einer Phase-III-Studie in allen 3 Wirk-samkeitsendpunkten – Gesamtüberleben, progressionsfreies Über-leben und objektive Ansprechrate – deutliche Vorteile bei vorbe-handelten Pa tien ten mit NZK gegenüber dem bisherigen Standard Everolimus, einem mTor-Inhibitor, erzielen konnte [1]. Aufgrund seines überzeugenden Wirksamkeitsprofils wurde Cabozantinib bereits in die internationalen Leitlinien aufgenommen und wird ab der 2. Behandlungslinie empfohlen [2–4].

4

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

einer Resistenzentwicklung gegen antiangiogene TKI-Therapien in Verbindung gebracht [6].

Neue molekulare Erkenntnisse halfen in den letzten Jahren, die Rolle von MET und AXL in der Resistenz-entwicklung von Nierenzellkarzinomzellen genauer zu definieren. Ein Meilenstein im Verständnis dieser Me-chanismen war die Entdeckung des Von-Hippel-Lindau (VHL)-Gens, dessen mutationsbedingte Inaktivierung maßgeblich an der Pathogenese des klarzelligen NZK beteiligt ist. Diese Mutation, die bei rund 90 % der klar-zelligen NZK vorliegt, geht mit einer verminderten Ex-pression des entsprechenden Genprodukts, des VHL-Proteins einher [7]. Physiologisch ist VHL im Verbund mit anderen Proteinen am proteosomalen Abbau des Transkriptionsfaktors HIF­α (Hypoxie­induzierter Fak-tor α) beteiligt und ist damit für die zelluläre Adapta-tion an Veränderungen des Sauerstoffpartialdrucks von zentraler Bedeutung. In Tumorzellen mit inakti-vierender VHL-Mutation kommt es zu einem vermin-derten Abbau und konsekutiv zu einer Anreicherung von HIF­α. Dadurch werden wiederum Gene hochre-guliert, die für verschiedene Wachstumsfaktoren, da-runter auch VEGF, kodieren. In der Folge kommt es zu einer verstärkten Tumorvaskularisierung sowie zu Tumorwachstum und Metastasierung [8].

Liegt in den Tumorzellen ein Überangebot an HIF­α vor, werden neben VEGF auch die Tyrosinkinasen MET und AXL hochreguliert. Die RTK MET, deren natürlicher Ligand der HGF (Hepatozyten-Wachstumsfaktor) ist, fördert die Invasion renaler Tumorzellen und damit die Progression der Erkrankung [9]. AXL vermittelt über die Bindung seines Liganden GAS6 (Growth Arrest  Specific Gene­6) aktivierende Signale an einen mole-kularen Signalweg, der seinerseits die Metas tasierung begünstigt [7].

Effektiv gegen Resistenzbildung am VEGFR

Die übermäßige Expression von MET und AXL begüns-tigt nicht nur die Tumorprogression und Metastasie-rung, sondern führt auch zu einer Resistenzentwicklung gegen TKI mit Aktivität gegen den VEGFR [10]. Wird der VEGFR-induzierte Signalweg durch entsprechende TKI blockiert, so kann die Tumorzelle auf die MET- und AXL-vermittelten Signalwege ausweichen und damit ihre Progression aufrechterhalten. Dies führt zu einem Wirkverlust der alleinigen VEGFR-Inhibitoren.

Cabozantinib inhibiert als Multi-Target-TKI neben den VEGFR 1–3 auch die Tyrosinkinasen MET und AXL.  Dieses innovative Wirkprofil ermöglicht es, die Resis-

tenzentwicklung gegen die VEGFR-Blockade in präkli-nischen Studien zu verzögern oder zu durchbrechen [10] und führt zu überzeugenden Ergebnissen in kli-nischen Studien.

Stellenwert von Cabozantinib in der medikamentösen Therapie des fortgeschrittenen NZK

Das wachsende Verständnis für die molekularen Me-chanismen in der Pathogenese und Ausbreitung des klarzelligen NZK, insbes. auch im Hinblick auf die Rolle angiogener Faktoren – mit VEGF als einem zentralen Zielmolekül für therapeutische Strategien –, hat die Entwicklung der medikamentösen Therapien des NZK im letzten Jahrzehnt erheblich beeinflusst. Gegen VEGF- und VEGFR-gerichtete Therapien haben Interferon­α und Interleukin­2 als unspezifische Im-muntherapeutika ersetzt und werden heute als Stan-dardtherapien in der Erst- und Zweitlinie in den Leit-linien der Fachgesellschaften weltweit empfohlen.

Neue Subs tanzen als wesentliche Säulen der Therapie

Die Säulen der modernen Therapie des fortgeschrit-tenen NZK sind heute die zielgerichteten Subs tan-zen – Tyrosinkinase-Inhibitoren, mTOR-Inhibitoren,  Bevacizumab in Kombination mit Interferon­α 2a – sowie Immuncheckpoint-Inhibitoren. Jede dieser Subs-tanzklassen übt einen spezifischen Effekt auf Nierenkar-zinomzellen bzw. die mit ihnen in Wechselwirkung ste-henden Zellen aus:

▪ Tyrosinkinase-Inhibitoren (Sunitinib, Pazopanib, Axitinib, Sorafenib, Cabozantinib, Lenvatinib) hem-men den VEGF-Signalweg und die damit verbunde-ne Tumorangiogenese. Daneben werden, je nach Subs tanz, inhibitorische Effekte auch auf andere  Signalwege ausgeübt. TKI sind die beim fortge-schrittenen NZK am häufigsten eingesetzten Me-dikamente.

▪ mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Temsirolimus) blo-ckieren über die Hemmung des mTOR-Signalwegs den Stoffwechsel von NZK­Zellen.

▪ Der humanisierte monoklonale Antikörper Bevaci-zumab, der beim fortgeschrittenen NZK in Verbin-dung mit Niedrigdosis-Interferon eingesetzt wird, bindet das im Plasma gelöste VEGF und wirkt damit der Aktivierung des VEGFR entgegen.

▪ Immuncheckpoint-Inhibitoren (Nivolumab) verhin-dern, dass der Tumor gegen ihn gerichtete T-Zellen abschaltet und führen damit zu einer körpereigenen Immunreaktion gegen die Tumorzellen.

5

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

Schwerpunkt

Auf Basis dieser medikamentösen Optionen stehen heute wirksame Subs tanzen für mehrere Therapie-linien zur Verfügung (▶Tab. 1).

Cabozantinib: Deutliche Verbesse-rung in der Phase-III-Studie METEOR

Im September 2016 hat die Europäische Kommission Cabozantinib mit Wirksamkeit gegen die VEGFR 1–3 sowie gegen die Kinasen MET und AXL zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Er-wachsenen nach vorangegangener VEGF-Therapie zu-gelassen.

Diese Zulassung beruht auf den Ergebnissen der groß angelegten Phase-III-Studie METEOR [1]. Dabei han-delt es sich um eine weltweite, randomisierte, unver-blindete Studie mit 658 Pa tien ten, die ein fortgeschrit-tenes Nierenzellkarzinom hatten und auf mind. eine vorangegangene Anti-VEGF-Therapie progredient waren. Ziel der Studie war es, die Effektivität und Sicherheit von Cabozantinib im Vergleich zur bisheri-gen Zweitlinien-Standardtherapie Everolimus zu prü-fen. Als primärer Endpunkt wurde das progressions-freie Überleben (PFS) bei den ersten 375 behandelten Pa tien ten festgelegt. Sekundäre Endpunkte umfassten u. a. das Gesamtüberleben (OS) und die objektive An-sprechrate (ORR) bei allen in die Studie aufgenomme-nen Pa tien ten.

Die Pa tien ten erhielten randomisiert im Verhältnis 1 : 1 entweder 1 × tgl. 60 mg Cabozantinib oder 10 mg Eve-rolimus. Eine Stratifizierung erfolgte nach Anzahl der 

vorherigen Anti-VEGFR-Therapien und des MSKCC- Risikoscores. Ein Wechsel in den anderen Behand-lungsarm war nicht erlaubt. Die mediane Nachbeob-achtungszeit für das OS und die Sicherheitsbeurteilung betrug 18,7 Monate für Cabozantinib und 18,8 Mona-te für Everolimus.

Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt mit einer signifikanten Verbesserung des medianen PFS durch Cabozantinib auf 7,4 Monate gegenüber Evero-limus mit 3,9 Monaten (HR 0,51; 95 %-KI 0,41–0,62; p < 0,0001) [14]. Diese Ergebnisse blieben auch bei der anschließenden Auswertung der gesamten Pa tien-tenpopulation so bestehen. Zudem zeigte sich ein sta-tistisch signifikanter und klinisch relevanter Überle-bensvorteil für Cabozantinib gegenüber Everolimus. So lag das mediane OS im Cabozantinib-Arm bei 21,4 Monaten gegenüber 16,5 Monaten im Everoli-mus-Arm (HR = 0,66, 95 %-KI 0,53–0,83; p = 0,00026) (▶Abb. 1). Cabozantinib erzielte auch eine signifikant bessere ORR im Vergleich zu Everolimus (24 vs. 4 %, p < 0,0001 gemäß Prüfarztbewertung, 17 vs. 3 %, p < 0,0001 gemäß unabhängiger radiologischer Be-wertung). Dieses Ansprechen wurde zeitnah erreicht.

Alle Subgruppen profitiertenDer Vorteil von Cabozantinib bestand sowohl im PFS als auch im OS in allen analysierten Pa tien ten-subgruppen und war unabhängig von Dauer und Zahl vorheriger TKI-Therapien, dem Vorliegen von Viszeral- oder Knochenmetastasen und dem Progressions risiko. So betrug das mediane PFS für Pa tien ten, die entwe-der nur 1 oder 2 und mehr Vortherapien erhalten hat-

▶Tab. 1 Zugelassene systemische Therapieoptionen für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms

Wirkstoff Klasse Therapielinie gemäß Zulassung EMA-Zulassung

Sunitinib TKI alle Behandlungslinien 2006

Sorafenib TKI ab Zweitlinienbehandlung nach Zytokintherapie 2006

Temsirolimus mTOR-Inhibitor Erstlinienbehandlung bei Pa tien ten mit schlechter Prognose 2007

Bevacizumab(+ Interferon­α 2a)

humanisierter monoklonaler VEGF-Antikörper

Erstlinienbehandlung 2009

Everolimus mTOR-Inhibitor ab Zweitlinienbehandlung nach Anti-VEGF-Therapie 2009

Pazopanib TKI Erstlinienbehandlung oderBehandlung nach vorheriger Zytokintherapie

2010

Axitinib TKI ab Zweitlinienbehandlung nach Sunitinib oder Zytokin 2012

Nivolumab Immuncheckpoint-Inhibitor ab Zweitlinienbehandlung nach Vortherapie 2016

Cabozantinib TKI ab Zweitlinienbehandlung nach Anti-VEGF-Therapie 2016

Lenvatinib+ Everolimus

TKI ab Zweitlinienbehandlung nach Anti-VEGF-Therapie 2016

6

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

ten, gleichermaßen 7,4 Monate für Cabozantinib und 3,8 bzw. 4 Monate für Everolimus [11]. Auch nach einer Vorbehandlung mit einem PD-1/PD-L1-Inhibitor in einer kleinen Pa tien tenkohorte blieb der positive  Effekt von Cabozantinib bestehen.

Interessanterweise profitierten insbes. die prognostisch ungünstigen ossär metastasierten Pa tien ten von einer Therapie mit Cabozantinib durch eine nahezu Verdrei-fachung der progressionsfreien Zeit im Vergleich zu Everolimus (7,4 vs. 2,7 Monate). Auch das Gesamtüber-leben war in diesem Kollektiv mit 20,1 Monaten unter Cabozantinib erheblich länger als unter dem mTOR- Inhibitor mit 12,1 Monaten. Zudem reduzierte Cabozantinib die skelettbezogenen Ereignisse wie pa-thologische Frakturen oder Myelonkompres sion nach Therapieeinleitung um mehr als die Hälfte ( Cabozantinib 16 %; Everolimus 34 %). Schließlich zeigte sich die Über-legenheit von Cabozantinib sogar bei jenen Pa tien ten, die neben Knochenmetastasen zusätzlich noch eine viszerale Metastasierung aufwiesen: In diesem Kollek-tiv betrug das PFS unter Cabozantinib im Median 5,6 Monate und das OS 20,1 Monate im Vergleich zu 1,9 bzw. 10,7 Monate unter Everolimus [12] (▶Abb. 2).

Diese Daten der Phase-III-Zulassungsstudie METEOR zei-gen somit einen äußerst stabilen Effekt für  Cabozantinib in der Therapie des fortgeschrittenen NZK, mit einer deutlichen Verbesserung in allen 3 klinisch relevanten Wirksamkeitsendpunkten – PFS, ORR und OS – und in allen untersuchten Subgruppen (▶Tab. 2).

TKI­typisches VerträglichkeitsprofilCabozantinib wies in der METEOR-Studie ein TKI- charakteristisches Verträglichkeitsprofil auf mit Diar-rhö, Hand-Fuß-Syndrom, Fatigue und Hypertonie als häufigste Nebenwirkungen. Unter Everolimus wurden 

v. a. Fatigue, Mukositis, Anämie, verminderter Appetit und Husten beobachtet. Insgesamt traten höhergra-dige unerwünschte Ereignisse (AE ≥ 3) bei 71 % der mit Cabozantinib und 60 % der mit Everolimus behandel-ten Pa tien ten auf.

Eine Dosisreduktion wurde im Cabozantinib-Arm bei 62 % und im Everolimus-Arm bei 25 % der Pa tien ten vorgenommen. Ungeachtet der deutlich häufigeren Dosisreduktionen unter Cabozantinib war die Rate der Therapieabbrüche aufgrund unerwünschter Ereignis-se in beiden Gruppen ähnlich (12 % unter Cabozanti-nib, 11 % unter Everolimus). Obwohl also bei mehr als der Hälfte der Pa tien ten die Dosis von Cabozantinib

▶Abb. 1 Deutliche Verbesserung des Gesamtüberlebens unter Cabozantinib im Vergleich zu Everolimus in der METEOR-Studie; mod. nach [1].

300

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

6 9 12 15 18 21 24 27 30Zeit seit Randomisierung (Monate)

Ges

amtü

berle

ben

(%)

CabozantinibEverolimus

HR 0,66 (95 %-KI 0,53–0,83); p = 0,00026

Anzahl der Patienten „unter Risiko“Cabozantinib 330 318 296 264 239 178 105 41 6 3 0Everolimus 328 307 262 229 202 141 82 32 8 1 0Anzahl der zensierten PatientenCabozantinib 0 0 3 1 0 35 57 56 32 3 3Everolimus 0 3 2 1 2 34 42 36 20 7 1

▶Tab. 2 Wichtige Ergebnisse zu Cabozantinib vs. Everolimus in der METEOR-Studie; mod. nach [1].

Cabozantinib(n = 330)

Everolimus(n = 328)

Ansprechrate(ORR)

Bewertung durch Prüfarzt/durch unabhängiges Expertenpanel (95 %-KI)

24/17 % 4/3 %

progressionsfreie Zeit (PFS)(median, Monate)+,*Median, Monate (95 %-KI)

7,4(6,6–9,1)

3,9(3,7–5,1)

HR = 0,51[95 %-KI 0,41–0,62]p < 0,0001

Gesamtüberleben (OS)(median, Monate)median, Monate (95 %-KI)

21,4(18,7-nicht schätzbar)

16,5(14,7–18,8)

HR = 0,66[95 %-KI 0,53–0,83]p = 0,00026

+ gesamtes Pa tien tenkollektiv; * Bewertung durch unabhängigen radiologischen Prüfungsausschuss

7

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

Schwerpunkt

reduziert wurde und die tatsächliche, tägliche Einnah-medosis bei im Mittel 43 mg lag, zeigte sich der oben beschriebene therapeutische Vorteil der Subs tanz ge-genüber Everolimus.

Adäquates Nebenwirkungs-management

Wie bei der TKI-Therapie generell ist auch beim Einsatz von Cabozantinib ein konsequenter Umgang mit Ne-benwirkungen erforderlich, welcher v. a. Supportiv-maßnahmen und Dosismodifikationen beinhaltet. In der METEOR-Studie betrug die Cabozantinib-Start dosis 60 mg tgl.: Im Studienverlauf wurden Dosismodifika-tionen auf 40 mg und 20 mg bei jenen Pa tien ten vor-genommen, die mit stärker ausgeprägten Nebenwir-kungen auf die Anfangsdosis reagierten. Einem phar-makokinetischen Populationsmodell zufolge wirken sich diese Dosismodifikationen auf die Effektivität der Therapie nicht aus, sodass die Cabozantinib-Dosis möglicherweise ohne Wirkungsverlust an die indivi-duelle Verträglichkeit des einzelnen Pa tien ten im Ver-lauf der Therapie angepasst werden kann [13].

AusblickDie Vielzahl verfügbarer Therapeutika beim fortge-schrittenen NZK hat zu einem sequenziellen Einsatz der verschiedenen effektiven Subs tanzen im Behand-lungsverlauf geführt. So werden aktuell in der Erstlini-enbehandlung zumeist alleinige VEGFR-Inhibitoren wie Sunitinib und Pazopanib eingesetzt. Der mTOR-

Inhibitor Everolimus ist bislang standardmäßig bei Pro-gression nach TKI-Therapie ab der Zweitlinie zur An-wendung gekommen. Allerdings etablieren sich auf Basis der neueren Studienergebnisse nun TKI und die Immuntherapie in der 2. Therapielinie und verdrängen die mTOR-Monotherapie in der sequentiellen Thera-piefolge weiter nach hinten [14].

Die Frage nach der optimalen Abfolge der zugelasse-nen Medikamente ist aufgrund der erst kurzen Verfüg-barkeit der neuen Subs tanzen Cabozantinib und Nivo-lumab sowie der Kombination Lenvatinib/Everolimus bislang ungeklärt. Sequenzstudien wie z. B.SWITCH-I (Vergleich der Abfolge Sunitinib-Sorafenib vs. Sorafe-nib-Sunitinib) [15], SWITCH-II (Pazopanib-Sorafenib vs. Sorafenib-Pazopanib) [16] und die laufende START-Studie (Vergleich von 6 verschiedenen 2-Medikamen-ten-Sequenzen) [17], der direkte Vergleich von Subs-tanzen in einer Therapielinie (z. B. Cabozantinib vs. Sunitinib Erstlinie in der CABOSUN-Studie [18] oder Nivolumab + Ipilimumab vs. Sunitinib Erstlinie in der CheckMate214-Studie [19]) und Daten aus Therapie-registern sollen Aufschluss über die vorteilhafteste Medikamentenabfolge geben. Allerdings berücksich-tigen diese Erhebungen die neuen Subs tanzen bislang häufig nur unzureichend. 

Cabozantinib stellt aktuell einen neuen Standard in der Zweitlinienbehandlung des NZK dar, doch könnte es in Zukunft möglicherweise auch bei nicht-vorbehan-delten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder me-tastasiertem Nierenzellkarzinom zur Anwendung kom-men. Diese Einschätzung beruht auf den Ergebnissen der CABOSUN­Studie, einer randomisierten, offenen 

▶Abb. 2  Signifikante Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit unter Cabozantinib im Vergleich zu Everolimus bei Pa tien ten mit ungünstiger Prognose aufgrund von Knochenmetastasen oder Knochen- und viszeralen Metastasen; mod. nach [12].

Patienten mit Knochenmetastasen

Übe

rlebe

nsw

ahrs

chei

nlic

hkei

t

0,00 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30

Monate

Cabozantinib (n = 77)Everolimus (n = 65)

20,112,1

Median (mo)

Hazard ratio 0,54 (95 %-KI 0,34–0,84)

Status der Knochenmetastasen basiert auf dem Nachweis von Knochenmetastasen im CT oder MRT durch ein unabhängiges radiologisches Expertengremium

Patienten mit Knochen- und viszeralen Metastasen

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

0,00 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30

Monate

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Cabozantinib (n = 60)Everolimus (n = 52)

20,110,7

Median (mo)

Hazard ratio 0,45 (95 %-KI 0,284–0,72)

8

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

Phase-II-Studie zum Erstlinieneinsatz von Cabozanti-nib im Vergleich zum bisherigen Standard Sunitinib bei insges. 157 Pa tien ten mit mittlerem und hohem Risi-ko. In dieser sogenannten „Alliance“-Studie konnte für Cabozantinib eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des PFS und der ORR gegenüber Suniti-nib aufgezeigt werden (PFS: 8,2 vs. 5,6 Monate; ORR: 46 vs. 18 %) [18]. Auch wenn diese Ergebnisse noch in weiteren Studien an größeren Kollektiven bestätigt werden müssen, deuten sie doch auf das große Poten-tial von Cabozantinib in der Behandlung des fortge-schrittenen Nierenzellkarzinoms hin.

Cabozantinib in internationalen Leitlinien

Aufgrund der überzeugenden Daten der METEOR-Stu-die hat Cabozantinib bereits im Juni 2016 mit gleichem Empfehlungsgrad wie Nivolumab Eingang in die EAU-Leitlinien gefunden. In den aktuellen Leitlinien der Eu-ropean Association of Urology (EAU), der European So-ciety of Medical Oncology (ESMO) und des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) zum Manage-ment des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms wird Cabozantinib gemeinsam mit Nivolumab übereinstim-mend als Standardtherapie in der 2. Behandlungslinie empfohlen.

Nahezu zeitgleich mit Zulassung und Markteinführung wurde Cabozantinib dann auch in die Therapiealgorith-men weiterer relevanter internationaler Leitlinien auf-genommen und ist damit in den Behandlungsempfeh-lungen für den Therapiealltag schon jetzt fest veran-kert.

Die im Februar 2017 veröffentlichte deutsche S3- Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nie-renzellkarzinoms“ gibt eine einheitliche Therapie-empfehlung für den neu zugelassenen Multi-Target-TKI Cabozantinib und den Checkpoint-Antikörper Nivolumab [20].

Literatur

[1] Choueiri TK, Escudier B, Powles T et al. Lancet Oncol 2016; 17: 917–927

[2] Ljungberg B, Bensalah K, Bex A et al. abrufbar unter https://uroweb.org/guideline/renal-cell-carcinoma/, letzter Aufruf am 12.01.2017

[3] Escudier B, Porta C, Schmidinger M et al. Ann Oncol 2016; 27: v58–v68

[4] National Comprehensive Cancer Network (NCCN) abrufbar unter: https://www.nccn.org/professionals/physician_gls/pdf/kidney.pdf; letzter Aufruf 23.01.2017

[5] Ljungberg B, Jacobsen J, Häggström-Rudolfssson S et al. Urol Res. 2003; 31: 335–340

[6] Zhou L, Liu X, Sun M et al. AACR Annual Meeting 2014. DOI: 10.1158/1538-7445.AM2014-687

[7] Rankin EB, Fuh KC, Castellini L et al. Proc Natl Acad Sci U S A 2014; 111: 13373–13377

[8] Kim W, Kaelin W. Curr Opin Genet Dev 2003; 13: 55–60

[9]  Koochekpour S, Jeffers M, Wang PH, et al. Mol Cell Ciol 1999; 19: 5902

[10] Zhou L, Liu XD, Sun M et al. Oncogene 2016; 35: 2687–2697

[11] Powles T, Motzer RJ, Escudier BJ et al. J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 4557)

[12] Escudier BJ, Motzer RJ, Powles T et al. J Clin Oncol 34, 2016 (suppl 2S; abstr 499)

[13] Lacy S, Hutmacher MM, Yang B et al. J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 2565)

[14] Onkopedia Leitlinie Nierenzellkarzinom (Hyperneph-rom), abrufbar unter https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/nierenzellkarzinom-hyperneph-rom/@@view/html/index.html, letzter Aufruf am 16.01.2017

[15] Eichelberg C, Vervenne WL, De Santis M et al. Eur Urol 2015; 68 (5): 837–847

[16] Gschwend J, Beeker A, de Santis M et al. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr TPS4591)

[17] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01217931, letzter Aufruf am 8.02.2017

[18] Choueiri TK, Halabi S, Sanford BL et al. Journal of Clinical Oncology 2016 DOI: 10.1200/JCO.2016.70.7398

[19] https://www.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02231749?term=CA209-214&rank=1, letzter Aufruf am 8.02.2017

[20] Doehn C, Grünwald V, Steiner T et al. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 590–596

[21] Pal SK et al. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl 6S; abstract 522)

[22] Campbell MT et al. J Clin Oncol 35, 2017 (suppl 6S; abstract 478)

▶Abb. 3 Algorithmus zur Therapie des fortge-schrittenen RCC gemäß EAU-Leitlinien. Cabozanti-nib oder Nivolumab werden als bevorzugte Optio-nen nach TKI-Therapie empfohlen; mod. nach [2].

Erstlinientherapie

empfohlen mit Überlebensvorteilempfohlen ohne Überlebensvorteil

Therapie des VEGF-resistenten RCC

Pazopaniboder

Sunitinib

Axitiniboder Cabozantinib

oder Everolimusoder Nivolumaboder Sorafenib

Cabozantiniboder

Nivolumab

Axitiniboder Everolimusoder Sorafenib

Everolimusoder Sorafenib

9

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

Schwerpunkt

INTERVIEW

„Ein Profit für den Pa tien ten, für sein tägliches Leben“Der neu für die Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassene Multi-Target-TKI Cabozan-tinib ist auf dem Weg, sich im Therapie-alltag zu etablieren. Prof. Dr. med. Cars-ten Bokemeyer und PD Dr. Gunhild von Amsberg vom Onkologischen Zentrum des UKE Hamburg beleuchten in diesem Interview praxisrelevante Aspekte zum Einsatz von Cabozantinib und geben einen Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen in der medikamentösen Therapie des fortgeschrittenen Nieren-zellkarzinoms.

Was ist das Innovative am neuen Multi-Target-Kinase-Inhibitor Cabozantinib?Prof. Bokemeyer: Mit Cabozantinib steht nun ein Tyrosinkinase-Inhibitor zur Verfügung, der über ein breites Ziel-Spektrum verfügt. Im Gegensatz zu den anderen für die Therapie des fort-geschrittenen Nierenzellkarzinoms ver-fügbaren TKI hemmt Cabozantinib neben dem VEGF-Rezeptor auch die Signalmoleküle MET und AXL, die mit einer Resistenz gegen die Anti-VEGF-Therapie in Verbindung gebracht wer-den. Insofern birgt das relativ breite Ziel-Spektrum des neuen TKI das Poten-zial für eine Wirksamkeitsverbesse-rung. Dies zeigte sich in der METEOR-Studie, die den Zweitlinieneinsatz von Cabozantinib gegen Everolimus prüfte, in einer signifikant besseren klinischen Wirksamkeit von Cabozantinib.

Was können Sie aus Ihren eigenen Erfahrungen mit Cabozantinib berichten?Prof. Bokemeyer: Die Subs tanz ist mittlerweile im Praxisalltag angekom-men. Sie kann meist unproblematisch bei Pa tien ten eingesetzt werden, und es ist festzustellen, dass die Pa tien ten von der Therapie profitieren und Remis-sionen haben. Ob der Benefit genauso ausgeprägt ist wie in Studien, lässt sich bei der bislang begrenzten Pa tien-tenzahl nicht sicher beurteilen. Da es

unter der Therapie allerdings zu Neben-wirkungen kommen kann, ist unserer Erfahrung nach bei einem Teil der Pa-tien ten die niedrigere Dosis von 40 mg Cabozantinib von Vorteil.

PD Dr. v. Amsberg: Viele Pa tien ten vertragen aber auch die empfohlenen 60 mg Cabozantinib ohne Schwierigkei-ten. Bei fitten Pa tien ten, die nur wenige Begleiterkrankungen haben, ist ein Therapiebeginn mit 40 mg Cabozanti-nib daher keineswegs erforderlich. Die Studiendaten zeigen, dass knapp 40 % der Pa tien ten ohne Dosisreduktion be-handelt werden konnten. Bei Pa tien ten, die jedoch schon Vorläuferbehandlun-gen mit Sunitinib oder Pazopanib nicht gut vertragen haben und dadurch mög-licherweise Vorbehalte gegen die TKI-Therapie haben, kann der Einstieg mit 40 mg und eine anschließende Dosiser-höhung auf 60 mg Cabozantinib bei guter Verträglichkeit sinnvoll sein. Mei-nes Erachtens ist in der Frage der Dosie-rung etwas Flexibilität erforderlich.

Gibt es spezielle Pa tien tengruppen, die bevorzugt mit Cabozantinib behandelt werden, bzw. welche Gesichtspunkte sind für Sie vorran-gig bei der Therapieauswahl?Prof. Bokemeyer: Die Behandlung mit Cabozantinib ist gemäß Zulassung für alle Pa tien ten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom geeignet, die eine Zweitlinientherapie erhalten sollen. Den größten Nutzen aus der Therapie dürften meiner Meinung nach Pa tien-ten mit hohem Remissionsdruck, sehr rascher Progression und deutlich aus-geprägter ossärer Metastasierung zie-hen. Interessanterweise haben Pa tien-ten mit der stärksten Remission auch den größten Vorteil in der medianen Überlebenszeit, wie aktuelle Daten vom ASCO-GU Kongress zeigen [21].

PD Dr. v. Amsberg: In der METEOR-Studie zeigte eine explorative Sub-gruppenanalyse, dass Pa tien ten mit Knochenmetastasen bzw. einer zeit-gleichen ossären und viszeralen Me tas tasierung besonders gut auf

Cabozantinib ansprachen. Da diese Daten jedoch nur explorativ und nicht im Rahmen einer randomisierten Stu-die erhoben wurden, und letztlich alle Pa tien tensubgruppen von der Therapie mit Cabozantinib profitiert haben, sehen wir nicht zwingend die Notwen-digkeit, den Einsatz der Subs tanz im klinischen Alltag auf bestimmte Pa tien-ten zu beschränken.

Können Sie über besondere Therapieverläufe berichten?PD Dr. v. Amsberg: Erwähnenswert ist z. B.der Fall eines Pa tien ten mit ossärer und viszeraler Metastasierung – also ein klassischer Fall von schlechter Prognose –, bei dem wir Cabozantinib kurz nach dessen Ver fügbarkeit eingesetzt haben. Der Patient war unter Sunitinib progredient geworden. Da er die Be-handlung mit Sunitinib gut vertragen hatte, bekam er Cabozantinib von An-fang an in der 60 mg-Dosierung. Zum Zeitpunkt des Progresses litt der Pa-tient unter ausgeprägten Knochen-schmerzen, ähnlich wie auch schon bei Diagnosestellung. Die ossäre Sympto-matik, die bei diesem Pa tien ten zu-gleich auch das 1. klinische Zeichen für das Voranschreiten der Erkrankung dar-stellte, verschwand innerhalb der ers-ten 4 Wochen nach Aufnahme der Be-handlung mit Cabozantinib; ein Schmerzmittelbedarf war nicht mehr vorhanden. Mit Ausnahme einer leich-ten Fatigue hat der Patient Cabozanti-nib bislang ohne jegliche Schwierigkei-ten vertragen.

Prof. Bokemeyer: Es ist durchaus be-eindruckend, wenn das klinische Zei-chen der Krankheitsprogression – in diesem Fall die Knochenschmerzen – mit der Umstellung auf die neue Thera-pie rückläufig wird. Der Nutzen von Cabozantinib ist somit nicht nur im ob-jektiven Ansprechen, also einer Verbes-serung des radiologischen Befunds zu sehen, sondern auch im klinischen Be-nefit, den der Patient davontragen kann. Es handelt sich um einen echten Profit für den Pa tien ten, für sein täg­

10

Bokemeyer C, von Amsberg G. Cabozantinib Thieme Drug Report 2017; 11 (10): 1–12

INTERVIEW

liches Leben. Und das ist letztendlich das wichtigste Ziel der Therapie.

Was die ossäre Problematik beim fort-geschrittenen Nierenzellkarzinom be-trifft, ist festzuhalten, dass diese schon früher oft schlecht behandelbar war und sich das auch mit der Verfügbarkeit neuer Subs tanzen bislang nicht we-sentlich geändert hat. Es ist daher ein sehr positives Zeichen, dass Cabozanti-nib in diesem Fall eine entsprechende Wirksamkeit gezeigt hat.

Welche Fragen beim Nierenzellkarzi-nom sind vordringlich in Studien zu klären?Prof. Bokemeyer: Zu den vorrangigen Aufgaben zählen meines Erachtens die Identifizierung prädiktiver Parameter für die Immuntherapie und die Evaluie-rung der Effektivität verschiedener Me-dikamentenkombinationen – u. a. auch von TKI und Immuntherapeutika –, ein-schließlich deren Einordnung in die Sequenztherapie. Darüber hinaus wäre es wichtig zu klären, welche Be-deutung die verfügbaren Therapiestra-tegien für das nicht-klarzellige Nieren-zell karzinom haben. Hier zeigen aktuel-le Cabozantinib-Daten vom ASCO GU Kongress auch bei nicht-klarzelliger Histologie durchaus gute Wirksamkeit ganz besonders beim papillären Karzi-nom, das ja oft mit MET-Mutationen einher geht, also einem der Targets von Cabozantinib [22].

PD Dr. v. Amsberg: Es ist die Frage nach der richtigen Sequenz, die jetzt in Studien unbedingt geklärt werden soll-te. Mit der Verfügbarkeit der neuen Subs tanzen Cabozantinib und Nivo-lumab sowie der Kombination aus Len-vatinib und Everolimus, die eine Zu-nahme des Gesamtüberlebens von der 2. Therapielinie aufwärts zeigen, stellt

sich nun die Frage, wann welches Medi-kament für einen maximalen Therapie-effekt zum Einsatz kommen sollte. Das sollte man möglichst in randomisierten Studien und nicht in retrospektiven Da-tenanalysen klären.

Welche Rolle sehen Sie in diesem Zusammenhang für Kombinations-therapien?PD Dr. v. Amsberg: Mit Lenvatinib plus Everolimus haben wir aktuell eine zu-gelassene Kombinationsbehandlung. Es wäre selbstverständlich wünschens-wert, mit einer klugen Kombination einen Progress noch weiter als bislang möglich hinauszuzögern – nicht zu-letzt, weil die Erfahrung aus dem klini-schen Alltag zeigt, dass mit jeder Thera-pielinie die Ansprechwahrscheinlichkeit und auch die Ansprechdauer tendenzi-ell abnehmen. Ob mit einer Kombina-tion aus TKI und Immuntherapie eine länger anhaltende Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit erzielt werden kann, muss sich noch zeigen.

Prof. Bokemeyer: Ich sehe die Rolle sol-cher Wirkstoffkombinationen v. a. in der frühen Therapielinie. Denn Ziel soll-te es sein, schon frühzeitig bei so vielen Pa tien ten wie möglich eine Tumorrück-bildung und Langzeitkontrolle der Er-krankung zu erreichen. Dieser Anspruch wird auch Einfluss darauf nehmen, wie sich die Erstlinientherapie weiterentwi-ckelt – ob z. B. Kombinationen von Im-muntherapeutika oder vielmehr Kombi-nationen aus TKI plus Immuntherapeu-tika zukünftig eine vorrangige Rolle spielen werden. Kombinationen aus mehreren TKI zeigen nach bisherigen Erfahrungen nicht das gewünschte the-rapeutische Potenzial und werden sich vermutlich auch nicht durchsetzen.

PD Dr. v. Amsberg: Möglicherweise kann – rein spekulativ – mit einer effek-tiven Kombinationsbehandlung ein Zu-stand erreicht werden, in dem die Pa-tien ten chirurgisch resektabel werden. Insbesondere bei jüngeren Pa tien ten könnte diese Strategie der „Induktion“ plus Metastasenresektion eine neue Be-handlungsoption darstellen.

Wie schätzen Sie das Potenzial von Cabozantinib in der Systemtherapie des fortgeschrittenen Nierenzell-karzinoms ein?Prof. Bokemeyer: Cabozantinib ist ak-tuell für die Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms zugelassen. Phase-II-Daten aus der CABOSUN-Studie zeigen jedoch, dass die Subs tanz auch in der Erstlinienbe-handlung sehr effektiv ist – möglicher-weise sogar effektiver als der bisherige Standard Sunitinib, der in der Studie eingesetzt wurde. So konnten in CABO-SUN mit Cabozantinib sowohl hinsicht-lich des progressionsfreien Überlebens als auch der Ansprechrate signifikant bessere Ergebnisse erzielt werden als mit dem Erstlinien-Standard Sunitinib. Sollten sich diese Daten weiter bestäti-gen, hat Cabozantinib das Potenzial, zukünftig eine wichtige Rolle in der Erst-linientherapie des RCC zu spielen. Wie genau die Erstlinienbehandlung des Nierenzellkarzinoms in Zukunft aus-sieht, wird sich aber erst in den laufen-den Studien zeigen. Meiner Einschät-zung nach wird Cabozantinib unter den verfügbaren Medikamenten eine klare Rolle im Gesamttherapiekonzept des Nierenzellkarzinoms einnehmen.

Herr Prof. Bokemeyer, Frau PD Dr. v. Amsberg, danke für das Gespräch.

11

CBZ-

AT-0

0014

3