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Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung POLITIK & UNTERRICHT E 4542 ISSN 0344-3531 Europa wählt – Europa wird größer! Europa wählt Europa wird größer Europa wird anders Perspektiven, Chancen und Probleme 1-2/2004

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ISSN 0344-3531

Europa wählt –Europa wird größer!

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1-2/2004

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1-2/20041. Quartal 30. Jahrgang

POLITIK & UNTERRICHT wird von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben.

Herausgeber und Chefredakteur:Dr. h. c. Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Redaktionsteam:Geschäftsführender Redakteur: Dr. des. Reinhold Weber, Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart

Ernst-Reinhard Beck, MdB, Oberstudiendirektor a. D., PfullingenJudith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), StuttgartUlrich Manz, Rektor der Schiller-Schule Esslingen(Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule)Horst Neumann, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt undVerkehr Baden-Württemberg, StuttgartAngelika Schober-Penz, Studienassessorin, Ministerium fürUmwelt und Verkehr Baden-Württemberg, StuttgartKarin Schröer, Reallehrerin, Eichendorff-RealschuleReutlingen

Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38Tel. (0711) 16 40 99-42/45, Fax (0711) 16 40 99-77

E-Mails an die Redaktion:[email protected]@lpb.bwl.de

POLITIK & UNTERRICHT erscheint vierteljährlich

Preis dieser Nummer: € 5,60

Jahresbezugspreis € 11,20.Unregelmäßig erscheinende Sonderhefte werden zusätzlichmit je € 2,80 in Rechnung gestellt.

Verlag: Neckar-Verlag GmbH, 78050 Villingen-Schwenningen, Klosterring 1, www.neckar-verlag.de

Druck: PFITZER DRUCK GMBH, Benzstr. 39,71272 Renningen

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt dieMeinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.

Nachdruck oder Vervielfältigung aufelektronischen Datenträgern sowie Einspeisung in Datennetzenur mit Genehmigung der Redaktion.Auflage dieses Heftes: 25 000

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Europa wählt -Europa wird größer!

Vorwort des Herausgebers __________________ 1

Geleitwort des Ministeriumsfür Kultus, Jugend und Sport ________________ 2

Autor dieses Heftes ________________________ 2

Unterrichtsvorschläge

Einleitung ________________________________ 3

Baustein AEuropa wählt ______________________________ 8

Baustein BEuropa wird größer ________________________ 10

Baustein CEuropa wird anders ________________________ 13

Baustein DPerspektiven, Chancen und Probleme ________ 14

Literaturhinweise ________________________ U 3

(Alle Bausteine Gerhart Maier)

Politik & Unterricht im Internethttp://www.lpb.bwue.de/PuU/

Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler ________ 17–69

Meine Meinung zur Erweiterung ____________ 70

Internetseiten zum Thema(Susanne Meir) ____________________________ 71

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VorwortdesHerausgebers

Europa wählt – Europa wird größer! 15 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und25 Jahre nach den ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament könnten die Eu-ropawahlen im Juni 2004 zum Symbol eines geeinten Europa werden, das seine künst-liche Spaltung überwunden hat. Die Erweiterung der EU um zehn bzw. zwölf eu-ropäische Staaten ist ein Vorgang von historischer Bedeutung – für die EuropäischeUnion selbst und für die Beitrittsländer. Die Gemeinschaft steht vor ihrer bislang größ-

ten Erweiterungsrunde: das ist eine historische Herausforderung und gleichzeitig eine Chance! Strukturelle undinstitutionelle Reformen sind dazu bereits auf den Weg gebracht. Mit der Verabschiedung einer Verfassung fürdas geeinte Europa ist ebenfalls im Jahr 2004 zu rechnen. Aber der Beitritt ist auch für die neuen Mitgliedstaa-ten eine tiefe Zäsur in ihrem Transformationsprozess. Mit großer Zustimmung der Bevölkerungen streben sie mitder Unterstützung der bisherigen EU-15 nach einer Teilhabe an den Werten der EU: Demokratie, Rechtsstaat,Schutz der Menschenrechte und der Minderheiten. Das geeinte Europa war in den vergangenen Jahren ein Ga-rant für Frieden, Sicherheit, politische Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg. Die mittel- und osteuropäischen Län-der erhalten nun endlich die Chance auf die Teilnahme am Projekt der europäischen Integration.

Wer macht was in Europa? Wie funktioniert Europa? Und wo betrifft Europa das alltägliche Leben der Menschen?Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, die sich für 2004 den thematischen Schwerpunkt»Europa« gewählt hat, nimmt mit dieser Ausgabe von Politik & Unterricht das epochale Ereignis der EU-Erwei-terung und die Aktualität der Europawahlen gerne zum Anlass, Lernende und Lehrende zu einer Auseinander-setzung mit Europa einzuladen. Wir sind uns der Problematik bewusst, dass Europa oft nur als weit entfernt lie-gende und von den Bürgerinnen und Bürgern abgehobene »Brüsseler Bürokratie« wahrgenommen wird. Daszeigen auch die niedrigen Beteiligungsquoten bei den vergangenen Europawahlen.

Aber Europa wird von »unten« gebaut und gelebt. Durch die Erweiterung wird die Europäische Union bunter undvielfältiger. Der Reichtum Europas liegt in seiner Vielfalt: in gesellschaftlicher, kultureller und geografischer Hin-sicht. Aber die Erweiterung bringt auch Schwierigkeiten mit sich, nicht nur wirtschaftlicher Art. Das geeinte Eu-ropa war jedoch schon immer ein offenes Vorhaben und eine Vision – und es wird auch weiterhin ein Projekt derZukunft sein, nicht zuletzt ein Projekt der Jugend. Was in den vergangenen Jahrzehnten an engen Freundschaf-ten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene mit den bisherigen EU-Staaten gewachsen ist, wird sich glei-chermaßen mit den Ländern Mittel- und Osteuropas entwickeln. Dazu bedarf es großer Anstrengungen, die aufallen Ebenen bereits unternommen werden. Die Erweiterung der EU wird das persönliche Miteinander der Men-schen in Europa noch verstärken. Aber Europa bedeutet auch die Auseinandersetzung mit einem politischen Sys-tem, mit politischen Vorgängen und Institutionen. Wer diese kennt, kann die Abgrenzung und das Ineinander-greifen der unterschiedlichen Politikebenen besser verstehen und leichter eine Antwort auf die oben gestelltenFragen finden.

Dr. h. c. Siegfried SchieleDirektor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

Horst Neumann 60 Jahre alt!Unser langjähriges Redaktionsmitglied Horst Neumann feierte am 21. März seinen 60. Geburtstag.Man möchte Einblick in seinen Personalausweis nehmen, um das zu glauben. Wer noch so vieleIdeen hat, so viel Tatkraft, so viel Originalität, der ist auch mit 60 Jahren jung geblieben! Horst Neu-mann gehört zu den Gründungsvätern unserer Zeitschrift.Von 1975 an bis heute hat er engagiert inder Redaktion mitgearbeitet. Auf sein fundiertes und geschliffenes Urteil möchten wir nicht verzich-ten.

Darüber hinaus hat er viele, viele Hefte als Autor gestaltet. Insider erkennen die »Neumann-Hefte«auf den ersten Blick: spritzige Themen, unkonventionell angelegt, motivierend ausgestaltet, starknachgefragt. Wir haben also sehr zu danken und wünschen Horst Neumann, dass er weiterhin soerfrischend bleiben und »seiner Zeitschrift« die Treue halten möge. Siegfried Schiele

Frau Judith Ernst-Schmidt 50 Jahre alt!Am 20. Februar hat Frau Judith Ernst-Schmidt ihren 50. Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren herzlichund wünschen ihr – und unserer Zeitschrift! – auch weiterhin so viel Tatkraft und Engagement.

Die gebürtige Karlsruherin bereichert das Redaktionsteam von P&U seit 1997 – mit profunder di-daktischer Fachkenntnis und als kritische Begutachterin der Heftmanuskripte. 2002 hat die Studi-enrätin an der Werner-Siemens-Schule in Stuttgart mit dem Heft »Der Seminarkurs« einen wichti-gen Beitrag zum Thema Methodenkompetenz in der Schule geleistet. Dass die Ausgabe so schnellvergriffen war, ist für uns der beste Lackmustest für ihre Qualität. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Frau Ernst-Schmidt! Siegfried Schiele

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Ein Fest für Europa: Ungarische Jugendliche werden in ihrer Schule in der Nachtvom dreißigsten April auf den ersten Mai feiern. Sie werden feiern, dass ihr Landin die Europäische Union aufgenommen wird. Und auf einem großen Platz inBudapest läuft eine Stoppuhr, welche die verbleibenden Stunden, Minuten undSekunden bis zum Eintritt in die EU zählt. Hier zu Lande sucht man so viel Eu-phorie oft vergebens. Die öffentliche Meinung ist von Sorgen und Ängsten ge-prägt. Dabei sind auch in den Beitrittsstaaten kritische Stimmen zu hören. Sobefürchten osteuropäische Staaten, dass ihre nationale Identität und ihre poli-tische Souveränität, die sie gerade erst mühsam gewonnen haben, im verei-nigten Europa nur eine geringe Rolle spielen werden. Umgekehrt fürchtenlangjährige EU-Staaten gerade dies: dass osteuropäische Länder eine politi-sche Kultur des Nationalismus mitbringen und dass sie ihre staatliche Souve-ränität nicht einschränken lassen wollen. In ihren Befürchtungen stehen sichalte und neue EU-Staaten also in nichts nach. Beiderseits sind mit der EU-Er-weiterung zahlreiche Fragen und ungelöste Probleme verbunden.

Angesichts solcher Befürchtungen lohnt es sich, den Blick auf die ideelle Ba-sis der Union zu lenken. Nie war die Europäische Gemeinschaft nur ein auf wirt-schaftliche Interessen gegründeter Zweckbund. Immer war Europa mehr als einWirtschaftsverband, immer gab es die Vision eines friedlichen Miteinanders dereuropäischen Staaten, die von einem gemeinsamen Wertesystem und einergemeinsamen europäischen Identität zusammengehalten werden. Dazu kommtnoch etwas anderes: Das Projekt Europa ist einzigartig. Es gibt keine histori-schen Vorbilder. Das macht es einerseits so ungewiss, andererseits so span-nend. Das Projekt Europa ist ein System, das sich dauernd weiterentwickeltund sich in ständiger Bewegung befindet, dessen Ausgang offen ist und des-sen Zielsetzung einem dynamischen Prozess unterworfen ist, das im Entste-hen begriffen ist und doch schon funktioniert. Es ist ein Experiment, aber eskönnte auch ein Modell werden: Mit großem Interesse betrachten Asien, derNahe Osten und Süd- und Mittelamerika den europäischen Einigungsprozess.

Die Landeszentrale für politische Bildung legt nun ein Heft vor, das aktuelle In-formationen und Unterrichtsmaterialien zum Thema Europa bietet. Damit kön-nen die Schülerinnen und Schüler handlungsorientiert und altersgerecht an eineschwierige Materie herangeführt werden und es ist zu wünschen, dass sie sichneugierig und zuversichtlich mit dem spannenden Projekt Europa auseinandersetzen, dass sie die neuen Beitrittsländer willkommen heißen und dass dieWahlberechtigten unter ihnen im Juni 2004 ihr Wahlrecht nutzen. Und vielleichtfeiern ja auch sie ein Fest für Europa, aller Ungewissheit und allen Befürch-tungen zum Trotz.

Johanna SeebacherMinisterium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Geleitwortdes Ministeriumsfür Kultus, Jugendund Sport

Autor dieses Heftes Gerhart Maier, Professor i. R.,Esslingen am Neckar

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Europa wählt – Europa wird größer!

Einleitung

Das Jahr 2004 wartet auf der europäischen Bühnegleich mit drei Ereignissen auf, die für den europäi-schen Integrationsprozess von grundsätzlicher Be-deutung sind und die Struktur der Europäischen Union nachhaltig verändern werden. Folgende Neue-rungen stehen auf der europäischen Agenda:

• die Aufnahme von zehn mittel- und osteuropäi-schen Staaten in die EU der 15 und damit diegrößte Erweiterungsrunde in der Geschichte deseuropäischen Integrationsprozesses,

• die sechste Direktwahl zum Europäischen Parla-ment, an welcher sich auch die Bevölkerungender neuen Mitgliedstaaten beteiligen werden, und

• die Regierungskonferenz zur Neubegründung derEU durch die Verabschiedung einer Verfassung.

Im Jahr 2004 gehört es zu den vorrangigen Aufgabendes Unterrichts in allen Schularten, die Bedeutungdieser drei Ereignisse den Schülerinnen und Schülernbewusst zu machen und durch geeignete Unter-richtsverfahren und Materialangebote ihr Verständnisfür das Wesen und die weitere Entwicklung der EU zufördern. Da die hochgradige Aktualität der EU-Erwei-terung, der Europawahl und der Verfassungsdiskus-sion auch in den Medien verstärkt ihren Nieder-schlag findet, ist zu erwarten, dass bei den Jugendli-chen mehr als in Zeiten, in denen es um Europa eherruhig ist, das Bedürfnis geweckt wird, auch in derSchule über die anstehenden Veränderungen infor-miert und in die Diskussion einbezogen zu werden.

Das Europathema einschließlich seiner UnterthemenErweiterung, Direktwahl zum Europäischen Parla-ment und Verfassungsvorschlag des europäischenKonvents ist kein Unterrichtsgegenstand wie jeder an-dere. Zum einen müssen sich die Lehrenden darüberklar sein, dass die Schülerinnen und Schüler bei derBehandlung der europäischen Integration in ihre Le-benswelt von morgen eingeführt werden: Ohne dassuns dies in jedem Fall bewusst wird, fallen wichtige,unser tägliches Leben beeinflussende Entscheidun-gen heute nicht mehr in Stuttgart oder Berlin, sondernauf der europäischen Ebene in Brüssel und Straß-burg. Es gibt fast kein Themengebiet der Politik, dasnicht von der EU entschieden oder mindestens mit-entschieden würde: von den Friedensmissionen aufdem Balkan und der Gleichstellung der Frauen bis zurWährungsstabilität, von den Zusammenschlüssenvon Großunternehmen bis hin zum Dosenpfand undvon der Buchpreisbindung bis zur Telekommunikati-on und zu den Milch- und Butterpreisen. Zum ande-ren liegt die EU häufig außerhalb des Blickfelds der

Jugendlichen. Deren Wahrnehmung und Kenntnis-stand hinsichtlich der europäischen Ebene ist unge-mein gering; die Undurchsichtigkeit und die Komple-xität der europäischen Entscheidungsprozesseschrecken sie eher ab. Die durch die europäische In-tegration gewonnenen Annehmlichkeiten – Freizü-gigkeit, Mobilität, größeres und zumeist billiges Wa-renangebot u.a. – werden dagegen oft als schiereSelbstverständlichkeit hingenommen.

Dem Unterricht fällt die wichtige Aufgabe zu, den In-formationsstand anzuheben, die nach wie vor beste-hende Distanz zu Europa abzubauen und den Adres-saten bewusst zu machen, wie sehr wir vomeuropäischen Integrationsgeschehen und den Rege-lungen der europäischen Ebene betroffen sind, die in-zwischen tief in unser Alltagsleben eingreifen. Die not-wendige Verschiebung der Perspektive vom Natio-

Die Einstellung der Jugendlichenzur europäischen Integration

Nachdem Europa noch in den 1980er- und auch zu Be-ginn der 90er-Jahre ein wichtiges Thema gewesen ist, istdie Bedeutung in der öffentlichen Aufmerksamkeit seitdemspürbar zurückgegangen ... Von der Sache her wird Eu-ropa von den Jugendlichen allerdings nicht in Frage ge-stellt. Insgesamt 47 Prozent ... sind der Meinung, dasssich die Europäische Union langfristig zu einem einheitli-chen Staat entwickeln und zusammenschließen sollte ...26 Prozent lehnen diese Perspektive ab ... Europa ist fürdie Jugendlichen in Deutschland offenbar eine Realität, zuder man sich positiv ins Verhältnis setzt. Die häufig be-schworene deutsche nationale Identität steht dem offen-bar nicht entgegen. Im Gegenteil, die Mehrheit der Ju-gendlichen hält sogar einen einheitlichen europäischenGesamtstaat für eine wünschenswerte Perspektive. Dassdie Jugendlichen aus den neuen Bundesländern hierbeietwas zurückhaltender sind, dürfte in Anbetracht der erstseit 1989 vollzogenen deutschen Wiedervereinigungkaum überraschen ...Ähnlich verhält es sich gegenüber der so genanntenOsterweiterung. Einer Aufnahme von Ländern aus Osteu-ropa wie etwa Tschechien, Ungarn oder Polen in die Eu-ropäische Union stimmen insgesamt 44 Prozent – hierbei42 Prozent aus den alten Bundesländern und sogar 48Prozent aus den neuen Bundesländern – explizit zu. Ab-lehnend äußert sich in diesem Fall rund ein Drittel der Ju-gendlichen ... Trotz der in diesem Fall etwas größeren Vor-behalte unterstreicht auch dies noch einmal die»Europa-Orientierung«, die für die Mehrheit der Jugendli-chen in Deutschland inzwischen charakteristisch ist … Inder Gesamtschau dominiert ... bei den Jugendlichen ...eine positive Grundeinstellung zu Europa und zu einervoranschreitenden weiteren Einigung.

Deutsche Shell (Hrsg.): Jugend 2002. Frankfurt/M.(Fischer), S. 127f.

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Souveränität und übertragen die Zuständigkeit für po-litische Entscheidungen in ausgewählten Bereicheneuropäischen Institutionen. Sie entscheiden aber überdiese Institutionen – insbesondere den Ministerrat –auf der europäischen Ebene mit. Durch die Veranke-rung des Subsidiaritätsprinzips in den Verträgen istgewährleistet, dass nur soviel wie nötig gemein-schaftlich geregelt wird und alle übrigen Zuständig-keiten bei den Einzelstaaten verbleiben. »Man hat dasGesamtsystem der Politikverflechtung innerhalb derEuropäischen Union auch als dynamisches Mehr-ebenensystem bezeichnet und so auf den Prozess-charakter des Zusammenwirkens unterschiedlicherpolitisch verfasster Steuerungsebenen, von den Kom-munen über die Regionen (in Deutschland auch dieLänder) und Nationalstaaten bis hin zur europäischenEbene der Union hingewiesen. Die Nationalstaatensind zwar auf allen Ebenen beteiligt, sie können aberdie Entscheidungen nicht mehr autonom kontrollie-ren.«1 Dabei entsteht zwar kein »Europäischer Bun-desstaat«, die EU ist aber infolge der unbestrittenenVerbindlichkeit ihrer Verordnungen und Richtlinien füralle Mitgliedstaaten weit mehr als ein bloßer Staaten-bund. Die EU ist ein System ganz eigener, unver-gleichlicher Wesensart; weder in der Geschichte nochin der Gegenwart gibt es ein Modell des Zusammen-wirkens von Staaten, das mit der EU vergleichbarwäre.

Reisen »ohne Schlagbaum«, eine gemeinsame europäische Regierung undbessere wirtschaftliche Chancen – das sind die herausragenden Errungen-schaften und Wünsche, die Jugendliche mit Europa verbinden.

nalstaat auf die europäische Ebene kann jedoch nurgelingen, wenn auch die »jungen Europäer« sich vonEuropa wirklich angesprochen fühlen und deshalb –mehr als bisher – bereit sind, sich mit diesem wichti-gen Phänomen auseinander zu setzen.

Prinzipien der europäischen Integration und der EU

Wenn man den Jugendlichen das Wesen der Eu-ropäischen Union verdeutlichen will, ist es nichtzweckmäßig, Einzelheiten des Institutionengefügesder Gemeinschaft oder die komplizierten Entschei-dungsprozesse auf der europäischen Ebene aus-führlich zu beschreiben. Wichtiger ist es, dass die Ju-gendlichen die Prinzipien, nach welchen Europafunktioniert und durch welche es sich von herkömm-lichen und vertrauten politischen Strukturen unter-scheidet, kennen lernen und sich kritisch mit diesenauseinander setzen. Zur raschen und hinreichendenInformation über die EU-Organe und zahlreiche wei-tere Einzelaspekte, die aus Zeitgründen im Unterrichtoft nicht vertieft werden können, deren Kenntnis aberbisweilen für die Schülerinnen und Schüler nützlichist, liegen zahlreiche auch zum Selbststudium derAdressaten geeignete Informationshefte und -bücherfür Jugendliche vor (vgl. Literaturhinweise für Schüle-rinnen und Schüler auf U 3 sowie Hinweise auf Inter-netseiten).

Die europäische Integration folgt einer Reihevon Prinzipien:

1. Gemeinsame Bewältigung grenzüberschreitenderHerausforderungen durch die Schaffung einer supra-nationalen (europäischen) Handlungsebene

Zahlreiche und vielfältige Probleme etwa im Bereichder Umweltpolitik, der Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik, Währungsturbulenzen oder auch das

1 Rainer M. Lepsius, in: Reinhold Viehoff/Rien T. Segers(Hrsg.): Kultur, Identität, Europa. Frankfurt/M. (Suhr-kamp) 1999, S. 213.

Problem der Organisierten Kriminalitätkönnen von den Nationalstaaten europäi-schen Zuschnitts nicht mehr bewältigtwerden. Die Europäische Union stellt des-halb den Versuch dar, Problemebene undEntscheidungsebene wieder in Einklangzu bringen (Werner Weidenfeld). Die Ge-meinschaft hat in ihrer bisherigen Ge-schichte – trotz ihrer Unvollkommenheitund mancher Rückschläge – bewiesen,dass die europäische Problemlösungs-ebene bei weitem effektiver ist als die ein-zelstaatliche Ebene. Nicht zuletzt wirddies auch durch den Wunsch der ost- undmitteleuropäischen Staaten bestätigt,möglichst rasch Mitglieder der Union zuwerden.

2. Integration von Teilbereichen der Poli-tik (Übertragung von Entscheidungskom-petenzen auf die europäische Ebene)nach der Maxime »So viel wie nötig«

Die EU-Mitgliedstaaten verzichten dort,wo sie es für zweckmäßig halten, auf ihre

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ropäischen Union, die die politischen Weichen in Eu-ropa stellen. Zwar wurden die Zuständigkeiten desEuropäischen Parlaments im Laufe der bisherigen In-tegrationsgeschichte immer wieder erweitert, abervon einer Parlamentarisierung der Europäischen Uni-on sind wir nach wie vor weit entfernt. Dies ist die not-wendige Konsequenz der Einflussnahme der Einzel-staaten auf die EU-Politik, denn eine Übertragung deralleinigen Gesetzgebungsbefugnisse auf das Eu-ropäische Parlament, wie sie in demokratischen Staa-ten selbstverständlich ist, würde eine völlig andere –bundesstaatliche – Struktur der EU voraussetzen. Bisheute gilt deshalb: Die Regierungen der Mitglied-staaten sind die »Herren der Verträge«, die Staats-und Regierungschefs fassen im Europäischen Rat diewegweisenden Beschlüsse.

Zeichnung: Mester

3. Integration als Prozess

Die Europäische Union ist ein »System im Werden«(Beate Kohler-Koch); weder ihre endgültige Strukturnoch die Zahl ihrer Mitglieder sind gegenwärtig ab-sehbar. Die Union ist bis heute ein Staatenverbundohne Finalität; weder ihre institutionelle Ausgestaltungnoch ihre geografischen Grenzen sind endgültig.Durch immer wieder vorgenommene Vertragsergän-zungen hat sich ein politisches Gebilde entwickelt,das tief in die Einzelstaaten und in das Leben jedeseinzelnen EU-Bürgers eingreift. Durch fortgesetzte Er-weiterungen ist aus der Sechsergemeinschaft der1950er- und 60er-Jahre die EU der 15 entstanden, diesich nun durch die Aufnahme von zehn mittel- und ost-europäischen Staaten erneut vergrößert.Weitere Bei-

Mehrheitsentscheidungenmöglich wären. Der Grunddafür ist, dass meis-tens Kompromisse zwi-schen unterschiedlichen In-teressen und Anliegen derfünfzehn Staaten gesuchtund gefunden werden. DerVerfassungsentwurf desEuropäischen Konventssieht sogar die Möglichkeiteines Austritts aus der EUvor für den Fall, dass einerder Mitgliedstaaten die Ent-scheidungen auf der eu-ropäischen Ebene nichtmehr mittragen will.

5. Vorrang der intergouver-nementalen Zusammenar-beit

Nach wie vor sind es dieStaaten bzw. deren Regie-rungen im EuropäischenRat und im Rat der Eu-

trittsaspiranten stehen vor der Türe der Ge-meinschaft. Der Verfassungsvorschlag des eu-ropäischen Konvents sieht abermals eine In-tensivierung (Vertiefung) der Union vor.

4. Gleichberechtigung aller Mitgliedstaatenund vorherrschende Entscheidungsfindungauf dem Kompromisswege

Obgleich bei vielen Entscheidungen (Mehr-heitsentscheidungen) die Stimmen im Mi-nisterrat der EU nach der Größe der Mitglied-staaten gewichtet werden und im Europäi-schen Parlament die Zahl der Abgeordnetenjedes Mitgliedstaates sich nach dessen Bevöl-kerungszahl richtet, ist für zentrale Entschei-dungen z.B. in der Sicherheitspolitik, bei derFrage der Aufnahme neuer Mitglieder oder beiVertragsveränderungen die Zustimmung allerMitgliedstaaten erforderlich. Zudem erfolgenauch dann die Beschlüsse im Ministerrat inder Regel einstimmig, wenn qualifizierte

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6. Hinnahme eines »Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten«Der unterschiedliche ökonomische Entwicklungsstandder Mitgliedstaaten und die divergierenden Vorstel-lungen darüber, was die Europäische Union ist undwas sie einmal werden soll, haben dazu geführt, dassdas Prinzip einer abgestuften Integration schließlichsogar im Amsterdamer Vertrag fixiert wurde. Freilichwurde dieses Prinzip auch schon zuvor praktiziert: sohat Großbritannien die Europäische Sozialcharta erst1992 ratifiziert und an der Währungsunion beteiligensich nur zwölf der 15 EU-Mitgliedstaaten. Auch wer-den alle zehn Beitrittsländer erst mehrere Jahre nachihrem EU-Beitritt den Euro einführen. Auch wenn es das »Europa unterschiedlicher Geschwindigkei-ten« zulässt, dass einzelne Mitgliedstaaten sich nichtan einem Gemeinschaftsprojekt beteiligen, obwohl siedazu in der Lage wären, so ist das eigentliche Motivein anderes: Staaten, die ein Mehr an Integration ver-wirklichen wollen und können, sollen vorangehen, al-len übrigen muss ein späteres Mitmachen an den jeweiligen Projekten der »verstärkten Zusammenar-beit« möglich sein, sobald sie zu den vorangegangenStaaten aufgeschlossen haben.

7. Vorrang der ökonomischen Integration

Obwohl bereits bei der Gründung der Gemeinschaftin den 1950er-Jahren die politische Einigung Europasals Fernziel formuliert wurde, ging es sowohl bei derEuropäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Quelle: Wolfgang Wessels: Das politische System der EU, in: Werner Weidenfeld (Hrsg.):Europa-Handbuch. Gütersloh (Bertelsmann Stiftung) 2002, S. 330.

sche Sicherheits- und Verteidigungspolitik: ESVP) so-wie die engere Zusammenarbeit im Bereich der In-nen-, Sozial und Justizpolitik errichtet, aber sie blei-ben hinsichtlich ihres Integrationsgrades und in derinstitutionellen Ausgestaltung bisher weit hinter derwirtschaftlichen Integration zurück. Die EU wird vor al-lem als Binnenmarkt und Währungsunion wahrge-nommen. Zur Charakterisierung des europäischen Integrationsprozesses wurde sogar von der »Ökono-misierung des Politischen« (Hans-Hermann Hartwich)gesprochen.

8. Europa als »Solidargemeinschaft«Als wichtiges Ziel formulieren die europäischen Ver-träge die Verbesserung der Lebensbedingungen undden Abbau regionaler Disparitäten innerhalb der Ge-meinschaft. Um diese Absicht zu verwirklichen, findetein umfangreicher Finanztransfer von den reicherenzu den weniger entwickelten Mitgliedstaaten statt, derüber die Gemeinschaftsfonds erfolgt. In diese Fondszahlen die Staaten nach ihrer jeweiligen Wirtschafts-stärke ein und entnehmen aus ihnen je nach ihrer Be-dürftigkeit. Im Vordergrund der Transfers sollen ein-deutig Infrastrukturmaßnahmen, Umschulungen undder Ausbau der transeuropäischen Netze stehen. Eine– häufig kritisierte – Ausnahme bilden die Direktzah-lungen an landwirtschaftliche Betriebe. Nutznießerdes Solidarprinzips der EU sind fast alle mittel- undosteuropäische Staaten, die im Jahre 2004 der EUbeitreten werden.

(1951) wie auch bei derEuropäischen Wirtschafts-gemeinschaft (EWG;1957) vor allem um die In-tensivierung der Zusam-menarbeit auf dem Feldder Wirtschaft. Zollunion,Agrarpolitik, Außenhan-delspolitik und Schaffungeines europäischen Bin-nenmarktes bildeten diewichtigsten Errungen-schaften im europäischenIntegrationsprozess. Um-fangreiche Normierungenauf der einen und ein-schneidende Deregulie-rungen auf der anderenSeite sollten einen mög-lichst einheitlichen Wirt-schaftsraum schaffen. DieVergemeinschaftung wirt-schaftspolitischer Ent-scheidungen stand ganzim Vordergrund – und soist es bis heute geblieben.Zwar wurden inzwischenals weitere »Säulen« dieAußenpolitik (Gemeinsa-me Sicherheits- undAußenpolitik: GASP) unddie Verteidigung (Europäi-

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9. Verstärkung des europäischen Gewichts auf der internationalen Ebene

Da die Möglichkeiten der relativ kleinen europäischenNationalstaaten für eine effektive Einflussnahme aufder internationalen Ebene im Alleingang gering sindund ihre außenpolitischen Interessen häufig in ver-schiedene Richtungen gehen, wird der EU verstärktdie Aufgabe zugewiesen, Europa »mit einer Stimmesprechen zu lassen«. Obgleich die Einzelstaaten ge-rade im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik un-gern Einschränkungen ihrer Souveränität hinnehmenwollen, ist in jüngster Zeit eine deutliche Intensivie-rung der gemeinsamen Außenpolitik der Europäerfestzustellen. Andererseits wird die Beteiligung derneuen Beitrittsländer an einer vergemeinschafteteneuropäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitikrecht skeptisch bewertet, weil diese teilweise eine en-gere Anlehnung an die Vereinigten Staaten von Ame-rika einer genuin europäischen Außenpolitik vorzie-hen.

10. Realisierung des »Europäischen Mehrwerts«

Das Wesen der Europäischen Union kann man zu-sammenfassend als »Wahrnehmung des europäi-schen Mehrwerts« durch jeden einzelnen Mitglied-staat beschreiben. Das heißt, dass die Mitgliedstaatenjeder für sich aus der Teilnahme an der IntegrationVorteile ziehen. Dies gilt in besonderem Maße auch

für die zehn Beitrittsländer aus Mittel- und Osteuropa.Diese Vorteile können sich von Mitgliedstaat zu Mit-gliedstaat deutlich unterscheiden; sie reichen vonmehr Sicherheit über höhere Exportchancen bis zurfinanziellen Unterstützung aus dem EU-Haushalt. DieGemeinschaft ist nämlich mehr als ein »Nullsum-menspiel«, bei dem die Gewinne der einen die Ver-luste der anderen sind.Vielmehr ziehen alle Mitglied-staaten – jeder für sich und alle gemeinsam – einenso großen Nutzen aus der Teilnahme am Integra-tionsprozess, dass sich die Mitgliedschaft in jedemFalle auszahlt.

Sowohl am Themenkreis »Erweiterung der EU« alsauch am Beispiel »Europawahlen« können die vor-gestellten Prinzipien konkretisiert und ihre perma-nente Wirksamkeit im Integrationsgeschehen deutlichgemacht werden. Der Unterricht hat die Aufgabe, dieeinzelnen Informationen den Prinzipien zuzuordnenund so auf das Wesentliche zu reduzieren. Auf dieseWeise kann selbst bei Schülerinnen und Schülern derMittelstufe das für sie schwer zugängliche Europa-thema transparent gemacht werden.

Weder die Erweiterung noch die sechste Direktwahldes Europäischen Parlaments sollten also im Unter-richt isoliert betrachtet werden. Es geht vielmehr dar-um, an diesen Beispielen das »Projekt Europa« vor-zustellen und den Jugendlichen Wesen und Funk-tionen des Integrationsprozesses zu verdeutlichen.

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Acquis

Strukturskizze zur Erweiterung der EU

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BAUSTEIN A

Europa wählt

Die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2004

Europa hat in den letzten Jahren tief greifende Ver-änderungen erfahren. Der Zusammenbruch der So-wjetunion und das Ende des Kalten Krieges habenauch den europäischen Einigungsprozess stark be-schleunigt. Heute steht die Europäische Union vor dergrößten Herausforderung ihrer Geschichte: zum Mai2004 treten acht Länder Mittel- und Osteuropas (dieso genannten MOE-Länder) sowie Malta und Zypernmit insgesamt mehr als 100 Millionen Bürgerinnenund Bürgern der EU bei. 15 Jahre nach dem Ende derSpaltung Europas könnte die Europawahl im Juni2004 zum Symbol einer neuen Einheit Europas wer-den.

Die Direktwahlen und das Europäische Parlamentim EU-System

Die Wahlen zum Europäischen Parlament, die zwi-schen dem 10. und 13. Juni in allen Mitgliedstaatenabgehalten werden, werden die größten Wahlen sein,die jemals in Europa stattgefunden haben. In den 25Mitgliedstaaten der EU kann mit mehr als 238 Millio-nen Wahlberechtigten gerechnet werden. In allen Mit-gliedstaaten finden die Wahlen zum EuropäischenParlament seit der Einführung der Direktwahl im Jahr1979 eine deutlich geringere Resonanz als die Wah-len zu den nationalen Parlamenten. Trotz allerBemühungen der zuständigen Institutionen, von der

standen wurde, liegt der Anteil der Beteiligung inzwi-schen bei über zwei Drittel der auf der europäischenEbene erlassenen Regelungen, wobei in zahlreichenFällen sogar ausdrücklich die Zustimmung des Eu-ropäischen Parlaments zu den Rechtssetzungen ver-traglich vorgeschrieben ist. Die dramatische Abnah-me der Wahlbeteiligung auf 52,8 Prozent im Juni 1999scheint darauf hin zu deuten, dass das EuropäischeParlament den Bürgerinnen und Bürgern seine Rolleund Leistungen nicht so vermitteln kann, dass diesehierin einen Anreiz sehen, sich an den Wahlen zu be-teiligen. Oder wie es der frühere belgische Minister-präsident Jean-Luc Dehaene formulierte: »Das Eu-ropäische Parlament ... hat sein Ansehen in derÖffentlichkeit nicht so verbessern können, wie es voneiner gewählten Volksvertretung eigentlich zu erwar-ten gewesen wäre.«1

Die häufig zu hörenden Klagen über das Demokra-tiedefizit der Gemeinschaft gehen an der tatsächli-chen Konstruktion der Europäischen Union vorbei.Auch wenn das Europäische Parlament nicht odernicht in vollem Umfang über die klassischen Funktio-nen einer Volksvertretung verfügt, hat es im »institu-tionellen Dreieck der EU« (Ministerrat, EuropäischeKommission, Parlament) inzwischen eine Rolle ge-funden, die bereits an die Grenzen dessen stößt, wasin einem Staatenverbund der »Vertretung der Bevöl-kerungen« zugestanden werden kann: »Das Parla-ment bildet ein Subsystem, das darauf spezialisiertist, die von Kommission und Rat vorbereiteten und ge-troffenen Entscheidungen an seinen eigenen Kriteri-en zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Es ist

1 Hartmut Marhold (Hrsg.): Die neue Europadebatte. Leit-bilder für das Europa der Zukunft, Bonn (Europa Union)2001, S. 115.

Europa-Union über die politi-schen Parteien und die Landes-zentralen für politische Bildungbis zu den Europaparlamenta-riern selbst, ging in Deutschlanddie Wahlbeteiligung von Mal zuMal zurück. Die einzige Ausnah-me war das Jahr 1989, alsgleichzeitig in fünf deutschenLändern Kommunalwahlen statt-fanden. Diese Feststellung istumso befremdlicher, als die Kom-petenzen des Europäischen Par-laments in den letzten 25 Jahrenspürbar erweitert worden sindund inzwischen die große Mehr-zahl der EU-Gesetze sowie derHaushalt der Gemeinschaft derZustimmung des Parlaments be-dürfen. Während nach der Grün-dung der EWG (1957) das Parla-ment nur an etwa 30 Prozent derpolitischen Entscheidungen le-diglich beteiligt und ihm keineMitentscheidungsfunktion zuge- Zeichnung: Mester

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mit anderen spezifischen Kontrollinstanzen, etwa demEuropäischen Gerichtshof und dem EuropäischenRechnungshof vergleichbar ... Durch die Etablierungdes Parlaments als Entscheidungsorgan wird der auf-einander abgestimmten Entscheidungstätigkeit vonKommission und Rat eine reflexive Schleife nachge-schaltet, die darauf hin angelegt ist, grobe Fehlent-wicklungen zu korrigieren. Damit beschneidet dasParlament den gemeinsam von Kommission und Ratin Anspruch genommenen Autonomiespielraum.«2

Die fortbestehende Unkenntnis über das Gewicht desParlaments im Zusammenspiel der EU-Organe legtes nahe, die bevorstehende Direktwahl zu nutzen undim Unterricht schwerpunktmäßig die EU-Wahlen zuthematisieren. Dabei kann die im Wahljahr 2004 zuerwartende Resonanz dieses Ereignisses in der Öf-fentlichkeit und in den Medien produktiv aufgegriffenwerden.

Didaktische Vorüberlegungen

Bei der Behandlung der Europawahlen in den Schu-len gilt die didaktische Prämisse, nach welcher eineisolierte Behandlung eines Ausschnitts aus dem um-fangreichen Europathema problematisch ist.Vielmehrsoll an dem gewählten Schwerpunkt das ganze Pro-jekt »Europäische Integration« ins Bewusstsein derLernenden gebracht werden. Das heißt: Die Direkt-wahl bildet das Vehikel, um den Schülerinnen undSchülern das Wesen und die Prinzipien der EinigungEuropas und der EU anschaulich und exemplarischvorzustellen. Bei der Behandlung der Direktwahlensteht deshalb der spezifische Charakter des Eu-ropäischen Parlaments, der die einzigartige Kon-struktion der Europäischen Union als einer Mischungaus Supranationalität und intergouvernementaler Zu-sammenarbeit widerspiegelt, im Vordergrund. Wichti-ge Prinzipien der Integration – Vergemeinschaftungvon Teilbereichen der Politik, Subsidiaritätsprinzip,eher europäische neben eher nationalen Institutionen,»Europäischer Mehrwert« – können an der Stellungund den Funktionen des Europäischen Parlaments er-arbeitet werden.

Es ist zweckmäßig, die Besonderheiten von Struktur,Aufgaben und Kompetenzen des Europäischen Par-laments in einer Gegenüberstellung mit dem vertrau-ten Modell des Deutschen Bundestags mit den Ler-nenden zu erörtern und dabei zu überprüfen, in-wieweit die klassischen Parlamentsfunktionen auf dasEuropäische Parlament Anwendung finden können,nämlich

• die Wahlfunktion: Kann das Parlament die Regie-rung wählen?

• die Artikulationsfunktion: Kann das Parlament dieunterschiedlichen Interessen der Bevölkerungenin Europa artikulieren?

• die Initiativfunktion: Kann das Parlament Geset-zesvorschläge einbringen?

• die Kontrollfunktion: Kontrolliert das Parlament dieExekutive?

• die Gesetzgebungsfunktion: Ist das Parlamenttatsächlicher Gesetzgeber?3

Dabei ist zu zeigen, dass das Straßburger Parlamentinsbesondere im Hinblick auf die Wahl- und Kontroll-funktion über sehr geringe Kompetenzen verfügt, weildie Europäische Union (bisher) ohne eine Regierungim eigentlichen Sinn auskommt. Wenn häufig die Eu-ropäische Kommission als »Regierung« bezeichnetwird, entspricht dies keineswegs der europäischenWirklichkeit: Die Kommission bestimmt nicht die Richt-linien der Politik, sie hat vielmehr administrative und– in begrenztem Umfang – exekutive Aufgaben.

Die Schülerinnen und Schüler erkennen ferner, dassdas Europäische Parlament zwar in vielen Fällen ander europäischen Gesetzgebung mitwirkt, aber nichtGesetzgeber im eigentlichen Sinne ist. Die Feststel-lung, dass man beim Straßburger Parlament trotz derbeträchtlichen Ausweitung seines Einflusses auf dieEntscheidungsprozesse in der EU immer noch nichtvon einer Parlamentarisierung der EU sprechen kann,darf im Unterricht nicht zu einer abwertenden Beur-teilung dieser Institution führen. Die Defizite im Hin-blick auf die Parlamentarisierung und Demokratisie-rung der europäischen Ebene müssen vielmehr ausdem aktuellen Status der Integration begründet undverständlich gemacht werden: Die EU ist eben keinStaat im herkömmlichen Sinne. Eine durchgrei-fende Parlamentarisierung würde den Europäi-schen Bundesstaat voraussetzen, den es (bisher)nicht gibt.

Andererseits verringert sich der Einfluss der Volks-vertretungen in den Einzelstaaten, weil immer mehrpolitische Regelungen von der EU vorgegeben wer-den, bei welchen die nationalen Parlamente gar nichtoder nur in geringem Umfang beteiligt sind. Es ist einewesentliche Aufgabe des Europäischen Parlaments,diesen Verlust an parlamentarischer Mitwirkung undKontrolle auf der Ebene der Einzelstaaten zu kom-pensieren. Die Verlagerung des demokratischen Pro-zesses auf die europäische Ebene muss den Ler-nenden bei der Behandlung der Europawahlen unddes Europäischen Parlaments vermittelt werden. Aufdiese Weise erreicht man im Unterricht zwei bedeut-same Einsichten:

• Die EU hat eine besondere – mit herkömmlichenpolitischen Modellen unvergleichbare – Struktur.

• Die Wahlen zum Europäischen Parlament sindvon hochgradiger Bedeutung.

2 Thomas Gehring: Die Europäische Union als komplexeinternationale Organisation. Baden-Baden (Nomos)2002, S. 239f.

3 Nach: Manfred Dreyer: Europawahl 1999. Demokratiede-fizit in der EU? Politik betrifft uns, Heft 3 (1999), Aachen(Bergmoser + Höller) 1999, S. 24.

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Unterrichtspraktische HinweiseDie Wahlen zum Europäischen Parlament (A 1 – A 4)Die ausgewählten Materialien sollen die Bedeutungder Europawahlen aufzeigen und zu Überlegungenüber die niedrige Wahlbeteiligung bei diesen Wahlenanregen. Anhand der Karikaturen A 2 und den Datenzur Wahlbeteiligung (A 10) werden Gründe für die ge-ringe Resonanz, welche die Europawahlen trotz desgestiegenen Gewichts des Europäischen Parlamentsim Entscheidungsprozess der EU bis heute kenn-zeichnen, zusammengestellt. Es können Aktivitätengeplant werden, die zu einer höheren Wahlbeteiligungbeitragen können (z.B. Erstellung einer kleinen Infor-mationsbroschüre, die vervielfältigt an Interessentenverteilt werden kann, oder Entwurf eines Plakates»Europawahlen – Wählen gehen!«, mit dem für dieBeteiligung an der Europawahl 2004 geworben wer-den kann). Ferner sollten alle Gelegenheiten genutztwerden, den Europawahlkampf 2004 zu beobachtenund dabei die Kenntnisse, welche aus der Beschäfti-gung mit den im Baustein A vorgelegten Materialiengewonnen wurden, in der Praxis zu überprüfen.

Wahlverfahren – Wahlrecht – Wahlergebnisse (A 5 – A 12)Die Materialien informieren über die wichtigsten Mo-dalitäten des Wahlverfahrens und über die Ergebnis-se der Direktwahlen zum Europäischen Parlament seit1979. Ein Vergleich mit den Bundestags- und Land-tagswahlen sowohl hinsichtlich des Wahlsystems alsauch hinsichtlich der Ergebnisse kann zur Begründungvon Unterschieden führen. Hierbei ist besonderes Au-genmerk auf die Unionsbürgerschaft und deren Aus-wirkungen auf die Europawahlen zu richten (A 8 undA 9). Die in A 10 wiedergegebenen Ergebnisse derbisherigen Direktwahlen können sowohl vor der Wahlzur Erstellung einer Wahlprognose als auch nach dem13. Juni zu einer Wahlanalyse eingesetzt werden.

Das Europäische ParlamentAnhand der Materialen A 13 – A 22 können von denJugendlichen die Zusammensetzung und die Funk-tionen des Europäischen Parlaments erarbeitet wer-den. Die Lernenden erkennen dabei die gewachseneBedeutung und die vielfältigen Aufgaben dieses Par-laments. Auch hier empfiehlt sich ein Vergleich mitdem Deutschen Bundestag, um die spezifischen We-senszüge der »Vertretung der Bevölkerungen Euro-pas« zu erfassen. Dabei wird man auf Einzelheitendes überaus komplizierten europäischen Gesetzge-bungsverfahrens verzichten und vorrangig die Rolledes Parlaments als unverzichtbares Korrektiv her-ausarbeiten und Gründe für die besondere Rolle im»institutionellen Dreieck der EU« formulieren lassen.Die Gegenüberstellung der beiden Karikaturen (A 21)kann den Auftakt zu einer Abschlussdiskussion überdie Sonderstellung des Europäischen Parlaments bil-den, in welcher einerseits die Notwendigkeit der de-mokratischen Legitimierung von Entscheidungen aufder europäischen Ebene als auch die Grenzen einerweiteren Parlamentarisierung im Staatenverbund derEU thematisiert werden (vgl. A 20).

BAUSTEIN B

Europa wird größer

Mit Recht spielt die Erweiterung der EuropäischenUnion in den Medien und in der Fachliteratur einewichtige Rolle. Die EU erstreckt sich nun über einenweiten Teil des Kontinents und die Mehrzahl der eu-ropäischen Staaten vereinigt sich unter ihrem Dach.Die Aufnahme neuer Mitglieder ist seit der Gründungder Montanunion (1951) ein erklärtes Ziel der Ge-meinschaft, aber die Erweiterungsrunde ab 2004 un-terscheidet sich grundsätzlich von den bisherigen vierErweiterungsschritten, die von der EWG der Sechszur EU der 15 geführt haben: »Mit der Osterweiterung... eröffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor al-lem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die his-torische Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit inganz Europa nachhaltig zu stärken« (WolfgangSchäuble).

Zur Bedeutung der Erweiterung

Die historische Bedeutung der Erweiterung der EUlässt sich mit folgenden Punkten charakterisieren:

1. Die Europäische Union, die bisher schon einen»Stabilitätsanker« und ein »Gravitationszentrum« inEuropa bildete, übernimmt beim derzeitigen Beitritts-prozess die neue Aufgabe, Staaten zu integrieren, diesowohl politisch als auch ökonomisch aus einer »an-deren Welt« zu kommen scheinen und die erst jüngst– und zwar nicht ohne wirkungsvolle Unterstützungder EU – demokratische und rechtsstaatliche Struk-turen aufgebaut haben. Sie erwarten von den west-europäischen Mitgliedern der Gemeinschaft in vielhöherem Maße, als dies bei den Staaten, die in denfrüheren Beitrittsrunden die Mitgliedschaft erworbenhatten, der Fall war, eine dauerhafte Verstetigung derErgebnisse des geleisteten Transformationsprozes-ses.

2. Während bisher in einer Erweiterungsrunde maxi-mal drei Staaten in die Gemeinschaft aufgenommenworden sind, treten dieses Mal gleich zehn Staatender Gemeinschaft bei. Mit zwei weiteren (Rumänienund Bulgarien) werden bereits Beitrittsverhandlungengeführt.

3. Zum ersten Mal werden Staaten Mitglieder der EU,die bis 1989 unter sowjetischer Herrschaft gestandensind und ein halbes Jahrhundert lang eine den west-europäischen Staaten diametral entgegengesetztepolitische und wirtschaftliche Verfassung gehabt ha-ben. Sie pflegen, weil sie erst vor kurzem Freiheit undSelbstbestimmung wiedergewonnen haben oder garzum ersten Mal Demokratie westeuropäischer Prä-gung praktizieren durften, ein anderes Verhältnis zurstaatlichen Souveränität. Dies wird sich auch auf ihrVerhalten in den europäischen Organen auswirkenund ihre Einstellung zur Weiterentwicklung (Vertie-fung) der EU prägen.

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Zum »Familienfoto« stellen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mit-gliedsländer am 16. April 2003 in Athen auf. Die 15 EU-Staaten und die zehnneuen Mitglieder unterzeichneten in einer feierlichen Zeremonie die Beitrittsver-träge am Fuße der Akropolis.

Foto: picture-alliance/dpa

4. Der wirtschaftliche Rückstand der meisten der zehn oder zwölf neu-en Mitgliedstaaten gegenüber dem EU-Durchschnitt ist signifikant groß.»Die ökonomischen Unterschiede, die sich bereits jetzt im Verhältnisvon eins zu sieben zwischen der am schwächsten und der am reichs-ten entwickelten Region in der EU manifestieren, werden sprunghaftzunehmen [...].«1 Daraus ergeben sich erhebliche Herausforderungenfür die Gemeinschaftsfonds und schwer einzulösende Erwartungen hin-sichtlich der Solidarität der alten EU-Mitglieder.

5. Zum ersten Mal stellt die Erweiterung des Jahres 2004 die EU vordie Frage nach ihren Grenzen, die bisher geflissentlich verdrängt wur-de. Die EU wird unmittelbar Anrainer an Russland und wächst weit inden Balkan hinein. Es wird deutlich, dass die prinzipielle Einladung analle europäischen Staaten, Mitglieder der Gemeinschaft zu werden,wohl nicht länger aufrechterhalten werden kann. Die EU muss nun ihreräumliche Finalität festlegen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, an Inte-grationskraft und -fähigkeit zu verlieren.

6.Während frühere Erweiterungen lediglich geringfügige Anpassungender EU-Institutionen und der EU-Entscheidungsprozesse erforderten,macht die Aufnahme von zehn Staaten eine grundsätzliche Revisionder Organe unabdingbar. Diese Herausforderung war ausschlaggebendfür die Verwirklichung der alten Forderung nach einer Neufestsetzungder Ziele, Strukturen und Kompetenzen der Gemeinschaft.

7. Die Osterweiterung wird zum entscheidenden Prüfstein für das »Pro-jekt Europa«: »Wenn uns die Europäische Union in diesem Maßstabvon 25 Mitgliedern misslingt, ist das eine Enttäuschung, die über Eu-ropa hinausreicht. Denn wir werden sowohl in Asien als auch vom Na-hen Osten als auch von Süd- und Mittelamerika her als ein modellhaf-tes Projekt erlebt, nämlich als das Modell von zusammenarbeitendenStaaten, die nur Teile ihrer Souveränität aufgeben, aber im Übrigen Na-tionalstaaten bleiben.“2

1 Wichard Woyke: Die Agenda der Europäischen Union zu Beginn des 21. Jahr-hunderts, in: Wilfried Loth (Hrsg.): Das europäische Projekt am Beginn des 21. Jahrhunderts. Opladen (Leske + Budrich) 2001, S. 16.

2 Jutta Limbach; in: Blätter für deutsche und internationale Politik 2003/8, S. 944. © Institut der deutschen Wirtschaft Köln

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gewachsen sind. Damit ist eine organische Überlei-tung zum letzten Abschnitt dieses Bausteins gewon-nen, in welchem Wesen und Ziele der Integration the-matisiert werden.

Wesen und Ziele der Union und der Verfassungs-vorschlag des EU-Konvents (B 15 – B 26)

Die hier zusammengestellten Materialien ermöglicheneine übersichtartige Zusammenfassung des EU-Sys-tems durch die Schülerinnen und Schüler (B 15 – B 17). Dies erscheint deshalb sinnvoll, weil die Ju-gendlichen sich ein Bild der um die mittel- und osteu-ropäischen Staaten erweiterten Gemeinschaft erar-beiten sollen. Außerdem können bei der Beschäf-tigung mit diesem Unterkapitel die Auswirkungen, diesich durch die Vergrößerung des EU-Raumes für dieinnere Struktur der Union ergeben, aufgezeigt wer-den.

In besonders motivierten und interessierten Klassenkann zusätzlich die Diskussion über die Reform derEU und die Verabschiedung einer Verfassung thema-tisiert werden (B 18 – B 26). Dabei ist im Unterrichts-gespräch auf die Forderung nach einer weiter ge-henden Demokratisierung, nach einer Vereinfachungder Entscheidungsprozesse sowie nach der Verklei-nerung der Institutionen und der größere Transparenzder Zuständigkeiten im EU-System besonderer Nach-druck zu legen. Der umfangreiche Vorschlag des Ver-fassungskonvents kann im Unterricht auf wichtigeAspekte verkürzt werden.

Die Tatsache, dass die Verabschiedung der EU-Ver-fassung nach der Vorlage durch den Konventzunächst gescheitert ist (B 25 und B 26), kann alsBeispiel für die divergierenden Europavorstellungender Mitgliedstaaten dienen: Die Schülerinnen undSchüler erkennen, dass einige Staaten innerhalb der15er-EU (z.B. Großbritannien, Spanien und Däne-mark) sowie die meisten osteuropäischen Beitritts-länder an einer Vertiefung der Gemeinschaft wenigerinteressiert sind als andere und deshalb eine neutra-le oder gar ablehnende Haltung gegenüber dem Ver-fassungsentwurf einnehmen, während andere (z.B.Deutschland, Frankreich und die Beneluxstaaten) denweiteren Ausbau der EU und eine »verstärkte Zu-sammenarbeit« anstreben.

Unterrichtspraktische Hinweise

Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung(B 1 – B 8)

Die Materialien in diesem Abschnitt vermitteln einenersten Einblick in die Tragweite der Erweiterung derEuropäischen Union. Der Schwerpunkt sollte dabeizunächst auf den quantitativen Aspekt und auf dieModalitäten des Erweiterungsprozesses gelegt wer-den. Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten die Tat-sache, dass ein permanenter Erweiterungsprozessfür die bisherige Geschichte der Gemeinschaft cha-rakteristisch ist. Sie sollten jedoch auch erkennen,dass der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Län-der sich grundsätzlich von den bisherigen Erweite-rungsschritten – sowohl hinsichtlich der Zahl der neu-en Mitglieder als auch in politischer Hinsicht –unterscheidet.

Die osteuropäischen Staaten kehren nach Europazurück. Diese »Wiedervereinigung Europas« und dasBewusstsein in den alten Mitgliedstaaten der EU,dass die Aufnahme der zehn Staaten eine unaus-weichliche Aufgabe und Verpflichtung darstellt, ist be-sonders herauszuarbeiten. Andererseits zeigen dieMaterialien auch die breite Zustimmung in den Kan-didatenländern zu ihrem Beitritt in die Gemeinschaft(vgl. B 6 – B 8).

Der Erweiterungsprozess (B 9 – B 14)

Die Aufnahme in die EU erfolgt nicht zum »Nulltarif«.Um dies zu veranschaulichen, werden hier die Be-dingungen für den Beitritt der Kandidatenländer unddie Modalitäten der Erweiterung in kurzer und über-sichtlicher Form dargestellt (B 9 und B 10). Die Ler-nenden sollen anhand dieser Materialien erkennen,dass den ehemals kommunistischen osteuropäischenStaaten ein umfassender Anpassungsprozess (Trans-formation) abverlangt wird. Gleichzeitig ist deutlich zumachen, dass erst der revolutionäre Wandel in Ost-europa seit 1988 die Ausdehnung der EuropäischenUnion nach Osten ermöglicht hat.

In einer Diskussion mit verteilten Rollen, in welcherein Teil der Klasse Regierungsvertreter eines osteu-ropäischen Kandidatenlandes spielt und eine Ab-schwächung der Bedingungen durchzusetzen ver-sucht und der zweite Teil der Klasse die Rolle vonKommissionsvertretern übernimmt, die auf die strikteEinhaltung des »Acquis Communautaire« pochen,kann die Problematik der Beitrittsverhandlungen ein-dringlich verdeutlicht werden. Als ein anderer Zugangzum Thema »Beitrittsprozess« bietet sich die Aus-wertung der Karikaturen (B 11) an, wobei jeweils eineSchülergruppe die Interpretation einer Karikatur über-nimmt.

Die Materialien B 12 und B 13 ermöglichen einen Ein-blick in die Auswirkungen einer derart weit gehendenVergrößerung der Gemeinschaft. Die Auswertungmündet in die Problemfrage, ob das Institutionenge-füge und die bisherigen Entscheidungsprozesse inder EU dem Beitritt von zahlreichen neuen Mitgliedern

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BAUSTEIN C

Europa wird anders

Reform der Institutionen und Entscheidungsverfahren (C 1 – C 4)

Während im Baustein B schwerpunktmäßig die qua-litativen Veränderungen thematisiert wurden, sollendie Schülerinnen und Schüler jetzt die strukturellenKonsequenzen der Vergrößerung der Gemeinschafterarbeiten. »Die Erweiterung der EU-Bevölkerung um20 Prozent dürfte den Kontinent durcheinander schüt-teln wie wenige Ereignisse zuvor.« (Alexander Ha-gelüken in Süddeutsche Zeitung, 3./4. Januar 2004).Andererseits ist immer wieder zu betonen, dass dieGemeinschaft in ihrer fünfzigjährigen Geschichtezahlreiche Reformen ihres Systems durchlaufen undsich immer wieder erfolgreich an neue Herausforde-rungen angepasst hat.

Da die Verabschiedung der EU-Verfassung, welcheder Verfassungskonvent vorgeschlagen hatte, infolgeder Uneinigkeit der einzelstaatlichen Regierungenaufgeschoben werden musste, ist bei den erweite-rungsbedingten Veränderungen vom Vertrag von Niz-za (2001) auszugehen. Die Materialien sollten vor al-lem hinsichtlich der Unterschiede zwischen demStand vor und dem Stand nach Nizza ausgewertetwerden. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck im Un-terricht eine zweispaltige Wandzeitung anzufertigenund darin die Veränderungen eindeutig darzustellen.

Hauptstädte und ausgewählte landschaftlicheoder kulturelle Sehenswürdigkeiten besucht wer-den sollen. Dabei stellen sie folgende Informatio-nen zusammen:

• Entfernung der Hauptstädte vom Schulort• Einwohnerzahlen der Länder und Hauptstädte• wichtigste Wirtschaftszweige und wichtigste Ex-

portgüter• kulturelle Besonderheiten• landschaftliche Besonderheiten• Landeswährungen und Umtauschkurs zum Euro• Nationalgerichte• Ein typisches »Mitbringsel« aus jedem Land

usw. ...

2. Die Klasse wird in Kleingruppen aufgeteilt, vonwelchen jede eines der neuen EU-Länder aus-führlich beschreibt und anschließend den übrigenMitschülerinnen und Mitschülern vorstellt. Wich-tig ist, dass dabei auch die Erwartungen und Hoff-nungen der Beitrittskandidaten einbezogen wer-den. Erste Anregungen für diese Länderberichtebieten die Länderprofile des vorliegenden Heftes.Hinzu kommen die Auswertung geeigneter Lite-ratur sowie Internetrecherchen.

Wirtschaftliche Konsequenzen und Finanzierungder Osterweiterung

Während bei den bisherigen Erweiterungen der EUdie wirtschaftliche Struktur der Gemeinschaft sich nurgeringfügig verändert hat, weil entweder nur eine sehrkleine Zahl von Neumitgliedern aufgenommen wurdeoder weil die Beitrittsländer im EU-Vergleich relativhomogene wirtschaftliche Voraussetzungen aufwie-sen, bringt die Osterweiterung auch unter wirtschaft-

Großflächige Werbung für den Euro in Krakow (Krakau), aufgenommen kurznachdem sich die Polen in einer Volksabstimmung im Juni 2003 mit großerMehrheit für den Beitritt zur EU ausgesprochen hatten.

Foto: picture-alliance/ZB

Die Osterweiterung bringt nicht nurwirtschaftliche Herausforderungenund institutionelle Veränderungen inerheblichem Ausmaß mit sich, sieführt darüber hinaus zu einer kultu-rellen Bereicherung und vergrößertdie landschaftliche Vielfalt der Ge-meinschaft. Die Europäische Unionwird bunter und vielseitiger. DieseAspekte werden im Unterricht an-hand der Länderprofile und Mate-rialien zu den neuen Mitgliedstaatenkonkretisiert (C 5 – C 16). Mit denHinweisen zu Internetseiten zumThema kann dieser Aspekt erweitertund vertieft werden.

Für die Auswertung bieten sich zweiproduktionsorientierte methodischeZugriffe an:

1. Die Schülerinnen und Schülerentwerfen in Arbeitsgruppeneine Reise durch die zehn be-ziehungsweise zwölf neuen Mit-gliedstaaten, bei welcher die

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BAUSTEIN D

Perspektiven, Chancen undProbleme

Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Chancen derOsterweiterung (D 1 – D 14 )

Nachdem die Schülerinnen und Schüler in den Bau-steinen B und C die Bedeutung und das Verände-rungspotenzial der Osterweiterung kennen gelernt ha-ben, werden nun die zu erwartenden zukünftigenEntwicklungen in das Blickfeld der Jugendlichengerückt. Zunächst sollen sie sich die wirtschaftlichenPerspektiven des Erweiterungsprojekts bewusst ma-chen. Dafür wurden zwei Schwerpunkte ausgewählt:• die wirtschaftlichen Prognosen und• die zu erwartenden Konsequenzen für den Ar-

beitsmarkt.

Ziel ist es, die Befürchtungen in den Beitrittsländernund den bisherigen EU-Mitgliedstaaten an einigenBeispielen aufzuzeigen und gleichzeitig die Strategi-en zur Bewältigung der anstehenden Probleme zuanalysieren. Die Anordnung der Texte, Grafiken undBilder ermöglicht eine sukzessive Entwicklung des fol-genden Tafelbildes auf Seite 15.

Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommensich näher (D 15 – D 18 )

Nachdem bereits der Fall des »Eisernen Vorhangs«in den späten 1980er-Jahren den Auftakt für einegroße Zahl von Schul- und Städtepartnerschaften zwi-schen Baden-Württemberg und den mittel- und ost-europäischen Ländern gebildet hat, ist nach dem Bei-tritt dieser Länder eine Steigerung der Begegnungenzwischen den Bevölkerungen der alten und der neu-en EU-Mitgliedstaten zu erwarten und zu wünschen.Die Materialien D 15 – D 18 beschreiben Wege undMöglichkeiten von Schul- und Städtepartnerschaftenund Erfahrungen bei grenzüberschreitenden Begeg-nungen; sie sollen das Interesse der Jugendlichen anderartigen Partnerschaften wecken.

Die Schülerinnen und Schüler können in einer Selbst-tätigkeitsphase ausgehend von den vorgelegten Ma-terialien folgende Informationen erarbeiten:

• Funktionen und Ziele von Schul- und Städtepart-nerschaften

• Formen der Begegnungen und Aktivitäten• bevorzugte osteuropäische Länder• beteiligte Gruppierungen und Institutionen• mögliche Probleme und Hemmnisse.

lichen und haushaltspolitischen Aspekten tief grei-fende Veränderungen mit sich. Anhand der Mate-rialien C 17 – C 27 lassen sich diese Konsequenzenveranschaulichen und der geradezu revolutionäreCharakter des neuen Erweiterungsschrittes bewusstmachen.

Aus zeitökonomischen Gründen ist es zweckmäßig,die Klasse in zwei Gruppen aufzuteilen und die je-weiligen Ergebnisse im Anschluss an die Gruppenar-beit zusammenzuführen:

• Gruppe A: Wirtschaftliche Veränderungen• Gruppe B: Auswirkungen auf den EU-Haushalt

Die Schülerinnen und Schüler erkennen dabei die re-lative wirtschaftliche Rückständigkeit der Beitrittslän-der und die enormen finanziellen Anforderungen, wel-che aus der Verpflichtung zu einer solidarischen Hilfebei der Angleichung der mittel- und osteuropäischenStaaten an das heutige EU-Niveau entstehen. Gleich-zeitig ist jedoch herauszuarbeiten, dass diese Pro-bleme bewältigbar sind und – nach den Erfahrungenaus früheren Erweiterungen – ein Zuwachs an wirt-schaftlichem Wohlstand sowohl in den bisherigen Mit-gliedstaaten als auch in den Beitrittsländern zu er-warten ist.

Der Euro kommt später

In vielen Kommentaren zur Erweiterung der EU wer-den Gefahren für die Stabilität der Gemeinschafts-währung beschworen. Derartige Bedenken halten je-doch einer kritischen Überprüfung nicht Stand. Dennder Beitritt zur Europäischen Union schließt keines-wegs automatisch die Einführung des Euro ein. Viel-mehr müssen die neuen Mitgliedstaaten die strengenMaastricht-Kriterien (C 30) erfüllen, ehe sie Mitglie-der auch der Währungsunion werden können. DieSchätzungen, wann die Beitrittsländer diesen Anfor-derungen genügen werden, gehen weit auseinander.Inflationäre Auswirkungen auf die Stabilität des Eurosind aber auch dann wegen der niedrigen Wirt-schaftskraft der Kandidaten nur in sehr geringem Maßzu veranschlagen, zumal die neuen Mitgliedstaatennicht gleichzeitig, sondern zu verschiedenen Zeit-punkten die Euro-Währung einführen werden.

Um etwaige Vorbehalte der Schülerinnen und Schülerabzubauen, werden diese Aspekte in den MaterialienC 28 – C 30 in knapper Form dokumentiert. DaWährungsfragen für die Jugendlichen schwer zu-gänglich sind, empfiehlt es sich, diese Materialien ineinem durch Lehrerinformationen unterstützten Un-terrichtsgespräch auszuwerten. Auch hier könnenimmanent wesentliche Prinzipien der europäischenIntegration vermittelt werden:

• Flexibilisierung (»das Europa unterschiedlicherGeschwindigkeiten«)

• Politische Union• Vergemeinschaftung von Teilbereichen des Poli-

tischen• Vorrang der ökonomischen Integration.

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Wirtschaftliche Konsequenzen der EU-Erweiterung

Schwierigkeiten/Befürchtungen Lösungsansätze und Vorteile

Beitrittsländer EU-15 Beitrittsländer EU-15

Überschwemmung mit west-europäischen Waren

Konkurrenz billiger Waren ausden osteuropäischen Nied-riglohnländern

Übergangsregelungen zumSchutz der einheimischen In-dustrien

Steigerung des Exports nachOsteuropa

Ankauf von Unternehmen undImmobilien durch kaufkräftigeWesteuropäer

Benachteiligung bei der Neu-verteilung der Beihilfen ausden EU-Fonds

Übergangsregelungen für denKauf von Immobilien durchWesteuropäer Begrenzung (»Deckelung«)

der EU-AusgabenNiedergang der Landwirt-schaft

unzumutbare Steigerung derFinanzbeiträge durch die»Nettozahler«

Subventionen aus den EU-Fonds (Hilfen für den Struktur-wandel)

unzumutbare Forcierung desTransformationsprozesses

Ost-West-Migration (insbeson-dere in grenznahe Länder)

Mitwirkung an der EU-Gesetzgebung

Übergangsregelungen für dieZuwanderung

zu weit gehender Souverä-nitätsverzicht

wachsende Arbeitslosigkeit Notwendigkeit der Zuwande-rung von Arbeitskräften (Über-alterung der westeuropäi-schen Gesellschaften)

offene Fragen:Profitieren alte und neue Mitgliedstaaten gleichermaßen von der Erweiterung?

Sind die Befürchtungen berechtigt?Reichen die Lösungsvorschläge zur Bewältigung der Schwierigkeiten aus?

Falls zwischen dem Schulort und einer oder mehre-ren osteuropäischen Städte bereits eine Partnerschaftbesteht, ist eine Dokumentation bisheriger Begeg-nungen durch die Klasse sinnvoll. Recherchen im Ar-chiv der örtlichen Zeitung oder die Befragung von Mit-arbeitern der für die Partnerschaft zuständigen Be-hörden sind ein geeigneter Weg zur Erstellung einersolchen Dokumentation. Als – freilich anspruchsvol-les und aufwändiges – Projekt bietet sich schließlichdie Vorbereitung einer Schulpartnerschaft mit einerder eigenen Schule vergleichbaren Schule in einemder Beitrittsländer an.

Stößt die EU an ihre Grenzen? (D 19 – D 26)

Die Aufnahme von zehn mittel- und osteuropäischenStaaten in die Europäische Union bedeutet keines-wegs das Ende des Erweiterungsprozesses. MitRumänien und Bulgarien wurden bereits Beitrittsver-handlungen aufgenommen, nahezu alle übrigen Bal-kanstaaten haben einen Antrag auf Mitgliedschaft inder Gemeinschaft gestellt. Auch einige ehemalige So-wjetrepubliken wollen der EU beitreten, und der Tür-kei wurde bei der Kopenhagener Gipfelkonferenz imDezember 2002 der Kandidatenstatus zugesprochen.

Bringen schon die zehn neuen Mitglieder tief greifen-de Veränderungen und Herausforderungen für die

Union mit sich, so sind die Folgen weiterer »Beitritts-wellen« für die Struktur, die Handlungsfähigkeit unddie Finanzierbarkeit der EU heute noch kaum abzu-schätzen. Das »Projekt Europa« ist an seinen Gren-zen angekommen; eine drohende »Überdehnung« istnicht mehr von der Hand zu weisen.

Im letzten Teil der Unterrichtseinheit über die Erwei-terung sollen die Schülerinnen und Schüler sich mitdem Problem der räumlichen »Finalität« der EU aus-einander setzen. Ausgehend von der ursprünglichenZielsetzung, alle beitrittswilligen und -fähigen eu-ropäischen Staaten unter dem Dach der Gemein-schaft zu vereinen, werden in einer offenen Diskussi-on im Unterricht mögliche Grenzen Europas – und derEuropäischen Union – bestimmt und die einzelnenBeitrittsaspiranten in konzentrischen Kreisen ent-sprechend ihrer Nähe bzw. Ferne zur EU aufgelistet.

In einer Informationsphase können die Lehrerinnenund Lehrer Alternativen zur uneingeschränkten EU-Mitgliedschaft aufzeigen:

• Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten

• Rückentwicklung der EU zur Freihandelszone

• Assoziierung und »Assoziierung plus« (wirt-schaftliche und politische Sonderbedingungen,aber keine Vollmitgliedschaft).

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16

Der Weg nach Europa: Die Kemal-Atatürk-Brücke über den Bosporusverbindet in Istanbul den europäischen Teil der Türkei mit dem asiati-schen. Foto: picture-alliance/dpa

Die EU und die Türkei (D 27 – D 32)

Einen besonderen Schwerpunkt sollte in diesem Zu-sammenhang die Frage nach einer EU-Mitgliedschaftder Türkei bilden, die wahrscheinlich auch im Euro-pawahlkampf 2004 eine Rolle spielen wird (D 27 –D 32). Die Lernenden sind darauf hinzuweisen, dassein baldiger Beitritt der Türkei nicht zu erwarten ist,selbst wenn – was eher unwahrscheinlich erscheint –

bereits im Jahr 2005 Beitrittsverhandlungenaufgenommen werden. Deshalb sollte bei derErörterung einer etwaigen (späteren) türki-schen EU-Mitgliedschaft nicht vom heutigenZustand des Landes ausgegangen werden.Vielmehr sind im Laufe der langwierigen Bei-trittsverhandlungen und etwaiger »Heran-führungsstrategien« tief greifende strukturel-le Transformationsprozesse in Politik,Wirtschaft und Gesellschaft der Türkei die un-abdingbare Voraussetzung für eine Aufnah-me in die EU. Andererseits dürfen die beste-henden und teilweise berechtigten Bedenkengegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei imUnterricht nicht vernachlässigt oder verharm-lost werden. Die Lernenden sollen sich des-halb in diesem Zusammenhang auch mit derMöglichkeit einer verstärkten Kooperationzwischen der Union und der Türkei unterhalbder Vollmitgliedschaft (»Assoziierung plus«)auseinander setzen.

Werkstattseminar Politik & Unterricht:Bilderwelten – Weltbilder. PC und Internet im Politikunterricht

In einem zweitägigen Werkstattseminar von Politik & Unterricht wird mit Autorinnen und Autoren, Fachleutenund Praktikern eines der P&U-Hefte des Jahres 2005 intensiv erörtert. Konzeption und Manuskriptentwürfewerden diskutiert und Anwendungsmöglichkeiten auf ihre Praxistauglichkeit geprüft.

Das Thema ist unter dem Stichwort »Medienkompetenz« von aktuellster Relevanz in den neuen Bildungs-plänen. Unterrichtspraktische Beispiele sind jedoch weiterhin Mangelware. Genau solche sollen an Hand fol-gender Themen erarbeitet werden:

• Fakten, Fakten, Fakten? Manipulationsmöglichkeiten durch die Gestaltung von Statistiken und Dia-grammen

• »Lernt den Bildern zu misstrauen...«: Bildfälschungen durch digitale Bildbearbeitung• »Gerüchteküche« Internet: Verschwörungstheorien und ihre Verbreitung im World Wide Web• Medienkompetenz entwickeln: Das WebQuest-Verfahren im Politikunterricht

Termin:Beginn: Freitag, 8. Oktober 2004 (nachmittags)Ende: Samstag, 9. Oktober 2004 (nachmittags)Ort: Tagungsstätte Internationales Forum Burg Liebenzell, Bad Liebenzell

Es werden weder Honorare bezahlt noch Teilnehmerbeiträge erhoben.

Leitung des Seminars: Dipl.-Päd. Holger Meeh (Heidelberg)

Organisation: Dr. des. Reinhold Weber, Sylvia Rösch (Stuttgart)

Anmeldungen bitte schriftlich an: Sylvia Rösch, LpB Baden-Württemberg, Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart oder [email protected]

Eine Möglichkeit der Unterrichtsgestaltung kann dieAufteilung der Klasse in zwei Gruppen sein, von de-nen die eine Argumente für und die andere Argu-mente gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei sam-melt und in einem anschließenden Streitgesprächverteidigt. Aus den Materialien D 27 – D 32 kann eingroßer Teil der jeweiligen Argumentationslinien her-ausgearbeitet werden.

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Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler123Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Neckar-Verlag GmbH aus: POLITIK & UNTERRICHT

78050 Villingen-Schwenningen Zeitschrift für die Praxis derKlosterring 1 politischen BildungPostfach 1820 Heft 1-2/2004

Europa wählt – Europa wird größer!BAUSTEIN A Europa wähltA 1 bis A 4 Die Wahlen zum Europäischen ParlamentA 5 bis A 12 Wahlrecht – Wahlergebnisse – KandidatenA 13 bis A 22 Das Europäische Parlament

BAUSTEIN B Europa wird größerB 1 bis B 8 Ausmaß und Bedeutung der ErweiterungB 9 bis B 14 Der ErweiterungsprozessB 15 bis B 17 Wesen und Ziele der Europäischen UnionB 18 bis B 26 Eine Verfassung für Europa

BAUSTEIN C Europa wird andersC 1 bis C 4 Reform der Institutionen und VerfahrenC 5 bis C 16 Länderprofile: Die neuen MitgliedstaatenC 17 bis C 20 Wirtschaftliche Konsequenzen der ErweiterungC 21 bis C 27 Haushalt und Finanzierung der EU der 25C 28 bis C 30 Der Euro kommt später

BAUSTEIN D Perspektiven, Chancen und ProblemeD 1 bis D 14 Die EU als WirtschaftsraumD 15 bis D 18 Ost-West-Begegnungen:

Die Menschen kommen sich näherD 19 bis D 26 Stößt die EU an ihre Grenzen?D 27 bis D 32 Die EU und die Türkei

Meine Meinung zur EU-Erweiterung

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Reform der Institutionen und Verfahren 43

C 1 – C 30 Europa wird anders

C 1 Zeit zu renovieren!

C 2 Folgen der Erweiterung C 3 Die Reformkonferenzen vonAmsterdam und Nizza

Zeichnung: Mester

Für die EU ... bildet die Osterweiterung eine Heraus-forderung, die ihr Selbstverständnis sowie ihre kol-lektive Handlungsfähigkeit und Gestaltungskraft aufdie Probe stellt. Es liegt auf der Hand, dass die Auf-nahme von zehn ... mittel- und osteuropäischen Staa-ten die Struktur der Gemeinschaft tief greifend ver-ändern wird. Die Unterschiede innerhalb der EUwerden sprunghaft zunehmen, weil die künftigen Mit-glieder einen wirtschaftlichen Entwicklungsstand auf-weisen, der, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, un-ter dem der ärmsten Länder der EU-15 liegt ...

Die Struktur der Europäischen Union wird durch eineOsterweiterung auch insofern verändert, als dieseGewichtsverschiebungen und neue Koalitionsbildun-gen zur Folge hat. Ist die EG schon bisher für Irland,Griechenland und die iberischen Länder eine »Ent-wicklungshilfegemeinschaft« gewesen, so wird dieAufnahme von mittel- und osteuropäischen Staatenzwangsläufig dazu führen, dass diese Zielfunktionstärker betont wird, während gleichzeitig die Konkur-renz um knappe Finanzmittel wächst und einen Ver-teilungskampf zwischen alter und neuer Peripherieauslöst.

Für die Institutionen der EU gilt eine Erweiterung auf27 Mitglieder ... weithin als Belastung, die das Risiko

Der Beitritt von zehn bzw. zwölf neuen Mitgliedstaa-ten macht eine grundlegende Reform der EU unum-gänglich. Deshalb war es die wichtigste Aufgabe derRegierungskonferenzen von Amsterdam (1997) undNizza (2001), die Institutionen und die Entschei-dungsprozesse der EU an die neuen Herausforde-rungen anzupassen. Dabei musste beispielsweise dieZahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament,die Zusammensetzung der Europäischen Kommissi-on und die Stimmengewichtung im Rat der Europäi-schen Union (Ministerrat) neu geregelt werden, umfür die Beitrittskandidaten Platz und Einfluss zu schaf-fen, ohne dass sich die Machtverhältnisse zuunguns-ten der bisherigen EU-Mitgliedstaaten verschoben.

Die Beschlüsse der Amsterdamer Konferenz bezüg-lich der Vorbereitung auf die Osterweiterung bliebenjedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Insbe-sondere gelang es nicht, das Institutionensystem sozu reformieren, dass es den Anforderungen der 25er-EU gerecht werden konnte. Alle substanziellen Re-formen der Institutionen mussten wegen der Unei-nigkeit unter den 15 Mitgliedern vertagt werden.

Die verbliebenen ungelösten Probleme solltenschließlich auf einer weiteren Konferenz in Nizza be-arbeitet werden. Dort wurde im Einzelnen festgelegt:

der Lähmung in sich birgt ... Po-litischen Sprengstoff birgt dieOsterweiterung jedoch in ersterLinie wegen ihrer Auswirkungenauf die Gemeinsame Agrarpoli-tik, die Strukturfonds und denHaushalt der Gemeinschaft. BeiFortschreibung der geltendenAnspruchsvoraussetzungenwürde die Einbeziehung dermittel- und osteuropäischenStaaten in die GemeinsameAgrarpolitik und die Strukturpo-litik den Haushalt der Gemein-schaft sprengen.

Michael Kreile, Die Osterweiterungder Europäischen Union, in: WernerWeidenfeld (Hrsg.): Europa-Hand-buch. Gütersloh (Bertelsmann Stif-tung) 2002, S. 807f.

C

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44 Reform der Institutionen und Verfahren

C

• Die Stimmengewichtung im Rat trägt genauer alsbisher der unterschiedlichen Bevölkerungsstärkeder Staaten Rechnung. Für eine qualifizierte Mehr-heit sind zwei Drittel der Stimmen erforderlich. Zu-sätzlich wurde die Bedingung festgeschrieben,dass auf Verlangen sich in den Entscheidungendes Ministerrats sowohl die Mehrheit der Staatenals auch die Mehrheit der Bevölkerungen (mindes-tens 62 Prozent) widerspiegeln muss.

• Die Politikbereiche, in denen der Rat mit qualifi-zierter Mehrheit – und nicht mehr einstimmig wiebisher – beschließen kann, wurden ausgedehnt.Bei zahlreichen Entscheidungen ist die Zustim-mung des Parlaments erforderlich.

In ihrer Schlusserklärung zur Konferenz von Nizzastellten die Staats- und Regierungschefs der EU fest:»Die Konferenz ist sich darin einig, dass mit dem Ab-schluss der Regierungskonferenz der Weg für die Er-weiterung der Europäischen Union geebnet wordenist, und betont, dass die Europäische Union mit derRatifizierung des Vertrags von Nizza die für den Bei-tritt neuer Mitglieder erforderlichen institutionellen Än-derungen abgeschlossen haben wird« (Das Parla-ment vom 15. Dezember 2002).

Diese positive Bilanz konnte jedoch nicht darüber hin-wegtäuschen, dass keineswegs alle Stolpersteine aufdem Weg zur EU-Reform beiseite geschafft worden

waren. Das Abstimmungsverfahren bleibt weiterhinkompliziert und undurchsichtig. Die Kritiker der Er-gebnisse von Nizza merken ferner an, dass das na-tionale Vetorecht in vielen wichtigen Politikbereichen,das schon bei 15 Mitgliedstaaten manche wichtigeEntscheidung verhindert hat, nicht hinreichendzurückgestutzt worden sei und dass deshalb dieHandlungsfähigkeit der Union nach dem Beitritt vonzehn oder mehr neuen Mitgliedern vollends in Fragegestellt werde. Deshalb eröffnete man unmittelbarnach der Konferenz den so genannten »Post-Nizza-Prozess«, in dessen Mittelpunkt die Einberufung desEU-Verfassungskonvents stand, der Vorschläge füreine weitergehende Neuordnung der EuropäischenUnion erarbeiten sollte und an dem sich auch die Bei-trittskandidaten beteiligen konnten.Endgültige Entscheidungen über die zukünftige Struk-tur und über die Kompetenzverteilung zwischen dereuropäischen und der einzelstaatlichen Ebene er-wartete man von dem Verfassungskonvent, der imJuni 2003 einen Vorschlag für eine neue Verfassungfür Europa vorgelegt hat.

Nach: Auswärtiges Amt (Hrsg.): Information über die Gipfelkon-ferenz von Nizza. Berlin 2001; Das Parlament vom 15. Dezem-ber 2000, S. 10; Frank R. Pfetsch: Die Europäische Union. Mün-chen (Fink) 2001, S. 261–266 und S. 299–308 sowie WilfriedLoth: Das europäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts.Opladen (Leske + Budrich) 2001.

Stimmen und Sitze in der EU der 27 nach dem Vertrag von NizzaStimmen im Ministerrat

Sitze im Europaparlament

Mitglieder in der EuropäischenKommision

EU-Mitgliederund Beitrittsländer*

Bevölkerungin Mio.

in % der EU-Bevölkerung

neu bisher neu bisher neu bisher

Deutschland 83,1 17,2 29 10 99 99 1 2Großbritannien 59,3 12,3 29 10 72 87 1 2Frankreich 59,2 12,3 29 10 72 87 1 2Italien 57,5 11,9 29 10 72 87 1 2Spanien 40,0 8,3 27 8 50 64 1 2Polen* 38,7 8,0 27 - 50 - 1 -Rumänien* 22,4 4,6 14 - 33 - 1 -Niederlande 15,9 3,3 13 5 25 31 1 1Griechenland 10,6 2,2 12 5 22 25 1 1Tschechien* 10,3 2,1 12 - 20 - 1 -Belgien 10,3 2,1 12 5 22 25 1 1Ungarn* 10,1 2,1 12 - 20 - 1 -Portugal 10,0 2,1 12 5 22 25 1 1Schweden 8,9 1,8 10 4 18 22 1 1Bulgarien* 8,3 1,7 10 - 17 - 1 -Österreich 8,1 1,7 10 4 17 21 1 1Slowakei* 5,4 1,1 7 - 13 - 1 -Dänemark 5,3 1,1 7 3 13 16 1 1Finnland 5,2 1,1 7 3 13 16 1 1Litauen* 3,7 0,8 7 - 12 - 1 -Irland 3,6 0,7 7 3 12 15 1 1Lettland* 2,3 0,5 4 - 8 - 1 -Slowenien* 2,0 0,4 4 - 7 - 1 -Estland* 1,4 0,3 4 - 6 - 1 -Zypern* 0,8 0,2 4 - 6 - 1 -Luxemburg 0,4 0,1 4 2 6 6 1 1Malta* 0,4 0,1 3 5 1 -

C 4

Quelle:EuropäischeKommission

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Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 45

C

Das vereinte Europa

Karte: Mediothek der Europäischen Kommission.

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46 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten

C

C 5 Bulgarien

C 6 Estland

Aktuelle Politik: Aktueller Konfliktpunkt ist das AKWKosloduj. Wie von der EU gefordert, wurden zweiBlöcke abgeschaltet und die Stilllegung zweier weite-rer Blöcke zugesagt. Brüssel macht davon eine Auf-nahme Bulgariens in die EU abhängig. Das höchste Ge-richt Bulgariens entschied jedoch, dass die Zusage anBrüssel nicht mit geltendem nationalen Recht verein-bar sei. Der Verzicht auf die Stromgewinnung aus demAtomkraftwerk ist unpopulär, weil hier 40% desStroms in Bulgarien erzeugt und der Strom u.a. in dieNachbarländer exportiert wird.In ihrem letzten Bericht bescheinigte die EU-Kommis-sion Bulgarien eine funktionierende Marktwirtschaftund gute Fortschritte bei den Strukturreformen. Nurlangsam aber schreitet die Privatisierung der Wirt-schaft voran. Seit Anfang 2000 wird mit der EU überden Beitritt verhandelt. 2007 soll es so weit sein.

Historisches: Bulgarien wurde 681 gegründet und isteiner der ältesten Staaten Europas. 1878 wird das un-ter osmanischer Herrschaft stehende Land geteilt. Do-nau- und Hochbulgarien wird tributpflichtiges Fürs-tentum; Ostrumelien erhält Autonomie unter einemchristlichen Gouverneur. 1879 und 1887 wird jeweils

ein Deutscher zum Fürsten von Bulgarien gewählt. 1908 wird Bulgarien unabhängiges Za-renreich. 1946 wird nach einer Volksabstimmung die Monarchie abgeschafft und die Volksrepublik Bulgarien mit kommunistischer Prägung aus-gerufen. 1971 tritt eine Verfassung nach dem Vorbild der UdSSR in Kraft. 1989 beginnt der Demokratisierungsprozess. 1991 wird eine neue re-publikanische Verfassung verabschiedet.

Besonderheiten: Zwei große Gebirgszüge gliedern das Land in vier Regionen: das Nordbulgarische Donauhügelland, das Balkangebirge, die Thra-kische Niederung und die Rhodopen.

Republik Bulgarien (Republika Bulgarija)

Hauptstadt:Sofia (Sofija) PKW-Kennzeichen: BG

Fläche: 110.912 km2

Einwohner: 7,8 Mio. Einwohner pro km2: 70

Bevölkerungsgruppen: 84% Bulgaren, 9,5% Tür-ken, 4,6% Roma u.a. Minderheiten (z.B. Armenier,Russen)

Sprachen: Bulgarisch (Amtssprache); danebenTürkisch und Umgangssprachen anderer Minder-heiten

Religionen: 86% orthodoxe Christen, 13% Musli-me u.a. Minderheiten

Urbanisierungsgrad:68%

Bev.wachstum 1980–2001: –0,5 %

Währung: 1 Lew = 100 Stótinki = ca. 0,52 EUR

BIP gesamt: 15,2 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 14%, Industrie 28%, Dienstleistungen58%

Aktuelle Politik: Das Fehlen domi-nierender Parteien hat seit 1991 zueinem zehnmaligen Regierungs-wechsel geführt. Alle bisherigenRegierungen waren sich jedoch imBemühen um eine schnelle Integra-tion Estlands in die euro-atlanti-schen Strukturen einig. Mit der est-nischen Unabhängigkeit bekam dierussischsprachige Minderheit denStatus von Nicht-Staatsangehöri-gen mit eingeschränkten politi-schen Mitwirkungsrechten. Aufent-haltsberechtigte Nicht-Esten habennur das aktive Kommunalwahlrecht.

Historisches: 1230 wird Reval durch den Schwertbrüderorden mit Hilfe deutscher Kaufleu-te von der Insel Gotland gegründet. In der Blütezeit der Hanse gehören dieser die fünf be-deutendsten Städte des Landes an. Im 16. Jahrhundert ist Estland unter schwedischer Herr-schaft. Im 19. Jahrhundert beginnt die Russifizierung des Landes. Erst nach 1918 wird Estlandunabhängig. Eine demokratische Verfassung sichert den nationalen Minderheiten (Deutschen,Russen, Schweden) weit gehende kulturelle Autonomie. 1940 wird das Land gewaltsam indie UdSSR eingegliedert. 1990 proklamiert Estland den stufenweisen Übergang zur Unab-hängigkeit. Die neue Verfassung tritt 1992 in Kraft.

Besonderheiten: Estland, der nördlichste und am dünnsten besiedelte der drei baltischen Staaten, ist nicht größer als Niedersachsen. Zu Estlandgehören rund 1.400 Seen und ca. 1.500 Inseln. Fast die Hälfte des Landes ist von Wald bedeckt. Besonders eng sind die Verbindungen zu Finn-land. Die beiden Hauptstädte Helsinki und Tallinn sind über den Finnischen Meerbusen nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Tallinn giltals eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte in Europa. In der IT-Branche gilt Estland als eine der führenden Nationen in Europa. EinGesetz garantiert jedem Bürger als Grundrecht einen Internetzugang.

Republik Estland (Eesti Vabariik)

Hauptstadt:Tallinn (Reval) PKW-Kennzeichen: EST

Fläche: 45.100 km2

Einwohner: 1,4 Mio Einwohner pro km2: 31Bevölkerungsgruppen: 65% Esten, 28% Russen;Minderheiten: Ukrainer, Weißrussen und FinnenSprachen: Estnisch (Amtssprache), daneben Rus-sisch (rund 30% der Bev.) Religionen: überwiegend Christen (Lutheraner),Minderheiten von Katholiken, Muslimen und Ju-den

Urbanisierungsgrad:69%

Bev.wachstum 1980–2001: –0,4%

Währung: 1 Estnische Krone = 100 Senti = ca. 0,06 EURBIP gesamt: 6,2 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 6%, Industrie 28%, Dienstleistungen66%

Die Banybashi Moschee in Sofia ist ei-nes von zahlreichen Beispielen islami-scher Architektur in Bulgarien.

Die Altstadt von Tallinn.

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Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 47

C

C 7 Lettland

Aktuelle Politik: Rund 30% der Einwohner Lettlands sindRussen. Für die Beobachtung der Minderheitenfrage wur-de bis Ende 2001 eine OSZE-Mission eingesetzt. Die let-tische Regierung hat durch die Schaffung eines Ministe-riums für Integration ihren Willen zu weiteren Fort-schritten in diesem Bereich deutlich gemacht. Ab 2004wird dennoch Lettisch als einzige Unterrichtssprache ein-geführt. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russlandund Lettland betreffen vor allem Lettlands Funktion alsTransitland für Erdöl und Erdgas. Im März 2003 unter-brach Russland seine Öllieferungen, weil es die russischeMinderheit im Land diskriminiert sieht. Riga versuchtderzeit zu verhindern, dass dieser wichtige Wirtschafts-zweig unter die Kontrolle einer russischen Staatsfirmagerät. Jetzt soll die EU vermitteln.

Historisches: Um 1180 entdecken deutsche Kaufleute dievon Liven besiedelte Düna-Mündung und nennen die Ge-gend Livland. Im 13. Jahrhundert wird Livland durch denDeutschen Orden christianisiert. Eine deutsche Ober- undBürgerschicht (»Deutschbalten«) herrscht über die ein-heimische Bauernbevölkerung. Es entsteht eine Konfö-deration feudaler Kleinstaaten als Bestandteil des Heili-gen Römischen Reiches. Bis zum 15. Jahrhundert sind

zehn altlivländische Städte Mitglieder der Hanse. Im 18. Jahrhundert kommen Livland und Estland als »deutsche Ostseeprovinzen« unter russi-sche Herrschaft. 1940 wird der Anschluss Lettlands an die Sowjetunion erzwungen. Auch nach 1945 wird die massive Sowjetisierung fortgesetzt.1990 proklamiert das Parlament die Wiederherstellung der souveränen Republik Lettland. Eine Volksbefragung bestätigt die Unabhängigkeit. Erst1994 ziehen die letzten russischen Truppen ab.

Besonderheiten: Lettland ist der mittlere der drei baltischen Staaten. Es ist Teil der osteuropäischen Tiefebene und wird von der Düna (Daugava)durchschnitten, die in Riga in die gleichnamige Bucht mündet. Zahlreichen Seen machen fast 2% der Landesfläche aus, weitere 40% sind bewal-det und 5% sind Sümpfe und Moore. Riga wurde 1201 gegründet und ist die größte baltische Stadt. Die vorteilhafte geografische Lage im Zen-trum des Baltikums macht Lettland zu einer Drehscheibe für den Handel. Der infrastrukturelle Ausbau (v.a. Verkehrswege) ist in vollem Gange.Die wasserreiche Landschaft, die mittelalterlichen Städte, Museen und Volksparks machen das Land auch für Touristen besonders attraktiv.

Republik Lettland (Latvijas Republika)

Hauptstadt: Riga PKW-Kennzeichen: LV

Fläche: 64.589 km2

Einwohner: 2,3 Mio. Einwohner pro km2: 37

Bevölkerungsgruppen: 58% Letten, 30% Russenu.a. Minderheiten (Weißrussen, Polen)

Sprachen: Lettisch (Amtssprache); 62% sprechenLettisch, daneben spielt Russisch bei 36% einewichtige Rolle

Religionen: 55% Lutheraner, 24% Katholiken, 9% Russisch-Orthodoxe

Urbanisierungsgrad:60%

Bev.wachstum 1980–2001: –0,4 %

Währung: 1 Lats = 100 Santims = ca. 1,52 EUR

BIP gesamt: 8,5 Mrd. EUR (2001), davon Land-wirtschaft 5%, Industrie 26%, Dienstleistungen69%

C 8 Litauen

Aktuelle Politik: Probleme haben die Litauer vorallem mit der Energieversorgung. Denn nach denEU-Richtlinien muss das AKW in Ignalina, das ca.80% der Elektrizität liefert, bis 2009 abgeschaltetwerden. Dann wird Litauen von russischem Erdölund Erdgas abhängig. Vertreter der russischen undpolnischen Minderheiten (ca. 15% der Bevölke-rung) protestierten gegen die sprachenpolitischeEntscheidung von 1989, Litauisch zur Amtsspra-che zu machen.

Historisches: Nach der dritten polnischen Teilungzwischen Österreich, Preußen und Russland wirdLitauen 1795 russisches Gouvernement. Die bru-tale Russifizierungspolitik bewirkt eine starke Aus-wanderungsbewegung nach Nordamerika und eine

litauische Nationalbewegung. 1918 wird die unabhängige Republik Litauen proklamiert. 1941–1944 ist Litauen unter deutscher Besetzung. 1944 marschiert die russische Armee ein. Alserste sowjetische Unionsrepublik erklärt Litauen 1990 seine Unabhängigkeit. Die neue Ver-fassung tritt 1992 in Kraft. Das Land beginnt mit dem Aufbau eines eigenen Wirtschaftssy-stems. Heute ist die Privatisierung der bis 1990 staatlich gelenkten Wirtschaft nahezu abge-schlossen.

Besonderheiten: Litauen ist flächenmäßig das größte der drei baltischen Länder. Es ist ein wasserreiches Land mit zahlreichen Flüssen und über4.000 Seen. Nördlich von Wilna liegt der geografische Mittelpunkt Europas. Die Universität Wilna ist eine der ältesten Europas (1579 gegründet).Die mittelalterliche Altstadt wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Litauer werden als »globales Volk« bezeichnet, weil ein Drit-tel der Litauer außerhalb Litauens über die Welt verstreut lebt.

Republik Litauen (Lietuvos Respublika)

Hauptstadt:Wilna (Vilnius) PKW-Kennzeichen: LT

Fläche: 65.301 km2

Einwohner: 3,5 Mio. Einwohner pro km2: 53Bevölkerungsgruppen: 81% Litauer, 8% Russen,7% Polen und andere MinderheitenSprachen: Litauisch (Amtssprache), Russisch,Polnisch

Religionen: 80% Katholiken, andere Minderheiten(Protestanten und orthodoxe Christen)

Urbanisierungsgrad:69%

Bev.wachstum: 1980–2001: 0,1%

Währung: 1 Litas = 100 Centas = ca. 0,29 EURBIP gesamt: 13,4 Mrd. Euro (2001), davon Land-und Forstwirtschaft 8%, Produzierendes Gewer-be 31%, Dienstleistungen 60%

Das Freiheitsdenkmal in Riga sym-bolisiert die drei historischen Regio-nen Lettlands: Kurland, Livland undLettgallen.

Die historische Altstadt von Vilnius beiNacht.

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48 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten

C

C 9 Malta

Aktuelle Politik: Malta ist künftig das kleinsteEU-Mitglied. Wirtschaftlich aber ist die Insel fitfür den EU-Binnenmarkt. Malta fürchtet Brüsse-ler Umweltauflagen, denn trotz der größten Au-todichte in Europa sind Katalysatoren, Müll-recycling oder Kraftwerkfilter fast unbekannt.Malta erkämpfte sich 77 Sonderklauseln ge-genüber der EU. U.a. bleibt das Abtreibungsver-bot dem katholisch geprägten Land erhalten.

Historisches: 1530 belehnt Kaiser Karl V. denJohanniterorden mit Malta. 1798 beendet Na-poleon Bonaparte die Ordensherrschaft. Maltasucht daraufhin den Schutz Großbritanniens.1814 wird die Insel britische Kronkolonie undwichtiger Flottenstützpunkt. Seit 1920 haben dieMalteser eine eigene Regierung und ein eigenesParlament. Unter dem Schutz der britischen Kro-ne wird die Inselgruppe 1964 unabhängig undist seit 1974 Republik. 1979 zogen die letztenbritischen Truppen ab. Heute ist Malta eine par-

lamentarische Demokratie im Commonwealth. Es besteht ein Zweiparteiensystem mit unge-fähr gleich starken Parteien. Dies hat eine stark polarisierende Wirkung auf alle Bereiche desLebens. Die Wahlbeteiligung liegt regelmäßig deutlich über 90%.

Besonderheiten: Die Inselgruppe südlich von Sizilien besteht aus Malta, Gozo und Comino. Malta ist ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen.Die maltesische Sprache ist dem Arabischen eng verwandt. So betet die mehrheitlich katholische Bevölkerung zu »Allah«, denn Gott heißt auf mal-tesisch »Alla«. Allein der Tourismus erwirtschaftet auf der attraktiven Insel etwa ein Drittel des Sozialprodukts. In Malta werden täglich mehr als30.000 Paar Jeans für den EU-Markt produziert. Mit dem Beitritt wird die Ferieninsel zu einem der wichtigsten Jeansproduzenten in der EU.

Republik Malta (Repubblika ta`Malta/Republic of Malta)

Hauptstadt: Valletta PKW-Kennzeichen: M

Fläche: 316 km2

Einwohner: 395.000 Einwohner pro km2:1.250

Bevölkerungsgruppen: Malteser, ca. 5% Britenund ItalienerSprachen: Maltesisch und Englisch (Amtsspra-chen), Italienisch

Religionen: 96% Katholiken

Urbanisierungsgrad:91%

Bev.wachstum 1990–98: 0,9%

Währung: 1 Maltesische Lira = 100 Cents = ca. 2,18 EURBIP gesamt: 4,0 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 3%, Industrie 26%, Dienstleistungen71%

C 10 Polen

Aktuelle Politik: Der EU-Verfassungs-gipfel zur gemeinsamen Verfassungscheiterte Ende 2003, weil sich dieStaats- und Regierungschefs nicht aufdie künftige Stimmengewichtung derMitgliedstaaten bei Mehrheitsentschei-dungen verständigen konnten. Vor al-lem Polen und Spanien wollten am EU-Vertrag von Nizza festhalten, der beidenLändern ein größeres Gewicht einräumt,als ihnen nach ihrer Bevölkerungszahlzustehen würde.

Historisches: Im 16. Jahrhundert warPolen einer der bedeutendsten Staaten

Europas. Nach der ersten polnischen Teilung zwischen Preußen, Österreich und Russland im18. Jhdt. wird die erste geschriebene Verfassung Europas (1772) in Polen verabschiedet. Po-len wird noch weitere zwei Mal (1793 und 1795) geteilt. Auf dem Wiener Kongress (1815)entsteht das Königreich Polen (»Kongress-Polen«) in Personalunion mit Russland. Alle Ver-suche zur Wiederherstellung des polnischen Nationalstaates im 19. Jahrhundert werden nie-dergeschlagen. 1918 wird Polen unabhängig. Am 1. September 1939 löst der deutsche An-griff auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus. Polen wird zwischen Deutschland und Russlandaufgeteilt. Der nationalsozialistische und sowjetkommunistische Terror sucht das Land heim.Das Potsdamer Abkommen vom August 1945 regelt die Grenzen Polens. Mit der Vertreibung der Deutschen und der Zwangsumsiedlung der Po-len aus dem an die UdSSR gefallenen Ostpolen kommt es zu einer gewaltigen Bevölkerungsverschiebung.

1952 wird die kommunistische Volksrepublik Polen gegründet. Seit der Wahl des Krakauer Kardinals zum Papst Johannes Paul II. (1978) setzt inPolen eine religiöse Erneuerungsbewegung ein, die tief greifende Reformen fordert. 1980 muss die Regierung nach einer landesweiten Streikbe-wegung die unabhängige Gewerkschaft Solidarnosc unter Lech Walesa zulassen. 1989 wird die Bezeichnung Republik Polen wieder eingeführt.Die Solidarnosc erzielt einen überragenden Wahlsieg.

Besonderheiten: Polen ist größtenteils Flachland. Es gliedert sich von Norden nach Süden in fünf geografische Zonen. Die Bergregionen sind dieSudeten, die Hohe Tatra sowie die Karpaten im äußersten Süden an der slowakischen Grenze. Krakau hat eine der ältesten Universitäten Europas(1364 gegründet). Nach seinem EU-Beitritt hat Polen die längste Außengrenze der EU.

Republik Polen (Rzeczpospolita Polska)

Hauptstadt:Warschau (Warszawa) PKW-Kennzeichen: PL

Fläche: 312 685 km2

Einwohner: 38,6 Mio. Einwohner pro km2: 124

Bevölkerungsgruppen: 98% Polen, Minderheiten(Deutsche, Ukrainer, Roma, Tartaren)

Sprache: PolnischReligionen: 90% römisch-katholische Christen,Minderheiten (orthodoxe Christen, Protestanten,Juden)

Urbanisierungsgrad:63%

Bev.wachstum 1980–2001: 0,4%

Währung: 1 Zloty = 100 Groszy = ca. 0,23 EURBIP gesamt: 196,7 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 3%, Industrie 32%, Dienstleistungen65%

Die prächtige Kathedrale von St. Johann in LaValetta.

Die Altstadt von Warschau.

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Aktuelle Politik: Die innenpolitische Lage ist geprägtvon dem Bemühen, die Last der Ceausescu-Diktaturweiter abzubauen und das Land auf demokratischerGrundlage zu reformieren. In den Berichten der EU-Kommission wird insbesondere die fortdauerndeKorruption in Rumänien kritisiert.

Historisches: Rumänien war im Altertum eine wich-tige Provinz des Römischen Reiches. Der Staatsna-me und die mit dem Lateinischen verwandte Spra-che weisen noch heute darauf hin. Im 14. Jahr-hundert sind die Fürstentümer an der Moldau und inder Walachei gezwungen, die türkische Oberhoheitanzuerkennen. 1862 vereinigen sie sich unter demNamen Rumänien. Auf dem Berliner Kongress (1878)erhält Rumänien seine volle Souveränität. 1947 ru-fen die Kommunisten die Volksrepublik aus. Vor al-lem der letzte Staats- und Parteichef Ceausescu errichtet ein diktatorisches Regime. 1989 kommt eszum Volksaufstand. Im Dezember 1991 verabschie-det das Parlament eine rechtsstaatliche Verfassung.Alle Regierungen seit 1996 setzen sich das Ziel, denwirtschaftlichen und politischen Rückstand gegen-

über den anderen Transformationsländern abzubauen. Seit 2000 laufen die Beitrittsverhand-lungen mit der EU. 2007 soll Rumänien der Union beitreten.

Besonderheiten: Tiefe Schluchten und Täler zergliedern Rumänien in einzelne Gebirgsmassive. Die hügelige Moldaulandschaft bedeckt den Nord-osten Rumäniens. Die Walachei mit der Hauptstadt Bukarest verläuft südlich von den Transsylvanischen Alpen bis zur Donau hin. Im Osten liegtdie Dobrudscha, ein Hügelland, das bis zum Schwarzen Meer reicht. Das Karpatenland lockt derzeit immer mehr deutsche Investoren. Hauptan-ziehungspunkt ist dabei die Region um das ehemalige Temeschburg – das Banat, Rumäniens westlichster Zipfel an der Grenze zu Ungarn und Ser-bien. Während anderswo auf dem Balkan die heftigen Konflikte zwischen verfeindeten Volksgruppen nachwirken, praktizieren hier Rumänen, Ser-ben, Ungarn und Deutsche ein friedliches Miteinander.

Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 49

C

C 11 Rumänien

Rumänien (România)

Hauptstadt:Bukarest (Bucureçti) PKW-Kennzeichen: RO

Fläche: 238.391 km2

Einwohner: 22,4 Mio. Einwohner pro km2: 94

Bevölkerungsgruppen: 90% Rumänen, 7%Magyaren (Ungarn) u.a. Minderheiten (Roma,Russen, Deutsche, Serben, Türken und Bulgaren)Sprachen: Rumänisch (Amtssprache), Ungarisch,DeutschReligionen: 87% Rumänisch-Orthodoxe, 5% Ka-tholiken u.a. Minderheiten

Urbanisierungsgrad:55%

Bev.wachstum 1980–2001: 0,0%

Währung: 1 Leu = 100 Bani = ca. 0,00003 EUR

BIP gesamt: 44,4 Mrd. Euro, davon Landwirt-schaft 12%, Industrie 37%, Dienstleistungen 51%

C 12 Slowakische Republik

Aktuelle Politik: Die SlowakischeRepublik ist neben der Tschechi-schen Republik einer der beidenNachfolgestaaten der Tschecho-slowakei. Bald nach der »Samte-nen Revolution« von 1989 setz-ten sich diejenigen Kräfte in derSlowakei durch, die für einegrundsätzlich neue Stellung derSlowakei eintraten. 1993 erfolgtedie Gründung der SlowakischenRepublik.

Auf dem Gebiet der Slowakei le-ben verschiedene Minderheiten.Die Kulturpolitik räumt ihnen Mit-sprache ein. Die Roma sind die

zweitgrößte Minderheit im Land. Vor allem im Osten der Slowakei sind sie aufgrund ihres ge-ringeren Bildungsniveaus, der hohen Arbeitslosigkeit und der mangelnden Integration ein so-ziales Problem.

Historisches: Bis 1918 steht die Slowakei unter ungarischer und damit ab dem 16. Jahr-hundert unter habsburgischer Herrschaft (»Oberungarn«). Bis ins 19. Jahrhundert hinein be-stimmen Einflüsse aus Ungarn und Österreich die kulturelle Entwicklung des Landes. 1918wird das Land Teil der Tschechoslowakei. Von 1945 bis 1989 ist die Slowakei Teil der kom-munistisch regierten CSSR. 1990 erfolgt die Umwandlung in eine föderative Republik innerhalb der Tschechoslowakei. Die Slowakei erlangt 1993erstmals nach tausend Jahren wieder ihre völlige Souveränität und ist seitdem eine unabhängige Republik mit parlamentarischer Demokratie.

Besonderheiten: Im Zentrum der Slowakei liegen die parallel verlaufenden Gebirgszüge der Niederen und der Hohen Tatra sowie des Slowaki-schen Erzgebirges. In Pressburg findet man zahlreiche mittelalterliche und barocke Bauten. In der Kirche von Levoca steht der höchste gotischeAltar der Welt. Die Burg Spissky besitzt das weitläufigste mittelalterliche Befestigungssystem in Mitteleuropa (UNESCO-Weltkulturerbe). Die Slo-wakei ist seit dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit der EU zum Steuerparadies geworden: Reiche und Arme zahlen einheitlich nur 15%Steuern auf ihr Einkommen.

Slowakische Republik (Slovenská Republika)Hauptstadt:Pressburg (Bratislava) PKW-Kennzeichen: SK

Fläche: 49.034 km2

Einwohner: 5,4 Mio. Einwohner pro km2: 110Bevölkerungsgruppen: 86% Slowaken, 10%Magyaren (Ungarn), 9% Roma u.a. Minderheiten(Tschechen, Ukrainer, Deutsche)Sprachen: Slowakisch (Amtssprache), Ungarisch,TschechischReligionen: 69% Römisch-Katholisch, 8% Protes-tanten, 7% Evangelische Augsburger Kirche

Urbanisierungsgrad:58%

Bev.wachstum 1980–2001: 0,4%

Währung: 1 Slowakische Krone = 100 Heller = ca. 0,02 EUR

BIP gesamt: 22,3 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 4%, Industrie 30%, Dienstleistungen66%

Der Strand bei Constanta am SchwarzenMeer.

Das Schloss in der slowakischen Hauptstadt Bratislava.

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50 Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten

C

C 13 Slowenien

Aktuelle Politik: Slowenien gilt alsVorzeigekandidat unter den neuenEU-Mitgliedstaaten. Das Land hatökonomisch den Anschluss an dieEU geschafft, denn das Pro-Kopf-BIP erreichte bereits 2002 das Ni-veau von Griechenland und Portu-gal. Nicht unerheblich für denwirtschaftlichen Erfolg ist die poli-tische Stabilität.

Historisches: Mit dem Ende derHabsburger Monarchie schließensich die Slowenen 1918 mit denSerben und Kroaten zu einem Kö-nigreich (seit 1929 Jugoslawien)

zusammen. Teile des Landes bleiben bei Österreich bzw. werden italienisch. 1945/46 wirdSlowenien eine Teilrepublik der Volksrepublik Jugoslawien. 1990 erklärt sich Slowenien nacheiner Volksabstimmung gleichzeitig mit Kroatien zum souveränen Staat. Damit beginnt dieAuflösung Jugoslawiens. Im Dezember 1991 verabschiedete das slowenische Parlament eineneue Verfassung nach dem Vorbild westlicher Demokratien. Aufgrund des 1994 einsetzen-den Wirtschaftswachstums kann sich Slowenien deutlich stärker konsolidieren als die ande-ren Nachfolgestaaten Jugoslawiens.

Besonderheiten: Slowenien nimmt eine Brückenfunktion zwischen der alten EU und dem Balkan ein. Das Land hofft deshalb, beim Warenhandelnach Mittel- und Westeuropa eine wichtige Rolle zu spielen. Deshalb wird eifrig am Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gearbeitet. Slowenien be-steht vorwiegend aus Gebirgen und wird deshalb auch die »Schweiz des Ostens«genannt. Die römische Stadtgründung Laibach (Ljubljana) gehörtzu einer der Touristenattraktionen des Landes. Auch architektonisch weist die Stadt auf die historischen Verbindungen des Landes zu Italien undÖsterreich hin. Mit seiner abwechslungsreichen Landschaft zwischen Gebirge und Meeresküste besitzt Slowenien die besten Voraussetzungen füreinen blühenden Tourismus.

Republik Slowenien (Republika Slovenija)

Hauptstadt:Laibach (Ljubljana)

PKW-Kennzeichen:SLO

Fläche: 20.253 km2

Einwohner: 2,0 Mio. Einwohner pro km2: 98

Bevölkerungsgruppen: 84% Slowenen u. a. Min-derheiten (Kroaten, Serben, Ungarn, Italiener)

Sprache: Slowenisch (Amtssprache)

Religionen: 71% Katholiken u.a. Minderheiten (Lu-theraner, Orthodoxe, Muslime)Urbanisierungsgrad:49%

Bev.wachstum 1980–2001: 0,2 %

Währung: 1 Tolar = 100 Stotin = ca. 0,004 EURBIP gesamt: 20,9 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 3%, Industrie 38%, Dienstleistungen58%

C 14 Tschechische Republik

Aktuelle Politik: Mit klarer Mehrheit(77%) haben sich die Tschechen imJuni 2003 für den Beitritt ihres Landeszur EU ausgesprochen. Die Prager Po-litiker feierten das Ergebnis als endgül-tigen Abschluss des Kalten Krieges undals Rückkehr Tschechiens in den Wes-ten. Immer noch und immer wiederstehen die Beneš-Dekrete im Zentrumeiner erbitterten Debatte. Eine Aufhe-bung der Dekrete würde nach PragerBefürchtungen auch die Enteignungenaufheben und Tschechien mit nichtleistbaren Rückgabeforderungen über-ziehen.

Historisches: Die ehemaligen tschechischen Kronländer Böhmen, Mähren und Schlesiengehören bis 1918 zu Österreich-Ungarn. Von 1918 bis 1939 bilden sie den größten Teil derTschechoslowakei. Im Münchner Abkommen (1938) wird das Land zerschlagen. Nach 1945ist Tschechien erneut der dominierende Teil in der kommunistisch regierten Tschechoslowa-kei. Erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaft im Zuge der »samte-nen« Revolution mit dem Zentrum Prag erfolgt 1990 die Umwandlung der Tschechoslowakeiin eine föderative Republik. 1993 wird die Tschechische Republik zum souveränen Staat.

Besonderheiten: Den westlichen Teil des Landes nehmen v.a. das Böhmische Massiv und das Böhmische Becken ein. Das Böhmische Beckenwird vom Erzgebirge, dem Böhmerwald, den Sudeten und der Böhmisch-Mährischen Höhe umschlossen. Die beiden großen Flüsse Elbe undMoldau durchströmen das Becken und fließen bei Prag zusammen.

Das Land produziert weltberühmtes Bier sowie Mineralwasser aus über 900 Naturquellen. Die Hauptstadt Prag ist über 1.000 Jahre alt und weisteinen großen Reichtum an historischen Bauten auf. Die Karls-Universität in Prag (1348 gegründet) ist eine der ältesten Universitäten Europas undwar Jahrhunderte lang ein geistiges Zentrum. Berühmte Tschechen sind der Reformator des 15. Jahrhunderts Jan Hus und die Komponisten Dvo-rák und Smetana.

Tschechische Republik (Ceská Republika)

Hauptstadt:Prag (Praha) PKW-Kennzeichen: CZ

Fläche: 78.866 km2

Einwohner: 10,2 Mio. Einwohner pro km2: 130

Bevölkerungsgruppen: 90% Tschechen, 4% Slo-waken u.a. Minderheiten

Sprache: Tschechisch (Amtssprache), Slowakisch

Religionen: 39% Katholiken, 5% Protestanten, 3%Orthodoxe, ca. 40% konfessionslosUrbanisierungsgrad:75%

Bev.wachstum: 1980–2001: 0,0%

Währung: 1 Tschechische Krone = 100 Heller = ca. 0,03 EURBIP gesamt: 63,3 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 4%, Industrie 41%, Dienstleistungen55%

Die Altstadt der slowenischen Hauptstadt Ljubljana.

Die Karlsbrücke und das Schloss in Prag.

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Länderprofile: Die neuen Mitgliedstaaten 51

C

C 15 Ungarn

Aktuelle Politik: Eine gute Infra-struktur und qualifizierte Arbeits-kräfte machen Ungarn zu einemInvestitionsmagneten unter denneuen EU-Mitgliedstaaten. Prio-rität im Land hat auch deshalb dieReorganisation des Hochschul-systems und Reformen in derSchulpolitik. Kritik musste sich dieungarische Regierung im Bereichder Menschenrechte gefallen las-sen. Die EU-Kommission forderte

Ungarn auf, die Situation der ethnischen Minderheit der Roma zu verbessern.

Historisches: Nach einem Krieg gegen die Türken zerfällt das unabhängige Königreich Un-garn 1526 in drei Teile: Den Westen erhalten die Habsburger, im Osten entsteht das Fürs-tentum Siebenbürgen und die Mitte wird türkisch besetzt. Im 19. Jahrhundert wird Ungarnder österreichischen Verwaltung eingegliedert. 1867 wird Ungarn in Realunion mit Öster-reich selbständiges Königreich. Mit dem Ende der Habsburger Monarchie wird 1918 die Re-publik Ungarn ausgerufen. Bereits 1921 wird die Monarchie wiederhergestellt. 1944 beset-zen erst deutsche und dann sowjetrussische Truppen das Land. Bis 1989 steht die»Volksdemokratie Ungarn« unter kommunistischer Herrschaft. Ein Volksaufstand wird 1956 von den Sowjettruppen gewaltsam niedergeschla-gen. Fast 200.000 Ungarn flüchten in den Westen. Seit den 1960er-Jahren verfolgt Ungarn ein eigenständiges Sozialismusmodell, das zu sozia-len Verbesserungen, einem Wirtschaftsaufschwung und gewissen Liberalisierungen führt (sog. »Gulasch-Kommunismus«). Im Mai 1989 flüch-ten Tausende aus der DDR nach Ungarn, das seine Sperranlagen an der Grenze zu Österreich abgebaut hat. Der Umbruch in der DDR und in ganzOsteuropa wird dadurch beschleunigt. Im Oktober 1989 tritt die modifizierte neue Verfassung Ungarns in Kraft.

Besonderheiten: Ungarn besteht überwiegend aus Tiefland und den weiten fruchtbaren Ebenen des Donaubeckens. Der Plattensee, eine der Tou-ristenattraktionen des Landes, ist der größte Binnensee in Mitteleuropa. Die ungarische Sprache weist keine Verwandtschaft mit den Sprachender Nachbarländer auf. Sie ist entfernt mit dem Finnischen und dem Estnischen verwandt. In Ungarn hat die Musik einen hohen Stellenwert:berühmte ungarische Komponisten sind Liszt und Bartók. In Budapest fuhr die erste Untergrundbahn des europäischen Kontinents.

Republik Ungarn (Magyar Köztársaság)

Hauptstadt: Budapest PKW-Kennzeichen: H

Fläche: 93.030 km2

Einwohner: 10,2 Mio. Einwohner pro km2: 110

Bevölkerungsgruppen: 96% Ungarn, 4% Romau.a. Minderheiten (Deutsche, Serben)

Sprache: Ungarisch (Amtssprache)

Religionen: 68% Katholiken, 20% Calvinisten, 5%Lutheraner u.a. MinderheitenUrbanisierungsgrad:65%

Bev.wachstum 1980–2001: –0,2 %

Währung: 1 Forint = 100 Filler = ca. 0,004 EURBIP gesamt: 58,0 Mrd. Euro (2001), davon Land-wirtschaft 4%, Industrie 34%, Dienstleistungen62%

C 16 Zypern

Aktuelle Politik: Formal ist Zypern eine präsidia-le Republik mit zwei sich selbst verwaltendenVolksgruppen. De facto aber besteht die Insel ausdem international anerkannten griechisch-zyprio-tischen Südteil und dem türkisch-zypriotischenNordteil, der nur von der Türkei anerkannt wird.Die Lösung des Zypern-Konflikts wird von vieleneuropäischen Politikern als eine der Vorbedin-gungen für die Beitrittsverhandlungen mit der Tür-kei angesehen.

Historisches: Die Vorherrschaft des Christentumshat in Zypern Ende des 4. Jahrhunderts begonnen. 1098 errichteten Kreuzfahrer auf Zyperneinen Stützpunkt für ihre Eroberungszüge im Heiligen Land. 1571 eroberten die Türken Tei-le der Insel. Unter osmanischer Herrschaft wird eine muslimische Minderheit auf der Inselangesiedelt. 1878 hissen dann die Briten ihre Flagge auf Zypern. 1960 erhält Zypern die Un-abhängigkeit. Als das Militärregime in Athen 1974 einen Putsch der Nationalisten gegen denInsel-Staatschef inszeniert, marschieren türkische Truppen ein und besetzten den Nordteilder Insel. 1983 wird die Türkische Republik Nordzypern ausgerufen.

Besonderheiten: Zypern ist die drittgrößte Mittelmeerinsel. Nikosia ist die einzige geteilteHauptstadt Europas. Hier fand am 23. April 2003 nach fast 30 Jahren Restriktionen erstmalseine Grenzöffnung statt. Bewohner beider Teile der Insel können sich seitdem zu Tagesbe-suchen treffen. Die wichtigsten Wirtschaftszweige auf Zypern sind der Tourismus, die Be-kleidungsindustrie und das Kunsthandwerk.

Republik Zypern (Kypriaki Dimokratía)

Hauptstadt:Nikosia (Lefkosía) PKW-Kennzeichen: CY

Fläche: 9.251 km2

Einwohner: 797.000 Einwohner pro km2: 82

Bevölkerungsgruppen: 85% griechische Zyprio-ten, 12% türkische Zyprer u. a. MinderheitenSprachen: 80% Griechisch, 20% Türkisch, gemeinsame Verkehrssprache: EnglischReligionen: 95% orthodoxe Christen (im Süden),95% sunnitische Muslime (im Norden)Urbanisierungsgrad:70%

Bev.wachstum 1990–98: 1,4 %

Währung: 1 Zypern-Pfund = 100 Cents = ca. 1,71 EURBIP gesamt: 10,2 Mrd. Euro (2001) davon Land-wirtschaft 5%, Industrie 23%, Dienstleistungen72%

Alle Länderportraits C 5 – C 16 zusammengestellt von Dagmar Meyer, nach: Fischer Weltalmanach 2004. Zahlen Daten Fakten. Frankfurt/M.(Fischer) 2003; Jahrbuch 2004. Die Welt in Zahlen, Daten, Analysen. Hamburg (Spiegel Buchverlag) 2003; Aktuell 2004. Dortmund (Harenberg LexikonVerlag), 2003; Der Brockhaus multimedial 2004 premium. Mannheim (Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG) 2004; www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos.Alle Fotos: Mediathek der Europäischen Kommission.

Das ungarische Parlament am Ufer der Donau in Budapest.

Traditionelles Korbflechten auf Zypern.

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52 Wirtschaftliche Konsequenzen der Erweiterung

C

C 18 Der wirtschaftlicheRückstand

Beispiel: Die Landwirtschaft Polens

Ein Viertel der polnischen Erwerbstätigen sind in derLandwirtschaft beschäftigt (zum Vergleich: Deutsch-land: 3,5 Prozent) und fast die Hälfte des Landes istlandwirtschaftliche Nutzfläche. Polens Landwirtschaftsteckt ... in einer Krise. Sie ist auf zu viele kleine Höfezersplittert (nur 20 Prozent der Höfe haben mehr als10 Hektar Nutzland), leidet unter Kapitalmangel, undder Ausbildungsstand der Bauern ist gering. Statt Ar-beitskräfte in die Industrie abzugeben, hat sie in denvergangenen Jahren Menschen, die ihre Arbeitsplät-ze verloren hatten, aufnehmen müssen, mit der Fol-ge, dass von der versteckten Arbeitslosigkeit auf demLande etwa eine Million Polen betroffen sind.

Im polnischen Vergleich ist das flache Land in jederHinsicht benachteiligt, zum Beispiel beim Zugang zuBildungseinrichtungen und ärztlicher Versorgung. Esfehlt an Wasserleitungen, Kanalisation und Telefon- Foto:Michael Engler/Bilderberg (keine Online-Rechte)

C 17 Kennzahlen der Beitrittsländer

anschlüssen. Nun befürchten Polens Bauern, sie soll-ten nach dem Beitritt zur EU als Landwirte zweiterKlasse behandelt werden, weil die EU nicht bereit ist,ihnen die gleichen Beihilfen zu gewähren, wie sie dieLandwirte in der EU derzeit erhalten.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4. Februar 2002 (Michael Lud-wig).

Quelle: eurostat, Stand 2001

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Wirtschaftliche Konsequenzen der Erweiterung 53

C

C 19 Anpassungsschwierigkeiten:ein Überblick

Estland:• hohes Defizit in der Leistungsbilanz, bedingt

durch einen zu großen Anteil des staatlichen Wirt-schaftssektors

• schleppende Integration der russischen Bevölke-rungsminderheit (ein Drittel der Einwohner Est-lands)

• schwerwiegende Umweltprobleme (Folgen desUranabbaus während der Sowjetzeit)

Lettland:• unbefriedigende Stabilisierung der Staatsfinan-

zen• zögerliche Reform des öffentlichen Dienstes• mangelhafte Infrastruktur

Litauen:• mangelhafte Haushaltsdisziplin• Rückstände bei der Reform von Justiz und öf-

fentlicher Verwaltung sowie bei der Bekämpfungvon Korruption und Kriminalität

• Problem der russischen Enklave Kaliningrad (Zu-gang über litauisches Gebiet)

Malta:• Nachholbedarf bei der Übernahme der Regeln

des Gemeinsamen Binnenmarktes und des frei-en Wettbewerbs

Polen:• rückständige Landwirtschaft• erhebliche Probleme in den Bereichen Umwelt,

Energie und Infrastruktur (vor allem im Verkehrs-bereich)

• große soziale und regionale Unterschiede• defizitärer Staatshaushalt• Probleme bei der Sicherung und Kontrolle der

längsten Außengrenze aller EU-Mitgliedstaaten(1.200 Kilometer)

Slowakei:• ungelöste Minderheitenprobleme (etwa 300.000

bis 500.000 Roma)

Slowenien:• relativ hohe Inflationsquote• zu starker Einfluss des Staates auf die Wirtschaft

und den Finanzsektor• andauernde Streitigkeiten mit dem Nachbarland

Kroatien

Tschechien:• verschleppte Reform von Justiz und Verwaltung• fortbestehende hohe Korruption und Kriminalität• rückständiges Fernstraßennetz• andauernder deutsch-tschechischer Streit um die

Beneš-Dekrete

Ungarn:• hohe Auslandsverschuldung• Strukturschwäche der Landwirtschaft (zahlreiche

Kleinstbetriebe)• mangelhafte Umweltpolitik

Zypern:• fortbestehende Teilung der Insel (griechisch-zyp-

rischer Süden/türkisch-zyprischer Norden)

Bulgarien:• extrem niedriger Lebensstandard• hohe Arbeitslosenquote• zu hoher Anteil der Staatsbetriebe• Problem der organisierten Kriminalität

Rumänien:• Rückstände beim Übergang zur Marktwirtschaft

und zum freien Wettbewerb• verbreitete Armut (über 40 Prozent der Bevölke-

rung unter der Armutsgrenze)• zu hoher Anteil der unproduktiven Landwirtschaft• fortbestehende Minderheitenprobleme

C 20 Willkommen in der EU!

Es ist leichter auf Defizite hinzuweisen, anstatt die rie-sigen Anstrengungen, die alle Länder des europäi-schen Ostens mit kärglichsten Mitteln unternehmen,... zu würdigen ... Als das sowjetkommunistische Sys-tem zusammenbrach, war die Entscheidung zuguns-ten einer liberalen Marktwirtschaft in den Ländern desOstens scheinbar selbstverständlich. Dort hat man dieEinladung ernst genommen, im »Freien Westen« mitoffenen Armen empfangen zu werden.

Nun stehen die ärmsten Länder des alten Ostblocks... wie Bittsteller vor der Tür, und die reichen, geizigenEuropäer wollen den Ärmeren lange nicht die Unter-stützung gewähren, mit der einst der Marshallplan ih-nen selbst auf die Beine geholfen hat ... Die histori-sche und vor allem die moralische Dimension desVorgangs tritt gegen kleinliche Fragen der Wohl-standssicherung und der Taxierung der neuen Kan-didaten meist zurück ...

Die Europäer des Westens haben allesamt große Pro-bleme mit der Armut des Ostens. Sie fürchten realeVerluste ihres beachtlichen Wohlstandes, obwohl dieFrage erlaubt sein kann, ob eine gemeinschaftlicheStabilisierung des Kontinents und eine Aufbauhilfe andie neuen Demokratien diesen Preis nicht wert ist. Zu-dem handelt es sich nicht nur um Länder, die dasEnde des Kalten Krieges mit hohem Risiko für die Be-völkerung maßgeblich bewerkstelligt haben, sondernum Kulturen, die nach 1945 vollkommen zu Unrechtden Preis für die ideologische Zweiteilung des Konti-nents zahlen mussten.

Dirk Schümer: Das Gesicht Europas: ein Kontinent wächst zu-sammen. Hamburg (Hoffmann und Campe) 2000, S. 266–268.

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54 Haushalt und Finanzierung der EU der 25

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C 24

Droht ein Streit über dieFinanzierung der EU?

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C 22

Zeichnung: Luff

Quelle: Handelsblatt-Grafik

Die Finanzplanung der EuropäischenUnion steht im Konflikt zwischen Netto-zahlern und Empfängerstaaten. Durchdie Erweiterung wird sich das verschär-fen, weil die bisher Begünstigten finan-zielle Einbußen fürchten. Die Agenda2000, die den Finanzrahmen der Eu-ropäischen Union bis zum Jahr 2006festlegt, ... gilt bis 2006. Die mittelfristi-ge Finanzplanung für die Zeit von 2007bis 2013 muss also bald in Angriff ge-nommen werden. Besonders strittig istdie Verteilung der Mittel für die Agrar-und Strukturpolitik ... Die Mitgliedstaa-ten müssen über finanzielle Fragen ein-stimmig entscheiden und sind ... von na-tionalen Interessen blockiert. DieFinanzierung der Erweiterung wird dieGemeinschaft deshalb auf eine erhebli-che Belastungsprobe stellen.

Der Tagesspiegel (Berlin), 17. April 2003 (Mariele Schulze Berndt)

C 21 Die Erweiterung und die Kosten

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Haushalt und Finanzierung der EU der 25 55

C

C 25

Grafik: Felix Brocker (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

C 26 Wie teuer wird dieErweiterung? – Ein Überblick

• Die Kommission will im Zeitraum von 2004 bis 2006für die Erweiterung mehr als 40 Milliarden Euro be-reitstellen.

• Dieser Betrag ist vergleichsweise nicht besondershoch. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt derEuropäischen Union sind es nur 0,5 Prozent.

• Die Agrarausgaben für die zehn neuen Mitglied-staaten in Höhe von etwa 10 Milliarden Euro set-zen sich folgendermaßen zusammen: Für Direkt-zahlungen und Agrarmarktordnungen sind in dendrei Jahren 2004 bis 2006 4,8 Milliarden Euro vor-gesehen; für die Entwicklung des ländlichenRaums dagegen 5,1 Milliarden Euro.

• Während in den vier ärmsten Ländern der bisheri-gen EU (Spanien, Portugal, Griechenland und Ir-land) etwa 230 Euro an Regionalhilfe pro Kopf derBevölkerung bezahlt werden, können die Neumit-glieder je Einwohner nur mit etwa 150 Euro rechnen.

• Polen bekommt von 2004 bis 2006 ungefähr 67Euro pro Jahr und Einwohner, Ungarn 49 Euro unddie Tschechische Republik sogar nur 29 Euro. ZumVergleich: Griechenland (Mitglied seit 1981) erhieltim Jahr 2000 immer noch 437 Euro pro Kopf.

• Im Schnitt kostet die Erweiterung jeden EU-Bürger25 Euro im Jahr.

• Sachverständige rechnen damit, dass ab 2007 dieTransferleistungen der EU in die zehn neuen Mit-gliedstaaten etwa 15 bis 20 Milliarden Euro proJahr ausmachen werden. Da Deutschland etwa einViertel des EU-Haushaltes aufzubringen hat, wirdsich der deutsche Beitrag für die Osterweiterungauf vier bis fünf Milliarden Euro oder etwa 80 Europro Einwohner belaufen.

• In der Agenda 2000, welche die Finanzplanung derEuropäischen Union bis zum Jahr 2006 festlegt,sind für die bisherige 15er-Gemeinschaft rund 600Milliarden Euro eingeplant. Die armen Vettern ausdem Osten dagegen müssen sich mit rund 80 Mil-liarden zufrieden geben.

C 27 An den Kosten darf dieErweiterung nicht scheitern

Über den enormen Gewinn an politischer Stabilitäthinaus sind sich die Forschungsinstitute ... weit ge-hend einig darüber, dass auch die ökonomische Bi-lanz für alle Beteiligten – mit unterschiedlichen Ak-zenten – positiv ausfallen wird. Diese Argumentegelten in besonderer Weise für Deutschland ... Die mit-tel- und osteuropäischen Länder haben seit 1999 mitstark steigender Tendenz mehr zum deutschen Ex-portvolumen beigetragen als der Handel mit den USA.

Die in der Öffentlichkeit stark diskutierten Kosten derErweiterung werden hingegen von der Mehrzahl derExperten als beherrschbar angesehen. Insbesonde-re setzt die von der EU einstimmig verabschiedeteAusgabenobergrenze von 1,27 Prozent des Bruttoin-landsprodukts für Gesamtausgaben des EU-Haus-halts dem finanziellen Spielraum der Ausgaben imZuge der Erweiterung enge Grenzen.

Johannes Varwick: EU-Erweiterung: Stabilitätsexport oder Instabilitätsimport?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 1-2/2002, 4. Januar 2002, S. 27.

Fiskalisch fallen die gut vierzig Milliarden Euro, wel-che die Aufnahme der zehn neuen Mitgliedstaaten inden Jahren 2004 bis 2006 kosten soll, nicht beson-ders in Gewicht. Was sind vierzig Milliarden Euro,wenn sich die Europäische Union anschickt, die Tei-lung des alten Kontinents zu überwinden? Allein dieSubventionen für die Bauern in der heutigen Fünf-zehnergemeinschaft verschlingen in einem Jahr mehrGeld als die gesamte Erweiterung bis 2006 kostensoll, und die Anlaufkosten für das größer werdendeEuropa machen nicht einmal die Hälfte eines Jahres-etats für die heutige Gemeinschaft aus. Das ist wenigdafür, dass die EU zum weltweit größten Binnenmarktmit beinahe 500 Millionen Menschen heranwachsenkann und sich die heutigen Mitgliedstaaten neue Ab-satzmärkte erschließen.

Nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Februar 2002 und16. Dezember 2002 (Helmut Bünder)

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C 29 Keine Gefahr für den Euro!

C 30 Der Fahrplan zum Euro

Von der Osterweiterung der Europäischen Union gehen keine Ge-fahren für den Euro aus. Im Gegenteil: Die Vergrößerung desWährungsgebiets nach Osten wird den Euro stärken ...

Erstens können die Beitrittskandidaten erst dann beitreten, wenn siedie strikten Bedingungen für den Beitritt zur Währungsunion erfüllen,und zweitens sind diese Länder ökonomisch betrachtet so klein, dassihr Beitritt keine nennenswerten Auswirkungen auf Euroland hat ...Das Sozialprodukt der zehn Beitrittskandidaten ... macht zusam-mengenommen nur etwa sechs Prozent der Wirtschaftskraft der heu-tigen Europäischen Währungsunion aus. Damit ist offensichtlich, dassdiese Staaten keinen bestimmenden Einfluss auf die Wirtschaftsent-wicklung in Euroland ausüben werden.

Betrachtet man die umlaufende Geldmenge, wird der Unterschiednoch deutlicher: Die ... Geldmenge der Bewerberstaaten beträgt nuretwa drei Prozent der Geldmenge der derzeitigen EuropäischenWährungsunion.

Norbert Walter in: Das Parlament vom 12. Januar 2001, S. 13.

Die ZEIT, 12. Dezember 2002.

C 28 Auf den Euro müssen dieneuen EU-Staaten warten

Frühestens zwei Jahre nach dem EU-Beitritt könnte in den Beitritts-ländern auch der Euro eingeführt werden. Dass die Mehrzahl der zehnneuen Mitgliedstaaten die europäische Währung haben will, darangibt es … kaum Zweifel. Die Frage ist, ob sich die Beitrittsstaaten auchso schnell für den Euro qualifizieren können und welche Folgen dasfür ihre Wirtschaft hätte … Vor allem bei den Staatsverschuldungensieht es in vielen Beitrittsstaaten noch schlecht aus. In Polen, Ungarnund Tschechien liegen die Haushaltsdefizite (2003) voraussichtlichbei fünf bis acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts, weit oberhalb dererlaubten 3-Prozent-Grenze … Für den Eurobeitritt müssten die ost-europäischen Länder ihre Verschuldung deshalb spürbar zurückfah-ren … Das aber hätte eine »rigorose Sparpolitik« zur Folge … Damitwürde wiederum das Wachstum dieser Länder in den kommendenJahren spürbar gebremst.

Aber auch der Wechselkurs ist ein »kritische Größe« … Denn die Vor-gabe für den Eurobeitritt heißt: Erst wird ein bestimmter Wechselkursetwa des Zloty zur europäischen Einheitswährung festgelegt, an-schließend dürfen die Schwankungen am Devisenmarkt zwei Jahrelang nicht mehr als 15 Prozent nach oben und unten betragen … Wieschwierig das sein wird, zeigen die teils heftigen Schwankungen, de-nen die Währungen Polens, Ungarns und Tschechiens in den ver-gangenen Jahren unterworfen waren.

Die Schätzungen, wann die Beitrittsländer den Euro einführen wer-den, gehen denn auch weit auseinander. (Sie reichen vom Jahr 2006über fünf Jahre bis hin zum »Ende dieses Jahrzehnts«.) Dennochwerden die Osteuropäer damit schneller sein als die Briten … Für dieEuropäische Zentralbank würde ein Beitritt Großbritanniens zum Eu-rosystem eine wesentlich größere Herausforderung darstellen als alleosteuropäischen Staaten zusammen. Denn die Wirtschaftskraft derneuen EU-Mitglieder beträgt insgesamt nur knapp zehn Prozent desgesamten Bruttoinlandsprodukts der Eurozone. Und der Inflations-durchschnitt im Euroraum wird laut Schätzungen durch diese Staa-ten um lediglich 0,1 Prozentpunkte nach oben steigen. Das ist zu we-nig, um die Geld- und Zinspolitik der Eurohüter nachhaltig zu beein-flussen …

Stuttgarter Zeitung, 11. Juni 2003 (Holger Paul).

56 Der Euro kommt später

Voraussichtliche Termine für dieEinführung der Einheitswährungin den zehn Beitrittsländern

Mai 2004:Estland, Lettland, Litauen, Malta,Polen, Slowenien, Slowakei,Tschechien, Ungarn und Zyperntreten der Europäischen Unionbei.

Spätsommer 2004:Teilnahme am EuropäischenWechselkurssystem EWS II:Für jede nationale Währung wirdein Wechselkurs gegenüber demEuro festgelegt. Die Währungendürfen in der Folge höchstens um15 Prozent von dem Referenz-kurs abweichen. Bricht eineWährung aus, müssen nationaleNotenbank und EuropäischeZentralbank (EZB) intervenieren.

Spätsommer 2006:Der Ecofin (Rat der europäischenFinanzminister) prüft, ob die zehnneuen EU-Länder die Maastricht-Kriterien erfüllt haben.Voraussetzung zur Prüfung:zwei Jahre ohne Abwertung imEWS II.

Die Maastricht-Kriterien sind:1. Die Inflationsrate darf den

Durchschnitt der drei nie-drigsten EU-Länder um nichtmehr als 1,5 Prozentpunkteüberschreiten.

2. Die langfristigen Zinsen dür-fen den Durchschnitt der dreiniedrigsten EU-Länder umnicht mehr als 2 Prozent-punkte überschreiten.

3. Das Haushaltsdefizit darf 3 Prozent des Bruttoinlands-produkts nicht überschreiten.

Anfang 2007Frühestmögliche Einführung desEuro als Recheneinheit.

Ab 2008Die neuen EU-Länder gebenEuro-Scheine und -Münzen aus.

C

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30 Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung

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B 1 – B 26 Europa wird größer

B 1

B 2

© Globus Infografik GmbH

Der frühestmögliche Termin für Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist der Juli 2005. Der Beginn ist abhängig von ei-ner Stellungnahme der Europäischen Kommission Ende des Jahres 2004.

© Globus Infografik GmbH

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Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung 31

B

B 3 Ein Ereignis von historischer Tragweite

Heute werden wir ... die Verträge über die Erweiterungder Europäischen Union unterzeichnen ... Wirschließen uns damit zu einer demokratischen Unionmit 25 Mitgliedstaaten zusammen ... Die EuropäischeUnion überwindet mit diesem Schritt endgültig dieSpaltung des europäischen Kontinents in Ost undWest, die politische Teilung seiner Staaten und dieschmerzvolle Trennung seiner Völker, wie sie als Fol-ge des Zweiten Weltkrieges entstanden sind ...

Die Einigung Europas ist eine Erfolgsgeschichte. Die-se schreiben wir mit der Erweiterung fort und begin-nen zugleich ein neues Kapitel. Denn die jetzige Er-weiterung der Europäischen Union eröffnet eine neuehistorische Dimension für die gemeinsame Zukunft:25 Staaten mit nahezu 450 Millionen Bürgerinnen undBürgern schließen sich zu einer politischen Einheitund zu einem der weltweit größten Wirtschaftsräumezusammen. Damit ... vollenden wir einen politischenProzess, der bereits in den Gründungsverträgen vonRom angelegt war und der mit dem Fall des EisernenVorhanges 1989 Realität wurde ... Die Erweiterung istdie logische Folge der friedlichen Revolution von 1989und der gemeinsamen Anstrengungen um ein ver-bessertes Verhältnis in Europa. Sie setzt im Verhält-nis zu den mittel- und osteuropäischen Ländern dieVersöhnung der Völker fort, die in den westeuropäi-schen Ländern vor 50 Jahren begonnen hat.

»Für ein gemeinsames Europa« – Auszug aus der gemeinsa-men Erklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, demschwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson und demungarischen Ministerpräsidenten Péter Medgyessy vom 15. April 2003.

B 4 Prominente Stimmen zurErweiterung der EU

B 5 Rückkehr nach Europa

Wolfgang Schäuble MdB (CDU), ehemaliger Partei-vorsitzender der CDU:Die Einigung Europas ist das wertvollste Erbe derzweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dabei ist klar:Die neuen Mitglieder in der Europäischen Union wer-den nicht erst jetzt Europäer, sie sind es immer ge-wesen. Europa erweitert sich nicht, sondern Europaüberwindet seine Teilung.(Das Parlament vom 14./21. Juli 2003)

Bundesaußenminister Joschka Fischer:Europa wird nach dem Ende des Kalten Krieges nureine Sicherheit haben. Diese Sicherheit müssen wir

Es sind nicht nur die durch die Europäische Union for-mulierten Bedingungen nach Demokratie und Rechts-staatlichkeit oder der alleinige Glaube an wirtschaftli-che Vorteile der Westöffnung, die in Mittelosteuropaden Wunsch nach Integration laut werden lassen. Esist ebenso das Verlangen, die durch die sowjetsozia-listische Einflussnahme durchtrennten historischenwesteuropäischen Wurzeln wiederzubeleben. So hatbeispielsweise Estland enge geschichtliche Bezie-hungen nach Finnland und Schweden, Polen ent-wickelte seit dem 16. Jahrhundert politische und kul-turelle West-Bindungen. Es ist also nicht weitererstaunlich, wenn diese Länder die Beitrittsverhand-lungen als historisch einmalige Chance zur Rückkehrnach Europa sehen.

Jürgen Boeckh: Wohin treibt Osteuropa?, in: Benjamin Benzu.a.: Sozialraum Europa. Opladen (Leske + Budrich) 2000, S. 180f.

durch die Integration herstellen. Die Alternative wäre,eine Zone der Unsicherheit östlich unserer Grenzenzuzulassen. Mit Blick auf die Interessen unseres Lan-des wäre das die fälscheste Politik, die man sich vor-stellen kann.(Das Parlament vom 24./31. Dezember 1999)

Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident von Lu-xemburg:Das enorme Wohlstandsgefälle ist eine Bedrohung fürFrieden und Sicherheit ... Wer Konflikte ... vermeidenwill, muss einsehen, dass es keine Alternative zurOsterweiterung der EU gibt. Es geht darum eine »Zeit-bombe« zu entschärfen.(Die Welt vom 13. März 1998)

Alexander Kwasniewski, polnischer Staatspräsi-dent:Für uns heißt die EU vor allem, dass wir die Lebens-und Wirtschaftsbedingungen im eigenen Land end-lich verbessern können.(Der Spiegel vom 2. Juli 2001)

Václav Havel, ehemaliger tschechischer Staatsprä-sident:Die einzig sinnvolle Aufgabe für Europa ... besteht dar-in, sein »besseres Selbst« zu sein, das heißt, seinebesten geistigen Traditionen ins Leben zurückzurufenund dadurch auf eine schöpferische Weise eine neueArt des globalen Zusammenlebens mitzugestalten.(Stuttgarter Zeitung vom 27. April 2003)

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32 Ausmaß und Bedeutung der Erweiterung

B

B 7 Ein Fest zum EU-Beitritt

B 6

© Globus Infografik GmbH

In Vilnius/Litauen feiert die Bevölkerung im Mai 2003 dasdeutliche Ja der Bevölkerung zum EU-Beitritt.Foto: Petras Malukas/afp

B 8 Polnische Zeitungen zumBeitritt Polens zur EU

ZYCIE WARSZAWY: Wir sind in Europa. Dem Ver-einten Europa. Auch wenn es banal klingen mag –dies ist ein großer Tag für Polen. Dies ist die Krönungder Bemühungen vieler Generationen von Polen, dieihr Heimatland in der Familie freier, demokratischerund reicher Nationen sahen. Wir sind in den exklusi-ven Schnellzug eingestiegen, in den Waggon ersterKlasse.

RZECPOSPOLITA: Wir haben Ja zur EuropäischenUnion gesagt. Wir haben bestätigt, dass wir mit glei-chen Rechten an der Schaffung eines gemeinsamenEuropas teilhaben wollen, von dem uns die Ge-schichte für viele Jahrzehnte abgeschnitten hat. Wirhaben die wichtigste Entscheidung seit den erstenfreien Wahlen Polens nach der demokratischen Wen-de im Juni 1989 getroffen. Von uns hängt es ab, waswir mit dieser Zukunft machen ... Von ... den Eigen-schaften, die es uns erlaubten, die Nacht des Kom-munismus zu durchbrechen und den Bau eines un-abhängigen Polens zu beginnen. Die Mitgliedschaft inder Union soll die Erfüllung und Krönung dieses Baussein.

Süddeutsche Zeitung vom 10. Juni 2003 (Blick in die Presse).

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Der Erweiterungsprozess 33

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B 9 Die »Kopenhagen-Kriterien«

B 10 »Acquis Communautaire«

Auf seinem Gipfel 1993 in Kopenhagen hat der Eu-ropäische Rat Bedingungen für den Beitritt weitererKandidaten zur EU genannt. Man nennt diese Bedin-gungen die »Kopenhagen-Kriterien«.

Beim Europäischen Rat 1995 in Madrid wurde er-gänzend festgelegt, dass der Verwaltungs- und Jus-tizapparat in jedem Beitrittsland so geordnet seinmuss, dass er in der Lage ist, das EU-Recht auf na-tionaler Ebene jederzeit angemessen umzusetzen.1999 fügte der Europäische Rat in Helsinki hinzu,dass die Beitrittsländer die im Vertragswerk nieder-gelegten Werte und Ziele der EU teilen müssen.

»Acquis Communautaire« ist Europajargon für denrechtlichen gemeinschaftlichen Besitzstand der Eu-ropäischen Union. Der Acquis entwickelt sich ständigweiter und umfasst den Inhalt, die Grundsätze und diepolitischen Ziele der Verträge, die in Anwendung derVerträge erlassenen Rechtsvorschriften und Rechts-akte sowie die im Rahmen der Union angenomme-nen Erklärungen und Entschließungen. Dabei handeltes sich um rund 14.000 Rechtsakte auf mehr als80.000 Seiten.

Für die Zwecke der Beitrittsverhandlungen wurde derAcquis in 31 Kapitel aufgeteilt, z.B.:• Freier Warenverkehr• Freizügigkeit• Freier Dienstleistungsverkehr• Wettbewerbspolitik• Landwirtschaftspolitik, usw. ...

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Acquis

Acquis

Er rief die Kandidatenstaaten dazu auf, offenste-hende Grenzstreitigkeiten vor ihrem Beitritt beizule-gen.

Die Erfüllung der politischen Beitrittskriterien war dieVoraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsver-handlungen. Die wirtschaftlichen Kriterien musstenbis zum Abschluss der Verhandlungen erfüllt sein.Das Kriterium der vollen Übernahme des Besitzstan-des (»Gemeinschaftskriterium«) konnte von den Kan-didatenländern bis zum Beitritt nur eingeschränkt er-füllt werden. Deshalb war eine große Zahl vonÜbergangsregelungen erforderlich.

Konkret bedeutet das zum Beispiel:

Zu den vier Elementen des Gemeinsamen Europäi-schen Binnenmarkts gehört neben den freien Kapital,Waren- und Dienstleistungsverkehr das Recht allerUnionsbürger, sich im gesamten Gebiet der Union freizu bewegen und aufzuhalten, sowie das Recht, in al-len EU-Staaten wie ein Inländer behandelt zu werden.Für die Beitrittsländer bedeutet dies, dass sie alle Be-schränkungen der Einreise, des Aufenthalts, der Nie-derlassung und der Beschäftigung für Angehörige der15 EU-Staaten abbauen müssen.

Die Kommission der Europäischen Union unterstütztdie Beitrittsländer im »Heranführungsprozess« bei derSchaffung der erforderlichen gesetzlichen Vorausset-zungen und der Einrichtung entsprechender Behör-den und Ämter. Sie überwacht darüber hinaus die un-eingeschränkte Durchsetzung des Freizügigkeits-gebots nach dem Beitritt in die Gemeinschaft.

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34 Der Erweiterungsprozess

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B 11 Die EU-Erweiterung in der Karikatur

Zeichnungen 1 und 2: Mohr, Zeichnungen 3 und 4: Mester,Zeichnung 5: Thomas Plaßmann

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Der Erweiterungsprozess 35

B

B 12 Am Rande notiert

1. Der Athener Erweiterungsgipfel am 16. April 2003ließ ahnen, welche Größenordnung auf die EU jetztzukommt. Fast eine ganze Stunde lang dauertedas Händeschütteln. Um den Festakt nicht aus-ufern zu lassen, war vereinbart worden, dass jederder 25 Regierungschefs vor seiner Unterschrift un-ter die in 20 Sprachen abgefassten Beitrittsverträ-ge nur eine kurze Rede halten sollte. Trotzdemdauerte die Zeremonie fast vier Stunden.

2. Beim Festakt in Athen blieben die Stühle derebenfalls geladenen türkischen Regierungsver-treter leer. Sie wollten damit gegen die AufnahmeZyperns in die EU protestieren, nachdem die Tür-kei seit Jahren vergeblich versucht hatte, die Auf-nahme der Insel, deren Nordteil sie militärisch be-setzt hält, zu verhindern.

3. Deutschland rückt nach der Aufnahme von zehnneuen Mitgliedstaaten in die EU nicht nur geo-grafisch in die Mitte der Gemeinschaft. In den mit-tel- und osteuropäischen Beitrittsländern spre-chen auch mehr Leute Deutsch als Französisch.Dies ist auch mit ein Grund, weshalb sich Frank-reich für die osteuropäischen Länder Bulgarienund Rumänien stark macht: Sofia und Bukarestgelten als frankophil. Ihre Aufnahme soll die wach-sende »Deutsch-Lastigkeit« der Union entgegen-steuern.

4. Das Europaparlament bereitet sich auf künftig 19Amtssprachen statt bisher elf vor. Das Wort vomBabel mit verwirrend vielen Idiomen macht die

Gruppenfoto auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen im Dezember 2002.

Foto: Europäische Kommission

von zwei Jahren, um etwaige Beanstandungeneuropäischer Zoodirektoren an der artgerechtenTierhaltung zu beheben.

7. In den für die Erweiterung entscheidenden Jah-ren 2000 bis 2002 waren rund 350 Beamte derEuropäischen Kommission und über 700 Mitar-beiter der Außenstellen der Kommission in denBeitrittsländern mit den Verhandlungen über dieAufnahme der neuen Mitglieder in die Europäi-sche Union befasst.

8. Die holländische Volkswirtschaft ist größer als diealler Beitrittskandidaten zusammen.

9. In Polen verdient ein Arbeiter rund ein Zehnteldessen, was ein Arbeiter in Deutschland be-kommt, in Rumänien sogar nur ein Zwanzigstel.

10. Der am 16. April 2003 unterzeichnete Beitritts-vertrag zwischen der EU und den zehn ost- undmitteleuropäischen Ländern ist ein Dokument,das über 5.000 Seiten umfasst.

11. Im Kleinstädtchen Löcknitz in Mecklenburg-Vor-pommern weiß man schon heute, dass die eu-ropäische Zukunft nicht unbedingt in Rostock oderSchwerin liegt, sondern im zwanzig Kilometer ent-fernten polnischen Stettin. Warum nicht in Stettineinmal als Arzt oder Architekt arbeiten? Die Hälf-te der Schüler des Gymnasiums in Löcknitz hatsich diese Frage bereits beantwortet und als zwei-te Fremdsprache nicht Französisch, sondern Pol-nisch gewählt.

Runde. Manche Sprachkom-binationen wie beispielswei-se Finnisch-Tschechischwerden sich wohl nicht direktübersetzen lassen; es mussdann eine so genannte»Brückensprache« wie Eng-lisch oder Deutsch dazwi-schengeschaltet werden, diedann weiter übersetzt wird.

5. Für den Haarschnitt, der inKiel 15 Euro kostet, verlangtein Frisör im polnischen Po-sen umgerechnet nur 2,50Euro. Es wäre jedoch nichtkorrekt zu behaupten, dassder Haarschnitt in Posen nurein Sechstel des Haar-schnitts in Deutschland wertist.

6. Polnische Nilpferde dürfensich freuen, denn die polni-schen Zoogehege für Wild-katzen, Nilpferde und Schim-pansen erfüllen die EU-Auflagen für die Haltung vonwilden Tieren nicht. Nach Po-lens Beitritt zur EU bleibt dendortigen Zoos noch eine Frist

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36 Der Erweiterungsprozess

B

B 13 Droht eine neue babyloni-sche Sprachverwirrung?

Die Frage, wie viel der EU die Verständigung unter-einander künftig wert ist, wird immer brennender.Schon heute arbeiten rund ein Viertel aller EU-Ange-stellten in Brüssel als Dolmetscher für die EntwirrungBabylons. Nach der Erweiterung kommen zu den elfAmtsprachen mindestens zehn weitere hinzu, wassich dann zu 420 Sprachkombinationen summiert,von Estnisch-Dänisch bis Tschechisch-Ungarisch. Bisjetzt sind es nur 110.Tausende neuer Mitarbeiter müs-sen ... eingestellt werden, unzählige Konferenzräumemit über 20 Dolmetscherkabinen müssen gebaut wer-den ...

Die heikle Frage, ob man wirklich alle Sprachen zu je-der Zeit und überall braucht, ist auf dem Tisch. Bei den20.000 Brüsseler Beamten und in vielen Sitzungender Kommission hat sich Englisch längst durchge-setzt. Nur festschreiben oder gar für alle Konferenzenverbindlich machen kann man das nicht, weil zum Bei-

B 14 Der lange Weg zur EU der 25

Dezember 1991 »Europaabkommen« (Assoziierungsabkommen) zwischen der EU, Polen und Ungarn; wirtschaftliche Zusammenar-beit, Errichtung von Zollunionen, Heranführung an die EU (weitere Assoziierungsabkommen bestehen bereits seit1962 mit der Türkei, seit 1971 mit Malta und seit 1973 mit Zypern).

Dezember 1992 »Europaabkommen« mit Bulgarien.

Februar 1993 »Europaabkommen« mit Rumänien.

Juni 1993 Verabschiedung der »Kopenhagener (Beitritts-)Kriterien«.

Oktober 1993 »Europaabkommen« mit Tschechien und der Slowakei.

April 1994 Erste EU-Beitrittsanträge osteuropäischer Länder: Ungarn und Polen.

Januar 1995 EU-Beitritt Finnlands, Österreichs und Schwedens.

Februar 1998 »Europaabkommen« mit Estland, Lettland und Litauen.

März 1998 Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit den sechs Beitrittskandidaten Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

November 1998 Erste »regelmäßige Berichte« der EU-Kommision über die Situation in den Beitrittsländern.

Februar 1999 »Europaabkommen« mit Slowenien.

Februar 2000 Beginn der Beitrittsverhandlungen mit weiteren Staaten: Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, Slowakei, Malta undZypern.

Dezember 2000 Gipfelkonferenz der europäischen Staats- und Regierungschefs in Nizza: Im Vertrag von Nizza wird die Neuordnungder Institutionen und der Stimmmenverhältnisse im Ministerrat der EU beschlossen. Der Gipfel verabschiedet ein»Strategiepapier zur Erweiterung«.

März 2001 Erklärung der Beitrittspartnerschaft der Türkei durch die Staats- und Regierungschefs der EU.

Oktober 2002 Vorlage der »Fortschrittsberichte« durch die EU-Kommission. Zehn Beitrittskandidaten werden als »beitrittsreif« be-urteilt.

Dezember 2002 Europäischer Gipfel in Kopenhagen: Abschluss der Beitrittsverhandlungen. Beschluss des Europäischen Rats überdie Aufnahme von zehn Beitrittskandidaten.

März bis November 2003

Volksabstimmungen in den Beitrittsländern (mit Ausnahme Zyperns).

April 2003 Feierliche Unterzeichnung der Beitrittsakte durch die Staats- und Regierungschefs der EU und der Beitrittsländer inAthen.

1. Mai 2004 Vollzug des Beitritts der zehn neuen Mitgliedstaaten.

Juni 2004 Beteiligung der Bevölkerungen der neuen Mitgliedstaaten an den Wahlen zum Europäischen Parlament.

November 2004 Amtsantritt der neuen Europäischen Kommission.

spiel die französische Regierung auf die Barrikadenginge: Französisch muss gleichwertig gepflegt wer-den, verlangt Paris. Französisch als Verwaltungs-sprache, das sei Europa seiner kulturellen Eigen-ständigkeit einfach schuldig.

Also Englisch und Französisch nebeneinander. Beider NATO funktioniert das ganz gut, bei der EU nicht.Denn so viel Diskriminierung kann die deutsche Bun-desregierung nicht hinnehmen. »Deutsch ist die beiweitem meist gesprochene Sprache in der EU«, sagtKanzler Gerhard Schröder. Doch ... Deutsch als EU-Idiom wollen die Spanier nur akzeptieren, wenn Spa-nisch, immerhin Weltsprache, bei allen Sitzungen,Konferenzen, Presseterminen auch übersetzt wird.Sofort tritt Italien auf den Plan, bevölkerungsmäßigeineinhalbmal so groß wie Spanien. Dass im Gefolgedie Niederländer, die Griechen, die Portugiesen, dieDänen und die Finnen auf eigenen Dolmetschern be-stehen, versteht sich von selbst ...Von den neuen Mit-gliedsländern bringen zehn ihre eigene Sprache mit... Vorsorglich haben auch Malta und Zypern schonAnsprüche angemeldet ...

Die WOCHE, 1. Februar 2002 (Alois Berger).

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Wesen und Ziele der Europäischen Union 37

B

B 15

Stand: Anfang 2004 © Globus Infografik GmbH

Die Europäische Union ist kein Staat. Deshalb ist inder Union vieles anders als in ihren Mitgliedstaaten.Sie hat keine Hauptstadt und keine Regierung, unddoch haben 166 Staaten der Welt diplomatische Be-ziehungen zu ihr. Sie erlässt Gesetze und hat ein Par-lament, das alle fünf Jahre direkt von den Völkern derEU gewählt wird. Sie erhebt keine Steuern, stellt abereinen Milliardenhaushalt auf. Ihre Mitgliedstaaten sindenger miteinander verbunden als in jedem anderenBündnis von Staaten dieser Welt.Was also ist das fürein Gebilde, die Europäische Union?

Die Europäische Union ... ist ein Verbund von 15 Staa-ten (ab Mai 2004 von 25 Staaten), die miteinandervertraglich vereinbart haben:

• Die Regierungen aller Mitgliedstaaten handeln in ei-nigen Politikbereichen gemeinschaftlich, fassen alsoBeschlüsse gemeinsam, die für alle so verbindlichsind, als wären es ihre eigenen Gesetze.• Dafür wurden gemeinsame »europäische« Organegeschaffen: eine Kommission, die Vorschläge für alleBeschlüsse macht, ein Parlament, das an den Be-schlussfassungen beteiligt ist, ein Gerichtshof, ein

Rechnungshof. Die Regierungen sind anden Beschlüssen durch ihre zuständigenMinister im Rat der Europäischen Unionbeteiligt.• In anderen Politikbereichen arbeiten dieRegierungen eng zusammen und be-schließen Wichtiges gemeinsam, ansons-ten aber entscheiden sie nach wie vor al-lein, verfolgen dabei aber gemeinsameZiele und stimmen ihr Handeln weit ge-hend aufeinander ab.• In allen übrigen Bereichen der Politik ent-scheidet jeder Staat weiterhin allein,nimmt dabei jedoch auf die Interessen deranderen Mitgliedstaaten Rücksicht.

Presse- und Informationsamt der Bundesregie-rung (Hrsg.): Europa 2002. Berlin 2000, S. 22f.

Auch wenn der Begriff der EuropäischenUnion ein schillernder ist, lassen sich dochgewisse Gemeinsamkeiten herauskristalli-sieren. Einigkeit besteht darüber, dass essich bei der Politischen Union um ein föde-ratives System handeln soll, d.h. dass einstärker zentralistisch ausgerichtetes Sys-tem auf europäischer Ebene aufgrund derkulturellen und sozialen Besonderheitender europäischen Nationalstaaten kaumrealisierbar erscheint. So sollte in einer eu-ropäischen Union die staatliche Gewalt aufverschiedene Regierungsebenen verteiltsein, das Subsidiaritätsprinzip angewendetwerden, der Entscheidungsprozess aufmehreren Ebenen, zumindest der europäi-

B 16 Die EU – ein Staatenverbund?

schen und der nationalstaatlichen, erfolgen und Kom-petenzstreitigkeiten zwischen den Organen durch ei-nen europäischen Gerichtshof entschieden werden ...

Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Unionzunächst um einen Verfassungsverbund ... Mit demMaastrichter Vertrag (1992) und mit dem Amsterda-mer Vertrag (1997) sind Entwicklungen eingeleitetworden, durch die die Union gerade in der Währungs-politik sowie in der Justizpolitik wichtige Kompeten-zen erhält ... Die Europäische Union ist damit zu ei-ner Organisation der umfassenden Regulierung undKoordination geworden ... Nun könnte man meinen,dass die Kompetenzen auf die ökonomischen Aspek-te begrenzt seien. Doch die Union besitzt Kompeten-zen auch in Bezug auf zentrale Gebiete klassischerStaatsaufgaben: Gerechtigkeit, Sicherheit und direk-te Regelung der Zugehörigkeit.

Wichard Woyke, Die Agenda der Europäischen Union zu Be-ginn des 21. Jahrhunderts, in: Wilfried Loth (Hrsg.): Das eu-ropäische Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Opladen(Leske + Budrich) 2001, S. 21.

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38 Wesen und Ziele der Europäischen Union / Eine Verfassung für Europa

B

B 19 Bisherige Stationen der Europäischen Verfassung

Handelsblatt, 15. Dezember 2003.

B 17 Das Kind braucht einen Namen

geeignet ungeeignet

teils bundesstaatlicherZweckverband

Staatenbund

supranationales Entscheidungssystem

Staatenverbund

zwischenstaatlicheOrganisation

politisches System im Werden

Rechtsgemeinschaft

föderaler Zusammenschluss

überstaatliche politischeOrdnung

Staatengemeinschaft

verfassungsrechtlicheMischform

internationale Organisation

Bundesstaat

Staat im Werden

Die passende Bezeichnung für die EU kann lauten:

B 18 Karikaturen

Zeichnung: Mester

Zeichnung: Mester

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Eine Verfassung für Europa 39

B

B 20 Auf dem Weg zu einer Verfassungder Europäischen Union

Nachdem die Regierungskonferenzen von Amster-dam (1998) und Nizza (2002) nur zu wenig überzeu-genden Entscheidungen hinsichtlich der konstitutio-nellen Gestaltung der EU geführt hatten, beschlossendie Staats- und Regierungschefs der EU bei ihremGipfeltreffen im Dezember 2001 im belgischen Lae-ken, einen völlig neuen Weg zu beschreiten: Sie rie-fen einen »Konvent zur Zukunft Europas« ein, demnicht nur Vertreter der Regierungen der EU-Mitglied-staaten angehören sollten, wie dies bisher bei Ver-tragsänderungen üblich war, sondern der in seinerMehrzahl aus Mitgliedern der nationalen Parlamenteund des Europäischen Parlaments zusammengesetztwurde. An dem Konvent nahmen – ohne Stimmrecht– außerdem Regierungsvertreter und Parlamentarieraus den Kandidatenländern Mittel- und Osteuropasteil. Vertreter der deutschen Bundesländer im Ver-fassungskonvent war der baden-württembergischeMinisterpräsident Erwin Teufel.

Wenn die Erklärung von Laeken auch betonte, dassdieser Konvent nicht die eigentliche Regierungskonfe-renz ersetzen kann, so sah man doch in einer solchenEinrichtung eine Chance, umfassende und öffentlichdiskutierte Konzepte für die zukünftige Ausgestaltungder EU zu erarbeiten. Die Staats- und Regierungschefsübertrugen dem Konvent folgende Aufgaben:

• eindeutige Abgrenzung der Zuständigkeiten derEU, der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen

• Anpassung der Institutionen an die Herausforde-rungen der erweiterten Gemeinschaft

• Verbesserung der Transparenz der Entschei-dungsprozesse und der Effizienz der Arbeit aufder europäischen Ebene

• Ausarbeitung von Vorschlägen zur Gestaltung ei-ner Verfassung für die europäischen Bürgerinnenund Bürger.

Der Vorsitz im Verfassungskonvent wurdedem ehemaligen französischen Staatspräsi-denten Giscard d’Estaing übertragen. DieBeratungen dauerten vom März 2002 biszum Juli 2003. Obgleich die Positionen derMitglieder des Konvents sehr unterschiedlichwaren, gelang es diesem, einen »Entwurfüber eine Verfassung für Europa« – ein rund350 Artikel umfassendes Dokument – vorzu-legen, der die ursprünglich auf diese Ver-sammlung gesetzten Erwartungen weit über-traf: »Die größte Leistung des Konventsbesteht sicherlich darin, den Regierungender Mitgliedstaaten nicht einen Text mit zahl-reichen Optionen, sondern einen einheitli-chen Verfassungstext übergeben zu haben.Der geplanten Regierungskonferenz wird essomit zumindest schwer gemacht, den Ver-fassungsentwurf auseinander zu nehmenund neu zu verhandeln« (Wolfgang Wagner).

Auf ihrem Gipfeltreffen in Thessaloniki im Juli2002 bewerteten die Staats- und Regie-rungschefs der EU den Verfassungsentwurfals eine »gute Ausgangsbasis für die Regie-

rungsverhandlungen«. Die ursprüngliche Absicht, dieneue EU-Verfassung bereits am Ende des Jahres2003 zu verabschieden, konnte jedoch nicht verwirk-licht werden. Eine große Zahl von Änderungsvor-schlägen, darunter vor allem die Kritik Polens undSpaniens an den vom Konvent vorgelegten Modalitä-ten für die künftigen Abstimmungen im EU-Minister-rat (»doppelte Mehrheit«), machten einen Strich durchden Zeitplan.

B 21 Die Vorschläge desVerfassungskonvents

• Zusammenführung der bisherigen Verträge (EG-Vertrag, EU-Vertrag, Vertrag von Amsterdam, Ver-trag von Nizza) in einem Gesamtdokument

• Schaffung eines »Führungs-Dreigestirns« für dieEU

• eindeutige Abgrenzung der Kompetenzen zwi-schen regionalen, nationalen und europäischenOrganen

• Überführung weiter Teile der Innen- und Justiz-politik in den Bereich der Mehrheitsentscheidun-gen (bisher: Einstimmigkeit)

• Betonung der sozialpolitischen Verantwortung derEU

• Trennung der Gesetzgebungs- und der Exekutiv-funktion des Ministerrats

• Einführung der qualifizierten Mehrheit im Minis-terrat als Regelverfahren statt des bisher häufiggeltenden Vetorechts jedes einzelnen Mitglied-staates (Ausnahmen: Außen-, Sicherheits- und

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40 Eine Verfassung für Europa

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während des gesamten Konventsprozesses daherauch ein zentrales Anliegen, die Kompetenzen derUnion und der Mitgliedstaaten klar voneinander abzu-grenzen und die Achtung der regionalen und kommu-nalen Ebene im Verfassungsvertrag zu verankern …Aus Sicht der deutschen Länder und der regionalenund lokalen Gebietskörperschaften in Europa sind we-sentliche Anliegen, insbesondere deutliche Verbesse-rungen bei der Kompetenzabgrenzung und eine Stär-kung des Subsidiaritätsprinzips, erreicht worden:

Eine wesentliche Neuerung ist das so genannteFrühwarnsystem. Dieser Mechanismus sieht vor, dassdie nationalen Parlamente bzw. ihre beiden Kammern,in Deutschland also Bundestag und Bundesrat, früh-zeitig über Gesetzesvorschläge der Kommission in-formiert werden und sie dazu Stellung nehmen kön-nen. Erhebt mehr als ein Drittel der nationalenParlamente Einspruch, weil sie das Subsidiaritäts-prinzip verletzt sehen, muss die Kommission nach-bessern, d.h. ihren Vorschlag zurückziehen oder zu-mindest begründen, warum sie daran festhält. Diesbedeutet für die deutschen Länder, dass sie über denBundesrat direkt in den Gesetzgebungsprozess ein-gebunden sind und sich entsprechendes Gehör ver-schaffen können.

Das Frühwarnsystem wird durch ein Klagerecht dernationalen Parlamente bzw. ihrer Kammern gegen dieVerletzung des Subsidiaritätsprinzips ergänzt. Da-durch wird die Möglichkeit eröffnet, dass die deut-schen Länder über den Bundesrat Klage vor dem Eu-ropäischen Gerichtshof erheben können. Durchinnerstaatliche Regelungen kann darüber hinaus be-werkstelligt werden, dass eine Klageerhebung desBundesrates auch aufgrund eines Antrags eines ein-zelnen Landes erfolgt. Dies bedeutet für den deut-schen Föderalismus eine wesentliche Stärkung …

B 22 Erwin Teufel zum Vorschlagdes Verfassungskonvents

Frage an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Dr. h.c. Erwin Teufel (CDU): Wie mussdas zukünftige Europa aussehen, um den Interessender Regionen gerecht zu werden?

… Ich (habe) im Februar 2002 gerne die Aufgabeübernommen, im Konvent zur Zukunft Europas den

Verteidigungspolitik sowie Steuerpolitik und Han-delspolitik)

• Mehr Mitbestimmungsrechte des Europa-Parla-ments bei der Gesetzgebung (Mitentscheidungs-verfahren als Regelverfahren)

• Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Eu-ropäische Parlament (auf Vorschlag des Europäi-schen Rats)

• Verkleinerung der EU-Kommission vom Jahr 2009an auf 15 Kommissare (bisher 20; bzw. nach derErweiterung 33) und 10 »beigeordnete Kommis-sare« ohne Stimmrecht

• Einführung eines Klagerechts nationaler Parla-mente gegen EU-Entscheidungen

• Möglichkeit einer »engeren« (verstärkten) Zu-sammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik derjenigen Mitgliedstaten, die dazubereit sind

• Vorbereitung zukünftiger Verfassungsänderungendurch weitere Konvente (auf Antrag des Europäi-schen Parlaments)

• Möglichkeit des Austritts eines Landes aus der EU

Bundesrat zu vertreten, um mich auf dieseWeise bei der Erarbeitung einer europäi-schen Verfassung für die Belange der deut-schen Länder und der regionalen und loka-len Einheiten in Europa einzusetzen. Beimeiner Arbeit im EU-Konvent habe ich michstets von dem Gedanken leiten lassen, dassdie Gemeinden und Regionen Europas in derZukunft im europäischen Gefüge die Berück-sichtigung finden müssen, die ihrer Bedeu-tung im Leben der Bürgerinnen und Bürgerentspricht. Ein wirkliches Europa der Bürgersetzt nach dem so genannten Subsidiaritäts-grundsatz Befugnisse der Regionen undKommunen zur Lösung derjenigen Problemevoraus, die vor Ort am besten gelöst werdenkönnen. Die EU muss demzufolge von untennach oben aufgebaut sein, beginnend auf derEbene der kommunalen Selbstverwaltung.Denn es sind die Städte und Gemeinden, dieRegionen und die Mitgliedstaaten, die für dastägliche Leben der Bürger entscheidend sind.

Es liegt auf der Hand, dass sich dieser sub-sidiäre Aufbau der Union auch in der Verfas-sung widerspiegeln muss. Es war für mich

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Eine Verfassung für Europa 41

B

Zeichnungen: Mohr

B 23 Kritik am Verfassungsentwurf

B 24 Anspruch und Wirklichkeit

Während Deutschland, Frankreich und Italien denVorschlag des Verfassungskonvents möglichst nichtmehr abändern wollen, verlangt die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer, dass dasKonvent-Paket wieder aufgeschnürt werden soll:

– Die kleineren Länder fordern, dass jeder Staat ei-nen Kommissar in die Europäische Kommissionentsendet. Dieser Vorschlag wird auch vom Kom-missionspräsidenten Romano Prodi unterstützt.

– Spanien und Polen verlangen, dass das dreistufi-ge Abstimmungsverfahren, das in Nizza vereinbartworden ist, nicht durch die »doppelte Mehrheit« er-setzt werden soll.

– Dänemark, Österreich und andere Mitgliedstaatenwollen die Macht des Ratspräsidenten zugunstender Kommission beschränken.

– Tschechien und andere ziehen das bisherige Ro-tationsprinzip im EU-Vorsitz der Schaffung einesPräsidenten mit längerer Amtszeit und größerenVollmachten vor.

– Großbritannien und weitere Staaten beharren aufder Einstimmigkeit in den Bereichen europäischesStraf- und Zivilrecht.

Ein wichtiger Erfolg für die Länder ist auch die Fest-legung von drei Kompetenzkategorien. Neben denausschließlichen Zuständigkeiten der Union, die nurwenige Bereiche umfassen, stehen die zwischen derUnion und den Mitgliedstaaten geteilten Zuständig-keiten sowie die Bereiche, in denen die Union ledig-lich unterstützend tätig wird, die im Grundsatz aberden Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Auf dieseWeise wird eine klare Zuordnung der Kompetenzenauf die verschiedenen Ebenen erreicht.

Erstmals wird in einem Vertragsdokument die regio-nale und kommunale Ebene als Bestandteil der Uni-on gewürdigt. Dieser Durchbruch entspricht einerlangjährigen Forderung der Regionen und Kommu-nen. Ein wichtiger Erfolg für die Länder ist ferner, dassim Ministerrat in der Zukunft die Möglichkeit einer Ver-tretung durch regionale Minister besteht, wenn dortThemen behandelt werden, die in ausschließlicheLänderzuständigkeiten fallen. Der Ausschuss der Regionen hat eine Stärkung erfahren. Ein Klagerechtzur Wahrung seiner Rechte und gegen die Verletzungdes Subsidiaritätsprinzips sichert ihm einen wirksa-men Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichts-hof.

Auch wenn in dem Verfassungsentwurf nicht alle For-derungen der Länder und der regionalen EbeneBerücksichtigung gefunden haben, ist er ein wichtigerund großer Schritt auf dem Weg zu einem Europa derRegionen, das diesen Namen auch verdient.

Aus: Baden-Württemberg. Eine kleine politische Landeskun-de, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 5. Aufl., Stuttgart 2003, S. 107.

– Deutschland hat die Forderung durchgesetzt, dassdie Regierungen der Mitgliedstaaten darüber ent-scheiden können, wie viele Bürger aus Ländernaußerhalb der EU in das jeweilige Land einreisenund dort Arbeit suchen dürfen. Damit wurde ver-hindert, dass das Asylrecht europäischen Mehr-heitsentscheidungen unterworfen wird.

– Die Notenbanken verlangen eine bessere Veran-kerung des Euro-Stabilitätspakts und der Unab-hängigkeit der Europäischen Zentralbank und dereinzelstaatlichen Notenbanken in der Verfassung.

– Die Beitrittsländer Polen und Spanien sowie unterden deutschen Parteien die CDU und die CSU for-dern einen Gottesbezug in der Präambel der Uni-onsverfassung.

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42 Eine Verfassung für Europa

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B 26 »Keine Katastrophe«

Aus einem Interview mit dem EU-Erweiterungskom-missar Günter Verheugen:

Frage: Herr Verheugen, ist die EU mit dem Scheiternder Regierungskonferenz in eine Krise gestürzt?Verheugen: In eine Krise ja, aber nicht in eine Kata-strophe.Wir haben schon oft in der Union erlebt, dassin der Krise auch eine Chance liegt.Frage: Ist die EU mit bald 25 Mitgliedstaaten aufGrundlage des Nizzavertrages handlungsfähig?Verheugen: Rein technisch ja. Wir haben die Institu-tionen und wir haben klare Regeln.Viele denken aber,dass es nicht gut funktionieren wird ... Ich gehöre zuden Skeptikern. Eine EU der 25 oder mehr Staatenverträgt keine Vetorechte. Dieser größeren Unionmuss das Entscheiden erleichtert und nicht erschwertwerden.Frage: Zu der ... angestrebten Steigerung der Effizi-enz wird es also nicht kommen?Verheugen: Nein. Wir müssen uns jetzt erst mal mitdem zurechtfinden, was der Vertrag bietet. Aber daswäre ja sowieso der Fall gewesen, da die Verfassungerst in ein paar Jahren in Kraft getreten wäre. So dra-matisch ist die Situation also nicht ...Frage: Wann werden die Gespräche wieder aufge-nommen?Verheugen: ... Ich wage keine Vorhersage. Der imletzten Jahr von Italien aufgebaute Zeitdruck hatte nursymbolische Bedeutung. Natürlich können wir noch2004 abschließen.Handelsblatt, 15. Dezember 2003.

B 25 »Auf die lange Bank geschoben«

Die zukünftige Stimmenverteilung im EU-Ministerrat nach derEU-Erweiterung.

Die geplante Verabschiedung der Verfassung der Eu-ropäischen Union auf der Gipfelkonferenz vom 12.und 13. Dezember 2003 in Brüssel kam nicht zustan-de. Im Vordergrund der umstrittenen Themen standbei den Staats- und Regierungschefs der Gemein-schaft die im Verfassungsentwurf vorgeschlageneAusgestaltung der Institutionen. Denn über die Insti-tutionen nehmen die Mitgliedstaaten Einfluss auf dieEU-Politik, und je stärker ihre Position in diesen Insti-tutionen ist, umso größer ist ihr Gewicht in der Unionund die Möglichkeit, ihre spezifischen nationalen In-teressen bei der Vorbereitung und der Verabschie-dung von Gesetzen und Regelungen auf der eu-ropäischen Ebene durchzusetzen.

Spanien und Polen lehnten den Vorschlag des Ver-fassungskonvents ab, dass Mehrheitsentscheidungen

im Ministerrat der EU künftig mit einer Mehrheit derMitgliedstaaten, die gleichzeitig 60 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten müssen (so genannte »dop-pelte Mehrheit«), getroffen werden sollen. Sie be-standen auf der Übernahme der in den Nizza-Vertragaufgenommenen Bestimmung, nach welcher bereitseine Sperrminorität von 88 der insgesamt 321 Stim-men einen Beschluss des Ministerrats zu Fall bringenkann. Die beiden Staaten wollen so ein Übergewichtder bevölkerungsreichsten Mitgliedsländer verhin-dern, zumal ihnen der Vertrag von Nizza einen im Ver-hältnis zu ihrer Bevölkerungszahl äußerst günstigenStimmenanteil zugebilligt hat. Deutschland und Frank-reich, aber auch Italien und Großbritannien hielten da-gegen unbeirrt am Prinzip der doppelten Mehrheit desVerfassungsentwurfs fest.

Da 2004 das Europäische Parlament gewählt wird undaußerdem in den Jahren 2004 und 2005 in mehrerenMitgliedstaaten der EU nationale Wahlen stattfinden,ist zu befürchten, dass eine Kompromisslösung zurVerabschiedung der Konventsverfassung auf langeSicht nicht realisierbar ist, mag diese Verfassung fürdie erweiterte Union auch noch so bedeutsam sein.

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18 Die Wahlen zum Europäischen Parlament

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A 1 – A 22 Europa wählt

A 1

»Europa – eine gute Wahl«

A 2 Karikaturen zu denEuropawahlen

Unter dem Motto »Europa –eine gute Wahl« tourt der Euro-pa-Bus seit September 2003durch zahlreiche deutsche Städ-te. Im Auftrag des EuropäischenParlamentes, der EuropäischenKommission und der deutschenBundesregierung wirbt er für dieErweiterung der EU, für die Eu-ropawahlen und für eine Eu-ropäische Verfassung.

Foto: Matthias Lüdecke

Zeichnung: Frank Cerny Zeichnung: Freimut Wössner

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Die Wahlen zum Europäischen Parlament / Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten 19

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A 3 Wie wichtig sind eigentlichdie Europawahlen?

A 4 Zur Geschichte der europäischen Direktwahlen

Seit 1979 wählen die Bürgerinnen und Bürger in derEuropäischen Union die Abgeordneten im Straßbur-ger Europaparlament in direkten, geheimen und un-mittelbaren Wahlen.Trotz der Bedeutung dieser Wah-len ist das Interesse an ihnen erstaunlich gering, vielgeringer als an der Bundestagswahl oder an denLandtagswahlen. Wahlforscher machen für die nied-rige Beteiligung an den Wahlen zum EuropäischenParlament vor allem die mangelhaften Informationenüber die Bedeutung dieses Parlaments und die nachwie vor undurchsichtigen Entscheidungsabläufe in derEU verantwortlich. Hinzu kommt, dass wegen derGröße der Wahlkreise bei den Europawahlen die Ab-geordneten nur wenig bekannt sind und im Gegen-satz zu Gemeinderäten oder Landtagsabgeordnetennur selten in unmittelbaren Kontakt mit ihren Wähler-innen und Wählern treten können.

Es sind vor allem drei Gründe, die für eine Beteiligungan den Europawahlen sprechen:

• Durch die Einführung der Mitentscheidung im eu-ropäischen Gesetzgebungsverfahren wird dasParlament an den meisten Entscheidungen, dieauf europäischer Ebene fallen, beteiligt. Von derdurch die Wähler bestimmten Zusammensetzunghängt es ab, wie diese Entscheidungen im Eu-ropäischen Parlament ausfallen.

• Mit der Teilnahme an den EP-Wahlen können dieWahlberechtigten ihr Interesse an einer Demo-kratisierung der Europäischen Union betonen:Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt das Gewicht derdirekt gewählten Volksvertretung im System derEuropäischen Union.

• Schließlich ist die Stimmabgabe bei den EP-Wahlen ein Zeichen der Zustimmung zur Mit-gliedschaft des eigenen Landes in der Europäi-schen Gemeinschaft. Trotz aller Unvollkommen-heiten und Mängel ist die europäische Integrati-on ohne Alternative; jeder Wahlberechtigte kannmit seiner Teilnahme an der Wahl zeigen, dass erdie Fortsetzung und die weitere Ausgestaltungdes europäischen Integrationsprozesses bejaht.

A 5 Wissenswertes zu denEuropawahlen

a) Legislaturperiode: Das Europäische Parlamentwird jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren ge-wählt.

b) Kandidaten: Sie werden in den einzelnen Mit-gliedstaaten jeweils für ihr Land von den Parteienaufgestellt. Auf nationaler Ebene wird auch derWahlkampf organisiert.

c) Wahlverfahren: Die Wahlverfahren variieren vonMitgliedstaat zu Mitgliedstaat. In der Regel wird

1952: Vorläufer des Europäischen Parlaments wardie Gemeinsame Versammlung der Eu-ropäischen Gemeinschaft für Kohle undStahl (EGKS), die im September 1952 zum ersten Mal zusammentrat. Diese Versamm-lung setzte sich aus 79 von den sechs Mit-gliedstaaten entsandten Parlamentariernzusammen und hatte überwiegend bera-tende Funktion.

1979: fanden zum ersten Mal in allen Mitglied-staaten vom 7. bis 10. Juni Direktwahlen zur»Gemeinsamen Versammlung« statt; daranbeteiligten sich rund 62 Prozent der Wahl-berechtigten; sie entsandten 410 Abgeord-nete nach Straßburg.

1986: Erst jetzt wurde die Bezeichnung »Ge-meinsame Versammlung« offiziell durch»Europäisches Parlament« abgelöst.Gleichzeitig erhielt das Parlament zusätzli-che Befugnisse und Funktionen wie z.B.das Recht zur Mitentscheidung bei Erwei-terungen der Gemeinschaft und beim Ab-schluss von Assoziierungsabkommen.

1994: Bei der vierten Direktwahl kam es zu zweiwichtigen Änderungen: Die Deutschland zu-stehende Abgeordnetenzahl wurde als Fol-ge der deutschen Einheit von bisher 81 auf99 Sitze erhöht; gleichzeitig stieg die Ge-samtzahl der Sitze im Europäischen Parla-ment von 518 auf 567, weil auch anderenMitgliedstaaten eine größere Mandatszahlzugestanden wurde. Erstmals durften jetztaufgrund des Vertrags über die EuropäischeUnion EU-Bürger in dem Staat, in dem siewohnten, dessen Staatsangehörigkeit sieaber nicht besaßen, das passive und dasaktive Wahlrecht bei den Wahlen zum EPausüben; davon waren rund 5 MillionenMenschen betroffen.

1995: Mit der Erweiterung der EU um Finnland,Österreich und Schweden kam es zu einer weiteren Erhöhung der Parlamentsmanda-te. Nunmehr waren 626 Abgeordnete aus15 europäischen Mitgliedstaaten im Euro-päischen Parlament vertreten.

1999: Zum ersten Mal wurden die Abgeordnetenbei der fünften Direktwahl auf der Grundla-ge eines europaweit einheitlichen Wahl-rechts gewählt, nachdem die britische Re-gierung ein regionales Verhältniswahlrechtstatt des bisher in Großbritannien üblichenMehrheitswahlrechts zugelassen hatte.

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20 Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten

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A 6

Bei der Europawahl 1999 enthielt der Stimmzettel in Baden-Württemberg 20 Wahlvorschläge.

das eigene Wahlsystem geringfügig angepasst.Insgesamt gilt aber in allen 15 Staaten bei denEuropawahlen ein Verhältniswahlsystem.

d) Wahlkreiskandidaten: Im Gegensatz zu den Bun-destags- und Landtagswahlen sind die Europa-wahlen reine Listenwahlen. Die Wählerinnen undWähler können die Reihenfolge der Kandidatenauf den Listen auch nicht verändern wie etwa beiden Kommunalwahlen in Baden-Württemberg.

e) Landes- und Bundeslisten: Nur die CDU bzw. dieCSU treten in Deutschland mit Landeslisten in al-len 16 deutschen Ländern an. Alle übrigen Par-teien stellen bundesweit gültige Bundeslisten auf.

f) Fünfprozentklausel: In der Bundesrepublik wirddiese Hürde auch bei den Europawahlen ange-wandt. Dies hatte z.B. zur Folge, dass die FDP beiden Europawahlen von 1984, 1994 und 1999nicht im Straßburger Parlament vertreten war.

g) Wahltermin: Die Wahlen finden nicht in allen Mit-gliedstaaten am gleichen Tag statt. Es wurde viel-mehr ein Wahlzeitraum von vier Tagen festgelegt,innerhalb welchem jedes Land seinen Wahltagbestimmen kann. In Deutschland finden die Wah-len immer an einem Sonntag statt.

h) Briefwahl: Sie ist natürlich auch bei den Europa-wahlen möglich.

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Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten 21

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A 7 Aus dem Wahlgesetz

§ 1 Allgemeine Wahlrechtsgrundsätze(1) Auf die Bundesrepublik Deutschland entfallen 99Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Sie wer-den in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher undgeheimer Wahl für fünf Jahre gewählt.(2) Mitglieder des Deutschen Bundestages könnenzugleich Abgeordnete des Europäischen Parlamentssein.

§ 2 Wahlsystem, Sitzverteilung(1) Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen der Ver-hältniswahl mit Listenwahlvorschlägen. Listenwahl-vorschläge können für ein Land oder als gemeinsa-me Liste für alle Länder aufgestellt werden. JederWähler hat eine Stimme ...(6) Bei der Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschlä-ge werden nur Wahlvorschläge berücksichtigt, diemindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abge-gebenen gültigen Stimmen erhalten haben.

§ 6 Wahlrecht, Ausübung des Wahlrechts(1) Wahlberechtigt sind alle Deutschen im Sinne desArtikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die

1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben,2. seit mindestens drei Monaten

a) in der Bundesrepublik Deutschland oderb) in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäi-

schen Gemeinschaft eine Wohnung inneha-ben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten ...

(3) Wahlberechtigt sind auch alle Staatsangehörigender übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Ge-meinschaft (Unionsbürger), die in der BundesrepublikDeutschland eine Wohnung innehaben oder sichsonst gewöhnlich aufhalten und die am Wahltage

1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben,2. seit mindestens drei Monaten

a) in der Bundesrepublik Deutschland oderb) in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäi-

schen Gemeinschaft eine Wohnung inneha-ben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten ...

(4) Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlichausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte,die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Eu-ropäischen Gemeinschaft zum Europäischen Parla-ment wahlberechtigt sind.

§ 6b Wählbarkeit(1) Wählbar ist, wer am Wahltage

1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 desGrundgesetzes ist und

2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.

(2) Wählbar ist auch ein Unionsbürger, der in der Bun-desrepublik Deutschland eine Wohnung innehat odersich sonst gewöhnlich aufhält und der am Wahltage

1. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaatesder Europäischen Gemeinschaft besitzt und

2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat ...

A 8 Unionsbürgerschaft undWahlrecht

Die Einführung des Wohnsitzprinzips bei den Wahlenzum Europäischen Parlament und bei Kommunal-wahlen in den Mitgliedstaaten ist das Kernstück derUnionsbürgerschaft ... Jeder Unionsbürger mit Wohn-sitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörig-keit er nicht besitzt, hat in diesem Mitgliedstaat dasaktive und passive Wahlrecht. Das gilt sowohl für dieKommunalwahlen als auch für die Wahlen zum Eu-ropäischen Parlament. Dabei gelten für ihn dieselbenBedingungen wie für die Angehörigen des betreffen-den Mitgliedstaats.

Anke Gimbal: Unionsbürgerschaft, in:Werner Weidenfeld/Wolf-gang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z. Bonn (Europa Uni-on Verlag) 2002, S. 342f.

A 9 Auswirkungen der»Unionsbürgerschaft«

5,7 Millionen der Wahlberechtigten zu den EP-Wah-len im Jahre 2004 leben in einem anderen EU-Mit-gliedsland und haben nicht dessen Staatsangehörig-keit, davon allein über zwei Millionen in der Bundes-republik Deutschland. Mit dem Beitritt der zehn neuenMitgliedstaaten kommen 965.000 Wähler hinzu, diesich in einem anderen Land aufhalten; auch hier stehtDeutschland mit 412.000 an der Spitze.

Um diesen EU-Bürgern im derzeitigen Aufenthaltslanddas aktive und das passive Wahlrecht zu gewährleis-ten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: InDeutschland sind alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürgerwahlberechtigt, die seit mindestens drei Monaten hierwohnen und das 18. Lebensjahr vollendet haben. Siedürfen in keinem anderen Mitgliedstaat ihr Wahlrechtverwirkt haben.Voraussetzung ist ferner, dass sie sichin das deutsche Wählerverzeichnis eintragen lassenund dabei versichern, dass sie ihr Wahlrecht nur hierund nicht auch in ihrem Heimatland ausüben werden.

Die Europäische Kommission hat vor allem die neu-en Mitgliedstaaten aufgefordert, möglichst umgehenddie rechtlichen und administrativen Voraussetzungenzu schaffen, um allen EU-Bürgerinnen und EU-Bür-gern die Teilnahme an der Europawahl 2004 zu er-möglichen.

Nach: Europäische Zeitung 2003/7, S. 29.

§ 6c Verbot der mehrfachen Bewerbung zur Wahl

Niemand kann sich gleichzeitig in der BundesrepublikDeutschland und in einem anderen Mitgliedstaat derEuropäischen Gemeinschaft zur Wahl bewerben ...

Quelle: Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäi-schen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Eu-ropawahlgesetz – EuWG).

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22 Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten

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A 10 Wahlergebnisse und Wahlbeteiligung 1979–1999

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Wahlrecht – Wahlergebnisse – Kandidaten 23

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A 11 Kandidatinnen undKandidaten aus Baden-Württemberg

A 12 Wahlaufrufe

Bis auf die CDU stellen alle Parteien bundesweit gül-tige Listen – so genannte Bundeslisten – auf. Auf die-sen Listen ist kenntlich gemacht, auf welchen PlätzenKandidatinnen und Kandidaten aus den 16 deutschenLändern kandidieren. Nur die CDU und die CSU tre-ten mit Landeslisten an.Nach den Europawahlen vom Juni 1999 stellten dieBaden-Württemberger insgesamt neun Abgeordneteim Europäischen Parlament: Die CDU sechs, die SPDzwei und Bündnis 90/Die Grünen eine Abgeordnete.Auf Bundesebene bekamen CDU und CSU 53, dieSPD 33 und Bündnis 90/Die Grünen sieben Manda-te zugesprochen. Die PDS hatte auf Bundesebenesechs Mandate gewonnen, allerdings keines davon inBaden-Württemberg. Die FDP war im EuropäischenParlament nicht vertreten.Die baden-württembergischen Kandidaten der ein-zelnen Parteien und ihre Platzierung auf den Listenfür die Europawahlen im Juni 2004:

CDU (Landesliste):

1. Rainer Wieland MdEP2. Daniel Caspary3. Dr. Karl von Wogau MdEP4. Elisabeth Jeggle MdEP

5. Dr. Ingeborg Gräßle MdL6. Dr. Thomas Ulmer7. Prof. Dr. Kurt Joachim Lauk8. Dr. Andreas Schwab

SPD (Bundesliste)

12. Evelyne Gebhardt29. Gabi Rolland33. Peter Simon50. Jochen Gewecke55. Axel Lipp70. Gerald Sander

Bündnis 90/Die Grünen (Bundesliste)

3. Heide Rühle MdEP6. Cem Özdemir

18. Alfonso Fazio19. Anne Brooks24. Memet Kilic25. Stefanie Hähnlein

FDP (Bundesliste)

1. Dr. Silvana Koch-Mehrin8. Dietmar Bachmann

27. Erik Schweickert32. Thomas Schmitt39. Ellen Winkler-Obermann47. Jörg Brehmer

© Schwenk Film/dialog design, 1999. © Europäisches Parlament (Informationsbüro für Deutschland).

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24 Das Europäische Parlament

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A 13 Das Europäische Parlament in Straßburg

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Vertretung derMitgliedstaatenim Europäischen Parlament

Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes in Straßburg applaudierten Parlamentspräsident Pat Cox, als er am 9. April 2003die Zustimmung zur Aufnahme der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnete. Diese nehmen im Juni 2004 erstmals auch anden Europawahlen teil. Foto: picture-alliance/dpa

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Das Europäische Parlament 25

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A 15 Das Europäische Parlament –kurz und bündig

• Das Parlament wird seit 1979 in direkter Wahl allefünf Jahre von den Bevölkerungen der EU-Mit-gliedstaaten gewählt.

• Die 13 bis 14 Plenarversammlungen, bei welchendie Beschlüsse des Parlaments gefasst werden,finden in der Regel in Straßburg statt. Die Aus-schüsse und die Fraktionen tagen in Straßburgoder in Brüssel.

• Das Europaparlament bildet 17 ständige und 5 nichtständige Ausschüsse. Es wählt seinen Prä-sidenten und dessen Stellvertreter auf jeweilszweieinhalb Jahre.

• Das Parlament ist grundsätzlich berechtigt, überjeden Gegenstand zu verhandeln, hierzu mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen Ent-schließungen anzunehmen und diese den ande-ren EU-Organen vorzulegen.

• Im Europaparlament sind über 100 nationale Par-teien vertreten, die sich zu europäischen Fraktio-nen zusammengeschlossen haben. Zurzeit gibtes sieben Fraktionen.

• Hinsichtlich der Chancengleichheit von Mann undFrau war das Europäische Parlament mit einemAnteil von 31 Prozent weiblicher Abgeordnetereinsame Spitze, denn in den nationalen Parla-menten der heutigen EU beträgt dieser Anteildurchschnittlich nur 25 Prozent, in den Beitritts-ländern sogar nur 14,6 Prozent. Es ist zu be-fürchten, dass die neuen Mitgliedsländer wenigerFrauen nach Straßburg entsenden werden als diealte EU der 15.

Das Europäische Parlament in Straßburg.

Foto: Europäisches Parlament

Das Europäische Parlament in Brüssel.Foto: picture-alliance/dpa

• Das Parlament hat – je nach Politikbereich – dasRecht auf Zustimmung, Mitwirkung oder Mitent-scheidung sowie auf Anhörung und Beratung.

• Das Europaparlament bildet zusammen mit demMinisterrat die Haushaltsbehörde der EU; es kannden Haushalt in letzter Instanz ablehnen.

• Das Parlament kann der Kommission das Miss-trauen aussprechen und sie so geschlossen zumRücktritt zwingen.

• Die jährlichen Kosten für das Europäische Parla-ment betragen über eine halbe Milliarde Euro.

• Auch das 2004 zu wählende Parlament wird kei-neswegs die Einwohnerzahlen der einzelnen Mit-gliedsstaaten widerspiegeln: Ein deutsches Mit-glied des Europäischen Parlaments vertritt etwa830.000 Bürgerinnen und Bürger, ein belgischerAbgeordneter dagegen nur 340.000 und ein lu-xemburgischer sogar nur 70.000.

• Bisher erhielten die Europaabgeordneten die glei-chen Diäten wie die Volksvertreter in ihrem jewei-ligen nationalen Parlament. Dies führte im Straß-burger Parlament zu großen Unterschieden undUngerechtigkeiten. So erhält zurzeit ein italieni-scher Volksvertreter fast 11.000 Euro monatlich,während der neben ihm sitzende Spanier ledig-lich 2.850 Euro bezieht. Deshalb wurde vorge-schlagen, dass alle gleichermaßen eine monatli-che Grundvergütung von rund 8.500 Euro imMonat bekommen.

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26 Das Europäische Parlament

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Grafik nach: Frank R. Pfetsch: Die Europäische Union. München (Fink) 2001, S. 159.

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A 16 Funktionen und Befugnisse des Europäischen Parlaments

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Das Mitentscheidungsverfahren

Im Maastrichter Vertrag (1990) wurde das Mitentscheidungsverfahren neu eingerichtet. Dadurch wurden dem Parlament bei derRechtsetzung auf der europäischen Ebene erstmals echte Mitwirkungsrechte eingeräumt. Einmal hat das Parlament die Möglich-keit im Rechtsetzungsverfahren zu Vorhaben umfangreich Stellung zu beziehen, sie zu billigen oder abzulehnen oder auf Verände-rungen hinzuwirken. Nach erfolgloser Einschaltung des Vermittlungsausschusses kann das Parlament in letzter Konsequenz dasZustandekommen eines Rechtsaktes endgültig verhindern.

Nach: Pascal Richter: Die Erweiterung der Europäischen Union. Baden-Baden (Nomos) 1997, S. 75f.

© 8421medien, 2004

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28 Das Europäische Parlament

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Kollegen oder internationalen Organisationen nehmeich auch immer wieder an Veranstaltungen in ande-ren europäischen Ländern teil. Gerne diskutiere ichauch mit Schülerinnen und Schülern im Rahmen ih-res Unterrichts über Europapolitik.Öffentlichkeitsarbeit: Dazu zählen Pressemitteilun-gen, Redaktionsbesuche, die wöchentliche Aktuali-sierung meiner Homepage und die Herausgabe einesmonatlichen Newsletters. Da mein Betreuungsgebiethalb Baden-Württemberg umfasst, bin ich in der Öf-fentlichkeit leider nicht so präsent wie die örtlichenMandatsträger. Immerhin hat das Interesse der Me-dien an Europa in den letzten Jahren zugenommen.

A 20 Besteht in der EU einDemokratiedefizit?

Dem Europäischen Parlament fehlen ... (wesentliche)Attribute eines echten Parlaments. Über das Rechtzur Gesetzgebung, das vornehmste Recht einer vomVolk gewählten Volksvertretung, verfügt innerhalb derEU der Rat der Europäischen Union (Ministerrat), dieVertretung der Regierungen der Mitgliedsländer. Inder europäischen Rechtsetzung hat das EuropäischeParlament nur Mitwirkungsrechte und innerhalb dervier verschiedenen Gesetzgebungsverfahren ist esnur im Verfahren der so genannten »Mitentschei-dung« dem Ministerrat gleichgestellt.

Das Europäische Parlament hat auch nicht das Recht,im Parlament Gesetzesinitiativen einzubringen. Dasausschließliche Recht zur Gesetzesinitiative besitzt dieEuropäische Kommission, die damit der eigentlicheHüter und Motor der europäischen Integration ist …

Das Europäische Parlament hat auch nicht das Recht,das Exekutivorgan zu wählen. Der Kommissionsprä-sident wird einvernehmlich von den Regierungen derMitgliedsländer, die einzelnen Kommissare … im Ein-vernehmen mit dem künftigen Kommissionspräsi-denten ernannt. Das Europäische Parlament kann derKommission nach der Ernennung durch die nationa-len Regierungen nur als Kollektivorgan seine Zustim-mung verweigern …

Dem Argument vom Demokratiedefizit ist … entge-genzuhalten, dass eine Demokratisierung im struktu-rellen Rahmen der EU die bisherigen vertraglichenBestimmungen der EU sprengen würde. Bestimmendfür die EU ist nicht das Demokratieprinzip, das sich inmehr Kompetenzen des Europäischen Parlamentsniederschlagen würde. Vertragskonstituierend für dieMitgliedsländer der EU ist der angestrebte Ausgleichzwischen einem gemeinsamen europäischen Inte-resse einerseits und nationalen Interessen der Mit-gliedstaaten andererseits.

Manfred Dreyer: Europawahl 1999. Demokratiedefizit in derEU? Politik betrifft uns, Heft 3/1999. Aachen (Bergmoser + Höl-ler), 1999, S. 1f.

A 19 Was macht einEuropaabgeordneter?

P&U befragte im Herbst 2003 Dr. Rolf Linkohr nachseiner Arbeit als Abgeordneter. Dr. Linkohr ist seit1979 Mitglied des Europaparlaments und gehört dortfür die SPD der Fraktion der SozialdemokratischenPartei Europas an.

Plenarsitzungen: Pro Jahr finden zwölf Sitzungen àvier Tage in Straßburg statt und weitere sechs Sit-zungen à zwei halbe Tage in Brüssel. Hinzu kommenFraktionssitzungen in Brüssel. Die Arbeitsgruppen –also Ausschussmitglieder, die einer Fraktion an-gehören – und die gesamte Fraktion kommen jeweilsin der Woche vor einer Plenarsitzung zusammen undberaten über die zur Abstimmung stehenden Geset-zestexte (Berichte).Studientagungen: Zwei Fraktionssitzungen pro Jahrfinden als Studientagung außerhalb von Straßburgoder Brüssel statt. Der Tagungsort liegt häufig im Landder jeweiligen Ratspräsidentschaft. Dort diskutierenwir mit nationalen Parteiführern und Abgeordnetenüber die politische und wirtschaftliche Situation desGastlandes oder bereiten gezielte politische Initiati-ven vor. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Par-tei Europas, der ich angehöre, tagt in diesem Jahr inAthen und in Bologna.Ausschusssitzungen in Brüssel: Ich gehöre demAusschuss für Industrie, Außenhandel, Forschungund Energie als ordentliches Mitglied an. Außerdembin ich stellvertretendes Mitglied im Ausschuss fürUmweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucher-schutz. Die Ausschüsse tagen in der Regel an zweibis drei Tagen in den dafür vorgesehenen Ausschuss-wochen, von denen es etwa 18 pro Jahr gibt.Delegationen: Das Europäische Parlament pflegtparlamentarische Beziehungen zu fast allen Regio-nen der Welt. Ich bin Präsident der Delegation für La-teinamerika und Mercosur (Gemeinsamer Markt imSüdlichen Lateinamerika). In diesem Jahr haben wirzur 16. Interparlamentarischen Konferenz EU/La-teinamerika nach Brüssel eingeladen. Diese Konfe-renz haben wir mit unseren Kollegen aus dem la-teinamerikanischen Parlament Parlatino im Rahmeneiner Delegationsreise nach Brasilien vorbereitet.Parteipolitische Veranstaltungen: In Veranstaltun-gen der Ortsvereine und Kreisverbände berichte ichüber meine Arbeit, die Osterweiterung der EU und dieReform der europäischen Institutionen. In diesem Jahrwar die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitikals Folge des Irak-Kriegs ein besonders gefragtesDiskussionsthema.Vorträge, Seminare und Konferenzen: Besondersintensiv beschäftige ich mich mit der Energiewirt-schaft und Energiepolitik, neuen Technologien, demKlimaschutz sowie der Forschungsförderung. Zu die-sem Thema halte ich Vorträge auf hochrangigen Kon-ferenzen, organisiere Workshops und schreibe Beiträ-ge in Büchern oder Zeitschriften. Auf Einladung von

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Das Europäische Parlament 29

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A 21 Das Europäische Parlament: Ein »Papiertiger«?

A 22 Ein kurzer Abschlusstest

Zeichnung: Mester Zeichnung: Luff

richtig falsch weiß ichnicht

Die Wahl zum Europäischen Parlament findet alle vier Jahre statt.

Deutschland wählt 99 Abgeordnete in das Europäische Parlament.

Die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament gab es im Jahre 1979.

Bei den Europawahlen hat jede Wählerin und jeder Wähler zwei Stimmen.

In Deutschland wohnhafte polnische Staatsbürger dürfen bei den Europawahlen in Deutschland teilnehmen.

Die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen war bisher niedriger als bei den Bundestagswahlen.

Jeder Mitgliedstaat entsendet die gleiche Zahl an Abgeordneten in das Euro-päische Parlament.

Das Europäische Parlament hat keinen Einfluss auf die Verabschiedung des Haushalts der EU.

Das Europäische Parlament wählt die europäische Regierung.

Das Europäische Parlament hat kein Initiativrecht.

Im Europäischen Parlament sitzen die Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge.

Das Europäische Parlament kann der Europäischen Kommission das Misstrauenaussprechen.

Das Europäische Parlament hat dieselben Rechte wie der Deutsche Bundestag.

Das Europäische Parlament kann nur über die Themen verhandeln, die ihm der Rat der EU vorgelegt hat.

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Die EU als Wirtschaftsraum 57

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D 1 – D 32 Perspektiven, Chancen und Probleme

D 1 Befürchtungen in denBeitrittsländern

D 3 Unterschiedliche Risiken fürdeutsche Unternehmen

D 2 Viele begehrte Standorte

Mit der EU-Mitgliedschaft verbindet man inden Staaten Ostmitteleuropas nicht nur Hoff-nungen, sondern zunehmend auch negati-ve Erwartungen. Die wichtigsten Befürch-tungen lauten:

• Die einheimischen Unternehmen sinddem Wettbewerb im europäischen Bin-nenmarkt nicht gewachsen; die Über-schwemmung mit billigeren und besse-ren Produkten aus Westeuropa drohtden Firmen in Osteuropa ihre bisherigenAbsatzmärkte wegzunehmen.

• Ausländische kapitalstarke Gesellschaf-ten könnten die Firmen in den ostmittel-europäischen Ländern aufkaufen unddiese zu »verlängerten Werkbänken« ih-rer Produktionsstätten in der bisherigenEU der 15 machen.

• Die EU-Regelung, dass jeder in jedemMitgliedsland Immobilien erwerben darf,könnte zum Ausverkauf des eigenen

Die Sorgen vor der Erweiterung variieren nach Be-triebsgröße, Regionen und Branchen: So fürchten bei-spielsweise die ... baden-württembergischen Unter-nehmen den Beitritt nicht, weil sie keinen zusätzlichenWettbewerbsdruck erwarten. Anders stellt sich diesfür die grenznahen Regionen dar und dort vor allemim Niedriglohnsektor.

Risiken der Erweiterung sehen dort vor allem die Un-ternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten. Bei Firmen mit50 bis 99 Mitarbeitern halten sich die zu erwartendenChancen und Risiken die Waage, Firmen mit mehr als100 Beschäftigten sehen eher Chancen. Den Beitrittfürchten eher regional ausgerichtete Unternehmenund hier vor allem die kleinen Betriebe, Unternehmender Möbel- und Textilindustrie, der Hotel- und Gast-stättenbereich, die Bauwirtschaft, die Landwirtschaftund der Sektor der Informationstechnik.

Die Produktion wird im Bereich des Niedriglohnsek-tors in Niedriglohnländer verlagert, um im Preiskampfkonkurrenzfähig zu bleiben. Da der Import vereinfachtwird, nimmt der Wettbewerbsdruck bei einfachen ar-beitsintensiven Produkten zu ... Die mittleren und obe-ren Lohngruppen werden unter Druck geraten, weil diekostengünstige Fertigung im Wettbewerb die alles ent-scheidende Rolle spielen wird. Erwartet wird jedoch,

Grafik: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Landes führen, einer Landnahme in den Staatendes ehemaligen Ostblocks mit dem Scheckbuch.

• Die traditionelle Landwirtschaft mit ihren vielenKleinbetrieben ist in Gefahr, weil die Bauern inden Transformationsländern wegen Kapital-knappheit und erschwertem Zugang zu Bankkre-diten nicht mit den modernen und kapitalstarkenwesteuropäischen landwirtschaftlichen BetriebenSchritt halten könnten.

• Die Beitrittsländer könnten auf Dauer mit einer»Mitgliedschaft zweiter Klasse« abgespeist wer-den, da die Altmitglieder nicht auf ihre Subventio-nen und erworbenen Rechte und Vorteile in derGemeinschaft verzichten wollen.

• Tschechien und Polen droht eine Vielzahl von An-sprüchen auf Rückgabe der bei der Vertreibungder Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg intschechischen und polnischen Besitz übergegan-genen ehemaligen deutschen Liegenschaften.

• Die politische Souveränität und die nationaleIdentität der Staaten, die eben erst ihre Unab-hängigkeit erlangt haben, könnten in einem ver-einigten Europa nur noch eine untergeordneteRolle spielen.

Nach: Das Parlament, 12./19. Mai 2003 und Markus Milten-berger: Die Europadebatte in Politik und Öffentlichkeit der ost-mitteleuropäischen EU-Kandidatenländer, in: Aus Politik undZeitgeschichte B 1-2/2002, 4. Januar 2002, S. 3–10.

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58 Die EU als Wirtschaftsraum

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D 4 Übergangsregelungen:Beispiele

D 5 Kleine Annäherungsschritte

Die Angleichung medizinischer Produkte an die EU-Standards muss in Polen bis 2009 und in Slowenienbis Ende 2008 erfüllt werden. Bis dahin dürfen medi-zinische Produkte dieser Länder nur auf dem heimi-schen Markt abgesetzt und nicht in andere EU-Mit-gliedstaaten exportiert werden.

Der Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Im-mobilien durch westeuropäische Unionsbürger ist inTschechien, Ungarn und der Slowakei bis Ende 2011,in Polen sogar bis Ende 2016 nicht gestattet.

In Ungarn und Polen dürfen Beihilfen (Subventionen)an kleine und mittlere Unternehmen – entgegen denEU-Richtlinien – bis 2011 gewährt werden.

Zwei unsichere Atomkraftwerke vom Tschernobyl-Typdürfen in Litauen bis 2009 weiter betrieben werden.

Nach: Dagmar Boving: Countdown EU-Erweiterung. Ber-lin (Deutscher Industrie- und Handelstag) 2003, S. 8f. und S. 21–23.

Grafik: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Die zehn Beitrittsländer schaffen derzeit mit einerWirtschaftsleistung von insgesamt 433 MilliardenEuro gerade einmal ein Zwanzigstel des Bruttoin-landsprodukts (BIP) der aktuellen EU-15. Zwar habendie zehn Neuen in puncto Lebensstandard in den ver-gangenen Jahren etwas aufgeholt: So liegt das durch-schnittliche nominale BIP je Einwohner – bereinigt umKaufkraftunterschiede – inzwischen bei umgerechnet11.637 Euro. Das sind 48 Prozent des EU-Niveaus –1995 kamen die Beitrittskandidaten erst auf 42 Pro-zent. Bleibt es allerdings auch künftig bei diesem Kon-vergenz-Tempo, wird es allein 44 Jahre dauern, denheutigen Abstand zu halbieren.Aus: iwd Nr. 1, 1. Januar 2004, S. 8.

dass der Beitritt auf mittlere Sicht die Lohnangleichungin den Beitrittsländern nach oben beschleunigen wird.Der Niedriglohnsektor, der bereits in der Vergangen-heit von Deutschland Richtung Mittelosteuropa »ab-gewandert« ist, wird dann weiter nach Südosten ver-lagert, d.h. von Slowenien und Ungarn beispielsweiseweiter nach Bulgarien und Rumänien.

Dagmar Boving: Die EU-Erweiterung. Berlin (Deutscher Indus-trie- und Handelskammertag) 2003, S. 15f.

D 6 Günstige Prognosen für dieBeitrittsländer

Die Aussicht auf die Mitgliedschaft in der EU hat inden mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern zueiner überdurchschnittlichen Steigerung des Wirt-schaftswachstums geführt und ihnen zwischen 1993und 2003 durchschnittliche jährliche Wachstumsratendes Bruttoinlandprodukts von 4,5 Prozent beschert.Gleichzeitig hat sich dort die Produktivität in der ge-werblichen Wirtschaft spürbar verbessert. Zudem kames zu einer tief greifenden Umorientierung des Außen-

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Die EU als Wirtschaftsraum 59

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D 7 Auch die Wirtschaft der alten EU profitiert von der Erweiterung

Für die bisherigen EU-Mitglieder werden sich die po-sitiven wirtschaftlichen Folgen der Erweiterung inGrenzen halten, und zwar ganz einfach deshalb, weildie Volkswirtschaften der Beitrittsländer sehr kleinsind. Zusammen macht ihr Bruttoinlandsprodukt ins-gesamt gerade fünf Prozent der jetzigen EU-Mitglie-der aus – das entspricht dem Bruttoinlandsproduktdes EU-Mitgliedstaates Niederlande.

Die EU-Kommission errechnete, dass das Bruttoin-landsprodukt der EU-15 innerhalb von zehn Jahrendurch den Beitritt von zehn neuen Staaten gerade ein-mal um 0,5 Prozent steigen wird. Die Abwicklung desWarenaustauschs mit Osteuropa wird sich dagegendeutlich vereinfachen, weil Zolldokumente und ande-re Exporthindernisse im gemeinsamen Binnenmarktentfallen.

Allerdings muss man zwischen den einzelnen Län-dern der bisherigen EU klar unterscheiden: Ländermit direkter geografischer Nähe zu Osteuropa – alsoDeutschland, Österreich, Schweden und Finnland –werden mit einem voraussichtlichen Anstieg um zweibis drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts die ein-deutigen Gewinner der Erweiterung sein. Vor allemdie deutsche Investitionsgüterindustrie profitiert vonden Aufträgen aus den mittel- und osteuropäischenStaaten. Schon heute liefert die deutsche Wirtschaft50 Prozent der Waren, die von den Beitrittsländernimportiert werden. Diese sind deshalb für den deut-schen Export inzwischen wichtiger als die USA. Spa-

D 8

© Globus Infografik GmbH

Deutschlands Handel mit Osteuropa hat sich deutlich belebt.Gemessen am Außenhandelsumsatz (Einfuhr und Ausfuhr) istTschechien das wichtigste Partnerland. 40 Prozent seiner Ex-portprodukte lieferte es nach Deutschland. Umgekehrt bezogdie Tschechische Republik rund ein Drittel aller Importwarenaus Deutschland.

handels: die früher bestehende Ausrichtung auf dieLänder des ehemaligen Ostblocks wich der deutlichenSteigerung der Exporte in die EU-15 und der Impor-te aus der EU-15. Es wird erwartet, dass sich dieseTendenz nach dem vollzogenen Beitritt in die Ge-meinschaft fortsetzen wird.

Die Erfahrungen aus früheren Erweiterungen der EUzeigen, dass die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft,die mit dem Abbau der Handelsbeschränkungen imEuropäischen Binnenmarkt und finanziellen Leistun-gen aus den Gemeinschaftsfonds verbunden ist, ins-besondere in wirtschaftlich eher rückständigen neu-en Mitgliedstaaten zu einer spürbaren Verbesserungder gesamtwirtschaftlichen Situation führt. Mit einemschnellen Aufschließen zum Westen ist freilich nichtzu rechnen, dazu ist der Abstand zu groß. Selbstwenn die zehn neuen Mitglieder ihren Wachstums-vorsprung aufrechterhalten können, werden sie mehrals ein Vierteljahrhundert brauchen, um den beste-henden Rückstand gegenüber der EU der 15 auchnur zu halbieren.

nien, Irland und Portugal, die am weitesten von denBeitrittsländern entfernt sind, können dagegen kaumpositive Wachstumseffekte aus der Erweiterung er-warten. Diese Länder werden vielmehr eher negativeFolgen zu spüren bekommen, da finanzielle Mittel ausdem EU-Haushalt, die bisher ihnen zugeflossen sind,nach 2006 in die neuen Mitgliedstaaten umgeleitetwerden.

Von solchen Einbußen sind möglicherweise auch Re-gionen in Ostdeutschland und in einigen Ländern deralten Bundesrepublik betroffen, weil sie in der erwei-terten EU nicht mehr unterhalb der »Armutsgrenze«liegen, die zu Subventionen aus den EU-Struktur-fonds berechtigt. Diese Einschränkungen mindern je-doch – aufs Ganze gesehen – den wirtschaftlichenGewinn aus der Erweiterung nur in geringem Maße.

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60 Die EU als Wirtschaftsraum

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D 10 Exporte Baden-Württembergs 2002

D 9 Neue Märkte

Foto rechts: In der polnischen Grenzstadt Slubice ist man aufdeutsche Kundschaft bestens eingestellt. Slubice liegt am rech-ten Ufer der Oder und ist mit der Stadtbrücke mit dem be-nachbarten Frankfurt/Oder verbunden. Durch seine günstigeLage an der deutsch-polnischen Grenze ist Slubice ein wich-tiges Handels- und Dienstleistungszentrum. Auf dem Gebietder Gemeinde liegen die drei größten Grenzübergänge an derWestgrenze Polens. picture alliance/dpa

Foto oben: Deutsche Betriebe investieren in Polen, wie etwaHenkel Polska in Ratibor/Oberschlesien. Für diese Produktewird selbstverständlich auch geworben. Foto: Paul Glaser

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Die EU als Wirtschaftsraum 61

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D 12 Droht eineMassenzuwanderung?

Während in den 1980er-Jahren die Menschen ihreKoffer für immer packten, um Unterdrückung und Ar-mut zu entgehen, will heute – nach einer Umfrage derpolnischen Zeitung »Gazeta Wyborcza« – kaum ei-ner länger als ein paar Monate oder ein Jahr im Wes-ten bleiben ... Der Trend der Wanderung dreht sich so-gar in Richtung Osten. Immer mehr Polen, die in denachtziger oder neunziger Jahren in den Westen ge-gangen sind, kehren jetzt zurück. Zwar wandern nochimmer mehr Menschen aus als heimkehren, dochschon nach 2006, meinen Experten, dürfte das his-torische Auswanderungsland Polen zu einem »Netto-

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Bis zu vier Millionen Menschen werden voraussichtlich aus den fünf größten Beitrittsländern Polen, Rumänien, Slowakei, Tsche-chien und Ungarn in den ersten 15 Jahren nach der EU-Erweiterung nach Deutschland kommen. Hochgerechnet auf alle zehn ost-europäischen Beitrittsländer wären es an die fünf Millionen Menschen. Der größte Anreiz für die Migranten ist das vergleichsweisehohe Lohnniveau in Deutschland. Zudem wird sich das Problem der Arbeitslosigkeit in den Beitrittsländern durch anstehende Pri-vatisierungen und Umstrukturierungen verschärfen. © Globus Infografik GmbH

einwanderungsland« werden – trotz offener Grenzennach der EU-Osterweiterung ...

Auch die Erfahrungen mit den Beitritten von Irland,Griechenland, Portugal und Spanien stützen die Er-wartungen der Experten, die Migration aus demOsten werde die EU nicht aus den Fugen heben. Einstarkes Lohngefälle, wie es damals auch zwischenden Südstaaten und dem Kerneuropa herrschte, löstallein keine Massenwanderung aus, weil sich den Da-heimgebliebenen durch den EU-Beitritt eine Zu-kunftsperspektive eröffnete. Je mehr sich diese Chan-cen konkretisierten, desto weniger waren Portugiesenoder Iren zum Exodus bereit. Heute sind beide Staa-ten – damit hatte damals kein Experte gerechnet –begehrte Ziele von Jobsuchern.

Der Spiegel, 9. Dezember 2002 (Winfried Didzoleit).

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62 Die EU als Wirtschaftsraum / Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommen sich näher

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D 14 Deutschland brauchtZuwanderung aus Osteuropa

D 15 Die Bedeutung vonSchulpartnerschaften

Ohne Zuwanderung aus dem Ausland wird die Be-völkerung der Bundesrepublik innerhalb von fünfzigJahren von heute 82 Millionen Bürgern auf unter 60Millionen sinken. Minus 20 Millionen – das ist ein

Nicht ganz einfach war ... die Schulpartnerschaft, diedie Realschule Oberesslingen (RSO) 1996 mit derZSP Nr. 2 in der Schwesterstadt Piotrkòw Trybujnals-ki einging. »Wir hatten mit Vorurteilen zu kämpfen,nicht bei den Schülern, aber bei den Eltern«, gestandRealschulrektor Hartmut Selke. Dass die Jugendlichenkeinerlei Berührungsängste hatten und haben, be-stätigen die beiden RSO-Schülerinnen Annalena Kolbund Ursula Brutscher. »Alle Leute in Piotrkòw sindsehr nett und gastfreundlich und wir haben bis heuteKontakt zu unseren Austauscheltern«, schildern sieihre Erlebnisse und beantworten damit zugleich dieFrage, ob die Begegnungen die Menschen einandernäher gebracht haben. »Auf jeden Fall sind wir unsnäher gekommen«, unterstrich Wladylaw Adaszek vonder Piotrkòwer Ost-West-Gesellschaft. »Wir konntenneue Formen des Lebens und neue Dinge kennen ler-nen.« Für Adaszek ist die Partnerschaft »das Funda-ment für den Bau des europäischen Hauses, und des-halb legen wir auch großen Wert darauf, dass sichunsere Jugend begegnet.« Dass Fahrten nach Polenaber noch weit davon entfernt sind, ein »Selbstläufer«zu werden, weiß Elke Demirbas von der EsslingerWest-Ost-Gesellschaft. »Es gelingt nur dann Jugend-liche einzubinden, wenn es von oben, also im Rahmeneiner Schulpartnerschaft iniziiert wird.«

Esslinger Zeitung, 21. Juni 2002.

D 13 Übergangsfristen für dieZuwanderung aus denBeitrittsländern

Auf Druck Deutschlands und Österreichs setzte dieEuropäische Kommission eine siebenjährige Über-gangsfrist für die Arbeitnehmerfreizügigkeit und sen-sible Dienstleistungen, Reinigungs- und Sozialdiens-te sowie Sicherheitsdienste durch. Die alten undneuen Mitgliedstaaten haben damit grundsätzlich dieWahl, ihren Arbeitsmarkt ohne Einschränkung auf be-stimmte Branchen bis zu sieben Jahre lang abzu-schotten.

Jahre nach demBeitritt

Arbeitnehmer-freizügigkeit

Voraussetzungfür die Aufrecht-

erhaltung derSchutzklausel

Phase 1(bis zu 2 Jahre)

kein sanktionier-bares Recht aufArbeitnehmer-freizügigkeit

tritt automatisch inKraft

Phase 2(2–5 Jahre)

möglicherweisegegeben

einseitige förmli-che Mitteilung derAlt-Mitgliedstaatenan die EU-Kom-mission erforder-lich, ob und inwieweit dieSchutzklauselweitergeführt wird

Phase 3(5–7 Jahre)

wahrscheinlich einseitige förmli-che Erklärung derAlt-Mitgliedstaatenan die EU-Kom-mission, wennschwer wiegendeStörungen des Arbeitsmarktesvorliegen bzw.wenn solcheStörungen ernst-haft befürchtetwerden

spätestens 7 Jahre nach dem Beitrittsdatum gilt überall dievolle Freizügigkeit von Arbeitnehmern

Grafik nach: Dagmar Boving: Countdown EU-Erweiterung. Ber-lin (Deutscher Industrie- und Handelstag) 2003, S. 13.

Aderlass, den die deutsche Wirtschaft nicht verkraf-ten kann ... Das sind zu wenig Kinder, zu wenig Ar-beitskräfte, zu wenig Konsumenten, zu wenig Bei-tragszahler und – zu viele Alte.

Keine noch so leistungsfähige Volkswirtschaft über-lebt eine derart dramatische Entwicklung ohne Scha-den. Doch welch ein glücklicher Zufall: Die Lösung desProblems liegt quasi vor der Haustür.Wenn ... ein Dut-zend mitteleuropäische Staaten Mitglieder in der EUwerden, erwerben sie das Recht auf Freizügigkeit.Dann können ihre Bürger Arbeit in jedem EU-Land su-chen, selbstverständlich auch in Deutschland ... Rich-tig ist, dass mit der Freizügigkeit etwa in grenznahenRegionen der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarktwächst, dass mancher Handwerker und mittelständi-sche Unternehmer um seinen Markt kämpfen muss.Aber solche Risiken sind überschaubar und lassensich begrenzen. Sie dürfen nicht den Blick auf dieNöte der gesamten Wirtschaft verstellen, die Zuwan-derung braucht.

Die ZEIT, 22. Februar 2001 (Klaus-Peter Schmid).

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Ost-West-Begegnungen: Die Menschen kommen sich näher 63

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D 18 Städtepartnerschaft Singenund Celje

Seit über 25 Jahren bestehen bereits Kontakte zwi-schen Singen am Hohentwiel und der Stadt Celje imNordosten Sloweniens. Die ersten Kontakte gehen indie 1970er-Jahre zurück. Damals baute die IG-MetallSingen Beziehungen zu den Gewerkschaften in Cel-je auf. Die nach 1945 verstaatlichten Wirtschafts-

D 17 Fröbel-Schule Fellbach

Die Schulpartnerschaft mit der Éltes-Mótyás-isko-láközpont in Pécs/Ungarn wurde am 20. November1999 mit einem offiziellen Partnerschaftsvertrag beimLebkuchenfest in Fellbach besiegelt. Als Paten unter-stützen die Landräte und Oberbürgermeister beiderStädte die Partnerschaft. Inzwischen fanden mehre-re Schüler- und Lehreraufenthalte sowohl in Pécs alsauch in Fellbach statt. Auch auf Elternebene wurdenKontakte geknüpft. Zahlreiche Freundschaften undBekanntschaften wurden geschlossen und in Telefon-bzw. Briefkontakten weitergeführt.

Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.):Begegnungen über Grenzen hinweg. Stuttgart 2000, S. 17f.

D 16 Ost-West-Begegnungen

Schüleraustausch zwischen allgemein bildenden und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg und Schulenin den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern (Stand 2002)

Zahlder Begegnungen

beteiligteSchülerinnen und

Schüler

Zahl der Begegnungen

beteiligteSchülerinnen und

Schüler

in Baden-Württemberg in Osteuropa

Polen 71 1.756 83 2.228

Ungarn 76 1.677 68 2.027

Tschechien 18 539 17 361

Rumänien 5 89 3 41

Bulgarien 3 82 2 53

Lettland 2 25 2 26

Estland 1 23 1 19

Slowenien 1 22 1 17

Slowakei 1 9 2 15

Insgesamt 178 4.222 179 4.747

Quelle: Mitteilung des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg.

zweige, aber auch einzelne Betriebe, sollten zum The-ma Dezentralisierung beraten werden.

Zeitgleich … entstand eine Chorfreundschaft zwi-schen dem Singener Männerchor Konkordia und demKammerchor Celje. Im Laufe der Jahre entwickeltesich somit ein Austausch im Sport- und Kulturbereich.Diese Verbreiterung in unterschiedliche gesellschaft-liche Bereiche hinein führte schließlich zur Besiege-lung der Städtepartnerschaft, die 1989 in Singen und1990 in Celje unterzeichnet wurde.

Die erste Bewährungsprobe musste die Partnerstadtgleich im ersten Jahr beweisen: Celje wurde von ei-nem verheerenden Hochwasser heimgesucht. DieSingener Feuerwehr, das Rote Kreuz und das Kran-kenhaus leisteten Hilfe – ein Freundschaftsdienst, derdie Institutionen bis heute sehr eng zusammenführte.

Insbesondere das Rote Kreuz war in den vergange-nen Jahren immer wieder gefordert, die Flüchtlingeaus den Krisengebieten (zunächst aus Kroatien, spä-ter dann aus Bosnien), die in Celje untergebracht wa-ren, mit zu versorgen. Viele Begegnungen undHilfstransporte fanden seither statt.

Im Gegensatz zu den anderen Singener Partner-städten gibt es hier auch Ansätze zu einem wirt-schaftlichen Austausch: So präsentieren sich bei-spielsweise einige Singener Betriebe und die In-dustrie- und Handelskammer auf der jährlich in Celjestattfindenden Gewerbemesse.

Quelle: www.in-singen.de (Partnerstädte)

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64 Stößt die EU an ihre Grenzen?

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D 22 Die Grenzen Europas

Es gibt zahlreiche Argumente, mit denen die Ge-meinsamkeit Europas begründet und seine Grenzendefiniert werden. Tragfähig sind vor allem zwei: ers-tens der Verweis auf die gemeinsame Kultur. Religi-on, Geschichte, Sitte, Recht, politische Kultur undübereinstimmende Werte sind verbindende Elemen-te. Dabei dürfen natürlich die zahlreichen und tief grei-fenden kulturellen Unterschiede innerhalb Europasnicht übersehen werden. Zweitens erweist sich das

D 21 Ein Plädoyer für dieBalkanstaaten

Der Brite Chris Patten ist Mitglied der EuropäischenKommission und dort für Außenbeziehungen der EUzuständig:

Ebenso wie es moralisch, politisch und ... wirtschaft-lich richtig war, die Länder des ehemaligen Ostblocksin die EU aufzunehmen, so ist es richtig, die Länderdes westlichen Balkan beitreten zu lassen, wenn die-se bereit sind. Bis dahin wird ein Teil des europäischenPuzzle fehlen. Dass dies geografisch zutrifft, bestätigtallein ein Blick auf die Landkarte Europas. Doch esgeht auch um die Frage der Stabilität unseres Konti-nents ... So wie die Aussicht auf EU-Mitgliedschaftnach dem Zusammenbruch der Sowjetunion half, inMittel- und Osteuropa die Stabilität zu wahren, so istsie auch jetzt zum entscheidenden Faktor in den im-mer noch labilen Balkanländern geworden ...

Würden wir versuchen, Völker auszuschließen, dieauf Grund ihrer Geschichte europäisch sind, liefen wirnicht nur Gefahr, einen neuen Eisernen Vorhang zuerrichten, sondern würden auch den Druck durch il-legale Einwanderung, organisierte Kriminalität und il-legalen Handel jeder Art auf uns erheblich erhöhen ...

Die EU-Mitgliedstaaten haben wiederholt die Aus-sichten der Balkanländer auf einen EU-Beitritt be-kräftigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die westli-chen Balkanländer ohne Anstrengungen in die EUgleiten ... Der Weg nach Europa lässt sich nicht mitguten Absichten bewerkstelligen, sondern mit Refor-men, die greifbare Ergebnisse zeitigen, mit schmerz-haften Anstrengungen zur Angleichung der Rechts-vorschriften, mit der Liberalisierung der Wirtschaft, derqualitativen Verbesserung der Regierungsführungund der Verinnerlichung der demokratischen Werte,der Menschenrechte und der Achtung der Rechts-staatlichkeit ...Vor den westlichen Balkanländern liegtnoch ein recht langes Stück Weg.

Frankfurter Rundschau, 20. Juni 2003 (Chris Patten).

D 19 Vor den Toren der EU

D 20 Schlagzeilen

Status: Staaten:Beitrittskandidaten(Verhandlungen bereits aufgenommen):

Bulgarien und Rumänien

Beitrittskandidat(Verhandlungen noch nichtaufgenommen):

Türkei

Beitrittsaspiranten(Beitritt in Aussicht gestellt):

Albanien, Bosnien-Herzego-wina, Kroatien, Mazedonien,Serbien und Montenegro

Beitrittsinteressenten:Ukraine, Moldawien, Weiß-russland

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Stößt die EU an ihre Grenzen? 65

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D 23 Beitrittsperspektiven

... Die jetzige Erweiterungsrunde (mit Rumänien undBulgarien) läuft planmäßig und wird vermutlich imJahr 2007 abgeschlossen sein ... Mittelfristig ... habendie Balkanländer eine Beitrittsperspektive. Aber siesind – vielleicht mit der Ausnahme von Kroatien – soweit davon entfernt, auch nur die Mindestvorausset-zung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zuerfüllen, dass noch nicht einmal eine Spekulation übereinen Zeitrahmen möglich ist ...

Es gibt Nachbarn, für die eine Beitrittsperspektive der-zeit nicht besteht, die aber gerne in die EU möchten.Es gibt aber auch Nachbarn, die überhaupt nicht bei-treten wollen. Allen diesen Nachbarn bieten wir einefür sie maßgeschneiderte Politik an ... Die Vision, dieich dabei habe, ist die, dass wir um den Kern des in-tegrierten Europa herum einen Ring von uns freund-schaftlich verbundenen Staaten haben, die auf bestimmten Feldern sogar am Prozess der europäi-schen Integration teilnehmen. Ich könnte mir im End-stadium eine große, politisch angereicherte Frei-handelszone vorstellen, die alle diese Länder einbe-zieht.

Aus einem Interview mit dem EU-ErweiterungskommissarGünter Verheugen in: Stuttgarter Zeitung, 10. Januar 2004(Karl-Ludwig Günsche).

D 24 Der EU-Gipfel 2003in Thessaloniki

Aus der Erklärung des europäischen Gipfeltreffensvom 21. Juni 2003 im griechischen Thessaloniki:

Wir, die Staats- und Regierungschefs der Mitglied-staaten der Europäischen Union, der Beitritts- undKandidatenstaaten, Albaniens, Bosnien-Herzego-winas, Kroatiens, der früheren Jugoslawischen Re-publik Mazedonien, Serbiens und Montenegros alspotenziellen Kandidaten ... verständigten uns heuteauf Folgendes:

1. Wir alle teilen die Werte der Demokratie, Rechts-staatlichkeit, die Achtung der Menschen- und Min-derheitenrechte, Solidarität und eine Marktwirt-schaft im vollen Bewusstsein, dass sie dieGrundfesten der Europäischen Union bilden. DieAchtung des Völkerrechts, die Unverletzlichkeit in-ternationaler Grenzen, die friedliche Beilegungvon Konflikten und die regionale Zusammenarbeitsind Grundsätze von höchster Bedeutung, denenwir verpflichtet sind. Nachdrücklich verurteilen wirExtremismus, Terrorismus und Gewalt ...

2. Die EU bekräftigt ihre einhellige Unterstützung dereuropäischen Perspektive für die Länder deswestlichen Balkans. Die Zukunft des Balkans liegtinnerhalb der Europäischen Union.

Internationale Politik 2003/8 (W. Bertelsmann Verlag), S. 102.

Argument des verbindenden Kommunikationszusam-menhangs als tragfähig, also der Verweis auf denAustausch zwischen Herrschenden, Wissenschaft-lern, Künstlern und Gebildeten, aber auch auf dasWandern der Handwerksgesellen, den Verkehr zwi-schen den Kaufleuten und den öffentlichen Austauschder politischen Argumente ...

Mit beiden Argumenten kommt man weit, wenn manden inneren Zusammenhang Europas begründen will.Aber zu einer scharfen Grenzziehung im Osten Eu-ropas führen sie nicht ... Letztlich werden die Gren-zen ein Produkt politischer Entscheidung sein, aller-dings unter Beachtung der gegebenen Verhältnisseund orientiert an ausgewiesenen Kriterien.

Das Erste ist der Bezug auf die Werte der Union. Nurwer sie teilt, kann zu Europa im Sinne der Europäi-schen Union gehören ... Das Kriterium »Wertebezug«reicht (jedoch) ... nicht aus, um Grenzziehungen zubegründen. Deshalb muss ein zweites Kriteriumberücksichtigt werden: das der »demokratischenHandlungsfähigkeit«. Damit ein politisches Gebildehandlungsfähig und zugleich demokratisch ist,braucht es einen gemeinsamen Fundus von innererKommunikation und relevanten Gemeinsamkeiten. Esdarf nicht zu heterogen und muss in sich ausbalan-ciert sein ... Würde man das beim Auf- und AusbauEuropas nicht beachten, würde man sich überneh-men. Man schüfe ein Gebilde, das bald wieder zerfal-len müsste ...

Die Hürden für jede spätere Erweiterung sollten sehrhoch gelegt werden. Grenzveränderungen in späte-ren Jahren und Jahrzehnten sollten an ein sehr ho-hes Quorum und an die Zustimmung der europäi-schen Bevölkerung in einem Referendum gebundenwerden, verknüpft mit dem Recht unterliegender Mit-gliedstaten auszutreten. Fest steht: Jetzt und in ab-sehbarer Zeit würde sich Europa übernehmen, wennes Länder wie die Türkei und Russland einbezöge.Das muss rasch und eindeutig gesagt wer-den ...

Die Entwicklung besonderer Beziehungen zu Nach-barn, die dadurch der Union assoziiert werden, kanndie Ablehnung ihrer vollen Mitgliedschaft in ihren psy-chologischen Wirkungen entschärfen und den Druckvon den Nachbarn nehmen, unbedingt beitreten zuwollen ...

Dass die Integration Europas, je nach unterschiedli-cher Fähigkeit und Neigung der einzelnen Mitglieder,eine Integration mit unterschiedlichen Geschwindig-keiten werden muss und nicht homogen im Gleich-schritt erfolgen kann, ist klar. Je weiter sich die Unionausdehnt, desto heterogener wird sie im Innern. Des-halb muss einzelnen Gruppen von Mitgliedstaaten dieMöglichkeit geboten werden, in bestimmten Poli-tikbereichen, beispielsweise der Sozialpolitik, unter-einander enger zu kooperieren als mit den anderenMitgliedstaaten. Entsprechende Instrumente kennendie EU-Verträge schon heute, doch ihre Anwendungmuss erleichtert und ihr Spektrum vergrößert werden.

Jürgen Kocka; in: Die ZEIT, 28. November 2002.

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66 Stößt die EU an ihre Grenzen? / Die EU und die Türkei

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D 27 Die Türkei und Europa

1948 Die Türkei gehört zu den Gründern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OEEC).

1949 Beitritt zum Europarat sowie in der Folge Beitritt zu allen anderen (west-)europäischen Zusammenschlüssen jener Jah-re (z.B. Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte, Grundfreiheiten und Europäische Zahlungsunion).

1952 Bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung stimmt das türkische Parlament dem NATO-Beitritt zu.

1959 Die Türkei stellt einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

1963Im September 1963 wird in Ankara ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)geschlossen. Darin war die Aussicht auf eine Vollmitgliedschaft unter bestimmten Bedingungen ausdrücklich eingeräumt.Die Türkei sei ein Teil Europas, heißt es, beim Abschluss dieses Abkommens.

1970 Unterzeichnung eines Protokolls über den Beitritt der Türkei in drei Phasen.

1980er Weitere Bemühungen der Türkei um die Fortentwicklung des Assoziierungsverhältnisses scheitern (nicht zuletzt am wie-derholten Veto Griechenlands).

1987 Die Türkei reicht offiziell ihren Antrag auf EG-Vollmitgliedschaft ein.

1989

Die Europäische Kommission veröffentlicht ihre Reaktion auf den Antrag. Die »grundsätzliche Beitrittsfähigkeit« der Tür-kei stellt sie nicht in Frage. Ansonsten aber lässt sie keinen Zweifel daran, dass die Türkei weder politisch noch wirt-schaftlich für eine Mitgliedschaft in der EG reif sei. Die Europäische Kommission lehnt den Beitrittsantrag ab. Auf derGrundlage des Assoziierungsabkommens werden die Beziehungen zwischen der Türkei und der Union intensiviert.

1995Im März 1995 beschließt der Assoziationsrat EU – Türkei die Errichtung einer Zollunion zum 1. Januar 1996. Im Dezember1995 ratifiziert das Europäische Parlament trotz großer Bedenken diese Entscheidung. Das Parlament fordert, die Tür-kei müsse bei der Vertiefung der Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte Fortschritte machen.

1999 Der Europäische Rat in Helsinki erkennt den Kandidatenstatus der Türkei an.

2000 Bei der EU-Gipfelkonferenz in Nizza wird ein Vertrag über die »Beitrittspartnerschaft« der Türkei unterzeichnet. Er for-muliert Vorbedingungen für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen.

2002Das türkische Parlament verabschiedet das »EU-Integrationsgesetz«. 14 Gesetzesänderungen sollen zur Umsetzungder »Kopenhagen-Kriterien« führen. Wenige Monate später beschließt die EU-Gipfelkonferenz: Die Entscheidung überden Beginn der Beitrittsgespräche mit der Türkei wird auf Dezember 2004 verschoben.

2004 Falls die EU-Kommission im Dezember 2004 eine positive Empfehlung ausspricht, können frühestens 2005 Aufnahme-verhandlungen mit der Türkei beginnen.

Stand: Januar 2004.

Nach: Udo Steinbach:Türkei, in: Werner Weidenfeld (Hrsg): Europa-Handbuch. Gütersloh (Bertelsmann Stiftung) 2002, S. 307–313.

D 26

Zeichnung: Mohr

D 25 Offene Terminfragen

Obwohl die Europäische Union seit 1999 kontinuier-lich ihre Absicht erklärt hat, die gesamte Region desBalkan zu integrieren, ist es offensichtlich, dass eini-ge Mitgliedstaaten es vorziehen würden, den Erwei-terungsprozess nach der aktuellen Beitrittsrunde zuverlangsamen, damit die Union genügend Zeit erhält,ihre Politiken und Strukturen der großen Mitglieder-zahl anzupassen. Auf der anderen Seite haben Län-der wie Italien und Griechenland, die ausgeprägte In-teressen in der Balkanregion haben, vor einer»Erweiterungsmüdigkeit« gewarnt, da die Balkan-staaten eine Verlangsamung des Tempos als Erste zuspüren bekämen.

Ettore Greco: Prioritäten der italienischen EU-Präsidentschaft,in: integration 2003/3, S. 197

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Die EU und die Türkei 67

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D 29 Strukturdaten der Türkei

D 28 Karikaturen

Strukturdaten der Türkei (Stand 2001)

Türkei EU-15

Bevölkerung in Mio. 65,3 378,8

Einwohner pro km2 85 118

Landesfläche in km2 814.578 3.191.120

BIP (je Einwohner, zu jewei-ligen Preisen in Kaufkraft-standards)

5.200 23.200

Inflationsrate (in %) 57,6 2,3

Arbeitslosenquote (in %) 8,5 7,4

Haushaltsdefizit (in %) - 28,7 - 0,8

Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfungin %

12,1 2,1

Exportanteil in die EU (in %) 51,6 –

Zahl der PKW auf 1.000 Einwohner

67 469

Zahl der PC auf 100 Ein-wohner

4,1 31,0

Quelle: eurostat

Zeichnungen: Mester

Karte: Munzinger-Archiv GmbH

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68 Die EU und die Türkei

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D 31 Mondsichel am Horizont –die Türkei und die EU

Aus einer Rede des Vorsitzenden der EuropäischenUnions-Kommission des Türkischen Parlaments undehemaligen Außenministers der Türkei, Yasar Yakis,am 20. November 2003 in Stuttgart:

Verdient die Türkei ein festes Datum für den Beginnder Beitrittsverhandlungen? Ich glaube ja. Denn dieTürkei befindet sich auf einem viel fortgeschrittene-ren Stand als die übrigen Beitrittsländer zu der Zeit,als ihre Beitrittsverhandlungen begannen. Viele Bei-trittsländer erfüllten die Kopenhagener Kriterien erstvollständig, nachdem die Beitrittsverhandlungenschon begonnen hatten. Doch wenn es um die Türkeigeht, soll sie diese im Voraus erfüllen. Dieser unfairenBehandlung zum Trotz hat die Türkei einen langenWeg bei der Beseitigung der noch bestehenden Dis-krepanzen zu den Kopenhagener Kriterien zurückge-legt ... wie die Abschaffung der Todesstrafe ..., dieFreiheit des Denkens, des Ausdrucks und der Ver-sammlung wurde erweitert ..., das Verbot politischerParteien wurde auf Ausnahmefälle beschränkt ..., derBau von Gebetsstätten einschließlich Kirchen wurdemöglich gemacht ...

Die Erfüllung der wirtschaftlichen Kopenhagener Kri-terien stellt keine Voraussetzung für die Eröffnung vonBeitrittsverhandlungen dar. Die Zollunion-Überein-kunft mit der EU hat die Wirtschaft der Türkei stärkerin den Wettbewerb gebracht und sie mehr mit der EU-Wirtschaft verflochten, als dies bei den Wirtschaftender neuen Mitgliedstaaten der Fall ist. Dennoch trei-ben wir unsere Bestrebungen, unsere Wirtschaft nochmehr den Normen und Standards der EU anzupas-sen, weiter voran ...

Ich komme jetzt zu den möglichen Vorteilen, die dieTürkei der EU bringen kann, wenn sie ein vollwerti-ges Mitglied wird:

D 30 Die Türkei ist kein Teil des»Projekts Europa«

Mit der Türkei würde ein Land Mitglied der EU wer-den, das geografisch überwiegend nicht zu Europagehört. Die politische Kultur der Türkei unterscheidetsich noch immer sehr von der des Westens. Der Mo-dernisierungsprozess, dem sich die Türkei seit derPräsidentschaft Kemal Atatürks (1923–1938) unter-zogen hat, lief auf eine mit autoritären Mitteln durch-gesetzte Teilverwestlichung hinaus.

Zwar ist die Türkei seitdem der einzige durch freieWahlen legitimierte, rein weltliche Nationalstaat im is-lamischen Nahen Osten, aber bis heute beruht dieseErrungenschaft auf einem hohen Maß an Zwang. DasMilitär übt im politischen Entscheidungsprozess eineVetomacht aus, die mit westlichen Vorstellungen vonDemokratie unvereinbar ist … Trotz aller Reformendes Rechtssystems, zu denen sich die Türkei …, zu-mindest auf dem Papier, bereit gefunden hat, ist sienoch immer keine Demokratie westlicher Prägungund weit davon entfernt, eine entwickelte Zivilgesell-schaft zu sein.

In allen Staaten, die der EU bis 2004 beitreten wer-den, gibt es, wenn auch in unterschiedlichem Maß,historische Voraussetzungen für ein europäisches»Wir-Gefühl«. Der Ausbau der Grundlagen von De-mokratie und Zivilgesellschaft bedarf in manchen die-ser Staaten noch großer Anstrengungen; die Gültig-keit der westlichen Werte aber stellt keiner von ihnenin Frage … Von einer Verinnerlichung westlicher Wer-te durch die türkischen Eliten oder gar durch die tür-kische Gesellschaft im Ganzen wird man aber nichtsprechen können. Zu den westlichen Werten gehörendie Religions- und Meinungsfreiheit. Der Religions-freiheit steht in der Türkei noch immer ein antipluralis-tischer und repressiver, mit Zwangsmitteln aufrecht-erhaltener Staatslaizismus entgegen. Die politischeMeinungsfreiheit endet spätestens dort, wo nationa-le Tabus verletzt werden. Solche Tabus sind die Dok-trin von der einheitlichen türkischen Nation und Spra-che, die … anhaltende Diskriminierung der über zehnMillionen Kurden und die offizielle Leugnung des Völ-kermords an den Armeniern im Ersten Weltkrieg.

Wirtschaftlich und sozial gesehen ist die Türkei in ei-ner schwächeren Position als alle anderen Beitritts-kandidaten. Sie erreicht gerade einmal 22% desdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der Eu-ropäischen Union und bleibt damit noch weit hinterdem ärmsten der zehn Staaten zurück, die 2004 indie EU aufgenommen werden …

Die Frage eines türkischen Beitritts zur EU berührt dieIdentität dieser Gemeinschaft wie kein anderer Auf-nahmeantrag. Die Probleme der unterschiedlichen po-litischen Kulturen und des sozialökonomischen Ge-fälles sind eng verknüpft mit einem weiteren Problem:der Gefahr … der räumlichen Überdehnung auf Kos-ten des inneren Zusammenhalts … Eine EU, die an

Syrien, Irak und Iran grenzt, hätte als Freihandelszo-ne noch eine Zukunft, aber nicht als politische Union… Wer die europäische Einigung vertiefen will, darfkeine Erweiterung ohne Rücksicht auf die Geschich-te und die Zukunft Europas betreiben. Eine solche Er-weiterung wäre eine Ausdehnung ohne Maß und Ziel.Eine maßlos erweiterte EU könnte an kein europäi-sches »Wir-Gefühl« mehr appellieren. Ein Europa,das kein Bewusstsein seiner Identität hat, würde eineRenaissance der Nationalismen erleben … Das Pro-blem des türkischen Beitritts ist die Nagelprobe für dieZukunft des Projekts Europa …

Aus: Heinrich August Winkler: Grenzen der Erweiterung. DieTürkei ist kein Teil des »Projekts Europa«, in: InternationalePolitik (W. Bertelsmann Verlag) 2003/2, S. 59–66.

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Die EU und die Türkei 69

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Die türkische Regierung glaubt, dass eine Mitglied-schaft der Türkei in der EU Symbol des harmonischenZusammenlebens verschiedener Kulturen sein wirdund die geistige Struktur der EU bereichern wird. Alsregionaler Schlüsselakteur und Verbündeter, der geo-grafisch in unmittelbarer Nähe zu den bestehendenoder möglichen brenzligen Stellen auf der europäi-schen und internationalen Tagesordnung angesiedeltist, kann die Türkei helfen, die Stabilität zu erhöhenund den Wohlstand auf dem Balkan, im Kaukasus, inZentralasien und im Mittleren Osten zu fördern. Sieträgt zur fortwährenden Annäherung von Europa undAsien bei und hilft folglich, moderne Werte in ganz Eu-rasien auszuweiten. Ist die Türkei erst Mitglied der EU,wird sie in der Lage sein, viel mehr zur allgemeinenAußen- und Sicherheitspolitik beizutragen ...

Ein modernes, säkulares und wohlhabendes Landwie die Türkei mit überwiegend muslimischer Bevöl-kerung wäre eine Bereicherung für die EU, und dieAufnahme in die EU wäre eine Bestätigung für dieUniversalität der europäischen Kultur ...

Momentan leben über 10 Millionen Muslime in denEU-Ländern. Die Mitgliedschaft eines säkularen Lan-des wie der Türkei mit überwiegend muslimischer Be-völkerung in der EU kann zu einem besseren Ver-ständnis der Säkularität bei der muslimischenBevölkerung in den EU-Ländern beitragen. Umge-kehrt kann dies auch dazu beitragen, den islamischenExtremismus in den EU-Ländern an den Rand zudrängen.

Unternehmer türkischer Herkunft haben bereits mehrals 80.000 Unternehmen in den verschiedenen EU-Ländern aufgebaut, die meisten davon befinden sichin Deutschland. Sie haben hundertausende Arbeits-plätze in diesen Ländern geschaffen ...

Die Türkei wird sich zu einem jungen, dynamischenund sich rasch entwickelnden großen Markt innerhalbder EU wandeln ...

Das Land Baden-Württemberg nimmt einen wichtigenPlatz in den türkisch-deutschen Beziehungen ein.Über 400.000 Türken leben in diesem Bundesland.9.000 von ihnen besitzen ihr eigenes Geschäft ...Rund 3.000 Türken beantragten im Jahr 2001 ihr ei-genes Gewerbe. Drei Prozent der in Baden-Würt-temberg im Jahr 2001 gegründeten Betriebe gehörenTürken.

... Baden-Württemberg nimmt eine wichtige Stellungim Handel mit der Türkei ein. Der Export in die Türkeiim Jahr 2002 betrug 1,1 Milliarden, der Import liegtebenfalls bei 1,1 Milliarden Euro. Der Anteil Baden-Württembergs am Gesamtimport aus der Türkei ent-spricht 15,6 Prozent, sein Anteil am Gesamtexportentspricht 16,6 Prozent ... Baden-Württemberg istgleichzeitig das Bundesland, aus dem die höchste An-zahl von Touristen in die Türkei kommt. Im Jahr 2002betrug die Zahl der Touristen aus Baden-Württemberg450.000.

Man kann sagen, dass die 2,5 Millionen türkischenBürger, die in Deutschland wohnen, und die etwa 4 Millionen türkischen Bürger, die in den europäischenLändern leben, als Bürger der EU betrachtet werdenkönnen.

D 32 Stößt die EU an ihre Grenzen?

Klaus Hänsch (Mitglied des Europäischen Parla-ments):

»(Die) Grenzen ergeben sich nicht daraus, wie vieleStaaten hinein wollen, sondern wie viele die Europäi-sche Union verkraften kann. Die EU wird geografisch,kulturell, wirtschaftlich und politisch immer wenigersein als das ganze Europa – oder sie wird weder eu-ropäisch noch eine Union sein.« Frankfurter Rundschau, 23. Februar 2000

Romano Prodi (Präsident der EU-Kommission):

»Die Union lässt sich nicht unbegrenzt ausdehnen.Und sie ist ... auch keine Freihandelszone, der jedesLand beitreten könnte. Sie ist ein homogener Raumvon Nationen und Völkern, die unter Achtung ihrer kul-turellen und geschichtlichen Vielfalt eine Gesamtheitvon Werten und Grundsätzen teilen ... Nach Festle-gung der EU-Außengrenzen müssen wir in einem Kli-ma gegenseitigen Vertrauens und enger Zusammen-arbeit einen »Ring befreundeter Länder« schaffen. Mitden dazu gehörigen Ländern ... müssen wir alles tei-len können – mit Ausnahme der Einbindung in die EU-Institutionen.«Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Dezember 2002

Peter Glotz (früherer SPD-Politiker, heute Gastpro-fessor an der Universität St. Gallen):»Eine EU 28 wird mehr ... dem Europarat oder denVereinigten Nationen ähneln als einem föderalen Eu-ropa, wie es sich die Gründerväter nach dem Zwei-ten Weltkrieg vorgestellt haben. Die Gefahr, dass dieEuropäische Union ... durch Überdehnung ihrerRaumvorstellungen sich selbst zerstört, ist groß.« Die ZEIT, 16. November 2000

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Meine Meinung zur Erweiterung

stimmt stimmt nicht unentschieden

Über die Erweiterung der EU sollten die Deutschen in einer Volks-abstimmung entscheiden dürfen

Mich interessiert an der Erweiterung vor allem, dass ich nun auchnach Osteuropa ohne Pass und Zollformalitäten reisen und dort viel-leicht auch bald mit dem Euro bezahlen kann

Die Erweiterung kostet einfach zu viel Geld; deshalb sollte man lie-ber darauf verzichten

Die Erweiterung sichert den Frieden und die politische Stabilität inEuropa

Damit die neuen Mitgliedstaaten rasch zum EU-Durchschnitt auf-holen können, sollten mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden

Die Erweiterung wird zu einer Aufweichung und »Verwässerung«der europäischen Integration führen

Auf längere Sicht sollte man auch den Beitrittskandidaten Türkei indie EU aufnehmen

Die Erweiterung bedeutet eine kulturelle Bereicherung für Europa

Der Beitritt von mittel- und osteuropäischen Staaten in die EU er-höht das Gewicht Europas in der internationalen Politik

Die Erweiterung der EU hat für mich persönlich keine Auswirkun-gen und interessiert mich deshalb nicht

© Globus Infografik GmbH

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1. Links zur Europawahl

www.europa.wahl-baden-wuerttemberg.deDas Wahlportal der Landeszentrale für politi-sche Bildung Baden-Württemberg.

www.statistik-bw.de/WahlenReichhaltige Informationen des StatistischenLandesamts Baden-Württemberg mit Landes-und Regionaldaten.

www.europa-eine-gute-wahl.deDas Europäische Informationszentrum Nieder-sachsen mit vielseitigen Informationen zu denWahlen und dem Europäischen Parlament. DieAufgaben und Rechte des Parlaments werdeninnerhalb eines virtuellen Rundgangs darge-stellt und durch ein Glossar ergänzt.

www.europa-digital.de/aktuell/dossier/wahl04Fragen zur Europawahl mit Antworten der Lan-deszentrale für politische Bildung NRW in Zu-sammenarbeit mit europa-digital (s.a. www.eu-ropa-digital.de/aktuell/dossier/wahlkampf04).

www.parties-and-elections.de/indexd.htmlDie Ergebnisse der Parlamentswahlen in deneuropäischen Staaten seit 1945.

www.europarl.eu.int/workingpapers/poli/w13/country_de.htmEine Übersicht über die Wahlgesetze der EU-Mitgliedsstaaten.

2. Links zur EU-Erweiterung

2.1. Hintergrundinformationen zum Erweite-rungsprozess

www.bpb.de/themen/AEEN2Y,0,0,Die_EUOsterweiterung.htmlDas Angebot der Bundeszentrale für politischeBildung zum Thema EU-Erweiterung.

www.auswaertiges-amt.de/www/de/eu_politik/vertiefung/erweiterung_htmlInformationen des Auswärtigen Amts mit in-teressanten Links zu Dokumenten der Erweite-rung.

www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/download/pdf/publikationen/eu-erweiterung.pdfEine Publikation des Auswärtigen Amtes zu Be-deutung, Kosten und Ursachen der Erweite-rung.

www.europa.eu.int/comm/enlargement/index_de.htmlDie Europäische Kommission zur Erweiterungmit vielseitigen Informationen zum Erweite-

rungsprozess und mit Hintergrundinformatio-nen zu den einzelnen Staaten.

www.europarl.eu.int/presentation/15plus/default_de.htmDas Europäische Parlament und die Erweite-rung der Europäischen Union. Informationenzur Geschichte der Erweiterung.

www.eiz-niedersachsen.de/frames-ewb.htmlInteressante Website des Europäischen Infor-mationszentrums (EIZ) Niedersachsen.

www.europa.eu.int/pol/enlarg/index_de.htmInformationen der EU mit Links zu ihren aktu-ellen Berichten zur Erweiterung.

www.europa.eu.int/pol/enlarg/overview_de.htmAnimationen zum Thema EU-Erweiterung.

www.europa.eu.int/comm/enlargement/communication/ppt/erweiterung.pptEine Powerpoint-Präsentation der EU zur Er-weiterung mit vielseitigen Informationen undSchaubildern zum Erweiterungsprozess.

www.zdf.de/ZDFde/mediathek/0,1903,FL-2038203,00.htmlWas halten die Bürger Europas von dem Bei-tritt? Eine Animation des ZDF, aufbauend aufeiner Umfrage der Europäischen Kommissionim Rahmen des Eurobarometers unter ande-rem zur Erweiterung und zur europäischenIdentität.

www.zukunft-europa.org/flash/flashabspiel.htmChancen und Auswirkungen der Osterweite-rung: eine sehr informative Flash-Animationdes Presse- und Informationszentrums derBundsregierung.

2.2. Daten und Hintergrundinformationen zuden neuen Mitgliedstaaten

www3.mdr.de/scripts/eu-erweiterung/output/frameset_main.htmlVielseitige Hintergrundinformationen des MDRzu den Beitrittsstaaten mit integriertem EU-Le-xikon.

www.zdf.de/ZDFde/mediathek/0,1903,FL-2038203,00.htmlVielseitige Informationen des ZDF zu den ein-zelnen Ländern.

www.europa-waechst-zusammen.de/index.php?noflash=falseDas Wirtschaftsministerium Baden-Württem-berg mit Informationen zur Geschichte, Ge-genwart und Zukunft der EU.

www.europa-digital.de/laenderDie Länder Europas im Profil: Informationenzur nationalen Politik der alten und neuen Mit-gliedsstaaten.

www.datenbank-europa.de/index.htmEin beispielhaftes Schulprojekt aus Erlangen:Datenbank Europa – Hintergrundinformatio-nen, Zahlen und Fakten zu Politik, Geschichteund Kultur der Staaten Europas.

2.3 Die Erweiterung der EU im Unterricht

www.elearning-politik.de/europa/didaktik/Wie kann das Thema Europa und die Erweite-rung der EU im Unterricht ansprechend umge-setzt werden? Auf dieser Seite der Landeszen-trale für politische Bildung finden Sie zahlreicheVorschläge für die Unterrichtsgestaltung: ne-ben Webquests oder Rollenspielen werden in-teressante Möglichkeiten vorgestellt, die mitdem PC bzw. im Internet oder aber auch ohnePC im Unterricht umgesetzt werden können.

2.4 Links zum EU-Beitritt der Türkei

www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=176Informationen des Auswärtigen Amts zum EU-Beitritt der Türkei.

www.europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/e40111.htmInformationen der EU zum Beitritt der Türkei.U.a. werden hier die für die Türkei festgelegtenPrioritäten aufgeteilt in einzelne Bereiche aus-führlich dargestellt.

www.europa.eu.int/comm/enlargement/report_2003/pdf/rr_tk_final_de.pdfRegelmäßiger Bericht über die Fortschritte derTürkei auf dem Weg zum Beitritt.

www.mfa.gov.tr/grupa/ad/adc/default.htmEnglischsprachige Internetseite der türkischenRegierung zum EU-Beitritt.

www.tuerkischebotschaft.de/de/eu/index.htmInformationen der türkischen Botschaft in Ber-lin, u.a. zur Geschichte der Beziehungen derTürkei zur EU.

www.eab-berlin.de/berichte/tuerkei0602/berichtfaruk_sen140602.PDFTürkei-EU-Beziehungen aus der Sicht der »Eu-ropa-Türken«: Ein Bericht des Direktors desZentrums für Türkeistudien in Essen.

www.europa-digital.de/aktuell/dossier/tuerkei/index.shtmlDossier mit verschiedenen Berichten zum The-ma EU-Beitritt der Türkei von europa-digital.

www.zft-online.de/de/aktuelles/pressemitteilungen/detail.php?ds=7c0d367f7ee6871d51aa6ce398504f51Positive Einstellung der Deutschen zum EU-Beitritt der Türkei. Das Ergebnis einer Umfra-ge des Zentrums für Türkeistudien vom De-zember 2003.

Internetseiten zum ThemaZusammengestellt von Susanne Meir (Stuttgart)

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Landeszentralefür politische BildungBaden-Württemberg

Die Publikationen sind, soweit nichtanders vermerkt, kostenlos. Sendungenab 1 kg Gewicht werden unfrei ver-schickt.

D IDAKT ISCHE RE IHEMethodentraining für denPolitikunterricht, herausgegebenvon Siegfried Frech, Hans Werner Kuhn,Peter Massing, 240 Seiten, DIN A4,5,- EUR zzgl. Versandkosten.

RE IHE BAUSTE INEDurch Faszination zur Macht –die Faszination der Macht.Zum Verhältnis von Macht und Manipu-lation. Handreichungen für den Unter-richt, herausgegeben von der LpB unddem Erzieherausschuss der Gesellschaftfür christlich-jüdische Zusammenarbeit.Loseblattwerk, 47 Seiten, DIN A4.

RE IHE „SCHRIFTEN ZURPOL IT ISCHEN LANDESKUNDE“• Band 30: Martin Blümcke (Hrsg):Alltagskultur in Baden-Württem-berg, Stuttgart 2004, 230 Seiten,5,- EUR zzgl. Versandkosten.• Band 31: Michael Eilfort (Hrsg.):Parteien in Baden-Württemberg,Stuttgart 2004, 270 Seiten,5,- EUR zzgl. Versandkosten.

… bei der Landeszentrale für politische Bildung

Baden-Württemberg

ZEITSCHRIFTDEUTSCHLAND & EUROPAReihe für Politik, Geschichte, Deutsch,Geographie, Kunst, Heft 48/2004Rhône-Alpes: PartnerregionBaden-Württembergs, 64 Seitenmit Abbildungen und Beiträgen.

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Gasteyger, Curt: Europa von der Spaltung zur Einigung, Bonn(Bundeszentrale für politische Bildung) 2001.

Gehring, Thomas: Die Europäische Union als komplexe inter-nationale Organisation, Baden-Baden (Nomos) 2002.

Herz, Dietmar: Die Europäische Union, München (Beck)2002.

Holtmann, Dieter/Riemer, Peter (Hrsg.): Europa: Einheit undVielfalt, Münster (Lit) 2001.

Jachtenfuchs, Markus/Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Europäi-sche Integration, Opladen (Leske + Budrich) 1996.

Laufer, Thomas (Hrsg.): Vertrag von Nizza, Bonn (EuropaUnion) 2002.

Loth, Wilfried (Hrsg.): Das europäische Projekt zu Beginn des21. Jahrhunderts, Opladen (Leske + Budrich) 2001.

Mickel, Wolfgang W. (Hrsg.): Handlexikon der EuropäischenUnion, 3. Aufl., Grevenbroich (OMNIA) 2004.

Pfetsch, Frank R.: Die Europäische Union. Geschichte, Insti-tutionen, Prozesse, 2. Aufl., München (Fink) 2001.

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Schmitz, Thomas: Integration in der supranationalen Union,Baden-Baden (Nomos) 2001.

Schümer, Dirk: Das Gesicht Europas, Hamburg (Hoffmannund Campe) 2000.

Tömmel, Ingeborg u.a. (Hrsg.): Die EU – eine politische Ge-meinschaft im Werden, Opladen (Leske + Budrich) 2002.

Vitzthum, Wolfgang Graf (Hrsg.): Europäischer Föderalismus:supranationaler, subnationaler und multiethischer Fö-deralismus in Europa, Berlin (Duncker & Humblot) 2000.

Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Europa-Handbuch, 2. Aufl., Gü-tersloh (Bertelsmann Stiftung) 2002.

Woyke, Wichard/Weindl, Josef: Europäische Union. Institutio-nelles System, Binnenmarkt sowie Wirtschafts- undWährungsunion auf der Grundlage des Maastrichter Ver-trages, 4. Aufl., München/Wien (Oldenbourg) 1999.

Europawahlen und Europäisches Parlament

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Maurer, Andreas/Wessels, Wolfgang: Das Europäische Parla-ment: Akteur, Arena oder Alibi?, Baden-Baden (Nomos)2001.

Scharpf, Fritz W.: Regieren in Europa. Effektiv und demokra-tisch, Frankfurt/M. (Campus) 1999.

Osterweiterung der Europäischen Union

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Bertelsmann Stiftung/Forschungsgruppe Europa (Hrsg.):Kosten, Nutzen und Chancen der Osterweiterung, Gü-tersloh (Bertelsmann Stiftung) 1998.

Boving, Dagmar: Countdown EU-Erweiterung, Berlin (Deut-scher Industrie- und Handelstag) 2003.

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Hasse, Rolf H. u.a (Hrsg.): Erweiterung und Vertiefung der eu-ropäischen Union, Baden-Baden (Nomos) 2000.

Hörburger, Hortense (Hrsg.): Einbahnstraße EU-Erweiterung,Marburg (Schüren) 2001.

Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): Neue Sterneam Himmel – die Osterweiterung der EuropäischenUnion, Köln 2003.

Langewiesche, Renate/Tóth, András (Hrsg.): Die Einheit Eu-ropas. Zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Di-mension der EU-Erweiterung, Münster (WestfälischesDampfboot) 2002.

Loth, Wilfried (Hrsg.): Vertiefung und Erweiterung der Eu-ropäischen Union, Opladen (Leske + Budrich) 2000.

Niedermayer, Oskar: Die öffentliche Meinung zur zukünftigenGestalt der EU, Bonn (Europa Union) 2003.

Weise, Christian u.a.: Die Finanzierung der Osterweiterungder Europäischen Union, Baden-Baden (Nomos) 2002.

Literatur für Schülerinnen und Schüler:

Brunn, Gerhard: Die europäische Einigung, Stuttgart(Reclam) 2002.

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Europäi-sche Union. Informationen zur politischen Bildung Heft279, Bonn 2003.

Europäische Kommission (Hrsg.): Wer macht was in derEuropäischen Union?, Luxemburg (Amt für amtlicheVeröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaf-ten) 2001.

Europäische Kommission (Hrsg.): Die Europäische Union:ein ständiger Erweiterungsprozess, Luxemburg (Amtfür amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Ge-meinschaften) 2001.

Europäische Kommission (Hrsg.): Europa wird größer, Lu-xemburg (Amt für amtliche Veröffentlichungen der Eu-ropäischen Gemeinschaften) 2002.

Europäisches Parlament/Informationsbüro für Deutsch-land (Hrsg.): Europa 2003. Alles Wissenswerte überdie Europäische Union, Berlin 2003.

Fritzler, Marc/Unser, Günther: Die Europäische Union, 2. Aufl., Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung)2001.

Fröhlich, Constanze/Kathofer, Martine: Europa-Ploetz,Freiburg/Br. (Ploetz) 1999.

Henschel, Thomas R. u.a.: Osterweiterung der Europäi-schen Union, Schwalbach (Wochenschau) 2003.

Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung(Hrsg.): Europa Union 2003, Grevenbroich (OMNIA)2003.

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung(Hrsg.): Europa 2002. Die Europäische Union wirdgrößer, Berlin 2000.

Weidenfeld, Werner/Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Europavon A bis Z, Bonn (Europa Union) 2002.

Zandonella, Bruno: Osterweiterung der EuropäischenUnion. Themenblätter im Unterricht Nr. 15, hrsg. vonder Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002.

Zandonella, Bruno: Wer macht was in Europa? Themen-blätter im Unterricht Nr. 15, hrsg. von der Bundeszen-trale für politische Bildung, Bonn 2003.

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