Ein Dom aus Nudeln - Traglastwettbewerb an der Hochschule Nürnberg...

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V19 - 1 Ein Dom aus Nudeln – Traglastwettbewerb an der Hochschule Nürnberg Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Betz Zusammenfassung: Die Fakultät Bauingenieurwesen der Hochschule Nürnberg veranstaltet jährlich einen Traglastwettbewerb, bei dem Studenten Kuppeln, Brücken oder Masten aus Nudeln bauen. Die Tragwerke werden bis zum Versagen belastet. Idee, Berechnung, Optimierung und Bau der Sieger-Konstruktion des Jahres 2008 werden in diesem Artikel vorgestellt. Summary: Every year a student competition is carried out by the department of civil engineering at the University of Applied Sciences Nürnberg. For this competition the students have to design and construct structures composed of spaghetti. In the course of the contest each construction is loaded until failure occurs. This paper describes the idea, calculation, optimization and erection of the winning-construction of the year 2008. 1 EINFÜHRUNG 1.1 Der Wettbewerb Die Fakultät Bauingenieurwesen der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg veranstaltet seit nunmehr 10 Jahren einen Traglastwettbewerb. Initiator und Obmann der Veranstaltung ist Prof. Dr.-Ing. Niels Oberbeck. Bei diesem Wettbewerb bauen Studenten alleine oder in Gruppenarbeit ein Tragwerksmodell. Das gebaute Tragwerk wird im Zuge des Wettbewerbes bis zum Versagen belastet. Die tragfähigste Konstruktion erhält einen Preis. In den ersten Jahren des Wettbewerbs waren Brücken aus Papier zu entwerfen. Später wurde auf die Nudel als Konstruktionswerkstoff gesetzt. Die zu planenden Modelle wechseln jährlich: eine Brücke, ein Hochspannungsmast oder ein kuppelförmiges Fachwerk. Darüber hinaus wird noch die Art der verwendeten Nudeln variiert: Spaghetti (1,68mm), Spaghettini (1,45mm) oder Maccaroni.

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    Ein Dom aus Nudeln – Traglastwettbewerb an der Hochschule Nürnberg

    Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Betz

    Zusammenfassung:

    Die Fakultät Bauingenieurwesen der Hochschule Nürnberg veranstaltet jährlich einen

    Traglastwettbewerb, bei dem Studenten Kuppeln, Brücken oder Masten aus Nudeln bauen. Die

    Tragwerke werden bis zum Versagen belastet. Idee, Berechnung, Optimierung und Bau der

    Sieger-Konstruktion des Jahres 2008 werden in diesem Artikel vorgestellt.

    Summary:

    Every year a student competition is carried out by the department of civil engineering at the

    University of Applied Sciences Nürnberg. For this competition the students have to design and

    construct structures composed of spaghetti. In the course of the contest each construction is loaded

    until failure occurs. This paper describes the idea, calculation, optimization and erection of the

    winning-construction of the year 2008.

    1 EINFÜHRUNG

    1.1 Der Wettbewerb

    Die Fakultät Bauingenieurwesen der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg veranstaltet seit

    nunmehr 10 Jahren einen Traglastwettbewerb. Initiator und Obmann der Veranstaltung ist

    Prof. Dr.-Ing. Niels Oberbeck. Bei diesem Wettbewerb bauen Studenten alleine oder in

    Gruppenarbeit ein Tragwerksmodell. Das gebaute Tragwerk wird im Zuge des Wettbewerbes bis

    zum Versagen belastet. Die tragfähigste Konstruktion erhält einen Preis.

    In den ersten Jahren des Wettbewerbs waren Brücken aus Papier zu entwerfen. Später wurde auf die

    Nudel als Konstruktionswerkstoff gesetzt. Die zu planenden Modelle wechseln jährlich: eine

    Brücke, ein Hochspannungsmast oder ein kuppelförmiges Fachwerk. Darüber hinaus wird noch die

    Art der verwendeten Nudeln variiert: Spaghetti (∅ 1,68mm), Spaghettini (∅ 1,45mm) oder

    Maccaroni.

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    Alle zwei Jahre findet der Wettbewerb im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften statt. Für

    diesen Termin ist traditionell eine Spaghetti-Brücke zu bauen. Die Stützweite (60-70cm) und die

    lichte Weite (60cm) der Brücke werden vorgegeben.

    1.2 Die gewichtete Traglast

    Zur Ermittlung der Siegerkonstruktion wird eine mit der Masse gewichtete Traglast herangezogen.

    P‘ gewichtete Traglast

    mmax zulässige Masse (1070g)

    mist Ist-Masse der Konstruktion

    P Bruchlast

    Demzufolge geht es bei dem Wettbewerb nicht ausschließlich darum eine hohe Traglast zu

    erreichen, sondern mit möglichst wenig Nudeln eine möglichst hohe Traglast zu erzielen.

    1.3 Versagenslasten vergangener Wettbewerbe

    Die Konstruktionen erreichen dabei trotz des Baustoffs Nudel zum Teil beachtliche Bruchlasten. So

    liegt der Rekord bei den Spaghetti-Brücken bei einer tatsächlichen Traglast von 78,4kg (gewichtete

    Traglast: 191,5kg).

    Jahr Masse

    [g]

    Traglast

    [kg]

    gew. Traglast

    [kg]

    2003 296 42,1 152,1

    2005 425 78,4 191,5

    2007 691 31,1 46,8

    2009 612 45,9 78,0

    Tabelle 1: Versagenslasten der Siegerkonstruktionen vergangener Spaghetti-Brücken-Wettbewerbe

    Im Jahr 2004 wurde es bei den Spaghettini-Kuppeln sehr eng. Es gewann knapp eine Konstruktion,

    deren Bruchlast 30kg unter der maximal erreichten Traglast lag. Bei der in diesem Artikel

    behandelten Konstruktion aus dem Jahr 2008 trat Versagen bei 195,5kg ein.

    Jahr Masse

    [g]

    Traglast

    [kg]

    gew. Traglast

    [kg]

    2004 (1. Platz) 314 52,0 174,1

    2004 (2. Platz) 425 88,1 173,5

    2008 483 195,5 433,5

    Tabelle 2: Versagenslasten der Siegerkonstruktionen vergangener Spaghettini-Kuppel-Wettbewerbe

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    1.4 Das Regelwerk

    Das Lichtraumprofil, mögliche Auflagerflächen, sowie der Punkt der Lasteinleitung des zu

    konstruierenden Tragwerks werden vorgegeben. Es dürfen ausschließlich die ausgeschriebenen

    Nudeln verbaut werden. Als Verbindungsmittel ist der Modellbaukleber UHU hart zugelassen.

    Geklebt werden darf nur in den Knotenpunkten, ein Verkleben von Nudeln zu Stabbündeln ist nicht

    zulässig. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Lasteinleitung wird eine Holzplattform

    ausgegeben, über welche die Einleitung der Last erfolgt. Verbaut werden dürfen 1000g Nudeln und

    70g Kleber.

    1.5 Wettbewerb 2008 – Spaghettini Kuppel

    Im Zuge des Traglastwettbewerbs des Jahres 2008 war ein kuppelförmiges Fachwerk aus

    Spaghettini zu konstruieren. Nachstehend ist das zulässige Lichtraumprofil dargestellt.

    Abbildung 1: Ansicht - zulässiges Lichtraumprofil

    Abbildung 2: Draufsicht (A-A) - zulässiges Lichtraumprofil

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    Das Fachwerk wurde im Zenit durch eine Einzellast beansprucht. Hierzu war eine Lastplattform in

    die Konstruktion zu integrieren. Diese Lastplattform bestand aus einem rundem Stück Sperrholz

    (∅ 50mm; t=8mm) und einem Gewindestab. Über den Gewindestab wurde eine Vorrichtung zur

    Lasteinleitung angeschlossen.

    1.6 Der Nudeldom – die Idee

    Als Teilnehmer am Traglastwettbewerb 2008 war es mein Ziel ein optimiertes und mit SOFiSTiK

    berechnetes Tragwerk zu konstruieren. Bis auf wenige Ausnahmen versagten nahezu alle Modelle

    vergangener Jahre infolge lokaler Schwachstellen. Lokales Versagen impliziert aber, dass das

    Gesamttragwerk bei Verstärken der Problemzonen durchaus in der Lage gewesen wäre größere

    Lasten aufzunehmen. Deshalb war es meine Intention ein gesamtheitliches Versagen

    herbeizuführen.

    2 MATERIALKENNWERTE VON NUDELN

    Zuerst galt es Materialkennwerte von Nudeln zu bestimmen, um eine Versagenslast ermitteln zu

    können. Geprüft werden sollten Festigkeit, E-Modul und Stabilitätsverhalten von Nudeln.

    2.1 Festigkeit

    Zunächst wurde die Zugfestigkeit einer Nudel in Längsrichtung ermittelt. Dazu wurde eine Nudel

    an einem Ende eingespannt und am anderen Ende axial durch eine Einzellast belastet. Es wurde

    eine Zugfestigkeit von 17,7 N/mm² bestimmt.

    Im Labor für Baustofftechnologie der Fakultät Bauingenieurwesen der Georg-Simon-Ohm

    Hochschule Nürnberg wurden in der Vergangenheit ebenfalls Messungen zur Festigkeit von Nudeln

    durchgeführt. Dort wurden Festigkeiten im Bereich von 24-28 N/mm² gemessen. Die ermittelten

    Bruchspannungen waren somit größer als die 17,7 N/mm². Die relativ große Differenz in den

    gemessenen Festigkeiten ist auf den semiprofessionellen Versuchsaufbau im ersteren Fall und die

    damit einhergehenden Störeinflüsse zurückzuführen.

    Da beim Verkleben der Nudeln Intoleranzen nur eingeschränkt zu vermeiden sind, können die unter

    Laborbedingungen ermittelten Festigkeiten nur bedingt übertragen werden. Weiterhin handelt es

    sich bei den geklebten Verbindungsstellen um biegesteife Verbindungen. In der Praxis ist die

    Festigkeit der Knotenpunkte durch den Kleber höher als die Nudelfestigkeit. Ein Versagen in den

    Knotenpunkten ist deshalb eher unwahrscheinlich. Gerechnet wurde der Nudeldom mit biegesteifen

    Knotenpunkte. Entstehende Biegeeinflüsse sind dennoch aufgrund des fachwerkartigen

    Tragverhaltens des Systems vernachlässigbar. Bei der Ermittlung praktisch übertragbarer

    Zugfestigkeiten sollte jedoch der Einfluss steifer Knotenpunkte berücksichtigt werden.

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    Aus diesem Grund wurde ein weiterer Zugversuch durchgeführt – siehe Abbildung 3. Es handelt

    sich um ein eingespanntes System mit biegestarren Knotenpunkten. Die rechnerisch auftretenden

    Querkräfte und Biegemomente können vernachlässigt werden (Querkraft < 1% der Normalkraft).

    Abbildung 3: Zugversuch mit Störeinflüssen

    Versagen tritt in diesem Fall jedoch schon bei einer Normalspannung von 10,6 N/mm² ein.

    Basierend auf den Ergebnissen dieses Versuches wird eine zulässige Zugspannung von 10 N/mm²

    angesetzt. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass die zulässigen Druckspannungen äquivalent den

    ermittelten zulässigen Zugspannungen sind.

    2.2 E-Modul

    Zur Ermittlung des E-Moduls wurde der in Abbildung 4 skizzierte Träger aus Spaghetti gebaut und

    mittig mit einer Einzellast beansprucht. Die sich infolge der Einzellast einstellenden Verformungen

    in Trägermitte wurden gemessen. Aus den gemessenen Verformungen wurde mithilfe der

    theoretischen Verformungen ein E-Modul ermittelt.

    Abbildung 4: Skizze - Träger zur Bestimmung des E-Moduls

    Die Versuchsdurchführung lieferte das in Abbildung 5 dargestellte Last-Verformungs-Diagramm

    für einen Punkt in Trägermitte. Ein Vergleich der Verformungsdifferenzen zwischen zwei

    Messungen mit den theoretisch auftretenden Verformungsdifferenzen führte zu einem Schätzwert

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    für den E-Modul von etwa 2400 N/mm². Der Versuch wurde wiederum mehr oder weniger

    semiprofessionell durchgeführt (siehe Abbildung 6).

    Abbildung 5: Last-Verformungs-Diagramm für Punkt in Trägermitte

    Abbildung 6: Versuchsaufbau zur Bestimmung des E-Moduls

    In den bereits erwähnten Versuchen des Labors für Baustofftechnologie wurde ein E-Modul für

    Nudeln von durchschnittlich 2900 N/mm² ermittelt. Für die Berechnung des Nudeldoms wurde

    willkürlich ein E-Modul von 2800 N/mm² angesetzt. Die präzise Bestimmung des E-Moduls ist in

    diesem Fall aber von untergeordneter Bedeutung, da aufgrund der vorliegenden

    Baustoffhomogenität lediglich die Verformungen, nicht aber die Spannungen, von der Wahl des

    Elastizitätsmoduls beeinflusst werden.

    2.3 Stabilität

    Der Lastabtrag in der Kuppel erfolgt vorrangig über Druckstreben. Druckglieder aus Spaghettini,

    welche einen Durchmesser von lediglich 1,45 mm aufweisen, neigen bereits unter geringen Lasten

    zum Ausknicken. Stabilitätsbetrachtungen sind deshalb von besonderer Relevanz. Ein

    Knickbeiwert β für die Berechnung einer Knicklänge kann allerdings nicht ohne weiteres festgelegt

    werden, da die Knotensteifigkeiten rechnerisch schwer zu erfassen sind.

    Die Formel für die kritische Knicklast lautet (mit l: Länge des Druckgliedes):

    Division mit der Querschnittsfläche liefert die kritische Knickspannung:

    0

    2

    4

    6

    8

    10

    12

    14

    0 0,5 1 1,5 2 2,5

    Verf

    orm

    ung

    [1e-

    4m]

    Last [kg]

    Messung

    Approximation

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    Ein Verkleben der Stäbe (Spaghettini) untereinander ist außerhalb der Knotenpunkte nicht zulässig.

    Infolgedessen kann für das Flächenträgheitsmoment einer Strebe folgende Annahme getroffen

    werden (mit n: Nudelanzahl pro Strebe):

    Unter dieser Annahme besteht zwischen der Nudelanzahl pro Strebe und der kritischen

    Knickspannung keine Abhängigkeit. Unter Berücksichtigung des näherungsweise kreisförmigen

    Querschnitts einer Spaghettini vereinfacht sich die Formel für die kritische Knickspannung einer

    Druckstrebe zu (mit d: Durchmesser einer Spaghettini):

    Der Knickbeiwert β wird für die Berechnung des Nudeldoms als für alle Druckglieder konstant

    angesetzt. Mit den Konstanten E-Modul und Nudeldurchmesser ist die Länge einer Druckstrebe die

    einzig verbleibende Variable in der Formel für die kritische Knickspannung. Die Knickspannung

    kann deshalb auch durch nachstehende Gleichung ausgedrückt werden (mit c = const.):

    Aufgrund mangelhafter Genauigkeit im angesetzten E-Modul und eines nicht zu

    vernachlässigenden Einflusses von Fertigungsintoleranzen des Tragwerks wird die Konstante c

    nicht analytisch sondern durch praktische Versuche bestimmt. Dadurch werden der exakte E-Modul

    und Fertigungsintoleranzen indirekt berücksichtigt. Somit beschreibt die mittels der Versuche

    ermittelte Konstante c das tatsächliche Tragverhalten mit relativ guter Annäherung.

    Abbildung 7: Versuchsaufbau unter Last (Ausknicken bereits erkennbar)

  • V19 - 8

    Für die Versuche wurde das in Abbildung 7 dargestellte Tragwerk gewählt. Die drei Streben sind

    am unteren Rand näherungsweise eingespannt und werden am oberen Ende möglichst gleichmäßig

    belastet. Die Länge der Druckglieder, sowie die Anzahl der Nudeln pro Strebe wurden in mehreren

    Versuchen variiert. Für die Konstante c ergab sich ein Wert von etwa 8400 N. Unter

    Berücksichtigung des angesetzten E-Moduls kann ein Knickbeiwert β von etwa 0,66 ermittelt

    werden. Damit liegt das Knickverhalten der Stäbe zwischen den Eulerfällen 3 und 4.

    Wird darüber hinaus noch die maximale Druckfestigkeit von Nudeln in Betracht gezogen, ergibt

    sich das Abbildung 8 dargestellte Bemessungsdiagramm für die kritische Druckspannung.

    Abbildung 8: Bemessungsdiagramm - kritische Knickspannung in Abhängigkeit von der Länge der Druckstrebe

    2.4 Übersicht über ermittelte Material- und Querschnittskennwerte für Spaghettini

    Festigkeit: σc = σd = 10 N/mm²

    E-Modul: E ≈ 2800 N/mm²

    Dichte: ρ = 14,34 kN/m³

    Durchmesser: d = 1,45mm

    Kritische Knickspannung:

    0

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    8

    9

    10

    10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

    kriti

    sche

    Kni

    cksp

    annu

    ng [N

    /mm

    ²]

    Länge des Druckgliedes [mm]

  • V19 - 9

    3 OPTIMIERUNG UND BERECHNUNG DES TRAGWERKS

    3.1 Formfindung

    Um den Bau des Tragwerks möglichst einfach zu halten, sollte der Nudeldom aus flächigen

    Segmenten zusammengesetzt werden. Dies hat den Vorteil, dass die einzelnen Segmente flächig

    gefertigt und verklebt werden können. Damit geht eine höhere Präzision beim Bau des Tragwerks

    einher. Die Anzahl der zu fertigenden Segmente wurde willkürlich mit 20 angesetzt. Der Winkel

    zwischen zwei Segmenten beträgt somit 18°.

    Abbildung 9: Skizze - Draufsicht 2D-Segmente

    Im vorliegenden Fall konnte folglich die Formfindung zunächst einmal auf das ebene Problem eines

    vertikalen Segmentes reduziert werden (siehe Abbildung 10). Pro Segment wurden aus

    Stabilitätsgründen zwei Druckstreben gewählt. Als Formfunktionen für die Streben wurden

    quadratische Funktionen gewählt. Die beiden Streben sollten mit möglichst großer Steigung an die

    Lastplattform anschließen, um die Horizontalkomponenten im System möglichst klein zu halten.

    Außerdem sollte die innere Strebe möglichst nahe am inneren Rand des Lichtraumprofils verlaufen.

    Um die beiden Streben zu modellieren wurden vier Funktionen zweiter Ordnung aufgestellt (siehe

    Linien 1 bis 4 in Abbildung 10). Zwischen den Funktionen 1 und 2, sowie zwischen den Funktionen

    3 und 4 liegt C1-Kontinuität vor. Die Steigungen der Funktionen 1 und 3 am oberen Rand wurden

    vorgegeben. Punkte auf den quadratischen Funktionen 2 und 4 wurden zusätzlich um einen von y

    abhängigen Anteil in x-Richtung verschoben, um die beiden Streben möglichst vertikal an die

    Auflagerpunkte anzuschließen. Dadurch sollten Horizontalkomponenten am unteren Rand

    vermieden werden.

    Die Formfindung wurde somit nahezu ausschließlich von ingenieurmäßigen Gesichtspunkten

    beeinflusst. Der exakte Verlauf der Streben zwischen den Randstellen ist für die Optimierung

    allerdings von eher untergeordneter Bedeutung, da es sich bei dem Tragwerk um ein als Fachwerk

    aufgelöstes, doppelt gekrümmtes Schalentragwerk handelt. Die Modellierung der Randstellen

    hingegen ist wichtig. So wäre es beispielsweise ideal, die Streben in Richtung der Lasteinleitung

    anzuschließen. Dies wird jedoch durch das vorgegebene Lichtraumprofil erschwert.

  • 0

    50

    100

    150

    200

    250

    300

    350

    400

    0 50 100 150 200 250

    y [m

    m]

    x [mm]

    1

    2

    3

    4

    Abbildung 10: Skizze - Segment

    3.2 Querschnitts- und Formoptimierung

    Nachdem die Geometrie der Streben festgelegt war, stellte sich die Frage nach der optimalen Lage

    und Anzahl der Knotenpunkte. Lage und Anzahl der Knotenpunkte werden von der Druckkraft in

    der Strebe und der Anzahl der Nudeln pro Strebe beeinflusst. In einem iterativen Prozess wurde das

    System mit SOFiSTiK linear elastisch berechnet und die Lage der Knotenpunkte anhand der

    Berechnungsergebnisse verschoben. Die Lage der Knotenpunkte wurde dabei so gewählt, dass alle

    Stäbe etwa bei derselben Last versagen.

    Die gewünschte Maximalbelastung wurde anfänglich mit 150kg angesetzt. Infolge des

    Optimierungsprozesses stieg diese auf 190kg an.

    V19 - 10

  • V19 - 11

    3.3 Modellierung mit SOFiSTiK

    In SOFiSTiK wurde das System räumlich berechnet. Dazu wurde ein Segment modelliert und

    anschließend um die vertikale Achse rotiert und kopiert. Jedem Stab wurde über die entsprechende

    Querschnittsnummer die richtige Nudelanzahl zugewiesen.

    Abbildung 11: räumliche Tragwerksstruktur des Nudeldoms

    Abbildung 12: Draufsicht auf den Nudeldom

  • V19 - 12

    Alle an die Lastplattform anschließenden Punkte wurden hinsichtlich ihrer Verschiebungen

    gekoppelt (siehe Abbildung 13).

    Abbildung 13: Koppelung der an die Lastplattform anschließenden Knotenpunkte

    Alle Auflager wurden als horizontal verschieblich modelliert. Horizontale Unverschieblichkeit des

    Gesamtsystems wurde durch radial an die Auflagerpunkte angeordnete Federelemente erreicht.

    Abbildung 14: Modellierung der Auflagerpunkte

    3.4 Aussteifung

    Die Beulformen des Tragwerks wurden mit SOFiSTiK berechnet. Das Tragwerk wurde an lokalen

    Schwachstellen solange ausgesteift, bis das Tragwerk gesamtheitlich von den Beulformen erfasst

    wurde.

    3.5 Anmerkungen zur Optimierung der Kuppel

    In Kapitel 1.2 wurde die gewichtete Traglast definiert. Die Formel zur Berechnung der gewichteten

    Traglast sagt aus, dass das System gewinnt, bei dem das Verhältnis von Bruchlast P zur Eigenmasse

    mist maximal wird. Demzufolge kann das Optimierungsproblem folgendermaßen formuliert werden:

  • V19 - 13

    Für ein bestimmtes Tragwerk wird dieses Verhältnis maximal, falls alle Elemente des Systems voll

    ausgenutzt sind. Dies schließt aber auch die aussteifenden Bauteile mit ein. Demzufolge ist für ein

    Optimum auch der Anteil der rein aussteifenden Elemente auf ein absolutes Minimum zu

    reduzieren. Das vorliegende System wurde dahingehend nicht optimiert.

    Bei der hier vorliegenden Problemstellung handelt es sich im allgemeinen Fall um

    Topologieoptimierung eines räumlichen Fachwerkes. Rein numerische Optimierungsverfahren sind

    für diese Problemstellung nur schwer anwendbar. Eine Möglichkeit bestünde in der

    Topologieoptimierung des korrespondierenden Schalentragwerks und anschließendem Auflösen der

    Schalenstruktur als Fachwerk, wobei die optimale Abbildung der Schale als Fachwerk wiederum

    schwer zu finden ist.

    4 BAU DER KONSTRUKTION

    Die 20 flächigen Segmente wurden in Serie gefertigt. Dadurch konnte eine relativ hohe

    Fertigungsgenauigkeit erreicht werden. Das Zusammensetzen des Tragwerks erwies sich als

    kniffelig, da im Lasteinleitungspunkt sehr viele Stäbe zusammenzuführen waren. Nach dem

    räumlichen Zusammenfügen der Segmente wurden die horizontalen Zuggurte sowie die räumliche

    Aussteifung geklebt. Aufgrund der bereits stehenden Grundstruktur war auch dies relativ präzise

    möglich. Zu guter Letzt wurde die Lasteinleitungsplattform aufgeklebt.

    Abbildung 15: Der fertige Nudeldom

    5 VERSAGEN DER KONSTRUKTION

    Beim Wettbewerb im Jahr 2008 konnte keine Versagenslast für das konstruierte Tragwerk ermittelt

    werden, weil mit der vorhandenen Lasteinleitungsvorrichtung nicht mehr als 110kg aufgebracht

  • V19 - 14

    werden konnten. Deshalb musste die Bruchlastermittlung um ein Jahr

    verschoben werden. Die Konstruktion wurde zwischenzeitlich

    eingelagert.

    Im Rahmen des Traglastwettbewerbs 2009 wurde ein erneuter Anlauf

    gestartet. Diesmal mit Erfolg. Der Nudeldom versagte bei 195,5kg –

    5,5kg mehr als die prognostizierte Bruchlast. Damit wurde der

    vorausgesagte Wert sehr genau getroffen. Sicherlich muss zugegeben

    werden, dass eine solch gute Übereinstimmung von theoretischer und

    praktischer Bruchlast zu einem bestimmten Teil wohl auch auf Zufall

    basiert. Vor allem im Hinblick auf die Genauigkeit der angesetzten

    Materialeigenschaften. Dessen ungeachtet wurde die tatsächliche

    Traglast mit guter Näherung vorherbestimmt und ein lokales

    Systemversagen vermieden.

    Die 190kg theoretische Bruchlast wurde mit geometrisch linearer

    Berechnung und dem Bemessungsdiagramm für Knickspannungen,

    welches anhand von praktischen Versuchen geeicht war, ermittelt.

    Vollständig geometrisch nichtlineare Berechnung liefert eine Versagenslast von etwa 150kg und

    unterschätzt somit deutlich die praktische Bruchlast. Ein Grund hierfür ist vorrangig in der zu

    weichen Abbildung der Knotensteifigkeit im FE-Modell zu suchen. Die Knotenpunkte werden zwar

    biegesteif gerechnet, jedoch werden die Knoten in der Praxis durch den Kleber zusätzlich

    ausgesteift. Folglich werden die resultierenden Knicklängen in der Rechnung überschätzt und

    Stabilitätsversagen tritt bereits bei geringeren Lasten ein.

    Abbildung 17: Skizze Knotenpunkt in Theorie und Praxis

    6 LITERATUR

    [1] Schneider; Bautabellen für Ingenieure. 16.Auflage

    Werner Verlag, München/Unterschleißheim, 2004

    Abbildung 16: Nudeldom

    unter Last (110kg)

    Nudeldom_Betz2EINFÜHRUNGDer WettbewerbDie gewichtete TraglastVersagenslasten vergangener WettbewerbeDas RegelwerkWettbewerb 2008 – Spaghettini KuppelE-ModulStabilitätÜbersicht über ermittelte Material- und Querschnittskennwerte für Spaghettini

    Optimierung und Berechnung des TragwerksFormfindungQuerschnitts- und FormoptimierungModellierung mit SOFiSTiKAussteifungAnmerkungen zur Optimierung der Kuppel

    Bau der KonstruktionVersagen der KonstruktionLiteratur

    Nudeldom_Betz1 EINFÜHRUNG1.1 Der Wettbewerb1.2 Die gewichtete Traglast1.3 Versagenslasten vergangener Wettbewerbe1.4 Das Regelwerk1.5 Wettbewerb 2008 – Spaghettini Kuppel1.6 Der Nudeldom – die Idee

    2 MATERIALKENNWERTE VON NUDELN2.1 Festigkeit2.2 E-Modul2.3 Stabilität2.4 Übersicht über ermittelte Material- und Querschnittskennwerte für Spaghettini

    3 OPTIMIERUNG UND BERECHNUNG DES TRAGWERKS3.1 Formfindung3.2 Querschnitts- und Formoptimierung3.3 Modellierung mit SOFiSTiK3.4 Aussteifung3.5 Anmerkungen zur Optimierung der Kuppel

    5 VERSAGEN DER KONSTRUKTION6 LITERATUR

    Nudeldom_Betz2EINFÜHRUNGDer WettbewerbDie gewichtete TraglastVersagenslasten vergangener WettbewerbeDas RegelwerkWettbewerb 2008 – Spaghettini KuppelE-ModulStabilitätÜbersicht über ermittelte Material- und Querschnittskennwerte für Spaghettini

    Optimierung und Berechnung des TragwerksFormfindungQuerschnitts- und FormoptimierungModellierung mit SOFiSTiKAussteifungAnmerkungen zur Optimierung der Kuppel

    Bau der KonstruktionVersagen der KonstruktionLiteratur