Ein neues Online-Tool zur Optimierung der Arzneitherapie

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DANIELA STEINBERGER BIO.LOGIS ZENTRUM FÜR HUMANGENETIK, FRANKFURT A. M. Individuelle genetische Faktoren haben einen wichtigen Einfluss auf die Wirkung eines Medikaments. Seit Jahrzehnten sind Erkenntnisse zwi- schen genetischen Varianten und der Wirksamkeit von Medikamenten bekannt. Dennoch wurden die bereits bekannten Fakten praktisch kaum zum klinischen Nutzen in die ärztliche Praxis übersetzt. Einer der Gründe dafür liegt in der bisher mangelnden Aufbereitung vorhandener Daten und deren Verfügbarkeit. Mit einer ersten Version eines neuen Online-Tools, dem pharma.sensor, soll sich das ändern. Der pharma.sensor ist ein wei- terer Schritt hin zu einer auf individuelle genetische Varianten abge- stimmten personalisierten Medizin. DOI: 10.1007/s12268-012-0184-x © Springer-Verlag 2012 IT-Lösungen zum genetic information management für jeden interessierten Nutzer ó Um eine breitere Öffentlichkeit für das Thema der genetisch bedingten Unterschiede von Medikamentenwirkungen zu sensibili- sieren und wissenschaftliche Argumente in die Diskussion um eine personalisierte, geno- typenspezifische Medizin einzubringen, hat bio.logis den pharma.sensor entwickelt. Hier- mit haben Nutzer erstmalig die Möglichkeit, sich über genetische Anlagen sowie Wirk- samkeit und Verträglichkeit von Medika- menten zu informieren. Der pharma.sensor ist auf dem Web-Portal personal genomics services (PGS) frei zugäng- lich. Basis des pharma.sensor ist eine Daten- bank, die mehrere Tausend Medikamenten- wirkstoffe enthält und kontinuierlich er- weitert wird. Dafür werden medizinische Stu- dien ausgewertet und aufgearbeitet, sodass die Datenbank den möglichst aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegelt. Die einzel- nen Wirkstoffe sind mit Informationen zu nachgewiesenen Einflüssen von Genvarian- ten verbunden. Eine Suchfunktion erlaubt den schnellen Zugriff auf die substanzrele- vanten Informationen. Mit der Weiterent- wicklung des pharma.sensor werden zukünf- tig auch Dosisempfehlungen und Interaktio- nen von Medikamenten berücksichtigt wer- den. Von besonderem Nutzwert sind die Inhalte des pharma.sensor, wenn sie mit individuel- len, genetischen PGS-Analyseergebnissen abgeglichen werden. Über das Portal werden dann auch Befunde erstellt, die der Arzt des PGS-Nutzers für medizinische Entschei- dungsfindungen verwenden kann. Relevante biomedizinische Erkenntnisse sind darin erläutert und wissenschaftlich referenziert aufbereitet. Bessere Entscheidungen für die Gesundheit mit PGS In Verbindung mit dem pharma.sensor erhält der Nutzer von PGS nicht nur Hinweise auf individuelle Verträglichkeit und Wirksamkeit von Medikamenten, sondern auch den Zugang zu anderen Bereichen genetischer Informa- tion. So werden mit der ersten Version von PGS mehr als 100 DNA-Varianten (Targets) analysiert. Hiermit können auch Varianten detektiert werden, die in einem Zusammen- hang mit Ernährungsfaktoren oder Stoff- wechselstörungen stehen. Auch bei Kinder- wunsch und für die Familienplanung können die Ergebnisse wichtige Hinweise liefern. So können beispielsweise die Anlageträgerschaft für einige rezessiv erbliche Erkrankungen und Dispositionsfaktoren für unerfüllten Kin- derwunsch nachgewiesen werden. Im Gegen- satz zu manchen prädiktiven Genanalysen der diagnostischen Genetik bisheriger Aus- prägung sind die PGS-Targets dahingehend selektiert worden, dass die Informationen mit besonderen Handlungsoptionen einhergehen. Um die Sicherheit der Daten zu gewähr- leisten, sind der Zugang zu diesen persön- lichen Informationen sowie sämtliche Pro- benkennzeichnungen anonym. Der Barcode der an das Labor eingesendeten PGS-Probe ist keinem persönlichen Adressaten zuzu- ordnen, außer durch den Nutzer selbst. Die Nutzer haben die Freiheit, die zur Analyse zugehörigen Informationen zu lesen, mit anderen zu teilen und zu diskutieren oder schließlich komplett zu löschen. Die bemerkenswerten Fortschritte der DNA- Analysetechniken ermöglichen es mittler- weile, routinemäßig ganze Genome verschie- dener Spezies und bald aller interessierter Individuen messtechnisch zu erschließen. Humangenetisches Fachwissen, das bisher nur einer kleinen Expertengruppe vorbehal- ten war, wird schrittweise allen interessierten Menschen zugänglich. ó Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Daniela Steinberger bio.logis Zentrum für Humangenetik Altenhöferallee 3 D-60438 Frankfurt a. M. Tel.: 069-530-8437-0 [email protected] www.bio.logis.de/pharma-sensor/index Personalisierte Medizin Ein neues Online-Tool zur Optimierung der Arzneitherapie 332 BIOTECHNOLOGIE BIOspektrum | 03.12 | 18. Jahrgang

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DANIELA STEINBERGER

BIO.LOGIS ZENTRUM FÜR HUMANGENETIK, FRANKFURT A. M.

Individuelle genetische Faktoren haben einen wichtigen Einfluss auf dieWirkung eines Medikaments. Seit Jahrzehnten sind Erkenntnisse zwi-schen genetischen Varianten und der Wirksamkeit von Medikamentenbekannt. Dennoch wurden die bereits bekannten Fakten praktisch kaumzum klinischen Nutzen in die ärztliche Praxis übersetzt. Einer der Gründedafür liegt in der bisher mangelnden Aufbereitung vorhandener Daten undderen Verfügbarkeit. Mit einer ersten Version eines neuen Online-Tools,dem pharma.sensor, soll sich das ändern. Der pharma.sensor ist ein wei-terer Schritt hin zu einer auf individuelle genetische Varianten abge-stimmten personalisierten Medizin.

DOI: 10.1007/s12268-012-0184-x© Springer-Verlag 2012

IT-Lösungen zum genetic informationmanagement für jeden interessiertenNutzeró Um eine breitere Öffentlichkeit für dasThema der genetisch bedingten Unterschiedevon Medikamentenwirkungen zu sensibili-sieren und wissenschaftliche Argumente indie Diskussion um eine personalisierte, geno-typenspezifische Medizin einzubringen, hatbio.logis den pharma.sensor entwickelt. Hier-mit haben Nutzer erstmalig die Möglichkeit,sich über genetische Anlagen sowie Wirk-samkeit und Verträglichkeit von Medika-menten zu informieren.

Der pharma.sensor ist auf dem Web-Portalpersonal genomics services (PGS) frei zugäng-lich. Basis des pharma.sensor ist eine Daten-bank, die mehrere Tausend Medikamenten-wirkstoffe enthält und kontinuierlich er -weitert wird. Dafür werden medizinische Stu-dien ausgewertet und aufgearbeitet, sodassdie Datenbank den möglichst aktuellen Standder Wissenschaft widerspiegelt. Die einzel-nen Wirkstoffe sind mit Informationen zunachgewiesenen Einflüssen von Genvarian-ten verbunden. Eine Suchfunktion erlaubtden schnellen Zugriff auf die substanzrele-vanten Informationen. Mit der Weiterent-wicklung des pharma.sensor werden zukünf-tig auch Dosisempfehlungen und Interaktio-

nen von Medikamenten berücksichtigt wer-den.

Von besonderem Nutzwert sind die Inhaltedes pharma.sensor, wenn sie mit individuel-len, genetischen PGS-Analyseergebnissenabgeglichen werden. Über das Portal werdendann auch Befunde erstellt, die der Arzt desPGS-Nutzers für medizinische Entschei-dungsfindungen verwenden kann. Relevantebiomedizinische Erkenntnisse sind darinerläutert und wissenschaftlich referenziertaufbereitet.

Bessere Entscheidungen für dieGesundheit mit PGSIn Verbindung mit dem pharma.sensor erhältder Nutzer von PGS nicht nur Hinweise aufindividuelle Verträglichkeit und Wirksamkeitvon Medikamenten, sondern auch den Zugangzu anderen Bereichen genetischer Informa-tion. So werden mit der ersten Version vonPGS mehr als 100 DNA-Varianten (Targets)analysiert. Hiermit können auch Variantendetektiert werden, die in einem Zusammen-hang mit Ernährungsfaktoren oder Stoff-wechselstörungen stehen. Auch bei Kinder-wunsch und für die Familienplanung könnendie Ergebnisse wichtige Hinweise liefern. Sokönnen beispielsweise die Anlageträgerschaftfür einige rezessiv erbliche Erkrankungen

und Dispositionsfaktoren für unerfüllten Kin-derwunsch nachgewiesen werden. Im Gegen-satz zu manchen prädiktiven Genanalysender diagnostischen Genetik bisheriger Aus-prägung sind die PGS-Targets dahingehendselektiert worden, dass die Informationen mitbesonderen Handlungsoptionen einhergehen.

Um die Sicherheit der Daten zu gewähr-leisten, sind der Zugang zu diesen persön-lichen Informationen sowie sämtliche Pro-benkennzeichnungen anonym. Der Barcodeder an das Labor eingesendeten PGS-Probeist keinem persönlichen Adressaten zuzu-ordnen, außer durch den Nutzer selbst. DieNutzer haben die Freiheit, die zur Analysezugehörigen Informationen zu lesen, mitanderen zu teilen und zu diskutieren oderschließlich komplett zu löschen.

Die bemerkenswerten Fortschritte der DNA-Analysetechniken ermöglichen es mittler-weile, routinemäßig ganze Genome verschie-dener Spezies und bald aller interessierterIndividuen messtechnisch zu erschließen.Humangenetisches Fachwissen, das bishernur einer kleinen Expertengruppe vorbehal-ten war, wird schrittweise allen interessiertenMenschen zugänglich. ó

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Daniela Steinbergerbio.logis Zentrum für HumangenetikAltenhöferallee 3D-60438 Frankfurt a. M.Tel.: [email protected]/pharma-sensor/index

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