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Technische Universität Berlin

Institut für Mathematik

FG Dierentialgleichungen

Eine Einführung in Zwei-Skalen-Konvergenz

und ihre Anwendung auf lineare Probleme

Bachelorarbeit

Sommersemester 2013

Betreuer: Dr. Hans-Christian Kreusler

vorgelegt von

Vincent Schicktanz

5. November 2013

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Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und eigen-händig sowie ausschlieÿlich unter Verwendung der aufgeführten Quellen und Hilfsmittelangefertigt habe.

Berlin, den

(Vincent Schicktanz)

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Danksagung

Ich bedanke mich an erster Stelle bei meinen Eltern, die mich während meines Studi-ums nanziell unterstützt haben, sodass es mir möglich war, bis zum heutigen Tag dieseArbeit zu schreiben. Ich bedanke mich bei ihnen für ihr Interesse an meinen Studieninhal-ten und -abläufen sowie die Zeit und den Platz in unserer Wohnung, die ich mir immerzum Arbeiten nehmen durfte. Ich bedanke mich bei meinem Betreuer Dr. Hans-ChristianKreusler für die Zeit und Mühe, die er in mich und diese Arbeit investiert hat. Ich weiÿ essehr zu schätzen, dass er mir als Ansprechpartner bei Fragen immer zur Verfügung stand.Ich bedanke mich bei Prof. Dr. Etienne Emmrich für die Auswahl dieses Themas. Er er-leichterte mir damit den Einstieg in meine erste wissenschaftliche Arbeit enorm.

Groÿer Dank gilt meinen Kommilitonen Mathieu Rosière, André Eikmeier, Thomas Jan-kuhn, Rico Weiske, Jonas Röhm, Judith Böhlert, Isabell Vorkastner, Fabian Clauÿ undPaulo Yañez. Ich konnte in den letzten drei Jahren viel von ihnen lernen und es bereitetemir eine groÿe Freude mit ihnen zusammen zu arbeiten. Insbesondere für die Bachelorar-beit war der Mehrwert euch zu kennen unglaublich groÿ.

Nicht zuletzt bedanke ich mich bei Viktoria Häberle und Robert Pietschmann für ihreMotivation, ihr Durchhaltevermögen und ihre Inspiration.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Grundlagen 3

2.1 Exkurs in die Funktionalanalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 Bochner-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 Periodische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.4 Distributionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

3 Eindimensionale Einführung in die Homogenisierungstheorie 11

4 Einführung in die Zwei-Skalen-Konvergenz 14

4.1 Benötigte Räume und ihre Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.2 Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164.3 Wichtige Resultate der Zwei-Skalen-Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . 24

5 Homogenisierung eines linearen elliptischen Problems zweiter Ordnung 33

5.1 Lineare elliptische Randwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335.2 Einführung in die Homogenisierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355.3 Anwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz auf das Homogenisierungsproblem 38

6 Zusammenfassung und Ausblick 43

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

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Kapitel 1

Einleitung

Das Konzept der Zwei-Skalen-Konvergenz wurde erstmals von Gabriel Nguetseng im Jahr1989 eingeführt [Ngu89]. Neben der Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz konnte Nguet-seng einen Kompaktheitssatz (siehe Satz 4.11) formulieren, der besagt, dass jede in L2

beschränkte Folge eine Teilfolge besitzt, die im Zwei-Skalen-Sinne konvergiert. Drei Jahrespäter wurden viele der wichtigsten Aussagen von Grégoire Allaire in [All92] bewiesen.Er führte auch die Bezeichnung Zwei-Skalen-Konvergenz ein. Ein weiterer wesentlicherSchritt in der Theorie der Zwei-Skalen-Konvergenz erfolgte durch Dag Lukkassen, GabrielNguetseng und Peter Wall im Jahr 2002. In ihrem Artikel [LNW02] wurden alle Ergebnisseneu aufgearbeitet, verallgemeinert und alternative Beweise vorgestellt. Auÿerdem wurdenneue Resultate eingebracht und Ungenauigkeiten ausgeräumt.

Die Entwicklung der Zwei-Skalen-Konvergenz ist in der periodischen Homogenisierungs-theorie begründet. Die Homogenisierungstheorie gehört zum Teilgebiet der asymptotischenAnalysis und beschäftigt sich mit der Frage, wie wir kompliziert strukturierte Objektedurch einfachere Modelle beschreiben können. In der periodischen Homogenisierungstheo-rie geht es ausschlieÿlich um Materialien mit periodischer Struktur. Die Periodizität istdabei tief im Konzept der Zwei-Skalen-Konvergenz verankert. Das erkennen wir unter an-derem an der Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz. Dafür sei Ω eine beschränkte undoene Teilmenge des Rn, Y = [0, 1]n der abgeschlossene Einheitswürfel im Rn und (ε) eineNullfolge1. Die Folge (uε) ⊂ L2(Ω) konvergiert im Zwei-Skalen-Sinne gegen u0 ∈ L2(Ω×Y ),falls

limε→0

∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx =

∫Ω

∫Yu0(x, y)ψ(x, y)dydx (1.1)

für gewisse Funktionen ψ, die periodisch im zweiten Eingang sind, gilt. Jede Testfunk-tion für die Zwei-Skalen-Konvergenz muss also eine gewisse Periodizität aufweisen. Andieser Stelle sei noch erwähnt, dass es heutzutage eine breite Anwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz gibt, die sich nicht mehr auf die periodische Homogenisierungstheorie be-schränkt.

1Präziser formuliert ist (εn)n eine Zahlenfolge aus R echt gröÿer Null, die für n → ∞ gegen Nullkonvergiert. Wir werden zum Zweck der Übersichtlichkeit in Zukunft aber nur (ε) zur Bezeichnung derFolge verwenden. Um an einigen Stellen die Formulierungen etwas schlanker halten zu können, werdenwir gegebenenfalls auf die Erklärung für ε→ 0 verzichten, da dieses durch die Bezeichnungsweise mit εimpliziert wird.

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Das Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser einen ausführlichen Einstieg in die Thematik derZwei-Skalen-Konvergenz zu geben. Dabei werden grundlegende Kenntnisse aus dem Bereichder Dierentialgleichungen und der Funktionalanalysis vorausgesetzt. Weitere mathemati-sche Grundlagen, die für unsere Zwecke notwendig sind, werden wir in dieser Arbeit fürden Leser bereitstellen (siehe Kapitel 2). Durch eine Betrachtung des Homogenisierungs-prozesses im Eindimensionalen werden wir die Anschaulichkeit für den Leser erhöhen, umihm die Möglichkeit zu geben, eine konkrete Vorstellung von den Objekten zu erlangen(siehe Kapitel 3). Das Kapitel 4 wird den Kern dieser Arbeit darstellen. Wir werden unsnach der Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz ausführlich mit möglichen Testfunktio-nen ψ aus (1.1) beschäftigen. Neben dem Kompaktheitstheorem Satz 4.11 werden vieleweitere wichtige Aussagen zur Zwei-Skalen-Konvergenz im Abschnitt 4.3 bewiesen. Im Ka-pitel 5 wollen wir zum Homogenisierungsprozess zurückkehren. Nach einer ausführlichenmathematischen Einführung in diese Thematik werden wir eine mögliche Anwendung derZwei-Skalen-Konvergenz bei einem Homogenisierungsprozess darlegen. Zum Ende möchtenwir in Kapitel 6 eine Zusammenfassung dieser Arbeit geben und einige Bemerkungen zurverwendeten Literatur machen, um dem interessierten Leser einen leichteren Einstieg inweitere Quellen zu ermöglichen.

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Kapitel 2

Grundlagen

2.1 Exkurs in die Funktionalanalysis

In diesem Abschnitt wollen wir einige bekannte Sätze der Funktionalanalysis wiedergeben,die im weiteren Verlauf dieser Arbeit benötigt werden. Die Aussagen werden in den Kur-sen Dierentialgleichungen und Funktionalanalysis behandelt und sollten somit dem Leserbekannt sein, sodass wir für die Beweise meistens auf das Standardwerk von Alt [Alt80]verweisen können.

Satz 2.1

Es sei X ein reeller reexiver Banachraum und (xn) ⊂ X eine beschränkte Folge. Dann(i) existiert eine Teilfolge (xnk) von (xn) und ein x ∈ X, die schwach gegen x für k →∞

konvergiert (xnk x).(ii) Wenn jede schwach konvergente Teilfolge von (xn) den gleichen Grenzwert x hat,

dann konvergiert auch die gesamte Folge (xn) schwach gegen x.

Beweis. (i) Siehe [Alt80, Satz 5.7], (ii) Mittels Widerspruch.

Satz 2.2

Es sei X ein reeller Banachraum und es seien (xn) ⊂ X und (yn) ⊂ X∗ Folgen, sodass(xn) schwach gegen x und (yn) stark gegen y konvergieren (yn → y). Dann folgt

limn→∞

〈yn, xn〉X∗,X = 〈y, x〉X∗,X .

Beweis. Siehe [CD99, Proposition 1.19].

Satz 2.3

Es sei X ein separabler reeller Banachraum und (yn) ⊂ X∗ eine beschränkte Folge. Danngibt es eine Teilfolge (ynk) und ein y ∈ X∗, sodass (ynk) schwach* gegen y in X∗ konvergiert(ynk

∗− y).

Beweis. Siehe [Alt80, Satz 5.4].

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2.2 Bochner-Integral

Das Ziel dieses Kapitels ist es, die Eigenschaften von abstrakten Funktionen u : Ω→ X zuuntersuchen und einen geeigneten Integralbegri einzuführen. Dabei sei Ω eine beschränkteund oene Teilmenge des Rn und (X, ‖ · ‖) ein reeller Banachraum. Unsere Vorgehensweiseorientiert sich an [Emm04, Kapitel 7.1]. Eine ausführliche Einführung in diese Thematiklässt sich in [Mik78] nachlesen. Wir beginnen mit dem Begri der einfachen Funktion.

Denition 2.4

Eine Funktion u : Ω → X, heiÿt einfache Funktion, falls es endlich viele paarweise dis-junkte und Lebesgue-messbare Teilmengen E1, . . . , EN ⊂ Ω und Elemente u1, . . . , uN ∈ Xmit

u =

N∑i=1

ui1Ei

gibt.

Mit Hilfe der einfachen Funktionen lässt sich der Begri der Bochner-Messbarkeit denie-ren.

Denition 2.5

Eine Funktion u : Ω→ X heiÿt Bochner-messbar, falls es eine Folge einfacher Funktionen(un) gibt, die fast überall punktweise gegen u konvergiert, also

un(x)→ u(x)

für n→∞ und fast alle x ∈ Ω gilt.

Nachdem wir den Begri der Bochner-messbaren Funktionen eingeführt haben, werden wirdas Bochner-Integral denieren.

Denition 2.6

Es sei u : Ω→ X Bochner-messbar. Dann heiÿt u Bochner-integrierbar, falls es eine Folgeeinfacher Funktionen (un) gibt, so dass un(x)→ u(x) fast überall und∫

Ω‖un(x)− u(x)‖dx→ 0

für n → ∞ gilt. Dabei ist das Integral∫

Ω ‖un(x) − u(x)‖dx als Lebesgue-Integral einernichtnegativen Lebesgue-messbaren Funktion deniert.

Somit können wir folgende Räume denieren.

Denition 2.7

Es sei 1 ≤ p <∞. Dann bezeichnet Lp(Ω;X) die Menge (von Äquivalenzklassen fast überallgleicher) von Bochner-messbaren Funktionen u : Ω→ X, für die

‖u‖Lp(Ω;X) :=

(∫Ω‖u(x)‖pXdx

)1/p

<∞

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ist. Für p =∞ setzen wir

‖u‖L∞(Ω;X) := ess supx∈Ω ‖u(x)‖.

Mit L∞(Ω;X) bezeichnen wir folglich die Menge der Bochner-messbaren Funktionen mit‖u‖L∞(Ω;X) <∞.

Diese Räume besitzen diverse aus dem Fall X = R bekannte Eigenschaften.

Satz 2.8

Es gelten die folgenden Aussagen.(i) Für 1 ≤ p ≤ ∞ ist Lp(Ω;X) mit der Norm ‖ · ‖Lp(Ω;X) ein Banachraum.(ii) Für 1 ≤ p <∞ liegen die einfachen Funktionen dicht in Lp(Ω;X).(iii) Gilt 1 ≤ p <∞ und X ist separabel, so ist auch Lp(Ω;X) separabel.(iv) Gilt 1 < p <∞ und X ist reexiv, so ist auch Lp(Ω;X) reexiv.

Beweis. Ist analog zum Fall X = R.

2.3 Periodische Funktionen

In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit periodischen Funktionen, die für den Homo-genisierungsprozess von Dierentialgleichungen von Bedeutung sind. Wir denieren einigegrundlegende Begrie und betrachten ein Beispiel einer periodischen Funktion in R, diezwar schwach aber nicht stark gegen Null konvergiert. Wir möchten mit diesem Beispieluns gedanklich auf die verschiedenen Konvergenzarten einstellen, die im Weiteren auftretenwerden. Wir behandeln Funktionen der Form

aε(x) := a(x/ε),

wobei a : Rn → R eine periodische Funktion ist und (ε) > 0 eine Folge von Zahlen, diegegen Null konvergiert. Konkret interessiert uns, wie sich die Folge (aε) im Grenzprozessfür ε→ 0 verhält.Im Folgenden bezeichnen wir mit Y den Einheitswürfel im Rn, dass heiÿt

Y = [0, 1]× . . .× [0, 1]︸ ︷︷ ︸n−mal

= [0, 1]n. (2.1)

Die Theorie lässt sich auch auf

Y = [0, l1]× . . .× [0, ln],

mit l1, . . . , ln > 0, aufbauen. Allerdings ersparen wir uns in vielen Denitionen und Sätzenden Normierungsfaktor 1/|Y | durch die Denition in (2.1), wobei | · | im Weiteren immerdas Lebesguemaÿ beschreibt. Nun betrachten wir periodische Funktionen im Rn [CD99,Denition 2.1].

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Denition 2.9

Es sei Y wie in (2.1) und f eine Funktion, die fast überall auf Rn deniert ist. Die Funktionf heiÿt Y -periodisch, falls

f(x+ kei) = f(x)

für fast alle x ∈ Rn, für alle k ∈ Zn und alle i ∈ 1, . . . , n, wobei e1, . . . , en diekanonische Basis des Rn ist.

Sind die Funktionswerte einer Y -periodischen Funktion auf Y gegeben, so ist die Funktionauf Rn eindeutig fortsetzbar. Das ist gut in folgender Abbildung 2.1 zu erkennen.

Abbildung 2.1: Y -periodische Funktion (siehe [Bild1])

Als Nächstes denieren wir den Durchschnittswert einer Funktion im Rn (siehe auch [CD99,Denition 2.2]).

Denition 2.10

Es sei Ω eine oene und beschränkte Teilmenge des Rn und f ∈ L1(Ω). Mit

MΩ(f) :=1

|Ω|

∫Ωf(y)dy

bezeichnen wir den Durchschnittswert von f über Ω.

Mit Hilfe des Durchschnittswertes einer Funktion können wir die Poincaré-Ungleichung(siehe auch [CD99, Proposition 3.38]) für Funktionen aus H1(Ω) einführen.

Satz 2.11

Es sei Ω eine oene, beschränkte und zusammenhängende Teilmenge des Rn. Dann existierteine Konstante C > 0, sodass

‖u−MΩ(u)‖L2(Ω) ≤ C‖∇u‖L2(Ω)

für alle u ∈ H1(Ω). Die Konstante C hängt dabei nur von der Gröÿe des Gebiets Ω ab.

Beweis. Dies ist meist eine Übungsaufgabe in der Veranstaltung DGL IIA.

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Wir betrachten folgendes klassisches Beispiel aus [CD99, Beispiel 2.4]. Dabei diskutieren wireine Funktion, die schwach, aber nicht stark konvergiert. Auÿerdem ist auch die punktweiseKonvergenz fast überall nicht gegeben.

Beispiel 2.12

Es seien α, β ∈ R. Wir betrachten die Funktion a : [α, β]→ R

a(x) = sin(2πx).

Diese hat Periodenlänge Eins. Wir setzen

aε(x) := a(xε

)= sin

(2πx

ε

).

Für α = 0, β = 2 und (ε)n = (1/2n) für alle n ∈ N, ergeben sich in Abbildung 2.2 fürn = 0, 1, 2 Sinusfunktionen mit unterschiedlicher Periodenlänge1.

(a) n = 0, also ε0 = 1 (b) n = 1, also ε1 = 0, 5 (c) n = 2, also ε2 = 0, 25

Abbildung 2.2: Sinusfunktion mit verschiedenen Periodenlängen (siehe [CD99, Seite 29/30])

Aus Abbildung 2.2 erkennen wir, dass (aε) für kein x ∈ (0, 2) für ε → 0 punktweisekonvergiert. Aber wir erhalten

aε 0

in L2(0, 2). Dies lässt sich durch folgende Vorgehensweise nachvollziehen. Da C∞(0, 2) dichtin L2(0, 2) (siehe [Bre11, Theorem 4.12]), testen wir mit Funktionen ϕ ∈ C∞(0, 2). Daherkönnen wir einmal partiell integrieren und erhalten∫ 2

0ϕ(x) sin

(2πx

ε

)dx = − ε

[ϕ(x) cos

(2πx

ε

)]2

0+

ε

∫ 2

0ϕ′(x) cos

(2πx

ε

)dx

= − ε

2π(ϕ(2)− ϕ(0)) +

ε

∫ 2

0ϕ′(x) cos

(2πx

ε

)dx.

Da ϕ(2) − ϕ(0) ein fester Wert ist, konvergiert der erste Term für ε → 0 gegen Null. DieKonvergenz des zweiten Terms gegen Null folgt mit der Beschränktheit des Integrals. Somit

1Denkbar wäre auch die Notation (un) mit n → ∞. Da hinter (uε) eine Diskretisierungsidee steckt,verwenden wir aber (uε) mit ε→ 0.

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gilt aε 0.

Weiter zeigen wir, dass die Folge (aε) nicht stark in L2(0, 2) gegen Null konvergiert. Hierfürsubstituieren wir y = 2π xε und verwenden anschlieÿend die trigonometrische Identität

sin2(x) = 1−cos(2x)2 . Dann gilt

‖aε − 0‖2L2(0,2) =

∫ 2

0sin2

(2πx

ε

)dx =

ε

∫ 2π·2ε

0sin2(y)dy

∫ 4πε

0

1− cos(2y)

2dy =

ε

ε︸ ︷︷ ︸=1

− sin

(8π

ε

)︸ ︷︷ ︸

|·|≤1

+ sin(0)︸ ︷︷ ︸=0

.

Mit ε→ 0 folgt

‖aε − 0‖2L2(0,2) → 1 6= 0.

Da Null der eindeutige schwache Grenzwert ist und (aε) nicht stark gegen Null konvergiert,konvergiert die Folge (aε) nicht stark in L2(0, 2).

Wie wir im Beispiel 2.12 erkennen konnten, konvergiert die Folge (aε) schwach gegen Null.Dies stimmt mit 0 = M[0,2](a) = 1

|[0,2]|∫ 2

0 a(y)dy überein. Daher lässt sich der folgendeSatz (siehe auch [CD99, Theorem 2.6]) vermuten.

Satz 2.13

Es sei 1 ≤ p <∞ und f ∈ L2(Rn) eine Y -periodische Funktion. Wir setzen

fε(x) := f(x

ε)

für fast alle x ∈ Rn. Dann gilt

fε MY (f) =1

|Y |

∫Yf(y)dy

für ε→ 0. Für p =∞ erhalten wir die schwach* Konvergenz in L∞(Rn). Es gilt

fε∗−MY (f) =

1

|Y |

∫Yf(y)dy

für ε→ 0.

Beweis. Wir verweisen an dieser Stelle auf [CD99, Theorem 2.6].

2.4 Distributionen

In diesem Abschnitt werden wir den Ableitungsbegri verallgemeinern und eine Erführungin die Theorie der Distributionen geben. Wir halten uns dabei an [CD99, Kapitel 3.1]. Wirwerden nur die grundlegenden Begrie erläutern, die für unsere Zwecke wichtig sind. Eineausführliche Einführung können wir in [ABM06, Kapitel 2.2.1] nachlesen. Im Folgenden seiΩ eine oene Teilmenge des Rn.

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Denition 2.14

Wir bezeichnen mit D(Ω) die Menge der unendlich oft dierenzierbaren Funktionen ϕ :

Ω→ R, deren Träger2 eine kompakte Menge im Rn ist, die in Ω enthalten ist3.

Wir wollen einen Konvergenzbegri in der Menge D(Ω) einführen. Dafür verwenden wirfolgende Notation. Für α = (α1, · · · , αn) ∈ Nn sei

|α| = α1 + · · ·+ αn ∈ N,

∂α =∂|α|

∂xα11 · · · ∂x

αnn,

wobei wir für |α| = 0 mit ∂α die Identität bezeichnen.

Denition 2.15

Es sei (ϕn) eine Folge in D(Ω). Die Folge (ϕn) konvergiert gegen ein Element ϕ ∈ D(Ω),wenn(i) eine kompakte Menge K ⊂ Ω existiert, sodass suppϕn ⊂ K für alle n ∈ N,(ii) ∂αϕn gleichmäÿig gegen ∂αϕ für alle α ∈ Nn in K konvergiert.

Als Nächstes werden wir den Begri der Distribution denieren.

Denition 2.16

Eine Abbildung T : D(Ω)→ R nennen wir eine Distribution auf Ω, wenn(i) T linear ist. Also wenn für alle λ1, λ2 ∈ R, ϕ1, ϕ2 ∈ D(Ω)

T (λ1ϕ1 + λ2ϕ2) = λ1T (ϕ1) + λ2T (ϕ2) gilt.

(ii) Wenn T folgenstetig ist, also wenn

(ϕn → ϕ)⇒ (T (ϕn)→ T (ϕ)) gilt.

Mit D∗(Ω) bezeichnen wir die Menge der Distributionen auf Ω.

Bemerkung 2.17

Die Motivation in der Bezeichnung D∗(Ω) besteht darin, dass wir zeigen können, dassD∗(Ω) der Dualraum von D(Ω) ist. Das ist nicht sofort klar, weil wir auf der Menge D(Ω)

bisher keine passende Topologie deniert haben, mit der die Menge einen topologischenoder sogar einen normierten Raum bildet. Aufgrund der Dualraum-Beziehung ist auch dieNotation

T (ϕ) = 〈T, ϕ〉D∗(Ω),D(Ω),

für ϕ ∈ D(Ω) üblich.

Wir werden im Raum der Distributionen D∗(Ω) einen Konvergenzbegri einführen.

2Der Träger einer Funktion ϕ ist die abgeschlossene Menge suppϕ = x ∈ Ω | ϕ(x) 6= 0 ∩ Ω.3Wir wählen die Bezeichnung D(Ω) anstelle von C∞0 (Ω).

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Denition 2.18

Eine Folge von Distributionen (Tn) ⊂ D∗(Ω) konvergiert gegen T ∈ D∗(Ω), wenn

〈Tn, ϕ〉D∗(Ω),D(Ω) → 〈T, ϕ〉D∗(Ω),D(Ω)

für alle ϕ ∈ D(Ω) gilt.

Abschlieÿend denieren wir einen Ableitungsbegri für Distributionen.

Denition 2.19

Es sei T ∈ D∗(Ω). Wir denieren die Ableitung im distributionellen Sinne in Richtung xi,für i = 1, . . . , n, als ⟨

∂T

∂xi, ϕ

⟩D∗(Ω),D(Ω)

= −⟨T,

∂ϕ

∂xi

⟩D∗(Ω),D(Ω)

für alle ϕ ∈ D(Ω).

Die Ableitung einer Distribution wird über die Ableitung der Testfunktion deniert. DieseVorgehensweise ähnelt der Regel der partiellen Integration, da in beiden Fällen die Ablei-tung von einer Funktion auf eine andere übertragen wird.

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Kapitel 3

Eindimensionale Einführung in die

Homogenisierungstheorie

Wir knüpfen an die einleitenden Sätze aus Kapitel 1 an und beschäftigen uns zunächstmit dem Homogenisierungsprozess im Allgemeinen. Dazu betrachten wir ein konkretesBeispiel (siehe auch [Fre11, Seite 3]). Es sei ε > 0, Ω = (−π, π) und aε : Ω → R mitaε(x) = 1

2 sin(x) + 1 + ε cos(xε ). Die folgende Abbildung 3.1 zeigt den Graph von aε fürverschiedene Werte von ε.

(a) ε = 1/20 (b) ε = 1/40 (c) ε = 1/80

Abbildung 3.1: Graph von aε für verschiedene Werte von ε (siehe [Fre11, Seite 3])

In den drei Diagrammen erkennen wir das makroskopische Verhalten von aε, das durch12 sin(x) + 1 beschrieben wird, und das mikroskopische Verhalten, welches durch den Sum-mand ε cos(xε ) entsteht. Der Homogenisierungsprozess beschreibt die Suche nach einerFunktion a, die eine Annäherung an (aε) für ε → 0 beschreibt. Das Wort Annäherungverwenden wir allgemein für eine bestimmte Konvergenz in einem bestimmten Raum. Inunserem Fall ergibt sich a(x) = 1

2 sin(x) + 1 und (aε) konvergiert punktweise für jedesx ∈ Ω gegen a.

An dieser Stelle wollen wir auf den Sinn und Zweck des Homogenisierungsprozesses einge-hen. Angenommen, wir hätten die Aufgabe, die Temperaturverteilung auf Ω zu bestimmen.Ohne das wir es wissen, sei diese durch die Funktion aε beschrieben. Unsere Vorgehens-weise könnte wie folgt aussehen: Wir würden Stützpunkte x1, . . . , xn aus Ω wählen und andiesen Stellen die Temperatur messen, um anschlieÿend mit einem numerischen Verfahren

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die Funktionswerte zwischen xi und xi+1 für i = 1, . . . , n− 1 zu bestimmen. Um den Ver-lauf realistisch darstellen zu können, müssten wir eine Schrittweite deutlich kleiner als 2πε

wählen, um das mikroskopische Verhalten zu erfassen. Für kleines ε steigt der Rechenauf-wand damit an. In diesem Fall würde uns die homogenisierte Funktion a deutlich schnellerzum Ziel führen, da aufgrund der fehlenden mikroskopischen Struktur das makroskopischeVerhalten auch bei gröÿeren Schrittweiten erfasst werden kann. Somit ist die homogeni-sierte Gleichung für das schnelle Finden einer Lösung von Nutzen.

Im nächsten Schritt möchten wir unser konkretes Beispiel verlassen und uns einer allge-meinen Funktion zuwenden. Wir bleiben zunächst weiter im Eindimensionalen und wendenuns dem Homogenisierungsprozess bei Dierentialgleichungen zu (siehe auch [Hom, Seite433]). Es sei Ω = (0, b) ⊂ R und 0 < α, β <∞. Wir betrachten(

a(xε

)u′ε(x)

)′= f(x), x ∈ Ω,

uε(x) = 0, x ∈ ∂Ω,(3.1)

wobei a : R→ [α, β] eine periodische Funktion mit Periode Eins ist. Für x ∈ Ω setzen wiraε(x) := a(xε ). Des Weiteren sei f ∈ L1(0, b).

Im eindimensionalen Fall lassen sich die einzelnen Lösungen uε und der homogenisierteOperator als Integrale angeben. Wir integrieren die Gleichung (3.1) über (0, x) und erhal-ten

aε(x)u′ε(x) = F (x) + c,

wobei F : [0, b]→ R mit F (t) =∫ t

0 f(s)ds und c ∈ R die Integrationskonstante ist. Hierausfolgt

u′ε(x) =1

a(xε )(F (x) + c)

und nach nochmaliger Integration erhalten wir mithilfe der linken Randbedingung uε(0) = 0

uε(x) =

∫ x

0

1

a( ξε)(F (ξ) + c)dξ.

Die Funktion 1a ist ebenso periodisch mit Periodenlänge Eins, da a eine periodische Funk-

tion mit Periode Eins ist und α ≤ a(x) ≤ β für alle x ∈ Ω gilt. Somit konvergiert nachSatz 2.13 die Folge (a( ·ε))ε schwach gegen

∫ 10

1a(y)dy = a ∈ R in L2(0, b) für ε→ 0.

Da der Dualraum von L2(0, b)∗ mit L2(0, b) übereinstimmt und F eine feste Funktion ausL2(0, b) ist, erhalten wir

uε(x) =

∫ x

0

1

a( ξε)(F (ξ) + c)dξ →

∫ x

0

1

a(F (ξ) + c)dξ =: u(x) (3.2)

punktweise für alle x ∈ (0, b). Wir betrachten die rechte Seite von (3.2), leiten diese imschwachen Sinne ab, multiplizieren mit a und gelangen zu

au′ = F + c

12

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und durch nochmaliges Dierenzieren zu

(au′)′ = f.

Wir haben für die Grenzfunktion u von (uε) eine Dierentialgleichung mit einer Koezi-entenfunktion a gefunden, sodass u die Lösung dieser Gleichung ist. An dieser Stelle istder Homogenisierungsprozess abgeschlossen.

13

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Kapitel 4

Einführung in die

Zwei-Skalen-Konvergenz

4.1 Benötigte Räume und ihre Eigenschaften

Zunächst werden wir alle Räume denieren, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vonBedeutung sind. Wir verwenden das #-Zeichen als Index, wenn es sich um einem Raummit periodischen Funktionen handelt. Anschlieÿend werden wir grundlegende Eigenschaf-ten dieser Räume beweisen, um später auf diese Aussagen zurückgreifen zu können. ImFolgenden sei Ω eine oene und beschränkte Teilmenge des Rn und Y = [0, 1]n der abge-schlossene n-dimensionale Einheitswürfel im Rn.

Denition 4.1

Es sei 1 ≤ p <∞. Für die nächsten Kapitel sind folgende Räume für uns von Bedeutung.

• C#(Y ), der Teilraum von C(Rn), der alle Y -periodischen Funktionen enthält,

• C∞# (Y ), der Teilraum von C∞(Rn), der alle Y -periodischen Funktionen enthält,

• Lp#(Y ), der Raum, der durch den Abschluss von C∞# (Y ) mit der Lp(Y )-Norm ent-steht,

• H1#(Y ), der Raum, der durch den Abschluss von C∞# (Y ) mit der H1(Y )-Norm ent-

steht,

• H1#(Y )/R, der Raum der Äquivalenzklassen bezüglich der Äquivalenzrelation u ∼ v ⇔

(u− v ist konstant), für alle u, v ∈ H1#(Y ),

• Lp(Ω;C#(Y )), siehe Denition 2.7 von Lp(Ω;X),

• D(Ω;C∞# (Y )), der Raum der messbaren Funktionen auf Ω × Rn, sodass u(x, ·) ∈C∞# (Y ) für jedes x ∈ Ω und die Abbildung x 7→ u(x, ·) ∈ C∞# (Y ) unendlich oftdierenzierbar ist mit kompaktem Träger in Ω.

Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass die Elemente des Raumes Lp#(Y ) (oder andererRäume mit periodischen Funktionen) auf Ω deniert sind und nicht ausschlieÿlich auf Y .Wir verwenden diese Bezeichnung, um die Periode der Funktionen angeben zu können.

14

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Bemerkung 4.2

Der Raum L2#(Y ) stimmt mit dem Raum überein, der entsteht, wenn wir L2(Y ) Y -

periodisch auf Rn erweitern. Diese Aussage werden wir nicht beweisen. Die Beweisideekann aus dem Beweis über die Charakterisierung von H1

0 (a, b) als u ∈ H1(a, b) | u(a) =

u(b) = 0 aus der Vorlesung DGL 2A entnommen werden.

Jede Funktion f ∈ L2(Ω;C#(Y )) oder f ∈ D(Ω;C∞# (Y )) können wir vermöge f(x, y) =

f(x)(y) mit der Funktion f = f(x, y), deniert auf Ω × Y , identizieren. Wir vermeidendabei die korrektere Bezeichnung f(x)(y), um die Übersichtlichkeit der Darstellung zuerhöhen. Diese Bezeichnungsweise nden wir in sämtlicher Literatur.Wir wollen einige Eigenschaften dieser Räume zeigen, die wir im Folgenden verwendenwerden (siehe auch [CD99, Proposition 3.61]).

Satz 4.3

Der Raum L2(Ω;C#(Y )) ist separabel.

Beweis. Nach dem Weierstraÿschen Approximationssatz1 ist der Raum C(Rn) separabel,da die Polynome mit rationalen Koezienten eine abzählbare dichte Teilmenge von C(Rn)

bilden. Der Raum C#(Y ) ist ein Unterraum von C(Rn) und nach [Bre11, Proposition 3.25]auch separabel. Somit folgt die Aussage aus Satz 2.8.

Bemerkung 4.4

Es gilt L2(Ω;L2(Y )) ∼= L2(Ω× Y ). Eine Beweis für Ω = [0, T ] nden wir in [Emm04, Satz7.1.24]. Eine Verallgemeinerung auf Ω ist ohne weiteres durch das Ersetzen von Ω anstellevon (0, T ) möglich.

Lemma 4.5

Es seien X,Y Vektorräume, sodass X dicht in Y liegt. Dann liegt auch L2(Ω, X) dicht imRaum L2(Ω, Y ).

Beweis. Für jedes f ∈ L2(Ω, Y ) nden wir nach Satz 2.8 eine Folge von einfachen Funk-tionen (fn), die gegen f in L2(Ω, Y ) konvergiert. Da X dicht in Y liegt, existiert für jedesn eine Folge (gnm) ⊂ L2(Ω, X), die gegen fn in L2(Ω, Y ) konvergiert. Wir wählen dieDiagonalfolge (hj) = (gjj ) aus. Diese konvergiert in L

2(Ω, X) gegen f .

Satz 4.6

Der Raum L2(Ω;C#(Y )) liegt dicht im Raum L2(Ω;L2(Y )) ∼= L2(Ω× Y ).

Beweis. Da der Raum D(Ω) dicht in L2(Ω) liegt (siehe auch [Bre11, Theorem 4.12]), folgtdie Dichtheit von L2(Ω;D(Y )) in L2(Ω;L2(Y )) nach Lemma 4.5. Somit folgern wir dieAussage aus der Inklusion L2(Ω;D#(Y )) ⊂ L2(Ω;C#(Y )).

Als Nächstes benötigen wir eine Charakterisierung der Funktionen aus f ∈ L1(Ω;C#(Y )).

1Zu jedem f ∈ C(Ω) gibt es eine Folge von Polynomen, die gleichmäÿig gegen f in C(Ω) konvergiert.Nachzulesen in [Alt80], Satz 7.17

15

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Satz 4.7

Eine Funktion f liegt genau dann in L1(Ω;C#(Y )), wenn eine Menge E ⊂ Ω mit MaÿNull existiert, sodass(i) für jedes x ∈ Ω \ E, die Funktion y 7→ f(x, y) stetig und Y -periodisch ist,(ii) für jedes y ∈ Y die Funktion x 7→ f(x, y) messbar ist(iii) und die Funktion x 7→ supy∈Y |f(x, y)| eine endliche Norm in L1(Ω) hat.

Beweis. Da dieser Beweis etwas länglich ist und wir uns nicht weiter mit dieser Thematikaufhalten wollen, verweisen wir auf [LNW02, Theorem 1]. Eine Beweisskizze mit weiterenLiteraturverweisen nden wir in [All92, Lemma 5.3].

4.2 Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz

Nach der Vorarbeit sind wir in der Lage den Begri der Zwei-Skalen-Konvergenz einzu-führen. Wir werden in diesem Abschnitt das zentrale Lemma 4.9 beweisen, welches eingängiges Hilfsmittel für weitere Beweise sein wird. Auÿerdem beschäftigen wir uns aus-führlich mit möglichen Räumen für die Testfunktionen. Wir beginnen mit der Denitionder Zwei-Skalen-Konvergenz.

Denition 4.8

Die Funktionenfolge (uε) ⊂ L2(Ω) konvergiert im Zwei-Skalen-Sinne gegen u0 ∈ L2(Ω×Y ),falls für jede Funktion ψ ∈ L2(Ω;C#(Y ))

limε→0

∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx =

∫Ω

∫Yu0(x, y)ψ(x, y)dydx (4.1)

gilt.

Konvergiert die Folge (uε) im Zwei-Skalen-Sinne gegen u, so werden wir die Notation

uε2−→ u verwenden. Um die Übersichtlichkeit über die auftretenden Funktionen und ihre

Räume zu gewähren, werden wir Funktionen aus L2(Ω;C#(Y )) mit ψ bezeichnen und ϕfür Funktionen aus D∞(Ω;C#(Y )) verwenden, solange dies möglich ist.

Wir wollen zeigen, dass der Zwei-Skalen-Grenzwert eindeutig ist. Angenommen, es gebeeine Folge (uε) ⊂ L2(Ω), die im Zwei-Skalen-Sinne gegen u beziehungsweise v ∈ L2(Ω×Y )

konvergiert. Dann gilt∫Ωuε(x)ϕ

(x,x

ε

)dx→

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕ(x, y)dydx,∫

Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx→

∫Ω

∫Yv(x, y)ψ(x, y)dydx,

für jedes ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Somit folgt∫Ω

∫Y

[u(x, y)− v(x, y)]ψ(x, y)dydx = 0. (4.2)

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Da D(Ω;C#(Y )) ⊂ L2(Ω;C#(Y )), gilt Aussage (4.2) auch für alle ψ ∈ D(Ω;C#(Y )) undwir erhalten nach dem Lemma der Variationsrechnung

u(x, y)− v(x, y) = 0

fast überall in Ω× Y . Damit ist die Eindeutigkeit des Zwei-Skalen-Grenzwerts gezeigt.

Oft nden wir in der Literatur (zum Beispiel in [LNW02, Denition 6]) auch eine De-nition der Zwei-Skalen-Konvergenz für eine Folge (uε) ⊂ Lp(Ω) für 1 < p < ∞. Dannist u0 ∈ Lp(Ω × Y ) und die Testfunktionen ψ ∈ Lq(Ω;C#(Y )) mit 1/p + 1/q = 1. Allefolgenden Eigenschaften und Sätze lassen sich auch für diesen allgemeineren Fall zeigen.Wir werden uns auf den speziellen Fall p = q = 2 beschränken, weil dieser für unsereAnwendungsfälle ausreicht und sich einige Beweise etwas verkürzen werden.

Wir betrachten ein sehr wichtiges Lemma, das uns in den zukünftigen Beweisen oft einegroÿe Hilfe sein wird (siehe auch [CD99, Lemma 9.1], [All92, Lemma 1.3] und [LNW02,Theorem 2]).

Lemma 4.9

Es sei ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Dann ist ψ(·, ·ε) für jedes ε > 0 eine messbare Funktion auf Ω

und es gilt

(i)∥∥ψ (·, ·ε)∥∥L2(Ω)

≤ ‖ψ (·, ·)‖L2(Ω;C#(Y )) =

(∫Ω

supy∈Y|ψ(x, y)|2 dx

)1/2

,

(ii) limε→0

∫Ωψ(x,x

ε

)2dx =

∫Ω

∫Yψ(x, y)2dydx.

Beweis. Wir werden dieses Lemma in der abgeänderten Form ψ ∈ L1(Ω;C#(Y )) anstellevon ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) beweisen. Wir zeigen demnach die beiden Aussagen

(i)∥∥ψ (·, ·ε)∥∥L1(Ω)

≤ ‖ψ (·, ·)‖L1(Ω;C#(Y )) =

∫Ω

supy∈Y|ψ(x, y)| dx,

(ii) limε→0

∫Ωψ(x,x

ε

)dx =

∫Ω

∫Yψ(x, y)dydx.

Diese Vorgehensweise nden wir auch in [All92, Lemma 5.2] und [LNW02, Theorem 2].Sie ermöglicht einen kürzeren Beweis. In [CD99] wird die Aussage für 1 ≤ p <∞ behaup-tet, sodass sie speziell für p = 2 stimmt. Allerdings nden wir an dieser Stelle in [CD99,Lemma 9.1] keinen Beweis, sodass wir auf die genannte Quelle vertrauen müssen. Um dieBeweisidee nachvollziehen zu können, wenden wir uns dem Beweis für die abgewandelteL1-Formulierung zu.Nach [AV05, Seite 210] überführen Nemytskij-Operatoren messbare Funktionen in mess-bare Funktionen, wenn die erzeugende Funktion eine Carathéodorybedingung erfüllt. Daψ dieser Bedingung genügt, ist die Messbarbarkeit von ψ(·, ·ε) gegeben. Es gilt∥∥∥ψ (·, ·

ε

)∥∥∥L1(Ω)

=

∫Ω

∣∣∣ψ (x, xε

)∣∣∣ dx ≤ ∫Ω

supy∈Y|ψ(x, y)| dx.

Somit ist die Behauptung (i) gezeigt. Für (ii) sei k ∈ N mit k > 0 und (Y(k)i ) eine Zerlegung

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von Y , sodass jedes Y (k)i ein Würfel mit Seitenlänge 1/k ist und

|Y (k)i ∩ Y (k)

j | = 0 für alle i 6= j, |Y (k)i | =

1

knfür alle i und Y = ∪kni=1Y

(k)i

gilt. Wir bezeichnen mit χ(k)i die charakteristische Funktion auf Y (k)

i , die wir Y -periodischauf Rn fortgesetzt haben. Auÿerdem wählen wir für jedes i ∈ N einen beliebigen Punkty

(k)i ∈ Y (k)

i . Nun zeigen wir die Behauptung (ii) zunächst für Funktionen ψk der Form

ψk(x, y) =kn∑i=1

ψ(x, y(k)i )χ

(k)i (y)

für x ∈ Ω und y ∈ Y . Die Funktion y 7→ ψk(x, y) ist konstant auf jedem Y(k)i für alle x ∈ Ω.

Daher ist y 7→ ψk(x, y) stetig auf jedem Y(k)i und Y -periodisch. Das ist Bedingung (i) aus

Satz 4.7. Die Bedingung (ii) folgt aus der Messbarkeit von x 7→ ψk(x, y) und (iii) nach derVoraussetzung ψ ∈ L1(Ω;C#(Y )) und mit Hilfe der Konstanz von y 7→ ψk(x, y) auf Y (k)

i .

Daher liegt die Funktion ψk nach Satz 4.7 in L1(Ω). Da auÿerdem χ(k)i eine periodische

Funktion aus L∞(Ω) ist, erhalten wir nach Satz 2.13, dass die Funktion χ(k)i ( ·ε) schwach*

gegen ihren Mittelwert Eins auf jedem Y(k)i konvergiert. Somit gilt

limε→0

∫Ωψk

(x,x

ε

)dx =

kn∑i=1

limε→0

∫Ωψ(x, y

(k)i )χ

(k)i

(xε

)dx =

∫Ω

∫Yψk(x, y)dydx.

Aus dieser Gleichung folgt

limε→0

∣∣∣∣∫Ωψ(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yψ(x, y)dydx

∣∣∣∣≤ limε→0

∣∣∣∣∫Ωψ(x,x

ε

)− ψk

(x,x

ε

)dx

∣∣∣∣+ limε→0

∣∣∣∣∫Ωψk

(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yψk(x, y)dydx

∣∣∣∣+

∣∣∣∣∫Ω

∫Yψk(x, y)dydx−

∫Ω

∫Yψ(x, y)dydx

∣∣∣∣≤2

∫Ω

supy∈Y|ψ(x, y)− ψk(x, y)|dx = 2‖ψk − ψ‖L1(Ω;C#(Y ))

für jedes k ∈ N mit k > 0. Wenn wir zeigen können, dass ‖ψk − ψ‖L1(Ω;C#(Y )) für k →∞gegen Null konvergiert, folgt die Behauptung (ii). Dafür wollen wir den Satz von Lebesgueanwenden. Hierzu zeigen wir die punktweise Konvergenz und nden eine integrierbareMajorante. Nach Voraussetzung ist y 7→ ψ(x, y) stetig für fast alle x ∈ Ω und somit gilt

gk(x) = supy∈Y|ψk(x, y)− ψ(x, y)| → 0 für fast alle x ∈ Ω und für k →∞.

Nach der Denition von ψk erhalten wir die Abschätzung |ψk(x, y)| ≤ |ψ(x, y)| für alle(x, y) ∈ Ω× Y . Es gilt

gk(x) ≤ 2 supy∈Y|ψ(x, y)|.

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Dann liegt gk nach obiger Argumentation in L1(Ω). Damit sind die beiden Voraussetzungenfür den Satz von Lebesgue erfüllt und wir erhalten

‖ψk − ψ‖L1(Ω;C#(Y )) =

∫Ω

supy∈Y|ψk(x, y)− ψ(x, y)|dx→ 0 für k →∞.

Nach der obigen Argumentation folgt die Behauptung.

Die Voraussetzung ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) ist relativ stark, da wir die Stetigkeit der Funktionψ(x, ·) für alle x ∈ Ω fordern. Bisher ist unbekannt, wie genau die Minimalanforderungan ψ aussieht, damit das für die Zwei-Skalen-Konvergenz wichtige Lemma 4.9 erfüllt ist.Wir werden zeigen, dass die Voraussetzung ψ ∈ L∞(Ω× Y ) nicht ausreicht, indem wir einGegenbeispiel diskutieren. Damit kann die Voraussetzung ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) nicht allzustark abgeschwächt werden (siehe auch [CD99, Remark 9.2] und [All92, Proposition 5.8]).

Beispiel 4.10

Es sei k ∈ N \ 0. Wir denieren die Mengen

Bk = (x, y) ∈ [0, 1]2|y ∼ kx+ c(mod1), |c| < ηk,

wobei ηk = (4√

2k2k)−1 und a ∼ b(mod1) für alle a, b ∈ R mit Hilfe von

a ∼ b(mod1)⇔ es existiert ein z ∈ Z, sodass a− b = z

deniert ist. Eine obere Abschätzung für das Lebesgue-Maÿ |Bk| ergibt sich aus der maxi-malen Länge der Streifen

√2 (das ist die Diagonale des Quadrates, wie bei B1 in Abbildung

4.1 zu erkennen) multipliziert mit der Breite der Streifen 2ηk und deren Anzahl k. Folglichgilt

|Bk| ≤ 2kηk√

2 =2k√

2

4√

2k2k=

1

2k+1.

Wir denieren die Menge B =⋃∞k=1Bk. Somit ergibt sich

|B| ≤∞∑k=1

|Bk| ≤∞∑k=1

1

2k+1=

1

2

∞∑k=1

1

2k=

1

2.

Wir betrachten die Funktion h : [0, 1]2 → R, deniert vermöge

h(x, y) =

1, wenn (x, y) ∈ B,0, wenn (x, y) ∈ [0, 1]2 \B.

Da B als Vereinigung messbaren Mengen wieder messbar ist, ist h eine messbare Funktion.Auÿerdem gilt |h(x, y)| ≤ 1 für alle (x, y) ∈ [0, 1]2 und somit h ∈ L∞([0, 1]2). Wir erweiternh periodisch im zweiten Eingang von [0, 1]× [0, 1] auf [0, 1]× R. Genügt h der Bedingung(ii) aus Lemma 4.9, so erhalten wir für jede Folge (εk) mit εk → 0 für k →∞

limεk→0

∫ 1

0h

(x,

x

εk

)dx =

∫ 1

0

∫ 1

0h(x, y)dxdy =

∫B

1dx = |B| < 1

2. (4.3)

19

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Abbildung 4.1: Bk für k = 1 und k = 2 (siehe [CD99, Seite 175]).

Wir wählen die spezielle Folge εk = 1/k. Wie wir in Abbildung 4.1 erkennen können, gilt

h

(x,

x

εk

)= h(x, kx) = 1

für x ∈ [0, 1] und damit

limεk→0

∫ 1

0h

(x,

x

εk

)dx = 1.

Das steht im Widerspruch zu Abschätzung (4.3).Abschlieÿend bemerken wir, dass die Funktion h aus Beispiel 4.10 mehr Regularität alsL∞(Ω×Y ) aufweist. Allaire zeigte, dass h ∈ C([0, 1], L1

#(Y )) (siehe [All92, Kapitel 5]). So-mit zeigt das Beispiel 4.10, dass sogar die Voraussetzung ψ ∈ L∞((0, 1)×Ω)∩C([0, 1], L1

#(Y ))

nicht für Lemma 4.9 genügt.

Mit dem folgenden Satz (siehe auch [CD99, Theorem 9.7], [All92, Theorem 1.2] und[LNW02,Theorem 14]) erhalten wir, dass für beschränkten Folgen eine Teilfolge existiert, die inZwei-Skalen-Sinne konvergiert. Somit gibt es Folgen, die der Denition (4.8) genügen.

Satz 4.11

Aus jeder beschränkten Folge (uε) ⊂ L2(Ω) können wir eine Teilfolge auswählen, sodassdiese im Zwei-Skalen Sinne gegen einen Grenzwert u0 ∈ L2(Ω× Y ) konvergiert.

Beweis. Es sei (uε) eine beschränkte Folge in L2(Ω) und sei C > 0 mit ‖uε‖L2(Ω) ≤ C.Somit erhalten wir mit der Ungleichung von Cauchy-Schwarz und der Behauptung (i) aus

20

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Lemma 4.9 die Abschätzung∣∣∣∣∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx

∣∣∣∣ ≤ C ∥∥∥ψ (·, ·ε)∥∥∥L2(Ω)≤ C ‖ψ(·, ·)‖L2(Ω;C#(Y )) (4.4)

für alle ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Für ein festes ε ist ψ 7→∫

Ω uε(x)ψ(x, xε )dx ein lineares undbeschränktes Funktional auf L2(Ω;C#(Y )) und daher ein Element des Dualraums vonL2(Ω;C#(Y )). Demnach nden wir ein µε ∈ L2(Ω;C#(Y ))∗, sodass

〈µε, ψ〉L2(Ω;C#(Y ))∗,L2(Ω;C#(Y )) =

∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx (4.5)

gilt. Dabei bezeichnet 〈·, ·〉L2(Ω;C#(Y ))∗,L2(Ω;C#(Y )) die duale Paarung von L2(Ω;C#(Y ))

und dem zugehörigen Dualraum L2(Ω;C#(Y ))∗. Diese Argumentation lässt sich für jedesfeste ε > 0 anwenden. Wir erhalten eine beschränkte Folge (µε) in L2(Ω;C#(Y ))∗, dennmit Hilfe der Gleichung (4.5) und Abschätzung (4.4) folgt

‖µε‖L2(Ω;C#(Y ))∗ = sup‖ψ‖=1

|〈µε, ψ〉| = sup‖ψ‖=1

∣∣∣∣∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx

∣∣∣∣ ≤ Cfür ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Nach Satz 4.3 ist L2(Ω;C#(Y )) ein separabler Raum. Mit der Be-schränktheit von (µε) und Satz 2.3 können wir eine Teilfolge (µε) auswählen, die schwach*konvergiert. Auÿerdem existiert ein µ0 ∈ L2(Ω;C#(Y ))∗, sodass∫

Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx = 〈µε, ψ〉 → 〈µ0, ψ〉 (4.6)

für ε→ 0 und alle ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) gilt. Unser Ziel ist es zu zeigen, dass

〈µ0, ψ〉 =

∫Ω

∫Yu0(x, y)ψ(x, y)dydx

gilt. Denn dann folgt aus der Konvergenz in (4.6) die Zwei-Skalen-Konvergenz der Teilfolge(µε) und die Behauptung ist bewiesen. Daher führen wir (4.5) und (4.6) zusammen underhalten mit der Ungleichung von Cauchy-Schwarz und Lemma 4.9 die Ungleichungskette

〈µ0, ψ〉 = limε→0

∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx ≤ C

∥∥∥ψ (·, ·ε

)∥∥∥L2(Ω)

≤ C‖ψ‖L2(Ω×Y ).

für jedes ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Nach Satz 4.6 liegt L2(Ω;C#(Y )) dicht in L2(Ω× Y ). Dahernden wir zu jedem ϕ ∈ L2(Ω × Y ) eine Folge (ϕh) ∈ L2(Ω;C#(Y )), sodass (ϕh) gegenϕ in L2(Ω × Y ) für h → 0 konvergiert. Somit können wir die Fortsetzung µ0 von µ0 aufL2(Ω× Y ) denieren. Dann gilt

〈µ0, ϕ〉 = limh→0〈µ0, ϕh〉.

Nach dem Darstellungssatz von Riesz erhalten wir ein u0 ∈ L2(Ω× Y ), sodass

〈µ0, ϕ〉 =

∫Ω

∫Yu0(x, y)ϕ(x, y)dydx

für jedes ϕ ∈ L2(Ω× Y ) gilt. Gilt insbesondere ϕ ∈ L2(Ω;C#(Y )), so erhalten wir

〈µ0, ϕ〉 = 〈µ0, ϕ〉 =

∫Ω

∫Yu0(x, y)ϕ(x, y)dydx.

21

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Dieser Satz ist eine Analogie zu dem Resultat, dass wir aus jeder beschränkten Folge inL2(Ω) eine schwach konvergente Teilfolge auswählen können.Mit der nächsten Aussage (siehe auch [All92, S. 1487, Beispiel (**)]) erhalten wir vieleBeispiele für im Zwei-Skalen-Sinne konvergierende Folgen, da jede stark konvergierendeFolge auch im Zwei-Skalen-Sinne konvergiert.

Satz 4.12

Es konvergiere (uε) gegen u in L2(Ω). Dann konvergiert (uε) auch im Zwei-Skalen-Sinnegegen u1 ∈ L2(Ω× Y ) mit u1(x, y) = u(x) für alle (x, y) ∈ Ω× Y .

Beweis. Es sei ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Dann folgt mit einer Nullergänzung und der Ungleichungvon Cauchy-Schwarz∣∣∣∣∫

Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yu1(x, y)ψ(x, y)dydx

∣∣∣∣=

∣∣∣∣∫Ω

[uε(x)− u(x)]ψ(x,x

ε

)dx+

∫Ωu(x)ψ

(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yu1(x, y)ψ(x, y)dydx

∣∣∣∣≤‖uε − u‖L2(Ω)

∥∥∥ψ (·, ·ε

)∥∥∥L2(Ω)

+

∣∣∣∣∫Ωu(x)ψ

(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yu(x)ψ(x, y)dydx

∣∣∣∣ .Nach Lemma 4.9 ist ‖ψ

(·, ·ε)‖L2(Ω) beschränkt, sodass nach Voraussetzung (uε → u) der

erste Term gegen Null konvergiert. Da sowohl u als auch ψ in L2(Ω) beziehungsweise inL2(Ω;C#(Y )) liegen, ist das Produkt uψ ein Element aus L1(Ω;C#(Y )), da u die Periodi-zität im zweiten Eingang nicht verstört. Wir verwenden die L1-Formulierung von Lemma4.9 und wählen ψ(x, y) = u(x)ψ(x, y) in der Bedingung (ii). Somit erhalten wir, dass auchder zweite Term gegen Null konvergiert. Es gilt

limε→0

∣∣∣∣∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yu1(x, y)ψ(x, y)dydx

∣∣∣∣ = 0.

Da ψ beliebig war, folgt die Behauptung.

Der nächste Satz verknüpft die Zwei-Skalen-Konvergenz mit der schwachen Konvergenz(siehe auch [All92, Proposition 1.6] und [LNW02, Theorem 10]).

Satz 4.13

Es sei (uε) eine Folge in L2(Ω), die im Zwei-Skalen-Sinne gegen u ∈ L2(Ω×Y ) konvergiert.Dann gilt

uε v

in L2(Ω) mit v(x) =∫Y u(x, y)dy für fast alle x ∈ Ω und die Folge (uε) ist beschränkt.

Beweis. Nach der Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz von (uε) gegen u gilt∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx→

∫Ω

∫Yu(x, y)ψ(x, y)dydx

für jedes ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Wir wählen ψ unabhängig von y und erhalten∫Ωuε(x)ψ(x)dx→

∫Ω

∫Yu(x, y)dyψ(x)dx.

22

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Das ist genau die schwache Konvergenz von (uε) gegen∫Y u(·, y)dy, da jede Funktion

aus L2(Ω) mit einer von y unabhängigen Funktion aus L2(Ω;C#(Y )) identiziert werdenkann. Die Beschränktheit der Folge (uε) in L2(Ω) folgt aus dem Resultat, dass jede schwachkonvergente Folge beschränkt ist.

An dieser Stelle möchten wir anmerken, dass die Wahl des Raumes der Testfunktionen,L2(Ω;C#(Y )), in der Denition 4.8 essentiell für Satz 4.13 ist. In verschiedener Litera-tur wie zum Beispiel in [CD99] oder [All92] wird anstelle von L2(Ω;C#(Y )) der RaumD(Ω;C∞# (Y )) verwendet. In diesem Fall ist der Satz 4.13 nicht mehr gültig. Um diese Be-hauptung zu beweisen, betrachten wir eine Beispielfolge (uε) ⊂ L2(Ω), die der Denitionder Zwei-Skalen-Konvergenz für ϕ ∈ D(Ω;C∞# (Y )) genügt, aber weder beschränkt nochschwach konvergent gegen den adaptierten Zwei-Skalen-Grenzwert in L2(Ω) ist (siehe auch[LNW02, Example 11]).

Beispiel 4.14

Es sei ε > 0,Ω = (0, 1), u : Ω × Y → R mit u(x, y) = 0 für alle (x, y) ∈ Ω × Y unduε ∈ L2(Ω) deniert vermöge

uε(x) =

1/ε wenn 0 < x ≤ ε,0 wenn ε < x < 1.

Dann gilt∫Ωuε(x)ϕ

(x,x

ε

)dx =

∫ ε

0

1

εϕ(x,x

ε

)dx→

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕ(x, y)dydx = 0

für alle ϕ ∈ D(Ω;C∞# (Y )), da Funktionen aus D(Ω;C∞# (Y )) in einer Umgebung des Randesden Wert Null annehmen. Allerdings konvergiert die Folge (uε) nicht schwach gegen Null.Dafür wählen wir g ≡ 1 mit g ∈ [L2(Ω)]∗ = L2(Ω) und erhalten

limε→0

∫ 1

0uε(x)g(x)dx = lim

ε→0

∫ ε

0

1

εdx = lim

ε→0ε

1

ε= 1.

Auÿerdem ist die Folge (uε) nicht beschränkt in L2(Ω), denn es gilt

‖uε‖L2(Ω) =

(∫ 1

0|uε(x)|2dx

)1/2

=

(∫ ε

0

(1

ε

)2

dx

)1/2

=

√ε

1

ε2=

√1

ε→∞ für ε→ 0.

Der folgende Satz (siehe auch [LNW02, Proposition 13]) zeigt, dass es durchaus möglich ist,den Testraum L2(Ω;C#(Y )) durch den Raum D(Ω;C∞# (Y )) zu ersetzen. Allerdings mussin diesem Fall die Beschränktheit der Folge (uε) vorausgesetzt werden. Damit können wirdie Folge (uε) aus Beispiel 4.14 auch nicht mehr als Gegenbeispiel wählen.

Satz 4.15

Es sei (uε) eine beschränkte Folge aus L2(Ω), sodass∫Ωuε(x)ϕ

(x,x

ε

)dx→

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕ(x, y)dydx

für ε → 0 und jedes ϕ ∈ D(Ω;C∞# (Y )) gilt. Dann konvergiert (uε) im Zwei-Skalen-Sinnegegen u.

23

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Beweis. Es sei ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) und (ϕm) eine Folge von Funktionen aus D(Ω;C∞# (Y )),die gegen ψ in L2(Ω;C#(Y )) für m→∞ konvergiert. Da der Raum D(Ω;C∞# (Y )) dicht inL2(Ω;C#(Y )) liegt, ist das möglich. Wir betrachten die folgende Gleichung zunächst fürjedes m und gehen anschlieÿend auf der rechten Seite zum Grenzwert m→∞ über. Danngilt

limε→0

∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx

= limm→∞

limε→0

[∫Ωuε(x)

[ψ(x,x

ε

)− ϕm

(x,x

ε

)]dx+

∫Ωuε(x)ϕm

(x,x

ε

)dx

].

(4.7)

Für den zweiten Term auf der rechten Seite von (4.7) gilt nach Voraussetzung

limm→∞

limε→0

∫Ωuε(x)ϕm

(x,x

ε

)dx

= limm→∞

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕm(x, y)dydx

=

∫Ω

∫Yu(x, y)ψ(x, y)dydx.

(4.8)

Den letzten Schritt aus (4.8) werden wir durch die folgende Ungleichungskette erläutern.Dabei verwenden wir die Ungleichung von Cauchy-Schwarz, die Beschränktheit von (uε)

und die Tatsache, dass∫

Ω

∫Y |ϕm − ψ|

2dydx ≤∫

Ω supy∈Y |ϕm − ψ|2dx gilt. Wir erhalten∣∣∣∣∫Ω

∫Yu(x, y)[ϕm(x, y)− ψ(x, y)]dydx

∣∣∣∣ ≤ c‖ϕm − ψ‖L2(Ω×Y ) ≤ c‖ϕm − ψ‖L2(Ω;C#(Y )) → 0

für m → ∞. Abschlieÿend müssen wir noch zeigen, dass der erste Term von (4.7) fürm→∞ gegen Null konvergiert. Wir betrachten zunächst die einzelnen Folgeglieder wendenerneut die Ungleichung von Cauchy-Schwarz, die Beschränktheit von (uε) und die Aussage(i) aus Lemma 4.9 an. Dann gilt∫

Ωuε(x)

[ψ(x,x

ε

)− ϕm

(x,x

ε

)]dx

≤c∥∥∥ψ (·, ·

ε

)− ϕm

(·, ·ε

)∥∥∥L2(Ω)

≤c‖ψ − ϕm‖L2(Ω;C#(Y )).

Nun gehen wir zum Grenzwert für ε→ 0 und m→∞ über und erhalten

limm→∞

limε→0

c‖ψ − ϕm‖L2(Ω;C#(Y )) = limm→∞

c‖ψ − ϕm‖L2(Ω;C#(Y )) = 0.

Somit folgt aus Gleichung (4.7) die Behauptung.

4.3 Wichtige Resultate der Zwei-Skalen-Konvergenz

In diesem Abschnitt werden wir die wichtigsten Resultate zur Zwei-Skalen-Konvergenz un-tersuchen. Für viele dieser Aussagen gibt es vergleichbare Resultate in Bezug auf die starkeoder schwache Konvergenz. Wir erinnern uns an die Denition der folgenunterhalbstetigen

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Funktionale. Es sei (uε) ⊂ L2(Ω) eine Folge, die schwach gegen u ∈ L2(Ω) konvergiert,dann gilt (siehe auch [Emm04, Lemma A.2.15])

lim infε→0

‖uε‖L2(Ω) ≥ ‖u‖L2(Ω).

Mit dem folgenden Satz (siehe auch [All92, Proposition 1.6] und [LNW02, Theorem 17])erhalten wir ein ähnliches Resultat für die Zwei-Skalen-Konvergenz.

Satz 4.16

Es sei (uε) eine Folge von Funktionen in L2(Ω), die im Zwei-Skalen-Sinne gegen u0 ∈L2(Ω× Y ) konvergiert. Dann gilt

limε→0‖uε‖L2(Ω) ≥ ‖u0‖L2(Ω×Y ) ≥ ‖u‖L2(Ω), (4.9)

wobei u ∈ L2(Ω) der schwache Grenzwert der Folge (uε) ist, also u(x) =∫Y u0(x, y)dy für

fast alle x ∈ Ω.

Beweis. Die schwache Konvergenz von (uε) gegen u folgt mit Satz 4.13. Es sei ψ ∈L2(Ω;C#(Y )). Wir betrachten

0 ≤∫

Ω

[uε(x)− ψ

(x,x

ε

)]2dx =

∫Ωuε(x)2dx+

∫Ωψ(x,x

ε

)2dx− 2

∫Ωuε(x)ψ

(x,x

ε

)dx.

Mit Hilfe der Zwei-Skalen-Konvergenz von (uε) gegen u erhalten wir die Konvergenz desletzten Terms gegen 2

∫Ω

∫Y u0(x, y)ψ (x, y) dxdy. Da ψ ein Element aus L2(Ω;C#(Y )) ist,

gilt nach Lemma 4.9

limε→0

∫Ωuε(x)2dx ≥ 2

∫Ω

∫Yu0(x, y)ψ (x, y) dxdy −

∫Ω

∫Yψ (x, y)2 dxdy

für ε → 0. Da ψ bisher beliebig war, können wir für ψ eine Folge (ψm) ⊂ L2(Ω;C#(Y ))

wählen, die stark gegen u0 ∈ L2(Ω× Y ) konvergiert. Dann gilt

limε→0

∫Ωuε(x)2dx ≥

∫Ω

∫Yu0(x, y)2dxdy.

Das ist die erste Ungleichung von (4.9). Die zweite folgt mittels der Ungleichung vonCauchy-Schwarz und |Y | = 1, wobei | · | das Lebesgue-Maÿ einer Menge bezeichnet. Es gilt

‖u‖2L2(Ω) =

∫Ωu(x)2dx =

∫Ω

(∫Yu0(x, y)dy

)2

dx

≤∫

Ω

(∫Y

12dy

)(∫Yu0(x, y)2dy

)dx

=

∫Ω

∫Yu0(x, y)2dydx = ‖u0‖2L2(Ω×Y ).

Damit sind beide Ungleichungen aus (4.9) gezeigt.

Der Satz 4.16 besagt, dass der Zwei-Skalen-Grenzwert u0 mehr Informationen2 über dieOszillationen der Folge enthält als der schwache Grenzwert u. Allerdings enthält die Folge

2Mehr Informationen leiten wir aus der gröÿeren Norm von u0 gegenüber von u ab. Wir können unsdas wie folgt vorstellen: Es sei f ∈ H1(Ω). Dann gilt ‖f‖H1(Ω) ≥ ‖f‖L2(Ω), weil in der H1-Norm die Normder Ableitung von f auftritt. Somit enthält die H1-Norm in gewisser Weise mehr Informationen als dieL2-Norm.

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selbst nochmal mehr Informationen als der Zwei-Skalen-Grenzwert. Der geringere Informa-tionsverlust des Zwei-Skalen-Grenzwertes in Bezug auf den schwachen Grenzwert ist fürdie Theorie der Homogenisierung von Bedeutung, denn diese gröÿere Informationsmengeermöglicht es, einige Homogenisierungsprobleme zu lösen. Eine ausführliche Einführung indie Homogenisierungstheorie bietet die Monograe von Cioranescu und Donato [CD99].

Ein weiterer Vorteil der Zwei-Skalen-Konvergenz wird im folgenden Satz (siehe auch [CD99,Theorem 9.8], [All92, Theorem 1.8] und [LNW02, Theorem 18]) deutlich. Bisher war es unsnicht möglich, Aussagen über die Konvergenz des Produktes von zwei schwach konvergie-renden Folgen zu treen. Für zwei im Zwei-Skalen-Sinne konvergierende Folgen erhaltenwir eine schwache Konvergenz.

Satz 4.17

Es sei (uε) eine Folge von Funktionen aus L2(Ω), die im Zwei-Skalen-Sinne gegen u0 ∈L2(Ω × Y ) konvergiert. Des Weiteren nehmen wir die Konvergenz der Normen in denjeweiligen Räumen an. Also gilt

limε→0‖uε‖L2(Ω) = ‖u0‖L2(Ω×Y ). (4.10)

Dann erhalten wir für jede Folge (vε) ⊂ L2(Ω), die im Zwei-Skalen-Sinne gegen v0 ∈L2(Ω× Y ) konvergiert, dass∫

Ωuε(x)vε(x)ϕ(x)dx→

∫Ωϕ(x)

∫Yu0(x, y)v0(x, y)dydx (4.11)

für ε→ 0 und alle ϕ ∈ D(Ω) gilt. Ist zusätzlich u0 ∈ L2(Ω;C#(Y )), so gilt

limε→0

∥∥∥uε(·)− u0

(·, ·ε

)∥∥∥L2(Ω)

= 0. (4.12)

Bevor wir zum Beweis dieses Satzes kommen, wollen wir noch auf zwei Auälligkeitenhinweisen. Erstens, schreiben wir die Voraussetzung (4.10) ausführlich aus, so erkennenwir, dass es genau die Bedingung (ii) aus Lemma 4.9 ist. Daher erfüllt jede Funktionenfolgeaus L2(Ω;C#(Y )) die Bedingung (4.10). Zweitens, das Resultat (4.12) ist eine Art starkeKonvergenz von (uε) gegen u in L2(Ω). Da ε auch in der Grenzfunktion u0 auftritt, könnenwir nur von einer Art starker Konvergenz sprechen.

Beweis. Nach Satz 4.6 liegt der Raum L2(Ω;C#(Y )) dicht in L2(Ω × Y ). Somit existierteine Folge (ψn) ⊂ L2(Ω;C#(Y )), sodass

limn→∞

‖ψn − u0‖L2(Ω×Y ) = 0 (4.13)

gilt. Wir betrachten folgenden Term, multiplizieren diesen aus und wenden auf die dreientstehenden Terme die Voraussetzung (4.10), die Zwei-Skalen-Konvergenz von (uε) gegen

26

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u0 und Lemma 4.9 an. Somit erhalten wir

limε→0

∫Ω

[uε(x)− ψn

(x,x

ε

)]2dx

= limε→0

∫Ωuε(x)2dx− lim

ε→02

∫Ωuε(x)ψn

(x,x

ε

)dx+ lim

ε→0

∫Ωψn

(x,x

ε

)2dx

=

∫Ω

∫Yu0(x, y)2dxdy − 2

∫Ω

∫Yu0(x, y)ψn (x, y) dxdy +

∫Ω

∫Yψn (x, y)2 dxdy

=

∫Ω

∫Y

[u0(x, y)− ψn (x, y)]2dxdy.

(4.14)

Wir gehen auf beiden Seiten zum Grenzwert n→∞ über und gelangen nach (4.13) zu

limn→∞

limε→0

∫Ω

[uε(x)− ψn

(x,x

ε

)]2dx = 0. (4.15)

Des Weiteren sei ϕ ∈ D(Ω). Dann gilt mit einer Nullergänzung∫Ωuε(x)vε(x)ϕ(x)dx =

∫Ω

[uε(x)− ψn

(x,x

ε

)]vε(x)ϕ(x)dx+

∫Ωψn

(x,x

ε

)vε(x)ϕ(x)dx.

(4.16)

Wir betrachten den ersten Term der rechten Seite von (4.16). Dann folgt mit der Be-schränktheit der Folge (vε) nach Satz 4.13 und der Ungleichnung von Cauchy-Schwarz dieAbschätzung∣∣∣∣∫

Ω

[uε(x)− ψn

(x,x

ε

)]vε(x)ϕ(x)dx

∣∣∣∣ ≤ C (∫Ω

[uε(x)− ψn

(x,x

ε

)]2dx

)1/2

.

Als Nächstes vollführen wir den Grenzübergang für ε → 0 und erhalten anschlieÿend mitHilfe des Dreifolgensatzes und der Konvergenz der Folge

(limε→0

∫Ω

[uε(x)− ψn

(x, xε

)]2dx)n

gegen Null aus (4.15) die Gleichung

limn→∞

limε→0

(∫Ω

[uε(x)− ψn

(x,x

ε

)]2dx

)1/2

= 0.

Wir betrachten den zweiten Term der rechten Seite von (4.16) und gelangen mit der An-

nahme vε2−→ v0 und der starken Konvergenz von (ψn) gegen u0 zu

limn→∞

limε→0

∫Ωψn

(x,x

ε

)vε(x)ϕ(x)dx

= limn→∞

∫Ω

∫Yv0(x, y)ψn(x, y)ϕ(x)dydx

=

∫Ω

∫Yv0(x, y)u0(x, y)ϕ(x)dydx.

Abschlieÿend setzen wir die beiden Termumformungen wieder in die Gleichung (4.16) ein.Dann folgt

limε→0

∫Ωuε(x)vε(x)ϕ(x)dx =

∫Ωϕ(x)

∫Yu0(x, y)v0(x, y)dydx.

Das ist genau die Behauptung (4.11). Gilt zusätzlich u0 ∈ L2(Ω;C#(Y )), so ergibt sich(4.12) aus (4.14) durch Ersetzen von ψn durch u0. Die zusätzliche Voraussetzung u0 ∈L2(Ω;C#(Y )) wird dabei für die Anwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz von (uε) gegenu0 in (4.14) benötigt.

27

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Der Satz 4.17 ist ein analoges Resultat für die Zwei-Skalen-Konvergenz zu folgende Aussageaus der Funktionalanalysis: Konvergiert eine Folge (uε) ⊂ L2(Ω) schwach gegen u0 ∈ L2(Ω)

und gilt

limε→0‖uε‖L2(Ω) = ‖u0‖L2(Ω),

so erhalten wir starke Konvergenz von (uε) gegen u0 in L2(Ω) (siehe auch [Bre11, Propo-sition 3.32]).

Der folgende Satz (siehe auch [All92, Lemma 1.13] und [LNW02, Theorem 19]) zeigt, dassjedes Element aus L2(Ω×Y ) ein Zwei-Skalen-Grenzwert einer zugehörigen Folge ist. Damithaben Zwei-Skalen-Grenzwerte keine zusätzlichen Eigenschaften, insbesondere auch keinezusätzliche Regularität.

Satz 4.18

Jede Funktion u ∈ L2(Ω × Y ) ist der Zwei-Skalen Grenzwert einer Folge von Funktionenaus L2(Ω).

Beweis. Nach Satz 4.6 liegt L2(Ω;C#(Y )) dicht in L2(Ω×Y ). Daher nden wir eine Folgevon Funktionen (un) in L2(Ω;C#(Y )), für die

limn→∞

‖un − u‖L2(Ω×Y ) = 0

gilt. Der Raum L2(Ω;C#(Y )) ist nach Satz 4.3 separabel, sodass eine abzählbare Familie(ψm)m∈N existiert, die dicht in L2(Ω;C#(Y )) liegt. Erneut argumentieren wir mit derDichtheit von L2(Ω;C#(Y )) in L2(Ω×Y ) und erhalten für jedes ψ ∈ L2(Ω×Y ) und jedesδ > 0 ein η ∈ L2(Ω;C#(Y )) und ein k ∈ N, sodass

‖ψk − ψ‖L2(Ω×Y ) ≤ ‖ψk − η‖L2(Ω×Y ) + ‖η − ψ‖L2(Ω×Y )

≤ ‖η − ψ‖L2(Ω×Y )︸ ︷︷ ︸wähle zuerst η so, dass ‖·‖≤δ

+ ‖ψk − η‖L2(Ω;C#(Y ))︸ ︷︷ ︸wähle danach k so, dass ‖·‖≤δ

≤ 2δ

gilt. Daher liegt die Familie (ψm) auch dicht im Raum L2(Ω×Y ). Nach Satz 4.12 konvergiertfür festes n die Folge (un(·, ·ε)) im Zwei-Skalen-Sinne gegen un(·, ·) für ε→ 0. Somit existiertfür jedes δ > 0 ein ε(n) aus der Folge (ε), sodass für alle ε < ε(n)∣∣∣∣∫

Ωun

(x,x

ε

)ϕ(x,x

ε

)dx−

∫Ω

∫Yun(x, y)ϕ(x, y)dydx

∣∣∣∣ ≤ δfür alle ϕ ∈ L2(Ω;C#(Y )) gilt. Wir wählen für δ die Werte

δn = ‖un − u‖L2(Ω×Y ).

Dann konvergiert die Folge (δn) gegen Null für n → ∞, da (un) gegen u in L2(Ω × Y )

konvergiert. Daher existiert eine Teilfolge (ε(n))n von (ε) mit (ε(n)) gegen Null für n→∞und ∣∣∣∣∫

Ωun

(x,

x

ε(n)

)ψk

(x,

x

ε(n)

)dx−

∫Ω

∫Yun(x, y)ψk(x, y)dydx

∣∣∣∣ ≤ δn (4.17)

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für k ∈ N. Anstelle von ψk ∈ L2(Ω;C#(Y )) setzen wir un ∈ L2(Ω;C#(Y )) ein und erhal-ten3 ∣∣∣∣∣

∫Ωun

(x,

x

ε(n)

)2

dx−∫

Ω

∫Yun(x, y)2dydx

∣∣∣∣∣ ≤ δn. (4.18)

Unser Ziel ist es, die Zwei-Skalen-Konvergenz von (un(x, xε(n)))n gegen u zu zeigen. Dann

sind wir fertig. Aufgrund der Dichtheitseigenschaft der Folge (ψm) existiert für jedes δ > 0

und jedes ϕ ∈ L2(Ω;C#(Y )) ein k ∈ N mit ‖ψk − ϕ‖2L2(Ω×Y ) < δ. Dann gilt∣∣∣∣∫Ωun

(x,

x

ε(n)

(x,

x

ε(n)

)dx−

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕ(x, y)dydx

∣∣∣∣≤∣∣∣∣∫

Ωun

(x,

x

ε(n)

(x,

x

ε(n)

)dx−

∫Ωun

(x,

x

ε(n)

)ψk

(x,

x

ε(n)

)dx

∣∣∣∣+

∣∣∣∣∫Ωun

(x,

x

ε(n)

)ψk

(x,

x

ε(n)

)dx−

∫Ω

∫Yun(x, y)ψk(x, y)dydx

∣∣∣∣+

∣∣∣∣∫Ω

∫Yun(x, y)ψk(x, y)dydx−

∫Ω

∫Yu(x, y)ψk(x, y)dydx

∣∣∣∣+

∣∣∣∣∫Ω

∫Yu(x, y)ψk(x, y)dydx−

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕ(x, y)dydx

∣∣∣∣ .

(4.19)

Wir werden die Konvergenz gegen Null für n → ∞ von jedem der vier Terme auf derrechten Seite von (4.19) zeigen. Wir beginnen mit dem ersten Term. Aus (4.18) folgt dieBeschränktheit von un (·, ·/ε(n)) in L2(Ω), denn es gilt∣∣∣∣∣

∥∥∥∥un(·, ·ε(n)

)∥∥∥∥2

L2(Ω)

− ‖un‖2L2(Ω×Y )

∣∣∣∣∣ ≤ δn.Da ‖un‖L2(Ω×Y ) konvergiert und (δn) eine Nullfolge ist, folgt die Beschränktheit von(un (·, ·/ε(n)))n. Somit erhalten wir mit der Ungleichung von Cauchy-Schwarz

limn→∞

∣∣∣∣∫Ωun

(x,

x

ε(n)

(x,

x

ε(n)

)dx−

∫Ωun

(x,

x

ε(n)

)ψk

(x,

x

ε(n)

)dx

∣∣∣∣2≤ limn→∞

c

∫Ω

∣∣∣∣ϕ(x, x

ε(n)

)− ψk

(x,

x

ε(n)

)∣∣∣∣2 dx=c

∫Ω

∫Y|ϕ(x, y)− ψk(x, y)|2 dydx ≤ cδ.

(4.20)

Für den zweiten Term folgt nach (4.17)

limn→∞

∣∣∣∣∫Ωun

(x,

x

ε(n)

)ψk

(x,

x

ε(n)

)dx−

∫Ω

∫Yun(x, y)ψk(x, y)dydx

∣∣∣∣ = 0. (4.21)

Mittels der Ungleichung von Cauchy-Schwarz erhalten wir für den dritten Term

limn→∞

∣∣∣∣∫Ω

∫Yun(x, y)ψk(x, y)dydx−

∫Ω

∫Yu(x, y)ψk(x, y)dydx

∣∣∣∣≤ limn→∞

‖un − u‖L2(Ω×Y )‖ψk‖L2(Ω×Y ) = 0,

(4.22)

3Für die Anwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz in (4.18) benötigen wir ψk ∈ L2(Ω;C#(Y )). In [All92,Lemma 1.13] wurde in diesem Beweis nur ψk ∈ L2(Ω×Y ) vorausgesetzt. Das ist an dieser Stelle unsauber.

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da un → u in L2(Ω × Y ). Für den letzten Term gilt erneut mit der Ungleichung vonCauchy-Schwarz ∣∣∣∣∫

Ω

∫Yu(x, y)ψk(x, y)dydx−

∫Ω

∫Yu(x, y)ϕ(x, y)dydx

∣∣∣∣≤‖u‖L2(Ω×Y )‖ψk − ϕ‖L2(Ω×Y ) ≤ cδ.

(4.23)

Da δ beliebig war, konvergieren alle vier Terme (4.20)-(4.23) gegen Null und somit folgtmit (4.19) die Behauptung.

Bisher haben wir ausschlieÿlich die Zwei-Skalen-Konvergenz in L2(Ω) betrachtet. Für denHomogenisierungsprozess bei Dierentialgleichungen benötigen wir oft den Raum H1(Ω).In diese Richtung führt uns auch der folgende Satz (siehe [CD99, Theorem 9.9], [All92,Proposition 1.14 (i)] und [LNW02, Theorem 20]).

Satz 4.19

Es sei (uε) ⊂ H1(Ω) und u ∈ H1(Ω) mit

uε u

in H1(Ω). Dann konvergiert (uε) im Zwei-Skalen-Sinne gegen u und es existieren eineTeilfolge (ε) und ein u1 = u1(x, y) ∈ L2(Ω;H1

#(Y )/R), sodass

∇uε2−→ ∇u+∇yu1.

Beweis. Die Folgen (uε) und (∇uε) sind beschränkt in L2(Ω) und [L2(Ω)]n, da schwachkonvergente Folgen beschränkt sind. Nach Satz 4.11 existiert eine Teilfolge, die wir wiedermit (ε) bezeichnen, ein u0 ∈ L2(Ω × Y ) und ein U ∈ [L2(Ω × Y )]n, sodass uε

2−→ u0 und

∇uε2−→ U . Das bedeutet

limε→0

∫Ωuε(x)ϕ

(x,x

ε

)dx =

∫Ω

∫Yu0(x, y)ϕ(x, y)dydx,

limε→0

∫Ω∇uε(x) · Φ

(x,x

ε

)dx =

∫Ω

∫YU(x, y) · Φ(x, y)dydx

(4.24)

für jedes ϕ ∈ D(Ω;C∞# (Y )) und jedes Φ ∈ [D(Ω;C∞# (Y ))]n. Da uε2−→ u0 folgt mit Satz 4.13

die schwache Konvergenz von (uε) gegen u(·) =∫Y u0(·, y)dy. Aufgrund der Eindeutigkeit

des schwachen Grenzwertes gilt u = u.Im Weiteren wollen wir zeigen, dass u0 nicht von y abhängt. Ist das gezeigt, so gilt

u(x) = u(x) =

∫Yu0(x)dy = u0(x)

für alle x ∈ Ω. Da der schwache Grenzwert u eindeutig ist, konvergiert die gesamte Fol-ge (uε) im Zwei-Skalen-Sinne gegen u. Denn angenommen, das ist nicht der Fall. Dannexistiert eine Teilfolge und eine Umgebung um u, sodass keine Folgenglieder in dieser Um-gebung liegen. Nach obiger Argumentation nden wir eine Teilfolge der Teilfolge, die gegenu im Zwei-Skalen-Sinne konvergiert. Das ist ein Widerspruch.

30

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Nun betrachten wir für festes ε die zweite Gleichung von (4.24) und wenden die distribu-tionelle Ableitung aus Denition 2.19 auf die linke Seite an. Dann ergibt sich∫

Ω∇uε(x) · Φ

(x,x

ε

)dx = −

n∑i=1

∫Ωuε(x)

[∂Φi

∂xi

(x,x

ε

)+

1

ε

∂Φi

∂yi

(x,x

ε

)]dx. (4.25)

Wir stellen die Gleichung um, multiplizieren beide Seiten mit ε und erhalten

n∑i=1

∫Ωuε(x)

∂Φi

∂yi

(x,x

ε

)dx = ε

[∫Ω∇uε(x) · Φ

(x,x

ε

)dx+

n∑i=1

∫Ωuε(x)

∂Φi

∂xi

(x,x

ε

)dx

].

Als Nächstes gehen wir zum Grenzwert ε→ 0 über. Mit Hilfe der Zwei-Skalen-Konvergenzvon (uε) gegen u0 und (∇uε) gegen U sowie der Tatsache, dass ∂Φi

∂xi

(·, ·ε)∈ D(Ω;C∞# (Y ))

und ∂Φi∂yi

(·, ·ε)∈ D(Ω;C∞# (Y )) für alle i = 1, . . . , n, gilt, folgt

n∑i=1

∫Ω

∫Yu0(x, y)

∂Φi

∂yi(x, y)dydx = 0.

Mit der Regel der partiellen Integration gelangen wir zu∫Ω

∫Y∇yu0(x, y) · Φ(x, y)dydx = 0

für jedes Φ ∈ D(Ω;C∞# (Y ))n. Somit erhalten wir nach dem Fundamentallemma der Varia-tionsrechnung

∇yu0(x, y) = 0

für fast alle (x, y) ∈ Ω×Y . Wir wenden die Poincaré-Ungleichung aus Satz 2.11 mit Bezugauf y an und gelangen zu

u0(x, y) =MY (u0(x, ·))

für fast alle (x, y) ∈ Ω× Y . Daher hängt u0 nicht von y ab. Somit konvergiert die gesamteFolge (uε) im Zwei-Skalen-Sinne gegen u.

Abschlieÿend werden wir zeigen, dass U(x, y) = ∇u(x)+∇yu1(x, y) gilt. Dafür wählen wirΦ ∈ [D(Ω;C∞# (Y ))]n mit ∂Φi

∂yi(x, y) = 0. Wir betrachten die zweite Gleichung von (4.24) und

wenden die Regel der partiellen Integration an. Dann folgt mit der Zwei-Skalen-Konvergenzvon (uε) gegen u ∫

Ω

∫YU(x, y) · Φ(x, y)dydx

= limε→0

∫Ω∇uε(x) · Φ

(x,x

ε

)dx

= − limε→0

∫Ωuε(x)

[∂Φi

∂xi

(x,x

ε

)+

1

ε

∂Φi

∂yi

(x,x

ε

)]dx

= −∫

Ω

∫Yu(x)

∂Φi

∂xi(x, y)dydx

=

∫Ω

∫Y∇u(x) · Φ(x, y)dydx.

(4.26)

31

Page 36: Eine Einführung in Zwei-Skalen-Konvergenz und ihre ... · Zwei-Skalen-Konvergenz bei einem Homogenisierungsprozess darlegen. Zum Ende möchten wir in Kapitel 6 eine Zusammenfassung

Wir betrachten die erste und die letzte Gleichung von (4.26), stellen diese um und erhalten∫Ω

∫Y

(U(x, y)−∇u(x)) · Φ(x, y)dydx = 0.

für jedes Φ ∈ [D(Ω;C∞# (Y ))]n mit ∂Φi∂yi

(x, y) = 0. Als Nächstes greifen wir auf das Resultat[Tem79, Proposition 1.1] zurück. Dieses besagt, dass aus (F,Φ)L2(Ω×Y ) = 0 für alle Φ ∈D(Ω) mit div Φ = 0, folgt, dass F ein Potential besitzt. Für festes x betrachten wir F (y) =

U(x, y)−∇u(x) und erhalten ein Potential u1(x) ∈ H1#(Ω). Da in diesem Fall auch u1(x)+c

mit einer Konstanten c ein Potential ist, wählen wir u1(x) ∈ H1#(Y )/R und gelangen somit

zur Eindeutigkeit des Potentials. Dann gilt

∇yu1(x, y) = U(x, y)−∇u(x)

mit u1 ∈ L2(Ω;H1#(Y )/R). Die Funktion u1 liegt im Raum L2(Ω;H1

#(Y )/R), weil u ∈H1(Ω), also ∇u ∈ [L2(Ω)]n und U ∈ [L2(Ω× Y )]n gilt.

32

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Kapitel 5

Homogenisierung eines linearen

elliptischen Problems zweiter

Ordnung

5.1 Lineare elliptische Randwertprobleme

Wir geben zunächst eine Einführung in Randwertprobleme mit elliptischen partiellen Die-rentialgleichungen, bevor wir uns im nächsten Abschnitt dem Homogenisierungsprozesszuwenden. Dafür betrachten wir das Problem (5.4) und nden mit Hilfe von Satz 5.1 eineeindeutige Lösung.Hierzu sei Ω eine beschränkte und oene Teilmenge des Rn. Auÿerdem sei A = (aij)1≤i,j≤neine n × n Matrix mit A ∈ L∞(Ω)n×n. Für α, β ∈ R mit 0 < α < β nehmen wir an, dassA die Voraussetzungen

(A(x)ξ, ξ) ≥ α|ξ|2

|A(x)ξ| ≤ β|ξ|(5.1)

für jedes ξ ∈ Rn und für fast alle x ∈ Ω erfüllt. Dabei bezeichnen wir mit | · | die euklidischeNorm im Rn. Des Weiteren denieren wir den Operator A vermöge

A = −div(A∇) = −n∑

i,j=1

∂xi

(aij(x)

∂xj

). (5.2)

Ist die Matrix A die Identitätsabbildung, so vereinfacht sich (5.2) zum negativen Laplace-Operator, denn es gilt

A = −n∑i=1

∂2

∂x2i

= −∆.

Operatoren, die die erste Bedingung von (5.1) erfüllen, nennen wir elliptisch. Wir wer-den diese Bedingung noch einmal in der Summenschreibweise formulieren, damit wir imWeiteren darauf zurückgreifen können. Es gilt

n∑i,j=1

ai,j(x)ξiξj ≥ αn∑i=1

ξ2i (5.3)

33

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für fast alle x ∈ Ω und alle ξ ∈ Rn.Wir betrachten folgendes Problem mit homogenen Dirichlet-Randbedingungen

−div(A∇u) = f in Ω,

u = 0 auf ∂Ω.

Die zugehörige schwache Formulierung lautet:Zu f ∈ H−1(Ω) nde u ∈ H1

0 (Ω), sodass

a(u, v) = 〈f, v〉H−1(Ω),H10 (Ω) für alle v ∈ H1

0 (Ω),(5.4)

wobei

a(u, v) =n∑

i,j=1

∫Ωai,j(x)

∂u

∂xi

∂v

∂xjdx =

∫Ω

(A∇u) · ∇vdx für alle v ∈ H10 (Ω). (5.5)

Die Existenz und Eindeutigkeit einer schwachen Lösung liefert uns der folgende Satz (sieheauch [CD99, Theorem 4.16]).

Satz 5.1

Die Matrix A erfülle die Bedingungen aus (5.1). Dann gibt es für jedes f ∈ H−1(Ω) eineeindeutige Lösung u ∈ H1

0 (Ω) des Problems (5.4). Für die Lösung u gilt die Abschätzung

‖u‖H10 (Ω) ≤

1

α‖f‖H−1(Ω), (5.6)

wobei ‖u‖H10 (Ω) = ‖∇u‖L2(Ω) und α wie in (5.1).

Beweis. Die Idee des Beweises ist es, das Lemma von Lax-Milgram anzuwenden. Dafürwerden wir die Bilinearität, Beschränktheit und starke Positivität von a zeigen. Die Bili-nearität erkennen wir aus (5.5).Als Nächstes widmen wir uns der starken Positivität. Mit Hilfe von (5.5) und (5.3) gelangenwir zu

a(v, v) =

n∑i,j=1

∫Ωai,j(x)

∂v

∂xi

∂v

∂xjdx

≥αn∑i=1

∥∥∥∥ ∂v∂xi∥∥∥∥2

L2(Ω)

= α‖∇v‖2L2(Ω) = α‖v‖2H10 (Ω) für alle v ∈ H1

0 (Ω).

(5.7)

Damit ist die starke Positivität von a gezeigt. Somit bleibt zur verizieren, dass a be-schränkt ist. Hierfür verwenden wir (5.1) und die Ungleichung von Cauchy-Schwarz. Danngilt

|a(v, w)| =∣∣∣∣∫

Ω(A∇v) · ∇wdx

∣∣∣∣≤∫

Ω|(A∇v) · ∇w|dx ≤

∫Ω|A∇v||∇w|dx

≤β∫

Ω|∇v||∇w|dx ≤ β‖∇v‖L2(Ω)‖∇w‖L2(Ω)

=β‖v‖H10 (Ω)‖w‖H1

0 (Ω) für alle v, w ∈ H10 (Ω).

34

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Daher ist a eine beschränkte Form auf H10 (Ω) × H1

0 (Ω). Der Raum H10 (Ω) ist ein Hil-

bertraum. Somit können wir das Lemma von Lax-Milgram anwenden und erhalten dieExistenz und Eindeutigkeit einer Lösung vom Problem (5.4). Die Abschätzung (5.6) folgtmit (5.7), denn es gilt

α‖u‖2H10 (Ω) ≤ a(u, u) = 〈f, u〉H−1(Ω),H1

0 (Ω) ≤ ‖f‖H−1(Ω)‖u‖H10 (Ω)

⇐⇒‖u‖H10 (Ω) ≤

1

α‖f‖H−1(Ω).

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden neben homogenen Dirichlet-Randbedingungenauch periodische Randbedingungen eine Rolle spielen. Wir nehmen die Y -Periodizität derKoezientenfunktionen aij und f an und betrachten folgendes Problem

−div(A∇u) = f in Ω,

u Y-periodisch.(5.8)

Da wir keine Angaben für die Funktionswerte von u am Rand von Ω haben und auch nichtsüber die Funktionswerte der Ableitung von u wissen, wie zum Beispiel bei NeumannschenRandbedingungen, brauchen wir einen neuen Lösungsraum, in dem die Funktionen u lie-gen. In dem gesuchten Raum müssen die Elemente mindestens eine schwache Ableitungbesitzen und Y -periodisch sein. Ist u eine klassische Lösung des Problems (5.8), so auchu + c für jede Konstante c, da in diesem Fall u + c die Gleichung div(A∇u) = f und dieRandbedingung erfüllt. Um trotzdem eindeutige Lösungen erhalten zu können, bietet sichan dieser Stelle der Raum H1

#(Y )/R an, den wir in Denition 4.1 eingeführt haben. Dieschwache Formulierung von (5.8) lautet:Für f ∈ (H1

#(Y )/R)∗ nde u ∈ H1#(Y )/R, sodass

aY (u, v) = 〈f, v〉(H1#(Y )/R)∗,H1

#(Y )/R für alle v ∈ H1#(Y )/R,

(5.9)

wobei

aY (u, v) =

∫Y

(A∇u) · ∇vdy, für alle u ∈ u, v ∈ v. (5.10)

Da u und v in der schwachen Formulierung ausschlieÿlich als ∇u und ∇v auftreten, ist(5.10) wohldeniert, weil Konstanten beim Ableiten entfallen.

5.2 Einführung in die Homogenisierungstheorie

Wir untersuchen den Homogenisierungsprozess bei einem linearen elliptischen Problemzweiter Ordnung. Dieses Kapitel ist an [CD99, Kapitel 5.1] angelehnt. Am Beispiel desProblems mit Dirichlet-Randbedingungen wollen wir die Gedankengänge, mit denen wir zurhomogenisierten Gleichung gelangen, darlegen. Auÿerdem werden wesentliche Schritte ausdiesem Beispiel im nächsten Abschnitt erneut verwendet. Hierzu sei ε > 0, A ∈ L∞(Ω)n×n

und Aε deniert via

Aε(x) := A(xε

)35

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für fast alle x ∈ Ω. Die Einträge bezeichnen wir mit Aε(x) = (aεij(x))1≤i,j≤n. Wir fordern,dass Aε(x) für jedes feste ε > 0 die Bedingungen (5.1) erfüllt. Nun können wir das Problemmit Dirichlet-Randbedingungen aufstellen. Es hat die Form

−div(Aε∇uε) = f in Ω,

uε = 0 auf ∂Ω.(5.11)

Die zugehörige schwache Formulierung lautet:Zu f ∈ H−1(Ω) nde uε ∈ H1

0 (Ω), sodass

a(uε, v) = 〈f, v〉H−1(Ω),H10 (Ω) für alle v ∈ H1

0 (Ω),(5.12)

wobei

a(uε, v) =n∑

i,j=1

∫Ωai,j(x)

∂uε∂xi

∂v

∂xjdx =

∫Ω

(A∇uε) · ∇vdx für alle v ∈ H10 (Ω).

Nach Satz 5.1 existiert für jedes feste ε eine eindeutige Lösung uε ∈ H10 (Ω), die der schwa-

chen Formulierung (5.12) genügt. Mit der Abschätzung (5.6) erhalten wir die Beschränkt-heit von (uε), da

‖uε‖H10 (Ω) ≤

1

α‖f‖H−1(Ω) (5.13)

gilt. Nach Satz 2.1 existiert eine Teilfolge (uε′) von (uε) und eine Funktion u0 ∈ H1

0 (Ω),sodass

uε′ u0 in H1

0 (Ω) (5.14)

gilt. A priori hängt u0 von der speziellen Teilfolge (uε′) ab. An dieser Stelle können wir

uns zwei Fragen stellen. Erstens, gibt es ein Randwertproblem, dessen Lösung genau derpostulierte Grenzwert u0 ist? Und zweitens, wenn das so ist, hängt dann der Grenzwert u0

von der Wahl der Teilfolge (uε′) ab?

Wir suchen im Folgenden Antworten auf diese beiden Fragen. Dafür führen wir den Vektorξε ∈ Rn ein. Wir denieren

ξε = (ξε1, · · · , ξεn) =

n∑j=1

aε1j∂uε

∂xj, · · · ,

n∑j=1

aεnj∂uε

∂xj

= Aε∇uε.

Dieser genügt nach (5.12) der Gleichung∫Ωξε · ∇vdx = 〈f, v〉H−1(Ω),H1

0 (Ω) für alle v ∈ H10 (Ω). (5.15)

Mit Hilfe von (5.1) und (5.13) ergibt sich

‖ξε‖L2(Ω) = ‖Aε∇uε‖L2(Ω) ≤ β‖∇uε‖L2(Ω) = β‖uε‖H10 (Ω) ≤

β

α‖f‖H−1(Ω).

36

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Nun wenden wir erneut Satz 2.1 an und erhalten eine Teilfolge (ξε′) und eine Funktion

ξ0 ∈ (L2(Ω))n, sodass

ξε′ ξ0 in (L2(Ω))n (5.16)

gilt. Da ∇v ∈ (L2(Ω))n können wir auf der linken Seite von (5.15) zum Grenzwert fürε→ 0 übergehen (mit ξε

′anstelle von ξε) und erhalten∫

Ωξ0 · ∇vdx = 〈f, v〉H−1(Ω),H1

0 (Ω) für alle v ∈ H10 (Ω).

Das ist genau die schwache Formulierung aus (5.12) und es gilt

−div ξ0 = f in Ω. (5.17)

Damit ist der Homogenisierungsprozess abgeschlossen, denn wir haben gezeigt, dass derschwache Grenzwert ξ0 das Dierentialgleichungsproblem löst. Somit wäre die erste derbeiden Fragen positiv beantwortet, wenn wir den Vektor ξ0 durch den Grenzwert u0 aus-drücken könnten. Hierfür betrachten wir folgenden Spezialfall.

Wir nehmen an, (Aε) konvergiere gegen A in (L∞(Ω))n×n. Dann ist es möglich, einenexpliziten Zusammenhang zwischen u0 und ξ0 herzustellen. Wir bezeichnen mit tB dietransponierte Matrix einer beliebigen Matrix B und mit 〈·, ·〉(L2(Ω))n,(L2(Ω))n das Skalar-produkt in (L2(Ω))n. Dann folgt aus Satz 2.2 und (5.14) für ϕ ∈ (L2(Ω))n

limε′→0

∫ΩAε′∇uε′ϕdx

= limε′→0〈Aε′∇uε′ , ϕ〉(L2(Ω))n,(L2(Ω))n

= limε′→0〈∇uε′ , tAε′ϕ〉(L2(Ω))n,(L2(Ω))n

=〈∇u0, tAϕ〉(L2(Ω))n,(L2(Ω))n

=〈A∇u0, ϕ〉(L2(Ω))n,(L2(Ω))n

=

∫ΩA∇u0ϕdx.

Das ist die schwache Konvergenz von ξε′

= Aε′∇uε′ gegen A∇u0. Mit (5.16) und der

Eindeutigkeit des schwachen Grenzwertes folgt

ξ0 = A∇u0.

Somit ist eine explizite Beziehung zwischen u0 und ξ0 gefunden und die erste Frage indiesem speziellen Fall positiv beantwortet. Nach (5.17) ist u0 die schwache Lösung von

− div(A∇u0) = f in Ω,

u0 = 0 auf ∂Ω.

Da A als starker Grenzwert von (Aε) wieder die Bedingungen (5.1) erfüllt, ist der Satz5.1 anwendbar. Somit ist u0 die einzige Lösung und nach Satz 2.1 konvergiert die gesamteFolge (uε) gegen u0. Damit ist auch die zweite Frage für diesen speziellen Fall beantwortet.

37

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Leider ist die starke Konvergenz von (Aε) gegen A im Allgemeinen nicht gegeben, sodasswir bei der Beantwortung der beiden Fragen noch nicht wesentlich weiter sind. Da allerdingsder Raum (L1(Ω))n×n separabel ist und die Folge (Aε) nach (5.1) und der Beschränktheitvon Ω in (L∞(Ω))n×n beschränkt ist, liefert uns Satz 2.3 eine schwach* konvergente Teil-folge in (L∞(Ω))n×n mit Grenzwert A.

Andererseits wird in [CD99, Kapitel 13] gezeigt, dass für jede Folge (Aε), die (5.1) fürjedes feste ε genügt, eine Matrix A0 existiert (die von der Teilfolge (ε′) abhängt), sodassξ0 = A0∇u0 gilt. Die Funktion u0 ist dabei die eindeutige Lösung von

−div(A0∇u0) = f in Ω,

u0 = 0 auf ∂Ω.(5.18)

Allerdings ist im Allgemeinen A0 verschieden von A. Auÿerdem ist A0 nicht eindeutigund es lässt sich nicht zeigen, dass die gesamte Folge (uε) gegen u0 konvergiert. Sind dieKoezientenfunktionen der Matrizen Aε periodisch, so lässt sich zeigen, dass A0 und somitauch u0 unabhängig von der Teilfolge (ε′) ist. Genauere Ausführungen nden wir hierzuin [BLP78, Chapter 1, Abschnitt 9]. Damit ist u0 im periodischen Fall eindeutig und ausSatz 2.1 folgt, dass die gesamte Folge (uε) gegen u0 konvergiert. In diesem Fall sind beideFragen positiv beantwortet und wir nennen (5.18) das homogenisierte Problem, A0 diehomogenisierte Matrix und u0 die homogenisierte Lösung. An dieser Stelle möchten wirden Leser auf die genannte Literatur verweisen und uns der Anwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz zuwenden.

5.3 Anwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz auf das Homo-

genisierungsproblem

In diesem Abschnitt beweisen wir einen wichtigen Satz aus der Homogenisierungstheo-rie mit Hilfe der von uns eingeführten Zwei-Skalen-Konvergenz. Dabei stellt unser Beweisnur eine von verschiedenen Möglichkeiten dar. Schon 1978 lieferte Tartar in [Tar78] einenBeweis über die Methode der oszillierenden Testfunktionen (siehe auch [CD99, Kapitel8]). Da diese Aussage aber in mehreren Quellen über die Zwei-Skalen-Konvergenz (sie-he [CD99, Abschnitt 9.3], [All92, Theorem 2.3] und [LNW02, Theorem 21]) als wichtigeAnwendung der Zwei-Skalen-Konvergenz beschrieben wird, werden wir das Resultat hierbeweisen. Hierfür untersuchen wir den Grenzprozess für ε→ 0 von folgendem Problem

−div(Aε∇uε) = f in Ω

uε = 0 auf ∂Ω.(5.19)

Dabei ist Ω ein beschränktes Lipschitzgebiet im Rn, f : Ω → R eine Funktion und A =

(aij(x))1≤i,j≤n ∈ L∞(Ω)n×n eine Y -periodische Matrix, die die Bedingungen (5.1) erfüllt.Dann denieren wir die ebenso Y -periodischen Matrizen Aε(x) vermöge

Aε(x) = A(xε

)= (aεij(x))1≤i,j≤n für fast alle x ∈ Rn.

38

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Wir betrachten die schwache Formulierung von (5.19). Für f ∈ H−1(Ω) suchen wir uε ∈H1

0 (Ω) mit∫Ω

(Aε(x)∇uε(x)) · ∇w(x)dx =

∫Ωf(x)w(x)dx für alle w ∈ H1

0 (Ω). (5.20)

Nun können wir den zentralen Satz dieses Abschnittes formulieren.

Satz 5.2

Die Folge der Lösungen (uε) von (5.20) konvergiert schwach gegen u in H10 (Ω) und die Folge

(∇uε) konvergiert im Zwei-Skalen-Sinne gegen ∇u+∇yu1, wobei (u, u1) = (u(x), u1(x, y)) ∈H1

0 (Ω)× L2(Ω;H1#(Y )/R) die eindeutige Lösung des homogenisierten Problems∫

Ω

∫Y

(A(y)(∇u(x) +∇yu1(x, y))) · (∇v(x) +∇yv1(x, y))dydx =

∫Ωf(x)v(x)dx,

für jedes v ∈ H10 (Ω) und v1 ∈ L2(Ω;H1

#(Y )/R) ist.

Für den Beweis werden wir eine Greensche Formel benötigen. Wir verwenden die Formu-lierung aus [CD99, Theorem 3.33].

Satz 5.3

Es sei Ω ein Lipschitzgebiet im Rn und u, v ∈ H1(Ω). Dann gilt∫Ωu∂v

∂xidx = −

∫Ωv∂u

∂xidx+

∫∂Ωγ(u)γ(v)ηids

für 1 ≤ i ≤ n. Mit η = (η1, . . . , ηn) bezeichnen wir den äuÿeren Normalvektor und mitγ(u) die Spur von u bezüglich Ω. Also gilt γ(u) = u|∂Ω.

Beweis. Die Beweisidee nden wir im [Heu81, Seite 524].

Beweis von Satz 5.2. Wir argumentieren zunächst wie bei (5.11)-(5.14) und erhalten eineTeilfolge, die wie jetzt mit (uε) bezeichnen, sodass

uε u in H10 (Ω).

Mit Satz 4.19 folgt die Existenz einer weiteren Teilfolge, die wir wieder mit (uε) bezeichnen,und einer Funktion u1 ∈ L2(Ω;H1

#(Y )/R), sodassuε

2−→ u,

∇uε 2−→ ∇u+∇yu1

gilt. Wir wollen die schwache Formulierung aus (5.20) mit der Lösung selbst testen. Daherdenieren wir wε(x) = v(x) + εv1(x, x/ε) mit v ∈ D(Ω) und v1 ∈ D(Ω;C∞# (Y )), setzen wε

in (5.20) ein und erhalten∫Ω

(Aε(x)∇uε(x)) ·(∇v(x) +∇yv1

(x,x

ε

))dx+ ε

∫Ω

(Aε(x)∇uε(x)) · ∇xv1

(x,x

ε

)dx

=

∫Ωf(x)

(v(x) + εv1

(x,x

ε

))dx.

39

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Um die Zwei-Skalen-Konvergenz von ∇uε anwenden zu können, dürfen Aε(x) und ∇uε(x)

nicht mehr über die Matrix-Vektor-Multiplikation verknüpft sein. Daher transponieren wirdie Matrix Aε(x) auf die andere Seite des Skalarproduktes und erhalten∫

Ω∇uε(x) ·

[tAε(x)

(∇v(x) +∇yv1

(x,x

ε

))]dx+ ε

∫Ω∇uε(x) ·

[tAε(x)∇xv1

(x,x

ε

)]dx

=

∫Ωf(x)

(v(x) + εv1

(x,x

ε

))dx.

Nun können wir zum Grenzwert für ε → 0 übergehen. Wir wollen die Zwei-Skalen-Kon-vergenz von ∇uε anwenden. Daher identizieren wir v ∈ D(Ω) mit einer Funktion v ∈D(Ω;C∞# (Y )) indem wir v(x, y) = v(x) setzen. Damit ist v(x, ·) eine konstante undsomit periodische Funktion in C∞# (Y ). Da tAε genau wie Aε eine periodische Funkti-on aus L∞(Ω)n×n ist, können wir hier genauso wie bei v ∈ D(Ω) vorgehen. Somit ist[tAε(x)

(∇v(x) +∇yv1

(x, xε

))]eine möglich Testfunktion und wir können nach der De-

nition der Zwei-Skalen-Konvergenz 4.8 auf der linken Seite zum Grenzwert für ε → 0

übergehen. Die Konvergenz der rechten Seite folgt nach Lemma 4.9. Es gilt∫Ω

∫Y

[∇u(x) +∇yu1(x, y)] · [tA(y)(∇v(x) +∇yv1(x, y))]dydx =

∫Ωf(x)v(x)dx.

Wir transponieren die Matrix A(y) wieder zurück auf die andere Seite und erhalten∫Ω

∫Y

(A(y)[∇u(x) +∇yu1(x, y)]) · (∇v(x) +∇yv1(x, y))dydx =

∫Ωf(x)v(x)dx. (5.21)

Da D(Ω) dicht inH10 (Ω) und auch dicht in L2(Ω) liegt, liegt der Raum D(Ω)×D(Ω;C∞# (Y ))

dicht in H10 (Ω) × L2(Ω;H1

#(Y )/R) und die Gleichung (5.21) gilt somit auch für (u, u1) ∈H1

0 (Ω)× L2(Ω;H1#(Y )/R).

Damit haben wir das gewünschte Resultat für Teilfolgen bereits gezeigt. Unsere Aufga-be ist es, die Eindeutigkeit von (u, u1) ∈ H1

0 (Ω) × L2(Ω;H1#(Y )/R) zu zeigen, denn in

diesem Fall würden die gesamten Folgen gegen die beiden Grenzwerte konvergieren undwir wären fertig. Denn angenommen, die Eindeutigkeit von (u, u1) sei gegeben, aber nichtdie gesamten Folgen würden konvergieren. Dann könnten wir eine Teilfolge auswählen, diekeine Folgeglieder in einer kleinen Umgebung von u beziehungsweise u1 besitzt. Auf dieseTeilfolge können wir die gleichen Argumente wie oben anwenden und würden wiederumeine Teilfolge erhalten, die konvergiert. Das wäre ein Widerspruch.

Um die Eindeutigkeit der Lösung (u, u1) zu zeigen, wenden wir das Lemma von Lax-Milgram an. Hierzu denieren wir den Raum H = H1

0 (Ω) × L2(Ω;H1#(Y )/R), der als

Produkt zweier Hilberträume ein Hilbertraum ist. Für U = (u, u1) ∈ H denieren wir dieNorm auf H via

‖U‖2H = ‖∇u‖2L2(Ω;Rn) + ‖∇yu1‖2L2(Ω×Y ).

Weiter denieren wir die Bilinearform b : H × H → R mit Hilfe von U = (u, u1) undV = (v, v1) vermöge

b(U, V ) =

∫Ω

∫Y

(A(y)[∇u(x) +∇yu1(x, y)]) · (∇v(x) +∇yv1(x, y))dydx.

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Die Bilinearität von b folgt sofort aus der Bilinearität des Skalarproduktes und der Linea-rität des Integrals. Als Nächstes denieren wir das Funktional f ∈ H∗ via

〈f , V 〉 =

∫Ωf(x)v(x)dx.

Somit lautet die schwache Formulierung des homogenisierten Problems (5.21) wie folgt:Zu f ∈ H∗ nde U ∈ H, sodassb(U, V ) = 〈f , V 〉 für alle V ∈ H.

Das Lemma von Lax-Milgram garantiert die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung U ,wenn b bilinear, beschränkt und stark positiv ist. Die Beschränktheit folgt aus den Bedin-gungen (5.1) an A und der Ungleichung von Cauchy-Schwarz. Es gilt

|b(U, V )| =∣∣∣∣∫

Ω

∫Y

(A(y)[∇u(x) +∇yu1(x, y)]) · (∇v(x) +∇yv1(x, y))dydx

∣∣∣∣≤∫

Ω

∫Y|A(y)[∇u(x) +∇yu1(x, y)]||∇v(x) +∇yv1(x, y)|dydx

≤ β∫

Ω

∫Y|∇u(x) +∇yu1(x, y)||∇v(x) +∇yv1(x, y)|dydx

≤ β(∫

Ω

∫Y|∇u(x) +∇yu1(x, y)|2dydx

)1/2(∫Ω

∫Y|∇v(x) +∇yv1(x, y)|2dydx

)1/2

≤ β(∫

Ω

∫Y|∇u(x)|2dydx+

∫Ω

∫Y|∇yu1(x, y)|2dydx

)1/2

(∫Ω

∫Y|∇v(x)|2dydx+

∫Ω

∫Y|∇yv1(x, y)|2dydx

)1/2

= β‖U‖H‖V ‖H.

Damit ist die Beschränktheit gezeigt. Für die starke Posititvität verwenden wir erneut dieBedingungen (5.1), sodass

b(U,U) =

∫Ω

∫Y

(A(y)[∇u(x) +∇yu1(x, y)]) · (∇u(x) +∇yu1(x, y))dydx

≥ α∫

Ω

∫Y|∇u(x) +∇yu1(x, y)|2dydx

= α

(∫Ω

∫Y|∇u(x)|2dydx+

∫Ω

∫Y|∇yu1(x, y)|2dydx

+2

∫Ω

∫Y

(∇u(x),∇yu1(x, y))dydx

)folgt. Wir wenden auf den dritten Term einmal die Greensche Formel (siehe Satz 5.3) anund erhalten∫

Ω

∫Y∇u(x) · ∇yu1(x, y)dydx

=−∫

Ω

∫Y∇y(∇u(x)u1(x, y))dydx+

∫Ω

(∫∂Yu1(x, y)∇u(x) · η(y)dsy

)dx

=−∫

Ω

∫Y∇u(x) · ∇yu1(x, y)dydx︸ ︷︷ ︸

=0

+

∫Ω

(∫∂Yu1(x, y)∇u(x) · η(y)dsy

)dx︸ ︷︷ ︸

=0

= 0.

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Mit Hilfe der Y -Periodizität von u1(x, ·) für jedes x ∈ Ω, wird der erste Term Null, weilwir im Integral alle Ableitungen einer ganzen Periode aufsummieren und ∇u(x) nicht vony abhängt. Der zweite Term ist ebenso gleich Null, da die Y -periodische Funktion u1(x, ·)an gegenüberliegenden Seiten von Y die gleichen Funktionswerte besitzt, aber der äuÿereNormalenvektor η(y) in entgegengesetzte Richtungen weist. Somit folgt

b(U,U) ≥ α‖U‖2H

und daher die starke Positivität. Damit ist das Lemma von Lax-Milgram anwendbar undwir erhalten die Eindeutigkeit von (u, u1) ∈ H1

0 (Ω) × L2(Ω;H1#(Y )/R). Nach obiger Ar-

gumentation konvergiert die gesamte Folge (uε) schwach gegen u und die gesamte Folge(∇uε) im Zwei-Skalen-Sinne gegen ∇u+∇yu1. Das ist die Behauptung.

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Kapitel 6

Zusammenfassung und Ausblick

Zum Ende dieser Arbeit werden wir die wichtigsten Aussagen zur Zwei-Skalen-Konvergenzwiederholen und auf die Zusammenhänge zum Homogenisierungsprozess eingehen. Wirwollen damit einen Überblick über die groÿe Anzahl von Aussagen geben, die in dieserArbeit bewiesen wurden.

Nach einiger Vorarbeit gelangten wir zur Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz (4.8) fürTestfunktionen ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )). Die Eindeutigkeit des Grenzwertes zu zeigen, war ohnegröÿere Hilfestellungen möglich. Als Nächstes untersuchten wir, inwieweit eine Abschwä-chung der Voraussetzungen an ψ möglich ist. Es zeigte sich in Beispiel 4.10, dass dieMinimalanforderung ψ ∈ L∞(Ω×Y ) nicht ausreicht. Wie bewiesen den Kompaktheitssatz4.11 und erhielten für jede beschränkte Folge in L2(Ω) eine im Zwei-Skalen-Sinne konver-gierende Teilfolge. Danach stellten wir eine Verbindung zwischen der starken Konvergenzin L2(Ω) und der Zwei-Skalen-Konvergenz her, da aus starker Konvergenz die Zwei-Skalen-Konvergenz folgt (Satz 4.12). Auch ein Zusammenhang zur schwachen Konvergenz in L2(Ω)

lieÿ sich zeigen, da diese eine Implikation aus der Zwei-Skalen-Konvergenz ist (Satz 4.13).Dabei konnten wir das Zwei-Skalen-Konzept zwischen der starken und der schwache Kon-vergenz einordnen. Anschlieÿend widmeten wir uns erneut den Testfunktionen und stelltenfest, dass wir für beschränkte Folgen auch den Raum D(Ω;C∞# (Y )) als Testraum verwen-den können (Satz 4.15).

Im Abschnitt 4.3 beschäftigten wir uns mit den Vorteilen, die uns das Konzept der Zwei-Skalen-Konvergenz einbrachte. Zunächst bemerkten wir, dass im Zwei-Skalen-Grenzwertmehr Informationen über die Folge erhalten bleiben als im schwachen Grenzwert (Satz4.16). Mit gewissen Zusatzvoraussetzungen konnten wir die schwache Konvergenz des Pro-duktes von zwei im Zwei-Skalen-Sinne konvergierenden Folgen zeigen und erhielten gleich-zeitig eine Art starke Konvergenz (Satz 4.17). Eine Regularitätsaussage konnten wir mitHilfe von Satz 4.18 treen. Es zeigte sich, dass jede Funktion aus L2(Ω×Y ) der Zwei-Skalen-Grenzwert einer Folge von Funktionen aus L2(Ω) ist und damit Zwei-Skalen-Grenzwertekeine zusätzliche Regularität aufweisen. Satz 4.19 führte uns in Richtung des Homogeni-sierungsprozesses. Wir erhielten für schwache konvergente Folgen (uε) in L2(Ω) die Zwei-Skalen-Konvergenz von (uε) und (∇uε′).

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In Kapitel 5 wandten wir uns dem Homogenisierungsprozess zu. Nach dem Existenz- undEindeutigkeitssatz 5.1 vollzogen wir an einem Beispiel den Homogenisierungsprozess amlinearen elliptischen Problem zweiter Ordnung mit homogenen Dirichlet-Randbedingungenmit Hilfe gewisser Zusatzvoraussetzungen, um eine Vorstellung von der Thematik zu er-langen. Abschlieÿend konnten wir in Satz 5.2 den Homogenisierungsprozess vollführen unddabei die Zwei-Skalen-Konvergenz geschickt zum Einsatz bringen.

Als letzten Teil dieser Arbeit möchte ich meine Erfahrung im Umgang mit meinen wich-tigsten Quellen weitergeben, um dem interessierten Leser einen schnelleren Einstieg in dieLiteraturvielfalt zu geben.

Ich beschäftigte mich ausführlich mit dem Artikel von Allaire [All92] aus dem Jahr 1992,in dem der Begri Zwei-Skalen-Konvergenz eingeführt wurde. Im Groÿen und Ganzen istdas Paper recht verständlich geschrieben und gibt einen guten Überblick über alle Resultateund die zugehörigen Beweisideen. Allerdings gibt es einige Ungenauigkeiten. Insbesonderewird in der Notation nicht zwischen der Funktion ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) und ψ(x, y) ∈ Runterschieden, sodass wir hier vorsichtig sein sollten. Auÿerdem ist die Herangehensweiseeine andere, denn die Zwei-Skalen-Konvergenz wird für Testfunktionen aus D(Ω;C∞# (Y ))

eingeführt und erst später wird der Testraum abgeschwächt. Die Beweise sind meistensauf das Nötigste beschränkt. Bei unseren Resultaten Satz 4.18 und Satz 4.19 werden groÿeTeile des Beweises komplett weggelassen.

Eine zweite wichtige Quelle für mich war das Paper von Lukkassen, Nguetseng und Wall[LNW02]. Es erschien im Jahr 2002 und ist eine gute Überarbeitung der Inhalte von [All92].Insbesondere wurden die Ungenauigkeiten bei der Unterscheidung zwischen der Funktionψ und ψ(x, y) entfernt und die Zwei-Skalen-Konvergenz für ψ ∈ L2(Ω;C#(Y )) eingeführt.Weiterhin nden wir hier einige funktionalanalytische Grundlagen aufgearbeitet, die dasVerständnis erhöhen. Allerdings werden viele verschiedene Räume für die Testfunktioneneingeführt, die zumindest für eine erste Einführung in die Thematik nicht alle notwendigsind. Die Beweise sind in der Regel vollständig ausgeführt, nur an einigen wenigen Stellengibt es Verkürzungen. Insgesamt ist hervorzuheben, dass Unterschiede zu anderen Lite-raturquellen oen angesprochen werden. Dazu zählt zum Beispiel der Unterschied beimRaum der Testfunktionen in der Denition der Zwei-Skalen-Konvergenz. Das gibt dem Le-ser einen guten Überblick über die verschiedenen Herangehensweisen.

Meine dritte wichtige Quelle war die Monograe von Cioranescu und Donato [CD99]. Ichwar oft sehr angetan von der Ausführlichkeit der Darstellung. Insbesondere nden wir hiereine breite funktionalanalytische Einführung. Aber auch die einzelnen Beweise sind fastimmer detailliert dargelegt. Da die Monograe eine Einführung in die Homogenisierungs-theorie darstellt und kein Artikel über die Zwei-Skalen-Konvergenz ist, erönet sich uns alsLeser ein anderer Blickwinkel auf die Zwei-Skalen-Konvergenz als in den beiden vorherigenQuellen. Wir erkennen das Zwei-Skalen-Konzept mehr als Teil eines Werkzeugkastens fürHomogenisierungsprobleme, da zum Beispiel für Satz 5.2 auch andere Möglichkeiten desBeweises aufgezeigt werden. Auf der anderen Seite sind nur wenige Resultate zur Zwei-Skalen-Konvergenz aufgeführt, sodass wir an dieser Stelle wieder auf die oben genannte

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Literatur zurückgreifen müssen. Insgesamt ist die Monograe eine sehr gutes Werk, wennder Leser eine Einführung in die Homogenisierungstheorie sucht.

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Literaturverzeichnis

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