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b bulletin sek·feps 2 | 2005 Eine Publikation des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes 3 Fokus-Thema Der SEK in China 26 Migration Wahrung der Menschenwürde 34 Diakonie Gabe und Gegengabe wider die Beziehungslosigkeit

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bbulletin sek·feps 2 | 2005

Eine Publikation des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes

3 Fokus-Thema Der SEK in China

26 Migration Wahrung der Menschenwürde

34 Diakonie Gabe und Gegengabe

wider die Beziehungslosigkeit

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Mein letzter Besuch in einer Buchhandlung hat es mir

erneut bestätigt: Derzeit ist China «in». Titel wie «Her-

ausforderung China» oder «Der China Code» buhlen um

unsere Aufmerksamkeit. Dass China wichtig ist, und dass

sich die Schweizer Wirtschaft schon seit Jahren um den

geeignetsten Platz im Reich der Mitte bemüht, ist uns

bekannt.

Eine Delegation des SEK hat im April China einen offizi-

ellen Besuch abgestattet. Gesellt sich nun auch der SEK

zu den Chinapilgern? In Wahrheit ist die Reise nur der

jüngste Schritt im Rahmen der langjährigen Beziehun-

gen des SEK, seiner Hilfswerke und der Missionen. Der

beherrschende Eindruck der SEK-Delegation war wohl

Chinas überwältigende Grösse in jeder Hinsicht und die

Flut der sich anbietenden Interpretationsmöglichkeiten

des Erlebten. Die Beiträge dieser Ausgabe des Bulletins

zeigen ein vorläufiges, doch nicht minder aufschlussrei-

ches Verstehen Chinas auf.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Christoph T. Waldmeier

Liebe Leserin lieber Leser

Beilage zur «Reformierten Presse» 28-29/2005

bulletin sek·feps Offizielles Informationsorgan des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Post-

fach, CH-3000 Bern 23, Telefon 031-370-25-01, Fax 031-370-25-09, [email protected], www.sek-

feps.ch Erscheinungsweise 4-mal jährlich Auflage 7000 deutsch, 1500 französisch Redaktion Elisabeth

Ehrensperger (ee), Simon Weber (SW) Konzept/Gestaltung Reformierte Medien Übersetzungen Druck

Stämpfli AG Autoren dieser Ausgabe Eva Düblin, Elisabeth Ehrensperger, Doris Grohs, Manfred Gyger,

Christine Lienemann-Perrin, Walter Lüssi, Theo Schaad, Peter Schmid, Madeleine Strub-Jaccoud, Christoph

Stückelberger, Esther R. Suter, Christoph Waldmeier, Thomas Wipf

IMPRESSUMTitelbild

Nach dem Gottesdienst in einer ländlichen Kirch-

gemeinde ausserhalb von Xian.

INHALT/EDITORIAL2

INHALTSVERZEICHNIS

FOKUS-THEMA

Hintergrund und Perspektiven einer langfristigen Beziehung 3

Faszination China: Respekt statt Euphorie 6

Ruf nach ethischer Orien- tierung im rasanten Wandel 8

Kirche und theologische Ausbildung in China 10

Das Engagement von mission 21 in China 12

Menschenrechte – zwischen wirtschaftlicher Opportunität und universeller Geltung 14

NEWS AKTUELL

Stellungnahmen des SEK 18

Personelles 19

AUSSENBEZIEHUNGEN

Die 13. Weltmissionskonferenz in Athen – Heilen und Versöhnen 20

Von der prophetischen zur priesterlichen Ökumene 21

Als Menschenrechts- beobachterin in Palästina 22

Kirchen für ein ökologisch nachhaltiges Europa 24

INNENBEZIEHUNGEN

Frauenkonferenz 25

Diakoniekonferenz 25

Wahrung der Menschenwürde 26

RATS-INFO

Wechsel im Rat 29

Standpunkt 30

Beschlüsse der Sommer- Abgeordnetenversammlung 30

Aus dem Rat 32

PORTRÄT

Diakonie: Gabe und Gegengabe wider die Beziehungslosigkeit 34

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Christoph Waldmeier

Geschichte. Schon bereits vor rund 160 Jahren pflegte die Basler Mission, heute mission 21 – evangelisches missions-werk basel, Beziehungen zu Protestantinnen und Protestan-ten in der südchinesischen Provinz Guangdong. Ihre damali-ge Missionsarbeit war auf die südostchinesische Hakka-Eth-nie ausgerichtet. Bis heute bestehen Missions- und Partner-schaftsbeziehungen zu Hakkas in Hongkong, Guangdong, Taiwan und zum malaysischen Sabah. Sie sind die eine der beiden Brücken des schweizerischen Protestantismus nach China.

Mit der Politik der Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping anfangs der 1980er Jahre ist eine zweite Beziehungsbrücke in den Vordergrund getreten, zu deren Erläuterung etwas wei-ter ausgeholt werden muss: Mao Zedongs Revolution stellte auch für die Kirchengeschichte Chinas eine zunächst radika-le Zäsur dar. In der Folge der Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949 mussten alle ausländischen Missionare China verlassen. Damit waren die von den westlichen Mut-terkirchen kolonial mitverwalteten und abhängigen Kirchen Chinas plötzlich auf sich alleine gestellt. In den diversen Revolutionsschüben – am schlimmsten während der Kul-turrevolution (1966 bis 1976) –, wurden alle Religionen in China verfolgt und de facto in ihren öffentlich organisierten Formen ausgelöscht. Doch in Folge der genannten Öffnung Chinas haben der China Christian Council CCC und der Three-Self Patriotic Movement TSP damit begonnen, die Protestan-tinnen und Protestanten in einer «postdenominationalen» Bewegung, das heisst ohne alle vom Westen ererbten protes-

tantischen konfessionnellen Einteilungen, zu sammeln und auf eine eigene Kirche hin zu entwickeln. Sie nennen sich häufig eine «Kirche im Werden», haben aber bereits seit eini-gen Jahren eine nationale Kirchenverfassung – ein gewaltiges Projekt, das eine sichtbare Einheit zumindest in den eigenen Reihen herzustellen versucht. Geschützt wird dieser Prozess mit den so genannten Drei-Selbst – eine aus vergangener kolonialer Abhängigkeit gezogene Lehre: Selbsterhalt, Selbst-verwaltung, Selbstverbreitung. 1949 betrug die Anzahl pro-testantischer Christinnen und Christen rund 700’000. Seither hat die Kirche Chinas ein an Wunder grenzendes Wachstum erlebt – sie zählt heute gemäss sehr konservativen Schätzun-gen 18 Millionen Mitglieder.

Begegnung und Zusammenarbeit. Seit 1985 hat der SEK Schritt für Schritt eine Beziehung zu China aufgebaut, in deren Rahmen diverse kirchliche und missionarische Projekte etabliert werden konnten. So ist an vier theologi-schen Ausbildungsstätten in China eine Zusammenarbeit von mission 21 mit den lokalen CCC/TSPM-Stellen entstan-den. mission 21 unterstützt zudem das Englischlehrerpro-gramm der Amity Foundation, ein 1985 von chinesischen Christinnen und Christen mitgegründetes Hilfswerk. Brot für alle BFA unterstützt ein von der Universität Fudan und dem Christenrat von Shanghai getragenes Projekt in ange-wandter christlicher Ethik. Regelmässig finden Bildungs-reisen für Schweizer Pfarrerinnen und Pfarrer im Rahmen des Weiterbildungsangebotes von a+w/opf (Aus- und Wei-terbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer/Office Protestant de la Formation) statt. Schon zweimal konnte der SEK in der Schweiz ein Seminar zu Themen angewandter christlicher

Die Beziehungen zwischen Protestantinnen und Protestanten Chinas und der Schweiz reichen

bis ins 19. Jahrhundert zurück. Diese Beziehungen haben missionsgeschichtliche Wurzeln und

werden angesichts der wachsenden Bedeutung Chinas insbesondere in ökumenischer Hinsicht

sowie gemeinsamer Interessen in den Bereichen angewandte christliche Ethik, Sozialpolitik,

Diakonie und theologische Ausbildung stetig an Relevanz gewinnen.

FOKUS-THEMA 3

Hintergrund und Perspektiven einer langfristigen Beziehung

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Ethik und Menschenrechte für chinesische Religionsbeamte durchführen – im Jahr 2000 zum Thema «Sekten, Kulte, Neue Religiöse Bewegungen», im Jahr 2003 zum Thema «Kirche und Staat». Der derzeitige Vizepräsident des nationalen the-ologischen Seminars in Nanjing hat sein Lizenziat in Theolo-gie in Neuchâtel gemacht und promoviert nun in Basel.

Warum ausgerechnet Beziehungen zu China und seinen protestantischen Kirchen? Die Anliegen und Herausforde-rungen, welche die zukünftigen bilateralen und ökumeni-schen Beziehungen des SEK zu China prägen werden, lassen sich in folgenden vier Punkten zusammenfassen:

1. Die wachsende ökumenische Bedeutung der Kirchen Chinas. Die Protestantinnen und Protestanten Chinas sind zwar eine kleine Minderheit in ihrem Land, stellen aber bereits eine der grössten protestantischen Kirchen weltweit. Nur als Vergleich: Würden sie aktiv im Reformierten Welt-

bund mitmachen, so würden die protestantischen Kirchen Chinas auf einen Schlag mindestens 25% der Mitglieder des Weltbundes ausmachen. Es ist eine Frage der Zeit, bis das chinesische Gewicht in der Ökumene zum Tragen kommt.

2. Die missions- und kirchengeschichtliche Bedeutung der SEK-CCC-Beziehungen. Auf seiner Reise nach China hat der SEK gemeinsam mit CCC/TSPM ein Memorandum of Understanding unterzeichnet. Im wesentlichen benennt das Memorandum Prinzipien der Beziehungsgestaltung und Zusammenarbeit. Für Chinesinnen und Chinesen ist die Betonung dieser für uns eigentlich selbstverständli-chen Prinzipien zentral. Das ist vor dem Hintergrund der in der früheren Missions- und Kolonialgeschichte gemach-ten negativen Erfahrung zu verstehen. Diese Geschichte ist für Chinesinnen und Chinesen wesentlich präsenter als für uns und wird daher von ihnen immer wieder zur Sprache

Gesellschaft im Wandel. Shanghai im Nebeneinander von Alt- und Neubauten.

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gebracht. Immerhin fiel die letzte Kolonie erst 1999 an China zurück. Zu bezeugen, dass wir in der Schweiz – so auch unsere Missionen und Werke – längst neue Wege der ökumenischen, missionarischen und entwicklungspoliti-schen Beziehungsgestaltung gehen, ist entscheidend.

3. Die wachsende Bedeutung Chinas überhaupt. Unsere Chinabeziehungen stehen in engem Zusammenhang mit der enorm wachsenden Bedeutung Chinas in einer globa-lisierten Welt. Chinas Wirtschaft beeinflusst unser Leben bereits heute mehr, als wir gemeinhin annehmen. Sie ent-wickelt sich zu einer aktiven, sich strategisch positionieren-den Mitspielerin auf den Weltmärkten. Damit intensiviert sich auch Chinas kultureller und sozialethischer Einfluss, der trotz unterschiedlicher Prägung mittelfristig doch ver-gleichbar mit dem weltweiten Einfluss der USA seit dem letzten Weltkrieg sein wird. Wir werden mit einer Unter-nehmenskultur und Wirtschaftsethik konfrontiert werden, die sich von der unsrigen in wesentlichen Aspekten unter-scheidet. Der SEK möchte sich auf die entsprechenden kul-turellen und ethischen Herausforderungen vorbereiten. Die Begegnung mit China mag hoch interessant sein, heute ist sie aber vor allem aus Eigeninteresse geboten.

4. Themen, die uns Schweizer Protestantinnen und Protes-tanten traditionell wichtig sind. Das gemeinsam unterzeich-nete Memorandum gibt die Richtung an, in der die Zusam-menarbeit zwischen SEK und chinesischem Protestantis-

mus zu intensivieren ist. Die bereits laufenden gemeinsa-men Kooperationsprojekte sind Ausdruck dieser Orientie-rung: Angewandte christliche Ethik (z.B. Wirtschaftsethik und Menschenrechte), Sozialpolitik und Diakonie wie auch theologische Ausbildung. Die chinesische Gesellschaft und auch die chinesische Regierung erwarten von den Kirchen als Nachweis ihrer «Nützlichkeit» Handlungsmodelle, mit denen den vielfältigen gesellschaftlichen Herausforderun-gen begegnet werden kann, und sie versuchen, entsprechen-den Einfluss auf die kirchliche Leitung in China zu nehmen. Hier bietet sich dem SEK die Gelegenheit, gemeinsam und solidarisch mit den chinesischen Kirchen aktiv einen Dia-log mit den Behörden aufzubauen, in dem unter anderem Aspekte der Wirtschaftsethik oder der Religionsfreiheit zur Sprache kommen. Der SEK sucht in diesen Bemühungen auch die Zusammenarbeit mit dem EDA im Rahmen dessen Menschenrechtsdialogs.

Christoph T. Waldmeier ist seit 2003 Beauftragter für Aussenbe-

ziehungen des SEK. Zuvor war er fast 16 Jahre lang Mitarbeiter von

mission 21 in Hongkong, wovon zehn Jahre auch in der Funktion

als Chinabeauftragter des SEK tätig – eine Aufgabe, die ihn in der

Volksrepublik weit herumgeführt hat. Auf der Website des SEK

http://www.sek-feps.ch/ (Themenseite China) finden Sie weitere

Texte zum Fokusthema – so beispielsweise Ausführungen zu Haus-

gemeinden in China.

Wirtschaftliche Menschenrechte. Ein passendes Geschenk an den CCC ist das Poster zum Open Forum der Mitgliedkirche Graubünden.

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Bulletin: Chinas spektakuläres Wachstum weckt Begehrlichkeiten, Millionen von Chinesinnen und Chi-nesen in den Segen westlicher Wirtschaftsprodukte, aber auch westlicher Seelsorge zu bringen. Herr Wipf, ist die China-Reise des SEK in diesem Zusammenhang zu sehen?

Thomas Wipf: (lacht) Nein, sicher nicht. Wir wollen nicht Anteil haben an einem Boom – ganz abgesehen davon, dass es uns schlicht an der Potenz fehlen würde, das chinesische Leben zu beeinflussen – auch im Bereich der Religion. Ausgangspunkt der Beziehungen des SEK zu China war und ist die protestantische Kirche Chinas, die durch und durch chinesisch ist und sich mit ihrem Konzept der drei Selbst von äussern Einflüssen erfolg-reich emanzipiert hat. Es stimmt jedoch, dass zahlrei-che, vor allem amerikanische Freikirchen in China einen neuen Markt der Religionen sehen. Von einer solchen Sichtweise distanziert sich der SEK ganz entschieden. Wir erachten den heute stattfindenden Bibelschmuggel nach China als eine Neuauflage geistigen Kolonialismus’, als eine respektlose Art der Missionsarbeit.

Was die ökonomischen Begehrlichkeiten des Westens anbelangt so reagiert China darauf mit Skepsis und Hoffnung: Die sich in China breit machende Markt-wirtschaft weckt das Bewusstsein für die entsprechenden Folgeschäden. Hingegen sind insbesondere bei den jun-gen Chinesinnen und Chinesen Globalisierung im Allge-meinen und das Wachstum der chinesischen Wirtschaft im Speziellen Symbol für den lange ersehnten Anschluss Chinas an den Rest der Welt, für individuelle Chancen-gleichheit und die Möglichkeit, kreativ zu sein.

Was bedeutet der christliche Glaube den Chinesinnen und Chinesen vor diesem Hintergrund?

Das Verhältnis der Chinesinnen und Chinesen zum christlichen Glauben steht auch in Zusammenhang mit dem Wandel von Kultur und Wirtschaft: Das kommunistische System kann zunehmend keine Werteorientierung und menschliche Wärme bieten. Der Kapitalismus löst seiner-seits traditionelle soziale Bezugssysteme auf. In dieser Situ-ation gibt die Kirche den Menschen ein Stück Gemeinschaft zurück. Das christliche Konzept von Schuld und Vergebung scheint Vielen im Kontext der persönlichen und kollektiven Vergangenheitsbewältigung attraktiv und eine willkomme-

ne Ergänzung zur traditionellen chinesischen Kultur der Scham, der Selbstbeherrschung und Gesichtswahrung zu sein. Als westlicher Christ und Protestant erfüllt es mich mit Vertrauen zu sehen, wie viel Gestaltungskraft der christliche Glaube in China zu entwickeln vermag. Gerade auch in die-sem Sinne wäre es schade, wenn wir uns in die spezifisch chinesische Entwicklung einmischen würden.

Wovon leben dann die Beziehungen zwischen den pro-testantischen Kirchen Chinas und der Schweiz?

Faszination China: Respekt statt Euphorie

In Shanghai werden einige neue Kirchgebäude gebaut. Hier die Gospel Church im Stadtteil Pudong.

FOKUS-THEMA6

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Das Bewusstsein für wirtschaftliche, soziale und ethische Probleme muss auf Seite der chinesischen Kirchen nicht erst geweckt werden. Chinesinnen und Chinesen haben ein starkes Selbstbewusstsein und klare Vorstellungen. Von Interesse für sie ist zu wissen, wie wir in der Schweiz mit den entsprechenden Herausforderungen umgehen – wie wir konkrete soziale Projekte realisieren oder wie wir mit dem Einfluss neuer religiöser Bewegungen umgehen. Im Rahmen eines Austausches bemühen wir uns auf unserer Seite um mehr Wissen und Erfahrungen mit der chinesi-schen Lebensweise und Theologie. Die Reformation hat eine Wirkungsgeschichte, und wir könnten ohne Kontakte zu chinesischen oder auch zu afrikanischen Kirchen gar nicht den uns heute gestellten Herausforderungen begegnen.

Ist die langfristige Ausgestaltung der Beziehungen zwi-schen SEK und China nicht erheblich von der Richtung, die das Land mittelfristig einschlagen wird, abhängig?

Natürlich stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit die-ser Faszination am christlichen Glauben. Werden die Neuzu-züger Fuss fassen? Die staatliche Verwaltung Chinas spielt

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in dieser Hinsicht sowohl die Rolle einer Kontrollinstanz als auch diejenige einer Schutzmacht. Der SEK thematisiert im Rahmen von Einladungen chinesischer Religionsbeamter in die Schweiz die Religionsfreiheit zusammen mit der Frage nach dem Schutz vor Übergriffen. Dabei soll gemeinsam nach langfristigen Lösungen gesucht werden. Wir wissen nicht, in welche Zukunft China blickt. Das Land kann noch alle Richtungen einschlagen – zwischen Kapitalismus und Kommunismus, zwischen Diktatur und Demokratie, zwi-schen kollektiven und individualistischen Sozialstrukturen. Die chinesischen Lösungen in diesen lebenswichtigen Ent-scheiden werden uns in jedem Fall beeinflussen. Deshalb wollen wir mit ihnen einen gemeinsamen Weg gehen und mit ihnen im kritischen Dialog stehen. Dabei ist es wichtig, dass wir der chinesischen Bevölkerung und den Verantwort-lichen der chinesischen Kirchen zumuten, selber zu wissen, mit welchem Ziel und Tempo es der Zukunft entgegen gehen soll. Auch diesen Respekt sind wir ihnen schuldig.

Das Interview führte Elisabeth Ehrensperger

Foto: SEK/Thomas Wipf

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Christoph Stückelberger

«Die Einkindfamilie in China stellt sehr hohe Anforde-rungen an die Erziehung. Sechs Erwachsene, Eltern und Grosseltern gezählt, kümmern sich um ein Kind, das wie ein König aufwächst», sagt die junge Ethikprofessorin und Mutter eines Kleinkindes in Shanghai. «Prostitution und Drogen nehmen in unsern Grossstädten rasch zu. Was kön-nen wir als Kirche tun?», fragt ein regionaler Kirchenpräsi-dent besorgt. «Wie kann ich mein Geld ethisch anlegen, und wie viel Zins ist für Christen zulässig?», fragt ein reicher Unternehmer und Kirchenpfleger in Shanghai. «Wir müs-sen dringend den wachsenden Graben zwischen arm und reich verkleinern, sonst werden die Spannungen explosiv», äussert als klares Programm der Parteichef auf Provinzebe-ne. «Wir wollen Eure Bücher zur christlichen Wirtschafts- und Umweltethik ins Chinesische übersetzen», meint die Rektorin der Nationalen Protestantischen Theologischen Hochschule.

Wertewandel ruft nach Ethik

Der rasche wirtschaftliche, ideologische, soziale und kulturelle Wandel in China führt auch zu einem raschen Wertewandel mit entsprechenden Verunsicherungen und Konflikten. Der moderne Konsumismus fördert Individu-alismus, die innerchinesischen Wanderbewegungen stellen konfuzianische Familiensolidarität wie maoistische Fürsor-ge durch das Kollektiv in Frage. Der rasant steigende Ener-gieverbrauch und der Landverbrauch durch Verstädterung provozieren ökologische Fragen. Die schrittweise politische, mediale und kulturelle Öffnung des Landes erfordert einen neuen Umgang mit Pluralismus.

Deshalb ist gegenüber unserer SEK-Delegation auf ihrer Reise in China von staatlichen, akademischen wie kirch-lichen Gesprächspartnern auf nationaler, regionaler wie lokaler Ebene immer wieder das Bedürfnis nach ethischer

Orientierung in diesem raschen Wertewandel zum Aus-druck gebracht worden. Insbesondere vier Bereiche wurden immer wieder genannt:

• Familienethik: Die Scheidungsrate ist zwar in China im internationalen Vergleich immer noch sehr gering, aber besonders in den Städten wachsend. Die Gestaltung der Familienbeziehungen einschliesslich der Geschlech-tergerechtigkeit zwischen konfuzianischen, maois-tischen, säkularen und religiösen Werten ist eine Heraus-forderung.

• Wirtschaftsethik: Die Tatsache, dass in Shanghai Wirt-schaftsethik bereits an fünf Business-Schools und Wirt-schaftsfakultäten gelehrt wird, zeigt, dass die Einsicht in deren Bedeutung im Zusammenhang mit Arbeitsbedin-gungen, aber auch mit internationalen ethischen Standards rasch wächst.

• Umweltethik: Das Interesse daran ist besonders von politischer und akademischer Seite geäussert worden. Chi-nesische Publikationen dazu beginnen aber erst zu erschei-nen, während es bereits viele chinesische Publikationen im Bereich Wirtschaftsethik gibt.

• Sozialethik: Beim wachsenden Graben zwischen arm und reich ist eine Ethik der Solidarität und der Entwicklung einer «harmonischen Gesellschaft» zur staatlichen Politik erklärt worden. Rund hundert Millionen interne Migrantin-nen und Migranten und einige hundert Millionen Pensio-nierte ohne AHV und Pensionskasse brauchen gesellschaft-liche Integration und eine materielle Basis.

Ethik-Kooperation Schweiz-China

Der SEK hat durch sein Werk Brot für alle BFA und gelei-tet vom Schreibenden – mit Unterstützung durch Bundes-gelder der DEZA – eine Forschungspartnerschaft mit der renommierten staatlichen Fudan-University in Shanghai und mit der leitenden nationalen theologischen Ausbil-dungsstätte der protestantischen Kirchen Chinas, dem Nan-jing Union Theological Seminary, begonnen.

FOKUS-THEMA8

Ruf nach ethischer Orientierung im rasanten Wandel

Der rasche wirtschaftliche, ideologische, soziale und kulturelle Wandel in China

führt auch zu Verunsicherungen und Konflikten. Das Bedürfnis nach ethischer Ori-

entierung ist entsprechend gross. Der SEK nimmt dieses Bedürfnis auf: Sein Werk

Brot für alle hat mit dem Aufbau von Forschungspartnerschaften in Ethik in Shang-

hai und Nanjing begonnen.

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An der Fudan-Universität geht es um zwei Studienpro-jekte: Im einen Projekt wird die Rolle der Kirchgemeinden zur Lösung sozialer Fragen in Shanghai untersucht. Die 16-Millionen-Einwohner-Metropole ist zwar die reichste Stadt Chinas, sie kämpft aber auch mit zunehmenden sozialen Problemen. Dass eine staatliche Universität nach dem sozial-diakonischen Beitrag der Kirchen fragt, zeigt, dass der Staat auch auf den Beitrag der Kirchen und der 860’000 registrier-ten Christen in Shanghai zählt. Die Kirchen sind allerdings mehrheitlich so sehr mit ihrem Kirchenwachstum und der Ausbildung ihrer Pfarrerschaft beschäftigt, dass ihnen noch ungenügend Kraft für die soziale Verantwortung bleibt.

Das zweite Studienprojekt will die Wirtschaftsethik stärken. Es untersucht zunächst, ob und wie Wirtschafts-ethik an den fünf bekanntesten Management- und Business-Hochschulen in Shanghai unterrichtet wird, und erarbeitet Vorschläge zur Verankerung der Wirtschaftsethik in der Ausbildung zukünftiger Unternehmerinnen und Unterneh-

men. In einer zweiten Phase wird die Unternehmenspraxis untersucht und der Dialog mit ausgewählten Unternehmen geführt. Nicht zuletzt durch den Druck der ausländischen, in China tätigen Firmen wird Unternehmensethik zwar immer offener diskutiert, ist aber zugleich ein sehr heikles Thema im scharfen internationalen Konkurrenzkampf. Bei der For-schungspartnerschaft in Nanjing geht es um die Beratung und Unterstützung ethischer Artikel in der dortigen theolo-gischen Zeitschrift sowie um die Förderung von Doktoran-den in Ethik.

Diese Projekte sind ein bescheidener, aber zukunftsträch-tiger Beitrag des SEK durch sein Werk BFA für ein globales Wirtschaften im Dienste der (schwächeren) Menschen unter Respektierung wirtschaftlicher Menschenrechte.

Christoph Stückelberger ist Leiter Institut für Theologie und Ethik des

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Teamwork bei Bauarbeiten in Peking. Vielfältige wirtschaftsethische Heraus- forderungen eines boomenden Marktes.

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Walter Lüssi

Vor 1949 waren die protestantischen Kirchen Chinas in hohem Masse von ausländischen Missionsgesellschaften abhängig. Nach der Gründung der Volksrepublik mussten alle Missionare und Missionarinnen China verlassen. Im Kontext des «Neuen China» standen die Christen vor der Herausforderung, der Kirche der chinesischen Kultur ange-passte Strukturen zu geben. Im Bemühen um eine eigene chinesische Identität kam es im Jahr 1950 zur Gründung der «Drei-Selbst-Bewegung». Sie sollte neue Abhängigkeiten der Kirchen bezüglich finanzieller Unterstützung, Leitung und Evangelisation verhindern. Während der Kulturrevolution wurden sämtliche Kirchen geschlossen und alle religiösen Aktivitäten, so auch die Verbreitung der Bibel, verboten. Christinnen und Christen wurden verfolgt.

Mit Deng Xiaoping, der Ende der siebziger Jahre eine Wirtschaftsreform einleitete, begann dann auch für die Kirche eine neue Zeit. 1980 konnte der Chinesische Chris-tenrat CCC gebildet und konnten im Rahmen der «Drei-Selbst-Bewegung» kirchliche Aktivitäten wieder aufge-nommen werden. Für die rasante Entwicklung, die damit einsetzte, sprechen Zahlen beziehungsweise die heute gut 18 Millionen registrierten protestantischen Christinnen und Christen. Amity Printing Company, ein gemeinsa-mes Unternehmen des Weltbundes der Bibelgesellschaf-ten und der Amity Foundation – einer 1985 von Christen gegründete Hilfsorganisation –, verbreitete bisher rund 40 Millionen Bibeln in Chinesisch, Englisch, Braille und in mehreren Minderheitssprachen Chinas. Dazu kommen Gesangbücher, christliches Unterrichtsmaterial und christ-liche Literatur.

Die enorme Entwicklung des Landes sowie der gesell-schaftliche Wandel lassen immer mehr Menschen im «Reich der Mitte» nach neuen Überlebens- und Sinnstrate-gien suchen. Die Erwartung ist gross, im Christentum und in anderen Religionen spirituelle Antworten zu finden. Chris-tinnen und Christen bilden zwar innerhalb der chinesischen Gesellschaft eine kleine Minderheit, sie übernehmen jedoch mit ihren Wertvorstellungen eine überproportionale Rolle.

Postkonfessionalismus und Chinesischer Christenrat

Bei Treffen der SEK-Delegation mit kirchlichen Vertretern in Beijing, Xian, Nanjing und Shanghai sowie an einem Semi-nar am nationalen Jingling Union Theological Seminary in Nanjing kam es zu interessanten Auseinandersetzungen mit dem Konzept des so genannten «Postkonfessionalismus». Die chinesischen Protestanten bezeichnen damit eine Bewegung, die in den fünfziger Jahren begann und die Vereinigung der protestantischen Kirchen anstrebte. Wegleitend war dabei die Erkenntnis, dass die Konfessionszugehörigkeit der Chi-nesen zufällig war bzw. jeweils dadurch zustande kam, dass ausländische Missionare ihre Konfession mit nach China gebracht hatten. «Der Chinesische Christenrat», meint Pfarre-rin Cao Shengjie, Präsidentin des nationalen CCC, «ist heute noch keine vereinigte Kirche, ist selber noch nicht Kirche. Aber wir haben auch keine Konfessionen mehr. Der CCC ist das Gerüst, um die vereinigte chinesische Kirche zu bauen.» Ausgehend vom kulturell stark prägenden Begriff der Har-monie sind konfessionelle Spaltungen offiziell nicht zugelas-sen. Nach wie vor gibt es jedoch theologische Praktiken, die bestimmten konfessionellen Traditionen entstammen und bisher weitgehend beibehalten worden sind – so zum Bei-spiel unterschiedliche Formen der Abendmahlsfeier.

FOKUS-THEMA10

Kirche und theologische Ausbildung in China

Die SEK-Delegation wurde in China verschiedentlich auf den akuten Mangel an gut ausgebildeten Theo-

loginnen und Theologen hingewiesen. Auch wenn sich China hartnäckig gegen jeglichen Druck aus dem

Ausland wehrt, alte konfessionelle Identitäten wieder einführen zu wollen, so öffnet sich das Land doch

in kirchlicher und theologischer Hinsicht. Das Interesse gerade auch an reformierter Theologie und an den

auf ihr basierenden ethischen Konzepten ist offensichtlich.

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Hoher Bedarf an theologischer AusbildungHauptanliegen des CCC sind der Wiederaufbau von Kir-

chen und die Unterstützung der heute rund 50’000 Kirchen, Hauskirchen und Begegnungsstätten. Ganz oben auf der Pri-oritätenliste steht auch die theologische Aus- und Weiterbil-dung. Diese findet auf der Ebene der Provinzen, auf regiona-ler und auf nationaler Ebene an 18 kirchlichen Seminaren, Bibelschulen und weiteren Ausbildungsorten statt. Sowohl von akademischer als auch von kirchlicher Seite wurde die SEK-Delegation auf den akuten Mangel an gut ausgebildeten Theologinnen und Theologen hingewiesen. Immerhin gilt es Personal für die wachsende Zahl von Kirchgemeinden und Kirchen zur Verfügung zu stellen und die theologische Kom-petenz auch auf Führungsebene zu stärken.

Ziel einer professionellen Ausbildung ist die Entwick-lung einer biblisch fundierten, protestantischen Theologie, welche im chinesischen Kontext verstanden und vermittelt werden kann. Der CCC will sich damit auch gegen die Infil-tration fundamentalistischer Gruppen aus dem Ausland, vornehmlich aus den USA, wappnen. Neben der Förderung ihrer spirituellen Kompetenz sollen Mitarbeitende mit Blick auf die soziale Verantwortung der Kirche befähigt werden, sich in der von wachsenden Spannungen gezeichneten Gesellschaft zu engagieren.

Unterstützung durch den Schweizerischen Protestantismus

Der CCC wurde 1991 Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen ÖRK. Damit ist der chinesische Protestantismus in die Weltgemeinschaft der Christen eingebunden. Hart-näckig ist hingegen die Abwehr jeglichen Drucks aus dem Ausland, alte konfessionelle Identitäten wieder einführen zu wollen und damit die Umsetzung der Vision von einer

postkonfessionellen Kirche zu gefährden. Die Öffnung Chi-nas gilt heute aber auch in kirchlicher und theologischer Hinsicht. Die SEK-Delegation hat beispielsweise feststellen können, dass viele der führenden Personen in theologischen Seminaren und kirchlichen Gremien Erfahrungen am Öku-menischen Institut von Bossey gemacht haben. Das Interes-se gerade auch an reformierter Theologie und an den auf ihr basierenden ethischen Konzepten ist offensichtlich.

Umgekehrt ist es für den Schweizerischen Protestantis-mus spannend, eine Kirche, die sich in aussergewöhnlichem Wachstum befindet, verantwortlich zu begleiten, in der theo-logischen Ausbildung zu unterstützen sowie zur konkreten Ausgestaltung evangelischer Freiheit zu ermutigen – und sich dabei in all diesem Bemühen von den ganz anderen Erfahrungen, Hintergründen, Denk- und Lebensweisen selber herausfordern zu lassen. Die Vorstellungen von «Postkonfessionalismus» und «Einheit in Verschiedenheit» können miteinander in ein fruchtbares Gespräch gebracht werden. Die Vision, ja die Forderung einer postkonfessio-nellen Kirche, stellt für die Ökumene und für die Kirchen Europas gewiss eine gewaltige Herausforderung dar. Diese Herausforderung anzunehmen, könnte aber mit Blick auf Erkenntnisse aus dreissig Jahren «Gemeinschaft Evangeli-scher Kirchen» ein lohnendes und weiterführendes Unter-fangen sein.

Walter Lüssi ist Präsident von mission 21 – evangelisches

missionswerk basel

Viele der an der Bibelschule von Xian (Provinz Shaanxi) Studierenden sind Frauen.

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Doris Grohs

Die protestantische Kirche Chinas kann seit Jahrzehnten ein bisher nicht gekanntes Wachstum verzeichnen. Heute sind es ca. 18 Millionen Chinesinnen und Chinesen, die sich zum protestantischen Glauben bekennen. So erfreulich die-ser Zuspruch ist, so stellt er für die Gemeinden und insbe-sondere für die Kirchenleitung auch eine enorme Heraus-forderung dar. Denn noch besteht ein Mangel an gut ausge-bildeten Pfarrerinnen und Pfarrern. Oft ist es leider so, dass ein einziger Theologe als ordinierter Pfarrer in einem Bezirk mit zahlreichen Predigtstätten amtet. Er wird allenfalls noch durch Laienprediger unterstützt, die aber nur über eine rudi-mentäre theologische Ausbildung verfügen. Daher ist es ein

Das Engagement von mission 21 in China

Für mission 21 und Bethlehem Mission Immensee in China im Einsatz: Georges und Marguerite Muschiol in Nanjing.

Der Bedarf an gut ausgebildeten Pfarrinnen und Pfarrern in China ist gross. mission 21

engagiert sich im Bereich der theologischen Ausbildung mit der Vergabe von Stipendi-

en, die insbesondere Frauen und jungen Menschen in ärmeren Regionen zugute kom-

men sollen. Das Missionswerk unterstützt zudem die Ausbildung und Vermittlung

von Englischlehrerinnen und -lehrern an Mittelschulen und Einrichtungen der Lehrer-

ausbildung.

Foto: mission 21/Walter Lüssi

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besonderes Anliegen des Chinesischen Christenrates CCC, der Dachorganisation der protestantischen Kirchen in China, die theologische Aus- und Weiterbildung zu fördern.

Im Rahmen einer Kooperation werden von mission 21, evangelisches missionswerk basel, derzeit Stipendien an vier Ausbildungsstätten in den Provinzen Guangdong, Yunnan, Hunan und Shaanxi vergeben. Die SEK-Delegation konnte sich beim Besuch der Bibelschule von Xian in der Provinz Shaanxi davon zu überzeugen, dass bei der Vergabe der Sti-pendien insbesondere Frauen, junge Menschen aus ärmeren Regionen und Angehörige einer Minderheit begünstigt wer-den. Eine weitere Form der Kooperation hat sich zwischen der Amity Foundation in Nanjing und mission 21 im Bereich der Englischlehrerausbildung ergeben. Die Amity Foundati-on wurde 1985 in Nanjing durch die Initiative chinesischer Christen als eine unabhängige Nichtregierungsorganisation gegründet. Sie gilt als eine der professionellsten und erfolg-reichsten NGO’s der Volksrepublik China. Ihr Engagement konzentriert sich auf landwirtschaftliche und medizinische Projekte, Sozialprogramme für Behinderte und Waisen sowie Bibeldruck. Die Amity Foundation richtet ihre Akti-vitäten stark auf die chinesischen Bedürfnisse vor Ort aus. Seit 1985 ist deshalb das Lehrerprogramm ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Stiftung. Amity vermittelt aus-ländische Englischlehrerinnen und -lehrer an Mittelschulen und an Einrichtungen der Lehrerausbildung. Seit 2003 ist der Schweizer Georges Muschiol im Auftrag von mission 21 und der katholischen Bethlehem Mission Immensee BMI als Dozent am Xiaozhuang Teachers College in Nanjing tätig. Er unterrichtet rund 200 Studierende hauptsächlich in Wirt-schaftsenglisch, Literatur und Linguistik.

Doris Grohs ist Programmverantwortliche Ostasien von mission 21,

evangelisches missionswerk basel

CHINA 13

Die Nanjing Amity Printing Co., Ltd. hat bereits mehr als 40 Millionen Bibeln in chine-sischen Sprachen gedruckt. Im Bild eine englische Ausgabe.

Madeleine Strub-Jaccoud

Wir fahren durch Peking, durch Xian, Nanjing, Shang-hai, sehen die vielen Menschen, werden vom Verkehr fast verschluckt und finden nur schwer aus den Autoschlangen. Und dann doch – wir werden erwartet in der Bibelschule von Xian. Menschen bilden sich aus, bilden sich weiter in Bibel-kunde, in Griechisch und Hebräisch, in Kirchengeschichte und Ethik. Sie wollen der Gemeinde dienen, sie wollen das Wort Gottes verkünden, Kinder unterrichten, Frauenarbeit anbieten. In diesem riesigen Land mit seiner rasanten Ent-wicklung und den vielen, sehr alten Kulturen frage ich mich, ob es uns braucht – und wenn ja, wozu? Chinas Gemeinden brauchen Theologinnen und Theologen, die ihnen die gute Nachricht in ihrem Kontext verkündigen – nicht importiert, sondern ganz nahe dort, wo die Menschen den Alltag gestal-ten. Eine wichtige Perspektive unserer Arbeit ist deshalb die Förderung des theologischen und personellen Austausches, z.B. in Form von Gastdozenten. Gleichzeitig könnte das gros-se Interesse an der Missionsgeschichte und am missionsei-genen Archiv im Rahmen eines Forschungsprogrammes

vertieft werden. Ziel all dieser Anstrengungen ist die Förde-rung des gemeinsamen Verstehens und Glaubens. Im glei-chen Zusammenhang steht das Stipendienprogramm. Es ist wichtig, dass sich Frauen und Männer ausbilden lassen, dass sie sich Wissen aneignen. Nur so können sie Bestand haben angesichts der tiefgreifenden Umwälzungen und Beiträge leisten zur Gestaltung der Zukunft. Lernen und zum Ler-nen Motivieren sind darum die Schwerpunkte der Aktivi-täten von mission 21, evangelisches missionswerk basel, in China.

Madeleine Strub-Jaccoud, Direktorin von mission 21, evangelisches

missionswerk basel

Foto: mission 21/Walter Lüssi

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Bulletin: Der so genannte Westen hat im Zuge der Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten allem voran seine wirtschaftlichen Beziehungen zu Ländern wie China und Indien intensiviert. Unterschiedliche Auf-fassungen im Bereich der Menschenrechte waren dabei immer wieder Thema politischer Auseinandersetzungen, ohne aber Anlass zum Abbruch dieser Beziehungen zu geben. Im Gegenteil: Die zurzeit auch die Schweiz ergrei-fende Euphorie dem schier unbegrenzten ökonomischen Potential Chinas gegenüber scheint sich auch auf die kulturellen Werte des Landes auszuweiten. Mittlerwei-le sind Tendenzen erkennbar, die eher Pflichten, denn Rechten verschriebene chinesische Tradition sowie deren Effizienz und Produktivität als Vorbild zu feiern und der Anspruchsmentalität, Gleichheits- und Gerechtigskeits-versessenheit des Westens gegenüber zu stellen. Wie schätzen Sie, Christoph Waldmeier, diesen doch erstaun-lichen Perspektivenwechsel ein?

Christoph Waldmeier: Lassen Sie mich eines klarstellen: Wie der Westen seine wirtschaftlichen Beziehungen auch ausrichtet – es geht bei der angesprochenen Gegenüberstel-lung zunächst darum, sich verändernde Machtverhältnisse festzustellen – nicht darum, den sie begleitenden Wertewan-del widerspruchslos zu akzeptieren. Es sind nun mal Länder wie China und Indien, die vermehrt begonnen haben, den Motor der Globalisierung – wirtschaftlich und wertemässig – auszumachen. Dabei ist China kulturell ausserordentlich autark geblieben und war immer bereit, notfalls immense Opfer zu bringen, um seine Unabhängigkeit zu wahren. Daher ist das Thema der nationalen, territorialen und kultu-

rellen Unversehrtheit und Souveränität immer wieder vor-herrschend im politischen wie auch menschenrechtlichen Dialog mit China. Als Fremder in China kann man diese Autarkie in Form eines sehr starken kulturellen Selbstbe-wusstseins zu spüren bekommen – ein Selbstbewusstsein, das angesichts grösster Hochachtung der eigenen jahrtau-sendalten Kultur nationalistische Züge aufweisen kann.

Wie äussert sich dieses Selbstbewusstsein im sozialen Leben der Chinesinnen und Chinesen?

Im Moment eben verunsichert, denn China sucht heute im Grunde nach einem neuen Gesellschaftsvertrag. Das Land befindet sich seit den Opiumkriegen (in den 1840er bis 1860er Jahren) in einer Abfolge tief greifender morali-scher, philosophischer, staatskonzeptueller und auch religi-öser Verunsicherungen. Die letzten zwei waren zum einen die Kulturrevolution und zum anderen die seit rund 25 Jah-ren praktizierte erneute Kehrtwendung hin zur so genann-ten Öffnung Chinas, die de facto eine radikale Zuwendung zu einem rohen Kapitalismus unter der strengen Führung der Parteioligarchie bedeutet. Übrig geblieben ist dabei eine über weite Strecken von allen gängigen weltbildlichen Tra-ditionen enttäuschte chinesische Seele, die bloss noch das Angebot des Konsumerismus lockt. Ein eigentliches geistig-geistliches Vakuum ist entstanden. In Gefahr gebracht wird dabei die traditionelle chinesische Identität, die dialogisch, das heisst nicht individualistisch, sondern am Kollektiven der Menschen ausgerichtet ist. Die bedeutsamste Referenz eines Menschen ist in diesem Rahmen sicherlich seine (Gross)Familie. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung zer-

Wandelt sich China vom ehemaligen Klassenletzten im Menschenrechtsbereich zum Vorbild, das

Wertewandel und ökonomische Umwälzungen selbstbewusst in traditionelle Sozialstrukturen zu

integrieren versteht? Christoph Waldmeier, Chinakenner und Beauftragter für Aussenbeziehungen

beim SEK, warnt vor Naivität ebenso wie vor Arroganz im Menschenrechtsdialog. Das Interview

führte Elisabeth Ehrensberger.

FOKUS-THEMA14

Menschenrechte – zwischen wirtschaftlicher Opportunität und universeller Geltung

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reisst aber dieses familiäre Sozialnetz zunehmend, vor allem weil er viele sehr arm und wenige sehr reich macht. Doch nicht etwa nur die Armen, gerade auch die Reichen suchen nach religiösen Antworten auf diese Herausforderungen, weil der Reichtum sie unabhängig und einsam macht. Der – wenn überhaupt mögliche – psychosoziale und rechtliche Schutz des Individuums ist traditionell in der Gemeinschaft der Grossfamilie gegeben. Auch wenn wir Westler diesen auf das Kollektiv ausgerichteten Lebensstil in vielerlei Hin-sicht nicht teilen können, so können wir doch erkennen, dass die Auflösung der alten Strukturen das Individuum erst recht schutzlos zurücklässt. Ausserhalb des Netzes von Familie und Freundeskreis steht der Mensch schliesslich schutzlos da, weil alternative rechtsstaatliche Mittel erst im Aufbau begriffen sind.

Woher diese Ausrichtung auf die Familie, und was bedeutet sie für den Menschenrechtsdialog?

Die zentrale Wichtigkeit der Familie, des Klans, kommt möglicherweise von der Reiswirtschaft, mit der nach wie vor eine Mehrheit der chinesischen Bevölkerung ihr Aus-kommen sichert. Sie war seit je her technisch höchst kom-plex beschaffen und erforderte eine enge Zusammenarbeit mit dem Familienverband. Gleichzeitig war das bepflanzba-re Land immer sehr begrenzt, und viele Menschen mussten es sich teilen. Aufgrund der daraus entstehenden Abhän-gigkeiten stellen persönliche Beziehungen die wichtigste Grundlage der Identität eines Menschen und gleichzeitig deren Begrenzung dar: Die Regeln seines Lebens werden vom gezielten Aufbau und der Pflege gesellschaftlicher Beziehungen definiert; diese Regeln besitzen indessen

CHINA 15

Menschenrechte – zwischen wirtschaftlicher Opportunität und universeller Geltung

Nach dem Gottesdienst in Xian. Die Menschen kommen zum Teil von sehr weit her.

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Begegnung mit Menschen aus Hausgemeinden – ihre Begeisterung und Fröhlichkeit beeindrucken.

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keine universelle Gültigkeit, da sie an den Klan-Grenzen enden. Mit Konfuzius wurde deshalb der Staat stets mit dem Familienverband verglichen – wo die Familie endet, endet auch das Rechtssystem. Dieser Perspektive entspricht die stark föderalistische Tendenz Chinas. Konterkariert wird sie dafür umso stärker und brutaler vom einheitsstaat-lichen Kaisertum (inklusive der derzeitigen marxistischen Dynastie). In dieser Perspektive stellt China den Versuch dar, sowohl Vielvölker- als auch Einheitsstaat und damit ein «grosser Klan» zu sein. Doch weder im Dorfklan noch im «Staatsklan» war es je nötig, mehr als persönliche Beziehun-gen zu bauen. In unüberbrückbaren Streitfällen entschied eben der Klanchef oder der Kaiser. Und so entscheidet bis heute zu grossen Teilen das Gutdünken des Ortsfunktionärs über die Umsetzung der Menschenrechte – und nicht die nationale Gesetzgebung.

Von welcher Bedeutung ist das von Ihnen angespro-chene Fehlen universell anerkannter Werte in Bezug auf die divergierenden Auffassungen der Menschenrechte in China?

Wie gesagt, Wertvorstellungen und das soziale Leben der Chinesinnen und Chinesen gründen letztlich nach wie vor auf einer Art Personalethik. Diese setzte sich ursprünglich aus fünf persönlichen Hauptbeziehungen zusammen – der Beziehung zwischen Kaiser und Untertan, zwischen Mann und Frau, zwischen Vater und Sohn, zwischen älterem Bru-der und jüngerem Bruder sowie zwischen älterem Freund und jüngerem Freund. Ethik und Recht haben deshalb auch immer eine starke kasuistische Tendenz gehabt. Die Chi-nesen sind weniger am Rechtsprinzip denn am konkreten Rechtsfall interessiert. Nicht von ungefähr hat die SEK-Dele-gation auf ihrer China-Reise die Erfahrung gemacht, dass sich Menschenrechtsfragen besser unter dem Titel «ange-wandte Ethik» diskutieren lassen, als im Namen eines uni-versellen Geltungsanspruchs.

Stehen nun aber in der modernen Auseinanderset-zung mit dem Westen und angesichts des Siegeszugs kapitalistischer Wirtschaftsformen die von Ihnen geschilderten gesellschaftlichen Beziehungen nicht zur Disposition?

In der Tat. Es ist eine Frage der Zeit, bis sich auch in China durch Wohlstand und Kapitalismus individualisti-sche Tendenzen gesellschaftlich durchsetzen werden. Auf unserer, europäisch westlichen Seite ist es aber zwischen-zeitlich dringend nötig zu fragen, ob und wann die Situation eintreffen wird, in der wir unsere eigenen Werte werden verteidigen müssen. Unser Enthusiasmus China gegenü-ber ist naiv und trägt gleichzeitig nach wie vor paternalis-tische Züge, insofern wir unsere westliche Auffassung der Menschenrechte selbstverständlich als universell erachten. Diese Selbstverständlichkeit im Menschenrechtsdialog durchsetzen zu wollen, ist arrogant; hingegen ist es meine Überzeugung, dass es sich lohnt, unsere Werte und unsere Auffassung der Menschenrechte zu verteidigen. Das wird aber nicht ohne kritische Standortbestimmung gehen.

Welche Rolle müssen Christinnen und Christen im Rahmen dieser Standortbestimmung einnehmen?

Es gibt im heutigen China in allen Gesellschaftsschichten und selbst in der Partei viele reformwillige Menschen, die an einer modernen Bürgergesellschaft arbeiten. Sie muss man finden, auf sie muss man hören, und sie sollte man unter-stützen. Auf eigenmächtige Aktionen im Reich der Mitte (oft aus falsch verstandener religiöser oder gesellschaftspo-litischer Mission), das von uns einen sehr langen Inkultu-rationsweg abverlangt und mit grossem Selbstbewusstsein auf die Entwicklung eigener Lösungen beharrt, sollte man verzichten. Nötig sind langfristige, beharrliche Strategien auf einen Gesellschaftsvertrag hin, der Allen ein einigermas-sen gerechtes Auskommen und Chancen der Entwicklung bietet. Zu diesen Strategien gehört zuallererst die Beharr-lichkeit im Aufbau praktischer Beziehungen zwischen Indi-viduen und Organisationen in der Schweiz und China, die menschenrechtliche, angewandt ethische sowie moralische Themen und Projekte gemeinsam bearbeiten.

Christoph Waldmeier ist Beauftragter für Aussenbeziehungen beim

SEK; das Interview führte Elisabeth Ehrensperger

CHINA 17

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Stellung-nahmen des

SEK

Positionspapier zu den UNO-Reformen: Um sich den globalen entwicklungs- und sicherheitspolitischen Her-ausforderungen stellen zu können, planen die Vereinten Nationen umfassende Reformen der eigenen Strukturen. Der Rat SEK möchte in den Mitgliedkirchen sowie in der Öffentlichkeit die Aktualität und Bedeutung dieser Reform-prozesse verdeutlichen. Dabei gilt es ihm, seine Anliegen in die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik einzubrin-gen und einen fundierten Beitrag zuhanden des Ökumeni-schen Rats der Kirchen ÖRK aus Sicht des SEK zu leisten. In einem Positionspapier formuliert der SEK Orientierun-gen und Vorschläge, wie mit den Reformen Grundanliegen wie Menschenrechte, Partizipation und Frieden, die der SEK aus protestantischer Sicht vertritt, gestärkt werden können. Inhaltlich plädiert er für die Bildung eines eigenständigen Menschenrechtsrats und einer Kommission für Friedens-konsolidierung. Grundsätzlich positiv bewertet der SEK auch die Erweiterung des Sicherheitsrats auf Basis der sich in Diskussion befindlichen Modelle und plädiert mit Nach-druck für stärkere Mitsprache- und Konsultationsrechte der Zivilgesellschaft – inklusive Kirchen.

Ökumenische Wassererklärung: Mit einer gemeinsa-men Erklärung knüpfen die im Ökumenischen Rat Christ-licher Kirchen Brasiliens und die im SEK zusammenge-schlossenen Kirchen sowie die Bischofskonferenzen Bra-siliens und der Schweiz an die von der UNO ausgerufene Internationale Wasserdekade an und würdigen Wasser als Grundvoraussetzung allen Lebens und als öffentliches Gut. Wachsende Bevölkerungszahlen, eine inadäquate Wasser-bewirtschaftung, ein verschwenderischer Lebensstil und die

Zerstörung von Wald, Boden und Wasserreserven machen einen sorgfältigen Umgang mit Wasser dringend nötig. In ihrer Erklärung rufen die Kirchen den einzelnen Staaten ihre Pflicht in Erinnerung, all ihren Bewohnerinnen und Bewohnern den Zugang zu Trinkwasser zu sichern und hin-sichtlich des Wasserverbrauchs gesetzliche Prioritäten zu setzen. Ziel der Erklärung ist es u.a., die Regierungen Brasi-liens und der Schweiz dazu zu bewegen, sich für die Erarbei-tung einer Internationalen Wasserkonvention einzusetzen. Ihrerseits verpflichten sich die Unterzeichnenden, die poli-tischen Kräfte und die Bevölkerungen beider Länder zum Engagement für die Verwirklichung des Rechts auf Wasser zu motivieren und der Tendenz zur Privatisierung des Was-sers entgegenzuwirken.

Stellungnahme zum «Bundesgesetz über die Anwen-dung von Zwang im Ausländerrecht und beim Transport von Personen im Auftrag der Bundesbehörden» (Zwangs-anwendungsgesetz ZAG): Der Rat SEK befürwortet im Grundsatz die Schaffung einer klaren gesetzlichen Grund-lage über die Zulässigkeit polizeilicher Zwangsmittel, die Behörden allenfalls für die Durchsetzung rechtsstaatlicher Entscheide im Asyl- und Ausländerrecht oder im Auftrag der Bundesbehörden anwenden müssen. Dabei steht der Rat für das ausdrückliche Verbot der Zwangsmedikation und lebensgefährlicher Techniken ein. Für eben so wichtig erachtet er die Spezialausbildung von Personen, die mit der Anwendung von polizeilichen Zwangsmassnahmen betraut werden können. Schliesslich hält der Rat SEK den Vorschlag der Schweizerischen Flüchtlingshilfe für prüfenswert, dass Zwangsausschaffungen von unabhängigen Menschen-rechtsbeobachtern begleitet und dokumentiert werden.

ee/SW

Positionspapier, Erklärung und Stellungnahme sind im vollen Wortlaut abrufbar unter der SEK-Website: www.sek-feps.ch

NEWS AKTUELL18

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Wir verabschieden uns von:

Christine Schroeder-Messerli (1)Mitarbeiterin im Sekretariat der Abteilung Innenbe-

ziehungen

Pfarrer Dr. Gottfried W. Locher (2)Leiter Aussenbeziehungen

Pfr. Dr. G.W. Locher ist am 1. Dezember 1999 als Verantwortlicher für den Bereich Ökumene in den Dienst des SEK getreten. Am 1. Oktober 2001 übernahm er die Leitung der neu geschaffenen Abteilung Aussenbeziehun-gen, in der er vor allem die Dossiers der ökumenischen Beziehungen in der Schweiz sowie die Vertretungen im Ökumenischen Rat der Kirchen und im Reformierten Weltbund betreute. Vom Reformierten Weltbund wurde er ins Vizepräsidium und für den Bereich Europa zum Präsidenten gewählt. Diese Aufgaben wird er auch wei-terhin ad personam wahrnehmen.

Dr. Martina Schmidt (3)Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Beauftragte für Diako-

nie und soziale Fragen in der Abteilung Innenbeziehungen

Dipl. theol. Céline Ehrwein (4)Wissenschaftliche Mitarbeiterin Sozialethik und

Bioethik im Institut für Theologie und Ethik

Wir heissen willkommen:

Lic. phil. hist. Elisabeth Ehrensperger (5)Journalistin, Redaktorin in der Abteilung Kommunikation

NEWS AKTUELL 19

Personelles

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Esther R. Suter

Die 13. Konferenz für Weltmission und Evangelisation zum Thema «Komm Heiliger Geist, heile und versöhne» fand in Athen und damit erstmals in einem überwiegend orthodoxen Land statt. Die Konferenz dient dem Austausch von Erfahrungen mit der «Mission Gottes». Ihren Anfang nahm sie 1910 in Edinburgh als Zusammenschluss protes-tantischer Missionsräte, aus dem der Internationale Missi-onsrat IMC hervorging. Seit der Konferenz von 1961 in New Delhi und der Vereinigung des IMC mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen ÖRK ist die Teilnahme an der Weltmissi-onskonferenz konfessionell auf Beobachter aus orthodoxen Kirchen und aus der römisch-katholischen Kirche ausge-dehnt worden.

Zum ersten Mal waren dieses Jahr unter den rund 650 Delegierten von orthodoxen, anglikanischen und evange-lischen Kirchen in Nord- und Südamerika, Afrika, Europa und Asien auch Vertreterinnen und Vertreter der römisch-katholischen Kirche (40) und der Pfingstkirchen (15) zur vollen gleichberechtigten Teilnahme eingeladen. Diese neue Form der Teilnahme bezeichnete Samuel Kobia, Generalse-kretär des ÖRK, als Ausdruck der Offenheit des ÖRK gegen-über einer erweiterten Zusammenarbeit mit diesen Kirchen – eine Zusammenarbeit, die über die schon bestehende Koo-peration u.a. im Rahmen der Kommissionen für Glaube und Kirchenverfassung sowie für Weltmission und Evangelisati-on hinausgehen solle.

Ein Dialog zwischen Pfingstkirchen und ökumeni-scher Bewegung ist erst im Entstehen begriffen. Für viele

Pfingstkirchen liegt der Akzent des ÖRK zu sehr auf dem sozial-politischen Engagement und zu wenig auf dem Spi-rituellen. Im Zeichen dieses Engagements steht das Amt der Versöhnung als eine der heute wichtigsten program-matischen Achsen des Weltmissionsrats. Versöhnung wird dabei verstanden als ein Heilen der Erinnerung. Die-ses Verständnis erwächst den in der Versöhnungsarbeit gemachten Erfahrungen, wie sie beispielsweise in Süd-afrika geleistet worden ist. Für Kobia trägt die Mission eine schwere historische Last, «weil sie selbst zu Spaltung und Konflikt zwischen Völkern und sogar zwischen Kirchenfa-milien beigetragen hat […]. Es ist wohl an der Zeit, unsere Schuld zu bekennen und Busse zu tun.»

Für die griechisch-orthodoxe Kirche, Gründungsmitglied des ÖRK, drückte Erzbischof Christodoulos von Athen und ganz Griechenland die Hoffnung aus, dass die jüngsten Ent-wicklungen im Zusammenhang mit der «Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK» zu einer neuen Ära in den Beziehungen zwischen ÖRK und Orthodoxen führen werde. Christodoulos gab weiter zu bedenken, dass sich Missions-theologie und -praxis den neuen Gegebenheiten einer sich verändernden Welt anpassen müssten. Globalisierung, Mig-rationsbewegungen, der zunehmend multireligiöse Charakter unserer Gesellschaften sowie die Konsequenzen des Terroris-mus und dessen Bekämpfung machten eine Neuartikulierung christlicher Identität und des missionarischen Auftrags nötig.

Esther R. Suter ist Pfarrerin und freie Journalistin

Die 13. Weltmissions-konferenz in Athen – Heilen und Versöhnen

Versöhnung als das Heilen von Erinnerung. In diesem Zeichen stand

die diesjährige Weltmissionskonferenz in Athen, an der erstmals auch

Vertretungen der römisch-katholischen Kirche und der Pfingstkirchen

gleichberechtigt teilnahmen. Von einer Öffnung der missionarischen

Bewegung des Ökumenischen Rates zeugten zudem die aktivere

Teilnahme der Orthodoxen und die Integration von Evangelikalen.

Schlussfeier auf dem Areopag in Athen.

Foto: Esther R. Suter

AUSSENBEZIEHUNGEN20

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Das Bemühen um ein harmonisches ökumenisches

Zusammensein habe an der diesjährigen Weltmis-

sionskonferenz einen derart wichtigen Stellenwert

eingenommen, dass darob der prophetische Cha-

rakter der Konferenz verspielt worden sei – so die

Einschätzung der RWB-Delegierten Christine Lien-

emann-Perrin. Provokative Fragen und die Klärung

künftiger Entscheidungsprozesse seien der momen-

tanen Vertrauensbildung geopfert worden.

Christine Lienemann-Perrin

Jede Konferenz hat ihre eigenen Akzente gesetzt und den jeweiligen Zeichen der Zeit Ausdruck verliehen – auch Athen: Erstmals in der Geschichte des Ökumenischen Rats der Kirchen ÖRK hat eine Weltkonferenz ihre seelsorgerli-che Kompetenz entfaltet. Heilen und Versöhnen waren die Leitbegriffe, Vertrauensbildung das Ziel. «Heilende und ver-söhnende Gemeinschaft» wollte sie ihrem Motto gemäss sein. Nach Jahren der inneren Zerrissenheit sollten die vor allem von Orthodoxen beklagten Wunden der Verletzung und Aus-grenzung geheilt werden. Wechselseitige Vorurteile zwischen den «Kirchen der Ökumene» und pfingstlich oder evangeli-kal geprägten Kirchen, die nicht Mitglied im ÖRK sind, galt es abzubauen. Heilung hatte aber noch andere Dimensionen: Erstmals stand auf einer Weltkonferenz des ÖRK rund um die Uhr ein sechsköpfiges Team von professionellen Seelsor-gern und Seelsorgerinnen aus verschiedenen Kulturen und Konfessionen für Einzelgespräche bereit. Alles, was das öku-menische Zusammensein hätte spalten und durch Konflikte belasten können, wurde von der Konferenz ferngehalten: die mühsamen Willensbildungsprozesse und auch die Wahlen, die zu Kampfabstimmungen hätten führen können.

Im Rückblick sehe ich Athen als einen Übergang von der prophetischen zur priesterlichen Ökumene. Prophe-

Von der pro- phetischen zur priesterlichen Ökumene

tisch waren frühere Weltmissionskonferenzen dann, wenn sie unbequeme Fragen stellten und provozierende Schritte unternahmen. Mit der Zeit hat sich die prophetische Ökume-ne jedoch in eine Ökumene von Propheten verwandelt, die wenig Bereitschaft zeigen, auf andere Stimmen als ihre eige-nen zu hören. Prophetie lässt sich weder auf Dauer stellen noch institutionalisieren; trotzdem bleibt sie auch in Zukunft ein unverzichtbares Gegengewicht zur priesterlichen Ökume-ne, damit diese nicht zur Ökumene der Priester wird. Bei aller Freude über die neuen Horizonte bleibt im Nachgang zur Athener Konferenz die Frage nach den künftigen Entschei-dungsprozessen ebenso offen wie diejenige nach brisanten Themen, die man diesmal um der Vertrauensbildung willen an den Rand geschoben oder ganz von der Tagesordnung gestrichen hat. Dazu gehören die Fragen der Geschlechterge-rechtigkeit, der Frauenordination und des Verhältnisses zwi-schen Mission und interreligiösem Dialog. In Athen ist der Ökumene ein Neuaufbruch gelungen. Aber wie immer gilt auch hier: Neues soll man prüfen, das Gute behalten und im übrigen das historische Gedächtnis pflegen.

Christine Lienemann-Perrin, Delegierte des Reformierten Weltbun-

des RWB

«Die einzige Wahrheit» … «Orthodox oder tot»: Protest von ultra-orthodoxen Christen gegen die ökumenische Veranstaltung.

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Eva Düblin

Der verheerende Mechanismus von Gewalt und Gegen-gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt bedeutet für die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten viel Leid. Die Abriegelung der palästinensischen Gebiete, regelmässige Ausgangssperren und Einfälle durch die israelische Armee schränken das gesellschaftliche, politische und wirtschaftli-che Leben in den besetzten Gebieten drastisch ein. Die isra-elische Bevölkerung ihrerseits lebt unter ständiger Angst vor Selbstmordattentaten. Von dieser schwierigen Situati-on sind nicht zuletzt auch israelische und palästinensische Friedens- und Menschenrechtsorganisationen betroffen. Sie führen ihre Programme zwar weiter, aber Gewaltausbrüche, Ausgangssperren und Reisebeschränkungen erschweren die Arbeit dieser Organisationen und setzen sie beträchtli-chen Gefahren aus.

Das Programm

Die Arbeit von konstruktiven Kräften der Zivilgesell-schaft ist gerade in einem Klima von Gewalt von zentraler Bedeutung. Vor diesem Hintergrund hat der Ökumenische Rat der Kirchen ÖRK im September 2001 das EAPPI ins Leben gerufen. Das Projekt antwortet auf einen Ruf der lokalen Kirchen sowie von palästinensischen und israeli-schen Menschenrechtsorganisationen und anderen NGOs nach internationaler Präsenz und versteht sich als Beitrag im Rahmen der vom ÖRK ausgerufenen Dekade zur Über-windung der Gewalt.

Im Rahmen des EAPPI-Programms begleiten Menschen-rechtsbeobachterinnen und -beobachter aus mehr als elf Ländern während einer Zeitdauer von jeweils drei Mona-

ten einerseits palästinensische Zivilisten an neuralgischen Punkten wie israelischen Checkpoints oder in von jüdi-schen Siedlungen umgebenen arabischen Dörfern, ande-rerseits unterstützen sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter israelischer humanitären Organisationen und Menschen-rechtsgruppen bei ihrer Arbeit. Die internationalen Beob-achterinnen und Beobachter setzen durch ihre Präsenz im Konfliktgebiet ein Zeichen gegen die Gewalt und verhelfen der Zivilbevölkerung zu mehr Schutz vor Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen.

Die Mitarbeit von Freiwilligen aus der Schweiz wird ermöglicht, indem sich unter dem Patronat des SEK die vier seit Jahren im Konfliktgebiet engagierten Organisationen HEKS, Christlicher Friedensdienst cfd, horYzon und missi-on 21 zu einer Trägerschaft zusammengeschlossen haben. Diese Trägerschaft unterstützt die Schweizer Beteiligung am EAPPI finanziell und leistet wichtige Öffentlichkeits-arbeit. Mit der operationellen Durchführung des Projekts sowie der Rekrutierung und Ausbildung von Freiwilligen ist Peace Watch Switzerland beauftragt.

Ein Blick in die Praxis

Ecumenical Accompaniers EAs nehmen vor Ort ganz verschiedene Aufgaben wahr: Sie begleiten beispielswei-se palästinensische Schulkinder in Hebron und schützen sie so vor Belästigungen durch israelische Jugendliche. Sie besuchen und begleiten christliche Palästinenserfamilien in ihrem Alltag in Ramallah und Bethlehem. Sie leben im klei-nen Bauerndorf Yanoun und bieten durch ihre Präsenz den Einwohnern Schutz vor militanten Siedlern. Sie stehen am Tor des Trennzauns in Jayyous in der nördlichen Westbank.

Von Februar bis anfangs Mai 2005 lebte ich zusammen mit zwei dänischen EAs in Jayyous. Das Dorf hat rund 3500 Einwohner; viele von ihnen sind Bauern. Sie kultivieren Zitrus- und Olivenbäume und pflanzen in Gewächshäu-sern auch Gemüse an. Jayyous war bekannt für seine guten Früchte, die nach Israel und nach Jordanien exportiert wur-den. Mit dem Bau des Trennzauns, der hier sechs Kilome-ter tief ins palästinensische Gebiet einschneidet, wurde das Leben der Bauern schwierig. 74% des bewässerten Farmlan-des und sechs von sieben Quellen des Dorfes liegen heute auf der ‹israelischen› Seite des Zauns. Durch zwei Tore, die dreimal am Tag je für eine bis anderthalb Stunden geöffnet werden, können die Bauern zu ihrem Land gelangen.

AUSSENBEZIEHUNGEN22

Als Menschenrechts- beobachterin in Palästina

Das Ecumenical Accompaniment Programme in

Palestine and Israel EAPPI ist ein Friedensförde-

rungsprogramm, für das der SEK das Patronat

innehat. Die Baslerin Eva Düblin ist Einsatzleisten-

de vor Ort – ein Erfahrungsbericht.

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Unsere Aufgabe war es unter anderem, die beiden Tore in Jayyous zu beobachten. Konkret heisst das: Meine Kollegin und ich stehen morgens um halb sechs auf. Bei Kerzenlicht kochen wir uns einen heissen Kaffee; Strom und damit Licht gibt es erst ab acht Uhr. Wir wandern im ersten Morgenlicht zum Tor Nr. 25 hinunter, wo ein Armeejeep steht. Die Bau-ern kommen erst kurz vor sieben Uhr auf Eselskarren, zu Fuss oder mit dem Traktor. Sie werden einzeln kontrolliert – ebenso die Kessel, Taschen und Plastiksäcke, in denen sie ihr Essen mittragen.

In den ersten Tagen ist alles ruhig, die Tore funktionieren ‹normal›. Aber Ende Februar bleiben sie plötzlich geschlos-sen. In Tel Aviv hat ein Selbstmordattentat stattgefunden. Wir telefonieren mit dem zuständigen Offizier und mit Hamoked, einer israelischen Menschenrechtsorganisation. Nichts zu machen, das Tor bleibt zu. Die Bauern demonstrie-ren vor dem Tor, die anwesende Offizierin droht mit ‹Mass-nahmen›, die Stimmung ist aggressiv.

Nach zwei Tagen dürfen Fussgänger wieder passieren. Ein Lastwagen, der geerntete Früchte abholen soll, kommt nicht durch. Dies trifft die Bauern empfindlich. Denn ein Export von Früchten und Gemüse ist seit dem Bau des Zauns kaum mehr möglich, und die lokalen Märkte müssen schnell beliefert werden, denn die Konkurrenz ist gross. Für

die Bauern ist klar, dass es sich hier um eine Schikane und Strafmassnahme handelt; ein Attentat lasse sich auf diese Weise sicher nicht verhindern, sind sie überzeugt. Nach weiteren drei Tagen werden die Tore wieder regelmässig geöffnet.

In den drei Monaten, die ich in Jayyous verbrachte, wurden die Tore noch ab und zu verspätet oder gar nicht geöffnet. Die Bauern versuchen, mit dieser Situation fertig zu werden. Auf ihre Art leisten sie so Widerstand gegen die Besatzung. Und sie hoffen auf Frieden, auf eine Verständi-gung mit den Israelis, die es ihnen erlaubt, ihren Boden in Ruhe zu bebauen und ihre Früchte und ihr Olivenöl wieder zu einem guten Preis zu verkaufen.

Auskünfte zu Berichten von ehemaligen Einsatzleisten-den sowie zu Möglichkeiten eines Freiwilligeneinsatzes sind erhältlich bei Peace Watch Switzerland, Daniela Vorburger:

Tel. / Fax : 044 272 27 88Email: [email protected] Daten der Informationsnachmittage und der nächsten

Trainings für einen Einsatz siehe unter: www.peacewatch.ch

Eva Düblin ist Menschenrechtsbeobachterin

Ein älterer Palästinenser klettert im Oktober 2003 über die provisorische Sicherheitsmauer der Israelis bei Abu Dis nahe Ostjerusalem.

Foto: refbild/Pfander

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Das European Christian Enviromental Network ECEN besteht aus kirchlichen Umweltspezialisten und verbin-det eine Vielzahl theologischer Traditionen und kirchli-cher Erfahrungen im Umgang mit Umweltproblemen. Das Netzwerk wurde durch die Tagung in Basel gestärkt: Zum einen wurde durch die grosse Teilnahme von katholischen Umweltbeauftragten die ökumenische Zusammenarbeit intensiviert; die inhaltliche Arbeit wurde durch mehrere öffentliche Veranstaltungen begleitet. Zum anderen führte der Austausch über das kirchliche Umweltengagement zu wirksamen Handlungsempfehlungen.

Zu den Empfehlungen gehört die Durchführung einer Schöpfungszeit in den Kirchgemeinden und Pfarreien, die effiziente Nutzung von Energie durch eine alljährliche Energiebuchhaltung sowie die Unterstützung von ökologi-schen Geldanlagen. An der Versammlung wurden die Hand-lungsfelder in neun Arbeitsgruppen diskutiert. Als Ergeb-nis wurde unter der Leitung von Christoph Stückelberger ein Dokument an die Konferenz der Europäischen Kirchen sowie an den Rat der Europäischen Bischofskonferenzen ausgearbeitet. In diesem Aufruf werden die Kirchen Euro-pas aufgefordert, ihre Verantwortung gegenüber der bedroh-ten Schöpfung wahrzunehmen und sich bei anstehenden politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entscheiden mit klarer Stimme zu erheben. So heisst es beispielsweise in der Botschaft von Basel: «Christen sollen ihre Regierungen auffordern, die wirksamste Form von Umweltsteuern zu erarbeiten und umzusetzen, als praktischen und effizienten Weg zum Energiesparen, zur Begrenzung der Umweltzer-störung und zur Förderung nachhaltiger Energien.»

Der achtseitige Appell findet sich im Wortlaut auf der Homepage des Netzwerks: www.ecen.org

AUSSENBEZIEHUNGEN24

Kirchen für ein ökologisch nachhaltiges Europa

Zur fünften Vollversammlung des Europäischen

Christlichen Umweltnetzes ECEN in Basel trafen

sich vom 4. bis zum 8. Mai 120 orthodoxe, katho-

lische und evangelische Umweltspezialisten aus

30 Ländern Ost- und Westeuropas. Sie stiessen

im Dreiländereck auf grosse Gastfreundschaft und

konnten zum Abschluss der Versammlung einen

Aufruf an alle Kirchen Europas verabschieden.

An der «Teilete» auf dem Basler Münsterplatz sprach der Präsident des Rates SEK, Pfarrer Thomas Wipf, mit dem Stellenleiter der oeku, Dr. theol. Kurt Zaugg-Ott. Wipf hob im ECEN-Abschlussgottesdienst die Bedeutung der kirchlichen Umweltarbeit in der Schweiz hervor.

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Diakoniekonferenz

Frauenkonferenz

INNENBEZIEHUNGEN 25

Ansatz der Diakonie gelten könne. In ihrem zweiten Veranstaltungsteil suchte die Diakoniekonferenz unter der Leitung von Markus Ulrich, Ulrich Creative Simula-tions UCS in Zürich, die partizipative, spie-lerisch-kreative Auseinandersetzung mit dem Thema. Praktische Übungen sollten den Teilnehmenden unter anderem Impul-se für die Verwirklichung von Partizipation im kirchlichen Alltag geben. Im Rahmen des abschliessenden geschäftlichen Teils würdigte der Präsident der Diakoniekon-ferenz, Christoph Sigrist, mit Worten der Anerkennung und Dankbarkeit Martina Schmidts Arbeit als hervorragende Theo-login, Anwältin der Diakonie und Dienerin der Kirche.

Das Referat von François Dubois ist ab-rufbar auf der SEK-Website unter der Rubrik «Organisationen»/«Diakoniekonferenz»/«Diakoniekonferenz» vom 3.5.2005.

Die Diakoniekonferenz vom 3. Mai fragte im Rahmen ihres Jahresthemas 2005 «Partizipation als Ansatz der Diakonie», wie realistisch es sei, von einer Gleichbe-rechtigung zwischen Hilfe Empfangenden und Helfenden aufgrund von Machttei-lung auszugehen. In der Diakonie, ver-standen als solidarisches Handeln der christlichen Kirchen und Werke mit Men-schen am Rande der Gesellschaft, müsse nicht die Suche nach Lösungen für, son-dern mit den Menschen ausschlaggebend sein, hielt Martina Schmidt, scheidende Fachbeauftragte für Diakonie und Soziale Fragen beim SEK, fest. Diakonie mit dem anderen, dem armen Menschen orientie-re sich an Inklusion, lasse den Menschen an seiner eigenen Heilung partizipieren und gebe ihm insofern seine Autonomie zurück. Doch wer ist der Andere? Und was ist Armut? Diesen beiden Fragen widmete sich François Dubois, Direktor des Centre social protestant CSP in Neuenburg (vgl. auch Portrait, Seiten 34 und 35). Ziel sei-nes Referats war es zu klären, am Modell welcher Kirche – welches Menschen und welcher Gesellschaft – Partizipation als

Rita Jost, Journalistin und Redaktorin beim saemann, den Konferenzteilnehmerinnen Impulse und Anregungen, wie die Frauen-konferenz ihre Themen noch besser in den Medien platzieren könnte. Dabei standen auch grundsätzliche Bemühungen um eine bessere Beachtung von Frauen- und Gen-derthemen sowohl in kirchlichen als auch in nicht-kirchlichen Medien zur Diskussion. Thesen und Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden innert Kürze auf der Website der Frauenkonferenz einsehbar sein.

Die 10. Frauenkonferenz des SEK wähl-te in Bern Lilian Studer-Senn, Genderbe-auftragte bei HEKS, BFA, DM und Mission 21, zu ihrem neuen Ausschussmitglied. In ihren Beratungen des neuen Leitbilds schritt die Frauenkonferenz soweit voran, dass sie dieses im Herbst wird verabschie-den können. Sie beschloss zudem, am Thema Abendmahl weiterzuarbeiten und dem SEK sowie den Mitgliedkirchen ihre diesbezüglichen Empfehlungen und Vor-schläge zu unterbreiten. Ein entsprechen-der Antrag wurde an den Ausschuss über-wiesen. Im zweiten Veranstaltungsteil gab

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Manfred Gyger

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in den auslän-derpolitischen Bereichen häufen sich die Fragen, wohin die Migrationspolitik der Schweiz führen soll, aber vor allem, ob sie den Weg der humanitären Tradition verlassen will. Sowohl Ausländer- als auch Asylgesetz befinden sich weiter-hin in den Beratungen der eidgenössischen Kommissionen und Räte. Der SEK hat sich von Beginn an für die Berück-sichtigung der christlich geprägten Grundwerte eingesetzt und die geplanten Verschärfungen verurteilt, welche die Menschenwürde zu ignorieren drohen. Dies geschah durch die offiziellen Vernehmlassungen 2000/2001, in Briefen und an Pressekonferenzen mehrheitlich in Zusammenarbeit mit den übrigen Landeskirchen und dem Schweizerischen Isra-elitischen Gemeindebund.

Wichtige Anliegen

Der SEK setzt sich dafür ein, dass die Schweiz weiterhin über ein Ausländer- und Asylrecht verfügt, das Schutzbedürf-tige aufnimmt und den in einem rechtsstaatlichen Verfah-ren Abgewiesenen bis zu ihrer Ausreise ein menschenwür-diges Dasein ermöglicht. Die wichtigsten Anliegen, welche der SEK vertritt, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Asylgesetz

• Die ursprünglich im Erstrat beschlossene «humani-täre Aufnahme» würde für Personen, deren Wegwei-sung vorläufig nicht möglich ist, eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in der Schweiz bedeuten. Eine Rück-kehr zu der heute geltenden «vorläufigen Aufnahme» ist daher abzulehnen.

• Ein Ausschluss aller abgewiesenen Asylbewerber von asylrechtlichen Sozialhilfeleistungen wäre politisch und sozial unverantwortlich und kann nicht gutge-heissen werden. Zudem darf der verfassungsmässige Nothilfeanspruch von Asylsuchenden mit einem Nicht-eintretensentscheid NEE weder eingeschränkt noch verweigert werden.

• Der Vorschlag, nur noch auf Asylgesuche einzutre-ten, wenn gültige Reisepapiere beigebracht werden können, ist zurückzuweisen. Tatsächlich verfolgte Menschen verfügen oft nicht über solche Dokumente und würden unrechtmässig vom Asylverfahren aus-geschlossen. Missbräuche liessen sich ebenfalls nicht ausschliessen.

Ausländergesetz

• Die Aufnahme der Härtefallregelung für langjährige «Sans-Papiers» stellt ein längst fälliges Anliegen breiter humanitärer und kirchlicher Kreise dar. Bis heute wur-den schwerwiegende persönliche Notsituationen in den Kantonen lediglich gestützt auf ein Kreisschreiben mit Weisungscharakter beurteilt, was immer wieder rechts-ungleiche Entscheide zur Folge hatte.

Nothilfe

Im Rahmen seines Entlastungsprogramms 2003 hat der Bundesrat Sparmassnahmen für den Asylbereich beschlos-sen, welche Personen mit einem Nichteintretensentscheid bereits seit Frühjahr 2004 von jeglicher asylrechtlicher Sozialhilfe ausschliessen und nur unter bestimmten Vor-aussetzungen Nothilfe zugestehen. Um die Auswirkungen

Wahrung der Menschenwürde

INNENBEZIEHUNGEN26

Geben die in der gegenwärtigen Politik deutlich spürbaren Tendenzen bei der Behandlung von

migrationspolitischen Problemen Anlass zur Sorge – Sorge gegenüber Menschen in Not, Verfolg-

ten, Verzweifelten? Die bisherigen Ergebnisse der parlamentarischen Beratungen zum Entwurf

eines neuen Ausländergesetzes und insbesondere zur Teilrevision des Asylgesetzes rechtfertigen

diese Frage.

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Jeder Mensch besitzt das Recht, mit Würde und Respekt behandelt zu werden. Gerade in Notsituationen dürfen Betroffene erwarten, dass der Staat sich seiner Verantwortung nicht entzieht.

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KÖPFE DES SEK28 INNENBEZIEHUNGEN28

dieses Beschlusses gesamtheitlich zu erfassen, führt das Bundesamt für Migration bei den Kantonen ein Monitoring durch.

Zur Feststellung der Auswirkungen auf die Gemeinden hat der SEK im Oktober 2004 aufgrund entsprechender Mel-dungen eine Umfrage bei den Mitgliedern durchgeführt und die Antworten zu einem Bericht zusammengefasst. Abgese-hen von der oft gehörten Feststellung, dass der Zeitpunkt für eine solche Befragung verfrüht sei, liess sich eine Zunahme der Hilfsbegehren mit steigender Tendenz insbesondere bei den kirchlichen Beratungsstellen erkennen. Im Vordergrund der nachgesuchten Leistungen standen Unterkunft und Ver-pflegung, Geldmittel und Rechtsberatung, aber auch Tages-strukturen und Beratungsgespräche. Die Anfragen haben primär in städtischen Gebieten zugenommen und verstärkt dort, wo sich in den vergangenen Jahren eine Solidaritätsge-meinschaft entwickelt hatte.

Gefahren und Chancen

Auch wenn sich die erfassten Auswirkungen des Sozial-hilfeausschlusses in ihrer Gesamtheit bisher in Grenzen hiel-

ten, liegt die Vermutung nahe, dass betroffenen Menschen ohne Perspektive in die Anonymität flüchten, um drohenden Zwangsausschaffungen zu entgehen. Allerdings werden sie so in eine sozial nicht vertretbare Situation gedrängt, gesell-schaftlich nicht mehr wahrgenommen und leicht Opfer von Ausbeutung und Erpressung. Gleichzeitig werden Helfende zu illegal Handelnden.

Durch die Offenlegung und Thematisierung solch wider-sprüchlicher Gesetzmässigkeiten, die sich weder aus ethi-scher noch rechtsstaatlicher Sicht verantworten lassen, will der SEK seine Anliegen auf Bundesebene weiterhin in den Meinungsbildungsprozess einfliessen lassen. Die ausdrück-liche Unterstützung verschiedener Mitgliedkirchen hat ihn in dieser Hinsicht erneut bestätigt.

Manfred Gyger ist Fachmitarbeiter der Abteilung

Innenbeziehungen/Migration des SEK

Menschen ohne Papiere sind zu einem grossen Teil seit mehreren Jahren wirtschaftlich und sozial integriert. Sie dürfen Kriminellen nicht gleichgesetzt werden. Das Bild zeigt ‹Sans Papiers›, die im September 2001 die katholische St. Marienkirche besetzen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

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Pfarrer David A. Weiss ist auf 30. Juni 2005 aus dem Rat SEK zurückgetreten.

Er wurde an der Abgeordnetenversammlung, die vom 19. bis 21 Juni 2005 in Einsiedeln tagte, durch die Prä-sidentin der Abgeordnetenversammlung mit folgenden Worten verabschiedet:

«David A. Weiss wurde an der Sommer-Abgeordne-tenversammlung 1998 gewählt und gehörte ab 1. Januar 1999 dem ersten Rat nach der Reorganisation an. Er wurde im Sommer 2002 mit grosser Mehrheit wie-der gewählt.

Durch seine Mehrfachtätigkeit als Gemeindepfarrer und Kirchenratspräsident der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons Luzern brachte er ein breites Spek-trum an Kenntnissen in die Arbeit des SEK. Ein besonderes Anliegen war ihm immer die Beziehung zu den Mitglied-kirchen, aber auch in organisatorischen Fragen verhalf er zu guten Lösungen.

David A. Weiss hat durch seine grosse Kenntnis der darstellenden Kunst der Arbeit eine Dimension hinzu-gefügt, die auf erfrischende Art auch unkonventionelle Ansätze ins Gespräch brachte. Die Abgeordnetenver-sammlung dankt David A. Weiss herzlich für sein Engage-ment und seine Dienste und wünscht ihm für die Zukunft Gottes Segen.»

Die Abgeordnetenversammlung wählte am 19. Juni 2005 als Mitglied neu in den Rat:

Pfarrer Urs Zimmermann, Wettingen

Pfr. U. Zimmermann (geb. 1942) ist Pfarrer der Refor-mierten Landeskirche Aargau und arbeitet seit 1978 in der Kirchgemeinde Wettingen-Neuenhof. Von 1983 bis 1998 war er Dekan des Dekanats Baden. 1999 wählte ihn die Synode der Aargauer Kirche zum Vizepräsidenten, 2003 zum Präsidenten. Er vertrat seit 1999 seine Kirche in der Abgeordnetenversammlung SEK, die ihn 2001 in die Geschäftsprüfungskommission wählte. Pfarrer U. Zim-mermann tritt sein Amt als Mitglied des Rates SEK am 1. Juli 2005 an.

Wechsel im Rat

RATS-INFO 29

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Was Du auch immer denkst – es trifft zu!

Noch kaum eine Auslandreise weckte bei mir derart widersprüchliche Empfindungen wie der zweiwöchi-ge Aufenthalt der SEK-Delegation in China. Vor der Reise sagte ein erfahrener China-Kenner zu mir: «Was du auch immer über dieses Land hörst und in diesem Land siehst, es ist immer irgendwie wahr.» Was soll ich jetzt eigentlich über China denken? Dieses Land ist unglaublich gross und es leben unvorstellbar viele Menschen dort. Es ist schlicht unzulässig, nach vierzehn Tagen gültige Aussagen zu formulieren – obwohl in die-sem Teil des Bulletins ein «Standpunkt» gefragt ist.

Da treffen wir Christen, die während der Kulturre-volution um des Glaubens willen schweren Verfolgun-gen ausgesetzt waren und in einem konkreten Fall für vierzehn Jahre in einem Arbeitslager schwerste körper-liche Arbeit verrichten mussten. Wir besuchten christli-che Gemeinden, die heute unbehelligt, aber in finanziell sehr bescheidenen Verhältnissen leben. Diese überzeu-gende Art des christlichen Lebens beeindruckt mich tief und findet meinen grossen Respekt. Plötzlich sitzen wir mit chinesischen lokalen oder nationalen Kirchenleitun-gen in Räumlichkeiten, die stark an jene von Koloni-almächten oder Grosskonzernen erinnern. Mir will es nicht richtig gelingen, einen direkten Zusammenhang zum harten Alltag der Menschen herzustellen.

Die Zahl der Christinnen und Christen in China macht Eindruck. Ein Journalist der NZZ, seit Jahren mit den Verhältnissen in China vertraut, meint nüchtern, die Christen spielten im gesellschaftspolitischen Leben keine wirkliche Rolle. Wir besuchen eine Universität, die auf dem Gebiet der Life Sciences bei der Weltspit-ze mithält; wir lassen uns an ihrer noch jungen Theo-logischen Fakultät über Arbeiten berichten, bei denen ich beim besten Willen kein akademisches Niveau zu erkennen vermag. Beim Nachtessen komme ich neben den Übersetzer des «Weltethos» von Hans Küng in eine chinesische Sprache zu sitzen. Bei einer andern Mahlzeit erweist sich mein Sitznachbar als herausragender Ken-ner der Theologie von Karl Barth, der sogar Barths Ein-trittsdatum in die Sozialdemokratische Partei und (leider auch) das Austrittsdatum nennen kann.

Ich könnte die Liste meiner widersprüchlichen Beob-achtungen ohne Mühe verlängern. Ich bin noch immer verwirrt. Dieses Land ist riesig: was du auch immer denkst, siehst, erlebst und hörst, es trifft irgendwie zu!

Peter Schmid, Mitglied des Rates SEK

Beschlüsse der Sommer-

Abgeordn etenversammlung

wählt Pfarrer Urs Zimmermann als Mitglied des Rates SEK für den Rest der Amtszeit 2003 bis 2006.

Urs Zimmermann ist Pfarrer der Reformierten Landeskirche Aargau und arbeitet in der Kirchgemeinde Wettin-gen. Als bisheriger Abgeordneter in der AV-SEK war er Mitglied der Geschäfts-prüfungskommission. Die Wahl wurde nötig nach dem Rücktritt von Pfarrer David A. Weiss auf 30. Juni 2005.

wählt Regula Kummer (TG) und Pfarrer Christophe Kocher (NE) als Mitglieder der Geschäftsprüfungs-kommission für den Rest der Amts-zeit 2003 bis 2006.

Sie ersetzen die zurückgetretenen Mitglieder Henri Vidoudez (VD) und Iren Herren-Heer (BL).

nimmt den Bericht des Rates zur Motion de Roche und Mitunter-zeichnende betreffend Migrations-politik vom 12. November 2001 zur Kenntnis. Die Motion wird abge-schrieben. Der Rat veröffentlicht die Motionsantwort.

Die Motion verlangte vom Rat, seine Haltung zur Lage der Sans-Papiers und zu den Ausschaffungs-entscheiden des Bundes und zur Ausschaffungspraxis der Kantone darzulegen und sich mit der Bischofs-konferenz beim Bund im Hinblick auf die bevorstehenden Beratungen der eidgenössischen Räte über die Auslän-dergesetzgebung für menschlich ver-tretbare Regelungen einzusetzen.

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netenversammlung auf die Herbst-tagung (7./8. November 2005 in Bern). Das AV-Reglement soll den Mitgliedkirchen zur Vernehmlas-sung zugestellt werden.

wird 2006 vom 18. bis 20. Juni in St. Gallen und am 6./7. November in Bern tagen.

Die Abgordnetenversammlung verab-schiedet – Pfarrer David A. Weiss, der auf

den 30. Juni 2005 aus dem Rat SEK zurücktritt,

– Pfarrer René Diacon als langjähri- gen Verfasser der französischspra- chigen Teile des Protokolls,

– Henriette Hartmann, die auf den 30. Juni 2005 als Präsidentin und Mitglied des Stiftungsrates fondia – Stiftung zur Förderung der Gemeindediakonie im SEK, zurücktritt.

Theo Schaad, Leiter Geschäftsstelle

Beschlüsse und weitere Unterlagen der Sommer-AV sind abrufbar unter der SEK-Website:www.sek-feps.ch

Beschlüsse der Sommer-

Abgeordn etenversammlung 19. bis 21. Juni 2005 in Einsiedeln

nimmt die Antwort des Rates zum Postulat der Evangelisch-refor-mierten Landeskirche des Kantons Zürich betreffend ökumenische Zusammenarbeit zur Kenntnis.

Mit dem Postulat wurde der Rat eingeladen, über seine Zusammen-arbeit mit der Römisch-Katholischen Schweizer Bischofskonferenz zu berichten, seine Ziele und Strategien für die Ökumene in der Schweiz zu definieren und sie der Abgeordneten-versammlung zu unterbreiten.

nimmt den Evaluationsbericht zum Open Forum Davos zur Kenntnis. Sie unterstützt den Beschluss des Rates SEK, im Open Forum Davos weiterhun als Mitträger mitzuwir-ken.

genehmigt den Jahresbericht 2004.

beschliesst, 2006 für den kirchli-chen Dienst an den reformierten Auslandschweizern zugunsten des Fonds Schweizer Kirchen im Aus-land 2006 eine Kollekte mit der Ziel-summe von CHF 290’000.-- und für das Ökumenische Institut Bossey eine Sammlung mit der Zielsumme von CHF 60’000.-- durchzuführen.

nimmt Kenntnis vom definitiven Umbauprojekt für die Liegenschaft am Sulgenauweg 26 in Bern und dem Finanzierungsmodell. Sie stimmt einer Erhöhung der Entnah-me aus dem Kapital John Jeffries auf maximal CHF 800’000.-- zu.

wählt Jeanne Pestalozzi-Racine, Dietikon ZH, als Mitglied des Stif-tungsrates Brot für alle BFA für den Rest der Amtsdauer 2004 bis 2007.

nimmt die Jahresberichte und die Rechnungen 2004 der Stiftungen – Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz HEKS – Brot für alle BFAzur Kenntnis.

Es ist das erste Mal seit der Neustrukturierung der Zusammen-arbeit zwischen den Kirchen und Werken, dass die Jahresberichte und Rechnungen wieder in der Abgeord-netenversammlung des SEK behandelt werden. Grundlage des neuen Modells ist, dass die AV-SEK alleiniger Ort der Willensbildung für die Mitgliedkirchen bezüglich Aussenbeziehungen des SEK sei.

beschliesst, dass die Mitgliedkirchen im Jahre 2006 das HEKS wiederum mit Beiträgen unterstützen. Die reguläre Zielsumme 2006 beträgt insgesamt CHF 2’372’520.-- und diejenige für den Flüchtlingsdienst insgesamt CHF 1’002’660.--. Sie will über die Aufrechnung der Teue-rung auf die Zielsummen in Zukunft jährlich entscheiden.

genehmigt Tätigkeitsbericht und Jahresrechnung 2004 von fondia – Stiftung zur Förderung der Gemein-dediakonie im SEK.

verschiebt die Behandlung der Nachführung der Verfassung und die Diskussion über das neue Geschäftsreglement der Abgeord-

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wählt Helen Gucker-Vontobel als Mitglied der Finanzkommission für den Rest der Amtsdauer 2003 bis 2006.

nominiert als Mitglied des Stiftungs-rates von fondia – Stiftung zur För-derung der Gemeindediakonie im SEK Helen Gucker-Vontobel.

wählt als Mitglied des Fonds für Frauenarbeit Irène Reday.

beauftragt Silvia Pfeiffer, als Mit-glied des Rates SEK in der Konzept-gruppe der Konkordatskonferenz für die Evaluation der Bildungsarbeit in der Schweiz mitzuarbeiten.

wählt als neue Mitglieder für die evangelische Delegation der Evan-gelisch-Jüdischen Gesprächskom-mission (EJGK):– Prof. Dr. Matthias Konradt, Bern– Lucie Kaennel, Lausanne.

nominiert als Mitglied für die «Stän-dige Kommission für Glauben und Kirchenverfassung» des Ökume-nischen Rates der Kirchen Pfrn. Dr. Isabelle Noth, Bern.

nimmt Kenntnis vom Rücktritt von T. Gasser aus dem Stiftungsrat BFA. Er schlägt der Abgeordnetenver-sammlung J. Pestalozzi-Racine zur Wahl in den Stiftungsrat BFA für den Rest der Amtszeit 2004 bis 2007 vor.

wählt Martin Böhringer, Pfarrer Evang. Pfarramt Alt St. Johann/SG, per 1. April 2005 als Mitglied der Kommission Kirche und Tourismus für den Rest der Amtszeit 2003 bis 2006.

stimmt dem Projekt «Ebenenge-rechte Zuordnung der Aufgaben und Ressourcen» zu. Auf dem Hintergrund der sich verändern-den Finanzsituationen soll mit den Mitgliedkirchen das Gespräch auf-genommen werden über die Frage, wer in Zukunft welche Aufgabe im schweizerischen Protestantismus übernehmen soll, um ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen.

genehmigt die Stellungnahme zum Bundesgesetz über die Anwendung von Zwang im Ausländerrecht und beim Transport von Personen im Auftrag der Bundesbehörden (Zwangsanwendungsgesetz ZAG).

beschliesst, sich im Hinblick auf die Debatten zur Revision des Asyl-gesetzes sowie zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Aus-länder mit einem Brief an die Staats-politische Komission des National-rats weiterhin für folgende Anliegen einzusetzen:

1. Im Asylgesetz: Beibehaltung des Konzepts der humanitären Aufnahme und des Kriteriums «konkrete Gefährdung» statt «Exis-tenzgefährdung»; Verzicht auf die vorgeschlagene Ausdehnung des Sozialhilfestopps auf abgewiesene Asylsuchende; Verzicht auf die vor-geschlagene Einschränkung oder Verweigerung der Nothilfe (Bun-desgerichtsurteil); Verzicht auf den Vorschlag, bei Papierlosigkeit (kein gültiger Pass oder Identitätsausweis) generell auf das Asylgesuch nicht einzutreten.

2. Im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer: Gesetzliche Regelung der Kriterien für die Zulassungsvoraussetzungen in schwerwiegenden persönlichen Härtefällen; Einführung einer gesetzlichen Grundlage für die aus-

serordentliche Regularisierung von besonderen Gruppen aus humanitä-ren Gründen durch den Bundesrat.

nimmt Kenntnis von den Vorberei-tungsarbeiten des HEKS zur Mitar-beit beim Referendum zur Verschär-fung der Asylpolitik. Er erwartet einen Kriterienkatalog als Grundlage für seine Entscheidung über eine all-fällige Zustimmung zur Mitarbeit.

genehmigt den gemeinsamen Text «Sonntag schützen – Gemeinschaft stärken» des SEK und der Schweizer Bischofskonferenz.

nimmt den Jahresbericht 2004 der Kommission für Aussenbeziehungen zur Kenntnis. Es ist der erste Jahres-bericht dieser Kommission seit der Neuordnung der Beziehungen mit den Werken und Missionsorganisa-tionen. Er beauftragt die Abteilung Aussenbeziehungen, dem Rat die Zielsetzungen im Zusammenhang mit der Arbeit der Kommission zu unterbreiten.

nimmt Kenntnis vom Vorgehen bezüglich der Umsetzung der Beschlüsse der 24. Vollversammlung des Reformierten Weltbundes 2005 in Accra. Er genehmigt die für 2005 vorgesehenen Massnahmen und beauftragt die Abteilung Aussenbe-ziehungen mit der Information der Mitgliedkirchen.

Aus dem Rat Sitzungen März bis Juni 2005

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RATS-INFO32

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beschliesst die Ziele der Reise einer Delegation des SEK nach China zum China Christian Council CCC und zur «Drei-Selbst-Bewegung». Er ermächtigt den Ratspräsidenten, das «Memorandum of Understan-ding Between The Federation of Swiss Protestant Churches And The China Christian Council Together With The Three-Self Patriotic Move-ment of The Protestant Churches In China» verbindlich zu bestätigen und zu unterzeichnen. Er genehmigt die «SEK–Policy in Bezug auf das Problem der Beziehung zwischen der Volksrepublik China und Taiwan respektive dem China Christian Council (CCC) und der Presbyterian Church In Taiwan (PCT)».

stimmt dem Projekt «Vorbereitung der 9. Vollversammlung des Öku-menischen Rates der Kirchen 2006 in Porti Alegre» zu.

beschliesst, die neunte Vollver-sammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 2006 in Porto Alegre mit CHF 100’000. – zu unterstüt-zen, wie dies auch bei früheren Voll-versammlungen der Fall war.

plant, der Abgeordnetenver-sammlung im Herbst 2005 Bericht zu erstatten über den Stand der Beantwortung der Motion der Nord-westschweizer Kirchen betreffend die Zusammenarbeit von HEKS und BFA. Er fordert die beiden Stiftungs-räte dazu auf, ihm bis Ende August die im Brief vom 10. Februar und dem beigelegten Ratsbeschluss erbetenen Stellungnahmen zur Motion zuzustellen.

nimmt den Projektbeschrieb «Wirt-schaftliche Globalisierung» der Abteilung ITE (Institut für Theologie und Ethik) zur Kenntnis. Dieses Projekt gehört zur Umsetzung der Beschlüsse des Reformierten Welt-bundes.

nimmt den Evaluationsbericht zum Open Forum 2005 zur Kenntnis. Er beauftragt die Abteilung ITE mit der Ausarbeitung der AV-Vorlage, die einen Antrag auf Unterstützung der Mitträgerschaft des Open Forum durch den Rat enthalten soll. Er beschliesst, dass der SEK Mitträger des Open Forum 2006 ist, und beauftragt die Projektgruppe, die Empfehlungen der Evaluation in die Planung einzubeziehen.

genehmigt das SEK-Positionspapier zur Uno-Reform. Das Papier wird in Deutsch, Französisch und Englisch veröffentlicht. Es wird den Mit-gliedkirchen, dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Ange-legenheiten und den aussenpoliti-schen Kommissionen zugestellt.

genehmigt die Stellungnahme zur Volksabstimmung über die bilatera-len Verträge II mit der Europäischen Union, betreffend die Abkommen von Schengen/Dublin vom 5. Juni 2005.

unterstützt die ökumenische Was-sererklärung, welche durch das Institut für Theologie und Ethik und der Fachstelle Justitia et Pax erarbeitet wurde und zusammen mit Vertretern der Kirchen Brasiliens unterzeichnet werden soll.

genehmigt das Konzept der zukünf-tigen Publikationsreihen «SEK-Posi-tionen», «SEK-Focus», «ITE Studi-en», «ITE-Impulse».

stimmt der strukturellen Umwand-lung der Schweizerischen Litur-giekonferenz in eine Liturgiekom-mission SEK zu. Er genehmigt das Mandat.

nimmt das Arbeitsprogramm der Geschäftsstelle, geordnet nach den Zielen und Strategien des Rates, zur Kenntnis. Damit entsteht ein Instru-ment zur Überprüfung der Tätigkeit des SEK anhand der gesetzten Ziele. Er beauftragt die Geschäftsstelle mit der Weiterentwicklung des Arbeits-instruments.

stimmt dem definitiven Projekt Umbau der Liegenschaft Sulgenau-weg 26 zu. Er nimmt vom Terminplan Kenntnis. Er beschliesst Baufreigabe – vorbehältlich Beschluss der Abge-ordnetenversammlung über die Ent-nahme aus dem Kapital John Jeffries.

beschliesst, für die geschlechterbe-zogene Bezeichnung von Personen in Rechtstexten des SEK die Lösung der Bundeskanzlei zu übernehmen.

genehmigt Jahresbericht und Jah-resrechnung 2004 der Schweizeri-schen Reformationsstiftung.

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Das diesjährige Thema der Diakoniekonferenz ‹Parti-zipation als Ansatz der Diakonie› (siehe S. 25) legt den Schwerpunkt auf die Suche nach Lösungen mit den Men-schen statt für die Menschen. Nicht die blosse Hilfeleis-tung, sondern die Inklusion der Hilfebedürftigen und die Wahrung deren Autonomie stehen im Vordergrund. Fran-çois Dubois, handelt es sich bei der diakonischen Arbeit für die Menschen oder mit den Menschen tatsächlich um ein Gegensatzpaar?

Ich sehe keinen Gegensatz, sondern zwei Seiten ein und derselben Sache. Diakonie ist Dienst im Sinne des christli-chen Glaubens und damit spirituell; sie ist aber auch konkre-tes Handeln und In-Beziehung-Treten mit den Menschen. Mein Verständnis von Diakonie richtet sich so besehen am Bild einer Aufhebung von Himmel und Erde aus. Das heisst, sie ist eine Antwort auf die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Es muss eine Gesellschaft sein, in der die zwischenmenschlichen Beziehungen wichtig sind. Gott fin-det sich nicht nur in der Spiritualität und im Ritual, sondern auch in den aktiven Beziehungen, die wir mit anderen Men-schen eingehen.

Geht dies nicht auf Kosten der Hilfe zur Selbsthilfe und der individuellen Autonomie?

Ich spreche nicht von sozialem Aktivismus, sondern von der Notwendigkeit, einer eher individualistisch, ethisch an ‹meinem› guten Leben orientierten Spiritualität eine kollek-tive Dimension problembezogenen, kritischen und damit prophetischen Denkens zur Seite zu stellen. Zwischen der Liebe Gottes zu den Menschen und deren Befähigung zur Freiheit, zur Partizipation und damit auch zur Politik besteht

ein enger Zusammenhang. Natürlich ist die Autonomie des Individuums zentral, und es herrscht heute im diakonischen Handeln Einigkeit darüber, dass der Hilfe für den notleiden-den Menschen immer absolute Priorität zukommt. Doch wenn man mir die Frage stellt, ob ich bei meiner Arbeit der individuellen Hilfe für einen Menschen oder aber struktu-rellen Reformen zur Verbesserung der sozialen Lage vieler Menschen den Vorzug gebe, dann antworte ich, dass ich nach Möglichkeit am liebsten beides tue.

Sie beschreiben Diakonie als ‹Dienst› am Nächsten, dem eine kollektive Dimension, das heisst eine Vorstel-lung vom Zusammenleben der Menschen und der Aus-gestaltung ihrer Gemeinschaft inhärent ist. Diakonie ist folglich auch politisch. Wie weit darf sich die Kirche in diese Dimension vorwagen?

Kirche sollte die Funktion eines Sammelpunktes sozialer Beziehungen einnehmen. Barmherzigkeit, Nächstenliebe und der Sinn für soziale Gerechtigkeit stecken die vordringliche Aufgabe der Kirche ab, diese Werte in die soziale Realität zu übersetzen, Armut und soziale Probleme sichtbar zu machen und zu bekämpfen. Keinesfalls dürfen sich die Ungerechtig-keiten zwischen Arm und Reich in den Strukturen kirchlicher Organisationen widerspiegeln. Indessen gilt sichtbare Armut in unseren Kirchen noch allzu oft als anstössig, und der soziale Status bleibt ausschlaggebend für die Übernahme kirchlicher Ämter. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sich das Bild ‹marginaler› Armut lange tradiert hat. Der Illusion von Vollbeschäftigung, Fortschritt und Wachstum zufolge erscheint Armut als individueller Unfall und marginales Phä-nomen, dem sich spezifische Institutionen annehmen sollen.

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Diakonie: Gabe und Gegengabe wider die Beziehungslosigkeit

Diakonie wird als solidarisches Handeln der christlichen Kirchen und Werke innerhalb der christ-

lichen Gemeinden und der Gesellschaft verstanden. Heute verschreibt sich diakonische Arbeit vor

allem der Aufgabe, die Nöte von Personen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen wahrzu-

nehmen, auf die Ursachen der verschiedenen Formen von Ausgrenzung aufmerksam zu machen

und die Kirche an ihre Pflicht zu erinnern, für Menschen am Rande der Gesellschaft und für

diejenigen, die in unwürdigen Verhältnissen leben müssen, Partei zu ergreifen. Dieser Interpre-

tation folgt auch der Leiter des Centre social protestant CSP in Neuenburg, François Dubois, im

Gespräch mit Elisabeth Ehrensperger.

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Wohl setzt sich mittlerweile eine differenziertere Wahrneh-mung durch, die Armut als strukturelles Problem und inso-fern als disqualifizierend erkennt, als sie Menschen aus der Gesellschaft ausschliesst und zum Sozialfall macht. Doch trotz dieses Perspektivenwechsels hat sich wenig an der seit dem 19. Jahrhundert herrschenden Praxis geändert, den Armen zu geben, ohne sie an ihrer eigenen Reintegration in die Gemein-schaft partizipieren zu lassen. Wie soll aber jemand zur Partizi-pation ermutigt werden, der sich ausgeschlossen und unnütz fühlt? Wie soll Partizipation als Ansatz der Diakonie gelten, wenn ein hoher sozialer Status Verantwortung und Partizipa-tion erst möglich macht – auch in der Kirche?

Ist Partizipation denn überhaupt noch ein Thema, nachdem die Kirchen weitgehend Dienstleistungsunter-nehmen gleichen und Religion zur individuellen Angele-genheit wird?

Tatsächlich wird die Kirche verstärkt als Dienstleistungs-betrieb wahrgenommen. Dieser Umstand, ebenso wie die Individualisierung der Religiosität, wirken sich auf Institu-tionen wie das Centre social protestant CSP nicht nur nega-tiv aus. Zahlreiche Menschen identifizieren sich heute eher mit sozialen Werken, als mit den Kirchen, und zeigen sich projektbezogen spendenfreudig. Die Kehrseite dieser Ent-wicklung ist aber, dass kirchliche Dienstleistungen bezogen werden, ohne dass dafür partizipiert wird. Eigenes Partizi-pieren in der Kirche ist out – Kirchen und ihre diakonischen Dienstleistungen (finanziell) zu unterstützen, ist hingegen in. Dabei wäre zu fragen, inwieweit die Kirchen selbst diese Tendenz mit unterstützen, weil sie in echter Partizipation auch ihren eigenen Machtverlust erblicken.

Partizipation als Bedrohung kirchlicher Autorität auf institutioneller Ebene und als punktuelles, oft bloss finan-zielles Engagement auf individueller Ebene – was bedeu-tet dies für die Diakonie der Zukunft?

Erinnern wir uns – Diakonie ist In-Beziehung-Treten mit Menschen. In einer Gesellschaft mit starken sozialen Struk-turen sind Gabe, Nehmen und Gegengabe Pflichten: Geben ist die Pflicht der Reichen zur Grosszügigkeit, Nehmen die Pflicht, den Gebenden nicht zu verletzen, und Zurückgeben die Pflicht, die eigene Minderbemitteltheit nicht zu offenba-ren. Diese drei gesellschaftlichen Codes sind Quell elementa-rer zwischenmenschlicher Beziehungen. Erlischt die Chan-ce zur Gegengabe, brechen alle sozialen Beziehungen in sich zusammen und Armut führt zur gesellschaftlichen Exklu-sion. Ich persönlich nenne mich Individualist und kenne doch die negativen Auswirkungen des individualisierten, auf emotionaler Motivation basierenden Gebens, das heute zur Norm geworden ist: Der Gebende identifiziert sich mit dem Opfer und erwartet keine Gegengabe, weil es ihm um das reine Geben geht. Der Notleidende wird seinerseits bloss noch nehmen wollen, weil seine Minderbemitteltheit zu seiner Identität geworden ist. In einer solchen Gesellschaft werden elementare soziale Beziehungen zerstört, Menschen fallen der Einsamkeit und Isolation unfreiwillig anheim. Vor diesem Hintergrund spielen die Kirchen ihre Rolle als Dienstleistungsbetriebe ohne Zwang zur Partizipation. Ide-alerweise sollten sie sich der Schaffung von Strukturen und Foren widmen, in denen das ursprüngliche Bedürfnis des Menschen nach Bindung und sozialer Einbettung befrie-digt werden kann. Als Sammelpunkt sozialer Beziehungen muss Kirche das Sein des Menschen in der Gemeinschaft zum Zentrum ihrer Bemühungen machen. Diakonie muss sowohl für als auch mit den Menschen Räume schaffen gegen die Beziehungslosigkeit.

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Zur Person

Pfr. Dr. François Dubois, geb. 1964 in Neuenburg, ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Seit 2001 ist François Dubois Direktor des Centre social protestant CSP des Kantons Neuenburg http://www.csp.ch/page.asp?np=2&id=27 . Das CSP Neuenburg ist eines von insgesamt vier Zentren seiner Art in der Romandie (drei weitere in Genf, Waadt, Bern-Jura). Die Zentren sind unabhängige, in der Association suisse des CSP zusam-mengeschlossene Institutionen, die unter anderem mit Sozialarbeitern, Rechtsberaterinnen und Juristen zusam-menarbeiten.

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: zvg

Als Sammelpunkt sozialer Beziehungen muss Kirche das Sein des Men-schen in der Gemeinschaft zum Zentrum ihrer Bemühungen machen.

Page 36: Eine Publikation des Schweizerischen Evangelischen ... · ge Missionsarbeit war auf die südostchinesische Hakka-Eth-nie ausgerichtet. Bis heute bestehen Missions- und Partner- schaftsbeziehungen

«Was du auch immer über China hörst und diesem Land siehst, es ist immer irgendwie wahr.»

Foto: SEK/Thomas Wipf