Einführung in die Schulpädagogik - LMU München · 2019-11-16 · Democracy and education (2008)...
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Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen
Unterrichten
Erziehen
Diagnose inkl.
Leistung messen
Beraten
Innovieren,
Schule entwickeln
Einführung in die Schulpädagogik
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 2
Erziehen
• 1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
• 2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das Erziehen in der Schule?
• 3. Leitfrage: Wie gestalte ich Erziehungssituationen in der Schule?
• 4. Leitfrage: Welche Annahmen sind Mythen der Erziehung?
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Sag mal, weißt Du eigentlich dass Dein Sohn Markus seit Wochen eine Spielkonsole in Peters Zimmer deponiert hat?
Die Mutter stellt ihren Sohn zur Rede und erfährt so…
…dass er 90 Euro aus ihrer Geldbörse gestohlen hat, um, zusammen mit erspartem Geld, eine Spielkonsole zu kaufen. Da er weiß, dass seine Mutter Spielkonsolen
ablehnt, hat er sie bei seinem Freund Peter gelagert. Der getrennt lebende Vater weiß nichts von diesem Vorfall.
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Die Mutter streicht ihrem Sohn das Taschengeld für einen Monat. Zudem geht sie mit ihrem Sohn in das Geschäft, in
dem Markus die Konsole gekauft hat, und fordert den Verkäufer auf, die Konsole zurückzunehmen – schließlich ist Markus mit 11 Jahren noch nicht geschäftsfähig. Der
Verkäufer stimmt dem nach einigem Hin und Her zu. Markus ist die Diskussion im Geschäft sichtbar peinlich.
Der getrennt lebende Vater wundert sich bei den regelmäßigen Treffen, dass sich sein Sohn immer mehr
zurückzieht. Die Mutter von Markus hat ihn immer noch nicht informiert. Er fragt nach, ob z.B. in der Schule etwas nicht stimmt, erhält aber nur ausweichende Antworten.
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Die Schulleistungen von Markus werden in den folgenden Wochen immer schwächer. Die Klassenlehrkraft bittet die beiden sorgeberechtigten Elternteile zu einem Gespräch. Die Mutter informiert die Lehrkraft sowie den bis dahin
nichtsahnenden Vater über den Vorfall mit der Spielkonsole.
Der Vater macht seiner geschiedenen Frau große Vorwürfe, da er nicht über den Vorfall informiert wurde. Die Lehrkraft bittet die Mutter, nicht mehr so streng mit
Markus zu sein, da er ´vollkommen von der Rolle´ sei.
Die Eltern stimmen sich ab und teilen Markus mit, dass sie den Vorfall als einmaligen Ausrutscher betrachten und dass das Thema für sie erledigt ist. Die Schulleistungen von Markus bessern sich
wieder, und es kommt zu keinen weiteren Auffälligkeiten
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Wie stellt sich der
beschriebene Fall mit
Blick auf
Erziehungstheorien dar?
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Definitionsansätze nach
- Dieter Lenzen/ Niklas Luhmann
- John Dewey
- Wolfgang Brezinka
- Herbert Gudjons
- Klaus A. Schneewind
- Ekkehard von Braunmühl
- Urie Bronfenbrenner
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Dieter Lenzen/ Niklas Luhmann
„Erziehung ist eine Zumutung,
Bildung ist ein Angebot“
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
John Dewey
Erziehung ist: „direction, control, and
guidance“
John Dewey. Democracy and education (2008)
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Brezinka
Die Mutter versucht mit
Ermahnungen,
Sanktionen
Psychische
Dispositionen
wie z.B.
´Ehrlichkeit´
zu verbessern
oder ihren
Sohn von
Spielkonsolen
fernzuhalten
Kontext Schule und Elternhaus
Erziehungsbegriff nach Brezinka – Fall ´Markus´
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Brezinka
Erziehende versuchen mit
soz. Handlungen
Psychische
Dispositionen
zu erhalten
zu verbessern
zu beseitigen
Normativer Kontext
Wissenschaftliche Beschreibung und Interpretationskontext
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Brezinka
Einstellungen zur Erziehung
• Was sollten Kinder im Elternhaus lernen?
• Erziehungsgrundsätze und -maximen von
Eltern
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Was sollten Kinder im Elternhaus lernen?
22%
25%
40%
41%
42%
54%
56%
58%
61%
64%
66%
68%
69%
77%
77%
79%
79%
79%
84%
85%
89%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Religiösität
Interesse für Politik
Freude an Büchern, gern lesen
Das Leben genießen
Technisches Verständnis
Neugier, Wissensdurst
Umweltbewusstsein
Sparsamer Umgang mit Geld
Gesunde Lebensweise
Leistungsbereitschaft, Ehrgeiz
Sorgfalt
Toleranz
Pünktlichkeit
Selbstständigkeit
Gute, vielseitige Bildung
Selbstbewusstsein, sicheres Auftreten
Hilfsbereitschaft
Durchhaltevermögen
Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit
Verantwortungsbewusstsein
Höflichkeit, gutes Benehmen
aus: Vodafone Stiftung Deutschland
(2015): Was Eltern wollen.
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Unsicherheit bei Erziehungsfragen
aus: Vodafone Stiftung Deutschland
(2015): Was Eltern wollen.
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Worüber machen sich Eltern im Zusammenhang mit
Erziehung und schulischen Belangen Gedanken? aus: Vodafone Stiftung Deutschland
(2015): Was Eltern wollen.
59%
48%
47%
45%
41%
35%
35%
34%
27%
26%
21%
14%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
Wie man seine Kinder dazu bringt, ihre schulischen
Pflichten selbstständig und gewissenhaft zu erledigen
Wie man seine Kinder besser beim Lernen, den
Hausaufgaben unterstützen kann
Wie man den Kindern mehr Freude an der Schule, am
Lernen vermittelt
Wie man den Alltag der Kinder rund um die Schule besser
organisieren kann
Was die beste Schule für die Kinder ist
Wie man Kinder außerhalb der Schule besser fördert
Was man tun kann, wenn die Kinder Probleme mit
Mitschülern haben
Was man tun kann, wenn man mit einem Lehrer
unzufrieden ist
Welche Fächer die Kinder vertiefen sollten
Wohin man sich wendet, wenn die Kinder Probleme in
der Schule haben
Wie man die Kinder am besten erzieht
Wie man außerhalb der Schule eine gute Betreuung findet
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 16
1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Erziehungsgrundsätze und -maximen
2%
13%
15%
21%
26%
27%
31%
52%
57%
63%
66%
66%
82%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90%
Am besten, man erzieht seine Kinder überhaupt nicht
Ich bin für eine strenge Erziehung
Ich verlange von meinen Kindern viel, Kinder wollen gefordert werden
Ich lasse meinen Kindern viele Freiheiten, halte wenig von Regeln und
Verboten
Kinder wollen ihre Grenzen gezeigt bekommen
Wenn nötig, muss man Kinder auch zwingen, bestimmte Interessen weiter zu
verfolgen
Ich versuche, meine Kinder so wenig wie möglich bei ihren Interessen und
Neigungen zu lenken
Wichtiger ist, dass Kinder eigene Erfahrungen machen, als dass man ihnen
ständig Vorschriften macht
Man muss Kinder früh an alle möglichen Interessensgebiete heranführen, ihnen
viele Anregungen geben, damit sich ihre Interessen und Neigungen entfalten…
Wichtig ist, dass Kinder auch viel Zeit für sich haben
Bin für Erziehung nach klaren Regeln und Vorgaben
Kinder sollten schon früh Pflichten übernehmen, nicht nur tun, was ihnen Spaß
macht
Die beste Erziehung ist, seinen Kindern ein Vorbild zu sein
aus: Vodafone Stiftung Deutschland
(2015): Was Eltern wollen.
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Gudjons
Erzieher Zu Erziehender Interaktion
Kompetenzgefälle
Rollen
Erziehungsziele
(Werte, Normen)
- Intendiertes methodisches Handeln
- Gegenstände Themen
Institutionen der Erziehung (z.B. Schule, Familie)
Gesellschaftlich-historisch-sozialer Lebenskontext
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
• Klaus A. Schneewind
– Freiheit ohne Grenzen
– Grenzen ohne Freiheit
– Freiheit in Grenzen
• Kafkas Kleine Fabel
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Schneewind
hoch
niedrig
Elterliche
Wertschätzung Fordern und
Grenzensetzen
Gewährung von
Eigenständigkeit
Freiheit in Grenzen
Grenzen ohne Freiheit
Freiheit ohne Grenzen
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung? Schneewind
• Erkennen Sie die individuellen Stärken Ihrer Schüler.
• Klären Sie Ihre Erziehungsgrundsätze.
• Handeln Sie nach einem Konflikt mit einem Schüler nicht aus
dem Affekt heraus.
• Gehen Sie auf Probleme der Schüler direkt und unmittelbar ein.
• Geben Sie klare Anweisungen für Arbeitsaufträge.
• Reden und Handeln Sie respektvoll.
• Sprechen Sie von sich selbst.
• Lassen Sie den/die Schüler entscheiden.
• Verwenden Sie Regeln und Absprachen.
• Seien Sie konsequent mit Konsequenzen.
Quelle: Seminar „Erziehung in der Schule“, Dr. Barbara Meyer & Studierende
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
• Franz Kafka: Kleine Fabel
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 22
Kafka: Kleine Fabel
"Ach", sagte die Maus, "die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe." - "Du musst nur die Laufrichtung ändern", sagte die Katze und fraß sie.
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grenzenlose Freiheit
Angst
Mauern
Mauern
glücklich ABER
letztes Zimmer
Falle
Kafka: Kleine Fabel
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Antipädagogik
• „Der Anspruch, andere Menschen in ihren ‚Grundstrukturen‘ zu formen, ihnen ‚Ziele der Lebensgestaltung‘, den ‚Kurs fürs Leben‘ zu setzen, […], dieser Anspruch ist es, der mit dem Begriff ‚Erziehung‘ gekennzeichnet wird. Ihn zu durchschauen, als seinem Wesen nach intolerant, misstrauisch, totalitär und auf Entselbstung zielend, ist die Voraussetzung dafür, die Erziehung nicht nur als überflüssig, sondern als kinder-, menschen-, lebensfeindlich, als verbrecherisch zu erkennen.“ (S. 78)
• „Erziehung ist Gehirnwäsche, zunehmend trickreich veranstaltete, gewiss, um keinem Widerstand aufkommen zu lassen, aber eben Gehirn- (und Seelen)wäsche.“ (S. 84)
(aus: Braunmühl (1988). Antipädagogik)
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1. Leitfrage: Was ist Erziehung?
Bronfenbrenner
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 26
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule?
• wichtig
• unwichtig
• untergeordnet
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 27
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Wichtig
• Johann Friedrich Herbart (1776-1841):
„Und ich gestehe gleich hier, keinen
Begriff zu haben von Erziehung ohne
Unterricht; so wie ich rückwärts, in dieser
Schrift wenigstens, keinen Unterricht
anerkenne, der nicht erzieht.“ (1806)
• Sozialpädagogisierung oder Therapeutisierung der
Hauptschule als Erziehungsproblem
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 28
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Wichtig
• Wilhelm Lamszus:
„…überall fehlt es in den Schulen an Lehrern, die bereit und
fähig sind, nicht nur diese oder jene neue Unterrichtsmethode zu
probieren, sondern das zu tun, was die Schulreform von ihnen
forderte, die gesamt Erziehung von grundaus neu zu gestalten.
Es fehlt an den geborenen Erziehern.“ (1948, S. 33)
• Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen:
„Weit mehr als in manchen anderen akademischen Berufen
hängt das Wirksamwerden der fachlichen Qualifikationen von
menschlichen Eigenschaften ab, die sich nicht in der
wissenschaftlichen Arbeit allein, sondern erst in mitmenschlichen
Umgang […] erwerben lassen. (1965, S. 768)
(aus: Herrmann, U.: Der lange Abschied vom „geborenen Erzieher“)
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2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Wichtig
• Erziehender Unterricht
• „Ergänzend zum Unterricht, durch ihn selbst mit transportiert,
aber über ihn hinausgehend, spielt Erziehung in der Schule
eine zunehmend wichtige Rolle. Das Konzept eines
erziehenden Unterrichts denkt Erziehung stets als auch dem
Unterricht selbst zugehörig. Erziehung zielt über das bloße
Vermitteln von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, über
das In-Gang-Setzen von Lernprozessen stets hinaus auf die
Person bzw. Persönlichkeit des einzelnen Kindes oder
Jugendlichen. Somit ist Erziehung mehr als etwa bloß
pragmatisch verstandener Unterricht.“
Ruep, M. (2004). Lernen durch Lehren: Versuch einer Definition.
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 30
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Unwichtig
Hermann Gieseke
• Die Schule soll nur unterrichten
• „Die Schule kann vielmehr die Schul-
und Unterrichtsfähigkeit ihrer Schüler
nur bis einen bestimmten Grade selbst
herstellen. Sie muß ein Mindestmaß
davon jedoch voraussetzen können
und, wenn dies nicht der Fall ist, die
Eltern in die Pflicht nehmen […]”
(aus: ders. (1996). Wozu ist die Schule da? Hrsg. von P. Fausner, P.)
(S. 6)
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2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Untergeordnet
• Ewald Terhart
• KMK-Bildungsstandards
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2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Untergeordnet
Terhart
• Kernbereich der Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern ist
„die gezielte, Planung, Organisation, Gestaltung und
Reflexion von Lehr-Lern-Prozessen“ (S. 48)
• Diese Kernkompetenz ist mit weiteren Anforderungen
verknüpft: dem Erziehen, Diagnostizieren, Evaluieren und der
Kooperation (mit Kollegium und Eltern)
(aus: Terhart, E. (Hrsg.) (2000). Perspektiven der Lehrerausbildung in Deutschland.)
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 33
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das
Erziehen in der Schule? - Untergeordnet
• Ausbildungsinhalte einer Lehrkraft
gemäß den gegenwärtigen
Empfehlungen der KMK
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 34
Ausbildungsinhalte einer Lehrkraft gemäß den gegenwärtigen
Empfehlungen der KMK
1. Bildung und Erziehung
2. Beruf und Rolle des Lehrers
3. Didaktik und Methodik
4. Lernen, Entwicklung und Sozialisation
5. Leistungs- und Lernmotivation
6. Differenzierung, Integration und Förderung
7. Diagnostik, Beurteilung und Beratung
8. Kommunikation
9. Medienbildung
10. Schulentwicklung
11. Bildungsforschung
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das Erziehen in der Schule? -
Untergeordnet
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 35
1. Bildung und Erziehung
• Begründung und Reflexion von Bildung und Erziehung in institutionellen Prozessen
Ausbildungsinhalte einer Lehrkraft gemäß den gegenwärtigen
Empfehlungen der KMK
2. Leitfrage: Welche Bedeutung hat das Erziehen in der
Schule? - Untergeordnet
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 36
3. Leitfrage: Wie gestalte ich
Erziehungssituationen in der Schule?
Johann Friedrich Herbart
(*1776 †1841)
Eleanor Maccoby
(*1917)
Klaus Schneewind
(*1939)
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 37
3. Leitfrage: Wie gestalte ich Erziehungssituationen in der
Schule?
Pädagogischer Takt als „Kleinod in der pädagogischen Kunst“ (Johann Friedrich Herbart in „der 1. Vorlesung über Pädagogik“ 1802)
„... Dass unvermeidlich der Takt an die Stellen eintrete, welche die
Theorie leer ließ, und so der unmittelbare Regent der Praxis werde.
Glücklich ohne Zweifel, wenn dieser Regent zugleich ein wahrhaft
gehorsamer Diener der Theorie ist [...]. Die große Frage nun, an der es
hängt, ob jemand ein guter oder ein schlechter Erzieher sein werde, ist
einzig diese: wie sich jener Takt bei ihm ausbilde, ob getreu oder
ungetreu den Gesetzen, welche die Wissenschaft in ihrer weiten
Allgemeinheit ausspricht?“
(Johann Friedrich Herbart in „Ausgewählte Pädagogische Schriften“, hrsg. von W. Asmus 1964/65)
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 38
3. Leitfrage: Wie gestalte ich Erziehungssituationen in der
Schule?
Das Modell des pädagogischen Taktes
Der pädagogische Takt ist das pädagogische Gespür für das Erfolg
versprechende Handeln in einer Situation, welches als Regent der
Praxis zugleich ein Diener der Theorie ist (frei nach Herbart, 1802).
Theorie Praxis Pädagogische
Differenz
Takt als Diener der Theorie und
Regent der Praxis
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 39
3. Leitfrage: Wie gestalte ich Erziehungssituationen in der
Schule?
Der Erwerb des pädagogischen Taktes als kontinuierlicher
Kreislauf pädagogischen Expertiseerwerbs
Situation Handlung Erfahrung Theorie
Reflexion
Neue
Handlungs-
alternativen
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 40
Kontrolle
hoch niedrig
Wärme
hoch autoritativ permissiv-verwöhnend
niedrig autoritär Zurückweisend-vernachlässigend
Nach: Maccoby/Martin (1983), Steinberg et.al. (1994)
3. Leitfrage: Wie gestalte ich Erziehungssituationen
in der Schule? – Klassifikation der Erziehungsstile
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 41
Autoritativ: Konservativ-etabliertes
Milieu/ Milieu der Performer
Attachment Parenting/Demokratische Erziehung: Liberal-intellektuelles
Milieu/ Sozialökologisches Milieu/ Expeditives Milieu/ Bürgerl. Mitte
Autoritär: Traditionelles Milieu
Permissiv-verwöhnend: Hedonistisches Milieu
Permissiv-vernachlässigend: Prekäres Milieu
3. Leitfrage: Wie gestalte ich Erziehungssituationen in der
Schule?
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 42
3. Leitfrage: Wie gestalte ich
Erziehungssituationen in der Schule? –
Milieuspezifische Erziehungsstile
Autoritativer Erziehungsstil
• hohes Maß an liebevoller Zuwendung und Wärme
• hohes Maß an Kontrolle
• Bekräftigung von Regeln
• Optimalform ab dem Vorschulalter
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 43
3. Leitfrage: Wie gestalte ich
Erziehungssituationen in der Schule? –
Milieuspezifische Erziehungsstile
Autoritärer Erziehungsstil
• hohes Maß an Kontrolle (überkontrollierend)
• wenig Verhandlungsbereitschaft
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 44
3. Leitfrage: Wie gestalte ich
Erziehungssituationen in der Schule? –
Milieuspezifische Erziehungsstile
Permissiv-verwöhnender Erziehungsstil
• Hohes Maß an liebevoller Unterstützung, Zuwendung
und Wärme
• Geringes Maß an Kontrolle
• Optimalform im Säuglings- und Kleinkindalter
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 45
3. Leitfrage: Wie gestalte ich
Erziehungssituationen in der Schule? –
Milieuspezifische Erziehungsstile
(Permissiv-)Vernachlässigender Erziehungsstil
• Geringes Maß an Zuwendung und Wärme
• Wenig Kontrolle
• Begünstigt die Entstehung von internalisierendem
und externalisierendem Problemverhalten
Prof. Dr. Ewald Kiel – LMU München Erziehen Folie 46
• Mythos der vorindustriellen Großfamilie
• „Früher war alles besser“:
– Beispiele für empirisch unhaltbare Thesen: • Kinder von heute sind verwöhnt oder
vernachlässigt
• Eltern von heute haben weniger Zeit für ihre Kinder – z.B. aufgrund von starker Verbreitung mütterlicher
Erwerbstätigkeit in den ersten Lebensjahren des Kindes
• Höhere Scheidungsraten als Folge geringerer Konflikt- und Problemlösekompetenz
• Auflösung der Kernfamilien
• Werteverfall
4. Leitfrage: Welche Annahmen sind Mythen der
Erziehung?